Skip to main content

Full text of "Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten in Vorlesungen für praktische Ärzte und Studirende [electronic resource]"

See other formats


I 


PATHOLOGIE  UND  THERAPIE 


der 


HAUTKRANKHEITEN 


IN  VORLESUNGEN 
für 


PRAKTISCHE  ÄRZTE  UND  STUDIRENDE. 


Von 


D^-  MORIZ  KAPOSI, 

a.  ö.  Professor  für  Derr.a.tologie  und  Syphilis  an  der  Wiener  UniversUat. 


Mit  04  Hohschmtlen  und  einer  Farbendruckta/el. 


WIEN  UND  LEIPZIG. 
URBAN  &  SCHWARZENBERG. 
1880. 


Griv\  39 ^s- 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


WELLCOME  INSTITUTE 

LIBRARY 

ColL 

welMOmec 

Call 

No. 

Druck  von  G.  üistel  &  Comp,  in  Wien,  I.,  August inerstrasse  12. 
Holzschnitte  aus  dem  xylographischen  Atelier  von  F.  X.  Ma  t  o  lo  n  i  in  Wien. 


1 


sktnb:s[ 


HOCHVEREHRTEN  LEHRER 


HERRN  PROFESSOR 


D""  Ferdinand  rittervon  Hebra 


IN  PIETÄT  T]ND  DANKBARKEIT 


/;f.widmf.t 


VOM  VERFASSER. 


Vorwort. 


Zur  Verfassung  des  vorliegenden  Werkes  hat  mich  vor  Allem 
,e.-oo-en  die  Rücksicht  auf  das  actuelle  Bedürfniss  der  Aerzte  und 
BtucWcn  nach  einem,  der  Oricntü-ung  in  der  Praxis,  w.e  dem  Schul- 
zweckc  gleich  dienlichen  H  a  n  d  hu  c  h  e  d  e  r  D  e  r  m  a  t  o  l  o  g  i  e 

Demnächst  führte  mich  dazu  die  Erwägung,  dass  schon  wahrend 
der  Bearbeitung,  und  seit  Abschluss  des  von  meinem  hochverehrten 
Lehrer  Hebra  geschaffenen  und  von  mir  beendeten,  zweibänd.gen 
Werkes  über  Hautkrankheiten  viel  und  erheblich  Keues  und  Wissens- 
werthes  auf  dem  Gebiete  der  Hautkrankheiten  und  der  darauf  bezug- 
lic  l  Doctrinen  gewonnen  wurde,  was  am  besten  du..h  eme  P.^. 
cln,  wie  die  gegenwärtige,  den  Collegen  und  Stud.renden  übermittelt 

^":orangestellten  praktischen  und  Lehrzweeke  wav  ich  bestrebt 
Anlao-e  md  Umf  ng,  Darstellung  und  Inhalt  des  Werkes  anzupassen-, 
m^'^^rchwe^s  bin  id.  bemüht  gewesen,  die  Einsicht  daftir  zu  wecken, 
i  tr^indniss  der  Dermatopathicn  nur  auf  richtigen  Yor^ellung^ 

.s  den  medicinischcn  Grundwissenschaften,  insbesondere  - 
.einen  Pathologie  und  pathologischen  Histologie  s.ch  -  J 
d.,ss  nur  aus  einem  derartig  gewonnenen  Yerständmsse  d  i  klm.schen 

C-hlungen  die  Selbständigkeit  und  Sicherheit  des  Urthe.ls,  sow.e 
!::  iZwusste  und  erfolgreiche  Therapcutik  dem  Kranken  gegenüber 

'""^Cn  die  Kreise,  lür  welche  dieses  Buch  l^estimmt  ist,  m  dem- 
selben'da^  linden,  was  ihnen  darin  zu  bieten  meine  ernste  Abs.ht  wa 
iriögen  mein:  geehrten  Fachcollegen  die  ^-cheidene  Le.s^ng  n.cht 
xnit  strengeren  Ansprüchen  bourthcilen,  als  s.e  selbst  sich  ,.bt. 


AVIEN,  im  Februar  1879. 


Der  Verfasser. 


I  n  Ii  a  1  t. 


Allgemeiner  Theil. 

Erste  Vorlesung:  Beziehung  der  Dermatologie  zur  allge- 
'^"^'Zinipatlfologie.Ihreßedeutunginw.^s^^^^^^^ 
Txnd   praktischer  Beziehung.    Geschichte  ihrer  Ln 
Wicklung  seit  dem  Alterthume  his  in  die  neueste  Ze  t 
zweite  Vorfesung:  Allgemeiner  Charakter  d^  ~ 
hetreffenden  pathologischen  Processe.  —  Wesentlicne 
uteS^ttimmung  derselben  mit  denen  ^er  anderen 
Organe  und  Gewebe.  -  Sie  treten  jedoch  mu  eigen- 
thfmlichen  Charakteren  in  Erscheinung  Der  speciale 
Charakter  ist  bedingt  durch  die  besondere  Anatonne 
der  Haut,  die  eigenartigen  Symptome  und  T^J^^^^^^  ^.«^ 
Hautkrankheiten.  -  Anatomie  der  Haut  und  ihiei 

Dritte^'orlesung":    Anatomie  '  der    Ha;t  iFol-tse'tzung). 

°"  PhyllogiedesHautorganes.  Dreifache  Function  des- 
selben als  Schutzorgan  und  Wärmeregulator  als 
specifisehes  Secretions-  und  als  «Pec^li-^es  Sinneso  |an 

Vierte  Vorlesung :  Allgemeine  ^y-;^''^^^'f:^f'^^^^^ 

und  obiective,   primäre  und  secundare  Kiankheits 
erscheinungen.  Vertheilung  <i'^^Efflorescenzen    •  . 

Fünfte  Vorlesung:  Allgemeine  Aetiologie.  l^^^^Vf^^^^^^ 
und  symptomatische  Dermatonosen.  Klmischei  Begriö 
der  Hautkrankheit.  Allgemeine  Diagnostik     .     •  • 

sechste  Vorlesung:  Verlauf,  Bedeutung  und  Lolgen^^ 
Prognose  der  Hautkrankheiten.  Allgemeine  Theiapie. 
—  Systematik  der  Dermatonosen 

Specieller  Theil. 

I  CLASSE. 
Hyperaemiae  cutaneae. 
JU^rclx  Bl«tübermil,.rxg  in  derx  oberfläcYUcUe-  Ha^t- 
Bcbichten  veranlasste  HantUrankUeiten. 
II.  CLASSE. 

Anaemiae  cutaneae. 
ID«clxverminderten«lntgeUaltibrex.  feinsten  Gefasse 

vernrsachte  krankUalte  Krsclxe.nungen  der  Haut. 

Siebente  Vorlesung:  Hyperämien  der  Haut  active  und 
passive,  idiopathische  und  symptomatische  Hyperamien, 
ßoBcola,  Erythema.  Anämie  der  Haut  


Seite 


1—21 


22—40 

41—55 
56—72 
73—87 

88—104 


105—121 


VIII 


III.  CLASSE. 

Ajiomaliae   secretiouis   cutaueae    et  glandularum 

c  u  t  a  u  e  a  r  u  m. 

JDurch  Abnormitäten  der  Hautseoretion  und  dei- 
Hautdrüsen  veranlasste  Hautlirankbeiten. 

Achte  Vorlesung:  Anomalien  der  Hautperspiration  und  Seite 
Scliweisssecretion.  —  Bromidrosis.  Physiologie  der 
Schweissabsondening :  chemische  Beschaffenheit  des 
Schweisses  und  taankhafte  Schweissabsonderung, 
Quantitative  Störungen:  Hyperidrosis  universalis  et 
localis.  Oertliche  und  allgemeine  Folgen  und  Compli- 
cationen.  Therapie.  Anidrosis.  Qualitative  Anomalien 
der  Schweissabsonderung.  Anatomische  Veränderungen 
der  Schweissdrüsen  ... 

 122 — 142 

Neunte  Vorlesung:  Anomalien  der  Fettsecretion.  Physio- 
logie der  Fettsecretion.  —  Pathologie.  Uebermässige 
Secretion.  Seborrhoea  localis  et  universalis.  Diagnose 
Prognose,  Therapie.  Verminderte  Secretion.  Xerosis! 
G-estörte  Excretion,  ihre  Folgen  als  Eetentionsformen 
Comedo,  Milium,  Molluscum  verrucosum  s.  conta- 
giosum. Atheroma    

IV.  CLASSE. 

Exsudatioues. 

Durch  Kxsudation  und  Entzündung  bedingte  Haut- 

liranblieiten. 

Zehnte  Vorlesung:  Allgemeines  über  Exsudation  und 
Entzündung.  Die  Zellentheilung,  ihre  Beziehung  zu 
jenen  und  zu  den  stabilen  und  eingewanderten  Form- 
elementen. Symptome  der  Exsudation  und  Entzündung 
an  der  Haut.  Verlauf  und  Ausgang  derselben.  Eeso° 
lution,  Eiterung,  Hypertrophie,  Atrophie,  Degeneration  168—183 

A.  Acute  exsudative  Dermatoseu. 
a)  Acute,  coatagiöse,  exsudative  Dermatosen. 

Eilfte  Vorlesung:     .Acute    Exantheme."  Gemeinschaft- 
liche Charaktere  der  acuten  Exantheme.  —  Masern  184—200 

Zwölfte  Vorlesung:  Scharlach   '>01-218 

Dreizehnte  Vorlesung:  Blattern  -  Geschichte.  Vari"ola-  " 
üon  und  Vaccination.  Variolosis,  Varicella.  Typische 
Blattern,   Variola  vera.    Atypische  mit  günstigem 
Verlaute   233 

Vierzehnte  Vorlesung:  Blattern  (Fortsetzung).  Un- 
günstige Atypie:  Variola  haemorrhagica ,  Variola 
confluens.    Complicationen  und  Folgen  der  Blattern 

  234-256 


IX 


Seite 


Fünfzehnte  Vorlesung:  Blattern  (Sc üus«)  Diagnose. 
Proo-uose.  Einüuss  der  iB.ptog  auf  die  Scliwere  der 
Erlu-ankung.  Aetiologie.  Therapie.  ProiAylaxis. 
7r     ■  •     niMTinäre   und    humamairte  Lymphe. 

W  Acut.,  nioit  «o»tu.io..,  .>:.~d"l"  X>«r=..o.«. 

1.  Ery tliemformen. 
Sechzehnte  Vorlesung:  Die  anatomischen  Veränderungen 
bei  den  Erythemen  identisch,  nur  nach  dem  Grade 
verschieden.  Erythema  multiforme  und  Herpes  Ins 
et  circinatus,  Erythema  nodosum,  Purpura  rheumatica  .(6-293 
Siebzehnte  Vorlesung:  Urticaria.  —  Formen  und  Be- 
deutung der  Urticaria,  idiopathische  und  symptomatische, 

acute  und  chronische  Nesseln  

2  Phlyctänosen,  Bläsclienaussclilä  ge. 
Achtzehnte  Vorlesung:  Herpes,  Herpes  Zoster,  dessen 
Beziehung   zum  Nervenverlaufe  und  zur  Ganghen- 
Erkrankung.  Specielle  Nosologie  •    '  ^^"^ 

Neunzehnte  Vorlesung:  Herpes  labialis    Herpes  pro- 
genitalis, Herpes  Iris  et  circinatus.   Miliaria  rubra, 

alba  et  crystallina.  Pemphigus  acutus  ö^o—ööt 

3  Dermatitides.  E  i  gentlicli  e  Hautent  z  ündung  e  n. 
Zwanzigste  Vorlesung:  Identität  der  anatomischen  Ver- 
änderung. Klinische  Verschiedenheit  durch  Grad  und 
Ursache  der  Entzündung  bedingt.  Idiopathische  und 
symptomatische  Dermatitis.  D.  traumatica,  a  venenatis 
et  dynamica.    Calorische  Form:    Verbrennung  und 

Erfrierung  *     \.  V  "  tt'  +* 

Einundzwanzigste  Vorlesung:  Symptomatische  Haut- 
entzüadungen.  -  Diffuse  erythematöse  En  zundung, 
Erysipel:  phlegmonöse  Form,  Pseudoerysipel.  Circum- 
sciite  Formen:  Furunkel,  Anthrax  (idiopathische 
und  symptomatische) ;  endemische  Formen:  Bouton 
d'Alep.  Zoonosen:Maliasmus,  Leicheninfectionspustel, 

Pustula  maligna  

B  Clironisclie,  exsudative  Dermatosen. 
Zweiundzwanzigste  Vorlesung:  Anatomische  Bedeutung 
und  klinische  Eintheilung  der  chronischen  Exsudativ- 
processe.   1.  S quamö  s  e  D  er  m at  o  s  e n.  Psoriasis  371-389 
Dreiundzwanzigste  Vorlesung :  Pityriasis  rubra.  Liehen. 

Liehen  scrophulosorum.  Liehen  ruber  .    .    •    •    •  -'-J^ 
'2  Pruriginöse  Dermatosen,  Juckausscliläge. 
Vierundzwanzigste  Vorlesung:  Eczema.  -  Definition 
Polymorphie    und    Wandelbarkeit    der  Symptome, 
typischer  Verlauf  des  acuten  Eczems ;  chronisches 
Eczem;  anatomische  Grundlage.  Specielle  Localisations- 
formen.  Impetigo  faciei;  Eczema marginatum;  Diagnose  408-4^o 


X 


Fünfundzwanzigste  Vorlesung:    Eczem.  (Fortsetzung.)  Seite 

Ursachen,  Prognose,  Therapie  _  426  439 

Sechsundzwanzigste  Vorlesung:  Prurigo.  —  Charak- 
teristik ,  Prurigo  agria  und  Prurigo  mitis      .     ,    .  440  448 

3.  Folliculitides  ,  Acneformen.  F  i  nne  n  a  us  s  clil  äge. 

Siebenundzwanzigste  Vorlesung:  Acne  disseminata. 
Acne  vulgaris,  Acne  arteöcialis.  Theer-,  Jod-,  Brom- 
acne.  Acne  rosacea   449  462 

Achtundzwanzigste  Vorlesung:    Sycosis,  Bedeutung, 

Pathologie    und   Therapie.    Sycosis  parasitaria.  

Impetigo,  Ecthyma.  Impetigo  herpetiformis     .    .    .  463  473 

4.  Blasenausscliläge. 

Neunundzwanzigste  Vorlesung:  Pemphigus,  —  Be- 
griffsbestimmung des  Pemphigus,  Allgemeine  Unter- 
scheidung in  P,  vulgaris  und  foliaceus.  Allgemeine 
Symptomatologie,  Specielle  Pemphigusformen  und 
deren  Pathologie,  Anatomie,  Diagnose,  Prognose, 
Therapie  °  _  474_485 

V.  CLASSE. 
Haemorrhagiae  cutaneae. 
üurch  Blutaustritt  bedingte  lirnnkheitsformen  der 

Haut. 

Dreissigste  Vorlesung:  Bedeutung  und  anatomische  Be- 
dingungen, klinische  Formen  der  Haemorrhagiae 
cutaneae,  Vorgang  bei  ihrer  Involution.  Idiopathische 
und  symptomatische  Formen.  Contusion,  Verletzung, 
Purpura  senilis,  P.  variolosa,  rheumatica,  simplex, 
haemorrhagica.   Scorbut.   Hämophilie,   Hämatidrosis.  486  —  496 

VI.  CLASSE. 
Hypertrophiae. 
In  Massenzunahme  bestehende  Hautkrankheiten. 

Einunddreissigste  Vorlesung :  Allgemeines  über  Hyper- 
trophie, Anatomische  und  klinische  Sonderung  nach 
der  Betheiligung  des  Pigmentes,  der  Epidermis  und 
der  Papillen  und  der  Cutis  als  Ganzen,  Pigment- 
hypertrophie. Anatomischer  Sitz.  Naevus,  Lentigo, 
Ephelis,  Chloasma,  Morb.  Addisoni,  Melasma.  — 
Anhang :  Icterus,  Argyria,  Tätowirung.  —  Keratosen : 
Schwiele,  Leichdorn,  Hauthorn  —  Papillome: 
Warzenmäler,  Warzen  497  514 

Zweiunddreissigste   Vorlesung:    Ichthyosi.s,  Formen, 

Pathologie,  Anatomie,  Prognose,  Therapie      .    .    .515  —  528 

Dreiunddreissigste  Vorlesung:  Biiidegewebshyperlro- 
phien.  Diffuse:  Scleroderma  (Anhang:  Sclerema 
neonatorum)  und  Elephantiasis  Arabum.  —  Ele- 
phantiasis telangiektodes  et  ueuroticuni.  Circumscripte  : 
Papilloma  (Framboesia)     .   _  529  549 


XI 


VII.  CLASSE. 
A  t  r  0  p  Ii  i  a  e. 

■»^biniius;  erworben:  Vitiligo.  Pigmentmangel  der 

raioSica  (Xevoderma,    Striae  atrophicae,  Atrophia 
Qx^antitative  und  degeneratwe  Atrophie    .    .    •    .  öb.-5  o^D 

vni.  -and  IX.  CLASSE. 
Neoplasmata. 

ci»nhQnnddreissieste   Vorlesung:   Neubildungen,  AU- 
e^^^^^  M  Gutartige    Neubildungen : 

Bindegewebsneubildungen:  Keloid,  Narbe  (Vorgang 
bei  der  Narbenbildung).   Molluscum  fibrosum.   Xan-  ^^^^ 
thoma,  Eibroma,  Lipoma,  Neuroma  .    .    •    •    •  • 
Siebenunddreissigste  Vorlesung:  Augiomata.  -  Blut- 

ge.fäss-  und  Lymphgefäss-NeubikUmgen      .    •    —  ^^»^ 
Achtunddreissigste  Vorlesung:   Ebmosclerom.  Lupus 

erythematosus  ."  q  *  „ 

Neununddreissigste  Vorlesung:  Lupus  vulgaris.  Symp- 

tomatologie,  Prognose,  Aetiologie,  Diagnose  .    •     •  616 
Vierzigste  Vorlesung:  Lupus  (Fortsetzung).  Anatomie 
Therapie  des  Lupus.   Scrophulose,   Tuberculose  der 
Haut  

IX.  CLASSE. 
Bösartige  Neubildungen. 
Einundvierzigste Vorlesung.Lepra, Geschichte  Pathologie  642 
Zweiundvierzigste  Vorlesung:    Carcinom    Begriff  des 
Krebses,  Formendesselben:  Epithehom,  Bindegewebs- 
kreb,s,  Pigmentkrebs,  —  Sarcom  bbu 

X.  CLASSE. 
Ulcera  cutanea,  Hautgescliwür e. 
Dreiundvierzigste  Vorlesung:  Begriff  der  Geschwüre. 
Allgemeine  Symptomatologie,  Eintheilung.  —  Idio- 
pathisch entzündliche,  einfache  und  contagibse  Ge- 
schwüre-, das  Fussgeschwür-,  Schanker.  Consecativ 
entzündliche,  scrophulöse  Geschwüre.  Aus  Neoplasie 

t>77  —  üoö 

hervorgegangene  Geschwüre  


659 


XII 

Vierundvierzigste  Vorlesung:    Sypliilide,  Allgemeiner  «-te 
Charakter,    Eintheilnng   nach   den  morphologischen 
Erscheinungen.  Specielle  Formen,  Symptomatologie, 
Diag-nose,   Beziehung  derselben  zur  constitutionellen  , 
Syphilis.    —   Allgemeine  imd  örtliche  Behandlung  689—703 

XI.  CLASSB. 
Neuroses  cutaneae. 

Fünfundvierzigste  Vorlesung:  Neurosen  der  Haut,  Be- 
griff Motilitäts-,  Tropho-  und  Sensibilitäts-Neurosen. 
Pruritus  cutaneus,  universalis  et  localis.  Pruritus  senilis  704  -712 

XII.  CLASSE. 
Dermatoses  par asitariae. 

DParasitäre  Haatliranblieiten. 

Sechsundvierzigste  Vorlesung :  Pflanzliche  und  thierische 
Parasiten.  Allgemeines  über  Pilze  und  ihre  botanische 
Stellung  Wirkung  auf  das  Hautorgan.  Eiutheilung 
der  Derniatomycosen.  Specielles :  Favus,  Pathologie, 

m  .   71c>  iol 

Terapie  

Siebenundvierzigste  Vorlesung:  Herpes  tonsurans.  — 
Formen:  H.  tons.  Capillitii,  vesiculosus,  squamosus, 
maculosus.  Onychomycosis  —  Sycosis  parasitaria  — 
Eczema  marginatum;  —  Pityriasis  versicolor  .  • 
Achtundvierzigste  Vorlesung:  Durch  thierische  Para- 
siten bedingte  Hautkrankheiten.  —  Thierische 
Parasiten-,  eigentliche  Parasiten  und  Epizoen.  Art 
ihrer  Wirkung  auf  die  Haut.  —  Dermatozoonosen.  — 
Scabies.  Geschichte.  Naturgeschichte  der  Krätzmilbe. 

Milbengang   .  • 

Neunundvierzigste  Vorlesung:   Scabies  (Fortsetzung). 

_  Symptome,  Pathologie,  Aetiologie,  Therapie  .    .  (W—iiö 
Fünfzigste  Vorlesung:   Dermatozoonosen  (Fortsetzung). 

—   Acarus  foUiculorum.   Pulex  penetrans.  Filaria 

medinensis.     Leptus    autumnalis.     Ixodes  Ricinus. 

Cysticercus   cellulosae.    —    Epizoonosen:  _  Pedicul. 

capitis,  corporis,  pubis  et  Pediculosis  s.  Pythiriasis.  — 

Pulex   irritans.   Cimex   lectularius,    Culex  pipiens. 

Oestrus  •  •  


732—749 


750—759 


774—790 


Allgemeiner 


Theil. 


Erste  Yorlesiing. 

.,iir,»rT,einen  Pathologie.  Ihre  Bedeutung 
Wicklung  seit  dem  Alterthun,  b.s  m  die  neueste  Zeit. 

Meine  Herren! 

Die  Lehre  von  den  Hantkranklieiten,  die  Derma- 
+  oloo-ie  rielitigerDermato-Patliologie.liatznrAufga-be, 
wicMigen  Theile  der  speciellen  Krank We^e 
bekannt  zu  naacken.  Sie  stellt  gegenwärtig  eine  -^f^^  - 
inhaltreicke  Disciplin  vor,  die  zwar  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  in  sich  abgerundet,  dock  vermittelst  wicktiger  orgamscl  x 
Ausläufer  mit  den  übrigen  Disciplinen ,  besonders  mit  der 
allgemeinen  Patkologie  zusammenkängt. 

Es  ist  sekr  ntttzlick,   sobald  man  an  das  Studium  dei 
Hautkrankkeiten  gekt,    sick   diesen  Umstand  vorweg-  zum 
Bewusstsein  und  zur  Ueberzeugung  zu  bringen  und  die  etwa 
vorgefasste  Meinung  fakren  zu  lassen,   als  kanc  el te  es  sich 
hier  nur  um  die  Aneignung  einer  gewissen  im  ^^^^^^^^^^^^^ 
mit  Nutzen  verwertkbaren,  kliniscken  ™-U^raktiscken  Rouüne^ 
Sie  werden  im  Gegentkeile  alsbald  erfakren,  dass  das  Studium 
derSutkrankkeitL  praktisok  um  so  gedeiklicker  --1  -ssen- 
Hokaftlick  um  so  befriedigender  sick  gestaltet    3«  sorgMt^^^^^^ 
die  Beziekungen  und  Analogien  aufgesuckt  und  erfasst  weiden, 

Kaposi,  Hautkrankheiten. 


Erste  Vorlesung. 


welche  die  Krankheiten  der  Haut  zu  und  mit  den  physio  o- 
gischen  und  pathologischen  Zuständen  anderer  Organe ,  des 
Gefäss-  und  Nervensystems,  der  Blut-  und  der  Saftemasse  und 
den  verschiedenen  Zuständen  des  Gesammtorgamsmus  besitzen. 

Es  ergibt  sich  aber  auch  weiters,  dass  die  an  dem 
Hautorgane  stattfindenden  la:ankhaften  Vorgänge  em  sehr 
belehrendes  Vergleichs-  und  Prüfungsobject  abgeben  ruck- 
sichtlich der  analogen  pathologischen  Processe  umerer  Organe, 
mdem  iene  schon  am  lebenden  Individuum  und  m  flagranti 
unserer  Sinneswahrnehmung  und  Beobachtung  zugänglich  sind, 
während  diese  als  abgeschlossene,  oder  mitten  im  Laufe  abge- 
brochene Vorgänge  erst  aus  den  todten  Gebilden  erschlossen 

werden  müssen.  _ 

So   bekundet   sich   denn  die  Bedeutung   der  Dermato- 
Pathologie  in  dreifacher  Beziehung,  indem  sie  uns  erstens  die 
Krankheiten  eines  für  das  Leben  unentbehrHchen  Organes,_  der 
Haut  erkennen,  verstehen  und  heilen  lehi't ;  indem  sie  zweitens 
dm^ch  den  Nachweis  der  Beziehungen  der  Dermatonosen  zu  den 
Krankheiten  anderer  Organe  und  Systeme  unsere  Kenntmsse 
von  der  Pathologie  des  menschlichen  Körpers  überhaiipt  m 
erheblichem  Grade  ergänzt  und  vervollständigt;  und  di'ittens, 
indem  sie  nach  der  Natur  des  von  ihr  behandelten  Gegenstandes, 
durch  Vorführung  von  Krankheitsvorgängen,   welche  miserer 
Simieswahrnehniung  unmittelbar  zugänglich  sind,  unsere  aus 
der  allgemeinen  und  experimentellen  Pathologie  geschöpften 
Vorstellungen  und  Kenntnisse  zu  fördern  vermag. 

Diese  Bedeutung  der  Dermatologie  ist  eine  Errungenschatt 
der  neueren  Medicin  und  das  Resultat  der  in  dem  Studium 
der  Hautkrankheiten  mit  dem  Ende  des  vorigen  Jahrhundertes 
zur  Geltung  gekommenen ,  streng  naturwissenschaftliclien  JVle- 
ihodik,  im  Vereine  mit  den  Aufklärungen,  welche  die  mikrosko- 
pischen und  experimentellen  Studien  der  letzten  Jahrzehnte 
auch  bezüglich  der  Anatomie,  Physiologie  und  pathologischen 
Histologie  der  Haut  zu  Tage  gefördert  haben. 

Die  Derniato-Pathologie  der  neuen  Zeit  ist  aber  keines- 
wegs auf  einem  unvorbereiteten  Boden  erstanden. 

Die  Geschichte  der  einzelnen  Hautkrankheiten ,  sowie  viele 
der  noch  gegenwärtig  zu  Recht  bestehenden  Namen  derselben 
-und  ihrer  Symptome  führen  uns  nothwendig  zurück  auf  die 
Leistungen  früherer   Zeitalter.    Ja,    dieselben  können  zum 


Allgemeine  Gescliiclite. 


.  r1«iin  riclitio-  verstanden  werden ,   wenn  man 

">"™J-'™Pf\:™;f"Vtrwnuiern,    we,m  so  auffallende 
Es  wai-e   aueh  zu  .e  , '^n       i^en  Decke ,  die 

^"^'^'^Zri^  Farben-  und  Gestalterschei- 
.u  Tage  l«f  ^"^'^.„f  L^ieu  sieb  so  leictt  bemerkbar 
„n,gen  «''"^^^ttr^oUten  überseben  worden  sein,  die  .mn 

\r      n,  Sieb -  — : -sr; 

,  de  zSlufd:  ~issensebaft 

bescbaftigten,  als  der  3™     s  , j^te. 

.  '",t^^^eto  Tbeil  ansteckende  Krankberten 

gaben  über  ^«^«'"«"^    ■  Namen  von  Nega, 

der  Haut,  aucb  dei  Haaie  um 

Baberetb,  Sebebin,  Misepabat,  ^-^ff  „  J^:""^  "  deuten, 
in  der  Lage  <Ueselben  nvmeicBi>scbem  Sume  ueM  g 

In  der  Bibel-TJebersetzung  der  ^''l*''^!^'^*^,^''^^^,,^,^,^^^ 
Nega  und  Zaraatb  mit  Lepra  '-^  ^ J^^^^A*.- 
worden;  nnd  so  bat  f  ' „^'^^Itb  der  Bibel 

latnr  die  Meumng  erhalten         "».^'^  "     .j^^er  ein  Irrtimm, 
tbatsaehlieb  den  Aussatz  bedeutet.  D.  s  st  siche^ 
Zaraatb  bedeutet  'lort  eben  mehts  ^^^^^JC^^sieo^e^^A. 
sebwer-  oder  gar  mebt  ^edba^e  j  ellercbt^^  ^.^  ^^..^^^ 

Hantkrankbeit  und  mag  «"\/;"J^f;;/^,^  f,^.  einfache  Brand- 
verwendet worden  sein,  sowie  sicbei  aucn 

^'^Dentlicber  erkennbare  patbologiscbe  Beg."  » 

nrnrgsweisen  flu-  ^^^^:^rZ^  »n, 
dagegen  m  den  g^^^^^'^""^"'  .  .,„,^o,3en  von  Sokhat^ 
..nächst  schon  l-i™AX^^^^  dem  ^^^f^Zl^  (von 
nnd  Plato  (460-370  (?)  a  Ch-)-  ^'  T^Zere  -  Ha^^tblntlien) 

nnd  rmd  ^.^ula.x  tm  n,,,  ginne,  wie 

Hantkrankheiten  nberhanpt ,    m  dem  «e 

etwa  die  letzteren  modernen  Ausdmcke  anch  h^ntz 

Aerzten  nnd  Laien  E^r^.^^I:^:Ln^  Ge- 
^Epaw{>o.,  i^ivu-/.Tt;,   iv{>?a.(;  fnr  knotige  «^^^^  ^     _  für 

s  iwlüste  der  Haut;  ^-^^  'f^         znm  Thei  e  mit 

trockene,  mit  Abschlüfernng  der  Epidermis,  znm  ihe 


^  Erste  Vorlesung. 

Jucken  verbundene  Hautkranklieiten,  wälirend  x.v?icrao;  und  •/.viSwci; 
für  Jucken  xind  Breimen  der  Haut  angeführt  wird ;  l^pßy.^  für 
Scliweissbläscken ;  (pT^uxTaiva'.,  cpWCa/.ia,  cpuSpi/aa,  ä/^öpe;,  -/.-/ipiov,  7:o,j,ooi 
füi«  Bläschen,  Blasen,  mit  Nässen  und  Krustenbildung  verbundene 
Hautausschläge;  ep-?,?  £c(^w,^.£vo;  und  /iYXP''«;  fi^r  peripher  sich 
ausbreitende,  sogenannt  „kriechende",  oberflächliche,  oder  tie- 
fer greifende  Hautaffe c tionen ;  aVfo;,  lzw.r,,  u-zly.;,  ifU'Jit;  für 
Verfärbungen  und  Pigmentanonialien  der  Haut;  [j-x^iiiz; ,  -v.y.fV.- 
oöGi?  und  ä>.(o-£/.ta  für  die  verschiedenen  Formen  des  krank- 
haften Haarverlustes ;  ä/.pox6pSov,  äx.po{^urJ.•.ov,  ;7.'jpa-/ixi7.o ,  wva-ot  für 
Warzen  und  Finnen;  h^^jaiiziky.; ,  fx-^z^xXvx,  ,  sp-ja-^y-ara, 

TcsTs^ixt  für   auch  heute  so  benannte  Processe;   yoiox^z:  für 
Scrophel-G-eschwülste.    Dabei  ist  nicht  zu  verkennen,  dass 
schon  HiPPOKEATES  gcwissc  Hautkrankheiten  als  selbständige, 
mehr  minder  wichtige  AfFectionen  des  Organes ,   als  idiopa- 
thische Uebel,  andere  als  Ausfluss  oder  Aeusserung  gewisser 
innerer,  auch  allgemeiner  ruid  fieberhafter  Erkrankungen,  als 
.,Apostasen"  angesehen  hat.    Er  spricht  von  so  genannt  kriti- 
schen Ausschlägen,  welche  fieberhafte  Erkrankungen  abschliesen, 
glaubt,   dass  Ausschläge  spontan  oder  in  Folge  von  Behand- 
lung auf  innere  Organe  zm-ücktreten  und  diese  krank  machen 
können;  dass  umgekehrt  gewisse  Excretionen  und  Depletionen, 
wie  Hämorrhoidalflüsse  von  einzelnen  Hautkrankheiten  erlösen 
können.    Schliesslich  fehlt  es  auch  nicht  an  Angaben  über  die 
Ursachen  der  Hautkranklieiten  in  dem  Sinne,  dass  für  einzelne 
Hautübel   der  Einfluss   der   damals  angenonmienen  Cardinal- 
säfte,  für  andere  die  Einwirkung  der  Jahreszeiten,  der  Witte- 
rungsverhältnisse,   der  Windrichtungen,  oder  der  individuelle 
des  Alters  und  Geschlechtes  geltend  gemacht  wurde. 

Nach  HiPPOKRATES,  dessen  Schriften  die  Grundlage  für 
die  medicinischen  Studien  eines  weiteren  Jahrtausendes  bilden, 
verdient  mit  Rücksicht  auf  die  Aufmerksamkeit,  welche  er  den 
Hautkrankheiten  zuwendete,  Corn.  Celsds  hervorgehoben  zu 
werden.  Dieser  unstreitig  objectivste  der  alten  medicinischen 
Schriftsteller,  der  etwa  von  53  v.  Chr.  bis  7  n.  Chr.  in  Rom 
gelebt  und  sein  nocli  heute  lesenswerthes  Werk :  Medicmae 
libri  octo  etwa  nm  18  v.  Chr.  veröffentlicht  hat,  bringt  im 
5.  und  6.  Buche  seines  Werkes  eine  von  theoretischen  Aus- 
lassungen befreite,  ziemlich  sachliche  und  systematische  Ab- 
handlung über  Hautkrankheiten,  welche  nach  Inhalt  und  Form 


Allgemeine  Gescliiclite.  5 

«   ,  fintt  und  .usa™ne„gefa.st,  sondern  durch  neue  la  «- 
Sol  e    gros.ent,heib  noch  heute  giltige  Namen  ersetzt  oder 
"ta  A  und  die  Pathologie  der  Hautkranhhe.ten  durch  em- 
X  .^enaue,  inr  modernen  Sinne  deser>ptwe  Scnldenmgen 
^tktrt.    CB.SOS  heschreibt  im  ^-^'.^^»"^ 
mit  unverkennbaren  CharaHeren,  spneht        Sj^  f  ^ 
Behandlung  von  Wunden  und  Geschwüren  (Vulnera  ulceia) 
„nd      besonderen  Capiteln  über  eine  Reihe  von  Hautkrank- 
eHe    "anfiUu.t  als:  Carbunculus,  Carcinoma,  Thcnoma 
Cedacna),  Ignis  sacer,  TJlcera  ex  frigore  (Frostgeschwure), 
f  ™l,s.  Ph;ma,  Phygethlon,  Abscessus  MsWae, 
Aerochordon.  Thymion.  Myrmekia,  ^'^^  •  ^'^!^;%^^  ' 
Impetigo,  Papiüae,VitUigo;  im  6.  Buche :  de  Cainll.s  fl,«ntAus, 
de  Porrio^ine,  de  Sycosi,  de  Areis,  de  Varls,  Lentioulrs,  et  Ephe- 
Me    L°7.  de  Condylomatibus ,  de  de  G^graena 

Die  meisten  dieser  Krankheitsnamen  J'™';^^" 
Gebrauch,  obgleich  mit  theilweise  anderen  »''f f  ^^^^^ 
steht  Cklsds  imter  Pustulae  nicht  nur  eiterige  Effloiescenzen 
Wem  auch  Urticaria  und  Sehweissbläschen ;  rmter  Scabies 
e^  gehende,    mit  Schuppung  oder  1^»--  »^«8*»  ^ 
Krankheit,  die  wir  heute  als  Eczem  "'V,  ^"f  .^.t^^ 
luid  Begriffe,  wie  Sycosis,  ffir  eine  M-ankheit 
Gesichtes,  Porrigo  für  Kopfgi-ind,  sind  "»"'j^l"'"*''  "^'^^^ 
die  HingsU  Zeit  in  Geltung  geblieben,  nicht  zu  gedenken  der 
obi-en  Namen  für  Warzen,  Hühneraugen  u.  s.  t. 

"  um  diese  Zeit  bringt  auch  noch  P.iKias  Nachricht  ub« 
eine  neu  nach  Rom  i'^fortn-i.  ..^i^f^^f^ 
Mentagra  und  erwähnt  derselbe ,  fast  gleidizeitig  mit  Sce™ 
™:  S10.S  des  Gürtelaussehlages  als  ^-f»  "«^^^t 
rend  andere  Schriftsteller,  in  T^'^^t^TZl 
über  Elephantiasis  sich  äussern,  welche  Krankheit  eist  damals 
in  Italien  allgemeinere  Verbreitung  gewann 

GAlEKfS,  im  2.  Jahrhunderte  n.  Chr.  thatig,  J  ™ 

H^KK^TZS  und  CE.SOS  gebotene  Materiale  m 
weitläufig  angelegten  Werken  --«-^  «"^".rt^^^^^ 
ben,  SO  dass  die  Schriftsteller  der  -;;^t:ie;  inTt  Iders 
wiegend  aus  GiLKNUS  schöpften.    Von  Urnen 


Q  Erste  Vorlesung. 

liervorziilieben  Aetius  von  Amida  (543  n.  Chr.),  welcher  zuerst 
den  Ausdruck  r/Ceaara  gebraucht,  Paul  v.  Aegina,  der  einzel- 
ner Hautkrankheiten  nachdrücklicher  gedenkt,  Oribazius,  Ale- 
xander Trallianüs,  Actüarius,  welche  durch  bündige  Krank- 
heitsschilderung das  Verständniss  der  alten  Griechen  wesent- 
lich förderten. 

Inzwischen  waren  die  Lehren  der  griechischen  Medicin, 
und  mit  ihnen  die  über  Hautkrankheiten,  unter  den  politischen 
und  Krieges- Wirren ,  welche  das  Ende  des  weströmischen 
Reiches  und  den  Begiim  des  Mittelalters  kennzeichnen,  ihrer 
heimischen  Pflegestätten  grösstentheils  verlustig,  und  erst  vom 
8.  Jahrhunderte  ab,  auf  dem  Umwege  diirch  die  Medicin  der 
Inder  und  der  Araber  dem  Abendlande  wieder  vermittelt  wor- 
den, zum  Theile  allerdings  durch  neue  wichtige  Erfahrungen 
bereichert. 

Schon  in  den  ZAvischen  das  5.  und  9.  Jahrhundert  fallen- 
den medicinischen  Werken  der  Inder,  Charaka  und  Sushruta, 
werden  neben  den  von  den  Grriechen  erwähnten  Hautkrankhei- 
ten noch  besonders  die  Blattern  —  Masürikä  —  in  iliren  ver- 
schiedenen Formen  und  gefährlichen  Complicationen ,  muth- 
masslich  auch  die  Masern  geschildert,  namentlich  aber  der 
knotige  und  anästhetische  Aussatz  —  Kushta  und  Bäta- 
rakta  —  sowie  die  im  Abendlande  bis  dahin  nicht  gekannte, 
später  als  Elephantiasis  Arabum  in  die  Literatur  eingeführte 
AfFection,  Pachydermie,  gekennzeichnet. 

In  hervorragender  und  massgebender  Weise  haben  jedoch 
die  arabischen  Schriftsteller  Rhazes  ,  Serapion,  Ebn- 
ZOR,  Haly-Abbas,  neben  der  Vermittlung  und  Bearbeitung 
der  altgriechischen  Lehren  durch  neue  thatsächliche  Mitthei- 
lungen  die  Kenntniss  von  den  Hautkrankheiten  gefördert.  Vor 
AUem  ist  ihre  Schilderung  von  den  Symptomen  der  Lepra  — 
djudzam  —  für  die  ganze  Folgezeit  massgebend  geblieben, 
eben  so,  wie  ihre  Eintheilung  der  letzteren  in  vier  Arten, 
welche  offenbar  den  vier  Cardinalsäften  des  GtALENüs  entspre- 
chen sollten,  als  Lepra  Elephantina,  von  der  schwarzen  Gralle, 
Lepra  Leonina,  von  der  rothen  Galle,  Lepra  Alopecia,  vom 
Blute,  Lepra  Tyria  von  dem  Schlehne  herrührend. 

Ausserdem  erscheint  noch  als  zur  Lepra  gehörig ,  Albar- 
ras  (alba  et  nigra)  und  Morphaea,  walirscheinlich  identisch 
mit  Vitiligo,  Lenke  und  Melas  des  Celsüs, 


Allgemeine  Geschichte.  • 

■n.lfll  ist  die  von  ilen  Griechen  gar  nicht  geliannte 
Pachjalermie,  welche  die  Eleph.ntia.i.  der  Araber-Ueherset.er, 
1.„       snätere  Elephantiasis  Arabnm  darstellt. 
'      Neben  den  Blattern  nnd  Masern  schildern  d«  Araber 
sehr  ein<^ehend  die  Krankheiten  des  Kopfes.    Av™.  nc™ 

<?  haflti  offenbar  etymologisch  mit  dem  hebräischen  Sapahat 
Wenritt  Hl«.ABB.s'  dagegen  Alvathim,  ans  dem  der 
identiscn,  ^      „  ,      ,        Stephan  Antiochus,  das  noch 

tot  iirf  Artender  letzteren  wird  der  he.,t  zu  Tage 
!,fFav,s  bekannte,  ansteckende,  oder  Erbgrmd  henntM^ 
^schildert.  Avw.0«  erwähnt  der  wahren  Kratze  mrt 
sammt  der  ihr  angehorigen  Krätzmilbe. 

Tnedicinischen  Studmm  überBiittelt  worden.    So  wmde  üei 
Tu'hT  Bekanntschaft  :nit  den  Lehren  der  Griechen  anf  d.ese 
Art  e  nenert.    Allein  es  war  von  den  Hautkrankheiten  last 
tssc  liesslich  der  Aussatz,  welcher  die  Schriftsteller  der  Zex 

r'n.  HS  zun.  Ende  des  l^^fL.™^^^^^ 
Die  Italiener  Vitalis  de  Fubno,  Wh-helm  von  Saliceto  Lan 
iKA^'CUS,  Montagnana;  die  Spanier  Theodokicus  Villa^ova 
"e  Eng  änder  Glanville,  Gilbekt,  Gaddesben  ;  m  Erankx^exch 
KDO.  GUY  BE  Chakliac;  in  Deutschland  Hans  Gebsdobf  u.  A 
D  nn  der  Aussatz  hatte  eben  im  12.  und  13  Jahrhunderte 
zu    einer    wahrhaft  pandeanischen   Seuche    s.ch  entwickelt 
welche  Regierungen  und  alle  gesellschafthchen  Kreise,  wie 
r  tedicinische  Studiun.  gegen  ^^-f^'^'^- 
Aerzte   gelangten  in  ihren  Ansichten   über   den  Charakter 
tTL  lekä'pfungsweise  der  Lepra  nicht  über  c^e  YorsteL 
Inngen  hinaus,  welche  von  den  Arabern  gelehrt  und  durch  dxe 
salernitanische  Schule  promiilgirt  worden  waren. 

Im  Verlaufe  des  15.  Jahrhundertes  war  der  Aussatz  aU- 
Hiälig  aus  den  Binnenländern  Europa's  verschwunden.  Dage- 
gen trat  gegen  Ende  dieses  Säculums  '  f. 
?enerea,  später  unter  dem  Namen  Syph^-  . bekannte  Seuche 
auf.    Da   war  denn  Gelegenheit  geboten,   d.e  mannigfachen 


g  Erste  Vorlesung. 

HaxitafFectionen ,  welche  dieser  Ivvankheit  eigenthümlicli  a'md, 
zu  erörtern.  Allein,  obgleicli  die  Zahl  der  Autoren,  welche 
am  Ende  des  15.  und  in  den  ersten  Decennien  des  IG.  Jahr- 
hunderts sich  mit  der  Syphilis  beschäftigten,  sehr  erhel)lich 
ist,  und  unter  denselben  Namen  von  sehr  gutem  Klang  reihen, 
wie:  Makcellus  Cumanüs,  Musa  Brassavolus,  Gabriel  Fallo- 
i>rA,  Fracastorios  u.  A.,  so  sind  doch  die  x^ositiven  Leistungen 
derselben  bezüglich  der  syphilitischen  Hautkrankheiten  nur 
höchst  unbedeutend  geblieben. 

Immerhin  kann  das  16.  Jahrhundert  als  die  Zeitepoche 
angesehen  werden,  in  welcher  eine  mehr  selbständige  und  von 
den  althergebrachten  Formeln   der    Arabisten  sich  allmälig 
befreiende  Bearbeitung   der   Hautkrankheiten   ihren  Anfang 
nahm.  Neben  den  syphilitisclien  Hautausschlägen,  welche  aller- 
dings noch  mannigfach  mit  der  Lepra  ätiologisch  und  theore- 
tisch in  Beziehung  gebracht  wurden,  lernte  man  nocli  als  beson- 
dere Art  dyscrasischer  Hautkranldieiten  den   Scorbut ,  das 
Petechialfieber  und  die  acuten  contagiösen  Exantheme  kennen. 
Es  mehrten  sich  die  Bestrebungen ,   die  Hautaifectionen  als 
solche  im  rein  pathologischen  Sinne  abzuhandeln.    So  liefei'ten 
JoH.  Manardus  unter  dem  Titel  Lactumen  eine  eingehende 
Beschreibung  des  nässenden  Gresichtsgrindes  oder  Milchschorfs 
der  Säuglinge,  G-orraeus  unter  Anderem  eine  für  das  Verständ- 
niss    der    dermatologischen   Terminologie    sehr  verwendbare 
lexikographische  Synonymik,  Blondus   eine  Monographie  de 
macidis  corporis,   Ambrosius  Pakee  unter  Vielem  über  Blat- 
tern, FoRESTUs,  Schenk  von  Grafenberg,  Montagnana  über 
Pemphigus,  ansteckende  Krätze  und  die  verschiedenen  Arten 
der  Tinea  genauere  Angaben,  abgesehen  von  der  Berücksich- 
tigung, welche  die  meisten  der  bis  dahin  bekannten  Haut- 
krankheiten in  descriptiver  oder    ätiologischer  Bezieluuig  bei 
vielen  Schriftstellern  fanden,  welche,  wie  die  im  Aphrodi- 
siacxis  des  Aloy.  Luisinus  vorfindlichen  Autoren,  gegen  Ende 
des  15.  und  in  der  ersten  Hälfte  des  IG.  Jahrhundertes  über 
Syphilis  Abhandlungen  geliefert  hatten.    Nach  all'  dent  kann 
es  nicht  überraschen,  wenn  um  diese  Zeit  auch  ein  grösseres 
Werk  entstand,  welches  ausscliliesslich  mit  der  Pathologie  der 
Hautkrankheiten  sich  beschäftigt.    Es  ist  das  nach  Vorträgen 
des  Venetianers  Hieronymüs  Mercurialis,  von  dessen  Schüler 
P.  AiCARDius  1572  lierausgegebene  Opus:  de  Morbis  cutaneis, 


Allgemeine  Gescliichto. 


,  1  =  .v  fP  rein  .Icvmatologische  Werk  ifterlianpt.  MüiiCD- 
,  diesem  Werke  „iekt  viel  Originalität 

rri  f  E     it  It  nach  der  Art  des  Galb^s  die  HantKrank- 

't  n  n  «olol  de.  Kopfe.,  enthaltend  die  verschiedenen  Fov- 
er  Kaücit  und  der  «rinde,  wnl  in  die  des  «br.gen 
r    T,n  Uehrigen  bietet  Mbecueiai,,s'  Leistnng  m  descnp- 

h  find  theoretischer  Beziehung  wesentlich  nur  eine  Anslese 

ans  den  Schriften   der  griechisch-römischen   nnd  arabischen 


*      Von  dieser  Zeit  ab  mehrt  sich  die  Zah      er  Antoren, 
welche  theils  in   allgemein  medicinischen  Werken  emzeta 
Canitel,  theiW  anch  abgeschlossene  Monographien  und  grossere 
Werke  der  Pathologie  der  Hautkrankheiten  widnietem  Ich 
er^^hne  von  ihnen  ans  dem  Ende  des  IB.  nnd  dem  Laufe  des 
r  Tahliiidertes  neben  Pk.»euos,  Yions  Vm:.s,  S— s 
d  r  über  verschiedene  Hantaffectionen,  namentlich  aber  die  a^rten 
Exantheme  sich  eingehender  äussert,  Doa^        Jj''-  " 
lach  zuerst  in  unverkennbarer  Weise  schreibt;  JoH.  Dolaküs, 
deM  Lnpus  schon  im  modernen  Sinne  definirf,  vor  AUem 
aber  den  ttberaU  oitirten  Hafemke  ,  m  dessen  um  IbOO 
t  hteiiem  Werke  das  gan.e  Gebiet  der  Hantkrankhe*n 
berücksichtigt  ist  nnd  auch  der  Krätzmilben  unter  dem  volks- 
Slchen  Namen  der  „Seuren«,  sowie  der  Mitesser ,  de  Cr- 
doiiibus,  als  vermeintlichen  Würmern  Erwähnung  geschieht. 

In  den  mn  die  Wende  des  17.  nnd  im  18.  JaW-*« 
erschienenen  medicinischen  Werken  des  schon  ''^ff''^^ 

DOLAIOS     S™™,    VAN    Swm™  (BoffiHAVE),    DK  HaEK  cto 

rege"ienwir.zum  TUeü  sehr  werthvollen,  unseren  Gegenstand 

betreffenden  Erörterungen.  ,  ^    •  ,  "nermato- 

Als  systematische  Speoialdoctrme  hat  sich  die  Deuiiato 
loo-ie  iedoch  erst  von  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahi- 
hitideä  L  entwickelt.    Schon  der  f^^^]^ 
hat  mit  einem  sehr  werthvollen  Werke  über  Hautk   nU  fc^^^ 
diese  Periode  eingeleitet.    AsTRüO  prodncirte  ,e  e  n  grosses 
Onn,  Uber  Syphilis  und  Uber  die  nicht  syphilitischen  Haut 
S  lieiten;  sUa«ks,  nebst  pathologischen  Details,  wei^v  n 
historische  Behelfe;   Hknslbr  noch  bis  beute  miiseigiltige 
historische  Studien  über  den  Aussatz  und  i*"'  SypluHf^^ 

Als  das  ganze,  Gebiet  der  Hantfaankheiten  nnifassend 
durch    gründlichen  historischen  und   pathologischen  Inhalt, 


Erste  Vorlesung. 

SO  wie  durcli  classische  Form  der  Darstellung  gleich  bemer- 
kenswert]! ist  das  grosse  Werk  des  Parisers  Lorey:  Tractatus 
de  morbis  cntaneis,  vom  Jabre  1777. 

In  Lorry's  Werke  findet  sich  nicht  nur  das  gesammte 
dermatologisch-literarische  Materiale  seiner  Vorgänger  bis  in 
das  hippokratische  Zeitalter  hinauf  voUständig  nnd  kritisch 
erläutert  vor.  Wir  begegnen  in  demselben  vielmehr  auch  einer 
reichen  Fülle   gut   erfasster  und    objectiv  wiedergegebener 
klinischer  Thatsachen  und  Krankheits-Definitionen  von  über- 
raschend strenger,  logischer  Fassang,  wie  z.  B.  bei  den  Ge- 
schwiiren;  dabei  einer  über  den  engen  Horizont  der  einfachen 
Beschreib  ang  weithinausreichenden  allgemein-pathologischen  Auf- 
fassung der  Hautkrankheiten.  Dergemäss  berücksichtigt  Lorry 
neben  den  klinisch-sichtbaren  Charakteren  der  Dermatonosen 
auch  ihre  Beziehung  zu  den  anatomischen  und  physiologischen 
Eigenschaften  der  Haut,   sowie  des  Gesammtorganismus.  Er 
theilt  dieselben  in  idiopathische  und  apostatische,  luiterscheidet 
sie  nach  Verbreitung  und  Sitz  in  allgemeine  und  örtliche ;  solche, 
welche  einzelne  Gewebsformen  der  Haut  vorwiegend  betreften, 
welche  aus  allgemeinen,  oder  aus  örtlichen  Ursachen,  mecha- 
nischen oder  toxischen  hervorgehen  und  erörtert  ^  erschöpfend 
die  Dermatonosen  in  pathologischer  und  therapeutischer  Bezie- 
hung nach  allen  Richtungen,  welche  für  die  medicinische  Wis- 
senschaft jener  Zeitepoche  ofiFen  standen. 

Mit  all'  seinem  reichen  Inhalte  und  dem  classischen 
Geiste,  der  aus  ihm  spricht,  hat  jedoch  Lorry's  Werk  das 
dermatologische  Studium  bei  dem  grösseren  ärztlichen  Publikum 
nur  wenig  gefördert.  Für  dieses  war  das  Bach  zu  gelehrt, 
und  die  Auslese  aus  demselben  offenbar  za  mühsam. 

Ungleich  mehr  Erfolg  hatte  dar  am  das  1776  zu  Wien 
erschienene  kleine  Büchlein  unseres  Landsmannes  Plenck. 
Darin  finden  sich  alle  Hautkrankheiten  nach  der  Form 
und  dem  Aussehen,  in  welchen  sie  zunächst  in's  Auge 
springen,  als  wie  fertige  Naturproducte  bezeichnet,  als:  Ma- 
culae, Pustulae,  Vesiculae,  Bullae,  Papulae,  Crustae,  und 
dieserart  in  14  Classen  eingetlieilt.  In  diese  waren  aller- 
dings wieder  120  Gattungen  von  Krankheiten  eingereiht,  was 
scheinbar  das  ganze  System  höchst  schwierig  machte.  Allem 
sowohl  die  Classen-  als  die  Speciesbegrifi'e  waren  kurz  und 
bündig  definirt,   ähnlich   etwa,   wie  nach  dem  LiNNE'sohen 


Allgemeine  Gesohictte. 


n 


V  •  ,«l„»n  Olassen  tmd  Gattungen  und  Siiecies  der 
Systeme  -"^^f ^^^„then ,  der  ZaU  der  Staubfäden 
Pfianzen  -«^[V  l.tlteUt  waren  Und  so  taponirte  P^cx's 
als  unverrückbar  ein  Katechismus  durch  Imrz- 

.Dootriua  de  ;f2^t^Tl\^  ein  scheinbar  zur  Orien- 

gefasste  und  bequeme 

i^^^^^ZtL^.  ging,  am  lebenden  IndivMuum 

-  —feiten  zu  ^^J^^L 

und  darum  bald  m  cUe  eme,  bald  ^^  ^^^'^  Papula  erschien, 
^^r°«"''^Ä^;i  «  b^d  darl,f  als  B.dla. 
„ach  wenigen  f '"T"' w^ters  musste  es  widerstreben, 
r  "^T  "efsfirt  b  "ssere  Form,  nicht  an  den 
^iefpr^ollr.trgang  hielt  ^  I^-|^,Ce 

„nd  LenticuU,  ^eP-  «nci  .peciell-pathologischen 
S::rXltitt  z  B.  der  AuMenung  einer  Scabies  sypin- 

^""^Hi"erth  für  das  kommende  Studinm  der  Der 
— dSt^tSÄÄ, 

t  ?ri:e  — 

"ese  wohlth^tige  Wirkung  -gekündete  sofort  d„  Umstand 
dass  RoBBar  Wl.:^  in  seinem  epo^kemaehend»  We^  ube^ 
Hautkrankheiten  zunächst  das  System^^~ 
auf  IX  Ordnungen  redne„-t    |"  ^^'^/'^"g^.^ttemata,  4. 

trrpttut'T"v;sLr^^^^^^^^^^^^  «■ " 

"^Zt^^  mit  Kecht  n  mmen  W^ft  ^if^ 

der  Anfang  der  neuen   schöpferischen  und  ^r^^f^^^^^l 

in  der  Dermatologie.    In  -'"/^tl^l- ^^^^^ 
und  nach  seinem  vorze>t,gen  Tode  von  |  Bilderwerke, 

und  Freunde  Bateiian  fortgeführten  iext  u 
Description  and  treatment  of   cutaneous  diseases. 


^.^  Erste  Vorlesung. 

{deutseli  von  Friese)  1799  und  Synopsis  of  ciitaneous  diseases 
according  to  the  arrangenient  of  Dr.  Willan,  London  1815, 
hat  Willah  nicht  mir  für  alle  Zeit  verständliclie  nnd  wahre, 
scharf  gezeichnete  Schilderungen,  theils  der  schon  gekannten, 
theils  einzelner  von  ilini  neu  beobachteter  Hautkrankheiten 
entworfen,  sondern  auch  durch  objective  Schilderung  des  Krank- 
lieitsverlaufes  und  Empfehlung  rationeller  Behandlungsmetho- 
den die  Pathologie  und  Therapie  der  Hautkrankheiten  geför- 
dert; endlich  durch  die  auf  gründliche  Kenntniss  der  Alten 
gestützte  Vereinfachung  und  Fixirung  der  Nomenclatur  und 
Synonymik  dem  weiteren  Studium  der  Hautkrankheiten  eine 
feste  und  breite  Grundlage  geschaffen. 

Obo-leich  WillanBateman's  Werke  auf  die  englischen 
Zeitgenossen  und,  durch  vielfache  Ueber Setzungen ,  wie  von 
Haneman,  Sprengel,  Blasius,  vermittelt,  auch  auf  die  Tach- 
genossen  anderer  Nationen  einen  mächtigen  reformatorischen 
Einfluss  üben  mussten,  so  machte  sich  dieser  dennoch  nur 
allmälig  in  wirksamer  Weise  geltend. 

East  unabhängig  von  demselben  fand  ein  rasches  und 
üppiges  Emporblühen  der  Dermatologie  zunächst  in  Frank- 
reich statt,  welches  durch  die  vorausgegangenen  Leistungen  von 
LoRRT,  Sauvages,  Roussel,  Poupart,  eingeleitet  und  angeregt, 
durch  das  reiche  Krankenmateriale  des  Hopital  St.  Louis  m 
Paris  unterhalten,  an  die  berühmten  Namen  Alibert,  Biett, 
und  Rayer  geknüpft  ist. 

Aeusserlich,  als  Lehrer,  Schriftsteller  und  Arzt  hat  wohl 
Alibebt  vorwiegend  in  den  ersten  drei  Jahrzehnten  dieses 
Jahrhunderts  das  dermatologische  Studium  in  Frankreich 
beherrscht.  Das  von  ihm  aufgestellte  System  der  Hautkrank- 
heiten, in  einem  von  1806  ab  publicirten  grossen  illustrirteu 
Werke  promulgirt,  war  ein  so  genannt  natürliches.  Die 
Teignes  und  Dartres  spielen  darin  eine  Hauptrolle.  Erst  m 
seinem  letzten,  im  Jahre  1832  erschienenen  Werke  hat  er  der 
WiLLAN'schen  Auffassung  durch  Aufstellung  eines  neuen 
Systems  einige  unverkennbare  Concessionen  gemacht. 

Dagegen  hat  Biett  sofort  das  WiLLAN'sche  System  zu 
dem  seinigen  gemacht  und  zwar  für  den  Augenblick  weniger 
glänzend,  als  sein  College  Alibert,  aber  durch  seine,  von 
seinen  Schülern  Cazenave  und  Schedel  1828  herausgegebenen 


1  a 

Allgomeine  Gesclnchte. 
V„rie.u„..on  „„gleich  uaoMtiger  für  das  sachliche  Ver^tändni.« 

Äeicht  von  B«.a,  de.sen  u.fa. 
,  S  „dltohes  von  geimuei-  Literatarkenntmss  zeugea- 

^::hS:i'  B'Xng  ..h         de.  Lese,  v.el  Be- 

'*"MU%t'Lei.t„uge,>  der  geuannten  Autoren  hat  der  «her 
,ie  Gret  rrranla.eks  hinansreichende  Einflus.  der  wenn 
srigen  darf,  französischen  Schule  in  der  Den„atolog.e 

^^^rCfrr*  his  in  die  neueste  Zeit  Frankreich 
,.1,    iTier    eine   ansehiUiche  Seihe  von  dermatologischen 
SotittsSeru  I  fzuweisen,  wie  G^Kar,  Gika.o.üt  St.  Ge.vms, 

|:r°'crr'untT:;-nach    gewissen  Sichtungen 

^'"^'^SÄrrandhis  um  diese  .eitiuBer^^^^^ 
geleistet  worden,  war  von  ungleich  f 

le  früheren  Autoren  Uber  Hautkranhheiten  Pbter  ^EA^K  (U.>-) 

tl  s™w,  als  die  späteren,  S»-,  .^^l^'^^.^: 
FOCHS,  haben  die  die  allgemeine  Pathologie  ihrer  Zeit  b  he.r 
sehenden  humoral-pathologisehen  Anschauungen  au      m  de. 
Dermatologie  znr  vollen  Geltung  zu  brnigen  sich  bemüht.  Dieses 
"enist  in  der  extremsten  Weise  iu  ^er  Darstellung  von 
FoCHS  zum  Ausdruck  gelaugt,  welcher  in  semem  ^J^^^"^^^ 
erschienenen  dreibändigen  Weite  «b.^^^^^^^^^ 
theilweiser  Berücksichtigung   de     Leistungen  " 
aer  Franzosen,  deu  rheumatischen  kat.^^^^^^^ 
erysinelatöseu  und  anderweitigen  Dyskiasien  una 
des  Organismus  einen  hervorragenden  Einfluss  auf  die  En 
tehung  und  den  Charakter  der  einzelnen  Hautkrankheiten 
vindicirte.    Zugleich  snelite  er,  wie  S—,  die  »  e^ 
Botanik  und  Zoologie  eingeführten,   sogenannten  'f^^^» 
Systeme  auch  den  Hautkraid^heiten  a^^^^^^^^       B  toen 
hatte  schon  SCHÖHMIN,  wie  bei  ' 0,,;^ 

Stadium  der  Keimung,    der  Entwicklung,    » ;  «'^^^^^^ 
Fruchtbildnng  und  Verwelkung  gelehrt    ^le  Autst  "ung  J  0 
Krankheitsfarnilien,  Gattungen,  Sippschaften,  Arten  und  Vaue 


Erste  Vorlesung. 

täten  inuerlialb  der  Hautkranklieiten  scheint  FoCHS  nur  eine 
loo-ische  Forderung.  Das  Bestreben,  allen  möglichen  Richtungen 
zu  entsprechen,  hat  die  Darstellung  von  Fuchs  höchst  complicii-t 
nnd  verständnissschwer  gestaltet;  ein  Uebelstand,  der  durch 
dessen  neugeschaffene  Nomenclatur,  als  Chymoplanien ,  Derm- 
apostasen  n.  a.  dgl.  noch  erhöht  wurde. 

Die  ScHÖNLEiN-FoCHs'sche  Lehre  ist  in  der  Sucht  nach 
Natürlichkeit  wohl  die  allerkünstlichste  und  unnatürlichste 
geworden.  Sie  ist  auch  zu  keinem  nennenswerthen  Einflüsse 
gelangt. 

Inzwischen  hatte  sich  in  der  medicinischen  Naturwissen- 
schaft Vieles  vorbereitet,  was  einerseits  die  ontologischen  und 
humoral-pathologischen  Anschauungen  in  der  Pathologie  über 
den  Haufen  zu  werfen,  andererseits  für  die  Dermato-Pathologie 
neues  Verständniss  und  eine  positive  Grrundlage  zu  bieten 
geeignet  war.    Man  hatte  zunächst  in  der  seit  Jahrhunderten 
gekannten,   aber  erst  seit  kurzer  Zeit  allgemeiner  bestätigten 
und  anerkannten  Krätzmilbe,  in  kryptogamischen  Pflanzen  bei 
der  Muscardine  und  beim  Favus  des  Menschen,  Krankheits- 
erreger kennen  gelernt,  deren  "Wirkung  von  der  Blut-  und 
Säftebeschaffenheit  des  Individuums  unabhängig  und^  demnach 
mit  der  Krasenlehre  unvereinbar  waren.  Denn  sie  wirkten  bei 
allen  Individuen  auf  .  die  gleiche  Art,  die  Haut  krank  machend. 

Das  Verständniss  mancher  Krankheitserscheinungen  an 
der  allgemeinen  Decke  ward  schon  dadurch  angebahnt,  dass 
über  die  histologischen  Verhältnisse  und  physiologischen  Func- 
tionen des  Hautorganes   authentische   Kenntnisse  verbreitet 
wurden.    Neben   den    seit  Malpighi  gekannten  Talgdrüsen, 
welche  von  Morgagni,  Boerhave  und  Cotünnio  zur  Erklärung 
der  Efflorescenzbildung  bei  den  Hautkrankheiten  herangezogen 
worden  waren,  hatte  man  die  Schweissdrüsen  kennen  gelernt 
durch  Brechet,  Houssel  de  Vauzeme  (1834)  und  Gürlt.  Die 
Structiir  der  Oberhaut  hatten  Wendt  und  Henle,  die  Beschaffen- 
heit und  Vertheilung  der  Lymph-  und  Blutgefässe  Berres  und 
FomiANN  beleuchtet;   die  Existenz  von  die  Hautdrüsen  um- 
spannenden organischen  Muskelfasern  war  durch  KöiiLiKER: 
die  eigenthümlicher  Nerven-Endapparate  in  dem  Hautorgane 
durch  Wagner  und  Meissner  nachgewiesen  worden;  während 
die  Untersuchungen  von  Favre,  Schottin,  E.  H.  Weber  u.  A. 


Allgemeine  Geschichte.  1^ 

i„  ,\ie  secvetorbche.  >.ml  anderweitigen  Functionen  der  Haut 

,1.  s,t'd;„m  lim  die  Zeit  der  Vierziger- Jahre, 
cta  ™^''.'»™f^!^^^töSe  ™-de  »er  den  Hänfen  geworfen 
r  IdanUbaren  Anfgabe  ledig,  dieser 

,md  die  Doctime  somit  patliologisote 

0-  '^''^^^^"'^^^.jSrre  intS^iStndil  geworden. 
r:;:i:::«rdrLegr iff  der  naturgeseHcKtücKen  Tiia. 

J:    wie    sie    als    fertige  ^^if^^^^^'^^^^^J^^ 
j     T^-voniVlip^fsvorc-aiis;  o-escliafPeii  worden,    xai    v  ex 

S::«— erster!  ird  d 
r"™,  die  letztere  dnrcli  Sk».  begriindet,  J 
ner  damit  aueli  die  Hanpttandatoren  der  nene.^  und  speciell 
der  Wiener  medicinischen  Scliule  geworden  sind. 

\as  diese  ^-'^^^^tl^^ 

'.l^i^riT;  -  Besehen  gele. 

Stet  H^K^  ist  der  Scköpfer  der  neuen,  mxd  nack  xhm  benann 

Hyperämie,  Entzündung,  Neubüdung,  »  »*f "^*!;"  'tj,  "  b^^^ 
scheinung  iraten.  Skod^'s  Beispiel  folgend,  beimilite  sich  Hebra 
dt  physiologischen  Verlauf  der  Krankheiten  am  Hantoigan 
zii  stiidiren.  Er  that  dies,  indem  er  auch  das  Experiment  zn 
Sl  e  nim  und  Krankheiten  an  der  Haut  ^'^  J^ 
und  beohachtnngsweise  beherrschte  sowie  J«™« 
registrirte,  welche  gewisse,  auch  therapeutische  Emgiiäe  in 
dem^ormalverlautl  der  HantkranUheiteii  ;  .^^ 

g  langte  H..B.  dahin,   zunächst   die  'I^J^^  ;t 

Lutkrankheiten  zu  -eisen  iind  som^t^  d^^^^  ""t^^, 
früher    snpponirten    psorisclien,    lierpetiscnen ,  i 
S^^tische!  nnd  anderen  Dyskrasien  als  vermeinüicta  ür^a 
eben  aller  Hautkrankheiten  darzuthnn,  damit  zugleich  emen 
von  Vorurtheilen  unbeiriten  Weg  zur  BehandUmg  der  Haut 
Übel  einzuschlagen. 


j  (j  Erste  Vorlesung. 

Von  grüiiclliclier  Keuntniss  der  Literatur  geleitet,  kam 
er  daliiu,  das  enorme  Material  der  dermatologisehen  Ueberlie- 
ferung  kritisch  zu  sichten.  Unbrauchbares  zu  verwerfen.  Gel- 
tendes zu  stützen,  die  Kranldieitsgruppen  und  Formen  scharf 
und  für  alle  Zeit  kenntlich  zu  sondern  und  zu  charakterisiren, 
Auseinandergeworfenes  als  natürlich  Zusammenhängendes  zusam- 
menzufassen, viele  Krankheitsformen  als  neu  erkannte  zu  con- 
sta«fciren  und  die  Pathologie  der  Hautkrankheiten  nnd  ihre 
Diagnostik  von  Grund  auf  zu  reformiren  und  neu  zu  gestalten. 
Auf  der  neu  geschaffenen,  positiven  Basis  entwickelte  Hebra 
die  Lehre  von  den  Hautkrankheiten  nach  einer  Methode  und 
bis  zu  einer  Vollkommenheit,  die  sie  den  exacten  Naturwissen- 
schaften in  vielen  Beziehungen  gleichstellt. 

Dazu  kam  ein  früher  nie  geahnter  Erfolg  in  der  von 
Hebea  gelehrten  Behandlungsweise  der  Hautkrankheiten.  Die 
Tlierapie,  früher  ein  von  allen  möglichen  Vorurtheilen ,  Phan- 
tasien und  Willkürlichkeiten  gepeitschtes  Schwanken ,  oder  ein 
auf  wissenschaftlich  sich  gebender  Unkenntniss  gestütztes 
Laisser-aller,  war  jetzt  ein  bewusstes  und  erfolgsicheres  Han- 
deln. Es  war  gestützt  auf  genaue  Keuntniss  des  Krankheits- 
wesens und  zum  Theile  der  Krankheitsursache,  sowie  nicht 
minder  der  experimentell  festgestellten  physiologischen  Wir- 
kung der  Medicamente. 

Vergessen  wir  endlich  nicht  den  mächtigen  persönlichen 
Einfluss,  den  Hebra  in  der  Bethätigung  seiner  Lehre  geltend 
machte,  als  unermüdlicher  Lehrer  und  Schriftsteller  durch 
die  Klarheit  und  Logik  seiner  mündlichen  und  schriftlichen 
Darstellung,  als  praktischer  Arzt  und  Kliniker  durch  seine 
höchst  übjective  und  darum  bis  an's  Unfehlbare  streifende 
Exactheit  und  Schlagfertigkeit  in  der  Diagnose  und  seine 
erfolgreiche  Methode  der  Behandlung:  so  wird  es  sich 
begreifen,  dass  die  neue  Lehre  in  kurzer  Zeit  den  grössteu 
Theil  der  älteren  Aerzte,  wie  der  studirenden  Jugend  für  sich 
gewinnen  konnte. 

Wissenschaftlich  anregend  nnd  befriedigend,  nnd  praktisch 
auf's  glänzendste  sich  bewährend  musste  die  neue  Lehre  als- 
bald die  massgebende,  ja  in  ihren  Grundprincipien  die  lierr- 
tichende  werden. 

Vermittelt  wurde  diese  Lehre  zunächst  durch  die  litera- 
rischen Publicationen  Hebra's  ,   deren  erste  im  Jahre  1844 


17 

AUsümoino  Gesclüclitu. 


0,;::    -  e,.;;  legte  .cKo.  aeutUo,.  die  prin- 
evregeude  Tatsache«    ^  ^^^^^^  .^^  AUgememen 

v»l  v-tung.  Anzweifelung  nnd  mtopruch 
des  stiumes,  vo u  o  erbgesessenen  Doctnnare 

..eiaen  diese  Avb«   -  ^^8«   ^  ^^^^^^  ^„..^„^i,, 

Ä,!:::.'  ^:tig"re.en    vieHaebe  An«n 
"**Äet45 1 SffentUeMe  sein 

tw::":;  geltend  gemachten  Ca.dinalve..nde™gen, 

Sie  lauten: 

I.  Classe.  Hyperaemiae  cutaneae. 
n  Anaemiae  ciitaneae.  ^ 

Anomaüae   secretionis    glancMarum  cuta- 

,  nearum. 
XV,  Exsviclationes. 
V.      "      Haemorrhagiae  cutaneae. 
VI.      „  HypertropHae. 
VII.      „  Atrojjliiae. 
VITT.       „  Neoplasmata. 
IX.      „  Pseudoplasmata. 
X.      „  Ulcerationes. 

XI  Neuroses. 

XII  "      Parasitae  (Dermatoses  parasitariae).  ' 
Innerhalb'dieses  durcli  unzweifelhaft  naturwissenschaftlxclae 

Merkmale  gekennzeichneten,  sehr  einfachen  und  gewiss  noch 
dnerweite?en  Vereinfachung  fähigen  Systemes,  welches  exner 
In  p  thologischen  Veränderung  in  der  Haut  von  vornherem 
fh  en  bestimmten  Platz  zuwies,  vermochte  dessen  Schopfer  die 
.alüreichen  ^nd  so  verschieden  iiüancirten  Krankheitsprocesse 
auch  nach  natürlichen  Gruppen  zu  ordnen  und  emzur^^^^^^^^^ 
In  demselben  Masse  als  die  Kenntniss  der  pathologisch- 
anatomischen  Veränderungen  allenthalben  als  nichtigste  und 
positivste  Grundlage   des  klinischen  Studuims   -h  geW 
Lchte,    ist    darum   auch  bezüglich   der   Dermatologie  das 

Kaposi,  Hautkrankbeiten. 


Erste  Vorlesung. 

18 

HEBBi'sdie  Eintheihmgssyrtem  in  Gtoze  oder  unwesentlich 
^dlfldrt,  oder  wenigstens  in  seinen  Hanptzugen,  fast  nberall 
seither  a  ceptirt  worden,  aueh  da,  wo  m  anderen  Beziehungeu 
noeh  bedeutende  Abweichungen  von  der  HEBEVschen  Schule 

sich  erlialten  haben.  _      ■,  ^  tt  i,  t 

Neben  der  geistigen  Reformation  bat  Hebea  auch  die 
materielle  Entwicklung  der  Dermatologie  in  hervorragendster 
Weise  ffefördert,    dank  dem   ungewöhnlich  reichen  Kranken- 
materiale  welches  sein  Name  und  das  von  demselben  getragene 
Institut  an  sich  heranzog,  und  dank  der  fruchtbaren  Art,  m 
welcher  HebuA  dasselbe  therapeutisch  und  didaktisch  zu  ver- 
werthen  verstanden  hat.    Neben  zahlreichen  grösseren  und 
kleineren  Arbeiten  bildet  sein,  in  Verbindung  mit  Elfinger 
und  Heitzmann    herausgegebener    grosser  Atlas    der  Haut- 
krankheiten —  bisher  unübertroffen  an  Pracht  und  Natur- 
wahrheit —  so  wie  sein  inhaltreiches  Lehrbuch  der  Haut- 
krankheiten, (dessen  2.  Theil  ich  bearbeiten  zu  dürfen  so 
glücklich  war),  für  die  ärztliche  Welt  unserer  Zeit  unbestritten 
den  massgebendsten  Unterrichtsbehelf  in  der  Dermatologie.  ^ 

Einflussreich  wie  seine  literarischen  Leistungen  hat  sich 
Hebba's  Thätigkeit  als  Lehrer  erwiesen.  In  seinen  Vorlesungen, 
zu  denen  Aerzte  aus  allen  Zonen  heute  wie  vor  drei  Decennien 
sich  drängen,  haben  Tausende  derselben  neben  dem  reichen 
Schatze  vorbehaltlos  und  freigebig   Übermittelter,  enormer 
klinischer  Erfahrung,  namentlich  die  wichtige,  der  Wiener 
Schule  eigene  Methode  des  Studiums,   der  Auffassung  der 
Krankheitsvorgänge  in  der  Haut,  der  objectiven  Diagnostik 
und  der  zielbewussten  Therapeutik  in  sich  aufgenommen  und 
theils  zum  Wohle  der  leidenden  Menschheit  praktisch  verwerthet, 
theils  als  überzeugungstreue  Schüler  Hebra's  in  frachtbarer 
Propaganda  den  Jüngern  ferner  Länder  und  Zonen  übermittelt. 

Endlich  darf  nicht  verschwiegen  werden,   dass  Hebra, 
indem  er  sein  monumentales  Werk  keineswegs  als  vollendet 
erachtet,   dessen  Ausbau  und  Vervollkommnung  dadurch  am 
kräftigsten  gefördert  hat,   dass   er  jedem  Einzelnen  seiner 
zahlreichen  Schüler,  welche  Gesinnungs-  und  Arbeitsgenossen 
seines  Strebens  sind,  jederzeit  durch  Theünahme,  Rath  und 
sachliche  Förderung  unter  die  Arme  griff  und  so  zum  verehrten 
Haupte  einer  wissens(!haftlichen  Jüngerschaft  wurde ,  ^  welche 
hier,  wie  jenseits  des  Oceans,  selbständig,  aber  im  Geiste  der 


Allgemeine  Gescliiclite.  1^ 
Wie.e.  SCnle,  leiste  üe^Wahr^^^^^eit ,  die  gedeil^liCe 
Entwicklung  der  Dermatologie^n^iebt. 

•  1,  Lei  dieser  Etappe  in  der  liistorlsclien  Ent- 
Wenn ich  ^''^^'^"^^^      ^^^^^   ^,,^eilt    nnd  dalDei  die 

-'^'.r^Z^l^-^-^  gestern  Habe,  so 
Persönlichkeit  Hebea  s  m  ^  gewissermassen 

geschah  .ie.  -    -  «-^^  ^  ,         4,HoK  _ 

taim.  -,     Walirlieit  noch  den  Tradi- 

Wir  wtelen      J^^^^^^^^^^^^  Versehen  woUter, 

Oa.  ^^^^^'^J:^TL  Wien,  schule 

der  Lehre   von  den  H.vUtoanhherte„  gd^^^^^^^^^ 

erwätoe  hier  von  Deutecheu  nur  ™  J'»™  der 

.„ge.  reichen  Hantbani- 

in  den  SchriftsteUem  Plombe,  Astony  i»™' 

fmchtharen  Nestor   der    ^S'"""".™ ,  jer  nenereii 

Was»  n„d  vielen  --!^^^-'^^^'f^tJ^J:,iM- 
Zeit  thätigen  Antoren  «fngc  1?»«^;"'  einer 
a.eri.a,  .war  in  '^^^^^,^r:j';^^^^ 

teträchtllchen  ZaU  von  Aerzten,  zum  grossen  Theüe  „ 

der  Wiener  Schule,  .  ,.     Ap^^te  nnd 

Die  Bedentnng  der  Dermatologe  f"-^^  f  j^i,^ 
Praxis  nnd  die  Pathologie  überhaupt  .st  m  l«^^^™,^,,^,,, 
zur  aUgemeineu  Uehcr.eug.rng  geworden^  D™^^^^  ^^.^ 
sind  in  allen  Ländern,  namentlich  Emopas,  -L.e 


2Q  Erstü  Vorlosung. 

dieselbe  errichtet  worden  und  zahlreiche  Facharbeiter  erstanden, 
die  zum  Theile  durch  grössere  Arbeiten  und  ^^^erke,  zum  Theile 
durch  besondere  literarische  Beiträge  diese  Doctrin  gefördert 
haben.  Darunter  zählen  rühmKchst  bekannte  Namen,  welche  liier 
erschöpfend  aufzuzählen,  unthiuilich  wäre.  Wir  werden  die- 
selben aidässlich  ihrer  speciellen  Leistungen  in  der  Pathologie 
der  einzelnen  Hautkrankheiten  kennen  lernen. 

Dass  auch  bei  uns  und  namentlich  hier,  an  der  Geburts- 
stätte der  neueren  Dermatologie,  der  Eifer  für  die  Lehre 
nicht  erloschen  ist,  davon  zeugt  nicht  nur  das  Herbeiströmen 
zahlreicher  Zuhörerschaft,  sondern  in  erster  Reihe  das  heute 
wie  ehe  schöpferische  und  anregende  Wirken  unseres  Lehrers 
Hebea,  nebstdem  die  frachtbare  Thätigkeit  seiner,  Ihnen  Allen 
bekannten,  heimischen  und  auswärts  weilenden  Schüler,  welche 
anzuführen  die  specielle  Pathologie  der  Hautkrankheiten  Gele- 
genheit bieten  wird. 

Der  Entwicklungsgang,  welchen  die  allgemeine  Patho- 
logie seit  den  Fünfziger- Jahren  genommen ,  •  hat  es  mit  sich 
gebracht,  dass  die  Kenntniss  von  der  Natur  der  Hauterkran- 
kungen nicht  nur  von  Denjenigen  gefördert  wurde,  welche  die- 
selben vorwiegend  zu  ihrem  Fachstudium  gewählt  haben.  Die 
ruhmreichsten  Bearbeiter  der  anderen  medicinischen  Fächer, 
namentlich  der  pathologischen  Anatomie,  Histologie  und  Chi- 
rurgie haben  Bedeutendes  direct  und  indirect  zur  Förderung 
der  Dermatologie  beigetragen.  In  der  specieUen  Pathologie 
der  Hautkrankheiten  werden  wir  viele  derselben  namentlich 
kennen  lernen. 

Zunächst  hat  die  Erfahrung  von  der  parasitären  Natur 
gewisser  Dermatonosen  das  regste  Interesse  der  Botaniker, 
speciell  der  Mykologen  und  Zoologen  wachgerufen,  deren 
exacter  Methodik  der  Forschung  die  Dermatologie  formell 
und  sachlich  ungemein  viel  zu  verdanken  hat.  Die  Bestre- 
bungen, über  die  Bedeutung  der  Entzündung  und  Eiterung  luid 
die  hiebei  stattfindenden  Vorgänge  in  den  Circulations-Organen 
und  Geweben  in's  Klare  zu  kommen,  haben  schon  frühzeitig 
auf  das  Hautorgan,  als  ein  sehr  passendes  Studium-Object 
geführt,  wie  aus  dem  nahezu  vor  vier  Decennien  erschienenen 
Aufsatze  Henle's  „über  Sehleim-  und  Eiterbildung  und  ihr  Ver- 
hältniss  zur  Oberhaut"   erhellt.    An  der  Haut  studiren  die 


Allgemoine  Gescliiclite.  21. 

Chirnvffen   die  sie  zumeist  interessirenden  Vorgänge  bei  der 
Wnndi:;ilnng,  der  Granulation,  Narben-  nnd  Epidernnsl^ldung 
In  dem  Masse,  als  die  patliologiscbe  Anatomie  der  Neuzeit 
^vesentlicll  die  patbologisclie  Histologie  pflegt,  und  in  ilir  über 
die  Gewebsveränderungen  bei  der  Entziindiing,  namentlicli  aber 
über  den  Charakter  und  die  Entstellung  der  Neugebilde  Auf- 
kläruno- suclit,  trat  dieselbe  in  intensiver  Weise  auch  an  das 
Studium  der  Entzündungen  und  Neubildungen  der  Haut  heran. 
Die  physiologische  Histologie  und  die  Entwicklungslehre  die 
Eoibryologie,   die  Grundlage  für  die  pathologische  His^to  oge 
konnte  der  Theilnahme  an  dem  gememschattlichen  Studien- 
Obiecte  sich  nicht  länger  entschlagen,  da  in  ihr  die  AufklaTUiig 
für  viele  Neubildungen  und  Geschwülste  zu  finden  ist.  Viele 
f  anctionelle  Störungen  des  Hautorganes,  unter  denen  die  neuro- 
tischen wohl  die  interessantesten  sind,   weisen  sofort  aut  das 
Studium  der  physiologischen  Hautfunctionen ,   der  Vertheihing 
und  Functionen  der  Hautnerven,  der  sensitiven  und  vasomoto- 
rischen Nerven  insbesondere  hin.    Und  so  sehen  Sie  denn  das 
pathologische  Gebiet  immer  mehr,  fast  bis  zu  dem  Umfange 
der  allgemeinen  Pathologie  sich   ausdehnen,  in  welches  die 
Dermatologie  ihre  organischen  Ausläufer  sendet,  von  da  Nahrung 
schöpfend  und  dahin  führend. 

Von  solchem  Gesichtspunkte  erfasst  wird  Ihnen  die  Der- 
matologie nicht  mehr  als  eine  von  dem  allgemeinen  Fachstudium 
abgesonderte  Doctrin,  auch  nicht  als  blosser  Gegenstand  einer 
für  die  Praxis  zu  erwerbenden  Routine  erscheinen,  sondern  m 
der  grossen  Bedeutung ,  in  der  ich  Ihnen  Eingangs  dieselbe 
vorgeführt  habe,  als  wünschenswerthe  und  nothwendige  Er- 
gänzung Ihres  pathologischen  Wissens  und  als  unentbehrlicher 
und  heilsamer  Behelf  für  Ihren  ärztlichen  Beruf.    In  diesem 
Sinne  werden  Sie  mit  Elfer  und  Verlangen,  und,  von  Ihren 
bereits  erworbenen  medicinischen  Kenntnissen  unterstützt,  aiicli 
mit  Vertrauen  und  Erfolg  an  das  Studium  der  Hautkrankheiten 

So  lassen  Sie  uns  denn  mit  der  nächsten  Vorlesung  die 
Erörterung  der  allgemeinen  Pathologie  der  Hautkrankheiten 
beginnen. 


Zweite  Vorlesung. 

•        riiarakter  der  die  Haut  betreffendeu  pathologischen  Proeesse. 
^Trsl^UU^he  UeS  e  n  derselben  nnit  denen  der  anderen  Organe 

-Wesenuiene  uey  iedoch  mit  eigenthümlichen  Charakteren  in 

K:;th«;  De^\S:Ue^Cratkter  ist^edingt   durch    die  .besondere 
Anatom  e  der  Haut,  die  eigenartigen  Symptome  und  Ursachen  der  Haut- 
Krankheiten.  -  Anatomie  der  Haut  und  ihrer  Anhange. 

Die  Kraiitlieitsprocesse,  welelie  ander  menschliclien  Haut 
zu  beobacMen  sind,  unterscheiden  sich  in  ihrem  Wesen  durchaus 
nicht  von  denjenigen  der  anderen  Organe  des  menschlichen 
Körpers.  Sie  sind  im  weitesten  Sinne  Erscheinungen  der  (luan- 
titativ   oder  ciualitativ  veränderten  Ernährung 
und  Function.  Vergessen  wir  nicht,  dass  die  aUgenieme 
Decke  nicht ,  wie  allenfaUs  der  Laie  denken  mag,  em  einfaches 
Involucrum  corporis  hamani  darsteUt.  DieselLe-ist  vielmehr^  em 
sehr  compHcirt  gebautes  Organ,  welches  sowohl  in  semem  Grund- 
gewebe mit  den  Eascien  verbunden  ist,   als  auch  durch  sem 
Blut-  und  Lymphgefäss-Geäder  und  durch  die  in  ihr  verlauten- 
den imd  ausstrahlenden  Nervenzweige  mit  den  Ernährungs-  und 
Lmervations-Centren  des  Organismus  organisch  zusammenhangt 
und  demnach  denselben  Vegetations-  und  Eunctionsbedingungen 
unterliegt,  wie  aUe  anderen  Organe  und  Gewebe  des  mensch- 
lichen Körpers.    Deshalb  ist  auch  gar  nicht  zu  erwarten,  dass 
die  Alienation  in  der  Ernährung  und  Function  der  Haut,  das 
ist  ihre  Erkrankung,  wesentlich  anders  sich  geltend  machen 
könnte,  als  bei  den  anderen  Organen  und  Geweben. 

In  der  That  kann  demnach  die  Haut  wie  alle  anderen 
Organe  nur  unter  dem  bekannten  Schema  erkranken,  der 
Hyperämie,  Hyperplasie,  Entzündung  mit  ihren  bekannten  Aus- 
gängen in  Lösung,  Eiterung,  Brand,  der  Atrophie,  Gewebs- 
entartung,  Neubildung,  Neurose  u.  s.  w.  Und  insoferne  werden 
wir     als  mit  der  allgemeinen  Pathologie  und  pathologischen 


Zweite  Vorlesung.  —  Allgemeine  Patliologie.  23 

Anatomie  in  hinreichendem  Grade  vertraut,  in  den  Krankheits- 
processen  der  allgemeinen  Decke  nur  bekannten  Vorkommnissen 

begegnen. 

Und  dennocla  machen  die  Haiitkrankheiten  unleugbar  anch 
den  Eindruck  des  Eigenthümlichen ,  Eremdartig^n  was  ilire 
Analyse  und  Erkenntniss  erschwert  und  die  Nothwendigkeit 
ihres  besonderen  Studiums  auferlegt. 

Dies  wu-d  zunächst  dadurch  bedingt,  dass  die  aUgememe 
Decke  ein  Organ  von  ganz  eigenthümlichem  anatomischen 
Bau  ist,  namentlich  mit  Eiicksicht  auf  ihre  Drüsen  und  ihre 
Epidermisdecke,  so  wie  von  speeifiseher  Eunction,  die 
hauptsächlich  als  Wärmeregiüirung,  Athmung  und  Secretion 
und  als  Tastempfindung  zum  Ausdruck  gelangt.  Durch_  die 
besonderem  anatomischen  Verhältnisse  werden  auch  eigen- 
thümliche  Erkrankungsformen  möglich,  die  bei  anderen  Organen 
nicht  vorkommen  können,  weil  sie  eben  solcher  Gewebs-  imd 
Organelemente  entbehren,  eben  so  wie  der  specifischen  Function 
aucb  nur  eine  adäquate  Störung  entsprechen  kann. 

Demnächst  trägt  zur  Eigenthümlichkeit  der  Hautkrank- 
heiten  der  Umstand  ganz  besonders  bei,  dass  ihre  Symptome, 
weil  ein  frei  zu  Tage  Hegendes  Organ  betreflPend  dem  Gesichts- 
und Tastsinne  unmittelbar  zugängig  sind  und  demnach  durch 
derart  perceptible  Erscheinungen,  also  der  Farbe  Anordnung, 
Consistenz,  des  Ansehens  und  der  äusseren  Beschaifenheit,  über- 
haupt dur;h  vorwiegend  physikalische  Merkmale  waYgenommen 
werden  können,  d.  i.  durch  Symptome,  ^  f  ^5^^^;^^ 

anderer  Organe  grösstentheils  unbekannt  sind  und  hier  deshalb 
zum  Theil  neu,  zL  Theil  ganz  besonders  studirt  werden  müssen. 

EndHeh  wird  die  Eigenart  der  Hautkrankheiten  zum 
Theüe  das  Gepräge  einer  besonderen  ^^/^l^g-chen  Ver- 
anlassung aufweisen,  ioidem  die  allgemeine  Decke ,  weü  der 
Aussenwelt  ganz  blos  gestellt,  durch  e-e  Menge  äusserer  En. 
flüsse,  als  hohe  und  niedrige  Temperatur,  mechanische  imd 
chemische  Einwirkungen,  Sclnnarotzerthiere  und  ^A--^^ 
gegriffen  werden  und  demnach  entsprechend  denselben  m  emei 
binderen  Art  erkranken  kann,  welche  in  dem  ^-P-^^^^^^^ 
genen  und  der  Aussenwelt  weniger  zugänglichen  Organen  mehi 

weniger  fremd  ist. 

Aus  diesen  Andeutungen  folgt,  dass  schon  zmn  aUge- 


2^  Zweite  Vorlesung. 

meinen  Verständniss  der  Hautkranklieiten  notliwendig  ist,  diese 
drei  Momente  besonders  in's  Auge  zu  fassen: 

1.  Die   Anatomie    und   Physiologie    der  allge- 
meinen Decke; 
-2.  die  allgemeine  Symptomatologie  und 

3.  die  allgemeine  Aetiologie  der  Hautkrankheiten. 
Bezüglich  des  ersten  Punktes  kann  ich  nicht  unihüi,  das 
ohnedies  Bekannte  aus  der  Anatomie  und  Physiologie 
der  Haut  so  weit  doch  Linen  in's  Gedächtniss  zurückzurufen, 
als  zum  allgemeinen  Erfassen  der  pathologischen  Nutritions- 
imd  Functionserscheinungen  dies  erspriesslich  scheint.  Gewisse 
feinere  Verhältnisse  werden  bei  Gelegenheit  noch  besonders 
hervorgehoben  werden  und  sind  in  den  bekannten  anatomischen, 
histologischen  und  physiologischen  Werken  erschöpfend  dar- 
gestellt. 

Anatomie. 

Die  allgemeine  Decke,  Integumentum  commune, 
überkleidet,  wie  ihr  Name  besagt,  die  Körperoberfläche  als  eine 
den  einzelnen  Theilen  sich  anschmiegende,  membranöse  Hülle. 
Sie  geht  an  den  grossen  Körper  Öffnungen  unmittelbar  in  die 
Schleimhaut  der  Körperhöhlen  über.  Ilire  freie  Oberfläche  ist 
nicht  von  gleichartigem  Ansehen  und  Anfühlen.  Abgesehen 
von  der  ungleichen  Färbung  an  verschiedenen  Stellen,  sieht  sie 
sich  matt  an  und  gibt  sie  ein  woll-  oder  sammtartiges  Anfühlen. 
Dies  rührt  von  gewissen  Ungleichheiten  ihrer  Oberfläche  her, 
die  durch  Furchen,  Höckerchen,  Poren  und  Haare  veranlasst 
werden.  An  den  bekannten  als  „behaart"  geltenden  Körper- 
steilen  ist  sie  mit  langen  Haaren,  im  Uebrigen  mit  feinen, 
dünnen,  sogenannten  Wollhärchen,  Lanugo,  besetzt.  Nur  die 
Handfläche  und  Fusssohle,  die  Dorsalfläche  der  dritten  Phalanx 
der  Finger  und  Zehen,  die  Eichel  und  innere  Fläche  der  Vor- 
haut und  der  Lippensaum  entbehren  der  Behaarung. 

Die  Furchen  an  der  Hautoberfläche  erscheinen  als 
längere  und  tiefere,  welche  grössere  Hautfelder  abtheilen,  und 
als  seichtere  und  kürzere,  welche  diese  wieder  in  kleinere, 
meist  oblonge  Felder  zerlegen.  Jene  entsprechen  zumeist  den 
Knickungslinien  über  den  Gelenken,  wie  in  der  Flachhand,  oder 
gewissen  nach  der  Tiefe  ziehenden  Fixirungszügen  der  Cutis. 
Die  kleineren  folgen  vorwiegend  den  Zwischenräumen  zwischen 


Anatomie  der  Haut. 


25 


den  Hautwärzchen  und  Haartasclienmündungen,  smd  übrigen  , 
t?e  die  jüngsten  Stndien  von  0.  Simon  ge tot  haben  be.ugbch 
Ter  Ri  tung  von  der  Spannung  der  Haut  abhängig  An  den 
treeks  en  der  Extremitäten  und  Gelenke  sowxe  über  dem 
Kre"  ist  diese  Furchung  mehr  entwickelt  als  an  den 
Ces  en  und  an  der  vorderen  Fläche  des  Stammes  Bex 
Ütel  Hautkrankheiten  kann  sich  dieser  Unterschied  aus- 

o-leichen  oder  selbst  umkehren.  n .  i    r  •  i. 

°  Ausserdem  erkennt  man  an  der  Hautoberfläche  ferne  riuule 
Grübchen  oder  Poren,  welche  grösstentheils  den  Mundungen 
der  Haartaschen  und  Talgdrüsen  entsprechen ,  ^vae  auf  der 
Nase,  oder  den  Mündungen  der  Schwexssdrusen  wxe  auf 
den  Riffen  der  Hohlhand.  Die  Letzteren,  die  R  ffe,  de 
Ausdruck  der  regelmässig  angereihten  ^--^VH^^Z;.^^^^ 
an  der  Yolarfläche  der  Fingerballen  m  zierlichen  Bogenlinien 

''EnZh  sieht  man  an  der  Hautoberfläche  sehr  verschieden- 
artige Färbungen,  welche  theils  als  diffuse  marmorirte  und 
zw^f^^^^^^^^  RöLngen  der  BlutüberfüUung  feinster  und  feiner 
Blutlefässcken  entsprechen,  theils,  als  vei^chieden  bi.un  nuai^- 
cirte  von  in  die  Epidermisschichten  eingelagertem  Pigment 
herrühren  und  als  solche  bei  den  meisten  Menschen  der  kau- 
kasischen Race  am  Warzenhofe,  am  Scrotnm ,  aii  den  Labien 
am  intensivsten  ausgeprägt  sind,  bei  Lldi^.duen  dunkler  Racen 
dagegen  in  gleichmässiger  Yerbreitung  die  dunkle  Allgemem- 

'''''l-.'fZZ  mitAusnalnne  der  behaarten  Kopfhaut  i^d 
der  über  dem  Kinn,  dem  Brustbein,  der  Linea  alba  und  der 
Glans,  mehr  weniger  leicht  verschiebbar  und  m  J^^^^ 
heben     welche  an  den  Streckseiten  des  Korpers  im  Allge 
meinen  sich  mächtiger  erweist  als  an  den  Beugeseitem 

Wie  in  den  hier  angedeuteten  äusseren  Merkmalen  so 
zeigt  die  Haut  auch  in  ihrer  anatomischen  f-^-—'^^! 
grosse  Unterschiede,  je  nach  ihrer  ^«P^S-P  1^^^^^^ 
tioneUen  Bestimmung,  indem  an  gew  ssen  Oertli«^^^^^^^^^ 
Bestandtheile   der  Haut   quantitativ  und  intensiv  ^-f^  ?^^ 
minder  entwickelt  sind,  oder  ganz  feUen.  Von  ^^-  n  o  ^hchen 
Unterschieden  abgesehen,  kommt  der  Haut  durchwegs  dieselbe 

typische  Structur  zu.  t      i+  ,inr.'h 

Auf  einem  feinen  Durchschnitte,  der  senkrecht  durch 


26 


Zweite  Vorlesuug. 


die  Cutis  gemacM  worden,  wie  Sie  unter  dem  Mikroskope 
Her  bei  massiger  Vergrösserung,  oder  in  der  Abbildung  (siehe 
Fig.  1),  welche  einen  Dickendurcbscbnitt  durch  die  Haut  der 
Fingerspitze  (nach  Henle)  darstellt,  betrachten  können,  unter- 
sclieidet  man  olme  Mühe  drei  Schichten.  Die  obere  Scliichte 
(a  b)  ist  die  Epidermis.  Sie  greift  mit  Zapfen  und  in 
scharfer  Abgrenzung  in  correspondirende  Zapfen  der  zweiten 
Schichte  (bei  b  c)  ein. 

Fig.  1. 


Dickendurclisclinitt  der  Haut  der  Fingerspitze,  parallel  dea  Eiffen. 
a 6  Epidermis,  a  Hornschiohte,  «'  Stratum  l'^'^idum    &  Schleimsch^^^^^^^  '/estS 
d  Cutis,    e  FettzeUenschiohte,  /  Ausfiilu-uugsgaug  der  Schweissdm^^ 
laufend  in  der  Cutis,  korkzieherartig  in  der  Epidermis ,    g  Schweissdiusenknauei, 

Ii  Blutgefäss-Durchschmtt. 

Diese ,  die  mittlere  Hautschichte  (c  g)  ist  von  gleich- 
mässigem  und  dichtem  Ansehen.  Sie  entspricht  der  eigentKchen 
Cutis,  Derma,  oder  Corium.  An  ihrer  oberen,  scharf 
gezeichneten  Grenze  zeigen  sich  in  regelmässigen  Absfänden 
kleinere  und  grössere,  konische  und  spitze,  zapfenförmige  Hervor- 
ragungen, die  Papillen  der  Haut  (c),  welche  von  einer  gläs- 
heUen  Membran  Überkleidet  sind.  Mit  diesen  greift  das  Corium 
in  entsprechende  Zapfen  und  Vertiefungen  der  oberen  und  sie 
bedeckenden  Hautschichte  ein.  Nach  der  Tiefe  geht  das  Corium 
olme  deutliche  Abgrenzung  allmälig  in  die  lockere  Schichte 
des  Unter  ha  utzellgewebes  über,  welche  als  Tela  cellulosa 
oder  adiposa  oder  subcutanea  bekannt  ist  (Schichte  ge). 


Anatomie,  SchiclitoB  der  Haut.  27 
n    TT   f.v  1,  nutz  eil  ff  e  webe,  bestellt  aus  einem 
gvobenMascbenwerk     on  ^n    .  ^^-^^...t  in  schiefer 

.ntergelagerten  .^^^^^^^f  !"i/^;\,oben  Bündeln,  tbeils  in 
r^Ä^STc^i— e3.en,  n.  sodann  mit  il^. 

Hase—  Tinte— n- 
chen  eingelagert,  mit  ^"^"^     . ?  ^  ,    ,  bezeicbnet  wird. 

^-n-:tet1l'p™ 

Die  F  e  tt  1  a  P 1^^^  ^    Wnde<.ewebs]iiille  in  einen  Klumpen, 

dnrcbeine  S^^^'^'^''}'!'^  '^'^^^^^  zusammengedrängt 
oder  in  mehrere  traubcbenaitige  ±ianieu  » 

stark  licbtbrecbende  Körper  dar  (Fig.  2  a).      t^m  ^sie 

bebandelt  werden,  wird  ilir  Fett- 

iiibalt  ausgezogen  und  es  bleibt 

eine    gefaltete  und   oft  einen 

Kern  bergende  Zellliülle  zurück 
(Fig.  2  b).  Die  massige  Entwick- 
lung der  Fettzellen  verleibt  der  ^^^^ 
Haut  Strammbeit  und  Spannung  FettzeUen, 
.nd  den  Körperformen  dies  er-  a^^^^l^^^ 
wünschte  schöne  Volle  luid  Run-        '  bekannten 

einer  bedeutenden  EntwicUnng  dieser  FettzeUen  Bei 
^ralt^cKen  «eitei.  ^^^^^^^^ 

rr;:.\^^.w.d^.^^^^ 

Scrotum  und  Penis,  an  den  kleinen  Labien,  den  iv  , 
^d  Ohrmuscheln  fehlen  die  Fettläppchen. 

In  das  UnterhautzeUgewebe  smd  auch  ^a,  wo  solche 
1  rliP  Knäuel  der  Schweissdrüsen  emgelagert  (1  ig-  1  g)- 

vorkommen,  die  Knauei  uei  o  TTcarbnlß-e  mit  ihrem 

Am  behaarten  Kopfe  ragen  auch  die  Haarbalge  mit 

Grunde  in  diese  Scliichte  hinein.  o-rnssen 
Blut-  und  Lymphgefässe  und  Nerven  finden  si^h  mg  os^^ 

Stämmen    Die  ersteren  senden  foine  umspinnende  Z^^^g«  ^  ^ 

fer^ettläpp^^L^ 

gende  Aeste  nach  dem  Corium. 


28 


Zweite  Vorlesung. 


Dieses,  das  Corium  (Fig.  1,  c  bis  f),  ist  von  dicbterem 
Gefüge.  Sein  Gerüst  bestellt  ans  einem  Flecbtwerk  von  parallel 
stur  Hantoberfläcbe  verlaufenden  und  sich  kreuzenden  Binde- 
o-ewebsbündeln ,  welches  noch  durch  die  vom  Unterhautzell- 
o-ewebe  schief  aufsteigenden  Bindegewebsbündel  und  ein  reiches 
Netz  von  elastischen  Fasern  verstärkt  wird,  und  besonders  in 
den  oberen  Schichten  sich  verdichtet.  Die  Hauptriclitung  dieser 
Faserzüge  und  der  durch  sie  umschriebenen  rhombischen  Maschen 
ist  für  die  meisten  Körperregionen  eine  ganz  bestimmte  und 
massgebend  für  den  Verlauf  der  Blutgefässstämme ,  sowie  für 
die  Anordnung  und  Ausbreitung  gewisser  Krankheitserschei- 
nungen. Die  Faserzüge  werden  stellenweise  verdrängt  durch 
die  in  das  Corium  eingesenkten  Haartaschen  und  Talgdrüsen, 
die  senkrecht  durchziehenden  Ausführungsgänge  der  Schweiss- 
drüsen  und  die  in  verscliiedener  Richtung  aufsteigenden  Blut- 
und  Lymphgefässe  und  Nerven. 

Namentlich  ordnet  sich  das  Fasergewebe  zu  dicliten  Bün- 
deln,  welche  die  Haartaschen,  die  Ausführungsgänge  der 
Schweissdrüsen  und  die  Acini  der  Talgdrüsen  unmittelbar  um- 
geben, beziehungsweise  deren  Grund-Stroma  bilden. 

Endlich  werden  die  oberflächlichsten  Faserzüge  noch  von 
der  Hauptriclitung  abgedrängt,  'ndpm  sie  schlingenförmig  in 
die  Papillen  eingezogen  werden. 

Ausser  den  Bindegewebs-  und  elastischen  Fasern,  welche 
den  wesentKchen  Bestandtlieil  der  Lederhaut  ausmachen,  finden 
sich  in  derselben  zerstreut  zahlreiche,  einfache  und  verästigte 
Bindegewebskörperchen,  sowie  eine  unterschiedliche  Menge  von 
Lymphzellen,  um  so  mehr,  je  jüngeren  Alters  das  Individuum. 

Die  Papillen 
(Fig.  Ic  und  Fig.  3) 
erheben  sich  aus 
dem  Coriunige- 
rüste  als  verschie- 
den grosse  und  ge- 
staltete Fortsätze, 
konisch .  warzen- 
I  förmig,  fadenartig, 

HautiiaiiilloTi,  ihre  Epidermis  abgelöst,  die  Gefasse      ß""^'  '^"'^^^  melirspal- 

injicirt.  tig,    mit  breiter 

rt  Je  ein  Jfn  i  r  s  n  o  r'schos  Körperchen  hergendR  Tast-i      t)„„;„  Qi'cKoof  aIioh 
pnpiUen  ;  die  übrigen  defiisspnpillpn.  BaSlS.  t5ie  OeSteueU 


Fig.  3. 


Anatomie,  Schicliteu  der  Haut.  29 

aus  einem  verschieden  nVachtigen  Bindegewebsgeriiste ,  nach 
•men  vorwiegend  aus  ekstischen  Fasern.  Emzelne  derselben 
eXltenim?nnerneineBlntgefässschlmge,  zuführende  Arterie  . 
uml  X  licklauf ende  Vene,  nnd  heissen  G  e  f  ä  s  s  p  a  p  x  1  e  n  (Fxg.  3  a), 
andere  bergen  im  Innern  ein  Nerven-Endkörperchexx ,  enx  so- 
::nLtes  MBXssNBK'sches  Tasthörperchexx  oder  IvB..sKsche 
Nerven -Endkolben,  xxxxd  heissen  daxxn  N  erv  exx-  odex  Tast- 

papillen.  (Eig.  3  b.)  .      ■,  i  V 

Die  TastpapiUen  fixxden  sich  in  grösster  Anzahl  an  dem 
Nao-eloliede  der  Einger  xxxxd  Zehen,  wo  sie  iax  Abwechslxxixg 
,nit°  den  aUerdings  viel  zahlreicheren  Gefässpapülen  in  regel- 
xnässio-en  Bogenreihen  angeordnet  sind;  ausserdem  xxoeh  in 
rtlhtlichex^lenge  im  Bereiche  der  Elachlxand  und  Euss- 
sohle  des  Lippenroth,  der  Brustwarzen. 

Am  übrigen  Körper  sind  die  Papillen  überhaupt  weiter 
xxnd  unregelmässiger  von  einander  situirt,  und  die  Tastwarz- 
chen  im  Ganzen  spärlicher  gegenüber  den  Gefässwärzchen. 

Von  den  in  die  Structur  des  Coriums  mit  einbezogenen 
Blut-  nnd  Lymphgefässen,  Nerven,  den  Talgdrüseix,  Haarfollx- 
keln  und  Schweissdrüsen,  sowie  den  Muskeln  der  Haut,  werden 
wir  an  einer  anderen  SteUe  sprechen.  ,    o  i  •  i  ^ 

Yor  der  Hand  betrachten  wir  noch  die  oberste  Schichte 
der  Haut,  die  Epidermis  (Eig.  lab). 

Diese  entbehrt  im  Gegensatze  zu  den  anderen  Haut- 
scHchten  vollständig  der  faserigen  Structur  nnd  eines  Getass- 
systems.  Sie  setzt  sich  ganz  nnd  gar  aus  einzelnen  ZeUen 
zusammen,  welche  durch  eine  Art  „Kittsubstanz"  zusammen- 
cehalten  werden.  Diese  ist  von  Jul.  Abnold  als  Gerxnnungs- 
^roduct  von  Lymphe  erklärt  worden,  derart,  dass  diese  m 
Saftkanälen  enthalten  wäre,  welche  zwischen  den  Epxdermxs- 
zeUen  verlaufen,  deren  Ernährung  besorgen  und  mit  den  batt- 
kanälen  der  Papillen  in  Verbindung  stehen.  _ 

Man  xmterscheidet  wesentlich  zwei  Schichten  der  Epidermis. 
Die  tiefere  stellt  die  Schleimschichte  oder  Mai^piohi sehe 
Schichte  vor  (Eig.  1  b).  Sie  fällt  durch  ihr  körnxges  Ansehen  und 
ihre  dimlde  Färbung  auf  gegenüber  der  mehr  heUen  tokschei- 
nenden  nnd  lamellirt  aussehenden  oberflächlichen  Schichte,  dei 
eigentlichenHornschichte,  Stratum  corneum  (F^^^^^^^^ 
Die  MALPiGHi'sche  Schichte  besteht  aus  deutlich  kein 
haltigen,  protoplasmareichen,  demnach  sehr  lebhaft  vegetirenden 


gQ  Zweite  Vorlesung. 

und  in  parallelen  Schichten  angereihten  Zellen,  welche  durch 
Carmin,  besonders  im  Kern,  sich  sehr  lebhaft  färben.  Sie  bekleidet 
\uimittelbar  die  mit  einer  Art  structnrlosen  Membran  sich  ab- 
setzende Corium-Oberfläche  nnd  füllt  die  zwisclien  den  PapUlen 
sich   ergebenden   Bucliten  durch   entsprechende   Zapfen,  die 

Fig.  4. 


Rete-Zapfen,  aus  (Fig.  4,  g).  Die  Zellen  der  tiefsten  Rete- 
schichte  stehen  mit  ihren  länglichen,  von  einer  schmalen  Proto- 
plasmaschichte umgebenen  Kernen  senkrecht,  pallisadenförmig 
auf  dem  Corium  auf  und  pflanzen  sich  mit  hakenförmigen 
Fortsätzen  in  das  Papillen-Gewebe  ein.  Die  nach  der  Oberfläche 
folgende  zweite  und  dritte  Scliichte  besteht  aus  mehr  oblonge 
Kerne  bergenden  Zellen.  In  diesen  findet  sich  bei  den  Menschen 
heller  Race  wenig  körniges  braunes  Pigment,  bei  den  Negern 
viel  solches  Pigment  eingelagert.  Die  Zellen  der  nächst  höheren 
Schichten  sind  viel  grösser,  polyedrisch,  mit  rundlichem  Kern 
und  deutlicher  Zellmembran  versehen.  Letztere  zeigt  zahlreiche 
radiäre  RifiPe  oder  Staclieln,  welche  in  die  benachbarten  Zellen 
einzugreifen  scheinen,  M.  Schcltze's  Stachel-  oder  Riffel- 
zellen (Fig.  5). 


Anatomie,  Scliicliten  dor  Haut.  31 

j-ig.  5.  Die  Bedeiituug  dieser  Riffel  ist 

nocli    niclit  klargestellt.  Scheden 
^0fs^  sieM  sie  als  Contouren  von  Saft- 

>f    ^  ^  canälclien  an.    Nacli  den  oberfläck- 

licksten  Reiken  zn  werden  die  Zellen 
immer  mekr  starr  und  abgeplattet, 
ikr  Kern  ersckeint  kleiner,  sie  lagern 
Sick  in  zur  Oberfläcke  mekr  paralle- 
len  gekickten.    Seit  Langeehans' 
Untersnckungen  nntersckeidet  man 
in  der  feineren  Histologie  die  ober- 
sten   Reiben    der  MALPiGHi'scken 
Zellen  anck  als  K  ö  r n c k e nz  e  11  e n- 
Stachel-  oder  EiffelzeUen  mit    gekickte,  von  dem  körnigen  An- 
Kern  md  Kernkörper  dien.       ^^^^^  .^^^^  Protoplasma. 

BiESiiDECKi  und  Pagenstechee  kaben  zwiscken  den  den 
epitkeHalen  Ckarakter  an  sick  tragenden  Retezellen  auck  em- 

verästigte  Formelemente,  von  dem  Ckarakter  der  soge- 
nannten Wanderkörpercken  eingelagert  geseken,  deren  Vor- 
kommen auck  ick  constatiren  muss. 

DieHornsckickte  der  Oberkaut,  Stratum  corneum 

oder  Cuticula  (Fig.  1 ,  a  a')  sckeint  auf  Durcksckmtten  aus 
wellig  und  paraUel  zur  Hautoberfläcke  gesckickteten  Fasem 
zu  beslek.n.  Bei  näkerer  Prüfung  erkennt  man,  dass  diese  nur 
der  Ausdruck  der  Aneinanderlagerung  von  platten  Zellen  ist. 
Näker  zur  MALPiGHi'scken  Sckickte  ist  der  ZeUckarakter  deut- 
licker  zu  erkennen.  Die  ZeUen  sind  nur  flacker  als  die  Rete- 
zeU~-n,  melir  trocken  und  zeigen  selten  den  Kern.  Je  naker 
zur  Oberfläcke,  desto  mekr  ersckeinen  die  Zellen  nur  als  flacke 
Blättcken,  —  Hornkaut-  oder  Epidermissckuppcken.  _ 

Die  Zeüen  der  Hornsckickte  lassen  nur  nock  m  den  tie- 
feren Sckickten  wenig  körniges  Protoplasma  erkennen,  -  basale 
und  superbasale  Hornsckickte  nack  Unna,  -  kaben  deninack  im 
Ganzen  wenig,  in  den  obersten  ScHckten  kaum  mekr  Lebens- 
fäkigkeit,  und  färben  sick  nur  sekr  sckwack  m  üarmin 

Bekanntlick  sckiÜfern  die  Hornplättcken  contmuirlick  ab, 
imd  werden  dieselben  durck  neuen  Nacksckub  von  den  tieteren 
Sckickten  ersetzt.  Dies  lässt  vermutken,  dass  die  Retezellen 
im  allmäligen  Vorrücken  von  der  Tiefe  zu  den  Hornplatten 
werden.    Diese  Auffassung  kat  von  einzelne  Autoren  eme 


Zweite  Vorlesung. 


Einschränkung  erfahren,  indem  sie  anf  den  Umstand  hinwiesen, 
dass  der  Uebergang  von  den  Retezellen  zu  den  Hornzel  en 
o;Lh  sich  nicM  als  ein  allmäliger  dax.tellt.  Es  befindet  s.ch 
imlich  zwischen  der  Scldei^nschichte  nnd  dem  Stratnm  corneum 
ein  schmaler  heUer  Streifen  (Fig.  1,  a'),  das  OEHL'sche  Stratnm 
Incidnm.  Einige  meinen,  dass  dieses  nnr  der  Ansdn^ck  jener 
chemisch-biologischen  Umwandlung  ist,  welches  die  Retezellen 
durchmachen  müssen,  um  zu  Hornplatten  zu  werden.  Schroen 
hat  darüber  eine  besondere  Ansicht.    Er  meint    das  Stratum 
Incidinn  sei  die  Schichte  der  abgeplatteten  nnd  die  Schleim- 
schichte  abschliessenden  Retezellen.  Was  darüber  als  Stratum 
corneum  liegt,   das   sei  gar  nicht  ein  Denvat  der  RetezeUen, 
sondern  eine  über  die  Sclileimscliichte  ergossene  Ausbreitung 
der  AuskleidungszeUen  der  frei  ausmündenden  Schweissdrusen. 
Das  Unhaltbare  dieser  Ansicht  ist  jedoch  schon  von  anderen 
Autoren  (Auffhammer,  Unna)  dargethan  worden. 

Die  Epidermis  als  Ganzes  hat  an  den  verschiedenen 
KörpersteUen  eine  nnterschiedliche  Mächtigkeit.  Sie  ist  z.  B. 
am  mächtigsten  in  der  Elachhand  und  Ensssohle  und  kann  an 
jeder  KörpersteUe  unter  pathologischen  Verhältnissen  enorm 
anwachsen.  Sie  ist  dagegen  normaler  sehr  dünn  über  dem 
Lippenroth,  im  AUgemeinen  dünner  an  den  Beugeflachen  als 
an  den  Streckseiten  des  Körpers. 

Als  Ueberkleidung  des  Coriums  folgt  sie  stellenweise, 
z.  B.  an  der  Vola  der  Finger ,  strenge  den  Hervorragungen 
nnd  Vertiefungen  des  Coriums,  entsprechend  den  Papillenbergen 
und  Thälern.  Am  Lippensaum  füUt  sie  auch  die  Letzteren 
ganz  ans  und  erscheint  daher  an  der  Oberfläche  eben. 

Als  Ganzes  setzt  sich  die  Epidermis  in  die  Haartollikei 
bis  zu  einer  gewissen  Tiefe  fort,  mit  den  RetezeUen  bis  zum 
Grunde  der  Haartasche,  deren  Innenwand  als  Haarwurzei- 
scheide  bekleidend.  Sie  hängt  auch  weiters  mit  den  :^^is*dei- 
dungszellen  der  Talg-  und  Schweissdrüsen  zusammen,  Verhält- 
nisse, welche  gewisse  pathologische  Vorgänge  erklärlich  machen 
nnd  no  ch  öfters  zur  näheren  Besprechung  kommen  werden. 

V  e  g  e  t  a  ti  0  n  und  F  u  n  0 1  i  0  n ,  diese  beiden  Eigenschaften 
des  lebeAden  Organes,  sie  werden  auch  bei  dem  Hantorgane  durch 
das  Gef  äss-  nnd  Nervensystem  vermittelt,  und  so  auch 
die  Alteration  jener  beiden  Eigenschaften,  d.  i.  die  Erkrankung. 


Fl^.  5  .    Scnkrecflier  Diirclischnitt  durch  ein  m^icu-tes  HaulsUick  thr 


l'oJa  man  US    n  ach  Tonisa 

ßic  jirterien.  sincLroth  dielcnen  blait  üi/icirt 
T  Tieniegendex.clerSchichlederFctdäppdiett  und  Sclimcis.tdrüscn  cnttprc 

chcndcxl/i-lassncti.  0.  OherflachUches  subpapülarcs  O'e/iissneU.Bei  a  dfn 
Jusluhrun^sifang  derSchwfissdj'Use  begleitende  trefasse .  P.  Papillär  -  öefdss- 

sckUn^en  .  S  Die Drüsenhnduel  umspinnende Xetic  .B  Jufslei^^ende  JesU 
^  Fett7,ellenschic)itt 


L\üi.Jnsti'7  Kikt.Witru 


Anatomie,  Gefässe  der  Haut.  33 

Es  ist  demnach  notlnvendig,  noch  die  Circnlations-  nnd  Inner- 
vationsverhältnisse  in  der  Hant  nälier  ins  Ange  zu  fassen.  ■ 

Wie  schon  erwähnt,  besitzen  nur  Cutis,  Corium  und 
subcutanes  Bindegewebe,  Blutgefässe.  Diese  sind  in  einer 
zweifachen,  der  Hautoberfläche  parallelen  Schichte  angeordnet, 
einer  tiefHegenden  im  Unterhautzellgewebe ,  und  einer  ober- 
flächlicheren, welche  unter  den  Papülen  sich  ausbreitet.  Sie 
können  diese  Verhältnisse  aus  der  Abbildung  (Eig  6  chromo- 
lithographirte  Tafel)  ersehen,  welche  den  Durchsclmift  von 
einem  iiijicirten  Hautstücke  darstellt,  und  einer  Arbeit  Tomsas 

entnommen  ist.  .  n--„\,^ 

Im  Unterhautzellgewebe    verlaufen    m  zur  Oberflache 

paraUeler  Richtung  grobe  Arterienstämme  Sie  geben 
kleine  umspinnende  und  zu  Capülaren  zerfaUende  Zweige  zu 
den  Eettläppchen  und  Knäueldrüsen  ab.  Die  grösseren  Zweige 
steigen  senkrecht  auf  und  begleiten  theüs  die  Ausfuhrungs- 
gänge  der  Schweissdrüsen,  theils  durchkreuzen  sie  m  schiefen 
Richtungen  das  Corium.  Auf  diesem  Wege  zweigen  Aeste  ab 
für  die  Papillen  der  Haartaschen  und  die  Talgdrüs;enlappchen, 
sowie  für  die  Bindegewebs-  und  MuskelbündeL  Der  Haupt- 
antheil  der  Zweige  sammelt  sich  vielfach  verästigt_  in  den  ober- 
sten Coriumschichten,  knapp  unter  den  Papillen,  zu  einem  paraUel 
zur  Hautoberfläche  verlaufenden  aefässnetze  —  Stratum 
vasculorum  s.  subpapillar e.  ,     -r,  -, 

Von  dem  letzteren  steigen  wieder  je  einzelne  Endzweige 
in  die  Papülen  auf,  wo  sie  capiUär  werden.  _ 

Das  Venennetz  setzt  sich  in  analoger  Weise,  natiu-- 
lich  in  umgekehrter  Ordnung  wie  das  Arteriennetz  zusanimen 
mit  dem  es  topographisch  so  ziemlich  zusammenfällt.  Es  nimmt 
•seine  ersten  Wurzeln  aus  den  PapiUar-CapiUaren  und  setzt 
das  erste  grössere  Netz  im  Stratum  subpapillare  zusammen. 
Von  da  sammelt  sich  das  venöse  Blut  in  einzelnen  grosseren 
Stämmen,  welche  den  Schweissdrüsengängen  parallel,  oAev  aei 
Richtung  grösserer  Bindegewebsbündel  folgend,  m  diebchicüte 
des  subcutanen  Bindegewebes  ziehen,  auf  dem  Wege  die  Venen- 
stämmchen  aufnehmend,  welche  von  den  die  Haartaschen  iina 
die  Talgdrüsen  umspinnenden  Gefässnetzen  i^ren  Ursprun„ 
nehmen.  Im  Unterhautzellgewebe  nehmen  sie  noch  die  aus  de 
Knäueldrüsen-  und  Eettläppchen  -  Netzen  stammendeu  Aest  , 

o 

Kaposi,  Hautkrankheiten. 


.^^  Zweite  Vorlesuag. 

auf  und  verstärken  als  grobe  Stämme  das  schon  von  den 
Arterien  angelegte,  zur  Oberfläche  parallel  verlaufende  G-efäss- 
Stratum. 

Wir  haben  also  als  auffallendste  Charaktere  des  Blut- 
gefässsystems  der  Haut  ein  oberflächliches,  subpapillares  und 
ein  tiefliegendes ,  der  Tela  subcutanea  angehöriges,  arterielles 
und  venöses  Grefäss-Stratum ,  beide  zur  Oberfläche  parallel 
laufend  und  durch  ab-  und  aufsteigende  Aeste  mit  einander 
communicirend.  Dazu  besondere  G-efässnetze  um  die  drüsigen 
Organe  der  Haut  imd  endlich  die  über  die  ganze  Hautober- 
fläche ausgebreiteten  Papillen-Capillargefässe. 

Die  letzteren  (Fig.  3,  a),  nur  durch  eine  dünne  Binde- 
gewebsschichte  und  die  Epidermisdecke  von  der  Atmosphäre 
geschieden,  bieten  die  vollste  Analogie  dar  zu  dem  Capillar- 
gefässnetze  der  Lungenbläschen.  Sie  vermitteln  die  Hautathmung 
durch  den  Grasaustausch  mit  der  atmosphärischen  Luft  und 
die  Exhalation  von  Feuchtigkeit.  Nebstdem,  dass  das  Grefäss- 
system  der  Haut  in  toto  die  Ernährung  der  letzteren  besorgt, 
führt  es  auch  das  Materiale  für  die  Production  ihrer  specifischen 
Producte,  des  Secretes  der  Schweissdrüsen  und  der  Talgdrüsen 
zu.    Durch  seilte  topographischen  Verhältnisse  gibt  es  weiters 
die  Oertlichkeit  und  die  Richtung  an,  wo  und  nach  welcher 
Entzündungs-  und  Neubildungsprocesse  vorwiegend  sich  etabliren, 
so  dass  beispielsweise  im  Bereiche  der  Drüsen,   welche  die 
bedeutendsten  Gefässnetze  besitzen,  oder  subpapillar,  entlang 
den  horizontal  verlaufenden  Gefässstämmen ,  vorwiegend  jene 
Processe  sich  localisiren  und  ausbreiten.    Es  ist  auch  so  be- 
greiflich, dass  in  der  Papillär-  und  obersten  Hautschichte  ent- 
zündliche und  Neubildungsprocesse  lange  Zeit  gleichsam  selbst- 
ständig bestehen  können,  da  deren  Gefässsystem  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  von  der  tiefliegenden  Gefässschichte  unab- 
hängig ist. 

In  der  angedeuteten  Richtung  bietet  die  Gefässvertheilung 
in  der  Haut  viel  Belehrendes  für  die  Pathologie  dieses  Organes. 

Das  Lymphgefässsystem  der  Haut  ist  die  noth- 
wendige  Ergänzung  seines  ernährenden  Gefässsystems. 

Es  nimmt,  wie  Teichmann's  Untersuchungen  zuerst  gelehrt, 
seinen  Ursprung  mit  noch  nicht  sicher  festgestellten  Anfängen 
aus  den  Papillen,  wahrscheinlich  grösstentheils  aus  offenen, 
zum  Theile  vielleicht  aus  geschlossenen  (Nedmann),  oder  mit 


Anatomie,  Vegetation  der  Epidermis. 


35 


Stomatibus  versehenen  Lympliräiunen ,  die  albnälilig  in  ein 
btomatiDu.  übergehen.  Dieses  bildet  em  ober- 

rf^Z^^^^^  '  -  subpapiUaren  Blutgefäss- 
t^r^eLenes  Netz.  Ein  aus  grösseren  Stämmen  gebildetes 
im  UnterhantzeUgewebe.  Es  steht  mit  jenem 
durch  anastomosirende  Gefässe  in  Verbindung.  _ 

ZLv^era  gelten  auch  die  nach  Umständen  verschieden 
..eiten  und  verschiedene  Mengen  lymphoider  oder  mehr  seröse 
; i  sslkeit  enthaltenden  Maschenrävnne  des  Cor.ums  und  der 
Snü  :n  sowie  die  die  Blutgefässe  einscheidenden  Bmde- 
TeTeb  hihlräime  zugleich  als  Lymphräume,  deren  Zusammen- 
C  ^doch  mit  den  geschlossenen  Lymphgefässen  anatomisch 

""-^^^^  ^it  Blut-  und  Lymphgefässen  reichli^ 
versorgtrn  Corixim,  dessen  Drüsen  mit  einbegriffen,  komm  der 
TuTdermis  in  v  getativer  Beziehung  eine  ziemlich  selbst- 
Sndi  e  RoUe  zu,  fa  sie  der  Gefässe,  vielleicht  xnit  A^isnal^e 
voiT^tercelluläre^Saftcanälen,  ganz  entbehrt.  Dennoch  ist  die 
TgetZ  der  Epidermis  eine  sehr  lebhafte.  Man  wej.s,  dass 

ihre  obersten  Schichten  .tetig  abgestossen  und  ^^^'^  J^^  f 
cSebende  Zellen  ersetzt  werden.  Dass       Leben.  lÄ- 

ductions-Materiale  für  die  Epidermis  nur  von  den  CapiUaren 

tr  PapiUen  herstammen  kann,   unterliegt  kemem  Zweifel. 

der  rapm«  _  mT^^+^^^-i,.  dass  ihre  vollkommene  Bildung 

Eben  so  wenig  die  Thatsaclie,  aass  inie  v 

von  der  Existenz  der  Papillen  abhängt.    Die  klm  sehe  Erfeh 

Lg  bei  der  Wundheilung  und  ^as  Experiment  haben  g.leh^^^^ 

das' in  dem  Bereiche,  wo  die  Papillen  -f-^^^TraMe; 
die  Oberhaut  nur  in  geringer  Mächtigkeit  und  nur  im  Charakter 
der  Hornschichte  sich  wiederbildet.  Das  Gleiche  güt  von  dem  Pig- 
ment  das  vegetativ  mit  der  Epidermisbüdung  zusammenhangt 
Woher  fber  die  substantielle  Neubüdung  und  der  stetige 
Wiederersatz  der  Epidermiszellen  stattfindet,  f 
nicht  endgiltig  entschieden.    In  V-^^oloS.s<^^^enJ^^^^ 
eine  Neubüdung  von  Epidermiszellen  auf  ^^.^^ge  der^^^^^^^^^ 
und  Zellentheilung  der  alten  vor.    Das  scheint  -^^-tntten. 
In  physiologischen  Umständen  findet  sich  aber  kein  Anhalts- 
punkt  Sie  Annahme  einer  derartigen  Reproduction.  Dagegen 
pTecln  die  Vorgänge  bei  der  Wundheilung  luid  ^^^^ 
dafür,  dass  hier  von  den  randständigen  Zellen  neue  -^^^^^^^ 
wahrscheinlich  durch  Aussenden  und  Abschnüren  von  Sprossen, 


30 


Zweite  Vorlesung. 


SO  wie  dies  bezüglicli  des  Cornea-Epitliels  Strickee  nachge- 
Aviesen.  Es  dürfte  also  älmlicli  auch  die  physiologische  Epi- 
dermis-Regeneration  vor  sich  gehen  und  mögen  dabei  die 
basalen  Stäbchenzellen  die  Hauptrolle  spielen. 

Dass  ans  dem  Corinm  stammende  Wanderzellen  zn  nenen 
Epidermiszellen  werden  sollten,  oder  dass  dies  die  Regel  wäre, 
scheint  darum  .imwahrscheinlich,  weü  solche  Wanderzellen  nur 
unter  pathologischen  Verhältnissen  gesehen  worden  sind. 

Eür  das  Verständniss  vieler  dermatopathologischer  Vor- 
kommnisse ist  die  geschilderte  vegetative  Selbstständigkeit  der 
Epidermis  von  grosser  Wichtigkeit. 

Die  Nerven  der  Haut  führen  markhaltige  imd  marldose 
Fasern,  Schon  im  Unterhautzellgewebe  und  im  unteren  Corium 
zweigen  von  den  Nervenästen  einzelne  Fasern  ab,  welche  in 
den  hier  gelagerten  PAcmi'schen  oder  VATER'schen  Körperchen 
enden  oder  die  hier  gelegenen  Drüsen  und  Capillaren  versorgen. 
Der  Hauptantheil  der  Nervenfasern  zieht  durch  das  Corium 
gegen  dessen  Oberfläche  und  bildet  mit  seinen  Verzweigungen 
ein  subpapiUares,  das  gleiche  Blutgefäss-Stratum  iimspinnends 
Netz.  Aus  diesem  steigen  Endfasern  in  die  Meissner' sehen 
Körperchen,  oder  die  KfiAUSE'schen  Körperchen  der  Tastpapillen 
empor. 

Auch  die  Capillarschlingen  der  Gefasspapillen  haben  ihre 
Nervennetze.  Nach  Tomsa's  Darstellung  bilden  die  mit  einge- 
streuten Kernen  versehenen  Nervenendfasern  in  der  Peripherie 
der  Gefässpapille  ein  Netz.  Von  diesem  laufen  Ausläufer  nach 
dem  Papillen-Inneren  und  lagern  sich  mittelst  einer  körnigen 
Endigung  an  die  Capillarwand. 

Obgleich  die  nähere  organische  Verbindung  zwischen 
Nervenende  und  Capillargefäss  noch  nicht  eruirt  ist,  so  ist  doch, 
schon  die  constatirte  innige  Anlagerung  von  grosser  Wichtigkeit, 
indem  es  sich  zeigt,  dass  die  CapiUargefässe  der  Hantwärzchen 
unter  unmittelbarem  Nerveneinflusse  stehen  können.  Eür  die 
Erklärung  von  Gefässcontraction  und  Dilatation,  selbst  Exsu- 
dation in  der  beschräiüitesten  Ausdelmung  einzebier  PapiUen 
bei  directör  Reiziing,  wie  bei  Urticaria  zu  beobachten,  ist  dieses 
Vevliältniss  einzig  belehrend. 

Seit  Langerhahs'  Untersuchungen  ist  es  festgestellt,  dass 
marklose  Fasern  aus  dem  Stratum  papilläre  in  die  Schleim* 


Anatomie,  Nerven  der  Haut. 


37 


scliiclite  der  Epidermis  eindringen,  zwiöclien  den  Eetezellen 
Netze  bilden  und  dann  in  verscliiedener  Höhe  mit  kolbigen 
Anschwellungen  oder  auf  sonst  unbekannte  Weise  enden 
(PoDCOPAEW,  Eberth,  Biesiadecki,  Mojsisowics). 

.  Zweifellose  Endorgane  der  Hautnerven  sind  die 
sclion  früher  erwähnten  Meissner' sehen  oder  WAGNER'schen 
Korperchen  und  die  IvRAUSE'schen  Endkolben,  welche  die  Tast- 
wärzchen occupiren  und  die  PAcmi'schen  oder  VATER'schen 
Körperchen,  die  im  Corimn  da  und  dort  situirt  sind. 

Die  Meissner' sehen  oder  WAGNER'schen  Körperchen  (Fig.  4,  f.). 
stellen  ovale  Körperchen  von  0-02— 0-045  Millimeter  Durch- 
messer vor,  welche  die  betreffende  Papille  ganz  ausfüUen.  An 
ihrer  Aussenfläche  sind  feinere  und  breitere  Querstreifen  nnd 
Bänder  und  ovale  Kerne  zu  erkennen,  welche  von  verschiedenen 
Untersuchern  bald  für  Bindegewebs-,  bald  für  elastische,^  bald 
für  Nervenfasern  gedeutet  worden  sind.    Die  aus  dem  Corium 
zutretende  markhaltige  Nervenfaser  tritt  bald  am  imteren  Ende, 
bald  in  der  Mitte ,   oder  an  der  Spitze  des  Körperchens  an 
dieses  heran,  windet  sich  auch  nm  dasselbe  und  endet  nach 
Verlust  ihrer  Markscheide  in  demselben,  nach  Biesiadecki  mit 
^6  Endfasern,  nach  Brücke,  indem  sie  im  Inneren  des  Tast- 
körperchens sich  mehrfach  theüt.    Nach  Thin  sind  die  Tast- 
körperchen einfach,  viele  aber  durch  bindegewebige  und  elastische 
Querscheiden ,  Fortsetzungen  der  peripheren  Kapsel ,   in  zwei 
oder  drei  ül^er  einander  liegende  Fächer  abgetheilt,  deren  jede 
ein  Nervenendkörperchen  enthält.    Li  oder  an  dieses  trete  nun 
36  eine  Nervenendfaser,  nachdem  der  markhaltige  Nerv  als 
solcher  durch  die  äussere  UmhiiUung  des  Körperchens  getreten. 

Tomsa  hat  ein  blättriges  Gefüge  der  in  je  einer  Kapsel 
enthaltenen  Tastkörperchen  angegeben  und  M.  Kraus  hat  jüngst 
gezeigt,  dass  sie  aus  platten  über  einander  geschichteten^  und 
etwas  in  einander  geschobenen  Zellen  bestehen.  Auch  Kraus 
hat  keine  eigentliche  Verbindung  der  Nervenenden  mit  diesen 
Zellen  nachweisen  können. 

Die  Tastkörperchen  stehen  am  zahlreichsten  und  regel- 
mässig am  Nagelgliede  der  Finger,  seltener  an  den  Händen  und 
Füssen,  in  der  Brustwarze,  der  Lippe.  An  Letzterer,  sowie 
an  anderen  Hatitstellen,  Glans  penis,  CKtoris,  kommen  häufiger 
die  KRAusE'schen  Endkolben  vor,  welche  wohl  einen;i  emfäche- 
rigen  MEiS3NER'3chenKörperchen(nacii  Thin)  entsprechen  dürften. 


38 


Zweite  Vorlesung. 


Fig.  7. 


Die  nacli  Langer's  Nachweis  zuerst  von  Vater  bescliriebenen, 
also  VATER'schen,  bis  zu  jenem  Nachweis  nur  als  PACim'sche 
Körperchen  (Fig.  7)  bekannten  Nervenendorgane  suad  typisch 
am  zahlreichsten  im  Mesenterium  der  Katze  vertreten.  Sie 
kommen  auch,  nach  Genersich's  u.  A.  Untersuchungen  m  grossen 
Exemplaren  am  sympathischen  Bauchgeflechte  vor  In  der 
menschlichen  Haut  liegen  sie  am  zahlreichsten  an  der  llach- 
hand  und  Tusssolile,  im  subcutanen  Bindegewebe,  also  sehr  tiet, 
so  dass  sie  für  das  Tasten  nicht  günstig  situirt  sind  und  daher 

kaum  Tastorgane  vorsteUen.  +  lu 

Ein   solches   Gebilde  stellt 

einen  1-12— 4-5  Millimeter  langen, 
ovalen  Körper  dar,  welcher  aus 
zwiebelschalenartig  in  einander 
geschachtelten  Bindegewebshüllen 
besteht,  und  eine  mit  Serum  er- 
füllte Höhle  enthält.  Axel  Key, 
Gr.  UetziüS  und  GtEneesich  stellen 
dies  so  dar,  dass  je  eine  Kapsel- 
schale eine  dicke  Membran  ist, 
welche  innen    und   aussen  mit 
einem    kernhaltigen  Häutchen 
überkleidet  wird  und  in  ihrer 
Mitte,  in  interstitiellen  Bindege- 
websräiunen,  Seriun  enthält.  Eine 
markhaltige  Easer  durchbohrt  die 
Kapselwand,  verliert  im  Vordrin- 
gen die  Markscheide  und  tritt  als 
nackter  AxencyHnder  frei  in  die 
Höhle  ein,  in  deren  oberem  Theüe 
er  einfach,  oder  zwei-  bis  drei- 
fach getheilt,  knopfförmig  ange- 
schwollen endigt. 

Ilirer  physiologischen 
Bedeutung  nach  sind  die  in  der 
Haut  sich  vertheilenden  Nerven- 
V  a  t  c r'sclies  oder  P  a  c  i  n  i'sches      fasern  zum  geringsten  Theüe  m  o- 
Körperchen.  torische,  —  für  die  Muskeln 

«  stiel  desselTien,   &  eintretende  Ner-  i  „  ,  Kaxit,  die  ErCCtorCS  piloruni, 

venfaser,  c  ilnssere  ,  d  innere  Wan-  .  Tlipilp 

dung    der    Hülle,   e   Axencyhnder,    „y^y^    vorwiegeiiasten  ilieuc 

/  knopfförmige  Endigung  desselben. 


Anatomie,  Muskeln  der  Haut. 


39 


sensitive,  als  Vermittler  der  Tastempfindung.  Nebstdem 
sind  vasomotorische  Nerven  in  aUgemeinster  Verbrextung 
zugegen,  Webe  in  specieller  Weise  als  Vasoconstr.ctores 
und  Vasodilatatores  in  der  letzteren  Zeit  expernnenteU 
^ciTmrKFR  n  m.  A.)  demonstrirt  worden  sind. 
^  Twar  ist  Letzteres  nur  für  die  Hantgefässe  der  Hinter- 
pfoten bei  Hnnden  gezeigt  worden.  Es  ist  aber  scbon  diese 
Tbatsacbe  genügend,  um  für  andere  Haiitgebiete  und  die  des 
Menseben  dieselbe  walirscbeinlich  zu  maclien.  „ 

Indem  diese  letztere  Art  von  Nerven  die  örtlichen  Ciicu- 
lationsverliältnisse  regeln,  stehen  sie  üi  Einem  auch  der  normalen 
Ernährung  und  secretorischen  Function  der  Haut  vor,  sind  sie 
demnach  implicite  auch  so  genannt  trophische  Nerven.  Es 
wird  aber   auch  so  verständlich,   wie   einzelne  beschrankte 
Capillarbezirke  durch  Beeinflussung  der  sie  versorgenden  vaso- 
motorischen Nerven  einmal  in  den  Zustand  der  Düatation,  ein 
andermal  in  den  der  Contraction  gerathen  und  dass  so  JLr- 
scheinungen  der  BlutüberfüUung  und  übermässigen  Ernährung, 
oder  der  umgekehrten  Verhältnisse,  d.  i.  krankhafte  S:>nnptome 
zu  Tage  treten  können.    Schon  diese  elementare  VorsteUung 
mag  Ihnen  die  grosse  Bedeutung  der  vasomotorischen  Nerven 
für  die  Pathologie  einzelner  Hautkrankheiten  nahelegen. 

In  das  Gefüge  der  Haut  treten  auch  Muskeln  ein. 
Abo-esehen  von  quergestreiften  Muskelbündeln,  welche  im  Be- 
reiche des  Gesichtes  von  der  Tiefe  her  in  die  Haut  hinemgreifen, 
sind  die  eigentlichen  Hautmuskeln  nur  organische  oder  glatte. 

Solche  finden  sich,  von  den  organischen  Fasern  nicht  zu 
sprechen,  welche  zur  Wandung  der  grösseren  Gefäss-  und  Lymph- 
gefässstämme,  sowie  der  Drüsen-Ausführungsgänge  geboren,  m 
der  Haut  selbst,  in  zur  Hautoberfläche  paraUel  verlaufen- 
den    einfachen,     oder    verzweigten    und    anastomosir  enden 
Zügen,  sehr  ungleichmässig  vertheilt  an  verschiedenen  Ivörper- 
regionen,  im  Unterhautzellgewebe  und  im  Corium,  in  mächtiger 
Entwicklung  am  Scrotum,   als  Tunica  dartos  bekannt,  am 
Präputium  und  Mittelfleisch,  als  kreisförmige  Bündel  im  Warzen- 
hof und  in  der  Haut  der  Brustwarze,  nach  Neumann  auch  m 
den  obersten  Coriumschichten   an  verschiedenen  Körperstellen 
in  unterschiedlicher  Mächtigkeit,  an  den  Streckseiten  mi  AUge- 
meinen  vorwiegend. 


'  Zweite  Vorlesung. 

Eine   cliarakteriötisclie  Riclitimg  haben   die  Musculi 
arrectores  pilorum.  Sie  heften  sich  mit  ein  oder  mehreren 
^^irzelbündehi  an  die  Papillen,  ziehen  als  vereinigtes  Bündel, 
auch  zu  zweien  und  mehreren  in  zur  Hautoberfläche  schiefer 
Richtung  (Fig.  9  n)  am  Grunde  der  Talgdrüse  vorbei  zum 
Haarbalg,  nman  dessen  innere  Scheide  sich  zu  heften.  Manch- 
mal sendet  der  Muskel  ein  Zweigbündel  zum  Talgdrüsenkörper. 
Die  Contractiou  des  Muskelbündels  bewii^kt  die  Geraderichtmig 
des  normaliter  schief  gesteUten  Haarbalges  und  Haares.  Von 
7,wei  entgegengesetzten  Seiten  kommende  und  den  Haarbalg 
s'chleuderförmig  umfassende  Muskelbündel  heben  bei  ihrer  Zu- 
sanimenziehung  den  Haartaschengrund  in  die  Höhe,  wie  im 
Zustande  der  s.  g.  G-änsehaut.    Dort,  wo  starke  und  dicht- 
gedrängte Haare  sich  befinden,  wie  am  Capillitium,  treten  die 
Muskelbündel  der  Erectores  pilorum  mit  einander  in  nachbarliche 
Verbindung  tmd  bilden  sie  demnach  ein  ausgebreitetes  sub- 
papülares  Muskelnetz. 

Ungleich  wichtiger  als  die  Muskeln  der  Haut  sind  für  die 
Pathologie  der  letzteren  die  in  ihr  Gewebe  eingebetteten  drüsigen 
Organe,  dieSchweiss-  und  Talgdrüsen,  die  Haarbälge 
und  die  als  sogenannte  Anhänge  der  Haut  bekannten  Horn- 
bildungen, die  Haare  und  Nägel,  zu  deren  Betrachtung  wir 
uns  zunächst  wenden. 


Dritte  Vorlesung. 

Anatomie  der  Haut,  (Fortsetzung)  Physiologie  des  Hautorganes.  Dreifache 
Function  desselben  als  Sehutzorgan  und  Wärnaeregulator,  als  speeif.sehes 
Seeretions-  und  als  speeifisehes  Sinnesorgan. 

Die  Sckw eis sdrü seil,    Grlandulae  sudoriferae,  sind 
tnbiüöse  Drüsen  (Fig.  1,  g.  -Fig.  8).  Mit  seinem  blinden  Ende  ist 
ilir  einfacher,  überall  gleichweiter  Sclilancli  zu  einem  Knäuel 
zusammengerollt,   der  im  subcutanen  ZeUgewebe  lagert.  Von 
da  läuft  der  Ausführungsgang  in  gestreckter  Weise  durch  das 
Corium,  und  korkzieherartig  gewiuiden  durch  die  Epidennis- 
schichten,  um  an  deren  Oberfläche  mit  einer  trichterförmigen 
OefPnung  auszumünden.  In  diese  Oeffnuiig  senkt  sich  die  Horii- 
scMchte''  und  das  Rete  Malpighii  wie  ein  hohler  Zapfen  ein, 
derart  gleichzeitig  die  Wandung  des  Trichters  bildend.  Von 
der  Grenze  der  Papillen  ab,  bildet  die  Auskleidung  des  Sclüauches 
eine  einfache  Scliichte  von  conischen,  je  einen  Kern  enthalten- 
den Enchymzellen ,  welche  ein  enges  Lumen  frei  lassen.  Auf 
den  Querschnitten  ist  dies  schön  zu  sehen  (Fig.  8,  e).  Nach  aussen 
von  der  EnchymzeUenbekleidung  folgt  die  eigentliche  Wandung 
des  Drüsenschlauches.   Sie  besteht  aus  einer  glasheUen,  gefel- 
derten  Membran  mit  nach  aussen  ihr  anliegenden  dichteren 
Bindegewebsfasern ;  bei  den  grösseren  Drüsen  der  Achselhöhle 
mit  eingelagerten,  längs  verlaufenden,   organischen  Muskel- 
fasern. 

Die  für  die  Drüseiiknäuel  bestimmten  Arterienzweige 
stammen  aus  den  tief  gelegenen  Gefässen  und  bilden,  die 
Knäuel  umspinnend,  bevor  sie  CapiUare  werden  und  in  die 
Venen  übergehen,  ein  Wundernetz  (Brücke),  eine  sehr  be- 
merkenswertlie  Uel)ereinstimmung  mit  den  Wundernetzen  der 
Malpighi' sehen  Körperchen  der  Nieren. 


42 


Dritte  Vorlesung. 


Die  grösste  Menge  von  Schweissdrüsen  findet  sicli  an  der 
Flachliand  und  Fusssolile  (2736—2685  auf  einen  QuadratzoU 
nacli  Kbause).  An  reiclilicli  mit  Papillen  besetzten  Hautstellen 
münden  sie  in  den  zwischen  jenen  gelegenen  Furclien,  an  den 


Fig.  8. 


Scliweissdrüse. 

e  Querschnitt  eines  Drüsenschlauclies,  Läugs-   ii'^d,  Q^i'Äitende^Ä 
Drusenknäuels,  f  Lumen  des  Austührungsgauges,  cc  denselben  beg  eite^^^^^ 
a  Bindegewebsbündel,  (ab  Inüitrationszellen,  patüologiscu). 

ringerballen  in  regelmässigen  Abständen  (Fig.  1),  aaif  der 
Handfläclie  und  Fusssolile  in  Längsreilien.  Sie  fehlen  i:i  der 
Nähe  des  Lippensaumes,  auf  der  Eichel  und  Vorhaut. 


Anatomie  der  Haut,  Haartasclio.  43- 

Die  Haare,  Pili,  die  Haartaschen  und  die  Talg- 
drüsen bilden  ein  anatomisch  znsan^ienhängendes  Gebüde 
welches  demnach  auch  am  besten  im  Zusammenhange  betrachtet 

DieTigegebene  Abbüdung  (Eig.  9),  welche  der  Arbeit 
BiESiADECKi's  entnommen  ist  und  den  Durchschnitt  emes  Bart- 
haares darstellt,   gewährt  eine  gute  TIebersxcht  ^^er  d,ese 
Verhältnisse.  Sie  sehen  neben  zwei  an  normaler  SteUe  hegen- 
den Hautpapillen  plötzlich  eine  trichterförmige  Emsenkung, 
welche  bis  in  die  Eettzellenschichte  sich  fortsetzt  und  hier  am 
bUnden  Ende  eine  Papille  trägt,  die  gewissermassen  von  der 
Oberfläche  nach  dieser  Tiefe  gedrängt  worden  zu  seni  scheint. 
Die  sackförmige  Tasche  ist  die  Haartasche ,   die  PapiUe  am 
Grunde  die  HaarpapiUe.    Auf  diese  ist  das  Haar  aiiigesetzt, 
welches  mit  seinem  Schafte  durch  die  Tasche  und  zur  Mündung 
Trausragt.  Zur  Seite  der  Haartasche  liegt  die  Talgdruse  mit 
errAcinus,  welcher  mit  dem  ebenfaUs  kenntlichen  Ausfuh- 
rungsgange in  die  Haartasche  einmündet^  Am  Grunde  der 
Talgdrüse  vorbei  und  liin  zum  Grunde       Saarbalges  lauft  in 
zur  Hautoberfläche  schiefer  Richtung  ein  Muskelbundel ,  Mus- 
culus arrector  pili.  . 

Diese  aUgemeinen,  sowie  die  besonderen  und  feineren 
anatomischen  Verhältnisse  entsprechen  eben  nur  den  dicken 

und  langen  Haaren  des  Körpers.  ,  .  ,     t  ti  ..a 

Die  Haart as che  zeigt  ein  sehr  ungleiches  Lumen.  Ihre 
Mündung  oder  der  Ausführungsgang  ist  trichterförmig  (a). 
Am  schmalen  Ende  des  Trichters  mündet  die  Talgdruse  (t) 
ein.  Hier  ist  auch  die  engste  SteUe  der  Haartasche,  Hals  b). 
Von  da  ab  erweitert  sich  dieselbe  in  etwas,  besondei;s  aber 
nach  dem  Grunde  oder  Haarsack-Gewölbe  (c),  in  welches  die 

Papille  (p)  hineinragt.  m    i  rr„i„ 

•    Der  eigentliche  Haarbalg  wird  von  der  SteUe  der  Talg- 
drüseneinmündung ab  gerechnet.  _ 

Er  besteht  anatomisch  aus  drei  Schichten.  Die  äussere,  auch 
ä  u  s-s  e  r  e  H  a  a  r  b  a  1  g  s  c  h  e  i  d  e  genannt  (d),  (äussere  Easerhaut, 

KöLLiKER)  wird  von  Bindegewebsfasern  gebüdet,  welche ,  von  den 
oberen  Coriumschichten  her,  in  dichtgedrängten  und  zur  Axe  des 
Haarbalges  paraUelen  Zügen  laufen,  und  den  Grund  umgrei  en. 
Am  dichtesten  liegen  die  Fasern  nach  innen  ;  gegen  aussen  gehen 
sie  gelockert  in  das  umgebende  Bindegewebe  ohne  scharfe  Grenze 


44 


Dritte  Vorlesung. 


FiR.  9. 


DurcLsclinitt  eines  Bartliaares. 


n  Aiisfülivnngsgnng,  Hnls.  c  Gewöllio  der 
JlRiirtnsolip,  ii  äussere,  e  innere  HaarbalR- 
scheide,  v  Hanriiaiiillo,  m  Kt-Uzellon.  w  M. 
airpctcir  pili,  <•;'  Kpiderniif»,  «  Solileiniscliiohte, 
0  Paiiillon,  i  Tal(;drüso,  /"äussere,  j;  innere 
"Wnrzplsolioidedes  llnares,  h  liindonsubstanü, 
Ii  Marksuhstanz  des  Haarsclmftes ,  /  ]Ianr- 
Kwiebel. 


Über.  Zwisclien  iliiien'  laufen 
eigene  Grefässe  und  Nerven  des 
Haarbalges.  Die  mittlere  oder 
zweite  Haarbalgschiclite,  aucli 
innere  Haarbalgsclieide, 
Kölliker's  innere  Faserliaut  (e). 
Sie  bestellt  aus  querverlaufen- 
den Fasern  und  zwiscben  diese 
und  in  eme  körnige  Substanz 
eingelagerten  länglichen  Ker- 
nen, walirscbeinlich  der  Aus- 
druck von  organischen  Mviskel- 
zellen.  Die  dritte  oder  innerste 
Schichte  des  Haarbalges  wird 
von  einer  glashellen  Membran, 
Grlashaut,  gebildet,  die  auf 
dem  Querschnitt  (Fig.  10,  d) 
besser  zu  sehen  ist. 

Die  Haarpapille  wd 
von  dem  Stronia  der  Haarbalg- 
scheiden,  besonders  der  mitt- 
leren ,  gebildet .  und  grossen- 
theils  auch  von  der  glashellen 
Membran  überkleidet.  Man  \in- 
terscheidet  an  derselben  Hals, 
Körper  und  die  kegelförmige 
Papillenspitze.  In  die  Papille 
treten  eine  Grefässschlinge  und 
marklose  Nervenfasern  ein. 

Die  Haarbälge  stehen  nicht 
senkrecKt,  sondern  schief  zur 
Hautoberfläche,  somit  auch  ihre 
Haare.  Diese  Richtung  ist  für 
verschiedene  Körperstellen  ver- 
schieden und  in  ihrem  Zusam- 
menhang von  Voigt  sehr  sorg- 
fältig eruirt  worden.  Darnach 
laufen  die  Richtungslinien  der 
Haare  je  nach  der  Körperre 


a-ion  in  eigenthümlichen  Linien, 


Auatoulie  dor  Haut,  Haare. 


45 


niul  Curven,  welelie  an  bestimmten  Stellen  zu  fixen  „Haar- 
wii-beln«  sicli  einroUen.  Die  Ursache  nnd  Bedingung  dieses 
Richtung-Schema's  Hegt  in  der  ßiclitung  und  dem  Zuge  der 
Bindegewebsmasclien  des  Coriiim,  wie  dies  besonders  Tomsa 
sehr  anschaiilich  gemacht  hat. 

Das  grösste  pathologische  Interesse  knüpft  sich  an  den 
anatomischen  Inhalt  des  Haarbalges,  der  aus  den  Haar- 
wurzelscheiden, der  äusseren  und  inneren  und  dem 

Haare  besteht,  s 

Die  äussere  Wurzelscheide  des  Haares  (1)  liegt  zu 
äusserst  in  der  Haartasche,  unmittelbar  an  die  Glashaut  des 
Haarbalges  sich  anlagernd.  Sie  besteht  aus  den  ZeUen  des  ßete 
Mpighii,  welche  unmittelbar  von  der  Papülenoberfläche; 
her  continuii-lich  in  die  Haartasche  sich  fortsetzen.  Bis  zur_ 
EinmündungssteUe  der  Talgdi-üse  erschemt  das  Eete  in  allen 
seinen  Schichten,  auch  mit  der  der  Körnchenzellen,  von  da  ab, 
als  eigentliche  äussere  Haarwurzelscheide  nur  mit  den  tiefsten 
Zellen'reihen  und  den  StachelzeUen.  Je  mehr  nach  der  Tiefe 
fortschreitend,  desto  mehr  verringern  sich  die  ZeUenreihen, 
bis  sie  im  Niveau  der  HaarpapiUe  atif  eine  Zellenreihe  redu- 
cirt  endigen. 

Die  innere  Wurzel  scheide  (g)  schliesst  sich  un-. 
mittelbar  an  die  äussere  an.  Dieselbe  wird  selber  wieder  in  eine 
äussere  Schichte,  die  HENLE'sche  (innere  Wiu'zel-)  Scheide  und 
eine  innere  Schichte,  die  HüXLEY'sche  Scheide,  unterschieden. 

Beide  Schichten  der  inneren  Wurzelscheide  bestehen  aus 
Plättchen,  welche  zu  einer  lameUösen,  glashellen,  in  Carmin 
sich  wenig  tingirenden  HüUe  des  Haares  verschmolzen  sind.  ■ 
Zu  allerinnerst,    von    der  HuxLEY'schen   Scheide  ein- 
geschlossen, liegt  das  Haar. 

An  diesem  unterscheidet  man  zunächst  den  cylindrischen 
Haar  Schaft,  der  bei  langen  Haaren  zur  Mündung  der  Tasche 
herausragt  und  die  Haarwurzel  oder  Haarzwiebel  (1),. 
einekolbige  Anschwellung,  mit  welcher  das  Haar  auf  der  PapiUe 
aufsitzt.    Histologisch  erkennt  man  an  dem  Haarschafte  zu- 
äusserst ein    stachelig   oder   dachziegelförmig  gefügtes  und 
spiralig  rissiges  Oberhäutchen,  Cuticula  (Pig.  10,  h),  an  wel- 
chem ebenfalls  zwei  Zellenschichten,   eine  äussere  imd  innere,, 
bezeichnet  werden.  Nach  iimen  folgt  die  eigentliche  Haar-  oder 
Kindensubstanz  (Fig.  9,  h).  Sie  hat  eine  ziir  Längsaxe  des 


Dritte  Vorlesung 

40 


-Haares  paraUele  Faserung,  welche  den  Coutouren  der  sie  zu- 
fa— tuenden  Hornplättchen  entsprechen  u^d  enthalt  neben 
ahlreichen  eingestreuten  dunkeln  Körnchen  hex  ^-^^^^^^^^^^ 
viel  gelbbraunes  Pigment.  Bei  grauen  Haareii  ist  die  Haar- 
substanz pigmentlos  und  grau  glänzend 

Im  Innern  dicker  Haare  findet  sich  em  Markraum ,  der 
segen  die  Spitze  des  Haares  sich  verschmächtigt  mid  verliert. 
Er  enthält  den  aus  polyedrischen,  Körnchen  und  Fett  bergen- 
den Zellen  zusammengesetzten  Markstrang  (k).  Auch  Lutt- 
blasen finden  sich  gelegentlich  sowohl  im  Markcanale  als  m 
der  Rindensubstanz  des  Haares. 

Die  Haarwurzel  besteht  aus  den  RetezeUen  ähnlichen 
Formen,  deren  Richtung  und  Configuration  sie  auch  nachahmen. 
D  e  auf  der  Glashaut  der  PapiUe  senkrecht  aufsitzenden  sind 
r^Ldrisch,   die  höheren  Schichten  polyedrisch,  dabei  sehr 
succulent  sehr  locker  gefügt  und  leicht  auseinander  zu  drangen, 
r der  oberen  Hälfte,'  beim  Uebergang  der  Haarzwiebel  zum 
Haarschaft,  werden  die  ZeUen  des  Bulbus  oblong,  spmde  formig 
derber,   steUen  sich  wie  in  Längsfaserung  ^^^^^'^^^ 
gehen  so  in  die  Rindensubstanz  des  Haarschaftes  über  Doch 
Im  dies  nur  für  die  ZeUen  des  äusseren  Mantels  der  Haar- 
f^ebei.    In  der  Mitte  derselben  befindet  sich  eine  Zone  von 
ZeUen  die  protoplasmareich  sind  und  in  Carmin  sich  gut  tmgiren. 

Die  übrigen  ZeUen  der  Zwiebel  enthalten  in  und  zwischen 
sich  eingelagert  viel  braunes  bis  ganz  schwarzes  Körnerpigment. 

Da's  fertige  Haar  wächst  nun  bi  der  Weise  fort,  dass 
von  der  Papüle  aus  neue  EpidermiszeUen  gebildet  werden, 
welche  im  v'orrücken  zu  längs  gesteUten  HornzeUen  der  Haar- 
substanz werden  und  den  darüber  stehenden  Haarschaft  m  der 
HuxLEY'schen  Scheide  vorschieben.  ^  ,  ^    •    .  -p-oo^a 

Wir  werden  noch  bei  der  specieUen  Pathologie  der  Haare 
auf  viele  wichtige  Detaüs  über  HaarbUdung  imd  Regeneration 

^^S^  wm~  r  noch  ^^^^^^^^  dass  das  gegenseitige 
Yerhältniss  der  inneren  und  äusseren  Wurzelscheide  sowie 
jener  zum  Haare  und  zur  äusseren  Epidermiss    noch  vielfach 

ierschieden  gedeutet  wird,  dass  aber  ^^-^^'u  11^0^7^^ 
Angelegenheit  noch  nicht  endgUtig  geschlichtet  ist  Das  .viul 
uns  aber  bei  manchen  Processen,  z.  B.  bei  Liehen  pilaris, 
besonders  interessiren. 


Anatomie  der  Haut,  Haare. 


47 


Fig.  10. 


Stellen  Sie  sicli  nochmals  die  gescMlderten ,  in  einander 
gescliaclitelten  Sclücliten  des  Haarbalges  iind  seines  Inhaltes 
vor,  einmal  nach  dem  (beigegebenen)  Längsschnitt  (Fig.  9) 
und'  dann  nach  dem  (hier  beigefügten)  Querschnitt  (Fig.  10). 

Ich  will  nur  kurz  bemerken : 
Die  meisten  Untersucher  stimmen 
darin  überein,  dass  mit  den  Rete- 
zellen  nicht  auch  die  Homschich- 
ten   mit  in  den  Haarbalg  sich 
fortsetzen.  Die  Hornschichten  tre- 
ten nur  bis  an  den  Hals  der 
Haartasche  hinein,  füllen  also  wie 
ein  Epidermiskegel  die  Mündung 
der  Haartasche  aus.    Die  Rete- 
zellen    setzen  sich   als  äussere 
Wurzelscheide  bis  zum  Fundus 
fort.  Viele  nun,  wie  Henle,  Bie- 
siADECKi,  meinen,   dass  die  Rete- 
zellen,  welche  als  äussere  Wur- 
zelscheide den  Haarbalg  ausklei- 
den, nach  innen  HornzeUen  for- 
mirten,  und  diese  seien  die  äus 


Querschnitt  des  Haares  unterliall) 
des  Halses  der  Haartasclie. 


des  üaises  aer  iiaaiLci=i'"<=.  .  _ 

a  Äeussere  Haari^aigscheide  mit  &  Quer-  .  ggre  ScMchtc  der  inneren  Wurzei- 
lÄscre^e^ÄS  aesXa^-  scheide,  das  ist  die  HENLE'sche 
ÄdeV"elch^Ä  Scheide.  Die  innere  Schichte  der 

öfcHll1e%2isÄ''Ä   inneren  Wurzelscheide  aber ,  das 
ticuia,  i  Haar.  .^^      HuxLEY'sche  Scheide,  bilde 

sich  aus  der  ursprünglichen  Haaranlage,  zugleichmit  der  Cuticula 
tind  dem  Haare,   aus  dem  über  der  Papille  sich  formirenden 
Epidermiskegel.    Unna  dagegen  demonstrirt  sehr  überzeugend, 
dass  jene  als  Körnchenzellen  unterscHedene  Zellenschichte  des 
Bete    welche  an  der  Hautoberfläche  in  die  Hornplatten  über- 
gehen, gar  nicht  über  den  Hals  des  Balges  hinabreichen,  son- 
dern nur  noch  die  Stachelschichte  und  nur  diese  zur  äusseren 
Wurzelscheide  wird ;  dass  diese  keine  Hornplatten  und  daher 
auch  die  HENLE'sche  Scheide  nicht  producirt;   dass  im  Gegen- 
theil  HENLE'sche  und  HuxLEY'sche  Scheide,  Cuticula  und  Haar, 
dies  Alles  genetisch  Eins  sei,  und  gleichzeitig  aus  dem  Epidermis- 
kegel der  ursprünglichen  Haaranlage  hervorgehe.    Die  mner-e 
Wurzelscheide,  die  vereinte  HENLE'sche  undHuxLET'sche  Schichte, 


Dritte  Vorlesung. 

stosse  aber  im  Wacbsthiun  an  den  die  Mündiuig  der  Haar- 
tasehe  ansfüllenden  Epidermiskegel  nnd  werde  hier  im  Wacbs- 
tlmm  anfgebalten.  Das  wachsende  Haar  werde  nun  spiralig 
mit  seiner  Cnticiüa  vorgeschoben,  durchbreche  die  HuxLEv'sche 
und  HENLE'sche  Scheide,  sodann  den  Epidermiskegel  der  Haar- 
taschenmündung und  trete  sodann  zu  Tage. 

Ich  bin  geneigt  mich  der  Darstellung  von  Unna  anzu- 
schliessen.  Grewisse  pathologische  Erscheinungen  sind  derart 
verständlicher. 

In  einer  Haartasche  findet  sich  in  der  Regel  nur  ein 
Haar,  oft  sind  deren  aber  auch  zwei  zugegen.  Letzteres  hängt 
mit  dem  physiologischen  Haarwechsel  zusammen  xind  wird  bei 
Gelegenheit  der  Erörterungen  über  die  Eiankheiten  des  Haares 
noch  zur  Sprache  kommen. 

Die  Talgdrüsen  bilden  Anhänge  der  Haärtaschen,  wie 
aus  der  Eig.  9  n  zu  ersehen ,  allein  nur  bei  den  dicken  und 
langen  Haaren.  Bei  den  Lanugohärchen  ist  das  Verhältmss 
umgekehrt,  wie  aus  der  Eig.  11  ersichtlich. 

Die  Talgdrüsen  sind  acinöse  Drüsen,  an  welchen  ein  Drusen- 
körper und  Ausführungsgang  unterschieden  wird.  Der  erstere  setzt 
sich  aus  rundlichen  Läppchen  zusammen,  Acini,  die  selber  wieder 
zu  Träubchen  sich  vereinigen  können,  wodurch  dann  grossere, 
mehrfach  gelappte  Drüsenkörper  entstehen.   Die  Wandung  der 
Drüsenläppchen  besteht  zuinnerst  aus  einer  glasheUen Membran, 
nach  aussen  aus  einem  derben,  bindegewebigen  xmd  elastischen 
Gefüge  und  ihm  zugehörigen  reichen  Blutgefassnetz  JJas 
Lmere  der  DrüsenLäppchen  ist  mit  EnchymzeUen  ausgekleidet. 
Ihre  äusserste.  an  die  glasheUe  Haut  anlagernde  Schichte  be- 
steht aus  deutlich  kernhaltigen,  cylindrischen  oder  cubischen, 
denen  des  Rete  ähnlichen  ZeUen.    Hehr  nach  dem  Inneren  der 
Drüse  zu  werden  die  ZeUen  grösser,   polyedrisch,   mehr  den 
Hornzellen  ähnüch  nnd  von  punkt-  bis  tropfenförnngem  Eett 
erfüllt,  durch  welches  der  Zelllvern  verdeckt  wird  Die  Hohlen 
der  Läppchen  münden  in  die  grössere  gemeinschalthche  Drusen- 
höhle,  in  welcher  Epidermistrümmer  und  freies  iett  nebst 
EettkrystaUen  lagern.  Ein  gemeinschaftHcher  Ausführiuigsgang 
(auch  zwei  solche),  ebenfaUs  mit  EnchymzeUen  belegt  und  im 
Lmeren  Eett,.  Eettzellen  und  deren  Trümmer  führend,  mundet 
in  die  Haartasclie. 


Anatomie  iler  Haut,  Talgdrüsen,  Nägel. 


49 


Bei  den  Lamigohärchen  (Fig.  11)  mündet  die  Talgdrüse 
frei  zu  Tac^e,  als  grosse  Hantpore  oft  mit  dem  freien  Auge 
tiei  zn  ia„  ,         0  erkennbar,  ein,  ancli  mehrere 

Fig.  11.  Härchen,  oft  auch  gar  keines 

bergend. 

Flachhand  nnd  Fnsssohle, 
die  Eichel  und  die  Rücken- 
fläche der  dritten  Phalangen 
haben  keine  Talgdrüsen. 


Die    Nägel,  Ungues, 
sind  länglich-viereckige,  plat- 
ten- oder  scliildförmige,  massig 
nach  der  Fläche  gekrümmte, 
nach  oben  convexe,  elastische, 
im   vorderen  Abschnitte  dot'h 
auch    brüchige ,  widerstands- 
fähige ,   durchscheinende ,  aus 
verhornten  EpidermiszeUen  zu- 
sammengesetzte Körper,  welche 
mit  drei  Seiten  in  einen  Falz 
der  Fingerhaut  am  Rücken  der 
letzten  Phalange  eingefügt  sind, 
mit  ihrer  unteren,  concaven 
Fläche  den  vordersten  Theü 
cler  letzteren  bedecken,  und 
mit  üirem  vorderen  Rande  die- 
selbe etwas  überragen. 
Im  Znsammenhalte  mit  dem  N  a  g  e  1  muss  noch  der  N  a  g  e  1- 
f  alz   die  Hautfalte,  welche  den  hinteren  und  die  beiden  Sexten- 
ränder des  Nagels  einrahmt,  und  das  ^^sf  ^^^^^  .frnht' 
antheil,  auf  welchem  die  untere  Fläche  des  Nagels  aufruht, 

betrachtet  werden.  ,  ^ 

An  dem  N  a  g  e  1  xmterscheidet  man  ausser  den  besprochenen 
Flächen  xxnd  Rändern  den  vom  hinteren  Falze  Gedeckten  Thex 
als  Nagelwurzel,  den  vor  diesem  hegenden  Thexl  als 
Nagelkörper.  Ebenso  wird  das  Nagelbet  -  exnen  dex 
Nagelwurzel  entsprechenden  Theil  als  Matrxx  des  Nagels  und 
in  einen  vorderen  Abschnitt,  das  eigentliche  Nagdbett  xxntex- 
schieden.  Der  N  a  g  e  1  f  a  1  z  wird  in  der  oberen,  den  Nagel  decken- 

Kaposi,  Hantkrankheiten. 


Talgdrüse  mit  einem  Lanugobärchen. 
a  Drüsen-Epitliel..  h  Rete  MalpigWi,  in  das 
■DrüsPH-EDithel  sich  1  ortsetzend,  c  fett- 
häUiee  Ze  len  und  freies  Fett  als  Drüsen- 
inhalt dAcini,  e  Wurzelscheide  mit  dem 
'  Haare. 


50 


Dritte  VorLosung. 


den  Hälfte  von  einem  nacli  vorn  concaven  Cutis\-orsprung,  dem 
IST  a  g  e  1  w  a  1 1 ,  in  der  der  unteren  Fläche  des  Nagels  zugekehrten 
Hälfte  vom  hintersten  und  seitlichen  Theile  des  Nagelbettes  ge- 
bildet. Der  Nagelfalz  vertieft  sich  von  vorn  nach  rückwärts  und 
wird  dadurch  noch  verbreitert,  dass  die  Epidermis  des  Finger- 
rückens  sich  eine  Strecke  weit  über  die  Nagelwurzel  vorscliiebt. 

lieber  die  inneren  anatomischen  Verhältnisse  belehrt  ein 
Querschnitt,  wie  er  hier,  (nach  Biesiadecki)  abgebildet  er- 
scheint (Fig.  12). 

rig.  12. 


Querscliniit  (der  Hälfte)  eines  Nagels  durch  das  eigentliche  Nagelbett. 
a  Na-elsubstanz,  b  lockere  Horuschichte  unter  derselben,  c  Schleimschiclite,  ä.  quer- 
dJ^^chSnU^ene  Nagelleistclien,   e  papillenlose.  "«i--^^^^^^^^ 

NaKBlfalzes ,  die  über  den  Nagel  sich  vorgeschoben  ,  g  Papillen  der  Haut  des 

i'mgerrückens. 

Das  Nagelbett  wii'd  von  einem  fettlosen  Unterhautzell- 
gewebe,  Corium  und  Rete  gebüdet.  Im  hinteren,  der  Nagel- 
wurzel entsprechenden  TheUe ,  also  im  Bereiche  der  Matrix, 
ötehen  auf  wallartigen  Hügelchen  des  Corium  breite,  nach  vorn 
gerichtete  PapiUen.  An  einer  bogenförmigen,  dem  Fingerballen 
paraUelen  und  durch  den  Nagel  durchscheinenden  Grenze,  die  dem 
Uebergange  der  Matrix  ins  Nagelbett  entspricht  (Lunula),  er- 
heben sieh  jene  Hügelchen  zu  Leistchen,  die  N  a  g  e  1 1  ei  s  t  c  h  e  n, 
welche  nach  vorn  streichend  an  Höhe  zunehmen  und  Tuiter  dem 
freien  Eande  des  Nagels  in  lange  Papillen  übergehen. 

Das  Nagelbett  ist  reichlich  mit  G-efässen  und  bis  in  die 
Papillen  sich  verzweigenden  Nerven  versorgt. 

Die  Malpighische  Schichte  bedeckt  die  Papillen  und  Leist- 
chen und  füllt  deren  Zwischenräume  aus.  Im  hinteren  Winkel 
des  Falzes  vereinigt  sie  sich  mit  dem  Rete  des  letzteren  zu 


Patliologiache  Auatnmitt  der  Haut.  51 

r.noh  hiiiteu  o-ericliteten  und  in  (las  Corlum  eiiidringemtei 
xTsiett  m  entsprecbeud  der  Nagelwnrzel  .näcl.üger 
!,  M  Wer  aU„,ä  io'  in  plattgedviickte,  tonhaltige  ,md  m 
c  tLZTll^<^>^^^'^^  in  kernlose  Horn.ellenplatten  über. 
S^d  Na^elLette  dagegen  ist  der  Uebergang  der  SoUein,- 
!.hi  Ite  in  die  platten  Epidermi.zeUen  em  plotdrcher,  wie  an 
"  Santstellen.  nnd  die  Grenze  zwiscben  d.esen  nnd  der 
K,gel.^sta..^^^^^^^^^ 

XJie  uuifitr  ^,p1p1ip  zum  Tlieile  nocli  über  den 

"^^^^^tt.  rtlrdalso  keine  .agelsnbstanz 

"'""mese  wird  ansscbliesslich  von  den  Papillen  der  Matrix 
erzeugt   l  e  also  dieselbe  Rolle  für  den  Nagel  n»»!--  ™ 
Har™;,ille  bezBglicb  des  Haares.  Die  verborn  en  ZeUen  wei- 
l  :  dann  durch  len  seitlicben  Fal.  an  der  Ansbrertnng  gege^ 

™  Seiten  »elmrdert  rmd  zmn  VorrHcken  gezwnngen.  Dabei 
d  Olfen   xcb  aneb  die  obersten  Nagelzellen  dacbzregel  ornr^ 

„ t:  die  „berfläeblieben  über  die  nnteren  ^  - 

sobeinen.    Dagegen  wird  der  Nagelkorper  "»^  ^  ^^^  ^ 

Hornplatten  des  Nagelbettes  von  der  nnteren  Flaebe 

'■'"'"Die  veriornten-Nagelzellen  sind  gegen  cbenrische  Einflflsse 

sehr  widerstandsfäliig.  

Ich  habe  Ihnen  ebe  grosse  Summe  von  anatomischen 
Detaüs  d.-e  Hant  nnd  ihre  Anhänge  betreffend,  vorgeführt. 
A^fl^Lselben  werden  wir  immer  Bedacht.  —  — 
wenn  wir  die  histologischen  Verändernngen  nnd  dex;en  Um  seh 
Mnnngen  begreifen  sollen,  die  dnrch  ein  nnd  den  anderen 
krankhaften  Vorgang  hervorgernfen  werden.  _ 

Anknüpfend  an  die  besprochenen  anatomischen  nnd  h  to 
logischen  Verhältnisse  erwacht  anch  nannrttelbar  nnsere  aUge- 
m  :   Vorsteünng  von  de.  grossen  Mannigfaltigkeit  n^^^ 
zeitigen  Eigentlmmlichkeit ,  in  welcher  die  bekannten  patho  o 
gthen  Processe  die  Hant  befaUen  können,    f  -  " 
Process  z.  B.  Hyperämie  oder  Entzündung,  oder  Hypextioplne 
k  nn  möglicherwLe  nnr  einzelne  Schichten  oder  (^ewebs  « 
dL  so  complicirt  gebauten  Organes  betreffen,  ^^^^^^ 
auf  alle  in  die  Haut-Strnctur  eingehenden  Elemente  und  Sj^steme 


Dritte  Vorlesung. 

52 

sich  erstrecken.  Es  kann  in  der  PapillarscHchte ,  die  ein  ge- 
sondertes Gefässnetz  besitzt,  der  Ansdrnck  einer  bedeutenden 
Hyperämisirung,  selbst  Exsndation,  wie  bei  Pemphigus,  zu 
Stande  konunen,  während  die  tieferen  ScHchten  der  Haut  und 
die  Gewebselemente  derselben  ganz  unbehelligt  erscheinen.  Es 
mag  geschehen,  dass  gerade  nur  im  Bereiche  der  die  Drüsen 
umspinnenden  Gefässnetze  Circulations-  und  Ernährungsstörun- 
gen und  deren  Symptome  aiiftreten,  während  aUes  interglandu- 
läre G-ewebe  von  Krankheit  frei  ist.  Es  kann  geschehen,  dass 
die  Epidermis  für  sich  aUein  in  der  ihr  möglichen  Art,  hyper- 
plastisch oder  degenerativ  erkrankt,  z.  B.  innerhalb  der  Talg- 
drüsen oder  an  der  Hautoberfläche,  ohne  dass  ihr  Mutterboden 
sich  primär  oder  auch  consecutiv  besonders  alterirt  zeigte. 

Es  wäre  nun  sehr  verlockend,  nach  dieser  Richtung  weiter- 
zugehen und  einen  alle  MögHchkeiten  in  sich  fassenden  Ueber- 
blick  über  die  pathologischen  Vorgänge  in  der  Haut  ,  sowie 
über  die  Veränderungen  zu  gewähren,  welche  die  einzelnen 
Gewebselemente  der  letzteren  durch  diese  Processe  erfahren, 
eine  Art  aUgemeine  Pathologie  und  allgemeine  pathologische 
Histologie  der  Haut  im  Detail  Hinen  zu  bieten.    Das  würde 
Sie  ermüden  und  auch  nicht  viel  fruchten.    Es  handelt  sich 
ja  hier  doch  nur  um  Vorgänge,  die  Ihnen  aus  der  aUgememen 
Pathologie  und  pathologischen  Histologie  -eo  ipso  bekannt  smd. 
Und  Sie  werden  nicht  anneinnen,  dass  in  der  Haut  das  Bmde- 
gewebe  durch  Entzündung  sich  anders  verändert ,  als  in  der 
Leber.    "Was  aber   durch  die  besonderen  anatomischen  Ver- 
hältnisse sich  hier  auch  eigenthümlich  artet ,    das  hängt  mit 
dem  specieüen  Krankheitsprocesse ,   seiner   Localisation  und 
Ausbreitungsweise,   seiner  besonderen  Natur  zusammen  und 
wird  daher  vortheühafter  erst  in  der  speciellen  Pathologie  der 
Haut  besprochen  werden.  

Nicht  minder,  wie  die  anatomischen  Verhältnisse  der  Haut, 
muss  auch  ihre  physiologische  Bedeutung  stets  im  Auge 
behalten  werden,  wenn  wir  ihi-e  Erkrankungsweise  verstehen 
wollen. 

Die  aUgemeine  Decke  functionirt  in  dreifacher  Richtung, 
als  Schutzorgan  des  Körpers,  als  specifisches  Secre- 
tions-  und  als  specifisches  Sinnesorgan. 

Der  Schutz,  den  die  Haut  als  imihüUendes  Organ  dem 


Physiologie  der  Haut.  53 

■u-  .V  oWihrt  ist  zimäclist  ein  meclianisclier.  An  dieser 
Korpei  ge^^dhlt  u  leicliem  Grade,  wenn 
Leistung  -ehmen  i^  e  die  b  ^^^j,^,  ^^.^^  des  Unter- 
auel m  verscluea^-x^W^^^^^^^^^^  ^J^^^^^  in,  Verkehr 

"^^I^J—^^^^-^  I^ruc.  n^Stoss 
imtaeiÄU.  jlnskelii,  Nerven  und  Gefasse  zn 

sclmt.  n     Die  ^'^^^  VerscUebbarkeit.  Die  Epidermis 

^ttt^TiT^^^^oU.m^.^  UnempteUiebkeit 
S:et  airSteu,  .0  wie  deren  Undnrcbdri.>gUchke.t  gegen 

-''Sf5^^:r:^£SrSSr.ebrBede— .r^ 
Wärme-  „nd  Säfteokonomie  des  Körpers  D.e  HornzeUen 
sM  s^blecbte  Wärmeleiter  und  bindern  die  übermässige  Ab- 
Tbe  V  n  Körperwärme  aus  den  oberflSebHcb  lagernden  Papdlar. 
Sas  en    eine  Wärmeabgabe,  die  bei  Abgang  der  Oberbaut 
g  w^s  Ms  zm-  Erkaltimg  rmd  ziun  Tode  des  Muums 
Iten  wurde,  rmd  erfabrungsgemäss  aucb  fübrt,  nr  .4r.betracbt 
enormen  Flächenraumes,  weleben  das  Hautoapdlarsystem 
„  u^rt    Die  Hor-nbaut  übt  aber  auob,  vermöge  f Coliarenz 
uirDerbbeit,  emen  Druek  auf  die 
ruid  die  CapiUaren  der  PapiUen  aus,  y--!™''^''*«* 
Wandungen  sttitzend,  deren  übermässige  Mung  durob  den 
Herzbninüs.  und  mittelbar  die  übermassige  Warme-  und  hatte 
Tblb?  Sobald  an  ü-gend  ebier  SteUe  cUe  Oberbaut  abgängig 
ist"  sickert  alsbald  eine  grosse  Menge  von  Blutserum  aus  den 
EetezeUen,  eigentHob  aus  den  Papillargefässen  bervor.  -Und 
"4sen  dauert  so  lange  an,  bis  niebt  eine  neue  scbützende 
Homscbicbte  sieb  gebUdet  bat.    Wemi  dies  über  grosse  Haut- 
fläeben  statt  bat,  wird  der  Säfteverlust  em  bedeutender  und 
die  Individuen  kommen  dureli  den   grossen  Safteverlust  in 
kurzer  Zeit  beruiiter,  z.  B.  bei  Pempbigus  foUaceus  ;  abgeseben 
von  der  nacbtbeiligen  Nervenerreguiig,  welcbe  von  den  Papülen- 
nerven  ausgebt,  wenn  sie  ibrer  scbtttzenden  Epidermisdeeke 
entbebren  und  der  Irritation  von  Seite  der  at^spliarisc'^^^ 
Luft,  oder  noeh  bedeutenderen  Insulten  ausgesetzt  sind.  Ebenso 
macbt  sich  schon  ein  Naditlieil  geltend,  wenn  die  Hornschicbte 
der  Epidermis  zwar  erlialten,  aber  in  grosser  Ausdehnung  von 
gerbger  Mächtigkeit  ist,  wie  bei  gewissen  Hautkrankheiten, 
fadem  die  dünne  Schichte  derselben  eine  zu  grosse  arme- 


Dritte  Vorlesung. 

ausstraliliuig  begünstigt,  was  dnrch  das  Gefülil  von  continuiv- 
licliein  Frösteln  von  dem  Kranken  empfunden  wird. 

Bekannter  ist  die  Function  der  Haut  als  Secretions- 
organ,  die  sie  in  specifisclier  Welse  dnrcli  die  Scliweissdrüsen, 
Talo'drüsen  und  diircli  ikr  Papillargefässsystem  ausübt.  Die 
ersteren  liefern  Schweiss,  die  zweiten  Fett,  zur  Beölung  der 
Hautoberfläcbe  und  der  Haare.  Durcb  die  Papillargefässe 
ündet  eine  imperceptile  Exlialation  statt,  die  als  Perspira- 
tion bezeiclmet  wird. 

Noch  wird  uns  vom  dermatologisclien  Standpunkte  das 
Eesorptionsver  mögen  der   Haut  interessiren ,  vermöge 
dessen  sie  fällig  ist,  gewisse  gelöste  oder  feinvertheilte  Sub- 
stanzen von  der  Aussenwelt  in  sich  aufzunehmen,  zu  resorbiren, " 
dem  Kreislaufe  zuzuführen.    Diese  resorbirende  Fähigkeit  ist 
zwar  im  Allgemeinen  gering,  viel  geringer,  als  dies  von  man- 
cher Seite,  namentlich  balneologischer ,   angenommen  wurde. 
Besonders  die  Hornschichte  der  Epidermis  erweist  sich  für 
Flüssigkeiten  und  fein  vertheilte  feste  Körper  undurchgängig, 
wie  neuerlichst  aus  den  Versuchen  von  Fleischek  und  seiner 
Kritik  der  fremden  Arbeiten  zu  entnehmen.    Aber  es  findet 
dennoch  zweifellos  unter  gewissen  Umständen  bei  luiverletzter 
Epidermis  Resorption  statt,  wie  von  Quecksilber  bei  der  metho- 
dischen Inunctionscur ,   von  Theer,   von  Jod  bei  Application 
dieser  Mittel  auf  die  Haut.  Es  muss  angenommen  werden,  dass 
hier  die  Aufsaugung  theils  durch  das  mechanische  Durchpressen 
(beim  Einpinseln,  Einreiben)  begünstigt  wird,  oder  zum  Theile 
durch  die  Schweissdrüsen  stattfindet,  deren  Wandung  nur  von 
einer  einfachen  Schichte   von  EpithelzeUen  ausgekleidet  ist, 
theüs  aber  von  HautsteUen  aus,   die  in  geringer  und  daher 
mit  freiem  Auge  nicht  wahrnehmbarer  Ausdehniuig  ihrer  hor- 
nigen Epidermis  verlustig,  aber  noch  mit  Zellen  der  tieferen 
Schichten  belegt  sind,  welche  von  Lösungen  und  fein  vertheil- 
ten,  oder  chemisch  adäquaten  Körpern  leichter  durchdrangen 
werden  können,  als  die  vollständig  verhornten,  obersten  Epi- 
dermislagen. 

Die  physiologisch  wichtigste  functionelle  Bedeutung  besitzt 
die  Haut  als  specifisches  Sinnesorgan,  als  Tastorgan. 
Als  solches  percipirt  und  vermittelt  es,  vermöge  der  in  den 
TastpapiUen  endigenden  Empfindungsnerven,  die  von  der  Aussen- 
welt kommenden  Eindrücke,  welche  im  Allgemeinen  als  T  a  s  t- 


Physiologie  der  Haut.  55 

empflndung  oder  Empfindung  überhaupt  bezeichnet  werden. 
Diese  sind  ihrer  Qualität  nach  sehr  verscliieden,  indem  sie  a  s 
Empfindung  von  Druck,  Schmerz  in  allen  Variationen,  als 
Brennen  Stechen,  als  Kitzeln,  Jucken,  als  Temperatursempfin- 
dung etc.  zum  Bewisstsein  gelangen  und  so  ßücksclüüsse  auf 
die  physikaUsche  Beschaffenheit  der  Aussenkörper  unserer 
Reflexion  gestattet,  d.  i.  uns  über  die  Aussenwelt  zu  orientiren. 

Die  Tastempfindung  kommt  aber  auch  als  sogenanntes 
Ü  e  m  e  i n  g  e f  üh  1  zum  Bewusstsein,  vermöge  dessen  die  Zustande 
und  örtlichen  Unterschiede  der  gereizten  Hautstellen  empfunden 
und  präcise  bestimmt  werden,  -  die  Fähigkeit  zu  localisiren 
—  Ortssinn.  Diese  specifische  Sinnesfähigkeit  ist,  adäquat 
der  uno-leichen  Vertheilung  der  Tastwärzchen,   auch  an  den 
yerschie°lenen  HautsteUen  sehr  unterschiedlich  ausgebüdet  am 
intensivsten  an  den  papillenreiclien  Fingerspitzen  und  derMund- 
Hppe    Die  belehrendsten  Resiütate  in  dieser  Riclitung  ver- 
danken wir  den  berühmten  Untersuchungen  von  E.  H.  Weber, 
der  mittelst  des  sogenannten  Tasterzirkels  die  verschiedenen 
Hautstellen  auf  den  Grad  ihrer  Perception  untersucht  hat. 


Vierte  Vorlesung. 

AUaemeine  Symptomatologie.    Subjeetive    und  objeetive     primäre  und 
seeundäre  KranUheitserseheinungen.  Vertheilung  der  EfHorescenzen. 

Allgemeine  Symptomatologie. 

Vermöge  ilu^er  eigentliümlichen  Hstologisclien  uiid  pliysio- 
lügischen  EigenscLafteii  wird  demnacli,  wie  die  vorausgegan- 
genen Erörtermigen  gelehrt  liaben,  die  Haut  in  vielen  Bezie- 
hungen auf  eigene  Art  erkranken  kömien,  wenngleidi  der 
pathologische  Process  und  die  dixrch  denselben  zu  Stande 
gekommenen  G-ewebsveränderimgen  mit  denen  der  anderen  Or- 
gane wesentlich  übereinstimmen  müssen.  _ 

Es  resiütirt  aber  aus  den  genannten  Verhältnissen  auch 
eine  Eio-enthümHchkeit  der  Symptome.  Ihre  genaueste  Kennt- 
niss  ist  für  die  Beurtheüung  der  pathologischen  Vorgange 
unerlässlich. 

Die  Symptome,  diu'ch  welche  die  nutritiven  und  timctio- 
neUen  Erkrankungen  der  Haut  sich  kundgeben,  köimen  im  AU- 
gemeinen  zunächst  '  als  subjeetive  und  objeetive  unter- 
schieden werden.  , 

Die  subjectiven  Symptome  sind,  entsprechend  der 
subiectiven  Empfindungsfunction  des  Hautorganes,  auch  nur 
auf  die  Alteration  dieser  beschränkt.  Sie  erscheinen  als  die 
bekannten  Störungen  der  Empfindung,  im  Süme  der  Vermm- 
derung,  Anästhesie,  oder  in  dem  der  Steigerimg  und  qualita- 
tiven Veränderung  der  Empfindimgen,  als  Schmerz  (Neuralgie  , 
Jucken,  Kitzeln,  Kriebeln,  Ameisenlaufen  (Foimicatio).  Selbst- 
verständHcli  können  diese  Art  Symptome  grösstentheüs  nur 
durch  Auskunft  von  Seite  des  Kranken  erkannt  werden,  ziun 
Theile  jedoch,  wie  die  Anästhesie,  namentlich  Kber  das  Spnptom 


Effloreszenzen.  «'^7 


des  Juckens,  auck  auf  objectivem  Wege,  mdem,  wiewir  seken 
tenlen  die  subjective  Erscheinung  des  Juckens  durch  dxe 
o^ctiv  wahrnehmbaren  Symptome  des  Kratzens,  Excoria- 
+  ?niips   sich  jedesmal  verräth. 

Die  obj  ectiven  Symptome  der  Hautkrankheiten  sind 
die  überwiegend  zahlreichsten  und  mannigfaltigsten.  Sie  bilden 
i   nothweSlige  und  sicherste  Grundlage  für  das  Erkennen 
nd  Erfassen  der  pathologischeai  Processe.    Ihr   genaue  tes 
Suulium  kann  nicht  ernst  genug  empfohlen  werden  Sie  Ä 
m  einer  sehr  zutrefFenden  Metapher  gesprochen,  die  bchiitt- 
.ü<.e  dar,  welche  der  jeweilige  Kraiikheitsprocess  selber  auf 
Ii!  Haui  gezeichnet  hat ,  entsprechend   dem   Grade  seiner 
Litensität,  Localisaiion,  Verlaufsweise ,  denf  Wege    den  er 
genommen,  der  Zeit,  die  er  dazu  verwendet  hat    So  dass  wu 
thatsächlich  blos  diese  Schriftzüge  mit  Verständmss  abziileseii 
brauchen,  um  sofort  den  Urheber  derselben,  die  Krankheit, 
.einem  vollen  Wesen  und  Charakter  nach  zu  erkennen. 
^       Ich  brauche  nicht  erst  zu  bemerken,  dass  die  objectiven 
Krankheitssymptome  den  wahrnehmbaren  Gewebsveränderungen 
angehören,  also  jenen  Dermatonosen,  welche  in  einer  nach- 
weislichen Ernähi-ungsstörung  -  im  allgemeinsten  Sinne  ge- 
sprochen -  bestehen.    Da  nun,  %ie  früher  gezeigt  worden 
diese  Art  von  Erkrankungen  mit  denen  anderer  Organe  und 
Systeme  wesentlich    übereinstimmt,   so  soUte  man  glauben, 
dass  auch  in  den  Sjanptomen  eine  solche  Ueberemstimmiing 
herrscht  und  solche  für  die  Haut  nicht  erst  besonderer  Art 
sein  könnten.    Dies  ist  auch  wesentHch  der  Fall. 

H^merämie  wird  auch  an  der  Haut  durch  Blutüberfiülimg 
und  Röthe,  Anämie  durch  Blässe,  Entzündung  durch  jene  und 
gleichzeitige  SchweUung  u.  s.  w.  sich  kundgeben.    AUem  die 
Symptome  sind  hier  nicht  nur  wegen  der  directen  Zug;anglich- 
keit  der  Haut  deutlicher,  sondern  auch  eigenthümlich  dadurch, 
dass  wir  erstens  dieselben  am  lebenden  Organe  beobachten, 
zweitens  dadurch ,  dass  die  anatomischen  Eigenthümlichkeiteu 
der  Haut  eine  besondere  Anordnung  der  pathologischen  Vor- 
gänge gestatten  oder  bedingen,  und  endlich  drittens  durch 
specifische  Krankheitsiu-sachen ,  welche  nur  bei  der  Haut  sicH 
geltend  machen  können   und   demnach  auch  nur  specifische 
Wirkungen  hervorrufen.  .  . 

Die  Concurrenz  dieser  Momente,  im  Vereine  mit  einigen 


Vievto  Vorlesung. 

anderen,  allerdings  noch  nicht  anfgeklärten  Verhältnissen,  führt 
zu  einem  bestimmten  Typus,  nach  welchem  regelmässig  eine 
Hantkraiikheit  örtHch  zur  Erscheinung,  kommen  muss ,  ohne 
Rücksicht  auf  die  entfernteren  Bedingungen  der  Krankheit. 
Wenn  z.  B.  durcli  eine  Blntvergiftung,  wie  der  Blatternprocess, 
Entzündung  und  Vereiterung  eines  HaarfolHkeLs  auftritt,  so 
wird  diese  örtliche  Erkrankung  nach  demselben  Typus  ^  sich 
formiren  und  dieselben  Erscheinungen  —  Symptome  —  darbieten, 
wie  die  Entzündung  und  Vereiterung  eines  HautfoUikels ,  die 
durch  Kratzen  mit  dem  Fingernagel,  oder  Reizung  durch  den 
Schweiss  hervorgerufen  wurde.    Die  anatomischen  (iebUde  und 
die  Vertheüung  der  Blutgefässe  sind  eben  bei  den  FoUikebi 
typische,  und  daher  auch  das  Bild  bei  ihrej  Entzündung  immer 
das  gleiche. 

Ein  solcher  Typus  der  Erscheinungen  kommt  den  soge- 
nannten Hautblüthen  oder  Ef flo r escenzen  der  Haut  zu. 

Dieser  Ausdruck  entstammt  einer  Zeit,  in  welcher  man 
den  äusserlichen  Erscheinungen  bei  den  Hautkrankheiten  das 
Hauptgewicht  bei  der  Charakteristik  beimass  und  die  wesent- 
lichen Vorgänge ,  welche  denselben  zu  Grunde  liegen,  theils. 
nicht  kannte,  theils  ignorirte.  Im  Vergleiche  mit  den  Wahr- 
nehmungen an  den  Pflanzen,,  soll  mit  diesem  Ausdrucke  Etwas 
bezeichnet  werden,  was  auf  der  Haut  in  aufeäUiger  Farbe  und 
Gestalt  auftaucht,  gewissermassen  aufblüht  oder  aufknospt. 

Der  Name  ist  auch  heutzutage  beibehalten,   freilich  mit 
einem  concreten  pathologischen  Begriffe.    Kau  bezeichnet  heute 
als  Efflorescenz  der  Haut  eine  auf  der  Haut  auftauchende 
krankhafte  Veränderung,  die  im  Allgemeinen  emen  klemeren 
und  umschriebenen  Umfang  einnimmt  und  in  ihrer  Form  (mor- 
phologisch),   Entwicklungs-    und    Verlauf  sweise 
und  ihrer  anatomisch  en  Bedeutung  einen  bestimm- 
ten  Typus   einhält.    Jenach  dem  Letzteren  gebuln-t  der 
Efflorescenz  eine  besondere  Bezeichnung,  so  dass  mit  dem 
ieweiligen    Termmus   auch   immer  nur   ein  bestimmter  Be- 
griff von  Efflorescenz  verbunden  ist.    Es  geht  darum  nicht 
an  ,  dass  man  in  der  Terminologie  der  Hautkrankheiten  wiU- 
kürlich  Freiheiten  sich  gestattet.  Wir  müssen  uns  vielmehr  an 
die  einmal  festgestellten  und  allgenrein  angenommenen  tarnen 
und  Begrifte  halten,  für  deren  Stabilität,  wie  schon  evv.-Rhnt 
worden,  nebenPLENCK  und  Willan,Hebea  dasMeiste  geleistet  hat. 


Primäre  Krankheitsersclieiuuugen.  59 

Der  pathologische  Vorgang,  welcher  die  Efflorescenz  hervor- . 
bringt  hat  mit  der  typischen  Entwicklung  derselben  örtlicli^ 
auch  seinen  Höhepunkt  erreicht.    Somit  sind  ihre  Symptome 
anch  gleiclibedentend  mit  den  örtlichen  nnd  typischen  pri- 
mären Krankheitserscheinnngen   —  Efflorescentiae 
c-ntaneae  primariae.  -  Von  da  ab  verändert  sich  die  Efflorescenz 
in  dem  Sinne  ihrer  weiteren  Entwicklung,  Ausbreitung,  Um- 
wandlung, Rückbildung,  u.  z.  theüs  dadurch,  dass  der  ursprüng- 
liche örtliche  Krankheitsvorgang  noch  anhält,  theils  auch  nach 
Anfliören  des  letzteren,  durch  die  Gesetzmässigkeit,  mit  welcher- 
der  normale  Ernährungsprocess  die  stattgehabte  Gewebsstorung 
auso-leicht    Die  Reihe  der  auf  diesem  Wege  sich  ergebenden 
Erscheinungen,  welche  aus  den  primären  in  gesetzmässiger 
Nothwendigkeit  hervorgehen,  büden  die  s  e  c un  d  är  e n  K  r  a n  k- 
heitserscheinungen. 

Die  .primären  Krankheitserscheinungen  oder 
Efflorescenzen  sind  in  folgenden  Typen  vertreten:  I.Macula, 
der  Fleck;  2.  Papula,  das  Knötchen;  3.  Tuberculum, 
der  Knoten;  4.  Phyma,  der  Knollen;  5.  Urtica,  die 
Quaddel;  6.  Vesicula,  das  Bläschen;  7.  Bulla,  die 
Blase,  8.  Pustula,  die  PusteL 

Macula,  Eleck,  heisst  jede  auf  einen  umschriebenen 
Bezirk  der  Haut  bescbränkte  abnorme  Färbung.  Es  gibt  rothe, 
braune,  gelbe  Flecke  in  verschiedenen  Nuancen,  auch  weisse 
Flecke.'  Ebenso  mannigfach  ist  ihre  Form  und  Grösse.  Sie 
sind  veränderlich  und  vorübergehend,  oder  stationär,  angeboren 
oder  im  weiteren  Leben  erworben. 

Rothe  Flecke,  lebhaft  roth  bis  dunltelblauroth ,  sind  ent- 
weder durch  Hyperämie  der  Papillär-  und  obersten  Corium- 
gefässe  bedingt.  Alsdann  weichen  sie  auf  Fingerdruck.  Gleicb- 
zeitig  vorhandene  Exsudation  bewirkt,  dass  diese  Flecke  etwas 
erhaben  sind  und  beim  Druck  mit  dem  Finger  an  ihrer  Stelle 
die  Haut  einen  Stich  in's  Gelbe  zeigt.    Sie  heissen  R  o  s  e  o  1  a  e, 
wenn  sie  linsen-  bis  fingernagelgross  sind.  Occupirt  die  Röthung 
grössere  Flächen,  spricht  man  von  Erythem.  Hyperänusche 
Flecke,  in  welchen  mit  freiem  Auge  erkennbare  Gefässe  ver- 
laufen, heissen  T  e  1  e  n  g  i  e  k  t  a  s  i  e  n ;  wenn  sie  angeboren  sind, 
N  a  e  V  i  vasculosi,  Gefässmäler.  Ein  hyperämischer  Fleck,  in  dessen 
Mitte  eine  andere  Efflorescenz  steht,  ist  für  diese  der  Kalo 
oder  Hof.  —  Ist  der  rothe  Fleck  durch  freien  Blutaustntt  m 


Vierte  Vorlesung 

60 


Papillär-  und  oberste  Coriumschichte  veranlasst,  dann 
rchwindet  er  unter  dem  Fmgerdrucke  nicht.    Er  heisst  dann 

^'''^Hämorrhagisclie  E lecke  von  Punktgrösse  lieissen 
Petecliiae,  von  Streifenforin  Vibices,  von  grosser  und 
^mregebnässiger  Ausbreitung  E  c  c  Ii  y  m  o  s  e  n 

Blaurotbe,  grünlich-gelbe  und  gelbbraune  Elecke  entstehen 
auf  dem  Wege  der  Involution  der  Hämorrhagien. 

Gelbbraune  bis  dunkelbrarme  und  schwarze  (Nigrities, 
Melanosis)  Elecke  werden  durch  übermässige  Pigmentan- 
häufung in  den  EetezeUen  der  tiefsten  Scliichte,  zum  Theile 
auch  der  obersten  Hautschichten  veranlasst.  Im  Gesichte  er- 
scheinen sie  in  flächeiihafter  oder  streifenförmiger  Ausbreitung 
als  Chloasma,  oder  da  sowohl,  wie  an  den  Händen  und 
anderen  Körperregionen,  in  Stecknadelkopf-  bis  Luisengrosse 
als  Sommersprossen,  Ephelides,  Liiiseimiäler  -  Lentigmes  und 
Naevi  pigmentosi,  Naevi  spili,  Pigmentmaler 

Weisse  Elecke  entstehen  durch  Pigmentverlust.  Sie 
sind  angeboren  und  auf  einzelne  SteUen  beschränkt,  A  ehr  o  m  a, 
oder  aUgemein,  Albinismus,  oder  im  Verlaufe  des  Lebens 
erworben,  iiiEolge  von  anderen  pathologischen  Processen  oder 
als  selbständiges  Hebel,  Leukopathia,  V-itiligo. 

Strohgelbe  bis  citronengelbe  Elecke  an  den  Augen- 
Hdern  und  deren  Umgebung  werden  von  dem  "^i^dt 
Vitiligoidea  genannten  Hebel,  einer  m  Corium  statthabenden 

Gewebsalteration  gebildet. 

Neben  den  besproelienen  mehr  tyiHsohen  FaAmgsauo- 
malien  kommen  anch  Missfärbungeu,  Dy-ehromasiae  dei 
Haut  ™r,  Wehe  als  Ausdruek  eme,-  Altexaton  der  aUge- 
m^L  Vegetation  des  Körj,ers  erscheinen  tf  car 

bei  Chloranämisehen,  die  dunkelstrohgelhe  ^»f 
cia^om,  die  bronoebraune  Farbe  bei  Lepra,  Oi.rJ.A^^. 
die  durch  in  das  Cutisgewebe  eingebrachte  •  f^^^'f;. 

Substanzen  bedingt  smd,  wie  die  gelbe  Farbe  dureh  d  n  emg 
lagerten  Gallenfarbstoff  bei  Ikterus,  oder  d,e  rothe  und  a^^^^ 
F^rbe  bei  Tätowirung  mittelst  Zinnobers,  Kohlen-  und  Scluess 

"""^"Tapula,  Knotehen,  nennt  mau  jede  mokikorn-  bis 
linseugroL,  solide  und  über  das  Hautniveau  ™r^™gende 
pathologische  Bildung.  Die  Knötchen  snu\  abgerundet,  komseh, 


Primäre  Kraukhuitsürschoiiuingeii.  61 

p-..-^  0... ^^^^^^^^^^^ 

Wen    wie  bei  Psoriasis,   ein  anclei-mal  wirf  es 
Ss"!  ZeUeniuMtvation  in  die  Reteschichten  ge- 
M  ltlTti  Eezema  papnlo.um,   oder  dnvch  Hämon-hag. 

dte  Ii  in  die  Papillen,  wie  bei  Liehen  haemon.hag.eus, 
odet  ta-  h  Anhäufung  von  Epidermis^assen  in  der  Mnndnng 

'Haariasehen,  bei  Liehen  V^^^^^ '^'^^K^^^'^'^Zl 
mit  derbem  Inlialt  erfflllte  Talgdriisen-Acm,,  Milmm,  »dei  «Im* 
s  Cori.™  eingelagerte  Gewebs-Neubildnngen,  w.e  be.Lupu  , 
Sarkom.  Naoh  aU'  diesen  Verschiedenheiten  mass  aueh  Daner, 
Verlrf  iiberhanpt  die  nosologisehe  Bedeutung  der  Knotehen 
sehr  vei'sehieden  Lfallen.  Kamentlich  mögen  eimge  stabd  sein 
mum,  andere  sehr  wandelbar,  wie  die  dureh  Entzündung 
raXsstek  Knötchen,  die  rascher  Umwandliuigen  fähig  sind. 

Acut-entzüiidHche  Knötchen,  welche  von  einem  Kalo  um- 
geben sind,  werden  noch  besonders  als  Stippchen  bezeichnet. 

Tnbercula,  Knoten,  sind  lunschriebene,.  derbe,  nn  A  1- 
eemeinen  grössere,  erbsen-  bis  hasehiussgrosse  pathologische 
Fo^ationL  der  Haut.  Sie  mögen  ins  Gewebe  der  Haut  ganz 
eingebettet  sein,  so  dass  sie  nur  mittels  der  tastenden  Finger 
umgriffen  und  erkannt  werden,  oder  etwas  aber  die  Flache 
em;orragen ,  cUe  Oberhaut  vor  sieh  herwölbend.  Der  patholo- 
gischen Bedeutung  nach  soUiessen  sie  sieh  enge  an  die  Knot- 

chen  an.  n        •  i 

Phyma,    Knollen,   nennt  man  umfangreiclieie,  ge- 

scWstartige  Bildungen.  Sie  sitzen  im  subcutanen  Bmdege- 
webe  oder  Mer  und  im  Corium,  wölben  oder  stülpen  diese  vor 
sich  her  und  bilden  in  letzterem  FaUe  hängende  Geschwülste. 

Urtica,  Quaddel,  ist  wohl  die  bekannteste  Efflore- 
scenzform.  Sie  stellt  eine  zartgeröthete  oder  glänzend  weisse  (Urti- 
caria porcellanea)  und  roth-umsäumte,  flache,  plateauartig  vor- 
springende, derb  anzufühlende  Erhebung  an  der  Haut  vor.  von 
Linsen-  bis  Daumennagel-G-rösse  und  rundUcher  oder  unregei- 
mässiger  Gestalt.  Jede  Quaddel  entsteht  höchst  acut,  wie  im 
Augenblick,  und  hat  ein  sehr  kurzes  Dasein.  Hire  arundlage 
ist  eine  begrenzte,  vorwiegend  seröse  Exsudation  m  die  FapiUen 


^.j  Yierte  Vorlesung. 

und  die  Sclileimscliichte.  Die  Quaddel  kann  nach  der  Periplierie 
sich  beträclitlicli  ausbreiten,  während  sie  im  Centrum  schwindet. 
Es  entstehen  derart  Kreis-  und  Gyrusformen  von  Quaddeln. 
Jucken  ist  immer  mit  ihrer  Anwesenheit  verbunden. 

V  e  s  i  c  u  1  a ,  B 1  ä  s  c  h  e  n ,  ist  eine  miliare,  bis  linsengrosse, 
knötchenähnliche'  Epidermiserhebnng ,  mit  wasserhellem  oder 
milchig-trübem,  seltener  blutig-flüssigem  Inhalt.    Die  wasser- 
hellen Bläschen  stellen  den  regelmässigen  Typus  vor.   Ihr  In- 
lialt  ist  seröses  Exsudat.    Dasselbe  quiUt  nach  Berstung  oder 
Verletzung  der  Bläächendecke  als  wasserheller  Tropfen  hervor. 
Das  Normalbläschen  ist  durchscheinend.  Erst  nach  einigem  Be- 
stand wird  der  Inhalt  durch  Behnengung  von  Eormelementen 
(Zellen,  Kerne,  molleculären  Massen)  nnd  Metamorphose  milchig- 
trübe 'Hämorrhagie  tritt  zuweilen  von  Beginn  an,  meist  erst 
später  hinzu  und  macht  den  Inhalt  dunkelblauroth  und  trübe. 
Auch  trägt  die  Färbung  des  Bläschengrundes  mit  zur  Färlnmg 
des  Bläschens  bei,  je  nachdem  derselbe  blass  oder  roth  oder 
schwärzlich  (hämorrhagisch)  ist.    Manche  Bläschen  sind  halb- 
kugelig vorgewölbt,  andere  zugespitzt,  noch  andere  zeigen  in 
der  Mitte  eme  seichte  Vertiefung,  Delle.  Sie  variiren  weiters 
nach  ihrer  Consistenz.  Manche  sind  sehr  derb,  vertragen  eine 
starke  Compression,  ohne  zu  bersten.   Solche  haben  eine  dicke 
Bläschendecke.    Man  sagt  auch,  ein  derartiges  Bläschen  sitze 
tief    Andere  haben  eine  sehr  dünne  Decke,  welche  leicht  ein- 
reisst  und  den  Inhalt  austreten  lässt.    Dies  sind  oberflächlich 

sitzende  Bläschen. 

Das  Bläschen  ist  immer  das  Product  einer  aus  den  Papü- 
largefässen  stammenden,  acuten,  serösen  Exsudation  imd  kommt 
•dadurch  zustande,  dass  das  Exsudat  innerhalb  der  Epidenius- 
•  schichten  stellenweise  in  grösserer  Menge  sich  ansammelt  Da- 
durch werden  zunächst  die  Zellen  des  Rete  gequellt  und  aus- 
einander geschoben.  E.  entsteht  so  ein  Fächerwerk.  imper- 
meable Hornschichte  dagegen  wird  vorgewölbt.    Sie  bildet  die 
■Decke  des  Bläschens.    Je  nachdem  das  Exsudat  naher  zur 
Oberfläche,  oder  im  (^egentheil  in  der  Tiefe,  näher  den  Papillen 
sich  staut,  fällt  die  Bläschendecke  dünner  und  zarter,  oder 

dicker  und  derber  aus.  . 

Aehnlich  kommen  auch  Bläschen  zu  Stande,  wenn  treie 
seröse  Exsudation  zwischen  die  die  Follikel-  und  Drüsenniundun- 
gen  umgebenden  Epidermisschicliten  und  in  jene  selber  austritt. 


rrimäve  Krankhoitsersclieinungon. 


G3 


Die  feineren  anatomischen  Verhältnisse  bei  der  Bläsclien- 
hikhino-  sind  sehr  lehrreich  und  haben  bereits  viele  Untersnclier 
beschäftigt.  Vs'iv  werden  auf  dieselben  an  einem  anderen  Orte 
eino-ehender  zu  sprechen  kommen. 

Jedes  Bläschen  hat  als  solches  einen  kurz  bemessenen 
Bestand  Es  sinkt  entweder  diirch  Aufsaugung  seines  Lihaltes 
ein  oder  es  geht  durch  eiterige  Umwandbmg  seines  Inhaltes 
in  'eine  andere  Efflorescenzform,  die  Pustel,  über. 

Da^'selbe  gilt  von  der  Bulla  ,  Bl  a s e,  genannten  Ettlore- 
scenz.  Dieser  konunen  in  allen  Punkten  dieselben  Eigenschaften 
zu  wie  dem  Bläschen,  von  welchem  sie  nur  durch  ihren 
oTÖsseren  Umfang,  Bohnen-,  Nuss-  bis  Eigrösse,  sich  unter- 
scheidet. Es  gibt  Blasen  mit  vorwiegend  serösem,  andere  mit 
trübem  und  blutigem  Inhalt,  solche,  die  oberflächHcch  sind  imd 
eine  sehr  dünne  Epidermisdecke  besitzen ,  wie  bei  Pemphigus, 
andere,  die  sehr  tief  reichen,  die  ganze  Schleimschichte  in  sich 
■einbezogen  haben,  wie  manche  Brandblasen. 

Pustula,   die  Pustel,  steUt  eine  mit  Eiter  gefüUte, 
also  gelb ,  gelbgriüi,   oder  von  beigemengtem  Blute  braungrün 
erscheinende  Erhebung  der  Epidermis  vor.    Ihre  Basis  wird 
zumeist  von  gerötheter  Haut  gebildet,   indem  das  Zustande- 
kommen von  Eiterung  an  und  für  sich  schon  sowohl  eine  in- 
tensivere örtüche  Entzündung  voraussetzt,  als  auch  zur  Folge 
hat.    Häufig  ist  die  Pustel  derart  entstanden,  dass  ein  Haar- 
foUikel  das  Centrum  derselben  eiiuiimmt,  in  dessen  Ausführungs- 
canal  dann  ebenfalls  Eiter  angesammelt  erscheint.    Man  hat 
ehemals  von  den  Pusteln  mehrere  Arten  unterschieden:  Achor, 
eine  Pustel  der  letztgenannten  Art,   deren  Mitte  von  einem 
Haare  durchbohrt  ist ,   vorwiegend  auf  Pusteln  des  behaarten 
Kopfes    bezogen;    Psydracium,    eine    derartige    Pustel  von 
grösserem  Umfange,  und  Phlyzacium,    eine  grössere  Pustel, 
welche  blutig  gefärbten  Inhalt  zeigt.  Doch  sind  diese  Begrifee 
•keineswegs  feststehend  und  in  der  praktischen  Terminologie 
wenig  gebräuchlich.    Viel  häufiger  dagegen  begegnet  man  den 
Namen  Impetigo  für  kleinere  und  oberflächliche  und  E  c- 
thyma  für  grössere  und  tiefer  greifende  Pustebi. 

Obgleich  zu  dem  Begriffe  der  Pustel  gehört,  dass  Eiterung 
•nur  innerhalb  der  Epidermisschichten  stattfindet,  so  gilt  letzteres 
.doch  nur  durchschnittlich  und  für  die  erste  Zeit  ihres  Bestandes. 
Im  weiteren  Verlaufe   kann    auch  das  Papillargewebe ,  das 


Vierte  Vorlesung. 

64 

ihre  Basis  bUdet,  eitrig  schmelzen.  Wofern  nur  Epidermis  bei 
e  em  Processe  zu  Grunde  geht,  wird  der  Ersatz  wieder 
SrEpidermis  geleistet,  d.  h.  die  Pustel  wml  ohne  Narbe 
heüe^^  Sie  heilt  aber  mittelst  Bindegewebe  neuer  Formation, 
d  i  mittelst  Narbe,  sobald  auch  ein  bindegewebiger  Theü  der 
Haut,  die  Papillen,  in  der  Eiterung  consumart  sind. 

Es  ist  schon  wiederholt  angedeutet  worden,  dass  die 
bisher  besprochenen  primären  Erkrankungsformen  einmal  ge- 
s  tzt  in  ihrem  gesetzmässigen  Verlaxxfe  zu  örtl  chen  Verande- 
^:^er.n.lerer%^.er  ebenfaUs  typischer  Art  führen  müssen 
die  sich  demnach  den  ersteren  gegenüber  ab  secundare  dar- 
stellen. Wir  fassen  ihre  Charaktere  als  secundare  Kranli- 
heits  er  scheinungen  zusammen. 

Solche  sM:  1.  Exeo.iationes  Hautab.churfu.ge  . 
2  TJlcera  cutanea,  Hautges chwure,  3.  Rhagaden, 
Hautsclirnnden,  4.  S(l.iamac,  Schuppen,  o.  Grustae, 
Borken  6.  Crustae  lamellosae,  Schuppengrinde, 
7.  Cicatrix,  Narbe,  8.  Pigmentation. 

35xcoriationes,  Haut-  oder  Oberhautab.chui- 
fungen,  «ind,  wa.  ihr  Name  besagt,  Ablösungen  der  Oberhau  , 
vorzili  h  de;  Ho.-nschichte.  Sie  spielen  trot.  iljrer  anatom>- 
sZ'GeringfUgigheit  eine  grosse  EoUe       '^^r  De^ato  o^^^^ 

diagnostisch  und  pathologisch.  Ihre  G-t^lt'.^'XSeu 
Nation  und  die  obiectiven  Erscheinungen  ihrer  hautgeien 
»hdung   sind  massgebend  für   die  Diagnose  gewisser 

KrInkheLprocesse.  Eitzt  man  »^V^™  p  T^^'nurro  tiS' 
Kratzen    oder  mittelst  einer  Nadel  die  Epidermis  nui  so  tiet, 
als    o  Verhornt  ist,  so  entsteht  eine  entsprechende,  von  feinen 
E^id  rmTstrümmern'begrenzte  Furche.  Durch  den  "leehanischen 
röthen  sich  die  gleichzeitig  getroffenen  ^-^^  ^l 
Excoriatiou  erscheint  als  rother  Strich,  »"f  t'f  ,  ^  ^ 
sehwinden  alsbald,  erstere  rasch,  l«*f ft 
dermis  neuen  Nachschubs.    Wenn  aber  an  Ort  -i-J-'^^^H 
in  gleicher  Weise  gekratzt,  geritzt  wird  so  e^^^^^ 
so  oft  wiederkehrenden  Hyi>ei-äniien  Austritt  ™"  » 
zur  Folge  haben.  Es  bleiben  i^muach  braune  Streifen  lan  e^^^^ 
Zeitznriek.  Eitzt  man  so  tief,  dass  die  Sch"-^'»^^^^^^^^^^^ 
gelegt  wird,  so  erseheint  die  Excoriation  graugelb  «ml  na.seii(l. 
t  tZrt  Serum  aus  den  succulenten  Eetescluchten ,  das  als- 


Secundäre  Ki-ankheitsersclieimingen.  65 

I  .1,1  7U  einer  ffell>bravu>en  Masse  eintrocknet  und  nach  Tagen 
bald  zu  einer  gel  ^  ^  Epidermis  abgehoben,  abge- 
dui-ch  die  i^--^.2fZl.ooriL.  bis  auf  den  PapiUar- 
stossen  wml  «f  '''^  ^^„^f.,,,,  jes  letzteren  theilwcise  verletzt 
'"T™  "s  1    e  wa!  Huf  ausgetreten  -  blutende  Excoriation. 

II  diese  he  len  schUessEch  ohne  bleibende  Spuren,  da  ja 
ft  ts  nm  Ep  dermis  verloren  gegangen  Es  können  ate  Exeo- 

liwrf    a-eschweUt,  verletzliclier  geworden  war;  deimiacli, 
ÄnötÄ^  P-teln  zugegen  waren,  über  denen 

E^rktlnen  ierbeigefüln-t  worden  sind.  Alsdann  smd  d.ese 
troff enen  Entzünd^n^gssteUe  am  tiefsten  und  je  nach 
Z  L^  der  letzteren  aucb  verschieden  gestaltet.  lieber  Ur 
tria^Quad^eln  z.  ^^^^T^^^ 
tS:^  S 'SSitten  da^;tellen  über  den  Meinen 
Sen  der  Prurigo  werden  sie  als  birsekorngrosse,  blut.g 
gefärbte  Epidermisverluste  erscbeinen. 

U 1  c  e  r  a  c  u  t  a  n  e  a ,  Hautgescbwure,  sind  ebenfalls  secun 
däre  Krankheitserscbeiiiungen.  Sie  entstehen  mu-  m  emer 
'  her  entzündlich  oder  anderweitig  erkrankten  Hautpaa.^^ 
nnd  stellen  das  Corium  betreffende  Substanzverluste  dar  welche 
2  vot  nornialen  Eiter  in  der  Beschaffenheit  abweichendes 
Secret  absondern  und  deshalb  nicht  oder  nur  ^o,ernä^^ 
heilunfi  gelangen,  weib  die  zum  Wiederersatz  des  Substanz 
terirsL'bestLnte  Granulation  durch  örtliche  oder  allgemeine 
Ursachen  verzögert  oder  gestört  wird.  ^ 

Man  unterscheidet  an  jedem  G-eschwur  (^^'^^^^^f^^.^,' 
-     das  ist  den  inneren  Begrenzungssaum,  die  Beschaffenhei  beidei 
namentlich  den  Rand  als  glatt,  zackig,  ausgeuagt ,  hoM ,  aut- 
geworfen, die  Form  als  rund,  kraterförmig, 

förmig,  serpiginös;  den  Verlauf  als  acut,  chronisch  und  mc  e 
ändert  Momente,  welche  sich  auf  Ursache  Bedeu  u^g  L^^ 
sation  u.  s.  w.  beziehen  und  in  der  speciellen  Pathologie 
Sprache  kommen  werden.  ^ 

Kaposi,  Hautliranküeiten. 


Vi«rte  Vorlesung. 

DO 


Rhagades,  Rimae  cutis,  Hantschrunden,  sind 
furchen-  oder  spaltenartige  Risse  und  Zerklüftungen  der  Epi- 
dermis Sie  reichen  oft  auch  tiefer,  bis  in's  Corium  und  sind 
dann  von  steilen  Rändern  begrenzt  und  im  Grunde  blutend 
oder  verschwärend.  Die  letzteren  betrefFen  eine  verdickte, 
schwielige,  die  ersteren  auch  dünne,  trockene  Epidermis.  Sie 
entstehen  in  Folge  von  Zerrung  und  Dehnung  von  Seite  der 
unterlagernden  Muskeln,  bei  verminderter  Elasticität  der  er- 
krankten Haut  und  Sprödigkeit  der  Oberhaut. 

Squamae,  Schuppen,  heissen  die  von  der  Hautober- 
fläche sich  ablösenden  Hornhautblättchen.   Ln  physiologischen 
Zustande  findet  eine  im  Ganzen  imperceptible,  aber  doch  zweifel- 
lose Abschülferung  der  Epidermis  statt,  mit  welcher  eine 
Regeneration  von  den  Retezellen  her  gleichen  Schritt  halt. 
In  krankhaften  Verhältnissen  geht  diese  Abstossung  m  sinn- 
fälliger Weise  vor  sich.    Die  Abschuppimg  als  solche  heisst 
Desnuamatio,  wenn  sie  als  Folge  eines  örtlicheii  Erkran- 
kungsvorganges sich  einsteUt;  als  selbständiges  Uebel  Pity- 
riasis   Die  Schuppen  lösen  sich  ab  in  Gestalt  von  kleinen, 
kleienähnlichen,  oder  auch  grösseren,  dünnen,  weissen,  glan- 
zenden oder  schmutzig  weissen,  trockenen  oder  fettigen  Blatt- 
chen, oder  von  dickeren,  plattenähnlichen  Schalen,  oder  endlich 
von  grossen,  zusammenhängenden,  pergamentähnliclien  btucken, 
welche  z.  B.  handschuhfingerförmig ,   einem  Finger  entspre- 
chend, erscheinen.    Darnach   spricht  man  von  einer  Desqua- 
matio furfuracea,  membranacea,  siliquosa. 

Bei  gewissen  Krankheitsformen  (Psoriasis)  baUen  sich  die 
Schuppen  zu  Häufchen  oder  verscliieden  mächtigen  Platten 
zusammen,  welche  in  lockerer  Verbindung  mit  den  tieferen 
Zellen  stehen,  aber  als  Ganzes  doch  länger  auf  der  Haut 
haften  und  nur  in  ihren  obersten  Lamellen  schülfern.  _ 

Schuppen  werden  auch  von  den  Fettdrüsen  geliefert,  indem 
aus  ihnen  eine  abnorme  Menge  fetthaltiger  Epidermis  m  steti- 
ger Folge  ausgeschieden  wird  und  über  die  Hautoberflache 
sich  lagert  (Seborrhoea  sicca). 

Crustae,  Krusten,  Borken,  Grinde,  nennt  man 
die  Massen,  welche  durch  Vertrocknung  von  ausgetretenem  herum, 
Eiter  oder  Blut  auf  der  Haut  entstanden  sind.    Die  ersteren 
sind  in  frischem  Zustande  von  der  Farbe  des  Gummi,  Homg 
die  letzteren  braun  bis  schwarz.    Anfangs  massig  weich  und 


SecTindäre  KraiiklieitsersoheimingeTi.  67 

elastisch  werden  sie  mit  znnehmendem  Alter  trocken,  hart, 
W  io-  und  dnrch  innere  Metamorphose  nnd  verschiedene  Be. 
Z^^,..  nüsslarlng.  Ihre  Mächtigl.e.t  entsprich  rm  AUge- 
inen  der  Menge  der  ausgetretenen  Flüssigkeit,  n.id  sie  koanen 
1-dick  werdet  wenn  längere  Zeit  nnd  in  allmählicher  We.se 
Exsndat ,  Eiter  und  Blut  neuerdings  an  iure  untere  Flache 
herantritt  nnd  vertrocknet.  ^ 

Der  Gestalt  nach  entsprechen  sie  im  AI  gemeinen  der  Con- 
ficuration  der  verletzten  Hautstelle ,  von  welcher  beriim,  Eiter 
..^d  Blut  anstritt.    Besondere  Formen  erlangen  sie ,  ^^^nn  der 
ilnien  zu  Grunde'  liegende  Eiterungsprocess  von'  einem  Centrum 
stetig  peripher  vorrückt.    Die  Krusten  Schemen  ^^-^^'^'^^ 
centSschen  Ringen  oder  ans  Scheiben  --^---^P^^^' / 
mittlere  die  kleinste  nnd  dem  Charakter  nach  die  älteste  dai- 
stellt.  Dabei  ist  die  Kruste  in  der  Mitte  genabelt,  coucav,  oder 
konisch,  convex,  ersteres,  wenn  der  Exsudationsprocess  im  Cen- 
trum erloschen,  letzteres,  wenn  derselbe  trotz  des  peripheren 
Fortschreitens  hier  noch  besteht  und  von  unten  her  Materiale 
zur  Verdickung  der  Kruste  liefert.    Die  letztgenannten  Formen 
der  Krusten  geben  den  Charakter  der  sogenannten  Rupia 

Crustae  lamellosae  sind  ein  Gemenge  von  Krusten 

und  Schuppen.  ,    .        n  4.^ 

Cicatr ix.  Narbe,  ist  die  der  Haut  eingepflanzte  Ge- 

websformation,  welche  einen  Substanzverliist  des  bindegewe- 
bigen Antheüs  (nicht  der  Epidermis)  der  Haut  ersetzt.  Sie 
erscheint  an  der  Oberfläche  glatt,  glänzend,  ohne  die  die  nor- 
male Hautoberfläche  bezeichnenden,  regelmässigen  Hugelchen, 
Linien  und  Furchen,  ohne  Poren,  Haare  und  Papillen;  frische 
Narben  sind  roth,  ältere  glänzend  weiss ,   an  der  Peripherie 
bisweilen  braun  pigmentirt;  ihre  Consistenz  verschieden  derb. 
Ihre  Oberfläche  liegt  im  oder  etwas  unter  dem  Niveau  der 
normalen  Haut,  überragt  aber  auch  oft  diese  (hypertrophische 
Narbe).    Umfang  und  Form  der  Narbe  entspricht  nicht  voll- 
ständig dem  sie  ersetzenden  Substanzverluste,  weil  sie  wahrend 
ihrer  Bildung  nnd  auch  später  noch  schrumpft  _  Eine  schone 
Narbe  ist  dünn,  .weich,  glatt,  beweglich;  eine  hassliche  Narbe 
wulstig,  höckerig,  hart,  emporragend,  gestrickt,  genetzt 

Die  Narbe  besteht  ans  einem  unregelmässigen  ±  üz  a  on 
neugebildetem  Bindegewebe.  In  jungen  Narben  ist  dieses  mehr 
l>omogen,  reich  an  lebensvollen  Bindegewebskörperchen  Rund- 


Vierte  Vorlesimg. 

Zellen  und  Gefässen.  Mit  zunehmendem  Alter  wird  die  Inter- 
ceUiüarsubstanz  deutlicher  faserig,  saft-,  zellen-  und  gefässarm. 

Pigmentation  findet  sich  als  Folgesymptom  voraus- 
gegangener, mit  Hyperämie  verbundener  Processe ,  also  so- 
wohl ^entzündlicher  als  neoplastischer  Vorgänge.  Die  Fär- 
bung entspricht  nach  Ausdehnung,  und  Form  der  Oertlichkeit 
und  dem  Crange  des  Processes,  ist  dauernd  oder  vorübergehend 
und  im  letzteren  Falle  an  der  jüngsten  Stelle  der  Erkrankung 
am  intensivsten,  an  der  ältesten  auch  am  frühesten  vermindert, 
oder  ganz  geschwunden. 

Zu  den  geschilderten  morphologischen  Eigenschaften 
der  Efflorescenzen  gesellt  sich  eine  Reihe  von  für  die  Sympto- 
matik sehr  wichtigen  Erscheinungen,  welche  aus  den  Eigen- 
thümlichkeiten  ihrer  Vertheilung  ,  Anordnung  und  Aus- 
breitung hervorgehen,  für  welche  es  kein  Analogon  in  der 
Pathologie  anderer  Organe  gibt  und  auf  die  ich  hiemit  Ihr 
besonderes  Augenmerk  lenke. 

Die  Efflorescenzen  finden  sich  auf  der  Haut  vereinzelt 
(Efflorescenciae  solitariae),  oder  zu  vielen  getrennt  (E.  discre- 
tae)  und  zerstreut  (E.  dispersae)  oder  unregelmässig  zusammen- 
gedrängt (E.  aggregatae ,  confertae) ,  in  regelmässige  Haufen 
zusammengeschoben  (E.  corymbosae),  in  einfachen  Kreisen  (annu- 
laris,  circinatus)  angereiht,  und  es  scheint  in  diesen  Beziehungen, 
wenn  auch  nicht  die  örtliche  und  allgemeine  Ursache,  so  docli 
die  G-esetzmässigkeit  zu  fehlen. 

Vorwiegend  jedoch  macht  sich  eine  merkwürdige  Bestän- 
digkeit, imd  für  viele  Fälle  eine  bis  an's  Gresetzmässige  strei- 
fende Regelmässigkeit  geltend  in  der  Localisation  und  Anord- 
nung der  Efflorescenzen,  in  der  Vertheilung  ihrer  Gresammt- 
heit,  welche  als  Hauteruption  oder  Exanthem  bezeichnet 
wird.    Sie  findet  ihren  theilweisen  Ausdruck  darin,  dass  die 
Efflorescenzen  im  Allgemeinen  in  symmetrischer  Weise 
auf  den  correspondirenden  Hautstellen  der  rechten  und  linken 
Körperhälfte  auftreten,   auf  beiden  Handtellern  oder  beiden 
Handrücken,  an  beiden  Knie-  oder  Ellbogen-Gelenken.  Weiters 
in  dem  Umstände ,  dass  dieselben  bei  manchen  Processen  vor- 
wiegend die  Streckseiten,  in  anderen  regelmässig  die  Beuge- 
flächen der  Gelenke  und  Extremitäten,  oder  die  Umgebung  der 
Eingangsöfi'nungen  in  die  Körperhöhlen  mit  Vorliebe  occupiren. 


YertheiluDg  der  Efflorescenzen.  t)9 
Für  diese  Arten  von  Gesetzmässigkeit  fehlt  nns  vor  der  Hand 
iede  Handhabe  zur  Erklärung.  ^  -u 

^       Da^i-eo-en  geben  die  anatomischen  nnd  architektonischen 
V^vV^l+rSss^e  der  Haut  ziemliche  Erlänterimg  über  eine  Reihe 
^:^:^s^E^e^^  in  der  Yertheüung  nnd  Ai.breitnng 
"rEfflorescenzen.    Es  ist  zweifellos,  dass  diese  häufig  ganz 
1  Ir  in  ihrem  Auftreten  und  ihrer  Ausbreitung  der  Rich- 
:::^/r  Hartnerven  folgen.  Dies  ist  der  EaH  beim  Herpes 
Zoster  bei  manchen  Warzen-  und  Pigmentmälern  und  Erythe- 
men   A-  den  classischen  Arbeiten  von  Tükck,  welche  von 
WEBL  veröffentlicht  worden,  und  denjenigen  von  YoiaT,  kann 
In  über  Verlauf-  und  Verästlungsgebiete  der  Hautnerven  sich 
Tweit  genauer  unterrichten,  um  diese  Congruenz  zu  erkennen. 
ZI  hat  auch  ein  System  von  Linien  und  i;e,gelmaBsig  situir- 
ten  Wirbeln  auf  der  Haut  nachgewiesen,  welche  der  Anordnung 
der  Haartaschen  entsprechen.  Da  nun  selir  oft  und  bei  manchen 
Krankheiten,  z.  B.  bei  Liehen  scrophulosorum,  regelmassig  die 
^^:^nTwüore..e.zen  die  Eollikel  selber  betreffen,  so  ist  es 
hegi^ifiich,  dass  sie  alsdann  auch  in  der  Anordnung  d.  Confi- 
^Sation  der  Eollikel-Vertheilung  wiedergeben  und  m  Kreis 
Len  oder  regelmässigen  Gruppen  --f^f^'^'^^^^^^^^^^ 
oft  sieht  man  die  Efflorescenzen,  z.  B.  bei  Psoriasis,  Herpes 
t  n^rans  maculosus,  in  mehrfachen,  parallelen,   angen  Reihen 
ZeorLt,  welche  an  verschiedenen  Körperstellen  zwar_  ver- 
Xdene  ichtungen,  aber  an  entsprechenden  Körperregionen 
doch  wieder  stetig  in  derselben  Weise  sich  darsteUen. 
laufen  an  der  seitlichen  Thoraxgegend  paraUel  _  den  Rippen,  in 
der  Schultergegend,  am  Nacken,  in  concentrischen  Kreisen, 
welche  in  allen  EäUen  dieselben  Punkte  als  Centren  haben. 
Daneben  gibt  es  gewisse  Regionen,   die  wie  todte  Punkte 
zwischen  den  Wellenkreisen  liegen.    Ein  höchst  interessantes 
Bild,  auf  welches  Hebba  schon  frühe  aufmerksam  gemacht  hat. 

Diese  Verhältnisse  sind  in  verschiedenen  Momenten  be- 
gründet, zunächst  in  den  Spaltungsrichtungen  der  Lederhaut. 

Man  hat  längst  gefunden,  dass  die  Lederhaut  an  bestimm- 
ten Körperregionen  vorgezeiclinete  Spaltungsrichtungen  hat. 
Sticht  man  mittelst  einer  spulrunden  Schusterahle  m  die  Haut, 
bekommt  man  kein  rimdes  Loch,  sondern  eine  längliche  bpalte 
und  diese  hat  an  verschiedenen  Körperstellen  eine  verschiedene, 
aber  für  die  Oertlichkeit  constante  Richtung. 


rjQ  Vierte  Vorlesung. 

Langer  hat  diese  an  einer  grossen  Zahl  von  Leichen 
eriürt,  indem  er  an  denselben  mittelst  des  Pfriemens  die  Stich- 
spalten erzeugte  mii  durch  Zeiclmung  fixirte.  In  der  beige- 
gebenen Copie  der  verjüngten  LANCxEß^schen  Zeichnung  ^  sehen 
Sie,  wie  und  in  welchen  Richtungen  die  Stichspalten  sich  zu 
Linien  formiren  (Fig.  lo). 

Fig.  13. 


Die  Spaitrichtiingen  der  Haut,  nacli  Laug 


VertUeilung  der  Efttorescenzen.  '^i 

Die  SmltricMnng  gibt  aber  die  Hauptricl>timg  der  J?a«e- 
D  eser  folgen  aber  aiicl.  die  Hauptstämme  der  Nerven 
'■"?Blt  a  auelr  die  Follikel,  nnd  die  Hanptriehtag 

und  aurch  gewisse  Fixationspunlrte 

rder'Sf  lI  und  Faseien  gegeben,  andererseits  dnreU  die 
^.altKnn.riobtnng  des  gan.n  ^ns..n    n—  de. 

L  Gefässe  nnd  Nerven,  derart,  dass  sie  von  der  Wubekanle 
dl.e"  an  den  Thoraxseiten  parallel  den  Kippen,  an  den 
vl  te"wn  von  oben  nnd  anssen,  naeb  nnten  nnd  mnen  m 
SpSen  zkhen.  Die  Anordnnng  nnd  VertheUung  der  Efflor-es- 
cerzl  Lt  nnn  bald  durcb  das  eine,  bald  dnroh  das  andere  der 
«Znten  Momente  in  directer  Weise,  bald  dnrcb  die  Snniine  aller 
t  Zev  Art  Resiütirenden  vorbestiinmt.  0.  Smo.  bat  demonstnrt 
W  Te  Kchtinig  von  Gesehwiiren,  welebe  W™  arf  die^e 
Basis  ziirliokgembrt  bat,  sofort  sieb  ändert,  '^^  «^^^^^^^ 

oder  Ansscbneiden  die  Spannniigsrichtnng  der  Haut  antgehoben 

'^'^'AJle  Eigentbiimliebkeiten  in  dieser  Beziebnng  wden 
aUerdm-s  dui4  diese  Verbältnisse  nicht  autgeklärt  lob  glaube, 
"a  ürsäeblicbes  in  der  feineren 

vertbeilnng  liegt,  die  aber  noch  sebr  wenig  studirt  ist.  A  be  ten, 
wTe  toinngste  LAKGER's  über  die  feinere  Ge  assvertbei  ung 
Tden  lug'enHdem,  wurden  sielierlieb  bezUgUeh  der  Verbrei- 
tunr  der  Prooesse  in  der  Haut  Vieles  aufbellen. 

*  Auch  die  einzelne  Effloreseenz  sebeint  auf  ibrem  weiteren 
Wege  dnrcb  die  Spaltriolitungen  der  Haut  E"}'--^'- 2^^; 
Wenn  die  Effloreseenzen,  selbst  das  ta*'' 
peripher  sich  ausdehnen,  so  aequiriren  sie  die  J^^^^ 
gegend  allgemein  geltende  Richtung.  So  zeig  n  «»««»^^Jl«^^ 
und  die  Flecke  des  Herpes  tonsurans  an  den  Thoiaxseiten 
ovale  Formen  mit  zu  den  Rippen  paraUeler  Langsa  hse^ 
Doeb  schreiten  die  Effloreseenzen  in  ^r  -«  e«" 
Wicklung  auch  über  diese  Gesetze  hinaus.  /"J^f,! 
tretenden  Formen  werden  in  der  Symptomatik  .''»tbwe.id^g« 
^eise  zur  Orientirung  nnd  CharakteristA  J.'^.^. 
natus,  annularis,  wenn  eine  Effloreseenz  durch  peripbe  es  J!  oi 

schreiten  und  centrale  Involution  Kreisform  "-"«  f  ■ 
heisst  das  Auftreten  von  Effloreseenzen  in  zwei-  und  menr 


Viei-te  Vorlesxmg.  —  Vertheihmg  der  Efflorescenzen. 

fachen  concentrisclien  Kreisen  oder  solclien  mit  einer  im  Centrum 
stehenden  Primär-Efflorescenz.  Gryratus  heisst  die  Form  der 
gesclilängelten  Linien,  welche  entstehen,  wenn  mehrere  Efflo- 
rescenzkreise  im  Wachsthnm  aneinander  geratlien.  An  den 
Beriihriingsstellen  erlischt  alsbald  der  Process,  die  Rothe,  die 
Lifiltration  iind  es  bleiben  nur  die  peripheren  Bogen  übrig. 
Die  gleichen  Formen,  circinär,  Iris,  gyratus  etc.  entstehen 
dadurch,  dass  mehrere  Efflorescenzen  von  vornherein  eben  in 
der  dem  Namen  entsprechenden  Weise  sich  zu  einander  stellen. 

Man  bezeichnet  auch  gelegentlich  die  Ausbreitungsweise 
der  Efflorescenzen  und  damit  der  Hautkrankheit  „per  conti- 
nnum"  ,  wenn  dieselbe  stetig  von  einem  Ursprungspunkte  auf 
die  angrenzende  Haut  übergreift,  und  „per  contiguum",  wenn 
mit  ihr  in  Berührung  befindliche  andere  Hautstellen  in  gleicher 

Weise  erkranken. 

Eine  Menge  anderer  Charaktereigenschaften  oder  neben- 
sächlicher Merkmale  werden  noch  nach  Umständen  näher  be- 
zeichnet, wie  z.  B.  die  Form  mit  discoides,  scheibenförmig, 
scutiformis,  schildförmig,  figuratus,  circumscriptus,  marginatus, 
confluens,  diffusus  ;  die  Färbung  mit  variegatus ,  intertinctus  ; 
xuid  eine  grosse  Zahl  von  Eigenschaften,  begleitenden  Sympto- 
men und  Umständen,  welche  das  Alter  und  Geschlecht  der 
Kranken,  die  Intensität  der  Krankheit,  die  Jahreszeit,  geogra- 
phische und  geschichtliche  Daten  u.  s.  w.  betreffen ,  deren 
Bezeichnungen  im  speciellen  Falle   die  Charakteristik  mehr 
weniger  ergänzen  und  im  Allgemeinen  nicht  mehr  besagen 
wollen,   als  ihre   Etymologie  lehi^t,   wie   vernalis,  aestivus, 
antnmnalis,  hiemaHs,  septemtrionalis,  tropicus,  seniUs,  infantum, 
acutus,   chronicus,  febrüis,  apyreticus,  pruriginosus ,  agrius, 
mitis  etc.  etc. 


Fünfte  Yorlesung. 

.  ,     •      ,Hior,«thisehe  und  symptomatische  Dermatonosen. 

Allgemeine  Aetiologie. 

Als  drittes  Moment,  welches  den  patliologisclien  Processen 
der  Haut,  bei  all'  ilarer  wesentliclien  Uebexeinstnnmvmg  mit 
den  Krankheiten  anderer  Organe,  ein  eigenthümlxclies  Gepräge 
.ibt,  habe  ich  ibi^e  Ursachen  angegeben.  Diese  sind  zum  Tbeüe 
solche,  wie  sie  auch  den  Erkrankungen  anderer  Systeme  zu 
Grunde  liegen,  zum  grossen  Theile  jedoch  für  che  Hautkrank- 
heiten specifisch,  insoferne  manche  derselben  andere  Organe  als 
die  Haut  gar  nicht  zu  beeinflussen  vermögen.  Ueberdies  kommt 
den  lirsächlichen  Momenten  auch  noch  die  besondere  Bedeutung 
zn    dass  ihrer  specifischen  Art  häufig  ganz  specifische  Formen 
der  Hautkrankheiten   entsprechen,  während  wieder  manche 
andere  Krankheitsursachen  doch  auch  verschiedene  Art  von 
Erkrankung  zu  veranlassen  vermögen,  oder  endlich  dieselbe 
Form  von  Hautkrankheiten  durch  verschiedene  Ursachen  be- 
dingt sein  kann.  ,    .  , 
Die  Congruenz  zwischen  Krankheitsform  und  Ursache  ist 
also  keineswegs  aUgemein   durchgreifend.    Dieser  Umstand, 
sowie  der  zweite,  dass  für  viele  Hautkrankheiten  die  Ursachen 
überhaupt  nicht  bekannt  sind,  machen  es  auch  derzeit  unmög- 
lich, die  Dermatonosen   auf   Grundlage  ihrer   Ursachen  zu 

svstemisiren.  •^ 

Im  Allgemeinen  theilen  sich  die  Haxitkrankheiten  iliren 

Ursachen  nach  in  zwei  Kategorien: 

1.  Solche,  die  durch  eine  in  dem  Organismus  selbst,  seiner 
Blut-  und  Säfte-Beschaffenheit,   seiner  Gesammt-Constitution, 


r-^  Fünfte  Vorlesung. 


oder  in  der  Erkrankung  einzelner  Organe  und  Systeme  ge- 
legene Ursache,  oder  in  der  hereditären  Anlage  begründet 
sind  und  wesentliche  oder  gelegentliche  Symptome  dieser  Verhält- 
nisse darstellen  —  symptomatische  Hautkrankheiten. 

2.  Hautkrankheiten,  welche  durch  eine  auf  das  Haut- 
organ^direct  einwirkende  Schädlichkeit  hervorgerufen  worden 
gina  —  idiopathische  Dermatonosen. 

Man  hat  in  früherer  Zeit  so  ziemlich  -alle  Hautkrank- 
heiten als  symptomatische,  also  in  die  erstgenannte  Kategorie 
gehörig  aufgefasst ,  indem  man  annahm ,  dass  eine  allgemeine^, 
als  „psorische"  bezeichnete  Dyskrasie,  oder  eine  Art  „Schärfe" 
des" Blutes,  Acrimonia  sanguinis,  oder  „herpetische"  Blut- 
beschaffenheit in  dem  Individuum  vorhanden  sein  müsse,  wenn 
eine  Hautkrankheit  bei  demselben  entstehen  soll.  Selbst  wo 
nachweislich  ein  örtliches  Agens ,  wie  die  Krätzmilbe  bei  der 
Krätze,  oder  ein  Pilz,  wie  bei  Favus,  zugegen  war,  hat  bis 
vor  niciit  langer  Zeit  jene  Ansicht  sich  bei  manchen  Aerzten, 
von  Laien  nicht  zu  reden,  erhalten  können. 

Seit  zunächst  für  Krätze,  alsdann  für  eine  Reihe  anderer 
Hautkrankheiten  experimentell  und  Minisch  der  Beweis  ge- 
liefert worden,  dass  solche  Affectionen  rein  örtliche  und  wie 
z.  B.  Hebra  bezüglich  der  Krätze  und  des  Eczem  demonstru-t  hat, 
beliebig  an  jedem  Individuum  hervorbringbare  Krankheiten 
darstellen,  hat  die  psorische  Kraseiilehre  jeden  positiven  Halt 
verloren. 

AUein,  wie  gesagt,  Hebra  und  seine  Schule  anerkennen 
auch  eine  grosse  Zahl  von  allgemeinen  und  dyskrasischen  Zu- 
ständen und  Erkrankungen  innerer  Organe,  welche  direct  oder 
gelegentlich  zur  Entstehung  von  Hautkrankheiten  führen,  theüs 
solche,  welche  genau  gekannt  sind,  theüs  derartige,  die  vor 
der  Hand  noch  nicht  näher  definirt  werden  können. 

Zu  diesen  durch  allgemeine  Ursachen  veranlassten, 
also  symptomatischen  Krankheitsformen  gehören 
zunächst  die  durch  specifische  Contagien  hervorgerufenen  acuten 
Exantheme,  Blattern,  Masern  und  Scharlach ,  die  Zoonosen, 
Syphilis ,  Rotzkrankheit  und  Pyämie ,  bei  welchen  Processen 
neben  der  specifischen  Blutvergiftung  die  Hautki'ankheit  m 
Form  von  verschiedenen  Röthungen,  Knötchen,  Bläschen, 
Pusteln,  erysipelatösen  und  furunculösen  Entzündungen  als 
nothwendiges  oder  wesentliches  Krankheitssymptom  erscheint. 


Allgemeine  Aetiologie.  75 

Bei  anderen  Allgemeinerkrankungen  komnien  gelegentlich,  aher 
^e^^om^i.^^e  Hantaffectionen  vor,  bei  TypkuB 
a  s  Flecke,  Knötchen  und  Bläseken  (Hoseola,  Purpura  Müiana 
^ko  a  laB  DmTEL'scke  Typkus-Exantkem),  be.  Cholera  a  s 
Äa'nnd  Er^^thema,  Cholera-Exanthem),  ber  Uraan.e  als 

kx'nkhafteH^^  f^'^^ 
tCien  bei  Scrophulose ,  Tuberculose  als  Entzxmdung  und 
vSwärung,  bei  Lepra  als  Elecke ,  Knoten  Anasthes.e., 
Ve  .  chwärnnt-en.  Krebsdyskrasie,  Chlorose,  Anaxn.e,  Cholamxe, 
invohären  seS^er  eine  krankkafte  HautbesckafFenke.t ,  abnorn^e 
Färbung,  Jucken,  Neubildung,  oder  dispomren,  me  z.  B. 
Chlorose ,  zu  gewissen  Hautkrankkeiten.  _ 

Vo^  Affectionen  einzelner  Organe  erwähne  rck 
chronischen   Magen-   und   Darmkatarrh     Leber-   und  Mxlz- 
schweUuno-,   allerlei  Abnormitäten  und  functioneUe  Zustande, 
selbst  physiologische,  des  weiblichen  Genitalsyst.ms,  chronischen 
Morb  Brightii,  Albumimu-ie,  welche  die  Veranlassung  abgeben 
könaxen  fi5  Acne  rosacea,  Pruritus  cutaneus,  Ux^txcana  acuta 
et  chronica ,  Anomalien  der  Hautsecretion  und  Pigmentation, 
für  Pemphigus,  Impetigo  herpetiformis.    Herzfehler  veran- 
lassen  Cy^iose   und  Oedem   der   Haut;   Erkrankungen  der 
Nerven  innerhalb  ihres  peripheren  Antheiles,  Herpes  Zoster 
und  aUerlei  Entzündungsformen,  sowie  Ernäln-ungs-  und  Empfin- 
dungsstörungen;   Affectionen     des  Centralnerven- 
sy  Sterns,  namentlich  des   Eückenmarks ,   Zoster,  Pruritus 

cutaneus,  Pityriasis  rubra. 

Das  vasomotorische  Nervensystem  wird  veiant- 
wortlich  gemacht  für  eine  Reihe  von  Hauterkrankungen,  welche 
seit  EOLENBUBG  und  Landois  als  Angioneurosen  gerne  be- 
nannt werden,  wie  Urticaria,  Acne  rosacea   Zoster    Es  soU 
damit  nur  ausgedrückt  werden,  dass  diu'ch  eine  Alteration 
der  Gefässnerven,   welche  wir  seit  den  jüngsten  besonders 
Stkickee's  Nachweisen  als  Vasodilatatoren  und  Vasoconstric- 
toren  zum  Theile  kennen  gelernt  haben,  es  örtlich  zn  Erwei- 
terung oder  Verengerung  der  CapiUaren  und  feinsten  Gefesse 
der  Haut  und  damit  zu  Erscheinungen  der  örtlichen  Anämie 
oder  Hyperämie   und  Exsudation  kommt.    Eine  eigenthche 
Erklärung   der  Krankheitsformen  und  Vorgänge  gibt  diese 
Bezeichnung  nur  für  die  wenigsten  Fälle.    Für  die  meisten 
ist  sie  eine  blosse  Umschreibung  bekannter  Erscheinungen. 


rjQ  Fünfte  Vorlesung. 

Auch  die  Heredität  involvirt  eine  im  Organismus  ge- 
legene Ursaclie  für  Haiitkrankheiten,  entweder  in  directer  Weise, 
wie  bei  SypHlis,  oder  in  mehr  disponirender  Weise,  wie  bei 
Ichthyosis,  Psoriasis,  Eczem,  Polytrichie,  Alopecie,  Krebs, 
Naevus,  indem  die  Nachkommenschaft  mit  dem  ganzen  eigen- 
thümlichen  Habitus  im  Allgemeiiien  und  dem  besonderen  der 
Haarfarbe,  der  Hautbeschatfenheit  etc.  auch  die  Anlage  oder 
Disposition  für  manche  Hautkrankheiten  von  den  Eltern  über- 
kommt. 

Als  allgemeine  disponirende  Momente  für  Haut- 
erkrankungen müssen  auch  die  zum  Theile  äusseren  Verhält- 
nisse gerechnet  werden,  welche  durch  das  verschiedene  Alter, 
Geschlecht,  die  Wohnungs-,  Nahrungs-  und  Lebens-Verhältnisse, 
die  habituelle  Beschäftigung,  die  klimatischen  und  physikalisch- 
geographischen  Bedingungen  gegeben  sind.    So  kommen  im 
Säuglingsalter  und  in  den  ersten  Lebensjahren  häufiger  Eczem, 
Urticaria,  Seborrhoe  vor,  oder  beginnt  z.B.  die  Prurigo  stets  gegen 
Ende  des  ersten  Lebensjahres,  während  Psoriasis  im  kräftigen, 
mittleren  Lebensalter ,  dagegen  bei  Greisen  häufiger  Pruritus, 
Epitheliom,  Warzen  angetroffen  werden.  Lupus  erythematosus 
findet  sich  häufiger  bei  weiblichen  als  bei  männlichen  Lidi- 
viduen.    Bei  den  Kindern  der  ärmeren  und  schlecht  genähi-ten 
Classen  ist  Liehen  scrophulosorum  tmd  Prurigo  öfters  zu  finden, 
als  in  den  wohlsituirten  GeseUschaftsschichten.  Manche  Krank- 
heiten sind  in  gewissen  Land-  und  Erdstrichen  häufiger  als  in 
anderen,  z.  B.  Prurigo  bei  uns  häufiger  als  in  England,  hier 
Psoriasis  zahlreicher  vertreten  als  bei  uns;  ja  gewisse  Krank- 
heiten sind  nur  besonderen  Zonen  und  Ländergebieten  eigen, 
wie  Lepra  bestimmten  Districten  Norwegens,  den  mittellän- 
dischen Küstenländern  und   dem  ganzen  continentalen  und 
Inselgebiete  der  südlichen  Meere. 

Gewisse  NahrungsstotFe  bewirken  bei  einzelnen  oder 
vielen  Menschen  vom  Digestionstracte ,  oder  durch  Keizmig 
der  Geschmacksnerven  auf  reflectorische  Art  Hautkrankheiten. 
Urticaria  in  Folge  des  Genusses  von  Erdbeeren,  Austern, 
Hiunmern  u.  A.,  Erythem  nach  Genuss  von  Copaivabalsam, 
Acne  nach  Jod-  und  Brom-Medication  sind  bekannte  Vorkomin- 
nisse.  Nach  Chmin  ist  in  einzelnen  Fällen  das  Gleiche  beob- 
achtet worden. 

So  zahlreich  und  in  einem  gewissen  Sinne  zweifellos  nun 


Allgemeine  Aetiologie.  '^'^ 

aie  ano-efiihrten  allgemeinen  ,irsachUche,i  Momente  aueli  sind, 
,rweni.  vermögen  wir  doch  beziigUcli  der  mästen  den  d^ree  en 
Z„rn:e,ü>ang  .wischen  ünen  und  den  duret  s.e  bed,ngten 
Ha\itkrankheiteu  ZU  demonstriren.  i -u 

Unolei^  klarer  Hegen  in  dieser  Bezielinng  die  Verlxalt- 
nlssefüx°die  idiopatlüsclien  Hantkrankkeiten,  die- 
Z  Jn,  welche  durch  dir-ect  auf  die  Haut  emwkeude,  oder 
soc.rnanute  ä  u  s  s  e  r  e  S  c  h  ä  dli  chke  it en  hervorgerufen  werden. 
Brer  Naüu-  und  Einwh-kungsweise  entspricht  auch  sofort  d.e 

gesetzte  Veränderung  und  die  I^-^!  ■ -^  "^"r". 
scheinungen,  welche  aus  diesen  in  gesetzmassiger  Folge  hervor 

eehen  müssen.  ,  i      •    i  „ 

Ihi-er  Natur  nach  sind  diese  Schädlichkeiten  mechanische, 
dynamische  (calorische)  oder  chemische  ^^^d/)rga- 
nfsmen,  pflanzliche  oder  thierische ,  welche  direct  die  Haut 
iiifBstirGii 

Für-  die  Wirkung  der  ersten  der  drei  Kategorien_  von 
Krankheitserregern  der  Haut,  der  mechanischen,  bmigeii 
^  wohl  das  leichteste  Verständniss  mit.    Unter  aUen  Verhalt- 
xiissen  des  praktischen  imd  gewerblichen  Lebens  setzen  wir 
die  Haut  solchen  Schädlichkeiten  aus,  welche  die  Epidermis 
oder  die  Haut  bis  in  ihre  tiefsten  Schichten  auf  mechanische 
Weise  zerkratzen,  verletzen ,  Serum-  und  Blutaustritt,  Ent- 
zündung und  Verschwärung  veranlassen.    Häufiger  Druck  von 
Seite  der  oft  hantirten  Werkzeuge,  von  Bandagen  Lastgurten, 
der  Beschuhung,  bewirken  Verdickung  und  Verschwieliuig  der 
Oberhaut  und  organische  Veränderung  des  Coriums  und  de 
PapiUen;  Contusionen  haben  Zerreissung  von  Blutgefässen  und 
Bluterguss  unter  die  Oberhaut  oder  in  die  Cutis  zur  Folge.  Das 
Kratzen  mit  den  Fmgernägeln  aUein  ist  eine  häufige  Ursache 
für  Hautkrankheiten.    Wir  werden  diese  Art  der  Ki^ankheits- 
erregung  noch  näher  kennen  lernen. 

Uebermässig  hohe  Temperatur,  die  sengende  Sonne, 
wie  die  Ausstrahlung  des  Feuerherdes  und  Feuerflammen  be- 
wirken, sowie  zu  niedi-ige  Temperatui-seinflüsse  theils  yoriiber- 
gehende  Röthung  und  Hautabschülferung,  theils  intensive  Ent- 
zündung oder  Verkohlung.  ' 

Chemisch  schädlich  wirkende  Agentien  sind  alle  starkei  en 
Säuren,  Salz-,  Essig-,  Schwefel-  und  Salpetersäure,  Aetziaiige, 
«ine  Menge  Chemikalien  und  Farbstoflee,  wie  Anilinfarben,  sowie 


rülifte  Vorlesung. 

Pftanzen  und  rHanzensäfte ,  denen  ein  scliarfes  Princip  inne- 
wohnt ,  Mezerenm ,  Arnica ,  Semina  Sinapis ,  Brennnessel ,  die 
meisten  ätherischen  Oele,  wie  Oleiini  sinapis,  Ol.  Crotonis,  Tiglii 
XI.  V.  A.,  die  theils  zufällig  oder  absichtlich,  wie  in  Gi-ewerbs- 
übungen,  oder  gar  in  therapeutischer  Absicht,  in  der  soge- 
nannten und  ehemals  sehr  beliebten  Methodus  derivatoria,  mit 
der  Haut  in  Berührung  gebracht  werden.  Sie  zerstören  ent-  . 
weder  direct  die  Oberhaut,  oder  auch  die  tieferen  Gewebs- 
schichten,  oder  reizen  die  Haut  zur  Hyperämie  und  Entziindimg. 

Diese  Schädlichkeiten  sind  als  solche  um  so  höher  anzu- 
schlagen, als  sie  nicht  nur  die  Haut  direct  krank  machen, 
sondern  dieselbe  auch  bezüglich  ihrer  Widerstandskraft 
gegen  Schädlichkeiten  in  toto  schwächen,  derart,  dass  sie  nun 
Einwirkungen  als  Hautreize  verspürt,  die  ihr  früher  gar  nichts 
anziThaben  vermochten.    "Wenn  beispielsweise  Jemand  durch 
Application  von  einem  Arnica-Umschlag  auf  einen  verwundeten 
Finger  daselbst  ein  Eczem  hervorruft ,  so  wird  nun  die  Haut 
des  Gesichtes  schon  durch  einen  geringen  Hitzegrad  des  Feuer- 
herdes, oder  die  Haut  des   Nackens  durch  einen  anliegenden 
gestärkten  Kragen  eczematös  erkranken,  während  sie  früher 
das  ßeiben  des  letzteren ,  die  Hitze  des  Feuerherdes  ganz  gut 
ertragen  hat.  Selbst  der  aUgemeine  Nerveneinfluss  wird  durch 
eine  solche  örtliche  Schädlichkeit  wachgerufen.    Wenn  in  der 
Schamgegend  durch  Quecksilbersalbe,  die  gegen  Morpiones  ein- 
gerieben worden,  Eczem  entsteht,  so  wird  durch  die  örtliche 
Erregung  auf  neuro-reflectorischem  Wege    das  Papillargefäss- 
system  im  Bereiche  der  Ohrmuscheln  und  des  Gesichtes  derart 
gereizt,  dass  er  hyperämisch  wird  und  exsiidirt,  dass  hier 
Eczem  entsteht,  lange  bevor  das  Eczem  der  Regio  pubica 
irgendwie  diese  Gegend  überschritten  hat. 

Diese  Verhältnisse  sind  \iel  zu  wenig  allgemein  gekannt, 
weil  sonst  die  Aerzte  nicht  so  leichthin  mit  der  Anwendung 
der  Hautreize  wären.  Es  wird  sich  noch  Gelegenheit  bieten, 
darüber  Weiteres  zu  sagen. 

Dabei  verhalten  sich  viele  der  genannten  Sehädlichkeiten 
noch  als  relative,  indem  sie  ein  Hautorgan  früher  oder  inten- 
siver, ein  anderes  später  oder  gar  nicht  krank  machen,  mi 
Allgemeinen  um  so  rascher  und  intensiver,  je  mehr  die  Haut 
bereits  früher  gereizt  worden,  oder  von  einer  Krankheit  be- 
haftet ist,  die  sodann  als  Reiz  wirkt. 


Klinischer  Begriff  der  Hautkranklieit.  71) 

Selbst  das  cliemiscli  indifferente  Wasser  ruft  bei 
••1  -o-pv  \nnlication  desselben  in  Form  von  Waschungen, 

t"'"^^!!^!^,  Umschlägen  Hautkrankheiten  hervor. 
^:^^SZ^on  der  Epidermis,  Erythem,  Eczem, 

'^""tdererseits  ist  der  Mangel  an  Reinlichkeit  und  Haut- 
nfleo-e  die  Ursache  für  manche  andere  Hautkrankheiten,  die  m 
\nSiufung  und  Zersetzung  von  Epidermis  und  Hautsecreten 
nnd  der  irritirenden  AVirkuug  der  letzteren  au  die  Haut, 
durch  Ausdelinnng  der  Fettdrüsen  u.  A  sich  kundgeben 

Dass  pflanzliche  und  thierische  Organismen 
als  Ursachen  von  Hautkrankheiten  sich  geltend  machen,  ist, 
wie  der  geschichtliche  Ueberblick  gelehrt,  erst  seit  wenigen 
Decemden%ekannt.    Sie  leben  und  vegetiren  theils  in  de.^ 
Haut    speciell  der  Epidermis  -  wahre  Parasiten  mid  Epi- 
Siyten  -  theils  mir  gelegentlich  auf  derselben  -  Epizoen.  Die- 
selLn  bewirken  örtlich  Auflockerung  der  Epidermis  Hyperamie 
und  Exsudation  in  Folge  der  mechanischen  und  chemischen 
Reizung,  oder  Verletzung  der  Papillen,  Blutaustritt  und  com- 
plicirte  Entzündung  wie  manche  Epizoeen;   endlich  als  irri- 
tii-ende  Potenzen  auch  auf  reflectorischem  Wege  manche  andere 
Krankheitserscheinungen,  wie  Jucken  und  Eczem. 

Wir  haben  bis  nun  in  einer  allgemeinen  Ueberschau  das 
anatomische  und  physiologische  Substrat  der  Hautkrankheiten 
kennen  gelernt;  mit  dem  Hinweise  auf  die  allgemeine  Patho- 
logie und  pathologische  Histologie  auch  die  Veränderungen  ^- 
gedeutet,  welche   die  Gewebs-  und  Organelemente,  sowie^e 
lunctionen  der  Haut  in  der  Erkrankung  erleiden  können  ^ich 
mit  den  Symptomen  der  in  der  Haut  möglichen  ort  ichen  Ver 
rnderungenid  dem  Schema  ihrer  regelmässigen  Verlauf sweisen 
rnsvertLt  gemacht;  endlich  auch  die  Ursachen  im  Allgemeinen 
aufgeführt,  welche  die  letzteren  zu  veranlassen  veinnogen. 

Alleii;  zu  emer  vollständigen  allgemeinen  Vorstellung  von 
einer  Hautkrankheit  im  klinischen  Sinne  sind  wir 
:;;\ll'  dem  noch  nicht  gelangt.    Und  doch  ^ 
der  eigentliche  Gegenstand  unseres  hier  vorgesetzten  Studiums. 

In'  die  oben  angeführten  Merkmale  zusanunen  geben 
.ämlich  noch  immer  nicht  den  vollen  Begriff  von  c^Bm^— 
Wesen  und  Bilde  einer  Hautkrankheit.    Es  gehört  vielmelu 


Fünfte  Vorlesung. 

noch  dazu  der  Charakter  einer  besonderen  Verlaufsweise, 
d.  i.  einer  eigenen  Art  der  Entstehung,  Entwicklung,  Dauer, 
Verbreitung ,  örtlichen  und  aUgemeinen  Wirkung,  sogenannten 
Folgen.    Diese  Umstände  alle  zusammen,  vereint  mit  den  oben 
genannten,  der  Ursache  und  der  örtlichen  Gewebs-  oder  Eunctions- 
störung,  geben  erst  einen,  als  besonderes  Krankheitsbild  zu- 
sammenzufassenden Symptomencomplex  im  kimischen  Sinne, Be- 
griff und  Bild  einer  Hautkrankheit  —  einer  Dermatonose. 
Lassen  Sie  mich  dies  durch  ein  kui-zes  Beispiel  erläutern.  Auf 
der  Streckseite  des  Unterschenkels  findet  sich  bei  zwei  Kindern 
eine  Eruption  von  rothen,  juckenden,  also  zerkratzten,  mit 
Börkchen  bedeckten  Knötchen  auf    einer   gleichmässig  ver- 
dickten, etwas  ödematösen  und  dunkel  pigmentii'ten  Haut.  Die 
örtliche  Veränderung  ist  bei  beiden  Kmdern  ganz  und  gar  die- 
selbe, nicht  aber  die  Hautkrankheit  im  klinischen  Sinne.  Diese 
mag  sein  bei  dem  einen  Kinde  Prurigo,  ein  sehr  hartnäckiges 
und  schwer,  oder  gar  nicht  heilbares  Uebel,  bei  dem  anderen 
eine  chronische ,  sehr  sicher  heilbare  Krankheit ,   ein  Eczem. 
Jeder  von  Ihnen  kennt  die   Urticaria- Quaddel.    Sie  sehen 
mehrere  Individuen  mit  dieser  Eruptionsform  behaftet.  Bei 
AUen  die  gleichen  Efflorescenzen,  aUe  diese  bedeuten  anatomisch 
dieselbe  Veränderung,  sie  verlaufen  auch  örtHch  bei  AUen  auf 
die  gleiche  Weise.    Doch  die  klinische  Bedeutung  der  Derma- 
tonose mag  bei  AUen  verschieden  sein.  Bei  dem  Einen  ist  die 
Krankheit  acute  Urticaria  in  Eolge  des  Genusses  von  Erd- 
beeren und  wird  in  wenigen  Tagen  verschwinden;  beim  Zweiten, 
einem  Kinde,  ist  sie  die  Einleitung  zu  einem  lebenslang  dauernden 
Uebel,   der  Prurigo;  beim  Dritten  ein  Theüsymptom  emes 
lebensgefährUchen  Processes,  des  Pemphigus  pruriginosus ;  beim 
Vierten  durch  örtUche  Reizung  von  Wanzen  entstanden;  bei 
einer  Frau  die  Reflexerscheinung  einer  Lageveränderung  des 

Uterus  u.  s.  f. 

Der  Unterschied  Uegt  in  dem  Gesammtcomplex  von  Er- 
scheinungen, unter  denen  die  des  besonderen  Verlaufes 
das  Entscheidende  sind. 

Sie  werden  die  Bedeutmig  des  Gesagten  in  dem  Masse 
besser  erfassen,  je  mehr  Sie  in  der  specieUen  Pathologie  vor- 
schreiten, namentUch  aber  Gelegenheit  haben  werden,  bei  ver- 
schiedenen Kranken  äluiliclie  Krankheitsformen  klinisch  ganz 
ditferent  zu  deuten,  d.  i.  zu  diagnosticiren  und  darnach 


Allgemeine  Diagnostik.  81 
auch  bezüglich  der  Prognose  n.d  Therapie  entsprechend 

t::^SS^ndch  nW^äss  dahin,  üher  diese  Mzteren 
drei  Sie  noch  einige  allge.neine,  das  1-^t-che  StucW 
llLsliche  A^Kleninngen  zugehen.  Zv^achst  nher  Diagnostik 
der  Hautkrankheiten  im  AUgememen. 

Diagnostik. 

Ich  habe  zmn  Belege  des  eben  Gesagten  Ihnen  eine  Eeihe 
von  Kranken  vorgeführt.  Den  praktischen  Zweck  unseres  Bei- 
:L^e::is  berüLichtigend,  habe  ich  auch  ^^^J^^^^^t:, 
einzelnen  EäUe  bezeichnet  und  Entsprechendes  zur  Behandlung 
aleorLt.  Ich  bin  damit  zugleich  Ihren,  berechtigten  Wunsche 
^'  ..gekommen,  dass  Sie  endlich  nach  Yernehmung  so  vxeler 
lu  und  einleitender  Worte  in  die  specielle  Materie  der  Derma- 
tologie eingeführt  werden  imd  Bxnen  Gelegenhext  werde  die 
eiiztbien  Krankheitsformen  am  lebenden  Objecte  zu  studiren, 
sowie  deren  Behandlung  zu  verfolgen. 

^ein  die  gesehenen  Krankheitsformen  machen  auf  S  e 
zunächst  eiaien  unbefriedigenden  Eindruck,  namentlich  angesichts 
r  Raschheit  und  Präcision,  mit  welcher  der  geübte  Lehrer 
die  einzelnen  Eälle  als  Eczem,  Psoriasis,  Pemphigus^  Lupij^  n.  s^w 
bezeichnet.    Dem  angehenden  Arzte  ,  wie  dem  Praktiker dei 
„ten  Male  solchen  Krankheitsbildern  sich  gegeinibersieht 
geht  es  jedesmal  so.    Bim  scheint  AUes  zwar  sehr  bunt  und 
fonderbar,   kaleidoskopartig,  im  Ganzen   aber   doch  m  der 
Man^gfal  igkeit  einerlei  und  vor  Allem  fremdartig  zu  sein, 
uncnfscheSit,  als  soUte  er  unmöglich  dahin  gelangen  können, 
r  dem  Gewirre  von  dem  Auge  sich  darbietenden  Erscheniungen 
sieh  jemals  zurecht  zu  finden. 

Dieser  Zustand  der  Beunruhigung,  der  zugleich  etwas 
Entmuthigendes  für  den  Anfänger  hat,  Avird  sicherlach  biimen 
Kurzem  verschwinden,  wenn  Sie  durch  Uebung  zu  sehen  jd 
zu  unterscheiden  erlernt  haben  werden.  Sie  werden  ab  r  auch 
sofort  von  demselben  erlöst  werden,  wenn  Sie  erfahren  da 
die  Aufgabe  der  Diagnose  ganz  anders  geartet  ist  als 
Zn  gewöhnlich  annimmt,  und  dass  es  mittelst  einer  riclrü^e^i 
Methode  auch  in  der  Regel  gelingt,  diese  ^nfg^^/!  ^^^^^^ 
Viele  stellen  sich  nämlich  vor,  dass  sie  beim  Anblick 

6 

Kaposi,  Hantkrankheiten. 


g2  Fünfte  Vorlesung. 

eines  dermatologisclien  Kranklieitsfalles  vor  Allem  und  nichts 
Anderes  zu  ihxm  hätten,  als  denselben  sofort  als  Eczem,  Pso- 
riasis ,  Herpes  u.  s.  w.  zu  diagnosticiren.  Das  ist  ein  Irrtlium. 
Das  gelingt  nicht  einmal  dem  geübtesten  und  reiclierfahrensten 
Praktiker  jedesmal  und  sofort.    Denken  Sie,  dass  auch  einem 
solchen  alljährlich  ein  und  mehrere  Kjrankheitsformen  vor's  Auge 
kommen,  derengleiclien  weder  er  selber  je  gesehen,  noch  die 
Literatur  verzeichnet  hat,  die  demnach  wirkliche,  oder  relative 
Unica  sind.    Und  dennoch  können  auch  solche  Fälle  richtig 
diagnosticirt  werden ,  insoferne  damit  gesagt  werden  soll,  dass 
■es  gelingen  kann,  die  Bedeutung,  das  "Wesen  der  einzelnen 
Symptome  richtig  zu  würdigen.  Die  Einreihung  in  das  System 
ergibt  sich  sodann  von  selber  als  das  Resultat  der  ganzen 
Simime  von  diagnosticirten  Erscheinungen,  der  pathologischen 
Veränderungen,  ihres  Sitzes,  ihrer  Verlaufsweise  u.  s.  f. 

Dies  erreicht  der  geschulte  Diagnostiker  dadurch,  dass 
er  bei  der  Diagnose  eine  gewisse  Methode  verfolgt  und 
schrittweise  zurücklegt.  Er  thut  dies  auch  den  gewöhnlicheren 
Eällen  gegenüber,  nur  gestattet  ihm  die  TJebuug  dies  hier 
rasch,  gewissermassen  sprungweise  zu  thun.  Der  minder  Er- 
fahrene muss  eben  diesen  Weg  langsam  zurücklegen  und  es  ist 
daher  für  ihn  zu  wissen  nothwendig,  nach  welcher  Methode 
und  Sichtung  er  zum  Zwecke  der  Diagnose  vorzugehen  hat. 

Zunächst  sehen  Sie  von  Allem  ab,  was  die  sogenannte 
Anamnese  ergeben  mag.  In  der  Privatpraxis,  wo  auf  die  per- 
.sönlichen  "Wünsche  der  Kranken  gewisse  Rücksicht  genommen 
werden  muss,  wird  es  nicht  angehen,  die  Erzähliuigen  und 
Klagen,  welche  der  Patient  vorbringt,  kurz  abzuschneiden. 
Allein  man  halte  sich  an  dieselben  zunächst  niu-,  so  weit  sie 
rein  sachlich  sind,  z.  B.  über  die  Oertlichkeit  des  vorgebrachten 
Uebels  Auskunft  geben.  Selbst  da  werden  Sie  finden,  wie  oft 
das  Mitgetheilte  nicht  mit  den  Thatsachen  übereinstimmt,  wie 
oft  z.  B.  wegen  eines  Uebels  im  Gesichte  Klage  geführt  und 
Rath  erbeten  wird,  die  vorwiegende  oder  eigentliche  Erki-ankung 
aber  verschwiegen  wird,  weü  dieselbe  an  einer  ganz  anderen 
Körperstelle  sich  befindet,  wo  sie  dem  subjectiven  Ermessen 
des  Kranken  gemäss   ihn  nicht  belästigt  oder  unwichtig  er- 
scheint.   Um  so  grösser  faUen  die  Irrthümer  oder  Unrichtig- 
keiten der  Anamnese    aus   rücksichtlich    der  anderweitigen 
wichtigen  Ki'ankheitsmomente ,  der  Dauer,  Entstehimgs-  und 


Allgemeine  Diagnostik.  Ö.i 

Verlaufsweise,  Ursaclxe  u.  s.  f.,  so  dass  wir  es  uns  zur  allge- 
Teinen  Regel  zu  machen  haben,  der  Anamnese  ganz  zu  ut- 

aXn  haben  dieselbe  ruhig  und  theilnahmsvoU,  aber  ohne 
sttuck  iber  uns  ergehen  zu  lassen ,  _  niemals  aber  s.e  vor 

dem  Krankhßitsexamen  zu  provociren 

Dieses  selbst  hat  mit  der  Prüfung  der  objectxv  an 

der  Halt  wahrnehmbaren  Erscheinungen  al  exn 

'rbegnneZundausdemobjectivenBefundeallexn 

hat  dfe  Diagnose  erschlossen  zu  werden.  Wrr  smd 
in  dieser  Beziehung  den  Hautkrankheiten  gegenüber  nahezu  in 
ders  ben  glücklichen  Lage,  wie  beim  Studxum  der  exacten 
Nlturwiss^xschaften  gegenüber  den  Jf.^ 
und  MineraHen,  deren  Natur  wir  einzig  und  allem  aus  deren 
objectiven,  physikalischen  und  chemischen  Eigenschaften  diagno- 
liren.  Die' Diagnose  der  Hautkrankheiten  ^^  ^^t^ 
eine  möglichst  objective  sein  und  an  xhr  wxrd  erst  dxe  ßx  htxg- 
keit  der  anamnestischen  Angaben  gemessen,  xxxcht  umgekehrt 
Um  ein  so  befriedigendes  Resultat  zu  erlaxxgen  muss  die 
Untersuchung  des  Kranken  nach  Methode  und  Ziel  eine 

zweckmässige  sein.  ^  ^      .  i 

Eücksichtlich  der  ersteren  sei  Folgendes  bemerkt. 
Man  untersuche  die  allgemeine  Decke  bex  g^^tem  Tages- 
lichte und  massiger  Zimmertemperatxir.  Ein  grosser  Theil  der 
dermatopathischen  Symptome  wird  durch  Eärbungs-Dxfferenzen 
ausgedruckt:  Röthung  in  aUen  möglichen  Nuancen  ^^S-^- 
tation.  Künstliche  Beleuchtung,  sowie  dxrectes  Sonneiilxcht  sind 
der  Wahrnehmung  solcher  Erscheinungen  abträglich.  Das 
Gleiche  gilt  für  hohe  und  zu  niedrige  Temperatur,  in  welcher 
auch  normale  HautsteUen  abnorm  roth,  blauroth  oder  blass, 
marmorirt  erscheinen  können.  p  t  xr  + 

Weiters  soll  die  Untersuchung  in  der  Eegel  axxf  die  Haut 
in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  sich  erstrecken  und  nicht  aut  jenen 
Körpertheil  allein,  der  als  krank  angegeben ,  oder  zur  Be- 
sichtigung dargeboten  wird. 

Man  geht  hiebei  rücksichtsvoH  vor,  namentlich  dem  weib- 
lichen Geschlechte  gegenüber,  indem  man  schon  besehexie  Körper^ 
theile  wieder  bedeckt  und  die  Genitalien  nur  m  Bothwendigen 
Ealle  besichtigt.    Bei  Männern  fällt  diese  Rücksicht  eher  ort. 

Eine  aUseitige  Prüfung  belehrt  nicht  nur  über  die  allge- 
meine Beschaffenheit  der  Haut  und  den  Gesammthabxtus  des 


Fünfte  Vorlesung. 

Kranken,  seinen  Ernährungszustand  und  "besondere  Verhält- 
nisse, sondern  ist  auch  zur  Aufhellung  der  Demiatonose  er- 
spriesslich  oder  gar  nothwendig,  indem  wichtige,  das  G-esammt- 
bild  ergänzende  oder  wesentlich  char akter isir ende  Symptome 
derart  aufgefunden  und  in  der  Anschauung  zii  einem  einheit- 
lichen Granzen  zusammengefasst  werden  können. 

Mit  dem  Gi-esichts sinne  soll  zuerst  alles  ihm  Zugäng- 
liche an  Erscheinungen  erfasst  werden.  Es  ist  ungeschickt, 
gleich  mit  dem  Finger  nach  den  kranken  Stellen  zu  tasten. 
Man  verdrängt  derart  die  Injectionsrothe ,  also  Färbung  und 
Gestalt  mancher  Efflorescenzen ,  verdeckt  einen  Theü  des 
Erkrankungsterrains,  zerstückelt  es  in  viele  kleine  Felder  und 
stört  den  Ueberblick. 

Der  Tastsinn  komme  erst  als  zweiter  zur  Hilfe,  zur 
Bemessung  der  Temperatur,  der  Consistenz  und  Flächen- 
beschaffenheit der  Hallt  und  einzelner  kranken  Partien,  der 
Unterscheidung  von  hyperämischen  Flecken  gegenüber  von  hämor- 
rhagischen und  Pigmentflecken. 

Mittelst  des  Greruches  haben  einzelne  Aerzte  gewisse  Krank- 
heitsformen, Masern,  Scharlach,  Blattern  u.  a.  unterscheiden 
wollen.  Wir  trauen  diesem  Sinne  nicht  \'iel  zu  bei  der  Diagnose 
der  Hautkrankheiten. 

Als  wichtige  und  bisweilen  entscheidende  wissenschaft- 
liche Behelfe  zur  Diagnose  nehmen  wir  die  Mikroskopik 
lind  Chemie  zur  HiKe.  Letztere,  leider  noch  in  zu  geringem 
Masse  ,  zur  Aufklärung  über  die  chemische  Zusammensetzung 
von  pathologischen  Bildungen  und  Ausscheidungen,  erstere  zum 
Nachweise  von  parasitären  Organismen  und  um  Einblick  m  die 
histologischen  Verhältnisse  der  Krankheitsprocesse  zu  gewinnen. 

Das  nächste  Ziel  der  Untersuchung  sei  noch  nicht  die 
systematische  Diagnose  der  Hautkrankheit,  sondern  vorerst 
ein  Urtheil  über  die  aUgemeine  Beschaffenheit  der  Haut  und 
inwieferne  dieselbe  in  Bezug  auf  Färbung,  Injection  und  Pig- 
raentirung,  die  bekannten  Poren ,  Linien  und  Furchen,  ihre 
Spannung,  Glätte  und  G-esclimeidigkeit ,  ihre  Behaarung,  Be- 
Ölung, Dicke,  Fettpolster  etc.  grösstentheüs  normal  ist,  oder 
von  der  Norm  abweicht.  Man  achte,  ob  diese  Erscheinungen, 
die  auch  innerhalb  der  Norm  zwischen  weiten  Grenzen  des  Mehr 
oder  Weniger  sich  bewegen  können,  dem  Individuum  und  seinen 
•Verhältnissen ,  seiner  Race,  seinem  Alter,  Geschlecht,  Gewerbe, 


Allgemeine  Diagnostik. 

Berufe  seiner  Lebensweise  entsprechend  oder  fremd  sind.  l)ie 
^^Z^.  sowie  die  vorangescHckten  Andentnngen  nber  <^e 
Ees^.Ue^heit  der  normalen  Haut  müssen  das  Urthed  .n  d.esen 

Bezieliuno-en  regieren.  i    •  i 

Hat  man  bei  dieser  aUgemeinen  Prüfung  amob  irgend 
einer  Richtung  eine  Abnormität  der  Hautbeschatfenbert  ent- 
1  kt  ist  vor  Allem  zu  entscheiden,  in  welcher  Morphe  sie 
— ,  ob  atypisch,  als  dif^se^  -^ftll^ 
dickung,  ßöthung,  Figmentation  etc.,  oder  ob  typxsch,  in  Form 
der  soo-enannten  Primär-Efdorescenzen.  -,       a  . 

Die  genaue  Besichtigung  und  klare  Auffassung  dem  Auge 
aufftXer  Efflorescenzen,  als  Flecke,  iKnötchen,  Quaddehr  etc. 

vol  secundären  Krankheitserscheiiurngen  als  Scluxppe^ 
rlten  Narben  u.  s.  w.,  ist  von  grösstem  Belange  für  dxe 
Di  tose.  AUeinman  glaube  ja  iricht,  dass  in  diesen  morphologi- 
schen Eigenschaften  die  Bedingungen  für  die  Diagnose  des  Krank- 
Stspro^esses  erschöpft  sind,  oder  dass  es  dazu  ^f^^ 

Effiorescenzen  nach  dieser  Richtung  -J-^  ..  ^^^^^^  ^^^^ 
Es  ist  vielmelu'  nothwendig,  aufzuklaren,  ob  d  e  Efflo- 
rescenz,  resp.  die  pathologische  Yeränderung  wesenthch  xn  der 
Epidermis  oder  im  Corium  und  UnterhautzeUgewebe  sitzt  ob 
xBit  den  Erscheinungen   der  Entzündung,   der  acuten  odei 
XoiLhen  vergesellfchaftet,  ob  ^^.^^'^ 
Neubildung  zukommt,  welchen  Verlauf  dieselbe  niinmt,  ob  sie 
:nit  oder  ohne  bleibende  Veränderung  der  Haut,  ob  mit  oder 
ohne  Abschiüferung,  mit  geschwüriger  oder  narbiger  Destruction 
der  Haut  verläuft;  welcher  Art  dieselbe  sich  ausbreitet,  ob  m 
typischer  Weise,  von  Centraipunkten  aus  peripher  oder  atypisch ; 
wiB  die  Anordmuig  und  Ausbreitung  der  Effiorescenzen  zu  einander 
oder  zu  gewissen  Hautregionen,  Nerven-  und  Gefassverlauf 
sich  verhält  und  so  fort  vom  Emzelnen  zum  Allgemeinen  nach 
der  synthetischen  Methode.  _ 

Ich  will  hier  nicht  erst  aus  der  allgemeinen  Symptoma- 
tologie die  Merkmale  der  einzelnen  Efflorescenzformen  ihres 
Sitzes  ihrer  Verlaufsweise  und  der  Mannigfaltigkeit  ihi-er 
anatomischen  Bedeutung  wiederholen.  Ich  muss  auf  das  damals 

Gesagte  verweisen.  .  , 

Hier,  bei  der  Diagnose,  ist  es  eben  nothwendig ,  sich 
über  die  dort  aUgemein  angegebenen  Verhältnisse  im  SpecieUen 
zu  Orientiren. 


gg  rünfte  Vorlesung. 

Den  Einblick  in  diese  wesentliclien  Verhältnisse  erschweren 
sehr  oft  auf  der  kranken  Hautstelle  auflagernde  Krusten,  als 
Producte  von  eingetrocknetem  Serum  und  Blut,  oder  auf- 
lagernde Fett-  oder  Epidermisschuppen.  Zu  einer  correcten 
Diagnose  ist  vorherige  Entfernung  derselben  nothwendig.  Da 
es  jedoch  nicht  immer  angeht,  solche  abzuheben,  weil  dies 
mit  Schmerzen  für  den  Kranken  verbunden  sein  kann,  so  ver- 
schiebe man  lieber  die  Diagnose,  bis  durch  zweckmässige  Mittel 
(erweichende  Eette,  Pflaster,  Wasser)  ihre  Beseitigung  gelungen 
und  der  freie  Einblick  in  die  wesentlichen  primären  Krankheits- 
erscheinungen gestattet  ist. 

Man  gelangt  auf  diesem  Wege  schrittweise,  aber  sicher, 
ziir  Anschauung  über  den  ganzen  Krankheitsv  erlauf  und 
damit  erst  zur  systematischen  Diagnose.    Indem  ich  aUe  Er- 
scheimingen  zusammenfasse,  construirt  sich  ein  Bild,  nicht 
von  einer  oder  einzelnen  Efflorescenzen ,  sondern  ein  kHnisches 
Ganzes.    Erscheinungen  der   Gestalt,   der  Anordmmg,  Ver- 
theilung,   der  anatomischen  Veränderung  und,  was  ich  nicht 
genug  betonen  kann,  der  Verlaufsweise,  all'  das  zusammen 
gibt  erst  das  Bild  der  Krankheit  und  den  Gegenstand  der 
Diagnose,  insoferne  wir  eine  gewisse  Summe  solcher  nach  der 
Erfahrung  in  typischem  Zusammenhange  auftretender  Erschei- 
nungen mit  einem  speciellen  Krankheitsnamen  belegen,  und  all' 
die  Momente  desselben   sind   objective,   ganz  ohne 
Zuthun  des  Kranken  zu  eruiren. 

Selbst  das  objective  Symptom  des  Juckens  ist  objectiv 
zu  erkennen.  „Wen's  juckt,  der  kratzt  sich«,  das  ist  nicht  nur 
ein  Sprichwort,  sondern  eine  naturgeschichtliche  Wahrheit.  Der 
kratzende  Finger  zeichnet  aber  Linien  auf  die  Haut.  Diese 
sind  anfangs  rothe  Striche  mit  geringer  Schiüferung,  bei  in- 
tensivem Kratzen  blutende,  oder  mit  Borken  bedeckte  Excoria- 
tionen,  nach  ihrem  Verheilen  pigmentirte  Streifen.    Je  langer 
nun  das  Individuum  kratzt,  desto  mehr  ältere  Ki-atzspuren 
finden  sich  neben  neuen,  tind  je  intensiver  das  Jucken,  desto 
tiefer  die  Excoriationen  und  desto  mehr  mit  Entziindungs- 
erscheinungen  complicirt.    Man  kann  also  aus  der  blossen  Be- 
sichtigung der  Haut  diagnosticiren,  ob  und  ob  kurze  oder  lange 
Zeit,  massig  oder  intensiv  Jucken   vorhanden  ist,   ob  eine 
anderweitig  sichtbare  Hautkrankheit,  eine  juckende,  wie  Eczem, 
Scabies,   oder  nicht  juckende  zugegen  ist,  wie  SypliiHs.  Es 


AUgemeine  Diagnostik.  87 


ergeben  sich  sogar  noch  weitere  diagnosüscKe  Anhaltspunkte 
lufcler  Oertlichheit  der  Krätzerscheinnngen,  xndem  unter  be- 
;  nmten  Krankheitsbedingungen  wieder  nur  bestnnm  e  Haut- 
"n,  oder  ein  andern^al  die  Haut  aUenthalben  xn  atypscher 
Weise  iuckt  und  zerkratzt  wird.  _ 

Anführxmgen  dürften  als  Anhaltspunkte  lur  das 
alVenieine  Vorgehen  bei  der  Diagnose  genügen  Die  besonderen 
MoSe  derselben  gehören  der  specieUen  Pathologie  an. 

Tch  brauche  kaSm  erst  noch  darauf  aufmerksam  zu  machen, 
dass  ein  seinen  Beruf  erfassender  Arzt  auch  da,  wo_  es  sich 
'r  dr  Diagnose  eines  Hautleidens  handelt,   sich  gleichzeitig 
Ter  den  Zustand  und  die  Functionen  der  übrigen  Ivorperorgane 
W  Systeme    namentlich  bei  weiblichen   Hautkranken  u^.er 
Zdes  t- 1  Genital-Systems,  Aufklärung  verschaffen  wird 
s  1  mit  Rücksicht  auf  den  in  der  allgemeinen  Aetiolog^ 
hervorgehobenen  Umstand,  dass  viele  Hautkrankheiten  ini  Ei- 
kralkungen  und  Zuständen  innerer  Organe  ursächlich  oder  ge- 
Wentlich  zusammenhängen;  abgesehen  von  der  unter  aUen 
Ständen  möglichen  Complication  von  Hautkrank^^^^^^ 
jedem  beliebigen  anderweitigen  pathologischen  Zustande  des 
Gesammtorganismns  oder  einzelner  Organe. 


Sechste  Vorlesung. 


Verlauf,  Bedeutung  und   Folgen,  Prognose  der  Hautkrankheiten.  All- 
gemeine Therapie.  -  Systematik  der  Dermatonosen. 

An  die  Diagnose  der  Hautkranklieiten  knüpft  sicli  luimittel- 
Taar  das  wissenscliaftliclie  Interesse  für  deren  Verlaufsweise, 
Bedentnng  und  Folgen  für  das  betroffene  Haut- 
organ und  den  Gesammtorganismus,  sowie  fürihi-e  Heil- 
barkeit, Momente,  welche  in  ihrer  Summe  auch  Gegenstand 
der  für  die  Praxis  gewünschten  Prognose  sind. 

Es  herrschen  in  aU'  diesen  Beziehungen  sehi'  grosse  Ver- 
schiedenheiten und  Mannigfaltigkeiten. 

Manche  Hautkrankheiten  verlaufen  stets  acut,  darunter 
welche  typisch;  andere  wieder  stets  chronisch,  oder  währen 
auch  durch  das  ganze  Leben ;  manche  können  nach  beiden  Weisen 
verlaufen.  Eiazelne  sind  stets  oder  gelegentlich,  andere  nie 
von  Fieber  begleitet.  Es  gibt  solche,  die  nur  einmal,  andere, 
die  wiederholt  das  Individuum  befaUen  köimen.  Von  emzebien 
Formen  kann  vorausgesagt  werden,  dass  sie  auf  eine  oder  auf 
bestimmte  HautsteUen  beschränkt  bleiben,  oder  dass  sie  im  Gegeu- 
theil  sich  über  die  Haut  weit  oder  aUgemein  verbreiten  komien 
oder  werden.  Dauer  und  Ausbreitung  können  überdies  durch 
zweckmässige  Behandlung  bedeutende  Einschränkung  erfahren. 

Es  können  mehrere,  ihrem  Wesen  nach  ganz  verschiedene 
Hautkrankheiten,  acute  und  chronische,  gleichzeitig  an  emem 
Individuum  zugegen  sein,  z.  B.  zugleich  Krätze,  SyphiUs, 
Psoriasis,  Eczem  und  Variola. 

Sehr  unterschiedlich  ist  auch  die  subjective  und  objective 
Bedeutung  der  einzelnen  Dermatonosen. 


Bedeutung  der  Hautkranklieiten.  89 

Diircliweo-s  iuvolvireu  die  Hautkranklieiten  einen  Scliön- 
heitsfeliler  für  das  betroffene  Individuum,  der  moraliscli  imd 
praktisch  von  grossem  Naclitlieil  sein  kann  auck  weim  das 
Uebel  pathologisch  ganz  belanglos  ist ,  z.  B.  Acne  des  Ge- 
sichtes Ausserdem  sind  aber  besonders  die  unmittelbaren  ort- 
liehen'und  allgemeinen  Wirkungen,  sowie  ihre  spateren 
Eolo-en  zu  berücksichtigen.  ,  .    .  .  . 

Viele  Hautkrankheiten  bewirken    auch  bei  jahrelanger 
Dauer  keine  bleibenden  Veränderungen  der  Haut ,  belastigen 
also  nur  wähi^end  ihi^es  Bestandes  durch  die  Yerunziermig, 
Empfindung   von   Spannung,   Jucken,    Schmerz  begleitende 
Fiebererscheinungen,  Behinderung  im  Berufe  und  geseUschaft- 
lichen  Verkehre.  Andere  Dermatonosen  gehen  gelegentlich,  oder 
o-ar  ihi-er  Natur  nach  jedesmal  mit  Verschrumpfung ,  Degene- 
ration oder  eiteriger  Schmelzung  der  Haut  einher,  veranlassen 
dem^emäss  bleibende  Veränderungen  oder  Verluste  an  der  Haut, 
die  namentlich  im  Bereiche  des  Gesichtes,  diu-ch  Zerstörmig 
der  Nase,  der  Augenlider,  des  Auges  selbst,  an  den  Extrem^i- 
täten,   besonders   unter  Complications  -  Vorgängen ,   auch  als 
dauernde  Verunstaltung,  Eunctionsstörung ,  in  der  Beweglich- 
keit der  Gelenke,  in  der  MotiHtäts-  und  Empfindungs-ßichtung 
und  vielen  anderen  Beziehungen  sich  geltend  machen.  _ 

Aba-esehen  von  jenen  Hautkrankheiten,  welche  ätiologisch 
mit  pathologischen  Zuständen  der  Blut-  und  Säftemasse,  speci- 
fischenDyscrasien  oder  Erkranluingen  innerer  Organe  zusammen- 
hängen ,  und ,  wie  in  der  allgemeinen  Aetiologie  gelehrt,  dem- 
nach von  Haus  aus  mit  solchen  vergesellschaftet  erscheinen, 
haben  die  meisten  Hautla^ankheiten  keinen  nachtheiHgen  Em- 
fluss  auf.  den  Gesammtorgsnismus ,   seine  Ernähi^ung  und  Con- 
stitution. Es  gibt  ^-iele,  die  ein  ganzes  Leben  hindurch  ertragen 
werden  kömien,  ohne  entfernte  oder  gar  aUgemeine  Störungen 
zu  veranlassen.    Doch  üben  wieder  andere  eine  unverkemibar 
schädHche  Wirkung  aus  auf   den   Gesammtorgaiusmus  oder 
einzelne  Organe  imd  Systeme,  und  zwar  steht  die  imgiinstige 
allgemeine  Wirkimg  nicht  immer  in  geradem  Verhältmsse  zur 
Intensität  des  in  der  Haut  stattfindenden  pathologischen  Pro- 
cesses.  Zunächst  werden  alle  mit  ausgebreiteter  imd  intensiver 
Exsudat-  und  Eiterabsonderung,  mit  Eieber  oder  mit  Jucken 
einhergehenden  Processe  durch  den  materiellen  Säfteverlust, 
mangelhafte. Esslust  und  Verdauung,  Schlaflosigkeit,  Schmerz 


Sechste  Vorlesung 


oder  die  solchen  Erscheinungen  zn  Grunde  hegende  Nerven- 
erresuug  den  Organismus  herunterbringen. 

Einzehie  Hautübel,  für  deren  Entstehung  nach  dem 
.eeenwärtigen  Stande  unseres  Wissens  keinerlei  innerhche 
Erkrankung  verantwortlich  gemacht  werden  kann,  die  also  an 
einem  bis  daliin  als  vollkommen  gesund  geltenden  Individuum 
auftauchen,  führen  regehnässig  mit  der  Zeit  zu  Marasmus, 
Tuberciüose,  wie  Liehen  ruber,  Pityriasis  rubra;  oder  zu 
specifischer  Cachexie,  manchmal  auf  dem  nachweislichen  Wege 
der  Metastase,  wie  Krebs  und  Sarkom. 

EndUch  können  auch  Hautaffectionen,  die  von  den  meisten 
Menschen  ohne  allgemeine  Nachtheüe  vertragen  werden,  wie 
Prurigo  chronisches  Eczem,  Lupus  erythematosus,  bei  Ein- 
zelnen Morbus  Brightii,  Pneumonie  mit  ihren  möglichen  Aus- 
gängen, oder  durch  Lymphangioitis,  Erysipel,  Caries  und  Com- 
plicationen  aUerlei  Art  gefährliche  und  zum  Tode  fuhrende 
Erkrankungen  veranlassen. 

Neben  diesen  im  Verlaufe  und  in  dem  materiellen 
Wesen  der  Dermatonosen  gelfegenen  Verhältnissen  ist  deren 
relative  oder  voUständige  Heilbarkeit  oder  Unheilbar- 
keit  für  die  Vorhersage  massgebend.  Manche  Hautkrank- 
heiten heilen  jedesmal  nach  dem  natürlichen  Gesetze  ihres 
Verlaufes,  einzelne  mit,  andere  ohne  örtUche  oder  allgemeine 
Spuren  ihrer  Anwesenheit  zu  hinterlassen. 

'  Absolut  uiiheübar  ist  keine  Hautkrankheit,  w" 
auch  nicht  in  der  Lage  sind,  jede  Art  von  Hautaffecüon  - 
beseitigen,  so  vermögen  wir  dies  doch  bei  selir  -elen  ^d^^^^^^^ 
wir  in  der  Lage,  bei  anderen  durch  Beseitigung  oder  ^üide 
Zg'inzelner  lymptome  entweder  den  Verlauf  abzukürzen  i.^ 
bei  diesen,  wie'  bei  den  relativ  unheilbaren,  ^eu  Zustand  foi 
den  Kranken  erträglicher  zu  machen, 

fährliche  Eolgen  der  Dermatonose  hintanzuhalten,  und  deiart 

das  Leben  zu  verlängern.  , 
Es  hängt  also  die  Prognose  zum  grossen  Theile  aixch 
von  der  Behandlung  ab,  deren  Erfolg  zum  grossten  Theüe 

in  der  Hand  des  Ai'ztes  liegt.  Thpranie 

Aus  dem  Grunde  muss  ich  auch  über  die  Therapie 

der  Hautkrankheiten  einige  allgemeine  Bemerkungen  an 
Sie  richten. 


Allgemeine  Therapie. 


91 


Allgemeine  Therapie. 

Es  ist  sonderbar ,  dass  die  Erkrankungen  der  Haut  rück- 
sichtlicli'  der  Möglichkeit  und  Anzeige  für  ihre  Behandlung 
noch  immer  in  den  Augen  vieler  Aerzte  und.  Laien  nicht  gleich- 
gesteUt  sind  den  Krankheiten  anderer  Organe  und  Symptome. 
Während  bei  den  Letzteren  das  Anstreben  möglichst  rasch  wir- 
kender Heilmittel  und  Methoden  als  selbstverständlich  gilt, 
meinen  noch  viele  Aerzte  und  Laien,  dass  bei  der  Behandlung 
der  Hautkrankheiten  eme  „gewisse  Vorsicht"  beobachtet  werden 
müsse,  damit  von  ihrer  HeUung  nicht  ein  Nachtheil  für  den 
Organismus  erwachse,  wenn  nicht  gar  das  Hautleiden  als 
NoK  me  tangere  hingestellt  wird.  Und  es  haben  die  Aerzte, 
besonders  die  jüngeren,  in  der  Praxis  vielfach  gegen  diese 
Meinung  anzukämpfen. 

Es  ist  zwar  schon  sehr  verdächtig,  dass  diese  meist  da 
laut  wird ,  wo  die  Kenntniss  und  Fähigkeit  zur  richtigen  Be- 
handlung fehlt,  und  dass  sie  im  Laufe  der  Zeit  überall  da 
verstummt  ist,  wo  sie  zwar  früher  sich  geltend  gemacht  hat, 
aber  durch  die  Wucht  der  Thatsachen  erdrückt  wurde,  z.  B.  bei 
ätz  G 

Allein  ihre  Herrschaft  ist  noch  immer  mächtig  genug,  dass 
es  Noth  thut,  derselben  zu  begegnen. 

Die  bezeichnete  Meinung  hängt  noch  mit  der  in  früheren 
Zeiten  gangbaren  ontologischen  VorsteUung  zusammen,  der- 
zufolge  die  Hautkrankheiten  Deposita  von  KrankheitsstofPen 
oder  vicariirende  Ausscheidungen  für  andere  Se-  und  Excretionen 
physiologischer  und  pathologischer  Art  wären,  deren  die  Natur 
sich  spontan  unter  der  Form  von  Hautausschlägen  nach  aussen 
entledigt  hat  und  mit  deren  „Zurücktreten"  oder  „Zurück- 
getriebenwerden" in  die  inneren  Organe  die  letzteren  noth- 
wendig  erkranken  müssten.  Namentlich  von  den  „äasserlichen" 
Mtteln,  Salben,  Pflastern  und  Tincturen  fürchtet  man  eine 
solche  repulsatorische  Wirkung. 

Die  neuere  Medizin  hat  aUerdings  der  ontologischen  Vor- 
stellung von  den  Krankheitsprocessen  jede  Basis  genommen. 
Wir  wissen  auch,  dass  eine  irgendwie  materieU  zu  bezeichnende 
psorische,  oder  herpetische  Dyscrasie,  eine  Acrimonia  san- 
guinis, die  durch  eine  pathologisch-chemische  Formel  ausge- 
drückt werden  könnte,  nicht  existirt.  Wir  wissen  ebenso,  dass 


Secliste  Vorlesung. 


in  den  Erzeugungsproducten  und  Ausscheidungen  der  Haut- 
krankheiten keinerlei  dem  Organismus  fremdartige  Stoffe  sich 
vorfinden,  sondern  Serum-  und  Formelemente,  sowie  Korper 
aUer  Art,  aber  von  derselben  Natur,  wie  die  im  Korper  nor- 
Hial  vorhandenen,  dass  also  keine  „psorischen",  oder  „scharfen 
Stoffe  sich  in  den  Krankheitsherden  und  Krankheitsproducten 
vorfinden.    Es  ist  ferner  physiologisch  ganz  unstatthaft,  anzu- 
Tehmen,  dass  es  gelingen  könnte,  ein  auf  die  Hautoberflache 
ZTv^i  abgeschiedenes  Serum-  oder  Gewebspartike  chen  in  den 
Orgalsmus  wieder  hineinzutreiben.  Und  es  ist  endlich  bekannt 
dass  sowohl  die  pathologische  Histologie  als  das  Experiment 
den  Charakter  der  meisten  Hautkrankheiten  als  rem  örtlicher, 
in  dem  Hautgewebe  sich  entwickelnder  Vorgänge  daxgethaii 
hat,  die  zum  Theile  an  ganz  Gesunden  jederzeit  willkürlich 

hervorgerufen  werden  können.  ,-,   p,.  i  ;i 

Ä„  sollte  also  glauben,  dass  die  Statthafcgkert  uBd 
Anzeiee  für  die  örtliclie  Beliandlung  und  die  Heilung  über- 
haupt Hautkrankheiten  nur  eine  logisebe  Folgerung  aus 
den'angefUhrten  Thatsaehen  wären  imd  iemnaeh  wenigstens 
von  den  Aerzteu,  nicht  bekämpft  oder  angezweifelt  weiden 

der  That  gesehieht  dies  aueh  uieht  -«l" -f/™  S^^" 
weise  auf  theoretische  Gründe,  sondern  m  Bucksicht  auf  ge- 
wisse thatsäcUiche  Vorkommnisse.  „ament- 
Man  bemerkt  nämlich,  dass  viele  Hautkrankheiten,  uament 
Heb  solche   die  wesentUeh  in  hyperämischen  und  a^ut-  odei 
chtolte;tziiudlichen  Yorgäugen  bestehen,  ^er  auch  mauche 
NeubUdungsformen  und  selbst  Scabies    -nter  der  zufi^ge- 
Concurren^  einer  acuten  ß^erhaften  Krankheit  , 

'Sftbaltungeu  haben  die  Vorstellung  erwe^ 
zum  Theile  bis  heute  erhalten,  dass  unter  den  S 
ständen  thatsäclilich  die  Hautkrankheit,  »to/^^,'^,„'^;^Jge 
haltenes  psorisches  Agens  auf  das  innere  Organ,  Gehun,  bun„ 


Allgemoiue  Therapie.  03 

zurücko-etreten  sei,  dort  die  Entziindimg,  die  zn  Fraisen  führende 
Erreo-uno-  etc.  veranlasst  habe  und  endlich  durch  die  vis  medi- 
eatrix  naturae  wieder  auf  die  Haut,  nach  aussen,  geschleudert 
worden  sei,  wodurch  es  sich  erklärte,  dass  sodann  die  fieber- 
iiaften  und  auf  die  Erkrankung  des  inneren  Organes  zu  be- 
ziehenden Erscheimingen  nachliessen. 

Die  nüchterne  Beobachtung  hat  aber  gelehrt,  dass  das 
angedeutete  Verhältniss  der  thatsächlichen  Erscheinixngen  ein 
o-anz  anderes  ist;  dass  in  den  entsprechenden  Fällen  die  fieber- 
hafte Pneumonie,  die  Symptome  des  Typhus  etc.  stets  zuerst 
vorhanden  waren  und  erst  im  Verlaufe  derselben  die  Derma- 
tonose  schwand;  dass  also  die  Rückbüdung  der  Hautkrankheit 
erst  im  Gefolge  jener  anderweitigen  Erkrankungen  sich  ein- 
stellte, nicht  denselben  voranging;  dass  sie  also  auch  nach  der 
Reihenfolge  der  Erscheinungen  nicht  als  Ursache,  eher  als 
Folge  der  inneren  Erkrankung  erscheinen  könnte. 

Und  sie  ist  auch  in  diesem  Sinne  eher ,  wenn  auch  nicht 
für  aUe  FäUe,  erklärlich.    Es  ist  begreiflich,  dass  da,  wo  die 
Haut  plötzlich  anämisch  wird,  wie  in  der  Synkope,  bei  Col- 
lapsus,  auch  die  Injectionsröthe  und  Infiltration,  welche  der 
Psoriasis  angehört,  nicht  bestehen  kann,  damit  die  Psoriasis 
selbst  sich  rückbildet;  oder  dass  die  Krätzmilben  in  der  abnorm 
erhitzten  und  abnormen  Circulations-  und  Ernähinmgsverhalt- 
ni^sen  unterworfenen  Haut  eines  Fiebernden  weniger  gedeihen, 
eventueU  ganz  absterben;  und  dass  die  Psoriasis  neuerdings 
auftaucht,  die  Milbeneier  sich  entwickeln,  sobald  nach  Ablauf 
der  Anämie,  der  fieberhaften  Krankheit  die  Turgescenz  und 
die  Ernährung  der  Haut  wieder  normal  und  der  Production 
jener  Processe  und  dem  Leben  jener  Tliierchen  günstig  ge- 
worden sind. 

Zu  all'  diesen  Momenten,  welche  die  VorsteUung  vom 
„Zurücktreten",    „Verschlagen",    „Zurücktreiben"    der  Haut- 
krankheiten als  wissenschaftlich  unzulässig  und  unbegreiflich, 
als  thatsächlich niemals  erwiesen  erscheinen  lassen,  wollen  Sie 
noch  die  höchst  beredte  Thatsache  fügen,  dass  in  hundert  und 
hunderttausenden  von  FäUen  die  Hautkrankheiten  aUer  Art 
ohne  jeglichen  Nachtheü  für  die  Constitution  ihrer  Träger  mit 
den  Mitteln  und  Methoden  der  Wiener  Schule  behandelt  und 
geheilt  worden  sind;   und  so  werden  Sie  damit  jederzeit  zur 
Genüge  gerüstet  sein,  um  jenes  gerügte  Vorurtheü  rücksichtslos 


„  ,  Sechste  Vorlesung. 

94 

ZU  bekämpfen  und  zu  besiegen,  mag  es  von  welclier  Seite  immer 
Ihrem  tberapeutisclien  Vorhaben  entgegengehalten  werden. 

Sie  werden  es  zwar  nicht  verhüten  können,  dass  gelegent- 
lich, nachdem  Sie  ein  Kind  von  Seborrhoe  des  Kopfes  oder 
einen  Grreis  ven   einem  Eczem  des  Unterschenkels  befreit, 
•jenes  an  Fraisen  erkrankt,  dieser  von  Lungenödem  hingerafet 
wird,  und  dass  beide  Zufälle  auf  das  Zurücktreten  der  Haut- 
krankheit geschoben  werden.    Allein  zum  Glücke  trifft  sich 
ein  solcher  Zufall  nur  selten  und  müssen  Sie  schliessUch  solche 
Vorwürfe  über  sich  ergehen  lassen,  nicht  anders,  wie  die  be- 
kannten Zumuthungen,   dass  der  unglückliche  Ausgang  einer 
Pneumonie  hätte  verhütet  werden  können,  wenn  statt  Dec. 
Altheae  eine  Mixtura  oleosa  verabreicht  worden  wäre. 

Macht  der  Arzt  diesen  Gedankengang  zu  dem  seinigen, 
so  wird  es  ihm  niemals  an  dem  „Muth  der  VerantwortHchkeit" 
gebrechen,  der  zum  erfolgreichen  Handeln  in  der  Behandlung 
der  Hautkrankheiten,  wie  in  der  praktischen  Chirurgie,  unum- 
gänglich nothwendig  ist. 


Es  wird  nun  vortheilhaft  sein,  um  spätere  Wiederholungen 
zu  vermeiden,  Sie  im  AUgemeinen  mit  den  Mitteln  und 
Methoden  bekannt  zu  machen,  welche  in  der  Therapie 
der  Hautkrankheiten  zur  Anwendung  gelangen. 

Die  hier  in  Betracht  kommenden  Heilmittel  sind  vor- 
wiegend sogenannte  „ä  usserliche",  die  direct  auf  die  kranken 
Hautsteüen  appHcirt  werden,  und  nur  wenige  „innerlich" 
wirksame. 

DenErsteren,  den  äusseren  Mitteln  und  der  ort- 
lichenBehandlung,  verdanken  wir  sehr  befriedigende,  zum 
Theil  sehr  verlässliche  und  glänzende  Heilwirkungen.  Um 
von  denselben  den  gebührenden  Gebrauch  machen  zu  können, 
müssen  Ihnen  vorerst  besondere  Umstände  bekannt  sein,  von 
denen  der  Erfolg  oder  Misserfolg  ihrer  Application  abhangt. 

Im  Verhältnisse  zu  der  grossen  Zahl  und  Mannigfaltig- 
keit von  Krankheitsformen  ist  nämlich  die  Reüie  von  ausser- 
lichen  oder  örtlichen  Behandlungsmitteln  und  Methoden  sehr 
unansehnlich.  Und  doch,  das  wissen  Sie  und  wissen  die  Kranken, 
erreichen  wir  mittelst  derselben  zumeist  den  Heilzweck,  erfreut 
sich  ja  gerade  die  an  unserer  Schule  geübte  Behandlmigs- 


Allgemeine  Tlierapie.  95 

methode  der  Haixtkranklieiteii  des  weitverbreiteten  Rufes,  eine 
sehr  verlässliclie  und  erfolgreiclie  zu  sein. 

Dies  führt  micli  zur  Aeusserung  über  eüie  Walirnelimung, 
von  der  ich  wünsche,  dass  Sie  dieselbe  in  ihrem  praktischen  Be- 
rufe nicht  bei  sich  selbst  zu  machen  und  zu  bestätigen  ge- 
zwungen sein  mögen. 

Täo-lich  kann  man  erfahren,  dass  gut  und  allseitig  unter- 
richtete Aerzte  mit  den  Hautkrankheiten  ihi-e  grosse  Plage 
haben  und  mit  der  Heilung  eines  aUtägUchen  Hautübels,  z.  B. 
eines  Eczems,  nicht  zu  Stande  kommen,  trotzdem  sie  die  Mittel 
a-enau  kennen  und  benützen,  mit  denen  wii-  xxnd  Andere  sicheren 
Erfolg  erzielen. 

"Woran  liegt  dies? 

Zunächst  an  einer  irrthümlichen  Voraussetzung,  vor  der 
ich  Sie  warne. 

Viele  meinen,  dass  sie  vor  AUem  die  systematische  Dia- 
gnose eines  Hautleidens  zu  steUen  haben.  Ist  diese  gemacht, 
und,  ich  wül  es  zugeben,  gelungen,  z.  B.  auf  Eczem  lautend, 
so  meint  der  Arzt,  er  habe  nun  nichts  Eiligeres  zu  thun,  als 
in  einem  Lehrbuche  oder  Compendium  der  Hautkrankheiten 
nachzuschlagen,  da  werde  er  finden,  welche  Mittel  gegen  Eczem 
empfohlen  werden,  Diachylonsalbe,  Theer  u.  A.  Und  nun  habe 
er  diese  einfach  anzuwenden  und  das  Uebel  müsse  heüen. 

Wir  besitzen  aber  nur  sehr  wenige  Mittel  überhaupt, 
welche  gegen  den  Krankheitspro cess  als  solchen  wirksam  sind, 
und  daher  nach  einer  Art  aUgemeiner  Regel  angewendet,  in 
dem  betreffenden  EaUe  auch  erfolgreich  sind,  z.  B.  Arsen  inner- 
lich gegen  Liehen  ruber ,  Leberthran  gegen  Liehen  scrophulo- 
sorum,  Schwefel  gegen  Prurigo.    Im  Uebrigen  kennen  wir  nur 
solche  Mittel  und  Methoden,  welche  einzelne  Symptome  von 
Krankhelten  zu  bessern  und  zu  beseitigen  vermögen.  Unsere 
Behandlung  muss  also  gegen  die  einzelnen  Symptome  gerichtet 
sein,  gleichgiltig  zunächst,  welchem  Krankheitsprocesse  die 
eine  oder  andere  Krankheitserscheinung  angehört.  Mit  der  Be- 
hebung der  einzelnen  Symptome  mag  dann  auch  eo  ipso  die 
Krankheit  beseitigt  sein,  weü  diese  aus  der  Summe  jener 
besteht. 

Wii-  werden  ferner  erfahren,  dass  der  einzelne  Krank- 
heitsprocess  in  verschiedenen  Stadien  seines  Verlaufes  sehr 
differente  Symptome  darbietet.  So  z.  B.  sind  die  Erscheinungen 


Sechste  Vorlesiuig. 

96 


des  Eczetns  einmal  ebifache  Röthung  und  Sclinppnng,  _  zu  einer 
anderen  Zeit  Bläschen,  Entzündung  und  Schwellung  in  einem 
dritten  Stadium  Nässen  und  Krustenbildung.  _  Das  M.ttel  nun^ 
welches  gegen  das  erstgenannte  Symptom  gunstig  wirkt  heüt 
also  auch  das  Eczem.  Dasselbe  Mittel  aber  im  zweiten  Stadmm 
derselben  Krankheit  angewendet,  hilft  nichts,  schadet  viel- 
Hiehr,  indem  es  die  Entzündungsvorgänge  steigert 

Die  gleiche  Bedeutung  hat  der  Umstand,  class  derselbe 
Process  zur  selben  Zeit  an  verschiedenen  HautsteUen  d^Jfferente 
Symptome  darbietet.  Die  Behandlung  würde  sehr  fehlerhaft 
welche,  weil  die  Krankheit  überaU  systematisch  dieselbe 
ist,  auchfü^  alle,  die  verschiedenen  Symptome  darbietenden 
TT^'n+^tellen  dasselbe  Mittel  bereit  hätte. 

l^rJLn  also  die  eten  vorhandenen  Symptome  tezug- 
Kct  ieder  einzelnen  HautsteUe  genau  kennen  und  wiircbgen,  und 
otoeVlioksicM  auf  den  allgemeinen  Proeess  Mittel  und 
»thoden  der  Behandlung  derselben  anpassen  und  d  e  Me^- 
cation  sofort  ändern,  sobald  die  Erschein^mgen  wosenthch  oder 

«'^'":brA:^.^e  gewachsen  .u  sein  erfordert  schon 
grosse  Id  beharrliche  Aufmerksamkeit  ^™d  fachwissenschaft- 

Mem^wir  in  dem  jeweiHgeu  Symptome  die  wesentliche 
Tndicato  fü"  die  Behandlung  in  jedem  Momente  sehen  smd 
"  uTer  Lage,  Hautkrankheiten  Vis  .u  einem  8—»-^^ 

Wir  m  a«i      6  ,  wissenschaftbche  Dia- 

zweckmässig  zu  behandeln,  Uber  deren  wi 

trachte  diese  - '---t'^Hrn  Td  ^7^«  dgentliche  Heilung 
viel  Erleichterung  verschaffen,  und  olt  aie  e  g 

^"'^Tr  tfoi;  der  Behandlung  hängt  aber  nicht  " 
der  hSilieh  dfs  einzelnen  "Ä^^  Es 

steUe  zweckmässig  getroffenen  Wahl  »^f^  .„gewendet 
„uss  dieses  Mittel  nach  exner  f  J  ^.Xect  auch  sieher 
werden,  dass  der  ortUeh  dam.t  Eine  mit 


Allixomoiiu'  'nienqjie.  -'^ 

Sache  fördert.    Ich  rathe  Ihnen  also,  die  bewährte  Methodik 
wohl  zu  beherzigen  und  nicht  leicht  zu  nehmen. 

Vergessen  Sie  endlich  nicht,  dass  die  entsprechenden  Mittel 
richtio-  und  am  rechten  Orte  angewendet  ,  nicht  nur  eine  heil- 
saine  Wirkung  gegen  die  vorhandenen  Kraiikheitssymptoine  aus- 
;  i      ndern'vLöge  ihrer  physikalisch-chemischen  Eigen- 
schaften auf  die  gesunde,  .vie  auf  die  kranke  Haut  eine  b  - 
immte  physiologische  Wirkung  äussern,  die  als  Ivranldieit  zu 
Ce  tritt.    NicM  nur,  was  ohnedieB  bekanii  ,  die  Aetziuitt  1 
köi^en  gegen  unsere  Absicht  neben  den  kranken  SteUen  auch 
^e'esund^Haut  zerstören.  Selbst  sonst indifPerente oder  unschäd- 
liche Substanzen,  Oele,  Leberthran,  Brunnenwasser,  können,  indem 
sie  auf  eine  kranke  Haut  gebracht  werden,  sowohl  örtlich  die 
Krankheitssymptome  steigern,  oder  ungünstig  ändern,  als  auch 
die  gesunden  Hautpartien  krank  machen.    Es  ist  also  bei  der 
Handhabung  der  Medikamente  auf  diese  möglichen  Nebenwirkun- 
gen zu  achten  und  darnach  das  weitere  Verfahren  einzurichten. 

dies  bedingt  aber  zweierlei:    Erstens,  dass  man  die 
Wirkung  mögUchst  genau  kenne,  welche  die  einzelnen  Arznei- 
körper auf  der  gesunden  und  kranken  Haut  lier vorbringen 
können.    Und  zweitens,  dass  man  in  jeder  Phase  der  Behand- 
luno-  iene  örtliche  Wirkung  im  Voraus  planmässig  festsetze, 
die  durch  das  Medikament  erwünscht  ist,  und  dieses  sofort  be- 
seitige, sobald  jene  Wirkung  thatsächlich  erzielt  ist.    Denii  es 
verhilt  sich  ja  nicht  jedes  Hautorgan  gleich  viilnerabel  odei 
reactionsfähig  gegen  äussere  Schädlichkeiten,   also  ^i<^^^t 
gegen  die  ArzneistofFe.    Wenn  beispielsweise  die  Eilahrung 
le£-t,  dass  Schmierseife  12mal  auf  die  Haut  eingerieben  werden 
muss,  um  eine  allgemeine  Abschiebung  der  Epidermis  zu  be- 
wirken, bei  einem  Kranken  jedoch  schon  nach  4  Einreibungen 
die  Haut  roth  und  ödematös  erscheint,  so  wäre  es  höchst  schad- 
Hch   noch  8  Einreibungen  zu  machen.    Denn  der  gewünschte 
Effect,  der  Process,  durch  welchen  die  Oberhaut  abgestossen 
werden  wird,  war  ja  schon  mit  4  Einreibungen  erreicht.  Die 
weiteren  Einreibungen  würden  nur  über  das  gewünschte  Ziel 
hinaus  die  Haut  entzünden  und  eine  neue  Krankheit  veranlassen. 

Mit  Absicht  habe  ich  bei  diesem  G-egenstaude  länger  ver- 
weilt. Sie  werden  erst  im  Verlaufe  Ihrer  eigenen  praktischen 
Thätigkeit  die  grosse  Wichtigkeit  der  hier  angedeuteten 
allgemeinen  Bedingungen  einer  rationellen  Dermato  -  il.erapie 

Kaposi,  Hantkrankheiten. 


Sechste  Vorlesung. 

ex'keiinen ,  zu  Ihrer  Grenugthuuug ,  wenn  Sie  sich  an  dieselben 
halten,  zu  Ihrem  Verdrusse,  wenn  Sie  dieselben  nicht  beachten. 

Es  erschliesst  sich  aber  nocb  eine  sehr  schätzenswerthe 
Lehre  aus  den  vorgeführten  Momenten,  dass  es  weniger  darauf 
ankömmt,  recht  viele  „  E  e  c  e  p  t  f  o  r  m  e  1  n  "  für  die  Behandlung 
der  Hautkrankheiten  ängstlich  zu  sammeln  und  in  der  Gre- 
(lächtnisskammer  aufzuspeichern,  weil  das  nach  diesen  bereitete 
Medikament  in  der  einen  Hand  nichts,  in  der  andern  Alles  leistet. 
Wichtig  für  die  erfolgreiche  Behandlung  der  Dermatonosen  ist  nur : 

erstens,  die  einzelnen  S^nnptome  der  Krankheit  an  jeder 
Hautstelle  und  in  j  eder  Phase  der  Krankheit  richtig  zu  beurtheilen ; 

zweitens,  die  Veränderung  genau  zu  bestinnnen  und  zu 
kennen,  welche  behufs  der  Heilung  in  diesen  Symptomen  ört- 
lich bewirkt  werden  soU,  und 

drittens,  die  einzelnen  Medikamente  zu  kennen  und  die 
Methode  ihrer  Anwendung,  durch  welche  eine  solche  Aenderiing 
erzielt  werden  kann. 

Die  in  der  örtlichen  oder  äusserlichen  Behandlimg 
der  Hautkrankheiten  vorwiegend  zur  Verwendung  kommenden 
Mittel  sind: 

Das  Wasser  in  Form  von  warmen  oder  kalten,  einfachen, 
oder  mit  medikamentösen  Stoffen,  Kali-  oder  Kalk-Schwefel- 
leber, Soda,  Alaim,  Sublimat,  Kochsalz  versetzten  Wannen- 
Bädern,  von  Douchen,  Dampfbädern,  nassen  allgemeinen  (Priess- 
NiTz'schen)  und  örtlichen  Einhüllungen.  Im  Allgemeinen  wii-d, 
wo  nicht  mit  der  besonders  niedrigen  oder  hohen  Temperatur 
ein  specieller  Zweck  beabsichtigt  wird,  das  warme  Bad  nach 
dem  subjectiA'-en  Behagen  des  Kränken  temperirt. 

Die  Dauer  der  Wannenbäder  wird  n^ch  der  gewöhnlichen 
bürgerlichen  Uebung  bemessen,  zu  besonderen  Zwecken  aber 
auf  viele  Stunden  und  Tage ,  ja  auch  auf  Adele  Wochen  oder 
Monate  protrahirt.  Die  letzteren,  „continuirlichen",  Bäder  sind 
von  Hebba  eingeführt  und  durch  eine  von  ihm  angegebene  Bade- 
vorrichtung —  HEBEA'sches  Wasserbett  —  ermöglicht  worden. 

Wir  werden  seinerzeit  Genaueres  über  dasselbe,  seine  Heil- 
wirkung und  Indicationen  sprechen. 

Im  Allgemeinen  wirkt  das  Wasser  erweichend,  macerirend 
auf  die  Oberhaut  und  die  auflagernden  Krankheitsproducte, 
Schup])eii  und  Krusten:  speciell  als  kaltes,  aber  auch  als 


Allguniüiiie  Thurapio.  99 

warmes  und  heisses,  Entzündung  inlldeynd,  wie  bei  Ftu^unkeh^ 
Dermatitis,  Erysipel,  Plüegmone ;  bei  längerem  Contact  nut  dei 
Haut  ^^äeder  irritirend,  Eczem  erzeugend.  _ 
"  Es  wird  demnach  vorwiegend  als  Macerationsmittel  zur  Er- 
weichuno-tmd  Ablösung  von  Schuppen  und  Krusten  verwendet, 
Tolt  alsVeluhel  für  medican.entöse  Stoffe  und  Mr  ^e  Anwen 
Lo-vonSeife.alsschützendeHiillebeiausgebx^itetemEpi^^^^^^^^^ 
Verlust  (Verbrennung,  PempHgus)  uaad  zur  Antxph  ogose. 

Macerirend,  zum  Theil  auch  specifisch  hexlend  (bei  Prurigo, 
Pruritus.  Psoriasis  etc.)  wirken  die  von  Habby  und  von  Hkbk. 
eino-eführten  Kautschuk-Umhlülungen,  aus  vrilcamsirtem  Ivaut- 
Ichuk  oder  aus  Kautschuk-Leinwand  angefertigte  KleKUuig.s- 
stücke  Auf  die  blosse  Haut  luftdicht  angelegt,  verhindern  sie 
die  Ye^dampfuiig  der  Perspirations-Elüssigkeit  der  Haut.  Dieselbe 
schlä-H.  sich  tropfbar  flüssig  nieder  und  wirkt  somit  macerireiid. 

.  Sehr  fleissig  kommen  zur  Erweichung  von  auflagernden 
Krankheitsproducten  Eette  aller  Art  zur  Verwendung :  Oleum 
Olivarum,  Ol.  jecor.  aselli ,  Axung.porci,  Glycerin,  Petroleuiii 
Bals.  peruvianus,  das  in  neuester  Zeit  aus  Amerika  emgefuhite 
Vaseline,  eine  aus  Petroleumrückständen  gewonnene,  gelee- 
ähnliche. gelbHche,  transparente,  leicht  verreibbare  und  vei^ 
flüssigende  geschmack- und  geruchlose,  keiner  Eettsaurebilduiig 
fähige,  eine  Art  Paraffin  darsteUende,  sehr  weiche  und  ge- 
schmeidige Substanz.  ' 

Die  Eette  werden  als  solche ,  oder  mit  Quecksilber.  Sub- 
limat, Praecip.  alb;  Cupr.  acet:  Cupr.  siüf:  Plumb.  acet;_  Jod, 
Jodoform.  Schwefel,  Theer,  Carbolsäure  etc.  zu  Salben  verrieben, 
oder  verkocht,  eingeschndert  oder  auf  Leinwand  gestrichen, 
mittelst  Elan  eilbinden  auf  die  Haut  applicirt.  _ 

Von  Pflastern  sind  besonders  das  Empl.  hydrargyri,  Empi. 
lithargvr.  fuscum,  und  Empl.  saponat.  in  Verwendung :  dagegen 
Empl.  ^  diachyl.  composit.  (Empl.  adhaesivum)  nicht  ratlilich, 
weil  dieses  bei  vielen  Individuen  Eczem  erzeugt. 

Grosse  Verwendung  haben  wir  für  die  S chmier s ei± e, 
Sapo  viridis,  eine  geleeartige,  nach  Thran  riechende  Kali^Seite 
von  salbenartiger  Consistenz,diewirdenhartenoder  Natron-Seilen 

in  der  Behandlung  der  Hautkrankheiten  bei  Weitem  vorziehen. 
Sie  wird  mit  Wasser  zum  Maceriren  und  Abwaschen  von  i  ett, 
von  erweichten  Schuppen  und  Krusten  verwendet  oder  wie 
eine  Salbe  auf  die  Haut  geschmiert,  wodanu  sie  Abstossung 


J  Sechste  Vorlesmi}t. 


der  Epidermis  bewirkt ,  oder  aiif  FlaneU  gestriclien  aufgelegt, 
woliei  sie  nebst  der  Maceration  auch  tiefere  Ae'tzung  veranlasst. 

Von  Seifen  gebrauclien  wir  noch,  nebst  den  mannigfachen 
Toitetteseifen,  zu  therapeutischen  Zwecken  besonders  Spirit.  sapon. 
kalinus,  nach  Hebra's  Angabe  aus  Sapo  virid.  und  dem  halben  Ge- 
wichtstheile  höchst  rectificirten  Alcohols  durch  Digeriren  und 
Filtriren  gewonnen ;  die  flüssige  Grlycerinseife  von  Saug,  ebenfalls 
eine  Kaliseife ;  ferners  gewisse  medikamentöse  Stoffe  enthaltende, 
fabriksuaässig  erzeugte  Seifen,  wie  Schwefelseife,  Schwefelsandseife 
(Pulv.  lapid.  pumicis  oder  talcum  venet.  pulver.  enthaltend),  Theer- 
seife,  Schwefeltheerseife,  Jodschwefelseife ,  Carbolseife  u.  v.  A. 

Eine  grosse  RoUe  spielt  in  unserem  Medikamentenschatze 
der  aus  mehreren  Holzarten  durch  trockene  Destillation  ge- 
wonnene Theer,  Oleum  empyrheumaticum. 

Wir  verwenden  den  Theer  von  Buchen,  Oleum  fagi,  von 
Birken,  Oleum  Rusci  und  den  von  Juniperus  oxycedrus,  Oleum 
cadinum,  so  wie  eine  nach  Hebra's  Angabe  bereitete  Theer- 
ALcohol-Aether-Lösung,  Tinctura  Eusci,  deren  besondere  Eigen-, 
schaffen  wir  in  der  speciellen  Therapie  näher  kemien  lernen 
werden.  Resiueon,  ein  DestiUationsproduct  des  Theers,  war  eine 
Zeit  lang  in  G-ebrauch.    Ein  anderes  aus  Theer  gewonnenes, 
chemisches  Product,  die  Phenil-  oder  Carbolsäure ,  benützen 
wir  in  der  Richtung,  wie  Theer ,  aber  auch  als  Aetzmittel. 
Eine  Reihe  von  chemisch  verwandten  Körpern,  Benzoesäure  und 
Benzoeharz,  Saücylsäure,  Chrysophan-  und  Pyrogallussäure 
haben  zum  Theü  sehr  ausgesprochene  therapeutische  Wirkung. 

Alcoholica  und  Aether,  Schwefel-,  Petroleumäther,  Chloro- 
form, Flüssigkeiten  aus  der  Aethylgnxppe  dienen  theils  allein, 
theils  in  Verbindung  mit  in  denselben  gelösten  Körpern  nerven- 
beruhigend, gegen  Empfindung  von  Schmerz  und  Jucken. 

Amylum  oryzae,  tritici,  Pulv.  rad.  Ireos  florent;  Pulv. 
talci  veneti,  Asbestinum  pulverisat.  werden  pur,  oder  mit  Zink, 
Bismuthoxyd  und  iai  verschiedener  Combination  als  sogenannte 
Streupulver  benützt,  welche,  obgleich  sie  ein  indifferentes 
Mittel  vorstellen,  dennoch  in  der  Behandlung  der  Hautkrank- 
heiten selu'  wichtige  Dienste  leisten.  Sie  werden  erfahren,  dass 
bei  gewissen  Krankheitsformen  die  indifferente  Behandlungs- 
methode die  einzig  zweckmässige  ist,  dass  aber  auch  zur 
Durchführung  einer  solchen,  in  Bezug  auf  :\rethode  und  Mittel, 
Positives  geleistet  werden  muss. 


Allgemeine  Thuvayio.  101 

Eine  andere  Reilie  von  Arzneimittebi  dient  zum  Zwecke 
der  Zerstönmg  von  in  der  Haut  eingelagerten  entzündhchen 
und  gescliwulBtartigen  pathologischen  Bildungen,  oder  bei  ge- 
rino-erer  Intensität  in  der  Anwendimg.  zur  künstlichen  An- 
•eo^no-  von  Entzündung.  Es  süid  die  bekannten  yegetabihschen 

minerabschen  Säuren:  Acid.  aceticum  muriatn^um  sulfu- 
"  1  nitricuni,  carbobcum,  sabcybcum die  Alkaben.  Aniano- 
^k  AetzkaH,  Aetzkalk,  ferner  Chlorzmk  und  Chlorantnnon, 
Lapis  infernabs,  Lapis  caiisticus .  Wiener  Aetzpasta  Pasta. 
Lan  lolfi  uncT  Canquoin,  Solutio  Labaraque  und  Plencku,  Piü^.s 
Co^i  über  deren  Zusammensetzung,  specielle  Wixkungswe.se 
uud  Indication  Sie  noch  Näheres  hören  werden. 

Hieran  wäre  noch  die  Galvanokaustik  und  das  Elektri- 

sb-en  zu  reihen.  . 

Bei  innerlichem  Gebrauche  haben  sich  gegen  gewisse 
Hautaffectionen  als  wirksam  erwiesen:  Arsenik,  Quecksilber, 
Jod   Oleum  jecor.  aselli,  Theerpräparate,  Chinin,  Carbolsaure, 
Dec'  Zittmanni,  während  andere  nur  als  die  Ernährung,  Blut- 
bereitung verbessernde,  oder  gegen  specielle,  aUgememe  oder 
emzelne    Organe    betreiFende    Krankheiten    gerichtete  Medi- 
kamente, gewissermassen  nur  zur  Unterstütziüig  der  örthchen 
Therapie,  zur  Verhütung  von  Eecidiven  verabreicht  -«-erden. 
So  Amaricantia,  Ferrum,  alkalische  und  eisenhältige  Mineral- 
wässer, Bromkabum,  Chloralhydi^at,  die  Narcotica  und  Hyp- 
notica  überhaupt,  Milch-  und  Molienkuren,  specielle  diätetische 
Mittel  u  V  A.,  zu  deren  Verordnung  mit  Rücksicht  aut  indi- 
viduelle Verhältnisse  in  der  Dermatotherapie  sich  vielfache 
Gelegenheit  darbietet.  ^n, 
Dao-egen  haben  aUe  sonst  als  eigentbch  sogenannt  biut- 
remigende  Mittel,  Haematocathartica ,  empfohlenen  Holztränke 
und  Abführmittel,  sowie  die  als  specifisch  gegen  Flechten  und 
die  Disposition  zu  denselben  gerühmten  en-  und  exotischen 
Droguen.  wie  die  semerzeit  famose  Hydi^ocotyle  asiatique,  die 
Hura  brasüianensis,  oder  die  bei  den  Franzosen  üblichen  Tisanen 
von  Viola  tricolor,  Dulcamara  u.  s.  w.  nicht  den  geringsten 
Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Hautkrankheiten. 

Wir  haben  uns  bis  nun  mit  einer  beträchtlichen  Summe 
von  Thatsachen  bekannt  gemacht,  welche  die  Hautkrankheiten 
im  Allgemeinen  betrefPen  und  über  anatomischen  Sitz .  patlio- 


^^y-,  S^'cliste  Vorlesung. 

logisclie  Bedeutung ,'  klinisclie  Symptome ,  TJrsaclien  derselben, 
über  die  Methoden  und  Mittel  ihrer  Diagnose  und  Therapie 
uns  so  weit  orientirt,  dass  wir  nun  mit  Nutzen  das  inhalt- 
reiche Gebiet  der  speciellen  Dermato-Pathologie  betreten  können, 
um  die  einzelnen  Idinischen  Krankheitsformen  kennen  zu  lernen. 

Vorher  ist  jedoch  noch  eine  wichtige  Formfrage  zu  er- 
ledigen, die  nach  dem  einzuschlagenden  Wege,  nach  der  Syste- 
matik der  Hautkrankheiten. 

Ich  habe  nicht  die  Absicht,  uns  mit  der  eingehenden  Er- 
örterung dieses  Gegenstandes  zu  lange  aufzulialten.  Wir  wissen 
ja  aus  der  geschichtlichen  Entwicklung  imserer  Doctrine,  dass 
das  Bedürfniss  nach  einer  zweckmässigen  Eintheilung  der  Haut- 
krankheiten sich  geltend  gemacht  hat ,  seitdem  überhaupt  den- 
selben Aufmerksamkeit  geschenkt  wurde;  dass  zahlreiche,  theils 
einfache,  theils  höchst  complicirte  Systeme  der  Dermatonosen  im 
Laufe  der  Zeit  erstanden  sind,  und  dass  wir  schliessHch  auch 
heute  noch  keines  aufweisen  können,  welches  aUen  Anforde- 
rungen der  Pathologie  und  praktischen  Brauchbarkeit  entspräche. 

Welche  Principien  vorwiegend  bei  den  verschiedenen  Ein- 
theilungssystemen  zur  Geltung,  aber  kaum  jemals  zur  Striefen 
Durchführung  kamen  ,  habe  ich  ebenfalls  angedeutet.  Es  hat 
demnach  auch  kein  actueUes  Interesse  für  Sie,  die  speciellen 
Formeln  jener  im  geschichtlichen  Theile  wesentKch  aufgeführten 
oder  angedeuteten  Systeme  bis  in  aUe  Detaüs  kennen  zu  lernen. 

Bemerkenswerth  scheint  mir,  dass  seit  dem  niisslungenen 
Versuche  Plenck's  die  Hautkrankheiten  einzig  nach  den  Merk- 
malen ihrer  äusseren  Erscheinung,  als  Maciüae,  Papula,  Bullae, 
Crustae  u.  s.  w.  einzutheilen,  das  Bestreben  der  meisten  Autoren, 
welche  die  Hautkrankheiten  klinisch  beherrschten,  dahin  ging, 
die  anatomischen  Charaktere  und  das  sogenannte  „Natürliche", 
d.  i.  die  physikaUschen  Merkmale  der  Dermatopathien  m  einem 
Systeme  harmonisch  zum  Ausdruck  zu  bringen.  ^ 

Bei  der  Ausführung  dieses  Planes  sind  Einige  m  s  Extreme 
gerathen.  indem  sie  die  anatomischen  Verhältnisse  ausschliess- 
lich in  den  Vordergrund  stellten.  So  Er.  Wilson  welcher 
einmal  die  Hautkrankheiten  in  cHe  der  Epidermis,  -des  Kete 
der  Follikel,  der  Gefässe,  der  Nerven  eingetheilt,  was  wohl 
sehr  unnatürlich  ausfallen  musste,  da  ja  in  Wirklichkeit  diese  ana- 
tomischen Gebilde  Wichst  selten  so  abgesondert  erkranken  können. 
Dagegen  halben  Andere  wieder  die  „Natürlichkeit«  m  der  Gvnp- 


Systematik  dev  Hantkrankheiton.  10?) 

,nvuno-  vorwiegend  berücksiclitigt .  wie  Altbert,  wobei  wieder 
e  positive  naturwissenschaftliche  Basis  ganz  verlassen  seinen. 
Eine  mcht  unpassende  Eintheilnng  ist  d.e.iemge  welcher 
die  anatomisch-physiologischen  Verhältnisse  zn  (.runde  liegen, 
tun  1  ist  wissenschaftlich  und  gestattet  zug  eich  die  &rup- 
irunc^  ,1er  Hautkrankheiten  nach  gewissen  natürlichen  Gruppen. 
S  BK^NSrHüHa  hat  sie  am  prägnantesten  formu  irt,  indem  er  die 
Hautkrankheiten  eintheilt  in:  I.  Innervationsstorungen,  n.  Se- 
cretionsstörungen  und  TU.  Nutritiousstörungen. 

Die  Systeniisirung  der  Hautkrankheiten  nach  den  ihnen 
.11  Grunde  liegenden  p  a  t  h  o  1  o  g  i  s  c  h  -  a  n  a  t  o  ni  i  s  c  h  e  n  Charak- 
"ren  ist.  wie  Ihnen  bekannt,  Hbbka's  Werk.  _  Auch  das 
toKA'sche  System  ist,  nach  dem  Geständnisse  seines  eigenen 
S  s  nicht  mängelfrei.  Allein  es  scheint  doch  deii  oben 
aitedelten  .Forderungen  an  eine  wissenschafthche  und  prak- 
Sh  brauchbare  Eintheilnng  der  Hautkrankheiten  von  allen 
loderen  bisher  bekannten  Systemen  zumeist  zu  entsprechen. 
D^halb  ist  auch  dasselbe  von  den  meisten  neueren  Bearbeitern 
der  Hautkrankheiten  theils  ganz,  oder  mit 

ficationen  seines  Inhaltes  angenommen,  theils  zur  Stutze  tni 
die  anderen  Systeme  verwendet  worden. 

Die  Classen,  welche  nach  diesem  Systeme  autgestellt  smd, 
bedeuten  aber  keineswegs  Gruppen  von  Kranldieiten  d^ 
logisch -anatomisch   von    einander   scharf  abgeschieden  sind. 
Solche  Grenzen  gibt  es  ja  bekamitlich  in  den 
gängen  nicht,  da  ja  vielmehi-  von  Hyperamie  zur  Entzundinig 
L  dieser  zur  Neubildung ,  Hyperplasie 

möglichen  Uebergänge  zu  constatiren  sind.  .Ulem  m  ihien 
klinischen  Merkmalen  unterscheiden  sich  die  prägnanten  Voi- 
gänge  denn  doch  autfäUig  von  einander.  Und  damit  wird  eben 
L  hierauf  Bezug  habende  Eintheilnng  wissenschaftlich  zugleich 
und  natürlich,  und  damit  praktisch.  . 

Sie  werden  finden,  dass  schon  nach  den  durch  die  patho- 
logisch-anatomischen Charaktere  markirten  Grenzen  die  Haut- 
krankheiten in  natürliche  Hauptgruppen  sich  abthei  en.  Denn 
jene  Charaktere  bestimmen  ja,  wie  schon  aus  der  allgemeinen 
Svmptomatologie  ersichtlich  war,  den  wesentlichsten  l^ieü  rlei 
klinischen  Erscheinungen.  Die  natürliche  Zusammengehörigkeit 
ist  aber  auchmit  bestimmt  durch  eine  Summe  von  Erscheinungen 
die  durch  den  verschiedenen  Verlauf,  die  Ursachen  und  dnrch 


Sucliste  Vorlesung. 

eio-eiitiiüiuliclie  Umstände  maiinigfaclier  Art  gegeben  «lud.  Nacli 
cUesen  Bedingungen  der  natürl  leben  Zusaminengebörigkeit  können 
uun  cüe  Hautkrankbeiten  innerbalb  des  weiten  Ealnnens  der 
ebizelnen  Classen  nocb  in  kleinere  und  natürKcbe  Gruppen 
unterabgetbeilt  und  übersicbtlicb  gemacbt  werden. 

Wir  balten  luis  demnacb  in  unserem  Vorgeben  an  das 
HEBEA'scbe  System  der  Hautkrankbeiten,  demzufolge  diese  in 
XII  Classen  eingetbeilt  werden,  als: 

I.  Hyperaemiae  cutaneae.  In  Hyperämie bestebende 

Hautkrankbeiten. 

II.  Anämien. 

m.  Anomaliae  Secretionis  cutaneae  etglandu- 
larumcutanearum.  HautaiFectionen,  welcbe  in  funetioneller 
und  nutritiver  Störung  der  Scbweiss- und  Talgdrüsen  besteben, , 
oder  durcb  solcbe  bervorgerufen  werden. 

IV.  Exudationes.  Exsudativ-  oder  Entzün- 
d  u  n  o-  s  V  0  r  g  ä  n  g  e.  Li  diese  Classe  reibt  die  numeriscb  über- 
wieo-ende  Zabl  von  Hautkrankbeitsformen.  Sie  werden  nacb 
Urstcbe,  Verlauf,  morpbologiscbe  Eigenscbaften ,  begleitende 
Erscbeinungen  in  viele  natürUcbe  Gruppen  unterabgetbeilt. 

V.  Ha emorrbagiae  cutaneae.  Li  Hämorrbagie  be- 
stebende Krankbeitsformen  der  Haut. 

VI  Hypertropbiae,  entbaltend  die  Dermatonosen, 
welcbe  anatomiscb  als  Hyperplasie  aUer  oder  einzelner  Gewebe 
der  Haut  sieb  darstellen. 

Vn.  Atropbiae.  . 
Vm.  und  IX.  Neoplasma ta,  u.  z.  VIH.  die  khniscb 
o-ntartig  imd  IX.  die  als  bösartig  sieb  gebenden  Neu- 


ais ö 


bildungen. 

X.  Ulcerationes,  Verscbwärungen. 

XI.  Neuroses.  Hautaffectionen,  welcbe,  obne  nacbweis- 
bare  Texturverändermig  der  Haut,  in  einer  reinen  Functions- 
.störung  der  Hautnerven  besteben,  und 

XIL  Dermatoses  parasitariae,  die  durcb  pflanz- 
licbe  oder  tbieriscbe  Parasiten  bedingten  und  diese  m  ibren 
Sviuptomen  mitbegreifenden  Hautkrankbeiten. 

■  Hiemit  scbreiten  mr  zur  Erörterung  der  speciellen 
Patbologie  der  Hautkrankbeiten. 


Specieller  Theil. 


I.  Olasse. 

Hyperaemiae  cutaneae. 

Durch  Blutübermiung  in        ^T^'^''  Hautschichten 
veranlasste  Hautkrankheiten. 

Siebente  Yoiiesiing. 

■  ■     ■        ,       H=„t     aelive  und  passive,  idioioathisehe  und  sympto- 
Hyperäm.en  der  Haut,    aelive  ^""^J  '  Anämie  der  Haut, 

matisehe  Hyperämien,  Roseola,  Erythems . 

\ls    Hyperaemiae  cutaneae   begreifen  wir  Krankbeits- 
formen,  welche  bei  mannigfacher  Unterschiedlichkeit  m  Bezug 
axxf  Ansehen,  Verlauf  und  Bedeutung  doch  durch  den  gemem- 
schaftKchen  anatomischen  Charakter  sich  auszeichnen,  dass  ihren 
Erscheinungen  lediglich  übermässige  Blutfülle  der  ober- 
flächlichsten     Coriumschichten,     zunächst  des 
Papillarstratums  zu  Grunde  liegt.    Damit  ist  auck 
gesagt    dass  es  sich  hiebei  lecUglich  um  Injection  der 
feinsten   Gefässe,    der   CapiUaren   und  feinsten 
Arterien  und  Venen,  handelt.    Und  weiters,  dass  sobald 
im  Gefolge  einer  solchen  Hyperämie  kenntHchere  Gewebsver- 
änderungen sich  eingestellt  haben,  der  Krankheitsprocess  nicht 
mehr  in  die  hier  aufgestellte  Kategorie  gezählt  werden  kami. 

Nun  wissen  Sie  aus  der  allgemeinen  Pathologie,  dass  die 
Hyperämie  die  Vorstufe  bildet  für  die  meisten  nutritiven 
Störungen,  speciell  für  Entzündung,  Eiterung,  Hyperplasie  und 
Neubildung,  und  dass  in  all' diesen  Fällen  weder  klinisch,  noch 


^^.^  Siebente  Vorlesung. 

lOb 

weniger  niikroskopisoli  eine  scharfe  Grenze  gezogen  werden 
kann\  zwischen  der  Hyperämie  nnd  den  erwähnten  anderen 
Processen,  da  im  Gegentheil  ein  allmähliger  Uebergang  zwischen 
der  ersteren  nnd  dieser  letzteren  der  natnrgeschichtliclien  Wahr- 
heit entspricht. 

Es  könnte  somit  scheinen,  dass  auch  die  systematische 
Anfstellung  einer  dnrch  blosse  Hyperämie  charakterisirten 
Krankheitsgruppe  nicht  gerechtfertigt  wäre. 

Sie  werden  Grelegenheit  haben ,  im  praktischen  Kranken- 
studinm  sich  von  dieser  Berechtigung  zu  überzeugen.    Es  ge- 
hören zwar  hieher  auch  Processe,  welche  über  den  hyperämischen 
Znstand  hinaus  zu  den  angeführten  höhereu  Graden  der  Er- 
nährungsstörung sich  entwickeln  können,  aber  häufig  genug  auf 
dieser  ersten  Stufe  Halt  machen  und  soniit  hieher  gezählt  zu 
werden  verdienen.    Nebstdem  registriren  wir  aber  andere  Vor- 
gänge ,  welche  tvpisch  über  den  Gräd  der  Hyperämie  mcht 
hinauskommen.    Freilich  wird  iinter  Umständen ,  bei  längerer 
Dauer  des  hyperämischen  Zustandes,  schon  in  Folge  der  örtlich 
vermehrten  Nahrungszufuhr  und  unter  gewissen  örtlichen  Be- 
dingungen, welche  die  Hyperämie  begünstigen,  z.  'B.  Verände- 
rung der  (lefässwandung,   Durchtritt   von  BlutfarbstoflP  und 
Blutplasma  etc.  schliesslich  auch  da  eine  palpable  Gewebs- 
alteration sich  einstellen  können.   Vergessen  wir  jedoch  nicht, 
dass  bei  der  Abgrenzung  von  Krankheitsformen  immer  typische 
Symptomengruppen,    das   sind  Durchschnittsbilder   uns  vor- 
schweben. TT       ^1  1 

Die    in    Hyperämie    bestehenden  Hautkrank- 
heiten erscheinen  unter  folgenden  Symptomen:  Blassrosen-, 
lebhaft  blutrothe,  bis  dunkelblaiu^othe,  cyaiiotische,  unter  dem 
Fingerdrncke  erblassende,  gleichmässig  tingirte,  gesprenkelte, 
oder  von  deutlichen  Gefässramificationen  durchzogene,  im  Niveau 
der  Haut  gelegene,  oder  etwas  vorspringende,  auch  qnaddelartige 
Flecke  von    linsen-  bis  fingernagelgrosser   Ausdehnung  — 
M  a  c  u  1  a  e ,  R  0  s  e  0 1  a  e  -  oder  von  grösserem  Umfmige,  diftus, 
von  nnregelmässiger  Gestalt,   oder  fignrirt.    Die  Temperatur 
über  denselben  ist  normal,   oder  massig  bis  bedeutend  erhöht, 
oder  im  Gegentheil  unter  das  Normale  gesunken.  Ihr  Antulüen 
ist  glatt,  geschmeidig,  gleich  der  normalen  Haut,  oder  etwas 
derb.  Massiges  Brennen  oder  Jucken,  oder  andere  Emphndungs- 
störnngen  begleiten  ihren  Bestand,   oder  fehlen  aucl.  gänzlich. 


Hyporaemiae  ciitauoao.  ^^'^ 


Ihr  Verlauf  ist  acut,  auch  typisch,  oft  sehr  fülchtig  (volatile, 

\    ,iav  .^livduisch  manchmal  loersistirend. 
'""^^e^l  'ilhermässiger  Bluti^ection  der  ^h.sten 
(  -efäsJ  hen  der  Papillarschicht,  oder  auch  der  obe.-en  Cormm- 

tP    uw^^^^^^  '^^^  Follikelausführungsgange 

schichte,  j;.^^^^^^^      Wofern  ihr  Verlauf  ein  begrenzter, 

IrSnu  ■  oder  folgt  denselben  durch  kurze 
t^ti::^^.  oder  .n£sige  Sch«  der  Ober- 
Lnt  Manchmal  veranlassen  sie  vermehrte  Secretxon  aus  den 
Tat  imd  Schweissdrüsen.  Länger  oder  dauernd  bestehende 
Hv^erämien  fuhren  zu  Oedem  der  Haut,  sie,  so  .ne  manche 
^nt  verlaufende  HjTerämien  durch  gelegenthche  Steigerung 
des  örtlichen  Processes  auch  zu  Entzündung  ,  Verdictag  und 

Entartune;  des  Gewebes. 

Da  in  Agone  und  aUgemein  im  Tode  die  Hautgetasse  ihren 
Inhalt  nach  den  inneren  Organen  entleeren,  andere  Erscheinungen 
aber  als  Gefässinjection,  bei  den  Hyperämien  nicht  vorkommen, 
so  wird  begreiflicherweise  post  mortem  von  den  Ki-aiikheits- 
iymptomen  der  in  diese  Classe  gehörigen  Krankheiten  sich  keine 

Spur  voriinden.  -,.    -.t  •• 

BekanntUch  unterscheidet  die  Pathologie  die  Hyperam  e 
im  Allgemeinen  als    active    oder  fluxionäre,   und  als 
passive  oder  Stauungshyperämie.   Ihi^e  Erschemnngen 
sind  an  der  Haut  am  besten  studirt.    Unter  der  ersteren  ver- 
steht man  eine  stärkere,  active,  d.  i.  durch  den  Herz-  oder 
Irterienpiüs  getriebene  FüUung  der  Capillaren.   Damit  hangt 
auch  ein  rascheres  Durchströmen  des  Blutes  durch  den  l^etroffenen 
Gefässbezirk  und  die  Erscheinung  der  lebhafteren  Rothe  und 
Temperatiirserhöhung   zusammen.    Denn  das   rascher  durch- 
strömende Blut  hat  weniger  Zeit  carbonisirt  zu  werden  und 
von  seiner  Eigenwärme  etwas  an  das  umgebende  Medium  abzu- 
geben. .  , 
Umgekehrt  fasst  man  die  passive  Hyperämie  zwar  aucli 
als  Blntiiberfiillung,  aber  in  Folge  von  behindertem  ßiickfiusse 
dps  Gefässinhaltes  auf;   demnach  mit  verlangsamter  Strom- 
geschwindigkeit, womit  wieder  die  grössere  Venification  und 
Wärmeabgabe  und  weiters  das  mehr  dnnkelrothe  Colorit  und 
die  Depression  der  Temperatur  zusammenhängen. 

Wir  theilen  daher  auch  die  durch  Hyperämie  bedingten 
Hautkrankheiten  zweckmässig  nach  diesen  zwei  pathologisch 


,  o  Siebente  Vorlesiing. 

lUo 

ano-enommenen  Arten  ab,  als  1.  durcli  active  Hyperämie, 
2.  durch  passive  Hyperämie  bedingte  -Hautkrank- 


heiten. ,    .,  TT 

Es  soll  aber  damit  nur  eine  Unterscheidung  nach  den 
vorwiegenden  klinischen  Merkmalen  gemeint  sein ,  indem  die 
ac'.tiven  Hyperämien  unter  den  Symptomen  einer  mehr 
lebhaften,  zuweilen  mit  Temperaturserhöhung,  mässiger  Schwel- 
liTno-  Reizungsempfindungen,  Brennen  und  Jucken  verbundenen 
Rüthung.    die  passiven  als  mehr  Hvide,   mit  kühler  oder 
herabo'eletzter  Temperatur,  kühler  Schweissabsonderung  mid 
nervösen  Depressionserscheinungen,  wie  Gefühl  von  Taubheit, 
/bneisenlaufen,  selbst  Anästhesie  gepaarte  Hautfärbungen  sich 
darsteUen.    Nach  den  örtlichen  und  entfernteren  Ursachen,  so 
wie  nach  der  Art  des  in  dem  betrofFenen  Gefässbezirke  statt- 
findenden Vorganges  ist  die  Unterscheidung  praktisch  nicht 
durchführbar.    Ich  verweise  in  diesen  Beziehungen  aut  die 
betreffenden  Capital  von  Vibchow,  in  dessen  Handbuch  der 
speciellen  Pathologie  und  von  Stkickeb  in  des  Letzteren  aü- 
gemeiner  Pathologie.  Es  zeigt  sich,  dass  fluxionäre  und  Stauuiigs- 
Hvperäniie  theilweise  durch  dieselben  Ursachen  bedingt  sein 
können,  wie  bei  der  so  genannten  Relaxations-  oder  paralyti- 
schen Hvperämie,  oder  der  Hyperaemia  ex  vacuo,  oder  Aspirations- 
fluxion,"  in  welchen  FäUen  das  Gefässlumen  durch  Parese  der 
Gefässwandung  erweitert  worden.    Oder  weiters    dass  active 
und  passive  Hyperämie,  sich  gegenseitig  bedingend,  örtlich  mit 
einander  combinirt  erscheinen,  -  bei  der  collateralen  Hypei^mie 
wobei  im  Centrum  des  Herdes  Stauung,  in  der  Peripherie  Affluxus 
herrscht.    Oder  endlich,   dass  die  active  Hyperämie  mit  den 
Symptomen  des  raschen  Blutströmens,  in  passive,  mit  den  Ji.r- 
scheinungen  der  Retardation  im  örtlichen  Blutstrom,  sich  ver- 
wandelt, was  bei  jeder  längeren  Dauer  der  ersteren  unter  zu- 
nehmender Atonie  der  Gefässwand  der  Fall  sein  wd. 

Die  activen  Hyperämien  der  Haut  werden  klinisch  als 
Erythema  congestivum  bezeichnet  und  unterschieden  m 
idiopathische  und  symptomatische.  _ 

Die  idiopathischen  activen  Hyperämien  steUen 
Dermatonosen  sensu  stricto  vor.  Sie  entstehen  durch  Reize, 
Schädlichkeiten  im  Allgemeinen,  welche,  indem  sie  direct  die 
Haut  treffen,  örtlich  Hyperämie  hervorrufen.  Nach  der  ^el- 
schiedenen    Natur    dieser   Schädlichkeit    unterscheiden  wir: 


Krvtlii'iiiii,  Kosu'olii. 


109 


Erythematraumaticum.  Es  entsteht  mxterW 
Irl'  duveh  enganliegende  Kleidungsstücke  Mieder-  btrumpf- 
und  Gnrtelbänder,  an  Hautstellen,  welche  im  Liegen  oder  5itzen 
tkeren  Pressionen  ausgesetzt  sind,   durch  das  Ivrat.en  niit 
de    F  n^^^^^^^^       5^-ttiren  der  Haut.    Wenn  diese  Ursachen 
IV  kurfeZeit  einwirken,  ist  auch  das  Erythem  voriibergeliend; 
be  w  irholten  und  dauernden  solchen  Reizungeir  geht  das 
Erv ^Im  in  entzündliche  Processe  iiber,  oder  die  acti.e  Hyperamie 
^.  passive.  Hautstellen,  welche  lange  Zeit  der  Sitz  eines  Erythema 
t  aumaticiim  gewesen  sind,  haben  überhaupt  schon  die  Dispo- 
iZ  zu  ent^indlicher  Erkrankung,  in  Folge  der  unter  solchen 
Umständen  etablirten  Relaxation  ihrer  Gefässe.  Sie  erkranken 
daher  gelegentlich,  wie  bei  Variola,  Scabies,  -el  -tensiver 
als  anctere  Hautstellen.  So  sieht  man  über  den  Sitzknorren  der 
Schuster,  bei  Scabies,  derbe  Entzündungsknoten,  an  den  Ein- 
schnürungsstellen  der  Strumpfbänder,  Leibriemen,  der  TaiUe  bei 
Frauen  Variolenefflorescenzen  in  grösserer  Menge  erscheinen. 

Erythema  caloricum,  als  zumeist  diffuse ,  anfangs 
lebhaftrothe,  später  lividbraun  erscheinende  Röthungen,  welche 
durch  den  Einfluss  von  Sonnenhitze ,  bewegter  warmer  oder 
kalter  Luft  entstehen  und  meist  dunklere  Pigmentation  und 
AbschiÜferung  zur  Folge  haben.  Zu  warme,  oder  zu  kalte 
Bäder  erzeugen  mehr  lebhaft  rothe  und  flüchtige  Erytheme 

Erythema  ab  acribus  seu  venenatum  heisst  die 
Hautröthe,  welche  durch  chemisch-irritirende  Substanzen  hervor- 
gerufen werden,  wie  Senfteige,  Meerrettig,  01-Sinapis,  Cantha- 
riden  eine  Menge  von  Pflanzensäften,  ätherischen  Oelen,  Pflanzen- 
nnd  Raupenhaare,  wie  der  Processionsraupe,  viele  Farbstoffe. 
Bei  längerer  Einwirkung  der  meisten  der  hier  angeführten 
Substanzen  steigert  sich  das  Erythem  zur  Entzündung. 

Die  besprochenen  idiopathischen  Erytheme  müssen  wir  uns 
derart  entstanden  denken,  dass  in  Folge  des  direct  auf  die 
CapiUaren  und  feinsten  Gefässe  einwirkenden  mechanischen, 
calorischen  oder  chemisch-giftigen  Reizes  zunächst  Parese  der 
Gefässnerven,  speciell  der  Vasoconstrictoren  der  betr offenen 
Gefässe,  damit  Dilatation  und  übermässige  Füllung  der  letzteren 
erfolgt.  Es  entstehen  aber  auch  diese  Erytheme  auf  reflecto- 
rischem  Wege,  wie  beim  Ki-atzen.  Der  mechanische  Reiz  wd 
zum  Centraiorgan  geleitet.  In  der  MeduUa  oblongata  und  im 
ganzen  Rückenmark  befinden  sich  die  Ceiitren  der  Gefässnerven, 


Siebente  Vorlesung. 

welche  tlieils  direct,  theils  auf  dem  Umwege  durck  den  8ym- 
pathicus  mit  den  Spijialuerven  zur  Haut  laufen.  (Goltz,  Vulpiax, 
Stbickee  u.  A.)  Icli  beziehe  micli  hierbei  auf  dasjenige,  was  ich 
über  die  Innervation  der  Bhitgefässe  der  Haut  und  ihren  Einfluss 
auf  das  Gefässlumen  und  die  örtliche  Blutcirculation  in  der 
2.  Vorlesung  (pag.  26)  vorgebracht  habe.  So  erklärt  es  sich, 
dass  in  Folge  des  an  einer  Hautstelle  ausgeübten  Reizes  auch 
an  entfernteren ,  vom  Reize  nicht  getroffenen  Hautstellen  die 
Wirkung  der  Irritation  in  der  analogen  Weise  durch  Gefäss- 
erweiterung  und  Hyperämie  sich  kundgibt. 

Die  symptomatischen  activenHyperämien,  oder 
s  y  m  p  1 0  m"a  t  i  s  c  h  e  n  E  r  y  t  h  e  m  e,  sind  begleitende,  oder  Folge- 
Symptome  anderweitiger  allgemeiner,  fieberhafter  oder  fieberloser 
Zustände  des  Gesammt-Organismus  und  einzelner  Systeme,  be- 
sonders des  Centrai-Nervensystems.  Sie  sind  eben  vorwiegend 
als  solche,  vom  Centrai-Nervensystem  direct  oder  reflectorisch 
erregte  Hyperämien  aufzufassen.  Als  bekannteste  Form  führe 
ich  sofort  die  Schamröthe,  die  Rothe  vor  Zorn,  Verdruss, 
psychische  Erregung  überhaupt  an. 

Eine  Sinneswahrnehmung  (oder  auch  die  einer  solchen 
Sinneswahrnehmung  adäquate  VorsteUung),  der  Anblick  eines 
anstössigen  Gegenstandes,  das  Anhören  eines  verletzenden 
Wortes  wird  vom  Bewusstseins-Centrum  percipirt.  Von  da  folgt 
die  Erregiuig  auf  die  Gefässcentra  und  weiters  auf  die  peripheren 
Gefässnerven-Endigungen.  Der  Efi-ect  der  Letzteren  erscheint 
als  Erythema  pudicitiae,  iracundiae.  Es  ist  also  auch  das  durch 
psychische  Vorgänge  erzeugte  Erythem  eüi  reflectorisches. 

'  Im  Säuglings-  und  zarten  Kindesalter  erscheuien  häufig 
Erytheme  als  Reflex  der  centralen  Nervenerregung  und  Symptom 
der  Erkrankung,  welche  diese  Erregung  veranlasst  hat .  z.  B. 
bäufig  wäiirend  der  Dentition,  in  Folge  von  Gastricismen.  bie 
sind  entweder  diffus  —  Erythema  infantile  —  oder  m 
Gestalt  von  linsen-  bis  fingernagelgrossen  Flecken  über  den 
Körper  zerstreut  —  Roseola  infantilis. 

Die  durch  das  Blatterngift,  die  Vaccine,  das  Typliusgd't 
und  Choleracontagium  veranlasste  Blutveränderung  reflectirt 
sich  häufig  durch  den  auf  die  Gefässcentra  ausgeübten 
Reiz  auf  der  Haut  imter  dem  Bilde  .  des  Erythem.  Es 
erscheint  im  Vorläxifer  -  Stadiixm  der  Blattern  als  Ro-seola 
V  a  r  i  0 1 0  s  a  oder  E  r  v  t  h  e  m  a  v  a  r  i  o  1  o  s  u  m .  zumeist  aiif  den 


Passive  Hypei'iuuiüii. 


III 


Handrücken  nud  hu  Sc-henkel-Leistenbug  locahsirt.  Wir  werden 
dasselbe  in  Verbindung  mit  dem  Blatteruprocesse  naher  be- 
surecben  R  o  s  e  o  1  a  c  Ii  o  1  e  r  i  e  a  kommt  im  astbeiusclien  fetadium 
oder  der  Recoiivalescenz  der  Cholera  vor  in  Form  voivdauuieii- 
nao-eloTosseniindai^ch  diffiisen,  meist lividen Flecken.  Roseola 
va°ccinia  tritt  zuweilen  im  Gefolge  der  Impfung  mit  humam- 
sii-ter  oder  originärer  Lymphe  auf.    Roseola  typhosa  ist 
Emen  bekannt.  Und  so  mag  es  noch  verschiedene,  im  Organis- 
mus o-elegene  Ursachen  und  Zustände  der  Blutmasse,  «der  eui- 
zehierSvsteme  geben,  als  deren  Symptom  oder  Reflex  Erythem 
auf  der  Haut  erscheint.  Darauf  beziehen  sich  die  bei  manchen 
Autoren  erwähnten  Namen  einer  Roseola  febrilis,  rheiimatica, 
feu  de  dents,  Nirliis,  Strophulus  volaticus,  Rash,  Rosalia, 
Wiebeln,  Rittein,  Peuermasern  u.  s.  w.  ^ 

Ich  mache  darauf  aufmerksam,  dass  aUe  diese  Formen 
von  Roseola  als  HautafPection  nicht  viel  besagen,  da  sie  ja 
weder  subjectiv  molestiren,  noch  örtliche  Folgen  zurücklassen; 
dass  sie  ferners  auch  bezüglich  des  Verlaufes  jener  Krankheiten, 
als  deren  Symptom  sie  erscheinen,  nicht  die  geringste  progno- 
stische Bedeutung  besitzen.  Ihre  Kenntniss  ist  dennoch_  nicht 
nur  pathologisch  interessant,  sondern  auch  praktisch  wichtig, 
schon  ans  dem  Grmide,  um  die  Kranken  und  ihre  Angehörigen 
über  die  geringe  Bedeutung  der  Affection  beruhigen  und  uns 
vor  deren  Verwechslung  mit  Masern,  Scharlach  und  ähnlichen, 
bedeutungsvolleren  Dermatonosen  hüten  zu  können. 

Eme  Behau  dl  nng  der  Erytheme  ist  überflüssig.  Gegen 
Empfinduno-  a^ou  Brennen  und  Jucken  können  kühlende  Appli- 
cationen  zur  Anwendung  kommen.  Kaltes  Wasser ,  Betupfen 
mit  Alkohol,  einfach,  oder  mit  Zusatz  von  Acid.  carbohcum 
(0-50 : 100-00),  Acid.  salicylicum,  und  Aehnliches. 

Die  passive  Hyperämie  erscheint  unter  dem  schon  früher 
erwähnten  Bilde  einer  mehr  dunkelnuancirten ,  bläulichen  bis 
schwarzblauen  Röthung,  manchmal  einer  bleigrauen  Lijection, 
welche  unter  dem  Fingerdrucke  schwindet.  Dabei  ist  die  be- 
tretfende  HautsteUe  sonst  unverändert  oder  ödeniatös,  von 
normaler,  oder  verminderter  Wärme. 

Das  wesentliclie  der  passiven  Hyperämie  ist  iimuer  eine 
Verlangsamung  des  örtlichen  Blutstromes ,  welche  wieder  die 
Folge  eines  Missverhältnisses  zwischen  der  Triebkraft  und  den 
Widerständen  (VmcHOw)  ist.    Aber  die  Umstände  sind  sehr 


■j^j2  Siebente  Vorlesung. 

mannigfach,  nntev  welchen  dieses  Hissvevhältniss  zu  Stande 
kommt.  Es  kann  die  Triebkraft  vom  Herzen  selbst,  oder  von 
den  Arterien,  bei  der  atheromatösen  Erkrankung,  absolut  zu 
gering,  oder  relativ  geringer  sein,  weil  die  Reibungswiderstände 
in  den'  Gefässwänden  sich  gesteigert  haben.  Es  mag  die  locale 
Verlangsamung  des  Blutstromes  erfolgen,  weil  das  Lumen  der 
Gefässcheii  sich  erweitert  hat  und  das  Letztere  wieder,  einmal 
wen  RückStauung  des  Blutes  durch  mechanische  Hindernisse 
des  Abflusses  stattfindet,  oder  die  Gefässwandungen  wegen 
substantieller  Erkrankung,  oder  neuroparalytischer  Zustände, 
oder  durch  Attraction  bei  der  Wirkung  ex  vacuo  nachgiebiger 
und  ausdehnbarer  geworden.  Und  es  können  alle  diese  Momente 
auch  örtlich  mannigfach  sich  combiniren. 

Darnach  wird  auch  die  passive  Hyperämie  euanial  vorerst 
die  Endarterien  und  Capillaren,  ein  andermal  vorerst  die  feinsten 
Venenmirzeln  betreffen,  mehr  den  arteriellen Lijectionen  gleichen, 
oder  von  vornherein  den  venösen  Charakter  an  sich  tragen. 

Klinisch  orientiren  wir  uns  deshalb  auch  am  besten,  wenn 
wir  die  passiven  Hyperämien  nach  den  hier  angedeuteten 
Möglichkeiten  ihrer  Entstehung  registriren.  Die  passiven 
Hyperämien  entstehen  zum  Theile  im  Gefolge  j euer  TJ r- 
sachen,  welche  als  örtlich  die  Haut  treffende  Schädlichkeiten, 
Traxxmen,  chemische  oder  calorische  Reize,  zunächst  active 
Hyperämie  zur  Folge  haben,  indem  nach  längerer  Einwirkung 
jener  Ursachen  das  lebhafte  Roth  in  dunkleres  Blauro  th  über- 
geht. (Livedo  traumatica,  a  venenatis,  calorica.)  Ich  habe  schon 
früher  angegeben,  dass  dieser  Zustand  einen  höheren  G-rad  der 
relaxativen  Hyperämie  bedeutet,  die  Folge  einer  vollständigeren 
Atonie  der  betreffenden  feinsten  G-efässe.  Wir  sehen  dies  nach 
Einwirkung  der  früher  angeführten  Hautreize,  besonders  aber 
bei  länger  andauerndem  Druck  von  Seite  harter  Unterlagen, 
beim  Sitzen,  Liegen,  von  Gurten,  enganliegenden  Kleidungs- 
\md  Verbandstücken.  Daran  knüpfen  sich  zunächst  die  passiven 
Hyperämien  in  Folge  von  mechanischer  Behinderung  des  venösen 
Blutstromes,  die  sog.  Stauung shyp er ämie.  Je  mehr 
peripher  das  Hinderniss  liegt,  desto  kleiner  ist  das  zur  Ektasie 
und  Blutüberfüllung  gelangende  Gefässgebiet.  Man  nennt  die 
in  diese  Kategorie  fallende  Röthung  Livedo,  im  Gegen satze 
zwv  Cyanosis,  der  allgemeinen  .,B1  au  sucht",  deren  Ur- 
sache im  Herzen,  oder  den  diesem  nahen  grossen  Gefässeu  Hegt. 


Passive  Hyporämieu.  Ll'.j 

Die  acute  Torrn  der  idiopathischen  Stauungshyperämie, 
Livedo  mechanica  ,  ist  am  klarsten  in  den  Erscheinungen 
vepräsentirt,  welche  durch  das  Anlegen  der  Aderlassbinde  um 
die  Circumferenz  des  Oberarmes  hervorgerufen  werden.  Auspitz 
luit  diese  Erscheinungen  experimentell  geprüft,  sowohl  bei  sonst 
oisimder  Haut,  als  solcher,  welche  gleichzeitig  der  Sitz  eines 
Exanthems,  Erythem,  Urticaria,  Scharlach,  Variola  und  Variola 
hämorrhagica,  Eczem,  Erysipel  war.  Abgesehen  von  den  hiebei 
o-emachten  lehrreichen  AVahrnehmungen ,   welche  auf  die  Ver- 
tlieihuig  der  grossen  Gefässe  bezogen  werden  müssen  und  zu 
Erürteiningen  von  allgemein  pathologischen  Fragen  Veranlassiing 
o-aben.  hat  Aüspitz  die  Entstehung  von  verschieden  nüancirter 
Bläuung,  daneben  das  schon  von  Hebra  betonte  Auftreten  von 
Zinnoberrothen  Flecken  hervorgehoben,  welche  nach  Beseitigung 
der  Ligatur  nicht  sobald  schwinden  und  braime  Pigmentirang 
znrücklassen ,  so  wie  das  Erscheinen  von  weissen  Flecken  um 
die  cyanotischen  oder  die  zinnoberrothen.  Für  die  Entstehung 
der  zinnoberrothen  Flecke  scheint  mir  die  Erldärung  Auspitz's 
plausibel.    Derzufolge  entstünden  sie  durch  Beimengung  von 
durch  die  Gefässwand  ausgetretenem  Blutfarbstoff  zu  dem  m 
die  Gewebe  transsudirten  Blutserum  (Oedem).  Die  blassen,  oder 
weissen  Flecke  dagegen  würden  nach  den  AVahrnehmungen, 
welche  bei  experiauentell  veranlasster  Stauung  (Unterbindung, 
Embolisiriing)  der  Circulation  unter  dem  Mikroskope  gemacht 
worden  sind  (Stricker,  Cohniieim),  damit  erklärt  werden  können, 
dass  einzelne  Gefässstrecken  ganz  aus  dem  Kreislauf  ausge- 
sr.haltet  werden,  oder  nur  von  farblosem  Serum  er^iillt  bleiben, 
also  blass  erscheinen,  während  andere  von  stagnirenden  rothen 
Blutkörperchen  vollgepfropft  sind.    Bei  Andauer  der  Stauung 
könunt  es  auch  zu  Hämorrhagie,   d.  i.  Austritt  von  rothen 
Blutkörperchen  in  die  Gewebe,  theils  durch  Ehexis,  Zerreissung 
kleinster  Gefässe ,  theils  per  Diapaedesin.    Hat  ja  Stricker 
erst  jüngst  nachgewiesen ,   dass  bei  Stauung  durch  die  Wan- 
dung der  Capillargefässe  rothe  Blutkörperchen  in  mü^rosko- 
pischen  Häufchen  durchtreten  können. 

Die  Empfindung' von  Ameisenlaufen,  Taubheit,  Lähmung 
wird  bei  acuter  Entstehung  oder  Steigerung  von  Livedo 
mehanica  empfunden.  Bei  längerer  Dauer  und  gleichmässigem 
Verhalten  ist  die  Empfindung  normal ,  die  Temperatur  jedocli 
meist  herabgesetzt.    Als  weitere  Folgen  können  Oedem ,  Ent- 

Kaposi,  Hantkranlihciten.  ^ 


114 


Siebente  "Vorlesung. 


Zündung,  Blutaiistritt  (Eccliymosirung),  Grewebszerfall  (Nekro- 
biose)  lind  Grangrän  in  imterscliiedliclier  Ausdehnung  sicli 
einstellen. 

Wenn  auch  häufig  sich  wiederholend,  so  ist  doch  jene  Art 
von  Stauungshyperämie  meist  vorübergehend,  welche  peripher 
A^on  enganliegenden  Bandagen,  Grurten,  Miedern,  Strumpf- 
bändern etc.  veranlasst  wird.  Etwas  länger  währt  die  an  oft 
und  lange  gedrückten  Hautstellen  entstandene  passive  H;)'perämie, 
wie  am  Gresässe,  Kreuzbein,  bei  Personen  die  lange  in  derselben 
Stellung  sitzend,  oder  liegend  zubringen.  Hier  concurriren  aller- 
dings nebst  der  Circulationsbehinderung  durch  mechanischen 
Druck  auch  die  Parese  der  G-efässwandung  und  die  Eigenschwere 
des  Blutes,  welches  an  den  abhängigen  Stellen  sich  mehr  an- 
sammelt. 

An  den  TInterextremitäten  kommt  Livedo  mechanica  häufig 
in  chronischem  Bestände  vor,  in  Folge  von  Druck  auf  die  rück- 
führenden Yenen  durch  Tumoren,  Exostosen,  Knochencallus  der 
Extremität,  oder  in  der  Bauch-  und  Beckenhöhle  lagernde 
Geschwülste. 

Auch  die  collaterale  Hyperämie,  bei  Verstopfung 
eines  Haupt-Circulationsweges  durch  Embolie  oder  Thrombose, 
anfangs  fluxionär  und  activ ,  wird  sodami  eine  passive  oder 
Stauungshyperämie,  um  so  mehr,  je  weniger  die  örtlichen  Ver- 
hältnisse eine  rasche  Ausgleichung  der  Circulations-Hemmung 
gestatten. 

Je  näher  das  mechanische  Circulations  -  Hinderniss  zum 
Herzen,  od^  wenn  es  gar  in  diesem  selber  liegt,  desto  allge- 
meiner wird  die  passive  Hyperämie.  Sie  heisst  dann  Cyanose, 
Blausucht,  Morbus  coeruleus.  Dieselbe  entwickelt  sich  bei  hoch- 
gradigem acuten  und  chronischen  Emphysem,  Geschwülsten  des 
Mediastinum  und  allen  organischen  Herzfehlern,  welche  eine 
E,ückstauung  des  venösen  Blutes  bedingen. 

Viele  örtlich  beschränkte  oder  allgemeiner  verbreitete 
Bläuungen  der  Haut  beruhen  auf  einer  relaxativen  oder 
paralytischen  Hyperämie,  sind  also  bedingt  durch  eine 
primäre  Nachgiebigkeit  der  Gefässwandung  und  Ausdehnung 
des  Gefässlumens.  So  zunächst  die  sogenannte  Hyperaemia 
ex  vacuo,  oder  die  in  Folge  verminderten  "Wider- 
standes, verringerter  Stützung  der  Gefässwände.  Hieher 
gehört  die  Hyperämie,  welche  dem  Ansetzen  des  trockenen 


Passive  Hj'perämien. 


115 


Scliröpfkopies  folgt.  Hiedurcli  wird  ein  luftverdünnter  Eaum 
o-escliaffen  und  das  Blut  nach  hydrodynamiscliem  Gesetze  mit 
grösserer  Vehemenz  nach  demselben  gejagt,  respective  durcli  den- 
selben aspirirt.  Ebenso  werden  Grefässe,  deren  Stützgewebe  durch. 
Narbenretraction  verzerrt  oder ,  wie  bei  marantisclien,  die  Ge- 
sanimternährung  herabsetzenden  Zuständen,  relaxirt  wird,  ausge- 
dehnt und  der  Sitz  passiver  Blutüberfüllung  werden.  Dabei  macht 
sich  das  Gesetz  der  Schwere  insoferne  geltend,  als  die  venöse 
Blutsäule,  da,  wo-  sie  im  Rückfluss  die  Eigenschwere  zu  über- 
winden liat,  langsamer  fliesst,  sich  staut  und  die  Gefässe  um 
so  leichter  ausdehnt,  je  mehr  deren  Wandxing  schon  relaxirt 
war,  sei  es  durch  die  eben  genannten,  oder  die  noch  anzii- 
führenden  Ursachen.  Dies  bezieht  sich  vorwiegend  auf  die 
Unterextremitäten,  an  denen  bei  Personen,  die  habituell  viel 
stehen,  die  Beine  herabhängend  halten  müssen,  Yenektasien  und 
Livedo  nebst  den  begleitenden  und  Eolgezuständen  sich  habili- 
tireh,  und  um  so  leichter,  je  schlapper  auch  das  übrige  Gewebe 
bei  denselben  ist. 

"Weitere  Ursachen  der  relaxativen  passiven  Hyperämie 
sind  in  substantiellen  Erkrankungen  der  Gefäss- 
w  a  n  d  u  n  g  e  n  gegeben,  wie  derj  enigen,  welche  die  Varicositäten 
der  Unterextremität- Venen  theils  einleiten  ,  theils  compliciren. 

Endlich  liegt  ihre  Veranlassung  in  einer  neurotischen 
Relaxation,  deren  wesentliche  Bedeutung  darin  besteht,  dass 
die  Vasoconstrictores  paretisch  oder  gelähmt  werden.  Dies 
kann  beschränkte  Gefässbezirke  betreffen.  So  wären  die  im 
Gefolge  von  Hautreizen  und  a  venenatis  entstandenen  passiven 
Hyperämien,  welche  der  derart  erzeugten  activen  Blutüberfüllung 
zu  folgen  pflegen,  hieher  zu  zählen.  Eben  so  die  Livedo 
calorica,  welche  bei  plötzlicher  Abkühlung  der  Haut  als 
blaiu'othe  Marmorirung  der  letzteren  sich  präsentirt,  oder  als 
diffuse,  dunkelblaurothe,  mit  zinnoberrothen  Zeichnungen  unter- 
mischte Hautinjectionen  an  der  Nasenspitze ,  an  den  Eingern 
und  Zehen  von  Personen  sich  einstellen,  die  lange  Zeit  in  kalten 
Räumen,  oder  in  der  freien  Kälte  sich  aufhalten. 

Literessant  und  literarisch  vielfach  ventilirt  sind  die  Fälle, 
bei  denen  im  Verbreitungsbezirke  solcher  Nervenstämme,  die 
durch  Narben  gedrückt,  gereizt,  oder  atrophisch  geworden, 
chronische  Röthungen  sich  einstellen,  verbunden  mit  herab- 
gesetzter, manchmal  erhöhter  Temperatur,  Empfindung  von. 

8* 


■[  YC,  Siebente  Vorlesung.    Passive  Hyperämien. 

Taubsein  und  Ameisenkrieclien,  oder  im  Gegeiitlieil  glüliendem 
:Brenneii  und  Sclimerz  (glossy  skin  der  amerikanischen  Autoren), 
auiFallender  Trockenheit,  oder  Absonderung  kalter  Scliweiss- 
tropfen,  Oder  es  kann  der  neuroparalytisclie  Einfluss  vom 
Centrai-Nervensystem,  vom  centralen  Sitze  der  Glefässinnervation 
hergeleitet  werden,  wie  bei  der  an  den  periphersten  Körper- 
theilen,  Händen  und  Füssen  und  der  Nasenspitze  sich  etabliren- 
den  Bläuung  und  Temperaturherabsetziuig  Grehirn-  und  Rücken- 
markkranker und  chloranaemischer  Personen. 

Aus  dem  Angeführten  ist  ersichtlich,  dass  die  nächste 
'Ursache  der  passiven  Hyperämie  stets  in  einer  mit  Erweiterung 
der  feinsten  G-efässchen  und  auch  gröberen  Venenstämme  ge- 
paarten Verlangsamung  des  venösen  Blutstromes  gelegen  ist, 
dass  die  entfernteren  Ursachen  aber  theils  örtKche  und  periphere, 
theils  allgemeine  und  centrale,  im  Grefässsystem,  oder  ausserhalb 
desselben,  in  mechanischen  oder  neurotischen  Einflüssen  ge- 
legen sind. 

Dem  entsprechend  ist  auch  der  Verlauf  der  Livedo  und 
Cyanosis  einmal  ein  kurzer,  ein  andermal  chronisch  oder  dauernd. 
In  letzterem  Falle  bleiben  wohl  bedeutendere  Folgeerscheinungen 
und  CompKcationen,  als  Oedem,  Entzündung,  Muskelschwäche, 
Grangrän  u.  s.  w.  nicht  aus.. 

Von  einer  Behandlung  'der  passiven  Hyperämien  kann 
nur  insoweit  die  Rede  sein,  als  einzelne  Symptome  zur  Bekäm- 
pfung einladen  oder  geeignet  sind  ,  oder  als  eine  Beseitigung  der 
nächsten  oder  entfernteren  Ursachen  des  Uebels  erreichbar  wäre. 


II.  Olasse. 


Anaemiae  cutaneae. 

Durch  verminderten  Blutgehalt  ihrer  feinsten  Gefässe  verursachte 
krankhafte  Erscheinungen  der  Haut. 

Anschliessend  an  die  Hyperämien  will  ich  gleich  die 
Anämien  der  Haut  besprechen. 

Die  Anämie  der  Haut  bedeutet  mangelhafte  Füllung 
ihrer  feinsten  Grefässe  mit  Blnt ,  oder  bei  genügender  Injection, 
doch  Mangel  an  Gehalt  von  rothen  Blutkörperchen.  In  ersterem 
Talle  haben  wir  eigentliche  OKgämie  ,  Anämie  oder  Ischämie 
(YmCHOw)  vor  uns,  im  letzteren  die  als  Leukämie,  Leukokyth- 
ämie  bekannten  Zustände. 

Die  anämische,  im  vulgären  Sinne  „blutleere"  Haut  er- 
scheint blass,  alabasterweiss,  wachsfarben,  leichenfahl,  schmutzig- 
weiss ,  weiss  mit  einem  Stich  in's  Gelbliche.  Diese  Nuancen 
der  Färbung  hängen  davon  ab,  ob  die  Anämie  plötzlich  oder 
allmälig  entstanden,  vorübergehend  oder  andauernd,  mit  oder 
ohne  qualitative  Veränderung  des  Bkites  und  der  allgemeinen 
Ernährung  verbunden  ist,  an  einem  turgescirenden  oder  welken 
Hautorgan  auftritt.  Jede  von  Hau»  sehr  dunkel  pigmentirte 
Hautstelle,  also  auch  die  Haut  der  Neger,  sieht  im  anämischen 
Zustande  nicht  blass,  sondern  noch  mehr  dunkel  gefärbt  aus, 
weil  mit  der  Blutleere  auch  eine  Verringerung  der  Gewebs- 
durchtränkung  mit  Serum,  d.  i.  des  Turgors  sich  einstellt, 
Corium  und  Epidermis  sich  falten  (runzeln)  und  die  pigment- 
haltigen Zellen  näher  an  einander  rücken. 

Mit  dem  anämischen  Erblassen  ist  örtlich  auch  eine  Ver- 
minderjing  der  Hauttemperatur  vergesellschaftet.    Nur  bei  ge- 


118 


Siebente  "Vorlesung. 


wissen  Formen  der  chronischen  Anämie  kann  im  Gegentheil 

die  Haiitwärme  erhöht  sein. 

Abnorme  Empfindungserscheinnngen,  das  Gefühl  von  Taub- 
sein ,  Ameisenlaufen,  vollständige  Anästhesie,  Frösteln,  in 
seltenen  FäUen  heftiger  Schmerz,  gehören  zu  den  begleitenden 
subjectiven  Symptomen  der  Hautanämien. 

Auffallende  örtliche  Ernährungsstörungen,  mit  Ausnahme 
der  erwähnten  Verminderung  des  Turgor  cutis  sind  zwar  im 
Allgemeinen  nicht  zu  beobachten,  doch  kömmt  es  manchmal 
zu  Oedem,  bei  langandauernder  Anämie  zu  Alterationen  der 
Secretion  und  Epidermisbildung,  womit  die  Haut,  einmal  trocken, 
spröde  wird,  oder  im  Gegentheil  abnorm  kalten  Schweiss 
oder  Fett  absondert,  die  Oberhaiit  reichlich  in  feineren,  fettig 
sich  anfühlenden  oder  trockenen  Schüppchen  abhielt  (Defur- 
furatio,  Pityriasis  tabescentium). 

Andere  begleitende  und  •  Folgesymptome  ,  wie  allgemeine 
schlechte  Ernährung,  Effluvium  capillorum,  Gangrän  und  tödt- 
licher  Ausgang  bei  Embolie  in  periphere  Arterienstämme  etc. 
gehören  nicht  der  Hatitanämie  als  solcher  an,  sondern  jenen 
Zuständen  des  Organismus,  der  Blutbeschaffenheit,  des  Centrai- 
nervensystems,  des  Herzens  u.  s.  w.,  welche  die  Anämie  der 
Haut  als  entfernte  Ursachen  verschuldet  haben. 

Die  nächste  Ursache  der  Hautanämie  kann  nur  in  einer 
mangelhaften  Zufuhr  von  Blut  in  die  feinsten  Hautgefässe  oder 
in  der  aUgemeinen  Armuth  des  Blutes  an  rothen  Blutkörper- 
chen Hegen.  In  letzterem  FaUe  wird  die  Hautblässe  sicher 
allgemein,  im  ersteren  einmal  universell,  ein  andermal  örtlich 
bescliränkt  sein  können. 

So  entsteht  aUgemeine  Hautanämie  bei  plötzlicher  Ver- 
minderung der  Blutmenge  in  Folge  von  Hämorrhagien  nach 
Aussen  (Metrorrhagie,  bei  Operationen),  oder  nach  inneren  Or- 
ganen, womit,  bei  excessivem  Grade,  in  Folge  der  gleichzeitigen 
Anämie  des  Gehirnes,  die  bekannten  Ohnmachtserscheiiiungen, 
Erblassen  der  Lippen,  der  Schleimhäute,  Blässe  und  Kälte 
der  Haut,  Flimmern  vor  den  Augen,  Lähmung  der  Muskehi, 
Bewusstlosigkeit,  StiUstand  der  Herz-  und  Athmungsthätigkeit, 
eventuell  der  Tod  eintritt.  Auch  eine  plötzliche  Verschiebung 
des  genügend  vorhandenen  Blutquantums  kann  örtlich  Aaiämie, 
bei  gleichzeitiger  Hyperämie  anderer  Partien  und  alle  Folgen 
jener  veranlassen.  Hieher  möchte  ich  die  Fälle  von  Ohnmacht 


Anämie  der  Haut. 


119 


\md  von  plötzlichem  TocTeseintritt  reelinen,  welelie  nach  Lösen 
der  nach  Esmakch's  Verfahren  angelegten  Binde  beobachtet 
worden  sind.  Indem  in  die  dnrch  die  Umschnürung  entleerten 
und  durch  den  Druck  wahrscheinlich  paretisch  gewordenen 
Gefässe  einer.  Unterextremität  plötzlich  ein  grosses  Quantum 
Blut  eingetrieben  oder  aspirirt  wird,  erblassen  andere  Haut- 
partien und  wird  auch  das  Gehirn  anämisch,  womit  dann  der 
weitere  Symptomencomplex  der  Ohnmacht ,  eventuell  der  Ein- 
tritt des  Todes  zwar  sehr  überraschend,  aber  doch  erklärlich  wird. 

Allgemeine  chronische  Hautanämie  ist  Folge  einer  mangel- 
haften Blutbildung  nach  Quantum  oder  auch  nur  Quäle,  wie 
solche  als  Symptom  der  Chlorose,  als  Folge  von  Scrophulose, 
Milztumoren,  Tuberculose,  protrahirten,  fieberhaften  und  depas-  ^ 
cirenden  Krankheiten  sich  einstellt. 

Bei  normalem  Blutvorrath  und  normaler  BlutbeschatFenheit 
kann  weiters  allgemeine  oder  örtliche  Hautanämie 
durch  N.erveneinflüsse  bedingt  werden.  Man  muss  sich 
vorstellen,  dass  hierbei  die  feinsten  Arterien  und  die  Capillaren 
sich  contrahiren  und  dem  Eintritt  von  genügenden  Blutmengen, 
d.  i.  der  normmässigen  Injection  mit  rothem  Blut  ein  Hinder- 
niss  entgegensetzen.  Von  der  Contractilität  der  Arterien  nicht 
zu  reden ,  steht  heute  nach  den  Untersuchungen  von  Golubew, 
Tachanoff  und  neuerlichst  von  Stricker  auch  der  Annahme 
nichts  im  Wege,  dass  selbst  die  Capillaren  einer  Contraction 
und  zur  Verengerung  ihres  Lumens  auf  Reize  hin  fähig  sind, 
Unter  Umständen  (wie  im  Eroststadium  des  Eieberanfalles) 
mag  auch  die  Contraction  der  in  der  Cutis  verbreiteten  organi- 
schen Muskelfasern,  welche  streckenweise  imter  den  Papillen 
Netze  bilden,  zur  Constriction  der  in  die  Papillen  eintretenden 
Gefässe  und  zur  Entstehung  der  Hai^tblässe  das  Ihrige  bei- 
tragen. 

So  entstehen  die  örtlichen  Hautanämien  mit  den  Er- 
scheinungen der  Blässe  und  Herabsetzung  der  Temperatur  und 
Empfindung  bei  der  behufs  örtlicher  Anästhesirung  auf  die 
Haut  applicirten  Kälte,  Spray  von  Schwefeläther  und  Chloro- 
form,  beim  Elektrisiren ;  eben  so  unter  dem  Einflüsse  niedrig 
temperirter  Medien,  kalter  Luft,  kalter  Bäder  iind  Douchen. 
Hier  ist  es  der  locale  Reiz,  welcher  Contraction  der  von 
Nerven  versorgten  Gefässe  und  Anämie  veranlasst.  Wie 
schon  bei  den  Hyperämien  erwähnt ,  folgt  allen   diesen  Zu- 


^2Q  Siebente  Vorlesung. 

ständen  nacliträglich  Ektasie  und   Bliitüberfüllung  der  Haut- 
gefässe.     Der   gleiclie   ElFect  mit   Anämie   der   Haut  kann 
Yom  C  entralnervensystem  ansgeken  und  dann  meist  als 
allgemeine  Blässe  der  Haut  zur  Ersclieimmg  kommen ,  wie  im 
Eroststadinm  des  Fiebers,  bei  der  psyckiscken  Erregung  von 
Schreck,  Zorn,  Angst,  Neid  und  der  Olmmacht  überhaupt. 
Oder  diese  Wirkung  wird  r  eflectorisch  hervorgerufen,  z.  B. 
von  den  Hantnerven,  wie  bei  der  Hantblässe,   eventuell  Olm- 
macht  in  Folge  von  selbst  nur  wenig  schmerzhaften  Erregungen 
an  der  Haut,  bei  kleinen  Operationen,  oder  reflectorisch  von 
den  splanchnischen  Nerven  ans,  bei  der  Blässe,  welche  bei 
MagenüberfüUiing,  Kolik  etc.  das  Uebelsem  begleitet,  oder  dem 
Erbrechen  vorangeht. 

Noch  möchte  ich  der  Hautanämie  in  Folge  von  Com- 
pression  der  feinsten  Hautgefässe  gedenken.  Durch  Liegen, 
Druck  von  Bändern  gedruckte  Hautstellen  erscheinen  anämisch 
blass,  werden  von  Kriebel-Empfindung  oder  „Taubseiir',  selbst 
Anästhesie  befallen.  Doch  ist  dieser ,  Zustand  stets  vorüber- 
gehend. 

Dauernd  ist  die  Hautblässe  bei  Compression  der  feinsten 
Gefässe  durch  stagnirendes  Grewebsödem.  Die  Haut  ist  dabei 
gespannt ,  glänzend  ,  alabasterartig  oder  von  wächsernem  An- 
se  hen. 

(Verstopfun  g  grosser  Arterien  durch  Embolie  oder  Druck 
von  G-eschwülsten  führt  rasch  zu  coUateraler  Hyperämie,  wofern 
nicht  Mumificirung  eintritt.) 

Nach  der  Verschiedenheit  der  angeführten  veranlassenden 
Momente  wird  die  Hautanämie  vorübergehend  sein,  länger 
oder  für  immer  bestehen. 

Als  HautafFection  könmit  ihr  demnach  durchwegs  eine 
mehr  symptomatische  Bedeutung  zu,  indem  zugleich  Prognose 
und  Therapie  von  den  Ursachen  der  Hautanämie  beeinflixsst 
wird.  AllenfaUs  kann  noch  die  Behandlung  der  früher  aufge- 
zählten Folgezustände  Pityriasis ,  Alopecia  etc.  nebenbei  zur 
Aufgabe  fallen. 

Die  d i  a  g n  0  s  t  i-s  c  h  e  FeststeUung  der  Hautanäniie  ist  aber 
nichtsweniger  von  Wichtigkeit,  sowolil  zur  Ergänzung  des  am  Indi- 
^iduum  vorgefundenen  pathologischen  Gesanuntbildes  als  wegen 
des  EiuEusses,  welchen  die  Hautanämie  auf  die  Beschatfenheit 
anderweitiger,  gleichzeitig  bestehender  Dermatouosen  und  krank- 


Anämie  der  Haut.  121 

liafter  rormatioiien  ausübt.  Insoweit  nämlich  ein  wesentliclier 
Charakter  der  letzteren  in  Injectionsrötlie  und  Turgescenz  besteht, 
wird  derselbe  mit  dem  Eintritt  von  Hautanämie  sofort  verwischt, 
wie  im  Tode.    So  geringfügig  diese  Thatsache ,  so  selbstver- 
ständlich, so  bedeutungsvoll  war  doch  ihre  Constatirung  und 
richtige  Deutung.    Mit  derselben  hat  Hebea  das   alte  Vor- 
urtheS    vom    Ziirücktreten    der  Hautausschläge  erfolgreich 
bekämpft,   indem  er  zeigte,    dass   nur  die  Hautanämie  es 
bewke,  wenn  z.  B.  eine  lang  bestandene  Psoriasis  nach  einer 
starken  Hämorrhagie  blass,  wie  plötzlich  verschwunden  er- 
scheint, oder  im  Verlaufe  einer  depascirenden  Krankheit,  die 
mit  Blässe  und  Deturgescenz  der  Haut  verknüpft  ist,  sich 
thatsächlich  zui'ückbildet.    Denn  mit  der  Rückkehr  der  nor- 
malen Hautinjection  und  Turgescenz  des  Hautgewebes  steht 
das  Exanthem  ebenfaUs  wieder  kenntlich  da,  oder  regenerirt 
sich  dasselbe. 

Sie  werden  nicht  in  den  Fehler  der  früheren  Zeiten  zurück- 
fallen ,  sondern  jederzeit  den  Thatsachen  in  dem  angedeuteten 
Smnei  CoUegen  und  den  Kranken  gegenüber,  Geltung  ver- 
schaffen. 


III.  Olasse. 


Anomaliae  secretionis  cutaneae  et 
2:laDdulamm  cutaneamm. 

Durch  Abnormitäten  der  Hantsecretion  und  der  Hautdrüsen 
veranlasste  Hautkrankheiten. 

Achte  Vorlesung. 

Anomalien  der  Hautperspiration  und  Schweiss- 

secretion, 

Bromidrosis.  Physiologie  der  Sehweissabsonderung ;  chemische  Be- 
schaffenheit des  Sehweisses  und  krankhafte  Sehweissabsonderung. 
Quantitative  Störungen:  Hyperidrosis  universalis  et  localis.  Oertliehe 
und  allgemeine  Folgen  und  Complieationen.  Therapie.  Anidrosis.  Qu a  1  i  ta- 
ti  ve  Anomalien   der  Sehweissabsonderung.  Anatomische  Veränderungen 

der  Sehweissdrüsen, 

Die  in  die  3.  Classe  unseres  Systemes  eingereihten  Haut- 
krankheiten bestehen  wesentlich  in  Abnormitäten  des 
Drüsenapparates  der  Haut  und  manifestiren  sich  vorwie- 
gend in  zweierlei  Art:  1.  als  f  unctionelle  ,  2.  als  nixtri- 
tive  Störungen  desselben. 

DiefunctionellenStörungender  Hautdrüsen  bedeu- 
ten eo  ipso  Anomalien  der  Hantsecretion.  Von  diesen 
wollen  wir  zuerst  handeln.  Da  aber  die  Hantsecretion  einen 
wesentlichen  Einfluss  auf  die  Beschaffenheit  der  allgemeinen 
Decke,  namentlich  der  Epidermis  ausübt,  so  begreift  es  sich, 
dass  mit  der  Alteration  jener  auch  die  Zustände  der  letzteren 
eine  Aenderung  erleiden  können,  die  daher  ebenfalls  zu  be- 
rücksichtigen sind. 

Zweierlei  sind  die  Ausscheidungsstoffe  'der  Haut,  S  c  h  w  e  i  s  s, 
das  Product  der  Knäueldrüsen,  und  Fett,  das  von  den 


Achte  Vorlesung.   Jlateria  perspivatoria.  Brnmidrosis. 


123 


Talgdvüseu  geliefert  wird.  So  wird  es  durchwegs  darge- 
stellt und  ist  es  im  Allgemeinen  auch  ganz  richtig.  Allein  es 
ist  bisher  trotz  vielfacher  Versuche  der  Physiologen  nicht 
o-elungeu,  die  Ausscheidungsstoffe  der  Haiit  derart  gesondert 
zu  gewinnen  ,  dass  man  auch  thatsächlich  entweder  nur 
reines  Product  der  Schweiss-  oder  nur  der  Talgdrüsen  vor 
sich  gehabt  hätte.  Und  so  beziehen  sich  auch  die  von  The- 
nard,  Anselmino  ,  Schottin,  Seguin,  Funke  und 
Favre  u.  A.  vorliegenden  Angaben  über  die  chemische  und 
morphologische  Zusammensetzung  des  Schweisses  und  des 
fettigen  Hautsecretes  durchwegs  auf  ein  Gemenge  beider,  in 
welchem  bald  das  eine,  bald  das  andere  überwiegt. 

Praktisch  verhält  sich  die  Sache  genau  so.  AVir  nehmen 
ein  Hautsecret  für  ein  Product  der  Talgdrüsen,  wenn  es  vor- 
wiegend fettige  Eigenschaften  darbietet,  und  sprechen  eine 
überwiegend  wässerige  Ausscheidrmg  auf  der  Haut  der  Leistung 
der  Schweissdrüsen  zu.  Unter  normalen  Verhältnissen  befindet 
sich  aber  ein  Gemenge  beider  auf  der  Haut.  Dasselbe,  vereint 
mit  gewissen  Exhalationsproducten ,  Gase  und  Flüssigkeit, 
welche  aus  dem  Papillargefässsysteme  und  durch  die  Epidermis- 
decken  aiistreten,  bildet  die  Materia  p  er s pira t  o r i  a  der 
Haut. 

Es  kann  nicht  bezweifelt  werden,  dass  schon  bezüglich 
der  gesammten  Hautperspiration  Anomalien  platzgreifen  kön- 
nen, indem  bei  manchen  Personen  das  ganze  Gemenge  der 
Materia  perspiratoria  quantitativ  oder  qualitativ  von 
den  durchschnittlich  geltenden  Verhältnissen  abweicht. 

Während  die  quantitative  Anomalie  der  Perspiration 
symptomatisch  nur  schwer  zu  umgrenzen  wäre ,  verräth  sich 
die  qualitative  Alteration  derselben  durch  deutlichere  Merk- 
male, welche  vorwiegend  dem  Geruchssinne  sich  aufdrängen. 
Schon  die  vulgäre  Auffassung  spricht  jedem  Menschen  eine 
eigenthümliche  „Ausdünstung"  zu,  die  sicherlich  vorhanden 
\and  durch  den  Geruchssinn  percipirbar  ist. 

"Wir  erfahren  ja,  dass  mit  feiaerem  Geruchsorgane  ver- 
sehene Thiere,  Hunde,  derart  die  Spur  ihres  Herrn  finden. 
Abnorm  muss  es  erscheinen,  wenn  das  Individuum  eine  unge- 
wöhnlich stark,  oder  auffällig  charakteristisch  riechende  Per- 
spiratio  cutanea  hat,  welche  seinen  „Dunstkreis"  erfüllt  — 
Osmidrosis,  Bromidrosis.     Von  solchen  Personen  gilt 


■j^24  Achte  Vorlesung. 

der  sonst  tropisch,  genommene  Ausdruck,  dass  sie  in  sclileclitem 
G-eruche  stellen,  dass  man  sie  niclit  riechen  könne  oder  möge, 
wohl  in  realem  Sinne. 

Es  lässt  sich  nicht  genau  angeben,  welcke  Substanzen 
dem  penetranten  oder  prononcirten  Greruche  der  Hautausdün- 
stung zu  Grunde  liegen.  Es  scheinen  vorwiegend  Fettsäuren, 
also  Producte  der  Talgdrüsen  zu  sein.  Allein  wir  werden 
hören,  dass  sicher  auch  das  Secret  der  Schweissdrüsen  seinen 
Theil  daran  hat. 

Jene  Körperregionen  ,  welche  besonders  grosse  Schweiss- 
und Talgdrüsen  besitzen  ,  wie  die  Achselhöhle  ,  die  Haut  der 
Genitalien,  namentlicli  der  weiblicben,  sind  auch  der  vorwie- 
gende Sitz  der  Osmidrosis.  Darnach  unterscheidet  man  diese 
auch  als  Osmidrosis  oder  Bromidrosis  localis  gegenüber  der 
Osmidrosis  universalis. 

Hebea  hat  seinerzeit  nachgewiesen,  dass  in  vielen  Fällen 
der  riechende  oder  Stinksckweiss  nicht  der  eigentlichen  Per- 
spiration angebört,  indem  diese  bei  ihrem  Erscheinen  thatsäch- 
lich  nicht  auffallender  riecht ,  als  bei  den  meisten  Menschen, 
sondern  dass  der  üble  Geruch  erst  entsteht ,  wenn  die  Per- 
spirationsstoffe,  namentlicb  der  Schweiss,  bei  längerem  Ver- 
weilen auf  der  Haut  und  Imprägnirung  der  Umhüllungsstoffe, 
der  Strümpfe  ,  Schübe ,  Leibwäsche  ,  sich  zersetzen  und  Fett- 
säuren allerlei  Art  bilden.  Das  wäre  keine  eigentliche 
Bromidrosis. 

Eben  so  wenig  wäre  hieber  zu  rechnen  der  besondere 
Geruch,  den  die  Emanation  der  Haut  erlangt,  wenn  das  Indi- 
viduum gewisse  Nahrungsstoffe  und  Medikamente  innerlich 
genommen  oder  inhalirt  hat,  oder  überhaupt  eine  mit  derar- 
tigen Stoffen  geschwängerte  Luft  längere  Zeit  eingeathmet  hat, 
welche  sodann'durch  die  Hautdrüsen  ausgeschieden  werden,  wie 
Knoblauch,  Terpentin. 

Unter  krankhaften  Zuständen  des  Organismus,  allge- 
meiner Cachexie ,  Syphilis ,  Tuberculose  ,  so\\de  während  der 
Florition  gewisser  acuter  exanthematischer  und  fieberhafter 
Krankheiten,  entströmt  der  Hautperspiration  ein.  intensiverer 
G-eruch ,  den  manche  Aerzte  (Heim  ,  Schönlein)  als  so 
charakteristisch  wahrzunehmen  erklärten,  dass  sie  aus  demsel- 
ben die  jeweilige  Krankheit  diagnosticiren  zu  können  vorgaben. 
Es  wird  wohl  besser  sein,  seinem  Geruchsvermögen  nicht  so 


Physiologie  der  Scliweissabsoudernng.  V^Ö 

viel  zuzumuthen  und  Scliarlach,  ]\'[asern,  Blattern  dnrch  andere 
Symptome  zu  unterscheiden ,  als  nacli  dem  Geruchseindruck 
von  frisch  gerupften  Federn ,  einer  Menagerie  ,  von  frisch 
o-ebackenem  Brede  u.  s.  w. 

Betrachten  wir  nun  die  Anomalien  der  nach  ihren  Quellen 
deutlicher  unterscheidbaren  Secretion,  d.  i.  der  Schweissabson- 
derung  und  Fettsecretion.    Zunächst  die 

Anomalien  der  Schweisssecretion. 

Die  Anomalien  der  Schweisssecretion  werden 
diu-ch  die  Berücksichtigung  der  P  h  y  s  i  o  1  o  g  i  e  d  e  r  S  c  h  w  e  i  s  s- 
absonderung  unserem  Verständnisse  näher  gebracht. 

Wie  schon  früher  erwähnt,  bildet  das  G-efässsystem  jeder 
einzelnen  Knäueldrüse  ein  kleines  Wundernetz,  indem  der 
zutretende  Arterienast  zu  einem  die  Windiuigen  des  Drüsen- 
schlauches umspinnenden  Gefässnetze  sich  verzweigt,  aus 
welchem  wieder  eine  Sammelarterie  austritt.  Wir  haben  hier 
also  ein  Verhältniss  wie  bei  den  Malpighischen  Körperchen  der 
Niere.  Es  wird  somit ,  wie  das  Secret  der  letzteren ,  auch 
das  Secret  der  Schweissdrüse  aus  arteriellem  Blute  ausge- 
schieden. 

Diese  Analogie  findet  auch  ihren  Ausdruck  in  der  che- 
mischen Zusammensetzung  des  Schweisses,  soweit  dieselbe  bis 
jetzt  festgestellt  werden  konnte.  Der  Schweiss  ist  eine  sauer 
reagirende  Flüssigkeit ,  welche  um  so  weniger  feste  Bestand- 
theüe  enthält,  je  reichlicher  sie  abgesondert  wird.  Sein  Haupt- 
bestandtheil  (etwa  990/0)  ist  Wasser,  in  welchem  die  auch  sonst 
im  Körper  vorfindlichen  Salze  (Chlornatrium  ,  phosphorsaiirer 
Kalk  u.  A.)  in  verschiedener ,  aber  im  Ganzen  sehr  geringer 
Menge  gelöst  sind.  Nebstdem  hat  man  Milchsäure  (bei  Arthri- 
tikern) ,  Harnsäure  ,  Harnstoff  und  dessen  Zersetzungsproduct, 
Ammoniak  ,  eine  eigene  Hydrotsäure  imd  Indigo  in  demselben 
nachgewiesen.  Die  letzteren  Bestandtheile  bekunden  wohl 
deutlich  die  Analogie  mit  dem  Nierensecrete. 

Ausserdem  hat  man  im  Schweisse  auch  Fettsäuren  gefun- 
den ,  die  schon  durch  den  -eigenthümlichen  Geruch  sich  ver- 
rathen,  und  zwar  rührt  das  Fett  nicht  etwa  von  dem  äusser- 
lich  beigemengten  Secrete  der  mit  den  Knäueldrüsen  untermengt 
situirten  Fettdrüsen  her ,  sondern  sicher  von  den  Schweiss- 
drüsen  selber ,  da  solches  sich  auch  dort  gefunden  hat ,  wo 


126 


Achte  Vorlesung. 


ausscMiesslicli  Knäueldrüsen  nnd  gar  keine  Talgdrüsen  vor- 
kommen, wie  an  der  Flachhand ;  von  den  grossen  Achseldrüsen 
und  den  durch  GtAY  beschriebenen  Circumanaldrüsen  nicht  zu 
reden,  deren  Secret  denen  der  Ohrschmalzdrüsen  analog  zu  sein 
scheint.  Sicher  rührt  der  eigenthümliche  Greruch  mancher 
Schweisse  und  besonders  derjenigen  mancher  Hautregionen 
von  solchen  Bestandtheilen  des  Schweisses  her. 

Der  Schweiss  wird  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  in 
imperceptiler  Menge  ausgeschieden.  Er  verdampft  lüebei,  kann 
aber  bei  Verhinderung  der  Verdampfung ,  wie  durch  imper- 
meable Umhüllungen,  WachstafFet,  Kautschuk,  abgekühlt,  sich 
tropfbarflüssig  niederschlagen.  Bei  activer  oder  passiver  Erwär- 
mung des  Körpers  und  stärkerer  Füllung  der  Hautgefässe 
erscheint  er  in  hellen  Tropfen  und  reichlicher  Menge. 

Die  Schweisssecretion  hängt  aber  nicht  nur  von  der  durch 
die  Herzaction  bewirkten  stärkeren  arteriellen  Füllung  der 
Hautgefässe  ab  ,  sondern  wird  in  hohem  Masse  vom  Nerven- 
system beeinflusst.  Jedermann  weiss,  dass  psychische  und  sen- 
•«orielle  Erregung   des  G-ehirns  ,  Angst  und  Schreck ,  heftige 
Schmerzen ,    Magenübligkeit   etc.    den    Schweiss   in  grossen 
Tropfen  auf  die  Stirne  oder  au£  die  gesammte  allgemeine 
Decke  hervortreten  machen.  Contraction  der  feinsten  Arterien, 
wie  unter  dem  Einflüsse  der  Kälte  oder  des  Fieberfrostes,  ist 
mit  Sistirung,  Relaxation  der  G-efässchen,  wie  in  der  Wärme, 
im  Abfall  der  Fieberhitze,  mit  Steigerung  der  Schweissabsonde- 
rung  verbunden.   Es  ist  also  kern  Zweifel,  dass  durch  örtKchen, 
centralen  oder  reflectorischen  Nerveneinfluss,  die  Schweisssecre- 
tion gefördert  oder  gehemmt  wird.     Seit  den  letzten  Jahren, 
seit  das  Studium  der  Gefässnerven  und  ihrer  Centren  so  viele 
Experimentatoren    beschäftigt ,    haben    wir    erfahren ,  dass 
die  Bahnen  der  vasomotorischen  Nerven  auch  diejenigen  für 
die  Schweisserregung  sind ;  dass  durch  Trennung  nnd  Reizung 
sympathischer  Fasern  und  solche  führender  sensitiver  Nerven 
die  Schweisssecretion  experimentell  unterbrochen  und  angeregt 
werden  kann,  ganz  so  wie  die  Speichel-  oder  Pancreassecretion. 
Neben  den  zahlreichen  Arbeiten  über  die  G-efässnerven  und 
deren    Centren   von    Vulpian  ,  Betzold  ,    G-oltz  ,  Samuel, 
OsTBüMOFF    u.  A.    sind    hier   besonders    die   von  Stricker 
über  die  tonischen  G-efässnervencentren  und  über  collaterale 
Innervation   und    die    von  Luchsinger    und   von  Naveocki 


Physiologie  dor  Scliweissabsonderung. 


127 


Über  den  Einfluss  der  Nervenerregung  auf  die  Thätigkeit  der 
Scliweissdrüsen  in  dieser  Bezielinng  besonders  aufklärend. 

Pathologisch  belegt  werden  diese  Verhältnisse  durch  die 
Beobachtungen  von  abnormer  Schweissabsonderung,  Ueberfluss 
oder  Mangel,  auf  der  Haut  gelähmter  Körpertheile,  im  Bereiche 
von  einzelnen  sensitiven  Nerven,  welche  gelähmt,  oder  im  Gre- 
gentheil erregt  ,  gereizt  sind ,  wie  bei  Migrän ,  Verletzungen, 
Zerrung  durch  Narben  (Mitchell)  ,  also  auf  einzelne  Inner- 
vationsgebiete  beschränkte  Anomalien  der  Schweisssecretion. 

Die  Analogie  mit  den  schon  geschilderten  neurospastischen 
und  neuroparalytischen  Hyperämien  der  Haut  ist  unverkenn- 
bar. Begreiflich ,  da  ja  auch  die  Schweisssecretion  zunächst 
und  unmittelbar  von  den  örtlichen  Circulationsverhältnissen  der 
die  Knäueldrüsen  umspinnenden  Grefässnetze  regulirt  wird. 

Der  nächste  physiologische  Zweck  der  Schweisssecretion 
scheint  die  Wärmeregulation  zu  sein,  da  derselbe  im  Allgemeinen 
bei  erhöhter  Körpertemperatur  in  bedeutendem  G-rade  sich  ein- 
stellt und  durch  seine  nachträgliche  Verdunstung  dem  Körper 
Wärme  entzieht.  Nebstdem  muss  auch  dem  Schweisse  ein 
excretorischer  Zweck  zugeschrieben  werden.  Dies  scheint  nicht 
nur  durch  die  vorher  aufgezählten  Bestandtheile  desselben 
ausgedrückt ,  sondern  auch  durch  die  Erfahrung ,  dass  die 
Nierensecretion  unter  physiologischem  Befinden  des  Indi- 
viduums im  AUgemeiuen  zu  der  Schweissabsonderung  quanti- 
tativ in  proportionalem  Verhältnisse  steht.  Je  reicher  die 
Transpiration  ,  desto  spärlicher  und  concentrirter  die  Nieren- 
ausscheidung und  umgekehrt. 

Diese  Alltagserfahrung  hat  sicherlich  mit  zu  der  Annahme 
geführt,  welche  noch  vielfach  gelten^  gemacht  wird ,  dass  das 
Zurücktreten  des  Schweisses  oder  die  Unterdrückung  der 
Schweisssecretion ,  namentlich  der  pathologisch  gesteigerten, 
schädliche  Folgen  für  den  Organismus,  Erkältungskrankheiten 
oder  noch  viel  ärgere  IJebel  nach  sich  ziehen  könne. 

Es  ist  nicht  in  Abrede  zu  stellen,  dass,  wie  unter  gestei- 
gerter Nierensecretion  bestehende  Exsudate  und  Oedeme  rascher 
zur  Resorption  gelangen ,  dieses  Resultat  durch  gleichzeitige 
Steigerung  der  transpiratorischen  Hautthätigkeit  mit  gefördert 
wird.  Allein  diese  Secretionsverhältnisse  sind  zunächst  selber 
eine  Folge  des  Fiebernachlasses  und  der  mit  letzteren  sich 
einstellenden  Gefässthätigkeit   überhaupt.     Keineswegs  aber 


128 


Achte  Vorlesung. 


begründen  sie  die  Annahme,  dass  mit  einer  geringeren  Haut- 
transpiration ein  etwa  vorhandenes  Exsudat  zunehmen  oder 
ein  inneres  Organ  erkranken  müsse,  da  ja  die  normal  funetio- 
nirenden  Nieren  unverhältnissmässig  mehr  an  UmsatzstofFen 
ausscheiden,  als  die  Schweissdr  äsen,  deren  Secret  bekanntlich 
fast  pures  "Wasser  ist.    Am  allerwenigsten  kann  von  einem 
Zurücktreten  des   abgesonderten  Schweisses   die  Rede  sein. 
Denn  solches  ist  physiologisch  eben  so  wenig  denkbar ,  wie 
das  Zurücktreten  von  Harn ,  wenn  dessen  Abfluss  keinerlei 
Hinderniss  im  Wege  steht.    "Wir  fürchten  ein  solches  Zrunick- 
treten  darum  gar  nicht,  weil  es  unmöglich  ist,  und  scheuen 
auch  nicht  die  übermässige  Secretion  der  Schweissdrüsen  zu 
bekämpfen,  dort,  wo  sie  pathologisch  erscheint.   "Wir  trachten 
vielmehr  solche  zu  heilen ,  gerade  so  wie  die  Polyurie,  und 
haben  so  wenig ,  wie  unser  reich  erfahrener  Lehrer  Hebra, 
von  einer  solchen  Heilung  jemals  Nachtheil  gesehen.  "Weim 
wir  über  etwas  uns  in  dieser  Beziehung  zu  beklagen  hätten, 
wäre  es  gerade  das  Gregentheil,  dass  es  uns  nämlich  oft  schwer 
oder  gar  nicht  gelingt ,  die  übermässige  Schweisssecretion  zu 
hemmen. 

Fast  fürchte  ich  Ueberflüssiges  zu  sagen,  wenn  ich  darauf 
aufmerksam  mache,  dass  das  plötzliche  Versiegen  des  Schweisses 
in  der  kalten  Luftströmung  kein  Zurücktreten  des  Schweisses, 
sondern  ein  rasches  Verdampfen  des  schon  vorhandenen  Secre- 
tes  bedeutet. 

Für  die  allgemeine  Pathologie  wäre  hier  der  Anknüpfungs- 
punkt zur  Erörterung  der  sogenannten  „Erkältungskrankheiten" 
gegeben,  welche  in  der  Medicin  von  jeher  mit  mehr  oder 
weniger  Geschick  ,  aber  im  Allgemeinen  mit  nicht  viel  Grlück 
ventiürt  worden  sind.  Wir  haben  aber  den  Weg  einzulialten, 
der,  wie  Sie  bemerkt,  von  der  Betrachtung  der  physiologischen 
Schweissabsonderung  uns  zu  der  ihrer  Pathologie  geführt  hat. 

Die  Schweissabsonderung  erscheint  pathologisch 
in  quantitativer  oder  qualitativer  Beziehung. 

In  ersterer  Rücksicht  nimmt  man  als  krankhafte  Zustände 
an  die  übermässig  gesteigerte  Schweisssecretion 
—  Dysidrosis  s.  Hyperidrosis  und  den  Zustand  ihrer 
abnormen  Verminderung  —  Anidrosis. 

Man  sj)richt  von  HyperidrosiS  als  einem  krankhaften  Zu- 
stande, wenn  eine  übermässige  Menge  von  Schweiss,   also  m 


Quantitative  Auomalieii  des  Schweisses.    Hyperidrosis.  129 

Tropfen ,  unter  solulien  Umständen  anf  der  Haut  erscheint, 
nnter  welchen  dies  bei  den  meisten  Menschen  nicht  der  Fall 
zu  sein  pflegt.    Es  gehört  also  nicht  hieher  das  excessive 
Schwitzen,    das  bei  erhöhter  Körperwärme,   durch  Sonnen- 
oder Feuerhitze ,   körperliche  Anstrengung ,   bei  der  Arbeit, 
auf  dem  Marsche,    beim   Tanzen  etc.   hervorgerufen  wird. 
Eben  so  wenig  haben  wir  hier  jene  übermässige  Schweiss- 
absonderung  im  Auge ,   welche   als  begleitendes  oder  Folge- 
SAonptom  anderweitiger   Allgemeinerkrankungen  ,    des  acuten 
imd  chronischen  Fiebers,  der  Tuberculose ,  der  chronischen 
Cachexie  erscheint  und  bei  acuten  Fieberzuständen  (Typhus, 
Pneumonie)  auch  als  „kritisch"  gedeutet  wurde.     In  der  Zeit 
von  1485  bis  1550  hat,  nach  vorKegenden  Berichten,  in  Eng- 
land,  Frankreich  und  DeutscUand  eine  durch  übermässige 
Schweissausbrüche  charakterisirte  Epidemie  fünfmal  geherrscht, 
die  als  Sudor  anglicus  in  der  Geschichte  der  Krankheiten 
aufgeführt  wird.   Eüie  gleiche  Epidemie  wird  vom  Jahre  1718 
aus   der  Picardie   gemeldet,   Suette   de  Picardie.  Es 
dürfte  sich  da  um  fieberhafte  Krankheiten  gehandelt  haben. 

Den  Gegenstand  der  Dermatopathologie  bildet  die  von 
derartigen  Ursachen  unabhängige,  als  selbstständiges  Hautübel 
sich  darstellende  Hyperidrosis. 

Dieselbe  betrifft  entweder  die  allgemeine  Decke  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  —  Hyperidrosis  universalis,  oder 
ist  nur  auf  einzelne  Körperregionen  beschränkt  —  Hyperi- 
drosis localis. 

In  allgemeiner  Verbreitung  begegnen  wir  der  Hyper- 
idrosis zumeist  bei  fettleibigen ,  seltener  bei  massig  genährten 
Indi^nduen.  Eine  geringe  körperliche  oder  geistige  Anstren- 
gung, der  Aufenthalt  in  nur  massig  erwärmten  Räumen,  psy- 
chische Erregung,  Verlegenheit,  Ungeduld  veranlasst  bei  ihnen 
eine  plötzliche  und  profuse  Schweissaussonderung.  Die  Haut 
fühlt  sich  dabei  entweder  warm  an  und  turgescent ,  oder^  sie 
ist  kühl ,  namentlich  bei  längerem  Verweilen  des  Schweisses 
auf  der  Haut.  Letzteres  rührt  wohl  von  der  Wärmeentziehung 
durch  die  verdampfende  Flüssigkeit  her. 

Die  Hyperidrosis  universalis  tritt  bei  Manchen  zwar 
häufig,  aber  jedesmal  nur  auf  kurze  Zeit  ein,  bei  Anderen  ist 
sie  habituell  und  continuirlich.  Die  Personen  diffluiren  förmlich 
fortwährend  von  Schweiss.    Als  krankhafte  Function  der  Haut 

K  apo  ai ,  Hautkrankheiten.  9 


j.j^j  AcMe  Vorlesung. 

bestellt  sie  meist  viele  Jahre  hindurch  und  betrifft  sie  fast 
ausschliesslich  das  mittlere  Lebensalter.    Doch  trifft  sich  die- 
selbe auch  bei  frühzeitiger  Fettsucht  im  ersten  Jünglings- 
alter. ,  .  ,  T 
Dem  Ausbruche  des  copiösen  Schweisses  geht  meist  die 

unangenehme  Empfindung  des  Prickeins  und  Stechens  der  Haut, 
zuweilen  auch  das  Gefühl  der  Beklemmung ,  Oppression ,  vor- 
aus. Hebra  leitet  diese  Empfindungen  von  der  Blutüber- 
füllung in  den  Papülargefassen  her  ,  durch  deren  Turgescenz 
die  Hautnerven  gereizt  würden.  Es  scheint  dies  sehr  plau- 
sibel. Nach  dem  Erscheinen  der  Schweisstropfen  lassen  diese 
unangenehmen  Empfindungen  nach  und  die  Kranken  fühlen  sich 
behaglicher,  erleichtert. 

Mit  dem  Ausbruche  der  profusen  Schweisse  erscheint  bis- 
weilen auf  der  Haut  ein  Exanthem,  bestehend  aus  hirsekorn- 
grossen  und  etwas  grösseren,  massig  juckenden,  lebhaft  rothen 
und  derben  Knötchen,  oder  mit  wasserheUer  Flüssigkeit  gefüll- 
ten Bläschen.  Es  steUt  die  als  Sudamina,  prickley  heat, 
calori,    Hitz-    oder    Schweissblätter  chen  bekannte 
Hautkrankheit  vor,  welche  bei  jedem  Menschen,  besonders  auf 
zarter  Haut,  darum  besonders  leicht  bei  Kindern,  aufzutreten  pfle- 
gen, wenn  durch  übermässige  Hitze  profuse  Schweissabsonderung 
bei  denselben  veranlasst  wird.    Man  kann  nicht  sagen ,  dass 
die  Sudamina  eine  Folge  des  Schweisses  sind,  in  dem  Sinne, 
dass  dieser  die  Oberhaut  erweichen  und  die  Papillen  irritia-en 
würde,  wie  dies  z.  B.  reizende  Salben,  heisse  Bäder,  protrahixte 
Catapiasmen  zu  thün  vermögen.    Denn  die  Sudamma  erschei- 
nen fast  gleichzeitig  mit  dem  Schweisse,  sie  scheinen  das 
Product  der  wässerigen  Ausscheidung  aus  den  blutüberfüllten 
Papillen  zu  sein.     Wie  durch  die  Schweissdrüsen  Schweiss, 
so  tritt  aus  den  PapiUargefässen  Flüssigkeit  zwischen  die 
Epidermisschichten  aus  und  erhebt  sie  zu  Knötchen  und  Bläs- 
chen.   Dennoch  hat  das  Exanthem  die  Bedeutung  der  Haut- 
krankheit, welche  wir  als  Eczem  kennen  lernen  werden ,  zu 
dessen  charakteristischen  Formen  es  sich  ohne  weiteres  ent- 
wickeln kann,  wofern  die  Haut  durch  die  andauernde  Benetzung 
mit  Schweiss  oder  durch  unzweckmässige  Behandlung  gereizt 
wird.    Bei  zweckmässigem  Verhalten  jedoch  und  im  Falle  die 
Hyperidrosis  nur  vorübergehend  war,  sinken  die  Knötchen  und 
Bläschen  alsbald  ein.  Letztere  haben  noch  feine  Abkleiung  der 


Hyperidrosis. 


131 


abgehobenen  Epidennisblättclien  zur  Folge  und  die  Haut  kelirt 

zur  Norm  zurück.  ,     -n  c<  j  ' 

Obgleich  wir  von  der  Behandlung  des  Eczema  buda- 
men  unter  dem  Capitel  Eczem  noch  sprechen  werden,  mache  ich 
doch  schon  hier  darauf  aufmerksam,  dass  beim  Vorhandensein 
der  Sudanlina  aus  dem  angeführten  Grunde  AUes  vermieden 
werden  muss ,  was  die  Haut  weiter  zur  Schweissproduction 
veranlassen  imd  irritiren  könnte.  Bäder,  Hitze,  warme  Beklei- 
dung, echauffirende  Getränke  und  körperliche  Bewegung  sind 
zu  meiden.  Die  Haut  wird  durch  Benetzen  mit  Alcohol,  Eau 
de  Cologne  und  Aehiilichem  abgekühlt ,  der  Schweiss  durch 
Bestreuen  mit  Amylum  (Poudre)  aufgesogen. 

Als  eigentKche  Eolge  der  Hyperidrosis  universalis  ist  die 
Maceration  der  Oberhaut  und  ßöthung  der  Haut  —  Eratt, 
Erattsein,  Intertrigo,  —  an  solchen  Stellen  zu  beob- 
achten, welche  für  das  Verbleiben  des  Schweisses  und  der 
erneuerten  Production  desselben  besonders  günstig  sind ,  also 
an  den  aneinanderHegenden  Hautfalten  der  Genitalien,  der 
Hängebrust  und  des  Stammes  u.  s.  f.  Auch  dieser  Zustand 
kann  sehr  leicht  zum  Eczem  sich  steigern  —  Eczema  Inter- 
trigo —  und  wird  seiner  Zeit  näher  besprochen  werden. 

Häufiger  und  praktisch  wichtiger  ist  die  Hyp  eridr  o  sis 
localis.  Sie  stellt  die  auf  einzehie  Hautbezirke  beschränkte 
habituelle  abundante  Schweisssecretion  vor.  Gesicht  (Stirne 
und  Kinn),  behaarter  Kopf,  die  Haut  der  Achselhöhle  und  des 
Schenkelbuges,  Elachhand  und  Eusssohle  sind  ihr  häufig- 
ster Sitz. 

Die  übermässige  Schweissabsoiiderung  der  Achselhöhlen 
findet  sich  besonders  häufig  bei  Erauen  und  ist  in  der  Regel 
zugleich  mit  penetrantem  Gerüche  verbunden  —  Osmidrosis. 
Sie  belästigt  durch  diesen,  sowie  durch  die  Verfärbung,  welche 
die  von  dem  Schweisse  imbibirten  Kleider  erleiden.  Bei  län- 
gerer Dauer  hat  dieselbe  Eczem  zur  Eolge. 

Hyperidrosis  palmae  manus  ist  ein  höchst  pein- 
licher Zustand.  Wie  oft  auch  gewaschen  und  getrocknet, 
bedeckt  sich  der  Handteller  und  die  innere  Eläche  der  Einger 
sofort  wieder  mit  hellen  Schweisströpfchen  ,  die  aus  den 
mit  freiem  Auge  erkennbaren,  erweiterten  Mündungen  der 
Schweissdrüsen  hervortreten. 

HabitueU  schwitzende  Hände  fühlen  sich  jederzeit  feucht 


•|^g2  Achte  Vorlesung. 

külil  lind  klebrig  an.    Ein  solclier  Zustand  maclit  die  Hand 
der  schönsten  Dame  weniger  begehrlich  zum  Erfassen  und  mag 
gar  oft  selbst  die  Grlut  entgegengebrachter  Liebe  abgekühlt 
haben.    Die  Betroffenen  fühlen  dies.    Sie  wischen  eilends  ihre 
Hand  ab,  bevor  sie  dieselbe  zum  G-russe  reichen.    Ihre  Hand- 
schuhe werden  sofort  dnrchnässt  und  verfärbt ,  ihre  Hand- 
arbeiten sehen  immer  schmutzig  und  fett  aus.    Demi  es  ist 
sicher ,  dass  die  Schweissdrüsen  auch  Fett  absondern.  Sie 
sehen,  dass  mit  habituellem  Handschweisse  behaftete  Personen 
auch  im  Berufe  und  in  der  praktischen  Carriere  bedeutend 
o-estört  werden  können.   Im  TJebrigen  kann  der  Zustand  jahre- 
lang bestehen  ,  ohne  die  Haut  örtlich  besonders  zu  verändern. 
Höchstens  erscheint  die  Epidermis  zart,  hie  und  da  in  Bläschen- 
form  abgehoben,  sich  abblätternd,  an  den  Eingerspitzen  gerunzelt. 
Nur  selten  kommt  es  zur  Bildung  von  grieskorngrossen  und  auch 
grösseren  Bläschen  und  Blasen,  selbst  Pusteln,  ein  Vorkommen, 
das  zur  Aufstellung  einer  besonderen  Krankheitsform  durch  Hut- 
chinson (Cheiro-PompoHx),  Tilbüry  Eox  Pysidrosis),  Robinsgn 
(Pomphoüx)  Veranlassung  gegeben  hat ,  —  mit  Unrecht ,  wie 
wir  bei  Besprechung  des  Eczems  erfahren  werden.     Denn  es 
handelt  sich  hier  thatsächlich  nur  um  Erscheinungen  von  acu- 
ten Eczem-Äusbrüchen. 

Der  geschilderte  Zustand  findet  sich  vorwiegend  bei 
jugendlichen  Personen  beiderlei  Greschlechtes,  öfters  in  Verbin- 
dung mit  Chlorose  und  schlechter  Verdauung.  Doch  habe  ich 
denselben  auch  im  mittleren  Lebensalter  beobachtet  und  zwar 
auftauchend  ohne  die  geringste  nachweisbare  Ursache  und  bei 
andauerndem  Wohlbefinden,  Gleichbleiben  der  Lebensweise, 
Berufsbeschäftigung  etc.  des  Betroffenen.  Ebenso  pflegt  •  die 
Hyperidrosis  ohne  merkliche  Veranlassung  nach  Monaten  oder 
Jahren  wieder  zu  verschwinden. 

Immerhin  gehört  das  Uebel  zu  den  lästigsten  und  hart- 
näckigsten. 

Dasselbe  gilt  den  von  den  habituellen  Fussschweis- 
sen,  —  Hyperidrosis  pedum.  Grelegentlich  kann  Jeder 
von  profusem  Fussschweisse  und  dessen  örtlichen  Folgen  be- 
troffen werden ,  z.  B.  auf  eiaem  stärkeren  Marsche  in  der 
Sommerhitze.  Durch  den  Schweiss  wird  die  Oberhaut,  nament- 
lich an  den  aneinander  liegenden  Zehenflächen  und  Uebergangs- 
falten,  an  den  Zehenspitzen  und  Pusssohlen  erweicht,  losgelöst, 


Hyperidrosis. 


133 


die  Haut  blossgelegt,  rissig ,  liöchst  sckmerzliaft.  Das  Klam- 
mem mit  den  Zelien ,  das  feste  Auftreten  wird  erschwert ,  ja 
unmöglich. 

Nicht  anders  ist  es  bei  habituellen  Fussschweissen.  Nur 
dass  hier  der  Zustand  ,  wie  die  Hyperidrosis  ,  anhaltend ,  oft 
seit  den  frühesten  Kinderjahren  bis  ins  Mannesalter  andauernd 
ist,  allerdings  in  der  kalten  Jahreszeit  und  bei  ruhigem  Ver- 
halten etwas  massiger,  als  im  Sommer  und  bei  vielem  Umher- 
gehen. Deshalb  treten  auch  die  Betroffenen  vorsichtig ,  wie 
beim  Eiertanz  auf.  Hyperidrosis  pedis  wird  aber  in  der  Regel 
zugleich  zum  Stinkschweiss  —  Bromidrosis  — ,  wie  Hebra 
o-ezeifft,  nicht  etwa,  als  wenn  der  frisch  secernirte  Fussschweiss 
schon  einen  besonders  penetranten  Geruch  hätte,  sondern  weü 
die  Beschuhung  von  dem  Schweisse  imprägnirt  wird  und  durch 
die  Zersetzung  und  Fäulniss  des  letzteren  eben  übelriechend  wird. 

Mit  der  Beseitigung  der  Beschuhung  ist  auch  der  Stink- 
schweiss entfernt.  Allein  es  ist  ersichtlich ,  dass  es  nicht 
Jedermanns  Sache  ist,  in  jeder  kurzen  Frist  neue  Beschuhung 
zu  nehmen.  Somit  belästigt  der  habituelle  Fussschweiss  den 
Betroffenen  nicht  nur  durch  die  anhaltende  Maceration  der 
Füsse,  die  Behinderung  im  Grehen,  sondern  auch  direct  imd 
indirect  durch  die  begleitende  Bromidrosis.  Letztere  macht 
Um  unerträglich  für  seine  Umgebung.  Er  steht  überall  im 
übelsten  Gerüche  und  wird  in  Dienst  und  Amt ,  die  dessen 
persönlichen  Verkehr  bedingen,  nicht  geduldet.  Ein  trauriges  Los. 

Hand-  und  Fussschweisse  finden  sich  zuweilen  bei  dem- 
selben Lidividuum.  Viel  häufiger  jedoch  konuneu  sie  nicht 
combinirt  vor. 

Ueber  die  entferntere  Ursache  der  Hyperidrosis  localis 
sind  wir  vollkommen  im  Dunkel.  Li  \'ielen  Fällen  kann  sie 
als  einfache  Steigerung  der  physiologischen  Hautfunction  hin- 
gestellt werden.  Von  den  Handschweissen  habe  ich  schon 
gesagt ,  dass  sie  zuweilen  mit  Chloranämie  und  chronischer 
Indigestion  vergesellschaftet  sind. 

Die  nächste  Ursache  der  Hyperidrosis  liegt  aber  immer 
im  Cajjillargefässsystem  der  Haut,  zunächst  der  Knäueldrüsen 
und  der  Papillen.  Und  zwar  ist  es  eiimial  eine  active  Bhit- 
überfüllung ,  wie  bei  der  durch  Hitze  gesteigerten  Schweiss- 
secretion  der  Achselhölilen  ,  der  Genitalien  ,  oder  eine  passive, 
auf  (paretischer)  Dilatation  beruhende  Lijection. 


Aclito  Vorliisung. 

Wie  icli  nun  bei  Besprechung  der  Hyperämien  ausein- 
andergesetzt, so  sind  es  die  vasomotorischen  Nerven,  die  diese 
Verhältnisse  reguliren.  Und  es  sind  darum  auch  •  aUe  jene 
neurotischen  Verhältnisse  bezüglich  der  Hyperidrosis  (univer- 
salis) und  localis  zu  berücksichtigen  ,  welche  bei  den  Hyper- 
ämien zur  Sprache  gekommen  sind,  weshalb  ich  mich  beschränke 
auf  das  dort  Gesagte  hinziaweisen. 

Wir  begreifen  unter   diesem  Hinweise  ganz  gut,  wie 
unter  dem  Einflüsse  psychischer  Erregung ,  Schreck ,  Angst, 
Verlegenheit,  oder  örtlichen  Schmerzes,  durch  einen  vom  Centrai- 
organe ausgehenden  oder  reflectorischen  Reiz  ,  allgemein  oder 
örtlich  eine  profuse  Schweissabsonderung  erscheinen  mag.  Es 
ist  dies  auch   experimentell  producirt  worden  ,  indem  Claude 
Bernard  nach  Durchschneidung  des  Halssympathicus  mit  der 
eintretenden  Gefässlähmung  auch  copiöse  ■  Schweisse  im  Läh- 
mungsbereiche auftreten  sah.  Dasselbe  ätiologische  Verhältniss 
waltet  in  den  zahlreichen  Fällen  ob,  in  welchen  nach  vereitern- 
der Parotitis  ,  im  Bereiche  verletzter ,  gereizter ,  gelähmter, 
sensitive   und  Gefässnerven  führender  Nerven  Hyperidrosis 
beobachtet  worden  ist. 

So  reihen  sich  denn  an  diese  naturgemäss  jene  Formen 
von  Hyperidrosis  localis,  welche  bestimmten  N  e  r  v  e  nb  e  zir ken 
entsprechen ,  z.  B.  bei  Migrän  die  entsprechende  Stirn-  und 
Kopfhälfte  betreffen  ,  oder  in  paraplegischen  Fällen  selbst  aiif 
eine  ganze  Körperhälfte  ausgedehnt  sind.    Derartige  Beobach- 
tungen sind  von  Hartmann,  Er.  Wilson,  Hebra  und  auch  von 
mir  gemacht  worden  ,  dass  z.  B.   bei  einer  Frau  zeitweüig  m 
Verbindung  mit  Migrän  die  eine  Stirnhälfte  kühl  und  trocken, 
die  schmerzhafte,  entsprechend  der  Ausbreitung  des  N.  frontalis, 
sanft  geröthet  und  mit  perlendem  Schweiss  bedeckt  erschien.  Li 
einem  solchen  FaUe  von  Hyperidrosis  der  linken  Körperhalfte 
haben  Frankel  und  Ebstein  die  Ganglien  des  entsprechenden 
Halssympathicus  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  ähnlich 
erkrankt  gefunden,  wie  ich  dies  bei  Zoster  gefunden  —  eine 
Anschoppung  von  Blutkörperchen  in  Gefäss-  oder  Lymphräumen. 

Dennoch  bleiben  noch  immer  die  meisten  Fälle  von  Hy- 
peridrosis localis  ätiologisch  ganz  unaufgeklärt. 

Was  die  Vorhersage  anbelangt,  so  haben  wir  für  die- 
selbe höchstens  in  den  rein  neurotischen  Formen  einige  Grund- 
lage.   Auch  da  wird  sie  höchst  unbestimmt  lauten  müssen. 


Hyperich'osis. 


135 


Bei  den  gewöhnliclien  Formen  der  Hyperidrosis  der  Achsel- 
höhle ,  der  Machhand  nnd  Fusssohle  können  wir  die  Prognose 
insofern  nicht  ungünstig  stellen,  als  häufig  nach  mehrjähriger 
Dauer  die  Erkrankung  spontan  sistirt ,  und  die  Behandlung 
zumeist  von  einigem  oder  selbst  vollständigem  Erfolge  sein 
kann.  Leider  widerstehen  doch  auch  manche  Fälle  jedweder 
Therapie. 

Für  die  Behandlung  der  Hyperidrosis  der  Achselhöhle, 
der  Genitalien  und  Flachhand,  sowie  der  leichteren  Formen  der 
Fussschweisse  empfelilen  sich  häufige  "Waschungen  mit  Tannin- 
(1  Gramm  auf  250  Gramme  Alcohol  oder  Wasser)  ,  Alaun-, 
Sodalösung ,   Decoct ,   cort.   Quercus  (20  ad  500)  ,  Sublimat 
(1  ad  400),  Kali  hypermangan.  (5  ad  400),  Natron  ammoniat. 
und  Aehnlichem,    einfachem  Alcohol  und  Aether,    oder  mit 
Zusatz   von  Extract.   Aconiti  (1  ad  200),   Colombo  u.  dgl., 
für  die  Hände  und  Füsse  solche  Flüssigkeiten  auch  als  locale 
Bäder.    Nebstdem  muss  für  die  Aufsaugung  des  Schweisses 
und  die  Isolirung  gegenüberstehender  Hautfalten  gesorgt  wer- 
den durch  häufiges  Einstreuen  von  Puder ,  Amylum  tritici, 
oryzae,  pur  oder  mit  Zuthat  von  Oxyd.  Zinci,  Plumbum  car- 
bonicum  ,    Cremor  tartar.  pulverisirt ,   acid.  salicyl.  (1  ad  40 
Amylum)   und  Einlegen   von  mit  solchen  Pulvern  belegter 
Charpie.  Dies  gilt  namentlich  für  die  Literspatien  und  Furchen 
der   Zehen  ,    die   G-enitalfalten    und    Achselhöhle.    Bei  den 
Achselschweissen  sind  die  von  den  Schneiderinnen  beliebten 
Kautschuk-  oder  WachstafFt-Achseleinlagen  der  Damenkleider 
(Suette)  höchst  unzweckmässig.    Sie  veranlassen  durch  Behin- 
deriing  der  Verdunstung  nur  bedeutendere  Schweissansammlung 
und  Hautreizung. 

Was  speciell  noch  die  Fussschweisse  anbelangt,  so 
kann  man  mit  den  genannten  Mitteln  in  den  leichteren  Fällen 
ausreichen.  Das  Einlegen  von  Puder-Bäuschchen  zwischen  die 
Zehen  wnd  die  untere  Zehenfurche  muss  täglich  öfters  wieder- 
holt werden. 

In  höheren  Graden  der  Hyperidrosis  und  Bromidrosis 
pedis  erweist  sich  die  von  Hebra  schon  vor  vielen  Jahren  an- 
gegebene Behandhing  mittels  dessen  U  n  g  u  e  n  t  u  m  D  i  a  c  h  y  1  i 
als  sehr  verlässlich. 

Da  diese  Salbe  einen  heutzutage  allgemein  anerkannten. 
Schatz  in  unserem  Arzneivorrath  bildet  und  in  der  Praxis  die 


-j^gß  Achte  VorlosuiiK. 

verbreitetste  Anweudung  findet ,  so  sollen  Sie  dieselbe  aucli 
näher  kennen.  Sie  ist  nrspribiglicb  nach  Hebea's  Angabe  au* 
Eniplastr.  Diacbyli  simplex  mit  Oleum  lini ,  spater  mit 
Oleiim  oKvar.  durch  Verkochen  bereitet  worden.  Seit  Jahren 
schon  wird  sie  aus  Lithargyrum  und  Oleum  olivar.  beschafft, 
nach  der  Formel:  Rp-  Lithargyri  100,  Olei  olivar.  400,  sub 
leni  igni  et  addendo  pauxiUi  aqu.  font.  coque  usque  ad  fiat 
Ungentum  consistentiae  spissioris,  dein  adde:  Olei  lavandul. 

10.  D.  S.  Ungu.  Diachyli.  _ 

Zur  Bekämpfung  der  hochgradigen  Hyperidrosis  und  Bro- 
midrosis  pedum  wird  nun  diese  Salbe  auf  je  einen  länglich  vier- 
eckigen ,  zur  Einhüllung  des  Fusses  genügend  grossen  Fleck 
reiiier,  gut  gewaschener,  grober  Leinwand  messerrückendick  ge- 
strichen. Der  Fuss,  der  eine  und  der  andere,  reia  gewaschen  und 
abgetrocknet,  wii^d  auf  den  Salbenfleck  gestellt.  Zöschen  die  Zehen 
und  in  die  Zehenfurche  legt  man  mit  Salbe  bestrichene  Plumas- 
seauxund  schlägt  nun  den  Lappen  kmistgerecht  über  den  Fuss 
zusammen.    Darüber  wird  neue,  d.  i.  früher  von  dem  Kranken 
nicht  getragene  Umhüllung ,  Strumpf  und  Schuh  genommen. 
Der  Kranke  kann  dabei  sehr  gut  seinen  Geschäften  nachgehen, 
thut  aber  besser  liegen  zu  bleiben ,  weü  die  Salbe  derart 
rascher  günstig  einwirkt.    Nach  24  Stunden  werden  die  Sal- 
benflecke abgenommen,  die  Füsse  nicht  gewaschen,  sondern  nur 
mit  Charpie  und  Puder  abgerieben  und  sofort  wie  Tags  vorher 
mit  einem  frischen  Salbenlappen  belegt.    Diese  Procedur  wird 
durch  10—14  Tage  fortgesetzt.   Nun  lässt  man  die  Salbe  weg, 
beschränkt  sich  darauf,   den  Fuss  fleissig  einzupudern  und 
Puder   in   die  Falten  eiaizulegen.     Linerhalb  der  folgenden 
Tage  stösst  sich  die  Oberhaut  in  dicken ,  gelbbraunen ,  perga- 
mentartigen Schwarten  ab,  die  Haut  kommt  mit  schön  weisser, 
zarter  Epidermis  zu  Tage  und  die  HjTeridrosis  ist  geheilt. 
Erst  jetzt  darf  der  Fuss  gewaschen  werden. 

Noch  durch  lange  Zeit,  imd  besonders  nach  längerem 
Marsche  und  in  der  Hitze,  ist  es  für  den  Kranken  zweckmas- 
sig ,  fleissig  den  Fuss  und  die  Zehenfiu'chen  mit  Puder  zu 
bestreuen,  in  die  Zehenfurchen  Puderbäuschchen  einziüegen  und 
selbst  in  die  Strümpfe  Puder  zu  geben. 

Sollte  der  Erfolg  nicht  ein  vollkommener  sein  ,  so  niuss 
das  Verfahren  sofort  nochmals  wiederholt  .werden.  Die  blei- 
bende Heilung  ist  derart  bestimmt  zu  erreichen. 


Anidrosis.  13'^ 

Wenii  ich  liier  betone,  dass  weder  Hebra  bei  seiner 
reichen  einsclilägigen  Erfahrung,  noch  ich  oder  sonst  Jemand 
von  der  Behebung  örtlicher  profuser  Schweisse  nuttels  ausser- 
licher  Mittel  jemals  eine  nachtheüige  Wirkung  auf  ein  inneres 
Oro-an  oder  das  Gesammtbefinden  des  Behafteten  gesehen  haben, 
so  will  ich  damit  Ihnen  eine  neue  Waffe  in  die  Hand  geben 
o-eo-enüber  dem  häufig  zu  begegnenden  Vorurtheüe,  dass  gefähr- 
liche Krankheiten  des  Organismus  ,  selbst  plötzlicher  Tod  ein- 
treten könne,  wenn  die  habitueUe  übermässige  Schweisssecretion, 
besonders  der  Fussschweiss  ,   durch  Behandlung  «i^tirt jyird, 
oder  spontan  atifhört,  oder  selbst  nur  durch  plötzliche  Abküh- 
lung vorübergehend  verschwindet.    Ich  erinnere  Her  an  das- 
iemge    was  ich  bezüglich  des  Vorurtheüs  von  den  vermemt- 
Hchen  Folo-en  des  Zurücktretens  und  Zurückgetriebenwerdens 
der  Hautausschläge  gesagt  habe.    Denn  beide  Meinungen  sind 
auf  derselben  Grundlage  falscher  Deutung  klinischer  That- 
sachen  entstanden  und  von  gleichem  Unwerthe. 

Der  angedeutete  Vorwurf  wird  weniger  gegen  jene  „inneren" 
Medicamente  erhoben ,  welche  zur  Bekämpfung  der  Hyperi- 
drosis,  besonders  der  Hyperidrosis  universaHs  empfohlen  und 
gerühmt  worden  sind,  alsDecoct.  CHnae,  Extract.  Aconita,  Tonica 
und  Eoborantia  ,  besonders  aber-  Diuretica  ,  welche  eine  vica- 
rürendeNiereii-Hypersecretion  anregen  soUten,  —  offenbar  darum 
nicht,  weil  dieselben  überhaupt  erfolglos  sind  und  die  patho- 
logische Schweissabsonderung  trotz  ihres  Gebrauches  fort- 
besteht. 


Der  der  Hyperidrosis  entgegengesetzte  Zustand,  AnidrOSlS, 
bedeutet  die  mangelhafte  oder  vollständig  mangelnde  Schweiss- 
secretion. Mit  derselben  ist  eine  trockene,  spröde  Beschaffenheit 
der  Epidermis  und  die  subjective  Empfindung  der  Trockenheit, 
Spannung,  Unbehaglichkeit  des  Gemeingefühls,  Kitzeins  und 
Juckens  verbunden. 

Anidrosis  cutis  kennt  man  wohl  nicht  als  selbstständiges 
Hautül)el.  Sehen  wir  von  der  Eigenthümlichkeit  einzelner 
Individuen  ab  ,  die  bei  Hitze  und  Anstrengung  gar  nicht  oder 
nur  unmerklich  in  Schweis»  gerathen ,   so  ist  Anidrosis  als 


Achte  Vorlesung 


pathölogisclier  Zustand  der  Haut  durchwegs  ein  begleitendes 
Symptom   gewisser  allgemeiner  Ernährungszustände,  oder 
mancher  Hautkrankheiten  von  sonst  noch  mehr  charakterisirtem 
Gepräge,  wie  Prurigo,  chronisches  Eczem,  Psoriasis,  Ichthyonis, 
Xeroderma  mihi.  Darnach  ist  die  Anidrosis  eintnal  universell, 
wie  bei  Diabetes  mellitus  und  insipidus  ,  bei  von  Tuberculose 
oder  Krebs  kachektischen  Personen.  Hiebei  kann  der  mangeln- 
den Schwei sssecretion  eine  übermässige  oder  alterirte  Secretion 
aus  den    Talgdrüsen    parallel    gehen.      Oder    die  Anidrosis 
ist  wie  das  bezügliche  Hautexanthem  mehr   localisirt  und 
in  beiden  Fällen  bald  vorübergehend ,  bald  dauernd.  Bei 
der    mit   Dermatonosen    vergesellschafteten   Anidrosis  stellt 
sich  ein  regelmässiges  Wechselverhältniss  zwischen  beiden  her- 
aus, so  dass  jedesmal  mit  dem  Kommen  und  Schwinden  der 
Hautkrankheit  auch  die  Schweisssecretion  versiegt  und  wie- 
der erscheint.    So  ist  z.  B.  eine  von  Eczema  chronicum  be- 
haftete Hautstelle   zugleich  anidrotisch ,   sie  transpirirt  dage- 
gen wdeder,  sobald  das  Eczem  abnimmt  und  schwindet.  Auch 
dieser  Umstand  ist  im  Sinne  der  Dermapostase  gedeutet  wor- 
den, als  wenn  das  Eczem  ,   der  Ausschlag  ,   als  eine  Art  Ab- 
lagerung nach  aussen  deshalb  erschienen  wäre,  weil  der  Schweiss 
und  dessen  Producte  im  Körper  zurückbehalten  worden  wären. 
Man  hat  ganz  übersehen,  dass  gerade  jene  Hyperämien,  welche 
die  genannten  chronischen  Exantheme,  Eczem,  Psoriasis ,  bedin- 
gen, zugleich  auch  mehr  ProductionsstofFe   den  Knäueldrüsen 
zuführen  ,  und  dass  ebenso  mehr  Schw^eiss  abgesondert  werden 
könnte,  wie  übermässig  Serum  exsudirt  und  Epidermis  produ- 
cirt  wird.    Wenn  unter  solchen  Umständen  die  Schweissdrüsen 
dennoch  nicht  functioniren,  so  muss  eben  die  im  Eczem,  in  der 
Psoriasis  gelegene  Ernährungsstörung  der  Haut  dies  verschul- 
den ,  wie  denn  auch  thatsächlich  die  Haut  wieder  regelmässig 
thaut ,   sobald  die  die  Dermatonose  darstellende  Ernährungs- 
alteration schwindet.   Niemals  findet  aber  ein  umgekehrtes  Ver- 
hältniss  statt. 

Ihrer  Ausbreitung  und  Localisation  nach  folgt  denn  auch 
die  Ajiidrosis  genau  der  Ausbreitung  und  Localisation  der  Derma- 
tonose, ein  Umstand  ,  der  mit  Rücksicht  auf  die  gerügte  An- 
sicht von  den  Dermapostasen  nicht  genug  hervorgehoben  werden 
kann  und  in  der  Symptomatologie  der  betreffenden  Hautkrank- 
heiten gebührende  Beachtung  finden  wird. 


Qualitative  Anomalien  des  Schweisses.  139 

Ausser  der  örtlichen  Ernährungsstörung  kann  auch  ein 
nervöser  Einfluss  regionär  Anidrosis  veranlassen,  so 
dass  im  Bereiche  von  gelähmten,  oder  neuralgisch  irritirten 
Haxxtstellen,  auf  der  von  Migrän  befaRenen  Stirn  —  oder  der 
gelähmten  KörperhäHte ,  wie  einmal  Hyperidrosis ,  so  em 
andermal  Anidrosis  sich  geltend  machen  kann. 

Die  Therapie  und  Prognose  der  Anidrosis  fäUt  mit  der 
des  sie  bedingenden  örtlichen  oder  aUgemeinen  Krankheits- 
zustandes zusammen. 


Ueber  die  qualitativen  Anomalien  der  Schweiss- 
se cretion  stehen  uns  nur  sehr  wenige  positive  Erfahrungen 
zu  Gebote,  um  so  erklärlicher,  als  ja  über  die  physiologische 
Quaütät  des  Schweisses  unsere  Kenntnisse  nur  sehr  lückenhaft 
sind  Sie  beziehen  sich  auf  unbestimmte  Alterationen  im  be- 
r,,che  —  Bromidrosis  s.  Osmidrosis,  in  der  Färbung  — 
Chromidrosis,  oder  auf  abnorme  substantielle  Bei- 
mengungen. 

Was  von  der  Osmidrosis  oder  Bromidrosis  zu  gelten 
habe  ,  ist  schon  gesagt  worden!  Ich  meine,  dass  bei  manchen 
Personen  die  gesammte  Ausdünstung  der  Haut  oder  das  Secret 
gewisser  Hautregionen,  der  Achselhöhle,  der  Genitahen  durch 
einen  ganz  specifischen  Geruch  sich  charakterisirt  (Osmidrosis) 
und  dass  der  eigentliche  Stinkschweiss  (Bromidrosis)  nur  die 
Eolge  der  Zersetzung  des  in  der  Beschuhung  imprägnirten 
Schweisses  ist.  Ebenso  habe  ich  mich  über  den  AVerth  der 
Yon  manchen  Aerzten,  Heim,  Schönletn  u.  A.,  geäusserten 
Behauptung  ausgesprochen,  derzufolge  der  Hautausdünstung 
bei  gewissen  Allgemeinerkrankungen ,  Blattern  ,  Scharlach, 
Typhus  etc.,  ein  charakteristischer  Geruch  zukäme. 

Als  FäUe  von  Chromidrosis  werden  von  den  Autoren 
solche  angeführt,  in  welchen  der  Schweiss  äufiaUige,  gelbe, 
grüne,  schwarze  und  blaue  Eärbung  darbot.  Als  Träger  der 
blauen  Färbung  des  Schweisses  ist  einmal  phosphorsaures  Eisen- 
oxydul (Schereb)  ,  ein  andermal  (Schwarzenbach)  eine  dem 
Pyocyanin  von  Fordos  analoge  Cyanatverbindung,  einmal  ein 
mikroskopischer  Pilz  (Bergmann),   dessen  Gonidienkerne  blau 


140 


Aclite  Vorlesung. 


erschienen,  und  wieder  einmal  Indikan  und  Berlinerblau  (Ap- 
JOHN,  Bizio)  augegeben  worden. 

Als  durch  besondere  substantielle  Beimengungen 
charakterisirte  Anomalien  des  Schweisses  werden  angeführt: 
Hämatidrosis  ,  kein  eigentliches  Blutsch^AnLtzen ,  sondern 
das  gelegentliche,  ohne  Trauma  veranlasste  Austreten  arteriel- 
len Blutes  aus  den  Hautporen  ,  wie  solches  Finol  ,  Schilling, 
Lenhossek  ,  "Wilson  ,  Hbbea  u.  A.  beobachtet  haben.  Grenau 
erzählt  Hebea,  dass  er  einmal  auf  dem  Handrücken  eines  jun- 
gen Mannes,  entsprechend  der  Mündung  einer  Schweissdrüse, 
Blut  in  einem  1"'  hohen  tuid  spiralig  geformten  Strahle  her- 
vorkommen gesehen.  Es  ist  also  eine  Erscheinung  der  leichten 
Zerreisslichkeit  von  Capillaren,  wie  bei  Blutern.  In  einem' 
Ealle  (Tittel)  ,  der  ebenfalls  ein  zu  Blutungen  auch  in  ande- 
ren Organen  disponirtes  Lidividuum  betraf,  hat  Wagner  die 
Schweissdrüsen  als  Sitz  der  Hautblutung,  sowie  Eeanque  in 
einem  analogen  Falle  Blutkörperchen  in  der  ausgetretenen 
Flüssigkeit  nachgewiesen. 

Von  G-alaktidrosis  sprach  man  nur,  so  lange  man 
noch  an  „Milchmetastasen"  und  „Verschlagen"  der  liilch  bei 
"Wöchnerinnen  geglaubt  und  den  Puerperalprocess  ,  sowie  die 
ihn  begleitenden  Schweisse  auf  solches  zurückgeführt  hat. 

Dagegen  liegen  der  Annahme  einer  Uridrosis,  d.  i.  einer 
Beimengung  von  Harnbestandtheilen  zum  Secrete  der  Schweiss- 
drüsen, positive  Thatsachen  zu  Grunde.  Schon  die  älteren 
Autoren  haben,  ohne  über  die  Mechanik  der  Harnsecretion  und 
der  Schweissabsonderung  besonders  orientirt  zu  sein,  von  Sudor 
urinosus  gesprochen,  lediglich  nach  den  Wahrnehmungen  eines 
urinösen  G-eruches  am  Schweisse.  Seither  liegen  aber  positive 
Befunde  vor,  zunächst  von  Harnstoff ,  den  Schottin,  Dräsche, 
Treitz,  Hirschprüng,  Kau]?  und  Jürgensen  u.  A.  im  Hautsecrete, 
allerdings  nur  in  Ausnahmfällen,  nachgewiesen  haben.  Speciell 
hat  Dräsche  bei  Cholerakranken  während  der  Epidemie  von  1855 
zwölfmal  und  Schottin  in  drei  Fällen  auf  der  Haut  der  Stirne, 
des  Gesichtes  und  anderer  Körperstellen  Scliüppchen  abgesam- 
melt ,  welche  bei  der  mikroskopischen  und  chemischen  Unter- 
suchung sich  als  aus  Harnstoff  bestehend  erwiesen.  Die  glei- 
chen Beobachtungen  von  Kaüp  und  Jürgensen  betrafen  Lidi- 
viduen  mit  atrophischen  Nieren  und  solche  ohne  jegliche  Xiereu- 
und  Blasenaffection.    Die  genannten  Schüppchen  waren  1 — 2 


Auatoraiseliü  Veriuulonmgon  der  Sclnveissdrüsen  141 

Tage  vor  dem  Tode  auf  der  Haut  erscliienen.  Jedenfalls  ist 
die  Beinieng-mig  von  Harnstoff  und  des  ebenfalls  nacligewiese- 
nen  Ammoniak  ein  Ausdruck  der  vicariirenden  Function  der 
Nieren  mid  der  Schweissdrüsen.  In  dem  gelegentHch  gemachten 
Nachweise  von  Eiweiss  im  Sckweisse  einzelner  Kranker  (Ledbe), 
von  Bilin,  Biliphaein  und  Urerytlirin  ist  dieses  Verkältniss  er- 
heblicli  weiter  commentirt. 

Dass  die  meisten  uropkanen  StoflPe  ,  die  durch  den 
Digestionstract,  oder  eingeathmet  in  die  Blutbahn  und  zur 
"Ausscheidung  diirch  die  Nieren  gelangen,  auch  durch  die  Haut- 
secretion  ausgefördert  werden,  wie  Terpentin  ,  Theer  ,  Balsa- 
mica,  Jod,  Arsenik  u.  A.,  gibt  nicht  weiter  Veranlassuxig  zur 
Aufstellung  besonderer  Arten  von  quaKtativen  Anomalien  der 
Schweisssecretion. 

Air  die  besprochenen  Anomalien  der  Schweissabsonderung 
scheinen  von  keinerlei  nachweisbarer  anatomischer  Ver- 
änderung der  Knäueldrüsen  abhängig  zu  sein.  Nur 
ViRCHOW  gibt  an ,  bei  Pthisikern  ,  die  an  profusen  Schweissen 
litten,  manchmal  Vergrösserung  der  Drüsen  und  fettige  Meta- 
morphose ihres  Auskleidungsepithels  gefunden  zu  haben. 

Von  anatomischen  Veränderungen  der  Schweissdrüsen  ist 
überhaupt  erst  in  den  letzten  Jahren  etwas  mehr  bekannt 
geworden.    Dieselben  stellen  aber  grösstentheils  Theilerschei- 
niuigen  anderweitiger  histologischer  Veränderungen  der  Haut 
vor,  wie  bei  Lupus,  Carcinom,  Lupus  erythematosus,  Elephan- 
tiasis Arabum  et  Graecorum.   Hieher  gehören  die  Befunde  von 
erweiterten    und    vergrösserten    Schweissdrüsen    bei  Lepra 
(Brücke,  G.  Simon),  von  Atrophie  derselben  in  Hühneraugen 
(v.  Baeeensprung)  von  Entartung  ihres  Epithels  bei  chronischer 
Dermatitis  (Gay),  von  Entzündung  des  sie  begrenzenden  Binde- 
gewebes bei  Lupus  erythematosus,  die  ich  angegeben,  u.  s.  f. 
Sie  betreffen  auch  nur  die  in  das  anderweitige  Erkrankungs- 
gebiet fallenden  Drüsen,  nicht  aber  den  Schweissdrüsen-Appa- 
rat  im  Allgemeinen.    Ihre  Erörterung  ist  also  hier  nicht  am 
Platze.    Eben  so  werden  die  Schweissdrüsen  selbstverständlich 
in  entzündliche  Processe  der  Cutis  mit  einbezogen,  und  es 
scheint  daher  überflüssig  von  einer  Hydro sadenitis  phlegmonosa 
(Verneuil)  zu  sprechen,  da  eben  eine  solche  als  isolirter  Process 
nicht  vorkommt. 


j^^9  Achte  Vorlesung.  Anat.  Veränderung  der  ScliweisBdrüsen. 

Was  dagegen  die  vielfach  citirte,  von  Lotzbeck  bescliriebene 
Scliweissdrüsengeschwnlst"  anbelangt ,  so  darf  icb  sie  wobl 
für  ein  Epithelialcarcinom  halten  ,  in  welchem  oft  handschuh- 
fino'erförmige ,  gemindene ,  allerdings  enorm  vergrösserten 
Schweissdrüsen  ähnliche,  mit  proliferirenden  Zellen  erfüllte 
Schläuche  vorkommen.  Ich  selbst  habe  solche  in  einer  cham- 
pignonähnlichen Geschwulst  von  der  Wange  einer  Person 
gefunden,  die  gleichzeitig  einen  flachen  Hautkrebs  auf  der 
Nase  hatte.  Es  ist  aber  nicht  für  alle  Fälle  noch  erwiesen, 
ob  diese  Schläuche  Lymphräume  sind  (Köstee)  ,  oder  ausge- 
wachsene ßetezapfen. 


^ieunte  Vorlesung. 


Anomalien  der  Fettsecretion. 

Phvsioloqie  der  Fettsecretion.  Pathologie.  Uebernnässige  Sec-retion. 
Seborrhoea  localis  et  xxniversalis.  Diagnose,  Prognose,  Therapie.  Vernriin- 
derte  Seeretion.  Xerosis.  Qestörte  Exeretion,  ihre  Folgen  als  Retemions- 
formen.    Comedo,    Müium ,    Molluscunri    verrueosiim  s.  contag.osunn. 

Atheroma. 


Wir  kommen  heute  zur  Besprecliung  jeuer  Hautkrank- 
heiten ,  welche  in  pathologisclier  Aenderung  der  zweiten  Art 
von  Hautabsonderung,  d.  i.  der  Fettsecretion  bestehen. 

Erinnern  Sie  sich ,  dass  das  physiologisch  zur  BeÖlung 
der  Haut  und  der  Haare  bestimmte  Fett  von  den  Talgdrüsen 
nicht  in  der  Weise  producirt  wird,  wie  der  Schweiss  von  den 
Knäueldrüsen.  Dieser,  in  dem  Blute  präformirt,  wird  aus  den 
Capillaren  der  Schweissdrüsen  abgesondert  und  durch  die  letz- 
teren als  fertiges  Product  nach  aussen  an  die  Hautoberfläche 
gefördert. 

Die  Fettbildung  in  den  Talgdrüsen  geht  anders  vor  sich. 
Es  entstehen ,  analog  der  Epidermisregeneration  im  Eete  ,  in 
der  Tiefe  der  Fettdrüsen ,  fortwährend  junge  Zellen ,  wahr- 
scheinlich durch  Proliferation  der  Epidermiszellen ,  welche  die 
Drüsenläppchenwand  von  innen  bekleiden.     Im  successiven 
Vorrücken  nach  der  Höhle  der  einzelnen  Läppchen  und  der 
Drüse  umwandelt  sich  ein  Theil  ihres  Inhaltes  ,  ihres  Proto- 
plasma, zu  Fett  und  wird  zugleich  ihre  Wandung  trocken, 
brüchig.    Das  Fett  erscheint  anfangs  in  kleinen ,  später  in 
zusammenfliessenden  grösseren  Tropfen  im  Innern  der  Zellen. 
Diese  fetthaltigen  Zeilen  nun  und  ihre  Trümmer  sind  es  ,  die 
nach  und  nach  von  den  nachrückenden  vorgeschoben  und  in  den 


■^^^  Neiinte  Vorlesxing. 

eigenen ,  oder  mit  dem  Haarbalge  gemernschaftliclien  Aus- 
fiilirungsgang  und  endlich  an  die  Hautoberfläclie  zu  Tage  ge- 
fördert werden.  Es  findet  also  tliatsäclilicli  eine  Ausscheidung 
von  Epidermiszellen  aus  den  Talgdrüsen  statt ,  gerade  so  wie 
von  dem  Rete,  aus  dessen  Anlage  die  Talgdrüsen  entwicklungs- 
geschichtlieh  abstammen.  Nur  dass  diese  Zellen  auf  ihrem 
Wege  eine  fettige  Umwandlung  erleiden.  Und  nur,  indem  sie 
während  ihrer  Herausbeförderung  zerbröckeln  ,  tritt  auch  das 
Eett  ihres  Inhaltes  frei  hervor. 

Unter  normalen  Verhältnissen  ist  diese  Zellenabsonderung 
ebensowenig  aufi'ällig ,  wie  die  der  Oberhaut,  und  mir  das 
freigewordene  Eett  macht  sich  in  dem  EfPecte  der  physio- 
logischen BeÖlung  der  Hautoberfläche  und  der  Haare  geltend. 
IjTpathologischen  Fällen  jedoch  kann  das  Talgsecret  in  grossen 
Massen  an  der  Hautoberfläche  erscheiiien ,  welche  fast  aus- 
schHesplich  aus  fettigen  Epidermishaufen  bestehen. 

Es  kann  aber  die  Fettsecretion  der  Haut  in  zweifacher 
Weise  krankhaft  erscheinen  ,  indem  erstens  ihre  Secretion 
(Absonderung),  zweitens  ihre  Excretion  (Ausscheidiuig)  von 

der  Norm  abweicht. 

Die  anomale  Fettsecretion  der  Haut  bietet  sich  dar 
einmal  als  abnorm  gesteigerte,  ein  andermal  als  abnorm 
verminderte  Fettabsonderung. 

Die  erstere  steUt  den  krankhaften  Zustand  vor,  welchen 
man  mit  S  e  b  0  r  r  h  0  e  a  oder  Steatorrhoea,  Schmeerfluss,  Fluxus 
sebaceus,  bezeichnet,  also  eine  Krankheit,  welche  sich  durch 
den  Austritt  und  die  Ansammlung  von  abnorm  grossen  Men- 
gen Talgdrüsensecretes  auf  der  Hautoberfläche  charakterisirt. 
Das  Ausscheidungsproduct  der  Fettdi'üsen  erscheint  auf  der 
Hautoberfläche  entweder  als  fast  rein  öHger  Ueberzug,  oder 
als  auflagernder,  sehr  fettreicher  Schuppengrind,  welcher  ent- 
weder dicke ,  missfärbige  Krusten ,  oder  einen  dünnen  ,  firniss- 
artigen Ueberzug  büdet  —  Seborrhoea  oleosa  s.  adiposa, 
Acne  sebacee  fluante  nach  Cazenave.    Oder  die  auflagernden 
Massen  stellen  zwar  fettige,  aber  doch  zugleich  mehr  trockene, 
brüchige  Epidermisschüppchen  vor  — ,  Seborrhoea  sicca 
s.  squamosa,  s.  furfuracea,  Acne  sebacee  seche  (Cazenave).  Beide 
Formen  können  gesondert  oder  untermischt  bei  demselben  In- 
dividuum vorkommen,  und  zwar   entweder  nur  auf  einzelne 
Körperregionen  beschi-änkt,  Seborrhoea  locallis,  oder  m 


Seborrhoea. 


145 


allgemeiner  Verbreitung,  Seborrhoea  universalis.  Dar- 
nach, sowie  je  nachdem  die  Seborrhoe  behaarte  oder  nicht 
behaarte  Hautstellen  betrifft,  gestalten  sich  auch  die  Symp- 
tome und  Folgen  des  Uebels  vuiterschiedlich. 

Der  behaarte  Kopf  ist  wohl  der  häufigste  Sitz  der  Krank- 
lieit    Seborrhoea  capillitii  —  bei  Säuglingen  und  Er- 
wachsenen beiderlei  Geschlechtes.  Ihr  Product  auf  dem  Kopfe 
der  Kinder  ist  der  sogenannte  Gneis,  eine  gelbbraune  und 
verschieden  missfärbige,  käsig-brüchige  imd  fettig  anzufühlende, 
bisweilen  trocken-harte,  oder  blättrige  Masse,  welche  in  dünner 
Schichte  oder  in  mächtigeren,  unregelmässig-höckerigen  Agglo- 
meraten auf  dem  Haarboden  festklebt.  Werden  die  Sebiim- 
massen  abgehoben,  so  erscheint  die  Kopfhaut  blass  und  feucht. 
Sie.  bedeckt  sich  nach  wenigen  Minuten  mit  einem  pergament- 
ähnlichen, dünnen ,  glänzenden  Häufchen ,  dem  Product  des 
frisch  secernirten  Fettes.  Oder  die  Haut  ist  etwas  geröthet, 
leicht  verwundbar,  indem  die  Oberhaut  dünn  und  locker  ist; 
oder  es  finden  sich  sogar  blutende  ,  oder  eine  seröse  klebrige 
Masse  absondernde,  epidermislose,  eczematöse  Stellen.  Letzteres 
rührt  von  dem  macerirenden  und  irritirenden  Einflüsse  her, 
welchen  die  durch  die  Fettkruste  zurückgehaltenen  und  zer- 
setzten Hautsecrete  auf  die  Epidermis  und  den  Papillarkörper 
ausüben.  Die  in  die  Schmeermasse  einbezogenen  Haare  folgen 
sehr  leicht  dem  Zuge. 

Der  Gneis  entwickelt  sich  als  Ueberbleibsel  und  Fort- 
setzung der  Seborrhoe  und  copiöseren  Epidermisregeneration, 
welche  beim  Fötus  und  Neugeborenen  über  dem  ganzen  Kör- 
per angetroffen  wird  (Vernix  caseosa,  Desquamatio  neonatorum), 
innerhalb  der  ersten  Lebenswochen  und  besteht,  aus  Fett, 
Schmutz,  abgestossener  Epidermis  und  Haaren  sich  aufbauend 
und  erhaltend,  bis  in  das  2.  und  3.  Lebensjahr.  Endlich  wird 
der  Gneis,  unter  Abnahme  der  copiösen  Fettabsondertuig ,  A^on 
der  Haut  abgehoben,  von  dem  wachsenden  Haare  vorgeschoben, 
zerbröckelt  und  fällt  ab. 

Auch  bei  Erwachsenen  kommt  Seborrhoea  capillitii 
mit  der  Bildung  solch'  massiger  Auflagerungen  vor,  welche  die 
Haare  mit  einander  verkleben  und  verfilzen.  Zuweilen  stellt 
sich  das  Product  der  Seborrhoe  als  eine  auflagernde,  giänzend- 
weisse,  schiefrig-blättrige,  asbestähnliche  Masse  dar.  Am  äUer- 
häxxfigst-en  jedoch  als  dünne ,  schmutzig-weisse  ,  in  fortwähren- 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  10 


Nounte  Vorlesung. 


der  Abstossung  begriffene,  dünne,  kleienähnliche  Sfliüppcheu  — 
Pityriasis  capillitii. 

Bei  Erwachsenen  ist  die  Seborrhoe  des  behaarten  Kopfes 
häufig   die   Folge'  vorausgegangener    örtlicher  Entzündungs- 
processe,  wie  Erj^sipel,  acutes  und  chronisches  Eczem,  Variola; 
die  Form  der  Pityriasis  noch  besonders  oft  Folge  und  Symptom 
von  acuter  und  chronischer  Anämie,  bei  Wöchnerinnen,  schlecht 
genährten  Personen  beiderlei  G-esclilechtes ;  namentlich  auch  bei 
vorausgegangener,  oder  noch  besteheiader  Syphillis  (Seborrhoea 
syphilitica),  ausserdem  aber  auch  häufig  genug  ein  idiopathi- 
sches Uebel,  ohne  nachweisbare  derartige  Ursachen.    Sie  be- 
steht diTrchwegs  monate-  oder  jahrelang  und  heilt  spontan, 
oder  durch  Behandlung,  nach  Massgabe  der  sie  veranlassenden 
Ursache  vorübergehend  oder  dauernd.    Als  örtliche  Eolge  ist 
jederzeit  Lockerung  und  reichlicheres  Ausfallen  der  Kopfhaare 
—  Effluvium  capillorum  —  und  bei  jahrelanger  Dauer  des 
Uebels  auch  dauernde  Lichtung  des  Haarwuchses  und  Kahl- 
werden —  Alopecia  —  zu  bemerken. 

Im  Bereiche    des  Gesichtes  sind  vorwiegend  Stirne, 
Nase,  Schläfe  und  Kinn  ,  bei  Männern  noch  der  Bereich  des 
Bartes,  der  Sitz  der  Seborrhoe  —  S.  faciei.    Am  bekann- 
testen, weü  häufigsten,  ist  hier  der  ölige  Scluneerfluss.  Manche 
Personen,  besonders  brünette,  sind  während  ihrer  Pubertäts- 
jahre damit  behaftet.    So  oft  sie  auch  ihr  Gesicht  mit  Seife 
waschen,  erscheint  doch  dasselbe  sofort  wieder  fett ,  glänzend 
und  beim  Verweilen  in  staubgeschwängerter  Atmosphäre  noch 
schmutzig,  indem  die  Staubpartikelchen   an  der  fetten  Haut 
leichter  haften.  "Was  als  Seborrhoea  nigricans  palpebra- 
rum (Neligan,  Wilson,)  und  Blepharomelaema  (Law)  be- 
schrieben wurde,  bedeutet  wohl  nichts   anderes  als  derart 
schmutzig  und  schwarz  gewordene  Sebumauflagerungen.  Hitze 
begünstigt  die  Ausscheidung  des  Fettes.    Oft  tritt  der  fettige 
Erguss  urplötzHch  über  das  Gesicht  auf.    Stärkeres  Ausfallen 
der  Augenbrauen  und  Barthaare  in  Eolge  eüier  m  ihrem  Be- 
reiche localisirten  Seborrhoe  gehört  zu  den  nicht  seltenen  Vor- 
kommnissen. -11 

Auf  der  Nase  ,  der  angrenzenden  Wangenpartie  und  der 
Nasenwurzel  büden  sich  zuweüen  durch  Eintrocknung  und  An- 
häufung seborrhoischer  Producte  dicke,  schmutzig-gelbschwarze 
Krusten,  welche  z.  B.  die  Nase  wie  eüie  aufgesetzte  Düte  aus 


Seboi'i'lioea. 


147 


Papier-maehe  umhüllen.    Solche  Fälle  sind  öfters  für  ein  bös- 
artiges Neugebilde ,  Krebs ,  angesehen  worden.    Hebt  man  die 
Ki-usten  mittels  der  Meisselsonde  oder  den  Fingernägeln  von 
den  Rändern  her  behntsara  ab ,  was  immer  leicht  möglich  ist, 
so  gewahrt  man  von  der  nnteren  Fläche  der  SebiBiila-nste  her 
zapfenlormige  Fortsätze  wurzelngleich  in  die  erweiterten  Mün- 
dungen der  Talgdrüsen  sich  einpflanzen.    Die  Krnsten  sind 
eben  nur  die  flächenhaften  Ausbreitungen  der  aus  den  FoUikeln 
sich  herausschiebenden  Fettmassen.     Endlich  sind  dieselben 
Oertlichkeiten ,  besonders  die  Furchen  der  Nasenflügel,  die 
Augenbrauengegend,  die  Ohrmuscheln,  der  behaarte  Theil  des 
Gesichtes  auch  oft  der  Sitz  einer  Seborrhoea  sicca  ,  indem  sie 
bei  massiger  Röthung  hartnäckig  mit  dünnen,  trockenen,  aber 
festhaftenden  und  in  die  Follikel  zapfenförmig  sich  fortsetzen- 
den Schüppchen  bedeckt  erscheinen.   Die  von  der  Auflagerung 
befreite  Haut  ist  blass  oder  massig  roth,  von  grossen  Poren, 
klaffenden  Talgdrüsenmündungen  besetzt,  glänzend  und  incru- 
stirt  sich  leicht  wieder ;  selten  ist  sie  stellenweise  blutend  oder 
nässend.    Bisweilen  ist  die  Injection  der  Haut  mehr  ausge- 
sprochen. Hebra  hat  seinerzeit  solche  Formen  als  Seborrhoea 
congestiva  besonders  beschrieben.    Seither  hat  es   sich  ge- 
zeigt, dass  diese  die  Vorstufe  für  den  Lupus  erythematosus 
abgeben  kann,  eine  Krankheit,  von  der  wir  noch  ausführlich 
handeln  werden. 

Zur  Entstehung  der  zuletzt  geschilderten  Formen  der 
Seborrhoea  faciei  gibt,  wie  für  den  Schmeerfluss  des  behaarten 
Kopfes,  zuweilen  nachweislich  ein  vorausgegangener  Entzün- 
dungsprocess  die  ursächliche  Veranlassung,  so  besonders  Ery- 
sipel und  Variola.  Manche  Fälle  stehen  mit  der  Pubertäts- 
entwicklung, Anämie  in  Folge  von  Blutverlusten,  fieberhafteii 
Krankheiten  etc.  in  CausaLaexus.  Noch  andere  sind  nicht  wei- 
ter ursächlich  zu  erklären,  sondern  als  Ausdruck  einer  indi- 
viduellen Hautbeschaffenheit  hinzunehmen. 

Als  Complicationen  und  Folgen  der  Seborrhoea 
faciei  sind  örtlich  Eczem,  Erweiterung  und  Entzündung  einzel- 
ner Talgdrüsen,  Comedonen-  und  Acnebildung,  nnd  in  einzelnen 
Fällen  der  mit  narbiger  Veränderung  der  Haut  einhergehende 
Process  zu  verzeichnen,  der  eben  als  Lupus  erythematodes 
erwähnt  worden  ist. 

Alle  Formen  von  Schmeerfluss  des  Gresichtes  pflegen  nach 

10* 


-j^^g  Neunte  Vorlesung. 

Andauern  von  vielen  Monaten  oder  Jaliren  spontan  zu  lieilen 
imd  weichen  einer  zweckmässigen  Behandlung. 

Von  anderen  localen  Seborrhoeen  erwähne  ich  noch  zu- 
nächst der  des  Nabels.    Im  grubig  eingezogenen  Nabel  sam- 
melt sich  gerne  Fett  und  Epidermis  in  grösserer  Menge  an. 
Die  Masse  riecht  ranzig,  ihre  Zersetzungsproducte  reizen  die 
Haut  zur  Entzündung.    Ferners  die  Seborrhoea  genita- 
lium    Es  ist  schwer  zu  entscheiden,  ob  es  sich  da  jedesmal 
um  eine  thatsäclüiche  copiösere  Fettausscheidung,  oder  nicht 
vielmehr  um  eine  örtliche  Anhäufung  von  normalen  Abstos- 
suno-sproducten  von  Epidermis  und  Fett  handelt.  Letzteres 
scheint  z  B.  für  die  Eichel  und  innere  Fläche  der  Vorhaut 
wahrscheinlicher,  da  hier  nm^  wenige  (TnysoN'sche)  Drüsen 
sich  befinden  und  es  zumeist  bei  enganschliessendem  oder  gar 
phymotischem  Praeputium  zu  dem  hier  angedeuteten  Zustande 
kommt.   Besonders  in  der  Kranzfurche  sammeln  sich  die  fetti- 
gen und  ranzig  riechenden  Absonderungen,  Smegma  praeputii,  an. 
Sie  führen  bekanntlich  zu  schmerzhaften  Erosionen  der  Vor- 
haut und  Eichel,  Nässen,  Aussickern  von  eiterigem  Secret,  — 
Balalnitis,  Balanopostitis. 

Auch  die  Clitöris  und  ihr  Praeputium,  sowie  die  Viüva 
sind  unter  analoger  Veranlassung  der  Sitz  von  Entzündung, 
Gefülil  von  Brennen  und  eiteriger,  einen  Tripper  vortäuschen- 
der Absonderung.  Bei  jungen,  schwäclüichen  Kindern,  sowie 
bei  erwachsenen  weiblichen  Individuen,  welche  durch  Krankheit 
lange  Zeit  an's  Bett  gefesselt  und  heruntergekommen  wai^n, 
habe  ich  öfters  das  acute  Auftreten  solcher  Seborrhoea ,  Ba- 
lanitis und  Vulvitis  gesehen. 

Ungleich  seltener  als  der  örtlich  beschränkte  Schmeer- 
fluss  ist  die  Seborrhoea  universalis  zu  beobachten  Sie 
stellt  eine  sehi^  interessante  und  praktisch  wichtige  Krankheits- 
form dar.  .  ,    1  1 

Bei  Neugeborenen  wird  sie  repräsentirt  durch  eme 
stärker  und  in  den  ersten  Lebenstagen  sich  noch  fort  erneu- 
ernde Vernix  caseosa  ,  welche  die  Haut  incrustirt  und  zu 
Spannung  und  Entstehung  von  schmerzhaften  Euirissen  \  er- 
anlassung  gibt.  Betrifft  dieser  Zustand  die  ganze  Haut ,  so 
erscheint  dieselbe  schon  wenige  Stunden  nach  der  Gebiu't  braun- 
roth,  atlasartig  glänzend,  wie  gefirnisst,  oder,  nach  Heb^s 
Vergleich,  wie  ein  halbgebratenes  cochon  de  lait.     Es  büden 


Seborrlioca. 


1-49 


sicli  im  Gesichte,  von  den  MnndWveln  her,  über  den  Gelen- 
ken in  den  Backenfalten,  schmerzhafte  Risse ;  die  Starrheit  der 
Nase  nnd  des  Mnndes,  die  Schmerzhaftigkeit  der  Rhagaden 
machen  das  Saugen  unmöglich ;  die  Kinder  gehen  binnen  weni- 
gen Tagen  an  Inanition  und  Wärmeverlust  zu  Grunde,  wenn 
?hnen  Seht  durch  ausgiebiges  Einfetten  und  Erweichen  _  der 
Incrustation,  sowie  durch  künstliches  Erhalten  der  Körperwarme 
Hilfe  gebracht  wird.  Man  bezeiclmet  diesen  Zustand  richtig 
als  Ichthyosis  sebacea  oder  Seborrhoea  squamosa  neona- 
torum; fälschlich  ist  er  als  Ichthyosis  congenita  von  manchen 

Autoren  ausgegeben  worden.  ^  ,     ^  •  , 

Bei  Ei°wachsenen  stellt  sich  die  Seborrhoea  univer- 
salis dar  entweder  in  Eorm  von  den  Stamm  und  die  Streck- 
seite der  Extremitäten  vorwiegend  bedeckenden,'  m  stetiger  Ab- 
schülferung  begriffenen,  fettig-glänzenden  Schüppchen.  Derart 
findet  sie  sich  zumeist  bei  älteren  oder  auch  jüngeren,  mara- 
stischen  Individuen  uud  heisst  deshalb  Pityriasis  tabescen- 
tium     Oder  es  bilden  sich  jene  selteneren  Formen  von  Cutis 
tetsacea,   oder  Ichthyosis   sebacea,  bei  welcher  der 
grösste  Theil  der  Hautoberfläche,  namentlich  des  Stammes  und 
der  Streckseite  der  Extremitäten  mit  grünHch  -  braunen  und 
schwärzlichen  Krusten  belegt  ist.    Die  Krusten  spalten  sich 
den  tieferen  Eurchen  und  Linien  der  Haut  entsprechend  m 
Platten  und  Eelder,  sind  streckenweise  dünn,  an  anderen  Stel- 
len aufgethürmt,  stachel-  und  hornartig  emporragend.  Auch 
diese  Krusten  können  losgelöst  werden.    Die  Haut  erscheint 
bis  auf  mässige  Rothe  normal,  doch  vielfach  mit  erweiterten 
Talgdrüsenmündungen  besetzt,  in  welche  die  Sebumkrusten  mit 
fadenförmigen  Fortsätzen  sich  einpflanzen. 

Die  Diagnose  der  Seborrhoe  ist  bei  Berücksichtigung 
ihrer  eben  geschüderten  Symptome  im  Allgemeinen  ziemlich  ge- 
sichert. Dennoch  ergeben  sich  unter  Umständen  manche 
Schwierigkeiten,  namentHch  in  Anbetracht  der. Mannigfaltigkeit, 
welche  die  verschiedene  Form,  Intensität  und  Localisation  in 
der  Erscheinungsweise  der  Erkrankung  veranlassen.  Da  Sie 
jedoch  bis  nun  die  difeerentiellen  Charaktere  der  Her  in  Be- 
tracht kommenden  ähnlichen  Affectionen  noch  nicht  kennen,  so 
beschränke  ich  mich  darauf,  hier  nur  auf  dieselben  hinzudeuten. 
Sie  werden  in  den  späteren  Erörterungen  und  in  Ihren  eigenen 
wachsenden  Kenntnissen  die  volle  Ergänzung  dieses  Mangels 


Neuute  Vorlesung. 


150 

finden     So  bemerke  icli  denn  nur  zu  Ihrer  Orientirung,  dass 
die  SelK.rrhoe  des  bellaarten  Kopfes  iin  AUgemeinten  mit  aUen 
Hautkrankheiten  verwechselt  werden  kann,  welche  Auflagerung 
von  Krusten  und  Schuppen  auf  dem  Haarboden  mit  sich  brin- 
o-en  Formen,  welche  alle  in  früheren  Zeiten  mit  dem  noso- 
loo-isch  bedeutungslosen  Namen  Tinea    (Kopfgrind)  belegt 
wurden;  so  vor  Allem  Eczema  squamosum  iind  impetigmosum, 
sodann  Psoriasis,  Herpes  tonsurans  und  Favus.  Bezüglich  der 
beiden  letzteren  handelt  es  sich  um  Ausschliessen  der  ihnen  zu- 
kommenden Charakteristika,  des  mikroskopisch  nachweisbaren 
Pilzes  in  Betreff  der  ersteren  um  Ergänzung  des  Krankheits- 
bildes' aus  den  Veränderungen,  welche  mit  denselben  gleich- 
zeitig an  anderen  Hautstellen  sich  vorzufinden  pflegen. 

''Die  G-esichtsseborrhoe  ist  von  Eczem,  Psoriasis  und  Lupus 
erythematosus  abzugrenzen.  Letztere  bedingt  jederzeit  neben 
der  Eöthung  auch  narbige  Schrumpfung ,  der  Haut.  Bei 
Seborrhoe  der  Genitalien ,  namentlich  gleichzeitiger  Balanitis 
lind  Erosionen  an  der  Eichel  luid  Vorhaut  vergessen  Sie  nicht 
die  Möo-Hchkeit  einer  gleichzeitigen  syphilitischen  Ajisteckung 
im  Auge  zu  behalten  und  daher  in  Ihrem  Urtheile  vorsichtig 
zu  sein,  d.  h.  wegen  der  Prognose  sich  die  genügende  Beobach- 

tmigsfrist  zu  wahren. 

Seborrhoea  universalis  neonatorum  ist  nicht  zu  verkennen. 
Die  der  Erwachsenen  dagegen  kann  leicht  mit  Ichthyosis  ver- 
wechselt werden.  Bei  Seborrhoea  sind  die  Krusten  mechanisch 
und  durch  Erweichung  vollkommen  ablösbar  und  erscheint  die 
Haut  massig  roth,  allenfalls  mit  grossen  Poren  besetzt ,  aber 
sonst  normal,  geschmeidig,  glatt.  Das  Uebel  ist  heilbar.  Di^ 
Ichthyosis  ist  stets  eine  von  Kindheit  an  bestehende  unheil- 
bare Krankheit.  Die  Schuppen  bei  derselben  sind  schwer  und 
unvollkoimnen  abzuheben,  die  Haut  bleibt  verdicM,  warzig, 
von  tiefen  Furchen  durchzogen  ziu-ück  (es  besteht  Hj^ertrophie 
der  Haut  und  der  PapiUen)  und  die  Krusten  erzeugen  sich 

rasch  wieder.  . 

Die  Prognose  der  Seborrhoe,  der  örtlichen,  wie  dei 
aügemeinen,  ist  günstig.  Das  Uebel  ist  jederzeit  rasch  zu 
bessern  und  in  den  meisten  Fällen  dauernd  zu  heilen.  Aussei 
der  örtlichen  Entstellung,  der  Belästigung  durch  Spanniuig 
Entstehung  von  schmerzhaften  Einrissen,  der  zei  weiligen 
Complication  mit  Eczem,  Comedonen  und  Acne  im  (xesichte, 


Seljon'hoea.  151 

hat  die  Krankheit  keinerlei  üble  Wirkung  auf  das  Gesanimt- 
befinden  Nur  die  Ichthyosis  sebacea  des  Neugeborenen  kann 
für  das  Leben  des  letzteren,  wie  erwähnt,  bedrohlich  werden. 

Für  die  Behandlung  der  Seborrhoe  ist  die  Haiaptncht- 
schmir  durch  die  Principien  vorgezeichnet,  welche  ich  in  der 
lucemeinen  Therapie  (pag.  94)  dargelegt  habe.  Da  es  sich 
nämlich  hier  jedesmal  um  Auflagerungen  von  (secundaren) 
Krankheitsproducten,  Fett-  und  Epidermisschuppen  und  Krusten 
handelt,  so  besteht  die  nächste  Aufgabe  der  Behandlm^g  in 
der  Beseitigung  derselben;  principiell  in  Erweichung,  Los- 
lösung und  Entfernung  der  Schuppen  und  Krusten. 

Ihre  Erweichung  und  Zerbröckelung  wird  am  raschesten 
durch  Einwirkung  von  flüssigen  Fetten,  ihre  Entfernung  so- 
dann durch  Waschen  mittelst  Seife  luid  Wasser  zu  Wege 

gebradit.  ^^^^  ^^^^  ^^^^  ^.^^^^^^^^^  ^.^^^^^^^  j^.tte  empfehlen  sich 
einfaches  OHvenöl,  Leberthran,  Petroleum,  Butter  Schweine- 
fett. Zuthaten  von  Zink,  Präcipitat,  Carbol-  und  Salicylsaure 
XI  s  w  sind  ganz  nebensächlich  und  überflüssig.  Die  Haupt- 
sache bleibt  immer  das  Oel  oder  Fett,  und^dass  dasselbe  iii 
solcher  Menge  und  nach  einer  solchen  Methode  m  Gebrauch 
kommt,  dass  der  beabsichtigte  Zweck  auch  voUständig  und 

möglichst  rasch  erreicht  werde.  .    ^  . 

Dies  wird  nun  nach  der  Oertlichkeit  und  Litensitat  der 
Seborrhoe,  so  wie  nach  den  äusseren  Verhältnissen  des  Kran- 
ken mancherlei  Modalitäten  gestatten  oder  erfordern. 

Bei  Seborrhoe  des  behaarten  Kopfes  trägt  man  das  Uel 
mittelst  eines  abgeschliffenen  Borstenpinsels ,  oder  mit  emein 
Stück  Schwamm  oder  einem  Charpiebausch  auf,  macht  durch 
Drücken  und  Frottiren,  dass  das  Oel  in  grosser  Menge  m  die 
Borken  eindringt  und  bedeckt  dann  den  Kopf  mit  einer  FlaneU- 
haube,   oder  einer  (nicht  gefärbten)  türkischen  Mütze  (Fez). 
Derart  wird  das  Oel  täglich  4— 5mal  applicirt  und  auch  über 
Nacht  belassen.    Binnen  12—24  Stunden  können  die  mächtig- 
sten Lagen  von  Schuppengrind  derart  erweicht  sein ,  dass  sie 
nun  unter  dem  Finger  zerbröckehi  und  sich  loslösen.  Beim 
Gneis  der  Säuglinge  geht,  man  besonders  sanft  vor.    Es  liegt 
ja  in  dem  FaUe  nichts  an  einem  langsameren  Erfolge,  aber 
sehr  viel  an  der  „ Vorsicht  und  Milde",  weiche  die  Angst  und 
die  Vorurtheüe  der  Mütter  und  Kindsfrauen  am  sichersten 


Neunte  Vorlesung. 

besiegt.  Bei  erwaclisenen  Männern  kann  das  Verfahren  dadurcli 
erleiclitert  werden,  dass  die  Haare  kurz  geschnitten  werden. 
Bei  weiblichen  Kranken  dürfen  die  Haare  nicht  abgeschnitten 
werden,  da  das  Gregentheil  barbarisch  mid  unnöthig  ist. 

Sind  die  Borken  und  Schuppen  vollends  erweicht  und 
bröckelig,  so  werden  sie  abgewaschen.  Man  benützt  hiezu 
gewöhnliche  harte  Haus-  oder  eine  Toiletteseife  beliebiger  Art, 
oder  Schmierseife;  am  zweckmässigsten  wohl,  bei  zarter, 
empfindlicher  Haiit,  wie  bei  Kindern,  flüssige  Grlycerinseife, 
bei  Erwachsenen  dagegen  Spiritus  saponatus  kalinus  Hebra; 
letztere  deshalb,  weil  sie  Alcohol  enthält,  der  das  Fett  gut 
löst  und  wahrscheinlich  auch  auf  den  Tonus  der  Talgdrüsen 
einen  anregenden  Einfluss  übt.  Derselbe  wird  nach  folgender 
Formel  bereitet: 

Rp.  Saponis  viridis  100  grammes 

solve  leni  calore  in  spir.  vini  .    200  ,, 

filtra  et  adde: 
Olei  lavand. 
„    bergamott.  aa      .    .    .    .       3  „ 

Mise,  filtra.  DS.  Kali-Seifengeist. 

Bei  der  Handhabung  des  Waschens  bedient  man  sich 
eines  rauhen  (Flanell-)  Lappens  oder  eines  sogenannten  Frottir- 
schwammes  ,  auf  den  die  flüssige  Seife  geschüttet ,  oder  die 
feste  bis  zum  Schäumen  gerieben  wird ,  und  benütze  genügend 
viel  laues  oder  kaltes  Wasser.  Derart  gelingt  es  sicher  den 
Kopf  vollkommen  rein  zu  bringen. 

Am  Schlüsse  wird  noch  die  Seife  mittelst  Uebergiessen 
von  lauem  oner  kaltem  Wasser,  oder  durch  Abdouchen  voll- 
ständig abgespült  und  der  Kopf  abgetrocknet. 

Bei  diesem  Vorgehen  bemerkt  man,  dass  zugleich  ein 
grosser  Theü  der  Kopfhaare  sich  ablöst  und  abfäUt ,  ja  dass 
manche  Kranke,  die  vor  der  Abwaschung  genügend  reiche 
Chevelure  zu  haben  schienen,  nunmehr  fast  kahl  geworden 
siad.  Die  Kranken,  darüber  erschreckt,  sind  sofort  geneigt, 
den  Haarverlust  den  „zu  starken"  Mitteln  zuzuschreiben.  Sie 
wissen,  worirm  es  sich  handelt.  Durch  den  seborrhoischen 
Process  findet,  wie  ich  schon  früher  bemerkt,  gleichzeitig 
Lockerung  und  Ausfallen  der  Haare  statt.  Sind  ja  viele  FäUe 
von  Alopecie  einzig  auf  Pityriasis  capitis  zurückzuführen. 

Die  ausgefallenen  Haare  nun  sind  durch  die  Fettmassen 


Seborrhoea. 


153 


zusammen-  und  auf  dem  Kopfe  festgehalten  worden,  eine  wirk- 
Hclie  Haarfülle  vortäitschend.  In  Wirkliclikeit  sassen  sie  lange 
nicht  mehr  in  der  Haartasche  oder  auf  der  Papille,  und  so  ist 
es  selbstverständlich,  dass  sie  mit  und  gleich  den  Krusten  nur 
Auflagerungen  vorstellen  imd  mit  dem  Waschen  entfernt  werden 
müssen.  Um  solchen  Missdeutungen  vorzubeugen,  ist  es  ge- 
rathen,  die  Kranken  auf  dieses  bevorstehende  Ereigniss ,  und 
dass  es  in  der  Krankheit  gelegen  sei,  noch  vor  dem  Abwaschen 
aufmerksam  zu  machen,  zugleich  aber  ihr  Zutrauen  durch  das 
Versprechen  zu  erwecken,  dass  der  Haarverlust  sich  rasch 
wieder  ersetzen  werde,  —  ein  Versprechen,  das  auch  vollends, 
oder  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade  sicherlich  in 
Erfüllung  geht. 

Die  rein  gewaschene  Haut  erscheint  nun  massig  roth, 
glänzend,  und  je  mehr  sie  trocken  wird,  gespannt.  Gegen  die 
liieraus  entspringende  unangenehme  Empfindung,  das  ßissig- 
werden  der  dünnen  Oberhaut  u.nd  die  Erneuerung  von  Sebum- 
auflagerungen ,  schützt  man  den  Kranken  diirch  Einschmieren 
von  Oel  oder  Pommaden,  z.  B.  Olei  olivar.  50,  Bals.  peruv.  1  ; 
oder  Ungu.  emoll.  25,  Oxyd.  Zinci  0-50,  Aqu.  laurocer.  2-50 
und  Aehnliches. 

Hat  nach  Verlauf  mehrerer  Tage  die  Oberhaut  sich  in 
genügender  Dicke  regenerirt  und  die  Haut  ihre  Empfindlich- 
keit verloren,  so  muss  noch  durch  mehrere  Wochen  der  Haar- 
boden mittelst  Alcohols,  Spir.  vin.  gaUic.  cum  Acid.  carboHco 
(Spii-.  100,  Acid.  carbol.  0-15,  Glycerrhin.  1-50)  gebürstet 
werden,  u.  z.  im  Verhältnisse  der  sich  neu  erzeugenden  Schup- 
pen täglich,  oder  2 — 3mal  wöchentlich. 

Da  sowohl  die  Seifen  als  die  Alcoholica  die  Oberhaut 
stark  entfetten,  spröde  und  rissig  machen,  so  ist  es  zweck- 
mässig, von  Zeit  zu  Zeit  ein  indifferentes  Oel  oder  Eett ,  eine 
beliebige  Pommade  einzuschmieren. 

Diese  Nachbehandlung  kann  wochen-  und  selbst  monate- 
lang nothwendig  erscheinen. 

Gegen  Balanitis  ist  das  blosse  öftere  Waschen ,  wie  dies 
oft  beliebt  wird,  nicht  zweckmässig.  Besser  ist  das  Eialegen 
von  in  Poudre  getauchter  Charpie  oder  Streifen  Leinwand, 
und  weim  nässende,  wunde  Stellen  zugegen  sind,  Einlegen  von 
Leinwandläppchen,  die  in  adstringirende  Lösungen  oder  Salben 
getaucht  sind,  wie:  ßp.  Aeruginis  0"15,  Aqii.  font.  25;  oder 


Keimte  Vorlesung. 

Phimb.  acetici  basici  0-50,  Arj,u.  fönt.  30 ;  oder  Ung-u.  emoU.  20, 
Oxyd.  Zinci  0-25. 

Nachdem  ich  Iluien  nun  zunächst  an  dem  Beispiele  der 
häufigst  ziu-  Behandlung  sich  darbietenden  Form  der  Seborrhoe, 
der  des  behaarten  Kopfes ,  die  Methode  der  örtlichen  Behand- 
lung ausführlich  geschildert,  darf  ich  mich  bezüglich  der  anders 
localisirten  Seborrhoe,  besonders  der  nicht  behaarten  Ivörper- 
steUen,  kürzer  fassen.    Ueberall  ist  Erweichung  der  Auflage- 
rungen, Ablösen  und  Abwaschen  und  nachträgliche  Anwendung 
voii'^Alcoholicis  mit  zeitweiligem  Waschen  und  Einsalben  Be- 
dingmig  des  Erfolges.    Ueber  die  Modalitäten  der  Ausführung 
werdeif  OertUchkeit  und  Umstände  entscheiden.    So  z.  B.  wird 
man  dicke  Krusten  des  Gesichtes   am  raschesten  entfernen, 
wenn  Oellappen  oder  mit  Salbe  bestrichene  Elecke  aufgelegt 
und  mit   weniger  imbibirbarem  Stofi-e ,  ElaneU,  fest  nieder- 
gebunden werden. 

Auch  die  sogenannten  Streupulver,  Amylum,  Talcum 
venetum  piüverisatum  (Eederweiss)  etc.  finden  hier  ihi^e  gele- 
gentliche Verwendung,  z.  B.  zum  Einlegen  zwischen  Präputium 
imd  Glans,  zum  Bestreuen  und  Abwischen  des  mit  Pommade 
bestrichenen  Gesichtes,  da  man  doch  nicht  dieses  fettglänzend 

belassen  kann,  u.  s.  w. 

Nicht  anders  sind  die  Grundsätze  und  Mittel,  nach  und 
mit  welchen  die  universeUe  Seborrhoe  bekämpft  werden  muss. 
Ein  mit  Cutis  testacea  behaftetes  Kind  muss  mit  Oel  oder 
Schmalz  energisch  eingerieben,  oder  in  mit  blander  Salbe  be- 
strichene Lappen  eingehüUt  werden,  u.  z.  methodisch  derart 
dass  die  Extremitäten,  die  Zehenfalten,  das  Gesicht  etc.  init 
gesonderten  und  angepassten  Elecken  eingewickelt  und  nutt^elst 
Elanelllarve  und  FlaneUbinden  eingeroUt  werden.  Ausserdem 
noch  wird  das  Kind  behufs  Conservirung  seiner  Körperwarme 
in  schlechte  Wärmeleiter,  Feder-  oder  Baumwollhimen  gegeben. 
Täglich  wird  dasselbe  im  warmen  Bade  mit  Seife  gewaschen 
und  nach  dem  Abtrocknen  wieder  mit  Fett  behandelt.  _ 

Das  Aehnliche  geschieht  bei  Ichthyosis  sebacea  Erwach- 
sener. Bei  solchen  kann  zur  Erweichung  der  Krusten  der 
Kranke  durch  einige  Tage  mittelst  Schnüerseife  oder  Leber- 
thran  geschmiert  und  zwischen  Wolldecken  geleg-t,  oder  m 
Flaneimeider  gesteckt  werden.  Nach  erreichter  Erweichung 
der  Krusten  folgt  die  Behandlung  mittelst  täglicher  Bader. 


Asteatosis  cutis. 


155 


Abseifen,  Douclieii  mid  abermaligem  Einfetten,   so  lange,  bis 
die  Haut  ihre  normale  Bescbaifenheit  erlangt  bat. 

In  Anbetracht  dessen,  dass  .  manche  locale  Seborrhoe,  be- 
sonders die  des  Kopfes  und  des  Gesichtes,  diirch  besondere 
Ursachen  bedingt  sein  kann,  als  welche  ich  namentlicli 
chronischen  Gastricismus  xmcl  Chlorose  der  Frauen  betont  habe, 
muss  neben  der  örtlichen  Behandlung  auch  eiue  gegen  jene 
Ursachen  gerichtete,  zum  Theüe  innere  Therapie  zur  An- 
wendung kommen.  Amaricantia,  wie  Gentiana,  ßheum,  alka- 
lische und  eisenhaltige  Mineralwässer,  Ferrum  etc.  werden  m 
geeigneter  Form  neben  diätetischen  und  klimatischen  Behelfen 
den 'kranken  angerathen  und  von  diesen  durchwegs  durch 
längere  Zeit  gebraucht  werden  müssen,  wenn  der  ßecidive  der 
Seborrhoe  vorgebeugt  M^erden  soll. 

Gegen  die  bei  Scrophulösen  und  Tuberculosen  zu  beob- 
achtende Seborrhoea  sicca  universaHs  empfiehlt  sieb  der  iainer- 
liche  Gebrauch  von  Leberthran,  woferne  nicht  besondere  Um- 
stände denselben  gegenanzeigen. 

Ueber  das  von  dem  bisher  besprochenen  entgegengesetzte 
Verhalten  der  Talgdrüsen,  d.  i.  die  verminderte  Fett- 
secretion,  Asteatosis  cutis,  weiss  ich  nur  Weniges 
zu  sagen.  Die  der  physiologischen  BeÖlung  ermangelnde  Haut 
zeigt  eüie  trockene,  rissige,  gelegentlich  auch  feinschülfernde 
Oberhaut,  Pityriasis  simplex.  Idiopathisch  und  selbst- 
ständig findet  sich  dieser  Zustand  selten.  Zumeist  ist  er 
Theilsymptom  einer  anderweitigen  angeborenen  Hautkrank- 
heit, z.  B.  der  Xerodermie,  Ichthyosis,  Prurigo  .oder  eines  er- 
worbenen Leidens,  wie  Elephantiasis  Graecorum,  Psoriasis, 
Liehen  ruber,  ganz  so,  wie  die  Anidrosis ;  darnach  auch  selten 
universell,  sondern  auf  grössere  oder  geringere  Hautstrecken 
beschränkt  und  dauernd,  oder,  wie  die  bezüglichen  Hautkrank- 
heiten, vorübergehend  und  wechsebid. 

Häufig  ist  die  Asteatosis  cutis  künstlich  erzeugt,  durch 
den  Einfluss  solcher  Agentien,  welche  der  Epidermis  dauernd 
zu  viel  Fett  entziehen.  Dies  ist  der  Fall  diu-ch  Seife  und 
Lauge  an  den  Händen  der  Wäscherinnen,  durch  Chemikalien 
bei  gewissen  Gewerbetreibenden.  Die  Flachhand  bietet  dabei  eine 
meist  verdickte  und  spröde,  unelastische  und  deshalb  rissige 
Oberhaut  dar.    Die  Personen  halten  die  Finger  darum  gebeugt, 


^P^Q  Nennte  Vorlesung. 

oder  vermögen  sie  selbst  passiv  nicht  ganz  zu  strecken.  Leute, 
die  gewohnlieitsmässig  mit  kaltem,  Kalksake  und  Salpeter  _  ent- 
haltendem („hartem")  Wasser  sich  täglich  am  ganzen  Korper 
zu  waschen  pflegen,  bekommen  ebenfalls  eine  entfettete  schul- 
fernde,  trockene  Haut.    Jucken  und  Eczem  sind  nicht  selten 

die  Folge  davon.  , 

Dauer  tmd  Heübarkeit  der  Asteatosis  cutis  hangt  von 

der  jeweiligen  Ursache  des  Uebels  ab. 

Wir  kennen  kein  Heilverfahren,  durch  welches  die 

Thätigkeit.  der  Talgdrüsen  angeregt  werden  könnte  ^eben 

der  Beseitigung  der  veranlassenden  Ursache,  der  Heüung  des 

concomitirenden  Hautleidens,   der  Vermeidung _  der  die  Haut 

entfettenden  Schädlichkeiten,  fällt  der  Therapie  nur  noch  die 

Wgabe  zu,  der  Oberhaut  von  aussen  Fett  zuzuführen,  durch 

Einreiben  von  Leberthran,  Schweinefett  etc.    Da  aber  aUe 

Fette,  sobald  sie  ranzig  werden,  die  Haut  irritiren,  so  müssen 

sie  öfters  wieder  durch  Seife  und  Bad  entfernt  werden.  Em- 

reibung  mit  Vaseline  dürfte  deshalb  sich  am  besten  empfehlen. 

Wir  haben  uns  nunmehr  mit  einigen  interessanten  Krank- 
heitsformen der  Haut  zu  beschäftigen,  welche  durch  gestorte 
Ausscheidung  aus  den  Talgdrüsen  entstehen  Anomaliae 
excretionis   glandiüarum    sebacearum,   oder  Formen  der 
Fettretention.    Sie  kommen  dadurch  zu  Stande,  dass  das  von 
den  Talgdrüsen  abgesonderte  Secret,  Epidermis  und  Fett,  nicht 
nach  aussen  gefördert,  sondern  im  eigenen  oder  im  gemein- 
schaftlichen Ausführungsgaiig,  oder  in  der  Drüse  selbst  zurück- 
gehalten wird.    Mit  dem  Secrete  der  Talgdrüsen  werden  ge- 
legentlich auch  die  zxxv  physiologischen  Ab.stossung  gelangten 
Wollhärchen  im  Ausführungsgange  Hegen  bleiben.  _ 

Die  Mebei  obwaltenden  Verhältnisse  sind  mannigfach 
zum  Theü  sehr  complicirt,  zum  Theü  aber  auch  ganz  unaut- 

^'^^Die  einfachsten  Verhältnisse  sind  die  der  m  e  chanischen 
Störung  der  Ausscheidung.  Wenn  der  gememschafthche 
^usführungsgang  des  Haarbalges  durch  fremdartige  Substan- 
zen wie  Theer,  Staub  verstopft  ist,  oder  der  Ausführungsgang 
der' Talgdrüse  durch  Narben  verödet,  dann  ist  das  Liegen- 
bleiben des  Secretes  begreiflich.  Es  versteht  sich  auch  dass 
da  unter  solchen  Umständen  die  Talgdrüsen  eine  Zeit  lang 


Fettreteution.  Comedo. 


157 


nocli  imgestört  Epidermiszellen  und  Fett  absondern,  die  zurück- 
gehaltenen Producta  niechaiüsch  den  Ausfülirungsgang  und  die 
Drüse  ausdehnen  und  hierdurch,  so  wie  durch  chemische  Um- 
wandlung ii-ritirend  auf  die  Talgdrüse  wirken,  dieselbe  zu 
üppigerer  Proliferation  und  zur  Entzündung  veranlassen  können. 
Das  wären  also  die  einfachen  ßetentionsformen  aus 
mechanischer  Ursache  bei  v  e  r  s  c  h  1  o  s  s  e  n  e  m  A  u  s  f  ü  h  r  u  n  g  s- 
gange,  wie  Theer-Comedonen ,  ]\Iilium  in  der  Nachbarschaft 
von  Narben,  manche  Atherome. 

Es  kommen  aber  auch  dieselben  Eormen  bei  offenen 
Ausführungs wegen  vor.  Da  bleibt  denn  aiichts  anderes 
übrig,  als  eine  qualitative  Veränderung  des  Talgsecretes 
als  Ursache  seiner  Eetention  anzunehmen,  was  um  so  eher 
gestattet  ist,  als  thatsächlich  \mtev  solchen  Verhältnissen  die 
eino-eschlossenen  Massen  eine  bedeutende  chemische  Differenz 
p-ea-enüber  dem  normalen  Drüsensecrete  aufweisen,  wie  bei 
Müium  und  Molluscum  sebaceum. 

Anstatt  nämlich,  wie  physiologisch,  eine  fettige  Umwand- 
lung einzugehen,  verhornen  einmal  die  von  der  Drüse  abge- 
sonderten Zellen,  gleich  denen  des  ßete,  wie  im  gewöhnlichen 
Milium,  oder  sie  degeneriren  colloid,  wie  im  Colloid-Milium, 
oder  amyloid,  wie  im  Molluscum  contagiosum.  Beide  Zustände 
verhindern,  dass  die  secernirten  Zellen  zerfallen  und  ausge- 
stossen  werden. 

Doch  bleiben  wieder  andere  Verhältnisse,  wie  gesagt, 
ganz  dunkel. 

Die  vom  dermatologischen  Standpunkte  hier  vorzugsweise 
in  Betracht  kommenden  Formen  sind  Comedo,  Mitesser, 
Milium  s.  Grutiim,  Hautgries  und  Molluscum  verru- 
cosum  s.  sebaceum,  s.  contagiosum;  Atherom,  Chole- 
steatom, Cryptolithen  sind  besser  Gegenstand  der 
Chirurgie. 

Comedones,  Mitesser  (Acne  punctata),  sind  nadelspitz- 
bis  stecknadelkopfgrosse,  schmutzig-weissgelbe  bis  braune  luid 
schwarze  Punkte  der  Haut,  welche  den  freien  Drüsenmündiin- 
gen  entsprechen.  Sie  stellen  das  zu  Tage  liegende  Ende  eines 
den  gemeinschaftlichen  Ausführungsgang  ausfüllenden  Pfropfes 
dar.  Sie  ragen  nur  selten  mässig  über  das  Hautniveau  empor. 
Bei  seitlich  angebrachtem  Drucke  drängt  sich  der  Pfropf  durch 
die  Mündung,  wie  durch  eine  Spritze  getriebene  Butter,  in. 


^-j^  Neunte  Vorlesung. 


Gestalt  eines  gesclüängelten  Körpers.  Mit  dem  von  Sclinmtz 
dunkel  gefärbten  oberen  Theile,  gleicbsam  dem  Kopfe,  erscheint 
derselbe  einem  Wurm  älinlicli.  Daher  die  Vorstellung  von 
einem  THerchen  xmd  die  banale  Bezeichiitmg :  Mitesser. 

Der  gewöhnliche  Standort  der  Comedonen  ist  die  Haut 
der  Stirne,  Nase,  Schläfe,  Brust  und  des  Rückens,  an  welchen 
Oertlichkeiten  sie  bisweilen  in  enormer  Zahl  sich  etabUren, 
disseminirt  oder  zu  Häufchen,  oder  selbst  zu  warzenähnlichen, 
höckerigen  Massen  gedrängt  (Sebumwarzen,  Hebea;  Comedonen- 
scheibe,  Ribbentrop)  ;  doch  finden  sie  sich  auch  an  anderen 
Körperstellen,  besonders  auf  der  Haut  des  Penis. 

Einzelne  Mitesser  kommen  gelegentlich  bei  jedem  Men- 
schen vor.  Nach  kürzerem  oder  längerem  Bestände  wird  der 
Pfropf  lose  imd  durch  das  nachschiebende  Secret,  oder  durch 
mechanischen  Druck  und  Reibung  beim  Waschen  nach  aussen 
befördert.  Die  Drüsenmündung  sieht  man  durch  einige  Zeit 
klaffend  Viele  und  habitueUe  Mitesser  bilden  eine  lastige 
und  entsteUende  Krankheit.  Obgleich  auch  hier  die  einzelnen 
Comedonen  ausgestossen  werden,  erscheint  doch  das  Leiden 
durch  fortwährendes  Wiederauftauchen  neuer  und  durch  liire 
absolute  Menge  stationär  und  auffällig. 

Als  solches  entwickelt  es  sich  in  der  Regel  zur  Puber- 
tätszeit männlicher  und  weibHcher  Personen,  und  besteht  es 
bei  ersteren  oft  bis  in  die  20er,  30er  Lebensjahre,  wahrend  es 
bei  letzteren  gewöhnlich  früher  erlischt.  Es  ist  häufig  mit 
Seborrhoea  oleosa  faciei  vergeseüschaftet  und  fühlet  eben  so 
oft  zu  entzündlicher  Acne,  in  Eolge  des  Reizes, _  welchen  die 
in  der  Talgdrüse  zurückgestauten  Secrete  auf  jene  und  die 
sie  umgebende  Cutis  ausüben. 

Insoferne  ist  auch  die  Ursache  für  Comedonenbildung 
zum  Theüe  dieselbe,  wie  für  Seborrhoea  faciei  (Chlorose, 
Cachexie).  Gelegentliche  Ursachen  sind  Verstopfung  der  Drusen- 
mündungen durch  Theer  und  Schmutz  beim  Aufenthalte  m 
mit  solchen  Substanzen  geschwängerter  Atmosphäre  (Theer- 
fabriken),  so  wie  das  Unterlassen  der  gehörigen  Hautreinigung 
mittelst  Seife  und  Waschen  bei  bestehender  copioser  i^ett- 
secretion. 

Für  die  ausserhalb  dieser  Verhältnisse  entstellenden  Co- 
medonenbildung ist  nur  schwer  ein  plausibler  Grund  anzu- 


Comc(li). 


151) 


o-ebeu.  Am  näclisten  liegt  es ,  denselben  in  den  anatonaischen 
Verhältnissen  zu  suchen. 

Der  Comedo  besteht  aus  einer  peripheren,  aus  epidermoi- 
dalen  Zellen  zusammengesetzten  Hülle,  welche  eine  Hasse  um- 
scUiesst,  die  aus  Fett  (Cholestearin) ,  fetthaltigen  und  zer- 
bröckelten Epidermiszellen ,  sowie  einlagernden  (3—12)  Woll- 
härchen  gemengt  ist.  In  alten,  eingedickten,  trocken-brüchigen 
Comedo-Pfröpfen  habe  ich  häufig  solche  Körper  gefunden,  wie 
sie  dem  Moluscum  als  eigenthümlich  zugeschrieben  werden. 
Extrahirt  man  das  Eett  mittelst  Alcohol  und  Terpentin,  so 
bleiben  nur  die  Härchen  und  epidermoidale  Elemente,  beson- 
ders aber  der  periphere  Theil  des  Mitessers,  in  Grestalt  einer 
tulpenartigen  Hülse  zurück.  Die  die  letztere  zusammensetzen- 
den Zellen  stammen  von  der  Schleimschicht  des  Ausführungs- 
ganges und  von  Resten  der  Wurzelscheide,  die  Bestandtheile 
des  Comedo-Innern  ,  die  WoUhärchen  ausgenommen  ,  aus  den 
Talgdrüsen. 

Nebstdem  findet  sieb  sehr  oft  der  von  Gr.  Sbion  entdeckte 
Acarus  foliculorum,  eiae  achtbeinige,  mikroskopisch  erkemabare 
Mübe,  die  aber  mit  der  Genese  des  Comedo  nichts  zu  thun  hat. 

Als  anatomischer  Sitz  des  Comedo  erscheint  nach  diesem 
Befunde,  sowie  dem  klinischen  Ansehen,  der  Ausführungsgang 
der  Talgdrüse,  oder  der  gemeinschaftliche  Ausführungsgang 
dieser  und  des  Haarbalges,  je  nach  der  verschiedenen  Oert- 
Hchkeit. 

Dort  nun,  wo  vorwiegend  der  Sitz  von  Comedonen  ist, 
Stirne,  Nase,  Rücken  etc.  gleichzeitig  der  Standort  von  La- 
migohaaren,  ist  das  Verhältniss,  wie  es  Biesiadecki  besonders 
anschaulich  gemacht  hat,  derart,  dass  die  Talgdrüsen  mit 
weitem  Ausführungsgange  frei  zu  Tage  münden.  Die  Haar- 
follikel bilden  einen  Anhang  der  Talgdrüsen  rmd  münden  in 
einem  stumpfen,  ja  bisweilen  in  einem  rechten  "Winkel  in  den 
Ausführungsgang  der  Talgdrüse,  so  dass  das  aus  dem  Haar- 
balge kommende  Haar  mit  seiner  Spitze  an  die  gegenüberliegende 
Wand  des  Ausführungsganges  anstösst ,  ja  manchmal  nach  ab- 
wärts sich  rollt  (Eig.  14,  Biesiadecki).  Dasselbe  mag  so  aiif 
diese  Stelle  irritirend  wirken  und  eine  Proliferatiou  des  den 
Ausführungsgang  auskleidenden  Epithels  bewirken,  wodurch  die 
den  Talginhalt  umschliessende  Hülle  zu  Stande  kommt.  Dass 
die  Comedonenbüdung  gerade  in  der  Pubertätszeit  aufzutreten 


i 


IGO 


Neunte  Vorlesung. 
Fig.  w. 


Durclisclinitt  eines  Comedo. 

j„,v,  Afitpa^pv  erfüllt.   In  diesem  zwei  Woll- 

ela;  dam  Hiuiv  d  »«JJ^J        fJümmt  .iol  bei  /  B.cli  «bwail.. 

^flert  wäre  auch  Uemit  erHärt.  Denn  um  diese  Periode 
St  J  bekanntlich  ein  lebhaftem-  Haarwuchs  em.  D  e 
Smloharchen  werden  rascher  erzeugt  und  abgestossen  ah- 
T  die  ans  dem  Follikel  wachsenden  Härchen  imtirend  wir- 
ken g  Cu™  e  im  physiologischen  Haarwechsel  von  der 
Papffl?  abgestossenen,  älteren  Härchen  m  den  werten  Ta  g- 
IXen-Ausl«aug  und  ^^J^^^^,^^^ 
von  ZeUen,  ZeUentrümmeru  imd  Fett  liegen,  J^estaii 

des  ^0^^^  "^^ß'^^l  B  den  Extreinifäten ,  .vo 
An  anderen  ^^^^f  '  "^f^/^ie  Talgdrüsen  in  den 
das  VerMltniss  unigekelirt  ist,  so  dass  aie  x  ^„.„teren 
T  Jfnllilcel  münden,  ist  der  Ausfülirnngsgang  des  letzteien 
HaartoUikei  ninnueu,  o-ele"-entliclien 
für  beide  gemeinscliaftlicli  und  der  Sitz  eines  geie^e 

Comedo. 


Milium. 


161 


Dass  mechanisclie  Verstopfang  des  Ausfüliruugsganges 
durch  Theer,  Schmutz  etc.  zur  Entstellung  von  Mitessern  An- 
lass  geben  kann,  ist  selbstverständlich  und  bereits  erwähnt 
worden. 

Ich  bin  aber  auch  geneigt  für  aUe  diese  Vorkommnisse 
eine  Verminderung  im  Tonus  der  Wand  des  Ausführungsganges 

zu  beschuldigen.  •    j       tp  j. 

Die  Behandlung  der  Comedonen  besteht  m  deren  Jl^nt- 
fernung.    Man  bewirkt  dies   durch  einfaches  Ausquetschen 
mittelst  der  beiden  Daumennägel,  oder  bedient  sich  hiebei  des 
von    Hebra    angegebenen    sogenannten  Comedonenquet- 
schers.    Derselbe  steUt  ein  4  Ctm.  langes,  konisches  Metall- 
röhrchen  vor,  dessen  schmales  Ende  eine  stumpfe  Krampe,  dessen 
oberer  Theü  zwei  Oesen  seitlich  trägt.    Man  drückt  dasselbe 
in  raschem  Tempo  mit  dem  schmalen  Ende  senkrecht  über  je 
einen  Comedo  auf  die  Haut  und  macht  diesen  derart  in  die 
Höhle  des  ßöhrchens  hervortreten.    Nebstdem  verwendet  man 
noch  die  gegen  Seborrhoe  früher  empfohlenen  Mittel :  Seifen- 
waschungen, Einpinselungen  mit  Alcoholicis  etc.,  um  die  Eett- 
secretion  zu  mindern  und  den  Tonus  der  Drüsen  anzuregen, 
so  wie  weiters  jene  Verfahrungsweisen ,  welche  gegen  Acne, 
die  ja  mit  Comedonen  zugleich  vorzukommen  pflegt,  sich  nütz- 
lich erweisen  und  später  zur  Sprache  kommen  werden. 


Das  Milium  s.  Grutum,  der  Hautgries,  stellt  ein 
anatomisch  einfacheres  Gebilde  vor.  Dasselbe  bildet  grieskorn- 
bis  stecknadelkopfgrosse,  gelbKch-  bis  milchweisse,  in  die  Haut 
eingestreute,  oder  etwas  emporragende,  durch  die  Oberhaut 
durchschimmernde,  derb  anzufühlende,  rundHche,  kugeKörmige 
Körperchen. 

Ihr  Hauptstandort  ist  die  zarte  Haut  der  Augenlider 
und  deren  nächster  Umgebung ,  Wange  und  Schläfe;  nächst- 
dem  der  Lippensaum;  an  den  männlichen  Genitalien  Penis 
und  Scrotum,  besonders  aber  der  Eichelkranz,  welcher  von 
Miliumkörnern  manchmal  ganz  eingesäumt  ist ;  und  endlich  an 
den  weiblichen  Genitalien  besonders  die  innere  Eläche  der 
kleinen  Schamlippen. 

Ritzt  man  mittelst  eines  feinen  Messers  die  Haut  über 
einem  Miliumkorn ,  so  blutet  die  SteUe  mässig  und  man  kann 

Kaposi,  Hautkrankheiten. 


1^^^^2  Neunte  Vorlesung. 

das  Körperchen  als  Ganzes  mit  den  Danraennägeln  aus  seinem 
Neste  lieransqnetsclien,  oder  mit  der  Spitze  des  Bistouris  lier- 
auslieben.    Es  hängt  manchmal  mittelst  eines  dümien  Stieles 
an  der  Haut  (dem  Haarbalge)  fest,  der  erst  abgerissen  werden 
muss.    Das  Körperchen  ist  rund,  kugeHg  oder  feingelappt, 
glatt  und  kann  leicht  zerquetscht  werden,  wobei  es  schollig 
zerklüftet.    Es  besteht  aus  einer  einfachen  oder  gelappten 
peripheren  HüUe,  einem  feinen  Häutchen  und  einem  Inhalte 
von  trockenen  EpidermiszeUen ,  welche  um  einen  centralen, 
epidermoidalen  und  Eett  enthaltenden  Kern  zwiebelschalen- 
artig  angeordnet  sind,  also  eine  Epidermiskugel  darsteUen,  me 
die  sogenannten  Cancroidkörperchen.    Nur  dass  in  letzteren 
proliferirende  Zellen  vorhanden  sind. 

Djis  Milium  besteht  aus  einem  einzigen,  oder  mehreren 
Talgdrüsenläppchen  einer  oberflächlich  gelegenen  Drüse  und 
hat  deshalb  immer  eine  dünne  Schichte  des  Corium  mit  seinen 
PapiUen  und  das  Rete  über  sich,  die  also  erst  eingeschnitten 
werden  müssen,  wenn  dasselbe  herausgeholt  werden  soU.  Es 
kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  das  oder  die  Läppchen  von 
der  in  ihrem  Innern  sich  aufhäufenden  Epidermis  ausgedehnt 

werden.  .  . 

Die  Ursachen  einer  solchen  Ansammlung  von  Epidermis- 
zeUen und  Ausdehnung  der  Drüsenläppchen  mögen  verschiedene 
sein.  Bei  dem  auf  gesunder  Haut  entstehenden  Mümm  und  bei 
offenem  Ansführungsgang  ist  keine  Veranlassung,  eine  mecha- 
nische Störung  für  die  Ausscheidung  des  Drüsensecretes  anzu- 
nehmen. Es  scheint,  dass  hier  eine  chemische  Störung  statt- 
findet, indem  die  producü^ten  ZeUen  statt  sich  fettig  zu  um- 
wandeln und  sodann  zu  zerfaUen,  was  für  ihre  Ausscheidung 
günstig  ist,  einfach  verhornen ,  wie  die  Zellen  der  Epidermis, 
und  deshalb  liegen  bleiben. 

Ein  gleicher  Grund  scheint  in  manchen  oberflächlichen 
Entzündungsprocessen  der  Haut  gegeben  zu  sein.  Wie  B.^REN- 
SPBTmG,  haben  nämHch  auch  Hebba  und  ich  einmal  wahrend 
des  Ablaufes  von  Pemphigus  bei  einem  Manne,  und  ich  noch 
einmal  bei  einem  sechsjährigen  an  Pemphigus  leidenden  Kinde 
an  den  SteUen,  wo  Pemphigusblasen  abgeheilt  waren  imd 
endlich  ich  noch  einmal  bei  einem  Manne  nach  Ablaiü  von 
Rothlauf  viele  hundert,  binnen  Kurzem  entstandene  Müium- 
kömer  gesehen,  welche  z.  B.  am  Arme  und  auf  der  Haut  des 


!JIilium. 


163 


Bauches  in  zievliclien  Grnippen  imd  Kreisen  angereiht  waren. 
Sie  haben  in  diesem  Falle  nach  vielen  Wochen  theüs  sich 
exfoHirt,  theils  mögen  sie  auch  weiter  verblieben  sein. 

Dagegen  ist  eine  rein  mechanische  Ursache  für  die  Ent- 
stehxma- jener  Müinmkörner  anzusprechen,  welche  am  Saume 
von  Hautnarben  zu  entstehen  pflegen,  mögen  diese  von  Lupus, 
Syphilis  oder  Verbrennung  herrühren.  Hier  werden  offenbar 
einzelne  Drüsenläppchen  durch  die  Narbenstränge  vom  Aus- 
führvmgsgange  abgesperrt  und  derart  in  ihi-er  Höhle  die  eine 
Zeit  lano-  ungestört  secernirten  Zellen  aufgehäuft. 

GefegentHch  kann  aber  auch  bei  in  den  Haarbalg  ein- 
mündenden Talgdrüsen  das  Milium  eine  cystenartige  Aus- 
sackung des  Haarbalges,  eben  jener  EinmündungssteUe  ent- 
sprechend, büden.  Ja  VmcHOW  und  Rindfleisch  geben  aus- 
drücklich die  Haartasche  als  Sitz  des  Milium  an,  ersterer 
dessen  Mündung,  letzterer  aber  sogar  den  Fundus.  Das  Letztere 
dürfte  doch  nicht  ganz  richtig  sein,  mit  Rücksicht  auf  das 
über  den  Standort  des  Milium  und  seine  Entwicldungsweise 
eben  Gresagte. 

Als  anatomisches  Curiosum  erwähne  ich  noch  das  ^  von 
E.  Wagner  im  Jahre  1866  beschriebene  Colloid-Milium, 
das  er  bei  einer  54jährigen  Frau  vorgefunden  hatte.  Stirne, 
Nase  und  die  nachbarliche  Wangen-  und  Schläfehaut  waren, 
besonders  die  erstere,  mit  Längs-  und  QuerwiÜsten  besetzt, 
auf  deren  First  zahlreiche ,  hirsekorngrosse,  derbe ,  bläschen- 
artig schimmernde  Knötchen  sassen.  Dieselben  konnten  durch 
den  stärksten  Druck  nicht  zum  Bersten  gebracht  werden.  Erst 
nachdem  die  über  ihnen  Hegende  Hautschichte  eingestochen 
worden,  trat  ihr  Inhalt  als  blassgelbliche,  homogene,  matt- 
glänzende, durchscheinende,  an  festes  CoUoid  gemahnende 
Masse  hervor.  Nach  Wagnbr's  Auffassung  lagen  hier  MiHen 
vor,  deren  Epidermis-Inhalt  durchwegs  coHoid  entartet  war. 
Es  fanden  sich  keine  erkennbaren  Epidermiszellen  vor ,  wohl 
aber  einzelne  zarte  Härchen. 

Zur  Behandlung  des  Milium  wird  man  besonders  von 
weiblichen  Kranken  veranlasst ,  deren  Antlitz ,  namentlich  bei 
zartem  weissen  Teint,  durch  eine  grössere  Menge  von  ein- 
gelagertem Hautgries  allerdings  verunziert  wird.  Das  beste 
Mittel  besteht  darin ,  dass  man  der  Reihe  nach  über  jedem 
einzelnen  Knötchen  die  Haut  mit  der  Spitze  eines  feinen 

11* 


Neunte  Vorlesung. 

Bistouris  genügend  tief  einritzt  und  die  Milien  sodann  lieraus- 
quetscht.    Die  Ritzstellen  bluten  wenig  und  verheilen  spurlos. 

Bei  acuter  und  massenhafter  Entwicklung  von  Milium, 
wie  die  hei  PempHgus  und  Rothlauf  geschilderte,  hahe  ich 
durch  Auflegen  von  Schmierseife  Röthung  und  massige  Ent- 
zündung der  Haut  hervorgerufen ,  in  deren  Folge  die  Milien 
sich  rasch  exfoHirten.    Daraus  schliesse  ich  um  so  sicherer, 
dass  in  diesen  FäUen   die  Communication  zwischen  Milium- 
läppchen  xmcl  Ausführungsgang   frei  war.    Denn  bei  Ver- 
ödung dieser  Verbindung  würden  dieselben  sich  höchstens  mit 
der  Zeit  durch  Atrophie  der  über  ihnen  liegenden  dünnen 
Coriumschichte  ausblättern  können. 

Ich  führe  nun  noch  das  sogenannte  Molluscum  conta- 
giosum als  hieher  gehörige  pathologische  Form  an,  über 
dessen  BegrifP  noch  ziemliche  Verwirrung  herrscht 

Ich  meine  zunächst  dasjenige  Gebüde,  welches  der  Schopfer 
dieses  Namens,  Bateman,  ursprüngHch  als  solches  angeführt 
hat    Das  sind  in  der  Haut  gelagerte,  oder  über  diese  hervor- 
ragende, kugelige  Gebilde  von  einiger  Transparenz  ziemkcher 
Härte,  glatter  Oberfläche ,  breit  oder  gestielt  aufsitzend  und 
mit  einer  kaum  merklichen  Oeffiinng  versehen,   durch  die  ein 
milchig  trüber  Inhalt  der  Knoten  herausgepresst  werden  kam. 
Sie  kommen  einzeln,  zu  mehreren  und  sehr  vielen  vor,  insbe- 
sondere untermischt  mit   Acne  und  Comedonen.  Dieselben 
steUen  zweifeUos  ausgedehnte,  von  verflüssigtem  Fett-  und 
Epidermisbrei  erfüllte,  cystenartig  degenerirte  Talgdi'usen  vor 
deren  Wandung  oft  deutlich  verdickt,  deren  Oeffnung  verödet 
oder  sichtbar,  selbst  für  eine  Sonde  passirbar  ist,  also  Drusen- 

balggeschwülste.  t  i  ix  j  i, 

Sie  contrahiren  sich  entweder,  nachdem  ihr  Inhalt  durch 
Auspressen,  oder  nach  Function  ein-  oder  melireremals  entleert 
worden.  Andere  können  erst  nach  erfolgter  Spaltung  dui-ch 
Eiterung  zur  Verödung  gebracht  werden.  Noch  andere  smd 
nicht  anders,  als  durch  Ausschälen  des  Balges  zu  beseitigen. 

„Contagiosum"  hat  Bateman  dieses  Molluscum  genannt, 
weil  er  dasselbe  bei  mehreren  in  gegenseitigem  Verkehr  ge- 
standenen Personen  gleichzeitig  beobachtet  hatte  und  so  ver- 
muthete,  dass  es  contagiös  sei. 


Molluscum  contagiosum. 


165 


Seit  den  20er  Jahren  ist  aber  vielfach,  ja  fast  ausschliesslich 
ein  etwas  anders  aussehendes  Gebilde  als  MoUuscum  contagio- 
sum aufgeführt  worden. 

Dasselbe  erscheint  auf  der  Haut  in  Gestalt  von  Stecknadel- 
kopf- bis  erbsengrossen,  rundlichen,  halbkugeligen,  kugeligen, 
emporo-ewölbten,  weiss  schimmernden,  beinahe  transparenten, 
zuweüen  von  einem  schmalen  rothen  Saum  eingefassten,  warzen- 
ähnlichen Hervorraginigen  oder  kleinen  GeschwiUsten.  Die 
grösseren  zeigen  in  der  Mtte  eine  dellenartige  Vertiefuag, 
welche  iinverkennbar  der  Eonikelmündung  entspricht.  Sie  sehen 
derart  den  Efflorescenzen  der  YariceUa  sehr  ähnlich,  mit  denen 
sie  auch  gerne  verwechselt  werden. 

Quetscht  man  ein  solches  Gebilde  zwischen  beide  Daumen- 
uägel,  so  tritt  das  ganze  Körperchen  aus  seinem  Bette  und 
hinterlässt  eine  seichte  Grube ,  deren  Oberfläche  ziemlich  stark 
blutet    Dasselbe  besteht'  aus  mehreren  runden,  glatten,  weissen 
Läppchen,  die  an  einem  kurzen  Strange  zu  einem  Traubchen 
verbunden  sind.    Zwischen  den  Fingern  zerreibt  sich  dasselbe 
erst  nach  Berstung  seiner  strammen  HüUe.  Dann  bekommt  man 
eine  breiig-blättrige  Masse,  die  sich  unter  dem  Mikroskope  als 
fein  vertheilte,  platte  Epidermiszenen,  Eettkügelchen  und  ±ett- 
krystalle  darsteüen.    Ausserdem  finden  sich  grosse,  eiförmige, 
kernlose  eigenthümlich  mattglänzende  Körper,  theüs  frei,  theils 
eine  EpidermishiiUe  ausfüllend,  oder  zum  Theüe  in  einer  solchen 
steckend,   zum  anderen  Theile  nackt   aus   ihr  hervorlugend 
(Fig.  15).  Diese  Körperchen  hat  man 
in  den  letzten  Jahren  als  „M  ollu  s- 
cumkörp  erchen"  bezeichnet  und 
eingehend  studirt,   weil  man,  seit 
Henderson  und  Paterson  auf  die- 
selben aufmerksam  gemacht  hatten, 
vielfach  der  Meinung  war,  ^ass  sie 
ein  dem  Molluscum  eigenthümliches 

und  charakteristisches  Yorkommniss  jj^uuscximkörperclien." 
vorstellen  und  die  Träger  der  An- 
steckung seien ,  die  man  ebenfalls_dem  Gebilde  zuschrieb  — 
beides  aber  fälschlich,  wie  ich  in  einer  besonderen  ArBeiF  dar- 
gethan  zu  haben  glaube. 

Die  geschilderten  warzen-  oder  pockenähnlichen  Gebilde^, 
kommen  ziemlich  häufig  zur  Beobachtung.    Sie  finden  sich  am 


j^Qß  Neunte  "Vorlesung. 

Penis  und  Scrotuni,  an  den  Labien,  wesbalb  sie  aucli  mit  Tripper 
in  Beziehung  gebracht  worden  sind;  weiters  am  Stamme,  an  den 
Extremitäten,  u.  z.  vorwiegend  auf  der  Beugeseite,  im  Gesichte, 
am  Halse,  am  Nacken,  einzeln  oder  in  grösserer  Zalü  zu  20,_  50, 
100  und  darüber  in  den  verschiedensten  Grössen,  dissemnnrt 
oder  steUenweise  dicht  aneinander  gedrängt. 

lieber  ihre  Entwicklung  weiss  man  nicht  viel  zu  sagen, 
da  sie  meist  unvermerkt  erscheinen.  Ihr  Bestand  ist  chronisch, 
durch  Wochen,  Monate  oder  Jahre.  Viele  bilden  sich  vom 
kleinsten  Umfange  zurück  und  verschwinden.  Die  grossen 
werden  gelegentlich  zerkratzt  und  faUen  unter  Blutung  ihrer 
Basis  aus.  Andere  werden  durch  schmerzhafte  Entzündung 
und  Eiterung  ihrer  Umgebung  ausgestossen  und  hinterlassen 
eine  Narbe .  was  namentlich  bei  Localisation  im  Gesichte  imd 
bei  Mädchen  nicht  gleichgiltig  ist.  Andere  können,  wie  gesagt, 
jahrelang  unverändert  fortbestehen. 

Weder  Jucken  noch  Schmerz  ist  mit  ihrer  Gegenwart 
verbunden,  die  einzelnen  in  Entzündung  begriffenen  ausge- 
nommen. 

Bei  Kindern  sind  sie  häufiger  als  bei  Erwachsenen. 
Eczem,  Prurigo,  starke  Schweisse,  Maceration  der  Haut 
scheinen  zu  ihrer  Entstehung  Anstoss  zu  geben.  Unter  solchen 
Umständen  haben  ich  und  Andere  auch  acute  Entwicklung 
derselben  über  grosse  Hautstrecken  beobachtet. 

Wie  vielfach  dieses  Gebilde  gedeutet  wurde,  kann  man 
schon  aus  der  Menge  von  Namen  ersehen,  die  neben  M.  conta- 
giosum demselben  gegeben  worden  sind,  als  subcutanes  und 
endocystisches  Condylom,  Condyloma  porcelaneum,  Sebiunwar- 
zen  (Hebra),  Molluscum  epitheliale  (Viechow),  Acne  varioh- 

formis  (Bazin). 

Die  Idee  von  der  Ansteckungsfähigkeit  dieser  Warzen 
wird  noch  vielseitig  behauptet  und  ist  dadurch  erregt  und 
wach  erhalten  worden,  dass  man  wiederholt,  so  auch  ich 
selber  bei  mehreren  Personen,  besonders  Kindern,  die  m  gegen- 
seitigem innigen  Verkehr  gestanden,  contemporär  dieselben 

entstehen  gesehen.  . 

Man  hat  sich  aber  noch  weiter  auf  die  anatomischen 
Verhältnisse  des  Molluscum  in  dieser  Beziehung  stützen  zu 
können  geglaubt,  aber  mit  Unrecht.  Denn  es  erweist  sich, 
dass  die  Molluscumwarzen  nur  von  einem  verdickten  und  eigen- 


Mollusciun  contagiosum. 


167 


thünilicli  veränderten  epitlieloiden  Inlialt  erfüUte,  ausge- 
delinte  Talgdrüsen  sind,  so  selir  auch  Manche  sich  Mühe 
gegeben  haben  sie  aus  Wucherung  und  lappigem  Auswachsen 
der  Retezellen,  oder  der  Auskleidungszellen  des  Ausführungs- 
gano-es  zu  erklären.    Auf  dem  Durchschnitt  zeigen  sie  wie 
aUe'^Talgdrüsen  einen  lappigen  .  Bau ,   eine  Begrenzungswand, 
die  nach  der  Höhle  Septa  sendet ,  und  einen  geschichteten 
Inhalt.    Dieser  besteht  peripher  aus  Enchymzellen  und  mehr 
nach  der  Mitte  fortschreitend  aus  Zellen,  deren  Protoplasma 
anivloid  entartet  ist.     Dies   sind   die  früher  erwähnten 
„MoUuscumkörper«,  welche  die  Träger  der  Ansteckung  sein 
soUten.    Am  aUerwenigsten  hat  man  Grund,    sie  für  Püze, 
oder  eingewanderte  Gregarinen  (Bollinger)  anzusehen.  Auch 
kommen  solche  Körper  überall  vor,  wo  Epithel  lange  liegen 
bleibt,  in  Epitheliomen,  in  alten  Coniedonen  u.  A. 

Es  ist  aber  auch  weiters  weder  casuistisch,  noch  experi- 
menteU ,  die  Uebertragbarkeit  der  Molluscumwarzen  beweis- 
ki-äftig  dargethan  worden.  Deshalb  halte  ich  mit  Hebra  und 
den  meisten  Klinikern  und  Anatomen  dieselben  auch  nicht  für 
ansteckend  und  ihren  Beinamen  „contagiosum"  für  ungerecht- 
fertigt. 

Sie  bilden  mit  den  früher  geschilderten  Balggeschwülsten, 
dem  ursprünglichen  M.  contagiosum  Bateman,  ein  und  dieselbe 
Erkrankungsform  und  beide  kommen  auch  gemengt  vor.  ^  Sie 
sind  beide  Eetentionsgeschwülste  der  Talgdrüsen  und  heissen 
besser  nach  Hebra  Molluscum  sebaceum.  Nur  schlage 
ich  zur  klinischen  Unterscheidung  vor,  die  cystenartigen  M. 
atheromatosum,  die  zuletzt  geschilderten,  warzenförmigen 
M.  verrucosum  zu  nennen. 

Die  Behandlung  der  Molluscumwarzen  ist  eine  mecha- 
nische. Die  einzelnen  Warzen  werden  mit  den  Daumennägeln 
herausgequetscht,  was  das  praktischeste  ist,  oder  mit  dem 
scharfen  Löffel  herausgekratzt.  Die  stark  blutenden  Wund- 
stellen werden  mit  Charpie  bedeckt  und  verheilen  rasch.  Sind 
viele  Mollusca  dicht  aneinandergedrängt  auf  einer  ausgebrei- 
teten Hautregion  vorhanden,  so  kann  man  auch  durch  Auf- 
legen eines  Umschlages  von  Schmierseife  Schrumpfung  und 
Exfoliation  derselben  veranlassen. 


TV.  Olasse. 

Exsudationes. 

Durch  Exsudation  und  Entzündung  bedingte  Hautkrankheiten. 

Zehnte  Vorlesung. 

Allgemeines  über  Exsudation  und  Entzündung. 

Exsudation  und  Entzündung  inn  Allgemeinen,  die  Zellentheilung,  ihre  Be- 
ziehung zu  jenen  und  zu  den  stabilen  und  eingewanderten  Form- 
elementen. Symptome  der  Exsudation  und  Entzündung  an  der  Haut. 
Verlauf  und    Ausgang  derselben.    Resolution,  Eiterung,  Hypertrophie, 

Atrophie,  Degeneration. 

Meine  Herren!  Ich  gehe  daran,  Sie  mit  einer  Serie 
von  Hantkrankheiten  bekannt  zn  machen,  die,  wegen  ihrer 
vorwaltenden  Häufigkeit,  Sie  von  allen  Dermatosen  zumeist  in 
Ihrem  praktischen  Berufe  beschäftigen  werden. 

Ausserordentlich  verschieden  nach  Ansehen,  Verlauf,  Ur- 
sache und  Bedeutung  wurzeln  sie  doch  aUe  in  einem  gemein- 
schaftlichen pathologisch-anatomischen  Grrunde,  in  dem  der 
Exsudation  und  Entzündung,  Sie  stellen  Exsudativ- 
oder  Entzündungsprocesse  xaT'  e^oj^viv  dar.  Wir  müssen  uns 
demnach  zunächst  darüber  verständigen,  was  diese  Processe 
in  der  Pathologie  im  Allgemeinen  und  was  sie  für  die  Haut 
im  Besonderen  bedeuten. 

Sie  wissen,  dass  die  Vorstellung  von  der  Entzündung 
von  jeher  die  medicinischen  Studien  beherrscht  oder  besonders 
beschäftigt  hat.  Die  Haut  war  es,  von  welcher  man  ihre 
Erscheinungen  am  frühesten  abgelesen  hat,  wie  ihre  traditio- 
nelle Charakteristik  als:  Rubor,  Calor,  Turgor,  Dolor 


Allgemeines  über  Entzündung. 


169 


etFunctio  laesa  bezeugt,  luicl  ans  der  an  der  lebenden, 
entzündeten  Haut  gemacbten  'Wahrnebmung  wurde  die  Vor- 
steUimg  von  der  Entzündung  aucb  auf  die  inneren  Organe 
übertragen. 

Zwei  Jahrtausende  bindurch  war  man  darauf  bescbränkt, 
das  Wesen  dieser  Erscbeinungen  nicbt  anders  als  speculativ 
zu  beleuchten.  Erst  die  patbologiscbe  Anatomie  fübrte  dabin, 
in  den  materiellen  Veränderungen  der  entzündeten  Gewebe 
selber  aucb  das  Wesen  des  entzündlichen  Vorganges  aufzu- 
suchen. 

Bis  in  die  50er  Jahre  nun  hat  der  grosse  Meister  dieser 
Doctrine,  Rokitansky  und  seine  Schule  das  in  entzündeten  Gre- 
weben  vorfindliche  Exsudat  als  wesentlichstes  anatomisches 
Symptom  der  Entzündung  angesehen  und  den  exsudativen 
Process  selber  gleichbedeutend  mit  Entzündung. 

Die  Letztere  betrachtete  man  als  eingeleitet  durch  eine 
Circulationsstörung,  welche  als  Hyperämie  begami,  bis  zur 
Stase  des  Blutes  sich  steigern  sollte,  und  sodann  zum  Aiis- 
tritte  von  Exsudatflüssigkeit  —  zur  Exsudation  — führte. 

Die  Exsudation  bezeichnete  die  Ahme  des  Entzündungs- 
processes. 

In  dem  eigentlichen  Exsudate  oder  dem  Entzündung s- 
producte  vorgefundene  Formelemente,  Zellen,  Kerne,  „Exsu- 
datkörper chen"  (Eiter,  Corps  pyoides)  Hess  man  aus  dem  Plasma 
der  Exsudatflüssigkeit,  gewissermassen  per  generationem  aequi- 
vocam,  sich  entwickeln. 

Allein  es  wurde  zugleich  gelehrt,  dass  „diese  sämmtlichen 
Elemente  keiner  weiteren  Entwicklung  fähig  sind". 

Von  dem  Exsudate  unterschied  man  in  zweiter  Eeihe  als 
Befund  in  dem  entzündeten  Grewebe  die  entzündliche  Neu- 
bildung,  die  G-ewebs Vegetation,  die  Fleischwärzchen- 
bildung.   Sie  war  nicht  mehr  als  Attribut  des  entzündlichen 
Vorganges  selbst,  sondern  als  dessen  Folge  hingestellt.  Die 
Entzündung  selbst  hatte  mit  der  Exsudation  ihr  typisches 
Ende  erreicht.    Die  Grewebsvegetation  war  nur  auf  Anregung 
der  Exsudatflüssigkeit,  oder  durch  die  Verwendung  des  über- 
mässig vorhandenen  Plasma  aus  den  präexistenten  Bindegewebs- 
elementen  (auch  Grefässen)  hervorgegangen;  und  stellte  dem- 
nach nur  eine  Folge,  einen  „Ausgang"  der  Entzündung  vor. 
Die  Eiterelemente,   deren  Entwicklung  die  entzündliche 


^rjQ  Zehnte  "Vorlesung. 

Gewebsvegetation  (Graniilationsbildung)  begleitete,  mirden, 
wie  die  entspreclienden  Elemente  des  ursprünghclien  Exsudates, 
aus  einem  neuerlichen  Exsudate  hergeleitet,  welches  aus  den 
mit  der  Granulationsbildung  gleichen  Schrittes  vorrückenden 
neuen  Blutgefässen  ausgetreten  war,  und  dieselben  aus  sich 

erzeugen  soUte. 

Man  sieht,  dass  der  Entzündungsprocess ,  den  man  auf 
der  einen  Seite  mit  der  ursprünglichen  Exsudation  enden  liess, 
auf  der  anderen  Seite  wieder  fortgesetzt  gedacht  wiu'de,  indem 
ia  die  Eiterbildung  der  Granulationen  aus  einem  neuen  Exsu- 
date entstehen  soUte,  Exsudation  aber  nur  meder  Product 
einer  Entzündung  sein  konnte.  _ 

Mit  der  Erfahrung,  dass  den  stabüen  Bmdegewebs- 
elemen.ten  eine  Proliferationsfähigkeit  zukomme,  und  mit 
der  auf  dieser  Erkenntniss  durch  Virchow  aufgebauten  ZeUen- 
theorie(Cellular Pathologie)  war  die  bisherige  Bedeutung 
■der  Exsudation  in  den  Hintergrund  gedrängt.    Die  m  den 
entzündeten  Geweben  vorfindliche  Neubildung  von  Formelemen- 
ten (ZeUen,  Eiter)  und  bleibenden  Geweben  wurde  aus  der 
ProHferation  der  Bindegewebskörperchen  hergeleitet.  Zwar 
konnte  das  Exsudat,  d.  i.  dessen  flüssiger  Bestandtheil  mcht 
übersehen  werden,  und  eben  so  wenig,  dass  es  aus  den  Blut- 
gefässen herstamme.    AUein  dessen  Austritt  war  nicht  diu'ch 
die  Gefäss-  oder  Herzaction  erklärt,  sondern  es  sollte  dui'ch 
die  proliferii^ende  Vegetation  der  Gewebselemente  zum  Aus- 
tritte veranlasst  werden  (Viechow). 

Man  zwang  sich  demnach  geradezu  den  Blick  von  den 
Vorgängen  in  den  Gefässen,  von  der  Circulationsstörung  imd 
deren  unmittelbarer  Consequenz,  der  Exsudation,  ab-,  um  ihn 
ausschliesslich  den  Vorgängen  in  den  Gewebselemeiiten  selbst 

zuzuwenden.  ^  , 

Die  Aufmerksamkeit  der  Histologen  wurde  auch  eine 
Zeit  hindurch  durch  eine  Reihe  von  neu  entdeckten  Erschei- 
nungen an  die  Vorgänge  in  den  Geweben  selbst  gefesselt. 
Zunächst  durch  die  Entdeckung  Recklinghausen  s  der  ande- 
runc  der  EiterzeUen  (ExsudatzeUen).  Weiters  diu-ch  den  Nach- 
weis von  Cohnheim  ,  dass  während  des  Entzündungsprocesses 
Schaaren  von  weissen  Blutkörperchen  aus  dem  Lumen  der 
Gefässe  durch  deren  Wandung  hindurchpassiren  und  in  aie 
Gewebe  auswandern.    Schon  früher  hatte  Stricker  gezeigt, 


Allgemeines  über  Entzündung.  171 

dass  bisweilen  einzelne  r  o  t  Ii  e  Blntkörperclien  auf  diesem  Wege 
Äwvch  die  Grefässwand  liindurcli  den  Gefässraum  verlassen,  wie 
■Waller  solches  für  weisse  Blutkörperchen. 

Die  Entdeckung  Cohnheim's  von  der  massenhaften  Aus- 
wanderung der  weissen  Blutkörperchen  war  identisch  mit  dem 
Nachweise  einer  unerschöpflichen  QueUe  für  die  Herkunft  der 
Eiterzellen.  Weisse  Blutkörperchen,  Eiterzellen,  Exsudat- 
körperchen  sind  von  einander  nicht  unterscheidbare ,  demnach 
als  identisch  aufziifassende  Elemente.  Dadurch  ward  auch  die 
Lehre  VmcHOw's  in's  Schwanken  gebracht.  Der  eigentliche 
Nachweis,  dass  die  Bindegewebskörperchen  sich  theilen  xind 
die  EiterzeUen  aus  sich  herausbüden,  war  ja  von  YmcHOW 
gar  nicht  geHefert  worden.  Die  Auswanderung  der  weissen 
Blutkörperchen  per  Diapaedesin  konnte  aber  Jedermann  unter 
dem  Mikroskope  verfolgen.  Viele  Helten  sich  demnach  lieber 
an  das  Neue,  was  zugleich  positiv  und  unbestreitbar  erscHen. 

Die  Thatsachen  häuften  sich  alsbald  in  überraschender 
Weise  an  Zahl  und  meritorischer  Bedeutung. 

Dui-ch  gründliche  Untersuchungen  ward  dargethan ,  dass 
die  EiterzeUen  durch  endogene  Bildung  sich  vermehren.  Weiters, 
dass  auch  die  Epithelien  durch  endogene  Zeugung  EiterzeUen 
hervorbringen,  so  wie  durch  TheUuiig  ihrer  Kerne  und  ihres 
Protoplasma  sich  vermehren  (Buhl,  Rindfleisch  ,  Osee,  u.  ^  A.). 
Eerners ,  dass  Auswanderer  (WanderzeUen)  aus  dem  Binde- 
gewebsraume  bis  in  die  EpitheUalscHchten  vordringen  können. 

Die  von  und  seit  Cohnhem  angezweifelte  Proliferations- 
fähigkeit  der  Bindegewebskörperchen  ward  von  Mecklinghausen 
und  in  unzweifelhafter  und  eingehender  Weise  neuerdüigs  von 
Stkickee-Noeeis  (für  Hornhautkörper  und  Bindegewebskörper 
der  Zunge)  dargethan.  Die  ZeUtheilung  in  entzündeten  Geweben 
wurde  weiters  der  Reihe  nach  für  die  Muskelelemente,  Nerven- 
zellen und  die  Elemente  der  Gefässwand,  für  Knochen  und 
Sehnen  etc.  erwiesen. 

Kurz,  die  Beobachtung  lehrte,  dass  die  lebenden  Elemente 
zum,  Theil  bewegungsfähig  sind,  zum  Theil  es  werden  können," 
imd  dass  sie  weiters  keimen  und  sprossen  und  proliferiren. 

Nicht  diese  allgemeine  ZeUenproliferation  als  solche  war 
es,  durch  welche  die  klinische  Doctrine  in  die  ärgste  Schwebe 
gerieth.  Dass  eine  solche  stattfinde  und  stattfinden  müsse, 
das  war  ja  längst  bekannt,  wenn  auch  nicht,  dass  sie  in  einer 


^^jj  Zehnte  Vorlesung. 

solchen  Li-  und  Extensität  stattfinde.    Verwirrend  J«^' 
blüffend  für  die  klinische  Lehre  war  nur  die  biologische  belb- 
ständigkeit,  welche  die  einzelnen  Formelemente  in  ihrer  Pro- 
dnctivität  an  den  Tag  zulegen  schienen;  die  Zumuthung,  dass 
■  die   Gewebseleniente   auf  directen  Reiz  in  dem  Sinne  der 
Proliferation  reagiren;  und  dass  diese  reichen  und  fruchtbaren 
Ereignisse  innerhalb  der  Gewebe  ohne  Zusammenhang  mit  den 
aUgemeinen  Nutritionsvorgängen,  namentlich  aber  ohne  Bezie- 
hung zu  den  localen  Circulationsverhältnissen  dargestellt  wur- 
den, von  welchen  wir  sonst  jede  Nutritionsveränderung  abhangig 

zu  machen  gewohnt  waren.  „-u^^irlp 
Zwar  hat  VmcHOW  selbst,  der  erste  epochemachende 
Gründer  der  neuen  Solidarpathologie ,  die  Gefässaction  nicht 
ganz  ausser  Acht  gelassen.  Ln  Gegentheile  setzte  er_,  wie  die 
Iiinischen  Beobachtungen  es  forderten,  die  Hyperamie  als 
Ursache  der  entzündlichen  Nutritionsstörung  voraus.  Noch 
Hiehr,  er  betonte  ja,  dass  nicht  jede  Hyperamie  Ent- 
zündung zur  Folge  habe.  -o  .  - 

Auch  das  Exsudat  war  von  ihm  in  semer  Bedeutimg 
■  nicht  unterschätzt.  AUein  es  war  ihm  mehr  die  Folge  als  die 
Ursache  der  Gewebsveränderung 

CoHNHEm's  Entdeckung  wies  aber  ganz  deutlich  auf  d^e 
Circulationsstörung  hin.  Unter  ilirem  E-A-se  W  3^^^^^ 
Auswandervmg  der  weissen  Blutkörperchen  statt.  Dennoch 
trisT  oder  vernachlässigte  man  über  die  letzteren ,  über  die 
Verf  W^r^r  Wanderungen  u.d  weiteren  Schicksale,  über 
IslnUse,  welches  weiters  die  I^-— ^^^^^^^^^^ 
der  fixen  Gewebselemente  darboten,  das  Verhalten  der  Getasse 

^ef  X  IT  Lehre  sehr  hemmende  einseitige 

A_nffassunK  soteint  gegenwärtige  ziemHcli  überwunden, 
^""seits  sind'die  Angaben  «1^-/^  ProHfer^ende  » 
keit  der  stabUen  Gewebselemente  dnrcb  neue  E^peiimente 

'"^''i^aretÄ  neuestens  aueb  die  Exsudation  wieder 
aufil^"nteritorischenundebronologiscben  Platz  m  der  Eeü^. 
:  ttzHndlieben  Vorgänge  gesetzt  und  die  Bett«^^^^^^ 
fasswandnng  im  Entznndvmgsprooesse  betont  (Samüei.,  bTEiCKE  , 

"e'r  Vorgang  der  Entzündung  ist  demnaeh  so  aufzufassen, 


AUgomeino  Symptome  der  Entzündung  der  Haut. 


173 


class  die  Circulationsstörung,  auf  eiiieu  dir  ecten,  oder 
durcli  die  Nervenbaliii  vermittelten  Reiz  entstanden  — 
(Hyperämie) — denProcess  der  Entzündung  jedesmal  einleitet; 
sodann  aus  den  Blutgefässen  eine  Exsudation  von  flüssi- 
gen und  geformten  Elementen  stattfindet;  und  dass  Heraixf 
erst  die  ^Tutritions Störung  in  den  Geweben  zu  Stande 
kömmt. 

Die  Exsudation,  oder  sagen  wir  das  Exsudat,  aber  ist 
niclit  nur  als  Nalirungs- ,  als  Baumateriale  für  die  neu  ^  zu 
producirenden  Elemente  nothwendig,  sondern  die  Exsudation, 
die  Strömung  des  Exsudates,  wie  Stbicker's  Experiment  anzu- 
nebmen  erlaubt,  aucli  als  mecbaniscber  Eeiz  für  die  stabilen 
Grewebselemente  dienlich,  indem  sie  durch  denselben  zu  der 
neuen  Lebenstliätigkeit,  zur  ProHferation  angeregt  werden. 

So  ist  denn  die  Kette  der  Erscbeiaungen  wieder  zu  einem 
Ganzen  geschlossen,  welches  das  klinische  Bild  der  Entzündiuig 
wiedergibt.  Die  vorübergehende  Unterbrechiuig  ihres  Zusam- 
menhanges hat  dem  Ganzen  nui'  Vortheil  gebracht.  Die  ein- 
zelnen Glieder  der  Kette  sind  eben  in  die  verschiedenen  Werk- 
stätten gewandert,  und  da  den  Erfordernissen  der  Thatsachen 
entsprechend  neu  umgearbeitet,  erweitert,  vermehrt  und  nun- 
mehr wieder  zusammengefügt  worden. 

Wir  können  nun  wieder  an  der  Hand  der  klinischen  Er- 
fahrung das  Gebiet  der  von  Entzündung  befallenen  Gewebe 
durchwandern,  um  über  die  dortigen  Vorgänge  uns  zu  belehren. 

Auf  der  allgemeinen  Decke  kommen  die  im  Vorher- 
gehenden erörterten  histologisch-anatomischen  Merkmale  der 
Entzündung,  die  Circulationsstörung,  die  Exsu- 
dation, die  Nutritionsstörung  der  Gewebselemente  ia 
besonders  prägnanter  Weise  und  unter  folgenden  Symptomen 
zur  klinischen  Anschaiiuug : 

1.  Die  Circulationsstörung  als  Hyperämie.  Sie 
erscheint  als  eine  unter  dem  Fingerdrucke  erblassende  ßöthe 
der  Haut,  in  verschiedener  Nuance  und  Ausdehnttng.  Sie  ist 
der  Ausdruck  der  abnormen  Blutüberfüllung  der  kleineren  und 
kleinsten  Gef  ässe.  Als  solche  ist  sie  auch  mit  erhöhter  Wärme 
der  betroffenen  Hautpartie  verbunden  (Rubor,  Calor). 

Allein  an  und  für  sich  stellt  die  Hyperämie  nicht  das 
einleitende  Symptom  der  Entzündung  dar.  Sie  wird  es  erst 
mit  Bezug  auf  eine  nachfolgende  Exsudation,    Diese  letztere 


■^rj^  Zehnte  Vorlesung. 

gibt  erst  der  vorausgegangenen  Hyperämie  ihre  Bedeutung. 
Mit  anderen  Worten,  nicM  jede  Hyperämie  führt  zur  Exsu- 
dation, und  demnach  gehört  nicht  jede  Hyperämie  der  Ent- 
zündxmg  an. 

Diese  von  allen  Physiologen  und  Experimentatoren  aner- 
kannte Thatsache  (Brücke,  Virchow,  0.  Weber,  Billroth) 
müssen  wir  von  unserem  Standpunkte  besonders  scharf  betonen. 

Es  gibt  eben  hyperämische  Zustände  der  Haut,  welche 
nicht  oder  nur  ausnahmsweise  zur  Exsudation  führen;  und 
man  kann  es  der  Hyperämie  nicht  ansehen,  ob  sie  eine  Exsu- 
dation zur  Folge  haben  werde.  Aber  nicht  nur  das  Ausblei- 
ben der  Exsudation,  sondern  dass  solche  Hyperämien  einen 
typischen  Verlauf  zeigen,  stempelt  dieselben  zu  eigenartigen 
Krankheitsformen.  Und  darum  haben  wir  derartige  Hyperämien 
der  Haut  in  einer  besonderen  Classe  abgrenzen  müssen  (I.  Classe 
der  Hautki^ankheiten) ,  wenn  wir  den  klinischen  Thatsachen 
Rechnung  tragen  wollten. 

Die  Entzündungsröthe  ist  entweder  diffus,  über  grössere 
Strecken  ausgedehnt,  oder  beschränkt  sich  auf  einzelne  Punkte, 
und  dann  am  häufigsten  auf  das  G-efässgebiet  der  drüsigen 
Hautgebilde. 

Wichtig  ist  ferner,  ob  die  Hyperämie  nur  die  oberüach- 
lichen,  die  Papillargefässe  betrifft,  oder  auch  auf  das  Gefäss- 
gebiet  des  Corium  sich  ausdehnt. 

Endlich  ist  noch  von  Belang  die  Dauer  der  Circulations- 
störung,  ob  acut,  ob  chronisch.  Im  ersteren  EaUe  ist  die 
Temperaturerhöhung  oft  eine  sehr  bedeutende  (bis  41°  C;  und 
etwas  darüber),  im  letzteren  kaum  vqu  der  normalen  ver- 
scIiigcIgii» 

2.  Die  Exsudation;  der  Austritt  von  Exsudat,  d.  i. 
von  flüssigen  (Serum)  und  geformten  (weisse  Blutkörperchen) 
Blutbestandtheilen  aus  den  Gefässen  in  die  Gewebe.  Sie  gibt  sich 
kund  im  Corium  als  dessen  Schwellung  (Volumsvermehrung) 
und,  bei  intensiverer  Entwicklung,  durch  bei  Druck  schmerzhalte 
„Infiltration"  (Turgor,  Dolor,  Functio  laesa);  an  dessen 
Oberfläche  als  Loswühlung  und  Emporwölbung  der  Epidermis 
in  Form  von  Knötchen,  Bläschen  und  Blasen,  deren 
Inhalt  eben  das  Exsudat  darstellt;  und  nach  Abhebung  der 
Epidermis  als  eine  in  Tropfen  und  in  grösserer  Menge  an  der 
Oberfläche  frei  zu  Tage  tretende  Flüssigkeit,  welche  chemisch 


Allgomeiue  Symptome  der  Entzündung  der  Haut. 


175 


und  mikroskopisch  die  Charaktere  des  entzündlichen  Exsudates 

erkennen  lässt. 

Das  Exsudat  erscheint  unter  solchen  Verhältnissen  als 
eine  gelblichweisse,  klebrige  Flüssigkeit  von  schwach  alkalischer 
Reaction.  Grekocht  oder  auf  Zusatz  von  Salpetersäure  lässt 
sie  ein  grosses  Quantum  Eiweiss  fallen.  Unter  dem  Mikro- 
skop erfindet  man  in  derselben  eine  geringere  oder  grössere 
Menge  von  geformten  Elementen :  einzelne  rothe ,  mehr  weisse 
Blutkörperchen,  freie  Kerne. 

An  der  Luft  vertrocknet  sie  zu  gelben,  bräunlichen,  honig- 
oder  gummiartigen  Borken. 

Die  Schwellung  und  Infiltration  und  die  freie  Exsudation 
entspricht  in  ihrer  Localisation  in  der  Regel  der  ihr  zu  Grunde 
liegenden  Hyperämie,  sie  ist  demnach  einmal  mehr  diffus,  ein 
andermal  auf  einzelne  Punkte  beschränkt. 

In  letzterem  Falle  erscheint  sie  meist  tim  die  Mündungen 
der  einzelnen  FoUikel,  oder  tritt  aus  der  Mündung  der  letzteren 
selber  hervor,  nachdem  der  Erguss  in  das  Drüsen-  oder  FoUi- 
cularhimen  stattgefunden  hat. 

Die  Menge  des  gesetzten  Exsudates  kann  jedoch  nicht 
in  ein  stetiges  Verhältniss  zur  Intensität  der  Hyperämie  ge- 
bracht werden.  Es  erscheinen  massige  Exsudate  bei  scheinbar 
geringer  Hjrperämie  und  umgekehrt. 

Die  Frage  nach  dem  weiteren  Schicksal  des  Exsudates 
lässt  sich  nur  insoferne  beantworten,  als  bis  zu  einem  gewissen 
G-rade  allerdings  die  Exsudation  von  der  durch  sie  eingelei- 
teten Nutritionsstörung  getrennt  werden  kann. 

Rasch  zu  Stande  gekommene,  an  Formelementen  arme 
(mehr  seröse)  Exsudate  werden  v  bisweilen  so  rasch  wieder 
resorbirt,  dass  sie  wohl  keine  merkliche  Störung  in  den 
Nutritionsverhältnissen  der  Gewebe  veranlassen  konnten  (Ery- 
thema  exsudativum  multiforme,  Urticaria).  Insbesondere  dürfte 
es  schwer  fallen,  unter  solchen  Verhältnissen  an  eine  active 
Betheiligung  der  stabilen  Gewebselemente  ("Wucherung  der 
Bindegewebskörperchen)  zu  glauben. 

Bei  massigerer,  oder  mehr  zellenreicher  Beschaffenheit 
des  Exsudates,  bei  längerem  Verweilen  desselben  innerhalb 
der  Gewebsräume,  oder  bei  häufiger  Wiederholung  der  Ex- 
sudation, oder  endlich  unter  Umständen,  die  nicht  näher  definirt 
werden  können,  aber  aus  der  Natur  des  betreffenden  Processes 


^rjQ  Zelinte  Vorlesung. 

herstammen,  kommt  es  dagegen  zu  einer  mehr  oder  weniger 
auch  klinisch  erkennbaren  Gewebsveränderung,  die  als  Proli- 
feration der  Gewebselemente  sich  kundgibt. 

Insoferne  aber  das  Exsudat  selbst  mit  seinen  Bestand- 
theilen,  Serum  und  Zellen,  nicht  nur  als  verwendbares  Materiale 
in  die  Proliferation  der  Gewebe  aufgenommen  wird,  sondern 
auch  selber  durch  Theilung  seiner  Formelemente  an  der  Gewebs- 
wucherung activ  sich  betheiligt,  ist  das  weitere  Schicksal  des 
Exsudates  enge  verknüpft  mit  dem  der  entzündeten  Gewebe; 
mit  anderen  "Worten  die  Nutritionsstörung  ist  für  Beide  iden- 
tisch und  kann  nur  in  Einem  betrachtet  werden, 

3.  Die  Nutritionsstörung  des  entzündeten  Gewebes. 
Sie  manifestirt  sich  klinisch  an  der  Haut  durch  eine 
ausgedehntere,   oder  nur   auf  einzelne  Punkte  beschränkte 
derbere  Infiltration  des  Coriums,  als  Knötchen-  und 
Knotenbildung;  in  deren  oberflächlicheren  Schichten  als 
übermässige  Bildiing,  Anhäufung  und  Abstossung  der  Epi- 
dermis imd  der  epidermoidalen  Gebilde  der  drüsigen  Haut- 
organe (Schuppung,  sowie  Anhäufung  von  Pigment);  endlich 
in  einzelnen,  oder  in  allen  Geweben  des  Hautorganes  als  Auf- 
lockerung, Erweichung  und  Zerstörung,  Zerfall  der  Gewebs- 
elemente  unter  den  Erscheinungen  der  Eiterung,  oder  als 
Hyperplasie,  oder  Atrophie,  mit  oder  ohne  Erscheinungen 
der  retrograden  Metamorphose. 

,  Die  zunächst  sich  ergebende  Nutritionsstörung  der  ent- 
zündeten Haut  besteht,  wie  die  mikroskopische  Unter- 
suchung lehrt,  neben  dem  Auseinandergedrängtwerden  4er 
einzelnen  Gewebselemente  durch  das  flüssige  Exsudat  in  der 
Production  von  zahlreichen  zelligen  Elementen  neuer 
Bildung  —  Zellenproliferation  — ,  welche  inmitten 
dem  von  der  Entzündung  befallenen  Gewebe  sich  anhäufen  — 
zellige  Infiltration. 

Die  Zeüen  neuer  Bildung  sind  meist  runde,  rundliche, 
ovale,  spindelförmige  Gebilde  von  der  Grösse  der  weissen  Blut- 
körperchen mit  grossem,  stark  lichtbrechendem  Kerne;  nebstdem 
solche  mit  zwei  und  mehreren  kleineren  Kernen  und  fem 
granulirtem  Protoplasmakörper. 

Sie  stammen  zum  grossen  Theile,  zugleich  mit  dem 
flüssigen  Exsudate,  aus  den  Gefässen,  deren  Wandiuig  im 
Entzündungsprocesse  krankhaft  verändert  mid  derart  für  die 


Ausgcang  der  Entzündung. 


177 


BliTtkörperclien  leicliter  passirbar  angenommen  wird.  Diese  er- 
sclieinen  aucli  im  Beginn  der  Entziindnng  (sowie  bei  vielen  Neu- 
bildungen) in  unmittelbarer  Nähe  der  Capillaren  und  in  dem  so- 
genannten Adventitial-ßaum  der  Gref ässe,  diese  umscbeidend.  Zum 
anderen  Theile  jedocli  sind  sie  auf  dem  Wege  der  Zellen-  und 
Kerntlieilung  oder  Sprossung  aus  der  Proliferation  der  exsudirten 
Körpercben,  sowie  durcli  Zeugung  aus  den  früher  stabilen 
Gewebselementen ,  Bindegewebskörperchen ;  aus  epitheloiden 
Gebilden,  den  Enchymzellen  der  Drüsen,  den  Epithelzellen  der 
Malpighi'schen  Schichte,  hervorgegangen. 

Alle  die  zelligen  Elemente  neuer  Bildung  (junge  Zellen, 
Entzündungszellen,  Granulationszellen,  Infiltrationszellen)  haben 
zugleich  die  biologischen  Eigenschaften  der  weissen  Blut- 
körperchen, die  aus  den  Blutgefässen  in  die  Gewebe  gewandert 
sind;  d.  h.  in  Sonderheit,  sie  haben  die  Fähigkeit  der  Orts- 
veränderung, und  finden  sich  darum  bisweilen  entfernt  von 
dem  Orte  ihrer  Geburt,  z.  B.  innerhalb  der  Malpighi'schen 
Schichte,  wenn  sie  im  Coriiun  erzeugt  worden  ("Wanderzellen). 

Der  Ausgang  der  Entzündung  ist  verschieden. 

Nachdem  nämlich  die  Zellenproliferation  und  die  Infil- 
tration der  Haut  kürzere  oder  längere  Zeit  angedauert,  dann 
kann  entweder 

a)  der  Process  allmälig  sich  rückbilden  und  die  Haut 
vollständig  zur  Norm  zurückkehren  —  Lösung,  Eesolution. 

Zuerst  mindert  sich  die  Hyperämie.  Damit  verringert 
sich  und  sistirt  auch  die  Exsudation.  Und  mit  Letzterer  bleibt 
auch  das  Materiale  und  die  Anregung  für  die  stabilen  Gewebs- 
elemente  zur  Proliferation  aus ,  i.  e.  die  Zellenneubildung 
hält  inne. 

Das  in  dem  Gewebe  vorhandene  flüssige  und  zellige 
Exsudat  verliert  sich  allmälig ;  wenn  an  der  Oberfläche,  in  der 
Epithelialschicht ,  theilweise  durch  Verdampfen,  Eintrocknen. 
Die  mechanisch  losgewühlten  und  abgehobenen  Epithelzellen 
werden  als  Corpora  mortua  abgestossen.  Wenn  dagegen  inner- 
halb des  Coriums,  dann  wahrscheinlich  durch  Resorption. 
Die  zelligen  Elemente  mögen  hiebei  entweder  in  integro  oder 
vielleicht  nach  fettiger  Metamorphose  zur  Aufsaiigung  gelangen. 

b)  Oder  es  werden  die  beweglichen,  amoeboiden,  jungen 
Zellen,  unter  der  erwähnten  Abnahme  der  Hyperämie  und  der 
zur  Proliferation  anregenden  Exsudation,  wieder  zu  stabilen 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  12 


•l^-yg  Zohnte  Vorlesung. 

Elementen,  als  welclie  sie,  imCorivim,  zu  Bindegewebe, 
Gefässelementen  n.  s.  w.  sich  umgestalten,  indem  sie  zu 
faserig-zelHgen  Greweben  sicli  vereinen,  wäbrend  sie  in  der 
Epithelialscliiclite  die  Elemente  der  letzteren  an  Zahl 
vergrössern  —  entzündlicbe  Hypertropbie.  Sie  ist 
häufig  Folge  der  cbronischen  Entzündung,  wie  Dermatitis 
chroiSca,  cbroniscbes  Eczem,  Psoriasis,  chronisclies  (lympha- 
tiscbes)  Öedem  und  combinirt  sich  gerne  mit  den  sogleich  zu 
erwähnenden  Formen  der  Degeneration  und  retrograden 
Metamorphose  der  Grewebselemente. 

Oder  endlich  es  kömmt 

c)  zui-  Eiterung. 

Klinisch  charakterisirt  sich  dieser  Ausgang  durch  die 
acute  Erweichung  und  Zerstörung  der  Gewebe  unter  der 
Büdung  einer  dicklichen,  grünlich  gefärbten  Flüssigkeit,  — 
des  Eiters. 

Der  Eiter  (Pus  bonum  et  laudabile  Chirurgorum)  reagu't, 
wie  jedes  Exsudat,  schwach  alkaUsch,  und  besteht  aus  einer 
eiweisshältigen  Flüssigkeit,  Eiters  er  um,  und  aus  in  dieser 
suspendirten  zelligen  Elementen,  Eiterkörper  che  n. 

So  wie  die  Flüssigkeit  mit  dem  flüssigen  Exsudate,  so 
stimmen  auch  die  EiterzeUen  mit  den  ZeUen  des  Exsudates 
in  Aussehen  und  Beschafi"enheit  überein.  Allerdings  findet 
man  dieselben  einerseits  in  relativ  grösserer  Zähl  als  m  den 
sogenannten  Exsudaten,  und  andererseits  sind  unter  ilmen  viel 
mehr  mit  zwei  und  mehr  Kernen  versehen,  und  mit  (Fett-) 

Körnchen  versetzt. 

Man  kann  demnach  sagen,  Eiter  ist  ein  Exsudat,  in 
welchem  die  ZeUenproliferation  besonders  acut  und  reichlich 

vor  sich  geht.  .    1 1  i 

In  der  That  kann  ein  jedes  durchsichtig  klare,  also 
zeUenarme  Exsudat  (z.  B.  einer  Pemphigusblase)  dadurch 
eiterig  und  dann  trübe  werden,  dass  in  demselben  die  zelligen 
Gebilde  durch  Proliferation  sich  übermässig  vermehi-t  haben. 

Zwei  Fragen  haben  die  Pathologen  von  jeher  sehr  ein- 
gehend beschäftigt:  1.  Woher  kömmt  der  Eiter?  und  2.  Aut 
welche  Weise  kömmt  die  unter  der  Eiterung  bemerkbare  Zer- 
störung der  Gewebe  zu  Stande?  m  •  i 

Die  erste  Frage  findet  ihre  Beantwortung  in  der  Gleich- 
steUung  des  Eiters  mit  dem  Exsudate.  Wie  dieses  kömmt  auch 


Ausg.ang  der  Entziindnng. 


179 


jener  mit  seinem  flüssigen  Bestandtlieile  gewiss  aus  den  Ge- 
fassen,  und  mit  seinen  Formelementen,  theils  aus  diesen,  theils 
aus  den  stabilen  Grewebselementen.  Die  rapide  Vermehrung 
geschielit  dann  durcli  Proliferation  der  vorhandenen  Eiterzellen. 
Dafür  spricht  der  so  häufige  Befund  von  mehrkernigen  und 
in  Spaltung  begriffenen  Eiterzellen. 

Wieso  hiebei  die  Gewebe  zu  Grunde  gehen,  hat  man  zu 
verschiedenen  Zeiten  verschieden  zu  erklären  versucht. 

Früher  hat  man  dem  Eiter  als  solchem  fälschlich  die 
Eigenschaft  zugeschrieben,  dass  er  durch  seinen  Contact  die 
Gewebe  schmelzen  mache.  Heut'  zu  Tage  muss  man  sich  die 
Schmelzung,  das  Zugrundegehen  des  Gewebes  in  der  Eiterung 
anders  vorstellen. 

Was  die  Z  eil  en-Eormen  anbelangt,  so  wäre  ihre  Er- 
weichung und  Vernichtung  derselben  nicht  als  solche,  sondern 
als  identisch  mit  der  ZeUenproliferation,  mit  der  Eiterbildu.ng, 
und  nicht  als  deren  Eolge  aufzufassen. 

Indem  die  stabilen  Gewebselemente ,  Bindegewebskörper- 
chen,  die  Epithelzellen,  aus  sich  selbst  junge  Zellen,  Eiter- 
zellen, bilden,  geht  ihre  Substanz  eben  in  dieser  neuen  Bildung 
auf.  Oder,  wie  Steickee,  sich  ausdrückt :  wir  sehen,  „dass  viele 
Gewebe  durch  den  Entzündungsprocess  ihren  functioneUen 
Zwecken  entfremdet,  und  a.uf  einen  den  Zeugungszwecken  ent- 
sprechenden Zustand  geführt  werden;  das  heisst,  sie  werden 
bewegKch,  nehmen  an  Masse  zu  und  theilen  sich  total  oder 
partiell. " 

Die  Eiterung  ist  demnach  der  Ausdruck  der  acuten 
massenhaften  ZeUenproliferation. 

Was  aber  die  Schmelzung  des  faserigen  Antheils  des 
Bindegewebes  anbelangt,  so  haben  die  neueren  Untersuchungen 
gelehrt,  — •  was  VmcHOW  schon  früher,  allerdings  vermuthungs- 
weise,  ausgesprochen,  —  dass  die  als  Intercellularsubstanz  bezeich- 
neten Bindegewebsbündel  allenthalben  von  feinsten  Ausläufern 
der  Zellen  (der  Bindegewebskörperchen)  durchsetzt  sind,  die 
unter  einander  anastomosirende  Netze  bilden;  dass  ferners 
diese  Ausläufer,  gleich  dem  Zellkörper  selber,  während  der 
Entzündung  wahrscheinlich  auf  Kosten  der  intercellularen 
(leimgebenden)  Substanz  anschwellen  und.  endlich  den  ganzen 
Gewebsraum  einnehmen.  Man  beobachtet  also,  dass  die  leim- 
gebende Substanz  in  demselben  Masse  schwindet,  als  die  Aus- 

12* 


j^gQ  Zehnto  Vorlesung. 

läufer  der  Zellen  dicker  und  das  durch  ilire  Verbindungen 
gebildete  Netzwerk  enger  geworden.  So  dass  schliesslicli  der 
Eiterungs-  oder  Entzündungskerd  ausscliliesslich  aus  diesen 
zusammengesetzt  ersckeint,  —  ein  purer  Eiterherd.  ^ 

Dieser  Vorgang  ist  für  die  Hornhaut,  die  Sehne  und 
neuestens  auch  für  das  Cutisgewebe  (Ravogli)  nachgewiesen 
worden. 

Einmal  zu  Tage  liegend,  wird  ein  Theil  der  Eiterzellen 
durch  die  Menge  des  nachschiebenden  Exsudates  weggeschwemmt, 
andere  vertroclmen,  noch  andere  werden  dui-ch  Imbibition  auf- 
gebläht, bersten,  und  ein  anderer  Theil  wii-d  durch  Eettkörn- 
chen- Anhäufung  metamorphosirt  und  zur  Resorption  gelangen. 

Ein  Rest  endlich,  die  jüngsten,  die  am  wenigsten  durch 
chemische  und  mechanische  Unbilden  gelitten  haben,  die  zu- 
nächst aus  dem  noch  zurückgebliebenen  stabilen  Gewebe  hervor- 
gegangen sind,  die  auf  und  in  dem  Mutterboden  der  Eiterung, 
tm^G-rundgewebe  der  Wunde  sich  befinden  (plasmatische  Schichte, 
Thieesch),  gelangen  dann  wieder  unter  Verminderung  der  ent- 
zündlichen Proliferation  zur  normalen  Stabilität  und  werden 
zu  stabilen  Grewebselementen  sich  umgestalten. 

Im  Coriumgewebe  (Bindegewebe)  durch  Eiterung  zu  Stande 
gekommene  Substanzverluste  werden  dann  durch  junges  Nar- 
ben- (Binde-)Gewebe  ersetzt,  indem  aus  den  jungen  Elementen 
Bindegewebe,  Gefässe,  Nerven,  wenn  auch  nicht  in  der  physio- 
logischen Gruppii-ung,  sich  wieder  erzeugen. 

Substanzverluste  jedoch,  welche  die  EpitheHalschichte 
allein  betreffen  (Herpes,  Pemphigus),  heilen  begreiflicherweise 
ohne  Narbe,  da  in  solchem  EaUe  um-  die  Restitution  mehi- 
homologer,  zelliger  Gebilde  zu  geschehen  hat. 

Hieran  wäre  noch  die  Erörterung  der  anderen  mögHchen 
Ausgänge  der  Entzündung  zu  knüpfen :  Nekrobiose  m  Eorm 
der  Gangrän,  die  sich  durch  das  Absterben  grösserer  Ge- 
websmassen  von  dem  mehr  die  Gewebselemente  im  Einzelnen 
betreffenden  eiterigen  Zerfall  unterscheidet;  der  fortschi-eitende 
moleculäre  ZerfaU  der  Gewebe  bei  der  fibrinösen  Exsudation 
(croupöse,  diphtheritische  Entzündung),  weiters  die  verschie- 
denen Formen  der  Atrophie  und  degenerativen  Zer- 
störung der  Gewebe,  die  fettige',  amyloide,  schleimige 
und  colloide  Entartung,  Verkäsung  und  Verkalkung 


Histologie  nud  Eintlieilung  der  exsudativen  Dermatosen. 


181 


der  Entzündiingsprocliicte  und  infiltvirten  Gewebe.  Icli  begnüge 
mich  jedoch  mit  ihrer  blossen  Erwähming ,  da  ich  nnter  den 
besoncleren  und  seltenen  Verhältnissen  ihres  Vorkommens  bei 
Hantkrankheiten  dieselben  noch  hervorheben  werde,  ihre  Be- 
dentiing  aber  Ihnen  ans  der  patliologischen  Anatomie  ohnehin 
bekannt  sein  mnss. 

Die  überwiegend  grösste  Zahl  von  Hantkrankheiten  über- 
haupt reiht,  wie  schon  erwähnt,  in  diese,  diirch  Exsndation 
tmd  Entzündung  charakterisirte  Classe.  Bei  aHen  hierher  ge- 
hörigen Formen  werden  wir  also  die  geschUderten  Erscheinun- 
gender  Exsudation  und  Entzündung  sowohl  im  klinischen 
Bilde  ausgeprägt  finden,  als  auch  mikroskopisch  nachweisen 
köimen. 

Insoweit  macht  sich  denn  auch  kein  anatomischer 
Unterschied  zwischen  den  einzelnen  Formen  der  hierher  gehö- 
rigen Hautkrankheiten  bemerklich,  höchstens  nach  der  Intensität, 
Ausbreitung  und  specieUen  Oertlichkeit  der  entzündlichen  Ver- 
änderung, indem  sie  in  manchen  Processen  vorwiegend  m 
circumscripten  Herden,  in  anderen  diffus  auftritt,  bei  einigen 
mxr  die  obersten  Schichten,  bei  anderen  das  Corium  in  seiner 
ganzen  Tiefe,  bei  noch  anderen  vorwiegend  die  Drüsen  imd 
ihre  Umgebung  betrifft.    Besonders  die  feineren  histologischen 
Verhältnisse,  wie  sie  das  Mikroskop  bisher  zu  eruiren  ver- 
mochte, erscheinen  bei  allen  ziemlich  übereinstimmend,  in  dem 
Stippcheu  der  Variola,  wie  in  dem  Knötchen  bei  Eczem,  Pru- 
rigo, Liehen  urticatus  und  Psoriasis ;  nicht  anders  im  Bläschen 
des  Herpes,  wie  in  dem  des  Eczem  u.  s.  f.    Damit  reducirt 
sich  auch  die  Bedeutung,  welche  von  Einzelnen  dem  histolo- 
gischen Detail  vindicirt  wurde,  auf  ein  richtiges  Mass.  Sie 
wissen  nun,  dass  wir  durch  dasselbe  wohl  sehr  belehrende 
Einsicht  in  die  feineren  Veränderiuigen  der  Gewebe  und  damit 
auch  manche  Aufklärung  für   die  klinischen  Erscheimingen, 
aber  kaum  unterscheidende  Merkmale  zwischen  den  einzelnen 
analogen,  hier  den  entzündlichen  Krankheitsformen  der  Haiit 
gewinnen. 

Die  letzteren  unterscheiden  sich  aber  sehr  durchgreifend 
nach  ihrem  klinischen  Charakter,  nach  Ursache,  Verlauf, 
Ansehen,  Bedeutixng  und  Folgen  für  das  Hautorgan  und  den 
Gesammtorganismus.    Auf  dieser  Grundlage  ordnen  sich  denn 


■j^g9  Zehnte  Vorlesung. 

auch  die  entzündliclieii  Dermatosen  in  mehrere  Gruppen  und 
Unterabtheüungen  und  wird  das  Studiiun  der  einzelnen  Foi-men 
am  besten  ermöglicht. 

Um  Sie  vorweg  in  der  Menge  der  exsudativen  Dermatosen 
einigermassen  zu  orientiren,  bemerke  ich,  dass  sie  m  zwei 
natürliche  Hauptgruppen  sich  absondern,  dadurch,  dass  die 
einen  stets,  oder  vorwiegend  einen  acuten  und  typischen, 
d  i  nach  einer  bestimmten  und  bekannten  Eegel  abzusehenden 
Verlauf  nehmen,  während  die  anderen  aUe  durchwegs,  oder 
vorwiegend  chronisch  verlaufen. 

Unter   den  acuten  Exsudativprocessen    bilden  die  so- 
genannten   „acuten    Exantheme",    Masern,    Scharlach  und 
Blattern,  als  contagiöse  Krankheiten  eine  natürliche  Gruppe 
denen    eine   andere   Gruppe    nicht    contagiöser  acuter 
Formen  gegenübersteht.    Unter   diesen  zeichnet   sich  eine 
Reihe  von  Erkrankungen  durch  das  Vorwalten  vonRöthung 
aus    zu  welcher  sich  aUenfalls  noch  massige  seröse  Exsu- 
dat ion  o-eseUt,  —  Erythem-Eormen:  Erythema  polymorphe, 
Erythema  nodosum ,  PeUagra ,  Acrodjaiia ,  Roseola ,  Urticaria. 
Bei  einer  zweiten  Reihe   acut   und  typisch  verlaufender 
Krankheiten  tritt  die  Exsudation  in  den  Vordergrund,  in- 
dem es  bei  derselben  zur  Bläschenbüdung  kommt,  -  ^^si- 
culöse  Formen:  Herpes  facialis,  progenialis,  Zoster  ii'is  et 
circinatus,  Miliaria,  Pemphigus  acutus.    Bei   der  dritten 
Reihe  endHch  kommen  die  Erscheinungen  der  Entzündung 
Rothe,  Temperaturserhöhung,  Schwellung  (Infiltration)  und 
Schmerz  und  aUe  möglichen  Ausgänge  derselben  zum  vollen 
Ausdrucke,  -  eigentliche  Dermatitides,  Hautentzündungen. 
Die  hieher   gehörigen  Formen  können   durch  traumatische, 
chemische  oder  dynamische  Schädlichkeiten  hervorgerufen  sein, 
_  Dermatitis  idiopathica,  als  D.  traumatica,  a  venenatis, 
calorica  (ambustionis  et  congelationis),  oder,         Theile  immer, 
zum  Theile  möglicherweise,  das  Symptom  emer  orthchen  odei 
allgemeinen  Vergiftung  mittelst  solcher  Stoffe  darsteUen,  welche 
im  weitesten  Sinne  animalischer  Abstammung  sind,  u.  z.  solchei, 
die  theils  vom  menschlichen  Organismus,  theils  von  ihieren 
herstammen,  -  Dermatitis  infectionis :  Erysipel,  Furunkel, 
Anthrax,  Pseudoerysipel,  Leicheninfectionspustel  und  die  ex- 
quisiten Zoonosen;   Pustiüa  maligna  -^^..^^  .^^^^^^^^^^ 
Dabei  kann  die  Entzündung  entweder  die  oberflaclilichen  Haut 


Eintlieilung  der  exsudativen  Dermatosen 


183 


schicliten  aUein  betreffen  und  mit  Lösung  enden,  wie  bei  den 
gewölinHclien  Formen  des  Erysipel,  oder  bis  in  die  tiefsten 
Schichten  di-ingen  und  zur  Eiterung  führen,  wie  bei  der 
Phlegmone;  einmal  diffus  auftreten,  wie  bei  den  letzteren 
Processen,  oder  circumscript,  wie  beim  Evirunkel. 

Der  grossen  Zahl  von  acuten  Exsudationsformen 
steht  eine  nicht  minder  grosse  von  chronisch  verlaufenden 
Exsudationsprocessen  gegenüber,  welche  wieder  nach  besonderen 
Charakteren  in  mehrere  Unterabtheilungen  gruppirt  werden 
können.  An  dieser  SteUe  sie  aufzuzählen,  dürfte  für  Sie 
weniger  Nutzen  haben.  Es  wird  viehnehr  besser  sein,  nachdem 
Sie  aUe  hieher  gehörigen  Formen  gründlich  kennen  gelernt 
haben  werden,  dieselben  in  einem  übersichtUchen  Schema  Ihnen 
noch  einmal  vorzuführen. 

So  wollen  wir  uns  denn  zunächst  mit  den  acuten  Ex- 
sudativprocessen der  Haut  und  unter  diesen  in  erster 
Eeihe  mit  den  acuten  contagiösen  Formen,  den  so- 
genannten „acuten  Exanthemen"  beschäftigen. 


A.  Acute  exsudative  Dermatosen. 

a)  Acute,  contagiöse,  exsudative  Dermatosen. 

Eilfte  Vorlesung. 

„Acute  Exantheme." 

Gemeinsehaftliche  Charaktere  der  acuten  Exanthenne.  -  Masern. 

Masern,  Scharlacli  und  Blattern  bUden  die 
Gruppe  der  sogenannten  acuten  Exantheme  oder  Exan- 
theme -/.aT  sEoj^TiV. 

Dieselben  charakterisiren  sich  als  durch  specifische 
Contagien  hervorgerufene  Krankheitsformen,  welche  neben 
AfPection  des  Gesammtorganismus  und  acutem,  fieberhaften, 
typischen  Verlauf,  sich  durch  specifische  Veränderungen  an 
der  aUgemeinen  Decke  und  regelmässige  Reihenfolge  der  ört- 
lichen und  aUgemeinen  Symptome  auszeichnen. 

Die  TJebereinstimmung  in  den  allgemeinen  Symptomen 
der  Exantheme  gibt  sich,  näher  bezeichnet,  wesentlich  in 
folgenden  Momenten  kund: 

1.  In  ihrer  Contagiosität,  indem  sie  nur  durch  Ansteckung 
entstehen  und  sich  auf  Andere  übertragen. 

2.  Dadurch,  dass  vom  AugenbHcke  der  Ansteckung  bis 
zum  Ausbruche  der  Krankheit  eine  bestimmte  Erist  von 
Tagen  relativen  "Wohlseins  verstreicht  (Incubation). 

3.  Darin,  dass  dem  Ausbruche  des  Exanthems  Fieber 
vorangeht,  welches  nach  Intensität  und  Dauer  zu  jenem  m 
einem  gewissen  regelmässigen  Verhältnisse  steht. 


Allgemeiner  Charakter  der  acuten  Exantheme. 


185 


4.  Dass  die  Veränderungen  an  der  allgemeinen  Decke 
(Exanthem)  nebst  ihrem  specifischen  anatomischen  Charakter 
einen  regelmässigen  Typus  im  Verlaufe,  Entwicklung,  Dauer 
und  Eückbildung  darbieten. 

5.  Dass  sowohl  während  des  Bestandes,  als  nach  Ver- 
schwinden des  Exanthems  die  Mitleidenschaft  des  G-esammt- 
organismus  ausser  durch  Eieber  noch  durch  mannigfache  andere 
begleitende  imd  Eolge-Krankheiten  sich  kimdgibt,  der  Process 
sich  demnach  als  Lifectionskrankheit  darstellt. 

G.  Dass  die  acuten  Exantheme,  indem  das  ihnen  ent- 
sprechende Contagiiim  in  dem  davon  befallenen  Organismus 
sich  regenerirt  und  auf  Andere  überträgt,  hätifig  epidemisch 
auftreten. 

7.  Endlich  darin,  dass  sie  das  Individuum  in  der  Regel 
nur  einmal  im  Leben  heimsvichen. 

Die  charakteristische  Veränderung  an  der  allgemeinen 
Decke,  das  Hautexanthem,  bildet  semiotisch  und  pathologisch 
den  eigentlichen  Knotenpunkt  des  ganzen  Krankheitsprocesses, 
um  welchen  die  anderweitigen  Erscheinungen  sich  in  einer 
diirchschnittlich  geltenden  Ordnimg  gruppiren.  Diese  gestattet 
demnach  in  dem  Verlaufe  der  Exantheme  bestimmte  Etapen 
zu  fixii-en,  welche  die  verschiedenen  Stadien  abgrenzen.  Als 
solche  erachtet  man  üblicherweise: 

1.  Das  Stadium  incubationis,  die  Zeit,  welche  vom 
Tage  der  nachweislichen ,  oder  miithmasslichen  Ansteckung  bis 
zum  Auftreten  der  ersten  Krankheitserscheinungen  verstreicht. 

2.  Stadium  prodromorum.  Es  manifestirt  sich  mit 
dem  ersten  Fieberausbruch  und  dem  einem  solchen  angehörigen 
Symptomencomplexe.  Es  dauert  bis  zum 

3.  Stadium  eruptionis,  das  mit  dem  Auftauchen  des 
charakteristischen  Hautausschlages  gegeben  ist.  Dieses  geht 
unvermittelt  über  in  das 

4.  Stadium  floritionis,  welches  der  Andauer  der 
Blüthe  der  Hautaffection  entspricht.  Mit  dem  Eintritt  der 
Rückbildung  des  Exanthems  rechnet  man  das 

5.  Stadium  exsiccationis,  desquamationis  s. 
decrustationis  ,  welches  in  die  Reconvalescenz  und  Genesung 
übergeht. 

In  Anbetracht  des  diirchwegs  acuten  Verlaufes  der 
Exantheme  bemessen  sich   die   einzelnen  Stadien  nur  nach 


-j^gß  Eilfte  Vorlesung. 

Tagen,  im  TJebrigen  aber  nacli  Charakter  und  Intensität  des 
Processes  und  nacli  der  Individvialität  sehr  verschieden.  Nur 
das  Stadium  decrustationis  kann  (bei  Blattern)  auf  Wochen 
sich  erstrecken. 

Trotz  der  auffälligen  üebereinstitmnung  in  ihren  all- 
gemeinen Charakteren  bilden  aber  die  genannten  Exantheme 
drei  specifisch  differente  Krankheitsformen,  indem  jedem  iev 
selben  ein  eigenartiges  Contagium  und  ein  besonderes  patho- 
logisches G-epräge  zukommt.  Ja  sie  schliessen  sich  bis  zu  einem 
beträchtlichen  Grade  gegenseitig  aus,  sowohl  individuell,  wie 
epidemisch. 

Was  Letzteres  anbelangt,  so  ist  es  Erfahrungssache,  dass 
wenn  eines  der  Exantheme  in  grösserer  epidemischer  Ver- 
breitung herrscht,  die  anderen  nicht  oder  nur  sporadisch  inner- 
halb der  betreffenden  Bevölkerimg  sich  vorfindet,  und  dass 
die  Epidemien  von  Masern,  Scharlach  und  Blattern  sich  gegen- 
seitig ablösen  oder  folgen. 

Das  Individuum  aber  anlangend  gilt  es  ebenfalls  als 
Eegel,  dass  dasselbe  nicht  gleichzeitig  von  zwei  Exanthemen 
behaftet  sein  kann,  während  andere  Hautkrankheiten,  wie 
Eczem,  Psoriasis,  Scabies  und  selbst  constitutioneUe  und  In- 
fections-Exantheme ,  wie  Syphilis  mit  Masern  oder  Scharlach, 
oder  Blattern  ganz  gut  gleichzeitig-  an  einem  Kranken  sich 
vorfinden. 

In  den  letzten  Jahren  ist  aUerdings  von  vielen  Seiten, 
namentlich  von  Kinderärzten ,  über  gleichzeitiges  Auf- 
treten zweier   acuter  Exantheme  berichtet  worden, 
Masern  mit  Scharlach,  Blattern  mit  Scharlach.    Nicht  so,  als 
wenn  sensu  stricto  gleichzeitig  Masern  und  Scharlach  bei 
einem  Kinde  aufgetreten  und  mit  einander  bestanden  hätten, 
sondern  derart,  dass  z.  B.  während  das  Masernexanthem  noch 
kenntlich  da  stand,  plötzHch  heftiges  Fieber  auftrat,  dem  am 
3   Tage  ein  deutlicher  Scharlachausschlag  nebst  den  anderen 
Symptomen  der  Scarlatina  folgte,  so  dass  jenes  Fieber  sich 
als  Prodromalfieber  des  zweiten  Exanthems  charakterisirte, 
'  und  ähnliche  FäUe  mehi'.    In  aUen  Fällen  handelt  es  sich 
formell  aUerdings  um  ein  rasches  „Nacheinander"  der  zwei 
Exantheme,  in  Wirklichkeit  aber  um  eine  Gleichzeitigkeit,  da 
ja  das  Contagium  des  zweiten  Exanthems,  wegen  der  durch- 
schnittlichen Incubationsdauer,  sicherlich  schon  zu  einer  Zeit 


Masern. 


187 


im  Organismus  geweilt  liaben  miisste,  als  das  erste  Exanthem 
in  Entwicklung  begriffen  war. 

Hebra  hat  wie  auch  andere  Aerzte  wohl  die  Aufeinander- 
folge zweier  acuter  Exantheme  gesehen,  derart,  dass  das 
zweite  erschien,  wenn  das  erste  eben  geschwunden  war,  nicht 
aber  die  gleichzeitige  Existenz  zweier  Exantheme,  wie  dies 
von  so  vielen  Kinderärzten  angegeben  wird.  Es  ist  auch 
kein  Zweifel,  dass  manche  dieser  Angaben  auf  Irrthümern  be- 
ruhen können,  üidem  man  den  sogenannten  „Nachschub",  eine 
neuerliche  und  stärkere  Entwicklimg  eines  schon  zum  Erblassen 
geneigten  Exanthems,  oder  ein  complicirendes  Erythem,  oder 
Urticaria  für  ein  zweites  Exanthem  ansah.  AUein  aUe  ein- 
schlägigen Angaben  werden  damit  nicht  entkräftet.  Ich  selbst 
habe  allerdings  ebensowenig  wie  Hebra  solches  beobachtet. 
Die  Möglichkeit  des  Zusammentreffens  zweier  acuter  Exantheme 
wäre  mir  aber  nicht  gerade  unerhört ,  da  ja  bei  der  raschen 
Aufeinanderfolge  solcher  wenigstens  die  Contagien  beider 
gleichzeitig  im  Organismus  existiren  und  schliesslich  Masern, 
Scharlach  und  Blattern  denn  doch  wesentlich  ganz  differente 
Processe  vorstellen. 

Wir  wollen  uns  jetzt  mit  ihren  specifischen  Eigenthümlich- 

keiten  bekannt  machen. 


Masern,  Morbilli. 

Masern,  Morbilli  (Flecken,  ßubeolae,  ßötheln,  Rou- 
geole, Measles  etc.)  heisst  eine  Krankheit,  welche  durch  die 
Erscheinung  von  getrennt  stehenden,  unregelmässi- 
gen, rothen  Elecken  und  Knötchen  auf  der  ganzen 
allgemeinen  Decke,  nebst  gleichzeitigem  Eieber 
und  Katarrh  der  Athmungswege,  acutem,  typi- 
schem Verlauf  und  Contagiosität  sich  charakterisirt. 

In  der  Literatur  längst  angeführt  (Rhazes)  sind  die 
Morbilli  durch  Sydenham  und  Morton  (1670—1674)  zuerst  in 
durchgreifend  charakteristischer  Weise  beschrieben  worden. 

Die  wesentlichsten  Symptome  der  Masern  werden  durch 
das  Exanthem,  das  Fieber  und  den  Katarrh  der  Schleim- 
häute der  ersten  Athmungswege  repräsentirt.  Es  gehört  aber 
noch  dazu,  dass  diese  Symptome  nach  einem  bestimmten,  regel- 
mässigen Typus  sich  entwickeln.    Je  mehr  der  Verlauf  eines 


Igg  Eilfto  Vorlesung. 

KrankheitsfaUes  diesem  Typus  entspricht,  desto  melir  gilt  er 
als  normaler  Masernprocess.  Dem  stehen  andere  als  anomale 
gegenüber,  welche  in  irgendwelchen  Beziehungen  von  dem 
normalen  Typus  auffallige  Abweichungen  aufweisen. 

Der  Beginn  der  Erkrankung  muss  von  dem  Zeitpunkte 
an  gerechnet  werden,  als  das  Individuum  den  Ansteckungs- 
stoff von  einem  Masernkranken  unmittelbar,  oder  mittelbar  in 
sich  aufgenommen  hat. 

Damit  beginnt  das  I  n cub at  i  on s  s t adium,  dessen  man 
allerdings  in  der  Regel  nicht  gewahr  wird,  weil  es  durch 
keinerlei  Krankheitssymptome  sich  verräth.  Es  muss  aber  mit 
Rücksicht  auf  die  folgenden  Erscheinungen  und  in  jedem  FaUe, 
gewissermassen  retrospectiv  in  Anschlag  gebracht  werden. 
Dasselbe  beträgt  durchschnittlich  8  Tage,  seltener  mehr,  bis 
21  Tage.  Man  hat  diese  Durchschnittsdauer  des  Incubations- 
stadiums  theils  in  solchen  Fällen  constatirt,  in  welchen  die 
Grelegenheit  zur  Ansteckung  genau  bekannt  wiu-de,  theils  bei 
der  künstlichen  (experhnentellen)  Einimpfung  des  Maserngiftes 
mittelst  Thränen  oder  Nasensecret  Morbillöser.  Solche  Impfun- 
gen sind  seit  Home  (1758)  wiederholt  gemacht  worden  und  haben 
die  obige  Dui'chschnittsdauer  des  Incubationsstadiums  ergeben. 

In  seltenen  FäUen  nur  ist  dasselbe  durch  Unbehagen, 
Mattigkeit  einigermassen  gekennzeichnet,  oder  stellt  sich  gar 
gegen  dessen  Ende  und  immittelbar  vor  Beginn  des  zweiten 
Stadiiims  massige  luid  atypische  Fieberbewegung  ein. 

Das  Stadium  prodromorum  ist  durch  Fieber  und 
Katarrh  der  Schleimhäute  charakterisirt.  Es  kündigt 
sich  durch  einen  Fieberanfall  an,  mit  Frost  und  folgender 
Hitze  und  dem  bekannten  febrilen  Symptomencomplex ,  Abge- 
schlagenheit, Gelenkssclunerzen,  Kopfschmerz,  heisse,  trockene 
Haut  mit  Temperatiir  zwischen  39«  und  40»,  selten  Erbrechen 
und,  insoferne  es  sich  vorwiegend  um  Kranke  kindlichen  Alters 
handelt,  in  höchst  seltenen  FäUen  mit  rasch  vorübergehenden 
Convulsionen  (Fraisen). 

An  den  folgenden  zweiten  und  dritten  Tagen  ist  das 
Fieber  bis  auf  geringe  Spuren,  oder  massige  abendliche  Exa- 
cerbationen geschwunden ,  so  dass  die  Kranken  ganz  wolil  zu 
sein  scheinen. 

Dagegen  steigert  sich  der  Katarrh  der  Schleimhaut, 
welcher    gleichzeitig    die    Anfänge    des  Respirationstractes 


Masern. 


189 


befallen  hat.  Derselbe  ist  für  die  kommenden  Morbillen  bereits 
pathognomonisch.  Er  beginnt  auf  der  Nasenschleimhaut,  be- 
fällt bald  aucli  die  Conjunctiva,  die  ScUeimbant  des  Graumens, 
Rachens  und  Kehlkopfes.  Häufiges  Niesen,  Injection,  Chemosis 
der  Conjunctiva,  Druck  in  der  Stirngegend  bilden  die  ersten 
Symptome.  Es  folgt  bald  reiches  Thränen,  Lichtscheu,  ge- 
steigerte Secretion,  auch  zeitweüiges  Bluten  von  der  Nasen- 
schSimhaut.  Die  Nasenlöcher  sind  oft  verstopft,  das  Gesicht 
gedunsen,  die  Lider  ödematös.  Auf  dem  weichen  Gaumen 
zeigen  sich  häufig  neben  stärkeren  Gefässramificationen  dunkel- 
rotle  Pünktchen  und  Elecke,  welche  Geübten  ein  charakteri- 
stisches Vorzeichen  der  kommenden  Masern  abgeben  können. 
Tonsillarschwellung  und  Schlingbeschwerden  sind  meist  unbe- 
deutend. Trockener,  hohlklingender,  selbst  bellender  und 
krampfartiger  Husten  mit  mässigem  Schleimaus wurf,  Heiser- 
keit verrathen  den  Katarrh  des  Kehlkopfs  uaad  der  Luftröhre. 
Exanthem  fehlt  noch  um  diese  Zeit. 

Nachdem  das  Prodromalstadium  3—5  Tage,  selten,  wie 
bei  anämischen,  scrophulösen  Kindern,  länger,  selbst  8—10  Tage 
gedauert,  eröffnet  sich  das 

Stadium  eruptionis,  mit  einer  neuerlichen  Exacer- 
bation des  Fiebers  und  dem  Erscheinen  des  charakteri- 
stischen Hautexanthems. 

Das  Eruptionsfieber  zeigt  eine  anhaltende  Steigerung  bis 
zu  40"  und  41".  Es  dauert  in  gleichem  Grade  noch  in  das 
nächstfolgende  Stadium  hinüber  und  erreicht  sein  Maximum 
in  der  Regel  mit  der  Höhe  des  gleichzeitig  sich  entwickelnden 
Exanthems,  was  mit  dem  2.  oder  3.  Tage,  etwa  den  15.  Tag 
von  der  Infection  an  gerechnet,  zusammenfällt.  Mit  dem  Fieber 
gleichen  Grades  steigern  sich  auch  die  AUgemeinsymptome, 
die  Gedunsenheit  und  ßöthe  des  Gesichtes  und  der  Katarrh 
der  Respirationswege. 

Das  Exanthem  erscheint  ^zuerst  im  Gesichte ,  auf  der 
Stirn  und  Schläfe,  breitet  sich  rasch,  binnen  24—36  Stunden, 
über  den  Hals,  Hinterkopf,  Stamm  und  Schultern  aus. 

Im  Stadium  floritionis  (4. — 6.  Tag  der  Erkrankung) 
erreichen  Fieber  und  Exanthem  ihr  Maximum.  Ersteres  fällt 
bald  nach  der  höchsten  Entwicklung  des  Ausschlages  wieder  ab. 

Das  Exanthem  ist  um  diese  Zeit  am  intensivsten 
gefärbt,  breitet  sich  alsbald  noch  über  den  Stamm  und  die 


Eilfte  Vorfosung. 

Extremitäten  aus ,  während  es  an  den  früher  ergriffenen  Stellen 
stehen  bleibt.  Flachhand  nnd  Fusssohle  sind  nicht  ausgenommen. 
Es  hält  sich  aber  kaum  länger  als  12—24  Stunden  auf  dieser 
Höhe.  Alsdann  beginnt  dasselbe  abzublassen. 

Das  Masernexanthem  erscheint  in  Form  von  nagelglied- 
grossen,  gelblich-rothen ,  flachen ,  oder  etwas  erhabenen ,  unter 
dem  Fingerdrucke  erblassenden  Flecken  (Morbilli  laeves), 
oder  feinen,   rothen,   den  Follikebnündungen  entsprechenden 
Knötchen  (Morbilli  papulosi),  welche  den  Stippchen  der 
Variola  ähnlich  sind.    Die  Flecke  drängen  sich  auch  stellen- 
weise bis  zur  Confluenz  über  grössere  Strecken  zusammen,  doch 
bleiben  immer  zwischen  den  ausgebreiteten  Röthungen  normal 
gefärbte  Hautstriche  imd  Flecke  zurück.    Niemals  beobachtet 
man  allgemeine  Confluenz.  Manchmal  sind  sie  an  den  Rändern 
wie  gezackt,  unregelmässig,  oft  halbkreisförmig,  aber  niemals 
an  den  Rändern  verwaschen,  sondern  deutlich  markirt.  Bei 
Neugeborenen  kommt  es  ausnahmsweise  in  G-estalt  feiner  rother 
Punkte  zur  Beobachtung.    An  Stelle  der  unter  Fingerdruck 
erblassenden  Flecke  ist  die  Haut  gelblich  tingirt,  um  so  dunkler, 
je  .älter  der  Ausschlag.    Mässiges  Brennen  oder  Jucken  be- 
gleitet zuweilen  denselben. 

Nachdem  sich  das  Exanthem  dtirch  wenige  Stunden  auf 
der  Höhe  der  Ausbreitung  und  Injectionsröthe  erhalten,  blasst 
dasselbe  ab,  in  der  Regel  in  der  Reihenfolge  seines  Erscheinens, 
mit  Hinterlassung  von  gelbbrauner  bis  brauner  Pigmentii-ung. 

Das  Fieber  hat  inzwischen  merklich  nachgelassen.  Eben- 
so sind  die  SchweUung  des  Gesichtes  und  die  katarrhaHschen 
Erscheinungen  an  ihrer  Acuität  abgeschwächt,  am  wenigsten 
die  des  Rachens  und  der  Luftröhre.  Damit  ist  die  Krankheit 
in  das 

Stadium  des quamationis  eingetreten,  das  ganz 
fieberlos  ist  und.  noch  eine  Weüe  von  den  weiter  sich  ver- 
ringernden katarrhalischen  Affectionen  begleitet  ist.  Es  steUt 
sich  Schlaf  und  Esslust  ein. 

Auf  der  erblassenden  und  mässig  transpii'irenden  Haut 
zeigt  sich  den  ehemaligen  exanthematischen  Stellen  ent- 
sprechend, am  deutlichsten  an  den  unbedeckten  Partien,  Gesicht, 
Hals  und  Händen,  kleienförmige  Abschuppung,  welche  oft 
über  14  Tage,  vom  Tage  der  Eruption  an  gerechnet,  anhält. 

Das  Individuum  ist  vollständig  genesen. 


Masern. 


191 


Derart  gestaltet  sich  der  normale  V  erlauf  der  Masern. 
.Es  kommen  aber  Masernerkrankungen  mit  Anomalien 
der  einen  und  anderen  Symptome  oder  ihrer  Bezieliungen  zu 
einander  vor,  welcke  geeignet  sind,  entweder  nur  bezüglick 
der  Diagnose  oder  Prognose  zu  beirren,  oder  an  und  für  sich 
die  Erkrankimg  bedenklich  oder  gefährlich  zu  gestalten,  oder 
auch  im  Gegentheil  ganz  belanglos  sind.  Solche  AnomaKen, 
soferne  sie  bei  einzehien  Kranken  vorkommen ,  sind  entweder 
individuell,  oder  in  speciellen  Verhältnissen  des  Organismus, 
namentlich  Krankheitszuständen  desselben,  Anämie,  Tuberculose 
und  Scrophulose,  oder  in  ungünstigen  äusseren  Verhältnissen, 
schlechte  Wohnung,  Ernährung  tind  körperliche  Pflege  der 
Betroffenen,  begründet ;  oder  sie  sind  in  der  Eigenthümlichkeit 
einzelner  Epidemien  gelegen,  wodann  sie  bei  vielen  Erkrankungs- 
fällen zur  Beobachtung  konunen  und  zum  besonderen  Charakter 
der  jeweiligen  Epidemie  gehören. 

So  kann  das  Exanthem  ausserhalb  der  normalen  Reihen- 
folge statt  im  Gesichte  zuerst  am  Stamme  und  an  anderen 
Körperstellen  auftreten,  oder  überhaupt  unvollkommen  ent- 
wickelt sein;  statt  2—3  Tage  7—10  Tage  in  Blüthe  stehen, 
wodann   es  besonders   dunkel   colorirt   erscheint   und  mehr 
Pigment  hinterlässt.    Es  kann  mitten  in  der  Blüthe  plötzlich 
erblassen  imd  dann  nach  1—3  Tagen  wieder  zum  Vorschein 
kommen  (secundäre  Masern).  Diese  Erscheinung  ist  nicht 
zu  verwechseln  mit  einer  nochmaligen  Erkrankung  an  Masern, 
zu  deren  Annahme  nothwendig  ist,  dass  zwischen  dem  ersten 
und  zweiten  Exanthem  mehrere  Wochen,  mindestens  aber  das 
vollendete  Desquamationsstadium  liege.    Das  plötzliche  Ver- 
schwinden des  Ausschlages  ist  stets  die  Folge  einer  fieberhaften 
Complication  und  nicht  die  Ursache  desselben.  Ist  diese  rasch 
vorübergehend,  so  kann  der  Ausschlag  wieder  hervortreten. 
Dauert  sie  jedoch  ihrer  Natur  nach  längere  Zeit,   wie  eine 
Pneumonie,  dann  kommt  auch  das  Exanthem  nicht  wieder 
zum  Vorschein.    Da  gar  oft  lebensgefährliche,  oder  gar  zum 
Tode  führende  Complicationen  das  rasche  Verschwinden  des 
Exanthems  verursachen,  so  ist  es  begreiflich,  dass  ein  solches 
Symptom  nicht  gerne  gesehen  und  als  übles  Zeichen  gedeutet 
wird.  Nur  darf  man  pathologisch  nicht  Ursache  und  Wirkung 
verwechseln.    Dass  während  der  Desquamation  noch  einmal 
die  Morbillen  sich  zeigen  können,  wie  Manche  angeben,  scheint 


-^0)9  Eilfte  Vorlesung. 

nicht  richtig  und  auf  Verwechslung  mit  Erythem  und  Urticaria 
zu  beruhen. 

Endlich  kann  auch  das  Exanthem  während  des  morbiUosen 
Processes  ganz  fehlen ,  während  alle  Ül3rigen  Erscheinungen 
der  Masern,  Fieber  im  normalen  Typus,  katarrhalische  Er- 
scheinungen der  Schleimhäute  und  die  constatirte  Gelegenheit 
zur  Ansteckung  mit  Masern,  wie  durch  Contact  mit  morbillösen 
Geschwistern,  das  Herrschen  einer  Masernepidemie,  die  Annahme 
rechtfertigen,  dass  man  doch  einen  FaU  von  Masern  vor  sich 
habe  Man  spricht  dann  von  Febris  morbiUosa  sme 
Exanthemate,  wie  bei  Gegenwart  des  Hautausschlages 
aber  mangelnden  Fiebersymptomen  von  Morbilli  apyretici. 

Auch  bezüglich  des  morphologischen  Charakters  und  der 
Intensität  der  morbillösen  Hautaffection  gibt  es  Abweichungen 
von  der  Norm.    So  unterscheidet  man  darnach  neben  den 
Morbilli  laeves  und  den  M.  papulosi  der  normalen  Masern 
auch  Morbilli  vesiculosi  s.  miliares  (Frieselmasern)  und 
M  confluentes,  die  alle  noch  gute  Vorbedeutung  zulassen, 
undMorbilHhaemorrhagici.  Einzelne  Petechien,  d.i.  durch 
Blutaustritt  entstandene  und  unter  dem  Fingerdrucke  nicht 
schwindende  Flecke  können  bei  jedem  intensiver  entwickelten 
Exanthem  untermischt  mit   den  gewöhnlichen   Flecken  der 
MorbiUen  auftreten.    Sie  süid  dann  blos  der  Ausdruck  einer 
Steigerung   der  mit  jeder   activen  Hyperämie  verbundenen 
Veränderungen  der  Gefässwände,  ihrer  steUenweisen  grosseren 
Permeabilität  oder  gar  Zerreisslichkeit.  Von  Morbüli  haemor- 
rhagici  spricht  man  aber  nur  beim  Vorwalten  solcher  Blutaus- 
tritte.   Sie  bedeuten  dann  einen  gefährlichen  Zustand,  da  sie 
zumeist  eine  Thenerscheinung  der  aUgemeinen  Disposition  zu 
Hämorrhagien  sind  und  mit  stärkeren  und  schwer  stiUbaren 
Blutungen   aus  der  Nase  —  Ehinorrhagie  —  Magen-  und 
Darmblutungen,  blutigen  Sputis,  den  Zeichen  von  lobularer 
und  lobärer  Pneumonie,  mit  allgemeiner  Blutzersetzung  und 
entsprechenden  Fiebersymptomen,    anfangs   vollem  und  fre- 
quentem,  alsbald  schwächer  werdendem,  fadenförmigem  Puls 
Bewusstlosigkeit  und  raschem  CoUapsus  verbunden  smd  und 
meist  zum  Tode  führen.    Sie  sind  ein  häufiges  Symptom  der 
Morbilli  typhosi,   s.  nervosi,   s.  putridi,  MorbiUen- 
typhus. 


Masern. 


193 


Diese  Anomalie  des  Symptomencomplexe.s   gehört  dem 

Floritions-Stadium  an. 

Aber  auch  ohne  hämorrhagische  Beschaffenheit  des  Exan- 
thems können  die  Fiebererscheinungen  und  der  allgemeine 
Symptomen  -  Complex  durch  Steigerung  der  einzelnen  Er- 
scheinuno-en,  oder  durch  Complicationen  aUer  Art,  deren  ich  noch 
mehrere ''erwähnen  werde,  den  normalen  Verlauf  alteriren  und  ^ 
dem  Processe  eüien  typhoiden  Charakter  aufprägen.  Milz- 
schwellung  und  copiöse  Darmentleerungen  begleiten  m  der 
Regel  einen  derartigen  Maserntyphus. 

Als  Complication  der  MorbiUen  erscheint  zuweilen  . 
während   des   Prodromalstadiums   schwer   stillbares   und  er- 
schöpfendes Nasenbluten.  Dasselbe  kann  bei  hämorrhagischem  I 
Charakter  des  Exanthems  auch  noch  während  der  Florition 
anhalten  und  die  Einleitung  bilden  eines  thyphös  sich  ge- 
staltenden Masernverlaufes,  mit  hohem  Fieber,  trockener  Zunge, 
Gehirndruckerscheinungen,    oder    die   Vorstufe   zu  Scorbut, 
welcher  als  Folge   schwerer  MorbiUen   zurückbleiben  kann. 
An  diesen  reiht  sich  S  t  o  m  a  c  a  c  e  und  N  o  m  a  mit  ausgebreiteter 
G-angrän  der  Mundschleimhaut  und  des  Gesichtes,  hämoptoischer 
Lungeninfarct,  Lungengangrän.    Laryngitis  als  sogenannter 
falscher   Croup    gehört   dem   Prodromalstadium   an  und 
charakterisirt  sich  durch  rauhen  oder  bellenden,   oder  spas- 
modischen  Husten,    bisweüen  mit  Lispirationskrampf.  Der 
Zustand  ist  nur  der  Ausdruck  einer  hochgradigen  katarrhalischen 
Erkrankung  des  Kehlkopfes  und  verschwindet  mit  dem  Aus- 
bruche des  Exanthems.    Die  eigentliche  Laryngitis  crouposa 
s.  diphtheritica,  der  wahre  Croup,  tritt  während  des  Blüthe- 
stadiums  des  Exanthems,  oder  der  Abschuppung  auf,  kündigt  sich 
durch  neuerliche  Steigerung  des  Fiebers  an  und  charakterisirt 
sich  durch  die  bekannten  membranösen  Auflagerungen,  welche 
auch  über  die  Eachenschleimhaut  sich  ausbreiten,  und  durch 
bellenden,  tonlosen  Husten.  Er  führt  in  den  meisten  Fällen  zum 
Tode  durch  SufiPocation,  oder  Blutdissolution,  oder  Complicationen 
von  Seite  der  Lungen  (croupöse  Pneumonie  und  Bronchitis),  des 
Gehirnes  u.  s.  w. 

Neben  katarrhalischer  oder  croupöser  Tracheal-  und 
Bronchialerkrankung  bildet  Pneumonie  diq  häufigste  Com- 
plication der  Masern,  als  lobäre  meist  in  der  Höhe  oder  selbst 
schon  zu  Beginn  der  Erkrankung,  als  lobuläre  öfters  als 

Kaposi,  Hautkrankhelten. 


194  Eilfto  Vorlesung. 

Nachkrankheit.  Mit  dem  Auftreten  der  ersteren  erblasst  das 
Exanthem.  Doch  verlaufen  die  meisten  Lungenentzündungen 
günstig,  wofern  sie  nicht  eine  Fortsetzung  des  Croup  sind. 

Miliartuberculose ,  bei  Kindern  unter  den  Erscheinungen 
des  Hydrocephalus  acutus  sicli  manifestirend ,  tritt  bisweilen 
schon  im  Beginn  der  Masern,  oder  auch  während  ilires  Be- 
standes auf  miä  führt  rasch  zum  Tode. 

AVas  die  Complication  der  Masern  mit  anderen  .Haut- 
krankheiten anbelangt ,  so  bilden  sicli  solche  schon  früher  be- 
standene, wie  chronisclies  Eczem,  Psoriasis,  während  der  Mor- 
billen  theilweise  zurück,  verschwinden  aucli  ganz,  oder  tauchen 
in  der  ßeconvalescenz  wieder  auf.  Ausserdem  erscheinen  bis- 
weilen Urticaria,  Erythem,  oder  auch  einzelne  grössere 
Blasen  (Steiner). 

Wie  bei  anderen  Bhxtvergif tungen ,  so  sind  auch  bei  dem 
eine  solche  darstellenden  Masernprocesse  die  möglichen  Com- 
plicationen  und  Folgen  kaum  erschöpfend  aufzuzählen.  Zu  den 
häufigeren  Nachk rankheiten  der  Masern  gehören :  0 z a e n a, 
katarrhalisch-chronischer  Kehlkopf-  und  Lungen- 
katarrh,  Darmkatarrh,  Oph,thalmien,  chronische  Ent- 
zündung der  Kieferdrüsen,  der  Bronchial-  und  Mediastinal- 
drüsen  (Widerhofer)  ,  mit  dem  Ausgang  in  Vereiterung  oder 
Verkäsung,  Scrophulose ,  Anämie  u.  v.  A. ,  während  Nieren- 
afiFectionen  wohl  zu  den  seltensten  Vorkommnissen  gehören; 
ausserordentlich  häufig  dagegen  Keuchhusten. 

Die  anatomischen  Veränderungen,  welche  dem  Masern- 
Exanthem  zu  Grunde  liegen,  sind  sehr  einfach;  sie  bestehen 
nach  dem  klinischen  Aspect  in  Injection  der  um  die  Follikel- 
mündimgen  gelagerten  feinsten  G-efässe,  oder  derjenigen  ein- 
zelner Papillengruppen,  nebst  mässiger  seröser  Transsudation. 
Post  mortem  sind  diese  wesentlichsten  Symptome  geschwunden. 
Mikroskopisch  sind  Veränderungen  in  den  Epidermisstratis 
und  im  Gewebe  der  Papillen,  die  auf  Proliferation  der  Zellen 
schliessen  Hessen,  bisher  nicht  gefunden  worden,  was  bei  der 
geringen  Intensität  und  kurzen  Dauer  der  klinisch  sichtbaren 
Veränderungen  auch  erldärlich.  G.  Simon  hebt  stärkere 
Prominenz  des  einem  Masernknötchen  entsprechenden  Cutis- 
antheiles  hervor.  Matb  und  Hebra  erklären  die  Knötchen  aus 
einer  Entzündung  der  Talgfollikel.  Mir  scheint,  dass  dieselben 
zumeist  den  Ausführungsgängen  der  Haartaschen  oder  Talg- 


Masern. 


195 


driisen  entsprechen,  aber  an  vielen  Punkten  auch  durch  Sclmel- 
lung  einzelner  Papillen  mu\  des  über  diesen  lagernden  Rete 
gebildet  sind. 

In  mit  Petechien  oder  Bläschen  combinirten  Masern  sind 
die  anatomischen  Veränderungen  örtlich  solche ,  wie  sie  der- 
artigen Morphen  auch  bei  anderen  Processen  entsprechen. 

Was  die  Veränderungen  des  Blutes  und  der  inneren 
Organe  anbelangt ,  welche  bei  Sectionsfällen  zur  Anschauung 
kommen,  so  entsprechen  sie  den  jeweiligen  auch  im  kHnischen 
Bilde  repräsentirten  Complicationen  der  schweren  und  letal 

endigenden  Masern. 

Die  Ursache- der  Morbülen  liegt  in  dem  ihnen  eigen- 
thümlichen  Contagium,  in  der  Gelegenheit  und  der 
Disposition  der  Menschen,  dasselbe  in  sich  aufzunehmen. 

Das  Contagium  physikalisch  zu  demonstrii^en ,  ist  bisher 
noch  nicht  gelungen.    Es  wird  angenommen,   dass  dasselbe 
organischer  Natior  sei,  vielleicht  ein  pflanzlicher  Organismus 
voti  dem  Charakter  der  mikroskopischen  Pilze.    Es  regenerirt 
nnd  vermehrt  sich  in  dem  davon  inficirten  Organismus ,  der 
dadurch  zivc  Ansteckiingsquelle  für  andere  wird.    Träger  des 
Masern-Contagiums   sind   die  Excretionsproducte   der  katar- 
rhalisch afPicirten  Schleimhäute,   das  Secret  der  Nase,  die 
Sputa,  die  Thränen  und  auch  das  Blut  MorbillÖser  (Home, 
Speeanza,  Katona  u.  A.).    Mit  denselben  experimentell  vor- 
genommene Impfimgen  haben  den  Ausbruch  der  Krankheit  nach 
der  normalen  Incubationsfrist  zur  Folge  gehabt.    Aber  auch 
die  Exhalation   der  Lungen   und    der   Haiit    während  des 
Prodromalstadiums  und  des  Bestandes   des  Exan- 
thems führen  das  Contagiiim,  welches  somit  als  flüchtig 
durch  die  Atmosphäre  verbreitet  wird.     Es  genügt  daher 
einige  Zeit  in  der  Atmosphäre  eines  Masernkranken  zu  ver- 
weilen, um  den  Ansteclmngsstoff  in  sich  aufzunehmen.  Ueber 
die  Ansteckungsfähigkeit  MorbillÖser  während  des  Desqua- 
mationsstadiums  und  der  Producte  der  Abschuppung 
sind  die  Meinimgen  getheilt. 

Die  Disposition  für  die  Erkrankung  an  Masern  ist 
so  ziemlich  gleich  für  alle  Menschen,  sie  fehlt  aber  bei  solchen, 
die  schon  einmal  die  Krankheit  überstanden.  Doch  sind  zahl- 
reiche Eälle  von  zwei-,  selbst  dreimaligem  Befallenwerden  mit 
Intervallen  von  mehreren  Wochen  bis  Monaten  und  Jaliren 

13* 


^Qß  Eilfte  Vorlesung. 

nielit  gerade  selten.  Kinder  innerlialb  des  ersten  Lebensjahres 
und  Grreise  scheinen  weniger  zu  Masern  disponirt.  Das  grösste 
Contingent  liefern  solche  vom  2.— 10.  Lebensjahre,  so  dass  die 
Morbillen  eine  exqviisite  „Kinderhranliheit"  vor.stellen. 

Acute,  fieberhafte  Krankheiten  schützen  nicht  vor  Em- 
pfänglichkeit gegen  das  Contagium.  Doch  pflegt  dann  der  Aus- 
bruch der  Masern  bis  zum  Ablauf  jener  sich  zu  verzögern. 
Schwangere  und  Wöchnerinnen  sind  durch  die  Krankheit  be- 
deutend gefährdet.  Es  liegen  auch  Angaben  vor,  wonach 
Kinder  mit  Masernexanthem  geboren  worden  seien,  deren 
Mütter  eben  um  die  Zeit  ihrer  Entbindung  von  der  Krankheit 
befallen  waren. 

Die  Ansteckung  erfolgt  durch  directen  Contact  mit  einem 
Masernkranken,    oder   auch   nur  durch  Einathmen   der  von 
ilun  ausgehenden  Exhalation,  beim  Aufenthalte  in  der  ilm  um- 
gebenden Sphäre.    Wie  lange  Zeit   hierzu   erforderlich  ist, 
dürfte  nach  der   individuellen  Disposition  mid  der  Litensität 
des  Contagiums,  die  nach  Epidemien  und  EinzeKällen  wechsebid 
sein  mag,  sehr  verschieden  sein.    Grewiss  ist,  dass  eine  nur 
flüchtige  Annäherung  schon  genügt,  um  inficirt  zu  werden. 
Das  Contagium  haftet  sicher  auch  an  Kleidungsstücken  und 
Geräthen  und  kann  so  durch  gesunde  Personen  verschleppt 
und  Anderen  übermittelt  werden.    Doch  scheint  speciell  das 
Maserncontagiuni  in  dieser  Beziehung,   sowie  bezüglich  der 
Lebensdauer  seiner  Wirksamkeit  anderen  Contagien  nachzu- 
stehen, so  dass  weder  die  absolvirten  Masernkranken,  noch  die 
Greräthe  und  Wohnungsräume  über  den  letzten  in  ihnen  ab- 
gelaufenen Masernfall  hinaus  ihre  Lifectiosität  behalten. 

Vermöge  ihrer  Ansteckungsfähigkeit  auf  unmittelbarem 
und  mittelbarem  Wege  befallen  die  Masern  in  der  Regel  aUe 
zu  einer  Familie  gehörigen,  noch  nicht  durchmaserten  Kinder, 
und  von  dem  Orte  ihres  Auftauchens  aus  alsbald  eine  grosse 
Reihe  von  bis  dahin  masernverschonten  Personen.  Sie  treten 
also  in  Epidemien  auf.  Li  grossen  Städten  fehlt  es  nie  an 
sporadischen  Fällen  von  Masern  und  etablirt  sich  alle  3  bis 
4  Jahre  eine  grössere  Epidemie.  Li  vom  grossen  Verkehr  ab- 
seits gelegenen  Gregenden,  in  welchen  seit  langer  Zeit  oder 
überhaupt  noch  keine  Masernepidemie  geherrscht,  demnach 
viele  oder  alle  Lidividuen  nicht  maserndurchseucht  sind,  befällt 
die 'Krankheit,  sobald  sie  dorthin  eingeschleppt  worden,  den 


Masern. 


197 


grössten  Tlieil  der  Bevölkerung ,  alt  und  jung ,  und  erreicht 
demnach  die  Epidemie  die  grösste  Ausdehnung. 

Obgleich  für  alle  Fälle  und  alle  Epidemien  das  gleiche 
Contagixim  angenommen  werden  muss,  zeichnen  sich  doch  ein- 
zelne durch  besondere  Milde  der  Symptome  und  des  Verlaufes, 
andere  durch  Intensität  mul  Grefährlichkeit  aus.  ^ 

Als  Vorläufer  von  Masernepidemien  werden  in  der  Kinder- 
bevölkerung herrschende  katarrhalische  Erkrankungen  der  Luft- 
wege ,  Bronchialkatarrhe,  Influenzen,  besonders  aber  Keuch- 
husten öfters  constatirt,  eben  so  wie  derartige  AfPectionen 
nach  Erlöschen  der  Epidemien  zurückzubleiben  pflegen.^ 

Die  Diagnose  der  Morbillen  gründet  sich  auf  die  Com- 
bination  und  die  regelmässige  Entwicklungsweise  der  katar- 
rhalischen Erscheinungen,  des  Fiebers  und  desExan- 
thems.   Das  Letztere  hat  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  Pro- 
dromalexanthem der  Pocken,  deren  Ausbruch  ebenfalls  Katarrh 
lind  Fieber  voranzugehen  pflegen.  Ein  vorsichtiger  und  erfahrener 
Arzt  wird  daher  nur  dann  am  ersten  Tage  des  Ausbruches  Masern 
diagnosticiren,  wenn  auch  die  katarrhalischen  Erscheinungen 
und  die  constatirte  Gelegenheit  zur  Ansteckung  eine  solche 
AufPassung  stützen.    Sonst  ist  es  besser,  noch  den  nächsten 
Tag  abzuwarten.    Im  Falle  Blattern  vorlägen,  würden  die 
Knötchen  bis  dahin  sich  deutlicher  entwickelt,   oder  gar  zu 
Bläschen  erhoben  haben,  während  die  Knötchen  der  Masern 
sich  nicht  derart  verändern.  Scharlach  präsentirt  sich  wohl 
überhaupt  anders.  Miliaria  und  Roseola  papulosa  haben  da- 
gegen eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  Masern.  Nur  fehlen  bei  jenen 
der  Katarrh  und  die  Fiebererscheinungen ,  oder  sind  sie  nur 
höchst  mässig,   die  letzteren  übrigens  nicht  von  dem  regel- 
mässigen Typus  des  Masernfiebers. 

In  neuerer  Zeit  wird  auch  mit  dem  Nachdruck  wissen- 
schaftlicher Begründung  die  Differentialdiagnose  zwischen  Mor- 
bülen  und  Rubeolen,  oder  RjUh^ln_yerlangt.  Unter  diesem 
Namen  wircPnämlich  seit  din  Sechziger- Jahren  häufiger,  als 
dies  früher  geschehen,  ein  acutes,  contagiöses,  öfters  epidemisch 
erscheinendes  Exanthem  der  Kinder  aufgeführt,  welches  zwar 
mit  Morbillen  sehr  viel  Aehnlichkeit  besitzt,  aber  doch  eine 
von  diesen  verschiedene  und  von  einem  besonderen  Contagium 
herstammende  Krankheitsform  darstellen  soU.  Aus  unserer 
nächsten  Nachbarschaft   (Leoben,    Dr.   Bdchmüller)   ist  im 


j^gg  Eilfte  Vorlesung. 

Jalire  1877  über  eine  grössere  Epidemie  von  Rubeolen  berichtet 
worden.  Die  Symptome,  welclie  von  den  „specifiscben''  Rubeolen 
angegeben  werden,  nnterscbeiden  sicli  aber  in  Nichts  von  den- 
jenigen mild  verlaufender  Masern.     Auch  ist  der  Uebergaug 
solcher  Formen  in  echte  Morbillen  nicht  nur  von  Gegnern  ihrer 
Specifität  erwiesen  (Kassowitz),  sondern  auch  von  Anhängern 
derselben  zugegeben  worden  (G-erhaedt).    Das  gelegentliche 
Vorkommen  bei  Kindern,  die  bereits  Masern  überstanden  haben, 
hat  nichts  AuffäUiges ,  da  ja  auch  charakteristische  Masern 
zwei-  und  dreimal  dasselbe  Lidividixum  befallen  können.  Dies 
Alles  lind  meine  eigenen  Beobachtungen  berücksichtigend,  muss 
ich  mit  Hebea  und  vielen  Anderen  die  als  ßubeolae  ausgegebenen 
Exantheme  als  Fälle  yon  Morbillen  ansehen  wnö.  die  Diagnose 
„Rubeolae"  mit  dem  Begriffe  einer  selbstständigen  contagiösen 
Krankheit  als  unbegründet  erachten. 

Unter  Umständen  mag  endlich  die  symptomatische  Roseola 
mancher  Krankheiten,  wie  Typhus,  zu  Verwechslung  mit  Mor- 
Ijillen  Anlass  geben. 

Die  Prognose  der  Morbilli  Amigares  ist  durchweg 
günstig.  In  normalen  Fällen  und  gewöhnlichen  Epidemien  luid 
bei  sonst  gesunden  Individuen  ist  stets  Genesung  zu  erwarten. 

In  complicirten  Fällen  kann  die  Vorhersage  nur  insoferne 
bedenklich,  oder  absolut  migünstig  werden,  als  die  geschilderten 
Zufälle  an  und  für  sich ,   oder  vermöge  der  individuellen  Or- 
ganisation des  befallenen  Individuums  den  Verlauf  der  Ki^ank- 
heit  ungünstig  zu  beeinflussen  geeignet  sind.    Mit  Rücksicht 
auf  die  fieberhaften  Complicationen  möchte  ich  dem  Ausspruche 
Thomas'  mich  ganz  anschliessen:  „Die  prognostisch  wichtigsten 
Anomalien  sind  ungewöhiüich  hohes  Fieber  und  Verzögeriing 
der  kritischen  Entscheidung  desselben,  ungewöhnlich  reichliches 
und  lebhaft  gefärbtes,  so  wie  anomales  Exanthem,  ungewöhnlich 
intensive  Schleimhauterkrankungen ,    endlich  complicatorische 
Erkrankungen  innerer  Organe,  oder  compHcatorische  allgemeine 
Leiden."    In  diesen  Beziehungen  ist  besonders  der  Intensität 
und  Verlaufsweise  des  Fiebers  ein  grosses  Gewicht  beizumessen 
und  „die  grosse  Bedeutung  der  Temperatiu-messungen  für  das 
Studium  der  Masern  liegt  darin,  dass  es  mit  ihi«er  Hilfe  viel 
besser  als  auf  irgend  welchem  anderen  Wege,  imd  insbesondere 
viel  sicherer,  als  durch  blosse  Berücksichtigung  des  Exanthems 
gelingt,  die  normalen  Fälle  von  den  anomalen  zu  sondern,  den 


Masern. 


199 


Eiutritt  von  Anomalien  und  Complieationen  zu  bestimmen  nnd 
die  Bedeutung  derselben  zu  beurtheilen'-. 

Nebstdem  wird  die  Vorhersage  noch  durch  die  individuellen 
und  epidemischen  Momente  beeinflusst.  Kinder  im  ersten  Lebens- 
jahre und  G-reise,  sowie  anderweitig  bereits  Kranke,  besonders 
auch  Wöchnerinnen  und  Schwangere  sind  durchschnittlich  zu- 
meist gefährdet.  Ausserdem  ergeben  manche  Epidemien  über- 
haupt mehr  und  gefährliche  Complieationen  und  Todesfälle, 
wähi>end  in  anderen  fast  alle  Erkrankungen  normal  und  tj^Disch 
verlaufen  und  daher  in  Genesung  enden.  So  finden  sich  denn 
oTOSse  Differenzen  in  den  Mortalitätsverhältnissen  bei 
Masern,  von  kaum  lo/o— 15°/o  und  darüber.  Die  erschreckendsten 
Ziffern  in  dieser  Beziehimg  liefern  die  Epidemien,  welche  in 
einer  bis  dahin  von  Masern  ganz  verschonten  Bevölkerung  anf- 
getreten  sind,  wie  auf  manchen  Inselländern  dies  erfahre;ji 
wurde,  die  zum  ersten  Male  von  Masern  heimgesucht  wurden. 

Der  Tod,  als  directer  Ausgang  des  Masernprocesses,  tritt 
selten  im  Prodromalstadium,  häufiger  während  der  Elorition  ein, 
bei  sogenamitem  Maserntyphus,  Morbilli  asthenici,  sjniochales. 
Derselbe  kaim  überdies  während  aller  Stadien  und  auch  noch 
viel  später  durch  jene  Complieationen  und  Folgen  der  Masern 
veranlasst  werden,  deren  früher  gedacht  worden  ist. 

Die  beste  Behandlung  der  normal  verlaufenden  Masern 
ist  diejenige,  welche  sich  aller  umiöthigen  und  unnützen  Ein- 
griffe und  Belästigungen  der  Kranken  enthält.  Eulie ,  gut 
gelüftetes  und  auf  14—15°  E.  temperirtes,  bei  Lichtscheu 
mässig  verdunkeltes  Krankenzimmer,  dem  Fiebergrade  und  den 
subjectiven  Empfindungen  angepasstes  Eegime,  entsprechen  am 
meisten.  Gegen  übermässige  Temperatur  des  Körpers  können 
kalte  Waschungen,  oder  selbst  methodische  nasse  Einhüllungen 
vorgenommen  werden.  Man  hat  durch  all'  dies  kein  „Ziirück- 
treten"  des  Exanthems  zu  befürchten.  Wenn  es  plötzlich  ver- 
schwindet, so  ist,  wie  schon  erwähnt,  das  Auftreten  einer 
bedenklichen  Complication  daran  Schuld. 

Das  tägliche  Waschen  des  Körpers,  das  Wechseln  der 
Leibwäsche  kann  ohne  Nachtheil  vorgenommen  werden  und 
wird  nur  für  den  Kranken  angenehm  sein.  Gegen  das  Jucken 
der  Haut  sind  Einreibungen  mit  blandem  Fett  angezeigt.  Voll- 
kommen fieberfreie  masernkranke  Kinder  dürfen  ohiieweiters 
tagsüber  ausser  Bett  bleiben  luid  mässige  Kost  gemessen. 


200  Eilfte  Vorlesung.  —  Masern. 

Complicatorisclie  und  Folge-Erlo-ankungen  der  Masern 
werden  nacli  ihrer  Natur  iind  den  Regeln  der  Kunst  behandelt, 
ohne  Rücksicht  auf  das  Hautexanthem. 

Nach  vollendeter  Desquamation,  also  etwa  14  Tage  nach 
Beginn  der  Erkrankung ,  können  die  Kranken  ein  lauwarmes 
Bad  nehmen  und  ohne  (Gefahr  für  sich  und  Andere  zum  freien 
Verkehre  mit  der  Aussenwelt  zugelassen  werden. 

Was  die  Mittel  der  Prophylaxis  gegen  Masern  und 
ihre  Verbreitung  anbelangt ,  so  ist  es  mit  denselben  schlecht 
bestellt.    Die  Impfung  mit  Secreten  und  Blut  Morbillöser  ge- 
währt keinen  Vortheü,  da  durch  dieselbe  nicht  ein  unbedeutender 
örtlicher  Process ,  sondern  die  aUgemeine  Erkrankung  hervor- 
gerufen wii-d.  In  den  Familien  befürworten  sogar  die  meisten 
Aerzte  die  noch  nicht  durchmaserten  Kinder  von  den  mor- 
billösen  Geschwistern  nicht  zu  separiren,  da  allgemein  angeilommen 
wird,  dass  sie  früher  oder  später  denn  doch  erkranken  würden, 
und  praktisch  die  Absonderung  thatsächlich  selten  voUkommen 
und  noch  seltener  frühzeitig  genug  geschehen  kann.  Da  schon 
im  Prodromalstadium,  also  zur  Zeit ,  wo  noch  kein  Exanthem 
zngegen  ist,  und  die  Diagnose  noch  nicht  gestellt  werden  kann, 
die  Kranken  Andere  inficiren  können,   so  erfolgt  auch  m  der 
Regel  die  Erkrankung  bei  solchen  Kindern,  welche  schon  zur- 
Zeit  separirt  worden,  als  bei  ihrem  Geschwister  der  Ausschlag 
noch  nicht  erschienen ,  wohl  aber  schon  die  katarrhalischen 
Symptome  zugegen  waren. 


Zwölfte  Vorlesung. 


Scharlach,  Scarlatina. 

Scharlach,  Scarlatina  (Febris  scarlatinosa,  Angina 
maligna,  Rossalia,  Scarlet  fever,  Scarlatüie)  charakterisirt 
sich  als  acute,  contagiöse,  fieberhafte  Krankheit, 
durch  gleichzeitige  entzündliche  Affection  der 
S  chlingorgane  und  scharlachrothes  Exanthem  der 
allgemeinenDecke. 

Obgleich  schon  von  Sennert  und  Döring  im  Beginne 
des  17.  Jahrhundertes  kenntlich  beschrieben,  hat  der  Scharlach 
doch  erst  durch  Sydenham  (1670 — 1674)  eine  für  alle  Folge- 
zeit massgebende  Beschreibung  erhalten. 

Wir  haben  auch  hier ,  wie  bei  Masern ,  Erkranknngs- 
formen  mit  normalem  (typischem)  und  solche  mit  abnormen 
(atypischem)  Verlauf  zu  unterscheiden  und  bezüglich  des  erste- 
ren  vor  Allem  die  vier  Stadien  der  Incubation,  Prodrome, 
Elorition  und  Desquamation. 

Das  Incubationsstadium,  mit  dem  Momente  der 
Ansteckung  beginnend,  dauert  diirchschnittlich  kürzer  als  bei 
Masern,  circa  8  Tage,  oft  genug  aber  constatirtermassen  nicht 
länger  als  4 — 5  Tage,  ausnahmsweise  dagegen  sogar  3  bis 
5  Wochen ,  oder  im  Gegentheil  sehr  kurz ,  kaum  24  Stunden. 
Man  ist  zur  Bestimmuxig  seines  Beginnes  nur  auf  die  nachr 
weisliche  Gelegenheit  zur  Contagion  von  einem  Scharlach- 
kranken  beschränkt,  da  experimentelle  Uebertragungen  des 
Scharlach-Contagiums  wegen   der   eventuellen  Gefährlichkeit 


2Q2  Zwölfte  Vorlesung. 

des  derart  provocirbaren  Krankheitsprocesses  zwar  einigemal 
vorgenommen  worden  sind,  aber  tlieils  keinen  Erfolg,  tlieUs, 
bei  bewirkter  Erki^ankung,   selir  difFerente  Incubationsdauer 

ergeben  haben. 

Während  des  Incubationsstaditims  ist  in  der  Regel  keinerlei 
Störung  der  Gesundheit,  bisweilen  nur  2—3  Tage  vor  Beginn 
der  Prodrome  geringe  Fieberbewegung,  Unlust,  Mattigkeit, 
Eingenommenheit  des  Kopfes  wahrzunehmen. 

Das  Stadium  prodromorum  führt  sich  mit  plötz- 
lichem heftigem  Fieber  ein.  Die  Temperatur  erreicht  40»  C. 
und  darüber,  die  Pulsfrequenz  die  Höhe  von  140—160  Schlägen 
in  der  Minute.  Gleichzeitig  zeigt  sich  Angina,  Rötluxng  und 
Schwellung  der  Mandeln,  des  weichen  Gaumens,  hier  mit 
stärker  markirten  dunkelrothen  Punkten,  imd  in  ge- 
ringerer Intensität  meist  über  die  Rachenschleimhaut ,  den 
harten   Gaumen,   seltener   auch   die  Nasenhöhle,  Kehlkopf, 
Trachea  und  Conjunctiva   sich  fortsetzend.    Die  Zunge  ist 
stark  belegt.  Stibjectiv  siad  Sclilingbeschwerden,  Abgeschlagen- 
heit,   begleitende  Erscheinungen   des  Fiebers,    wie  Durst, 
Ueblichkeit,  Kopfschmerz   mir  in  massigem  Grade  zugegen. 
Oder  die  concomitirenden  Symptome  sind  bereits  sehr  intensiv. 
Erbrechen,  Betäubung,  Hinfälligkeit,  Convulsionen  (bei  Kindern), 
drückender  Kopfschmerz ,  Delirien  oder  Betäubung  sind  nicht 
selten  zu  beobachten,  und  wenn  an  und  für  sich  auch  bedeutend 
als  Symptome  eines  intensiven  ErgrifPenseins  der  Nervencentren, 
doch  bezüglich  des  weiteren  Verlaufes  der  Krankheit  noch 
nicht  entscheidend. 

Dieses  Stadium  währt  12—24  Stunden,  oder  auch  2  bis 
3  Tage  und  markirt  sich  gegen  das 

Stadium  eruptionis  nur  durch  den  Ausbruch  des 
Exanthems  ab.  Denn  die  Fieber-  und  concomitirenden 
Symptome  halten  ungeschwächt  an,  oder  haben  sich  womöglich 

noch  gesteigert. 

Der  Scharlachausschlag  tritt  am  Halse  und  der 
Schlüsselbeingegend  zuerst  aiif  in  Form  von  dicht  gedrängten, 
nadelstichgrossen,  blass-  oder  gesättigt-rotheu  Pünktchen 
welche,  von  der  Entfernung  gesehen,  zu  einer  diffusen  imd 
gleichmässigen  Röthe  verschmelzen.  Obgleich  die  Färbung  des 
Exanthems  meist  um  diese  Zeit  nicht  Scharlach-,  sondern  mehr 
lebhaft  roth  ist,  so  kann  doch  aus  der  feinen  Punktu-ung  des- 


Scliarlach.' 


203 


selben  und  die  Abgrenzmig  gegen  den  Kieferrand  dessen 
Bedeutung  als  scarlatinöse ,  wenn  auch  nicht  diagnosticirt, 
so  doch  als  wahrscheinlich  hingestellt  werden.  Das  Gesicht, 
wohl  fieberhaft  geröthet  und  etwas  turgescent,  bleibt  doch 
stets  von  dem  Ausschlage  selber  verschont.  Nur  ausnahmsweise 
kommen  auch  auf  der  Stirne  und  Schläfe  Flecke  vor,  wogegen 
die  Umgebung  des  Mundes  stets  blass  bleibt  (Thomas).  Dagegen 
breitet  sich  derselbe  im 

Stadium  floritionis  rasch  über  Rücken  und  Brust, 
Ober-  und  Unterextremitäten  aus,  mit  besonders  deutlicher 
Entwicklung  aiif  Hand-  und  Fussrücken,  der  charakteristischen 
Zusammensetzimg  aus  feinen  Pünktchen  und  mit  prononcirter 
Scharlach-Tinte.  Auf  den  Extremitäten  erscheint  das  Exan- 
them meist  imterbrochen  und  an  einzelnen  SteRen  in  Form  von 
bis  linsengrossen  Flecken.  Es  schwindet  unter  dem  Finger- 
drucke, wobei  die  Haut  sich  etwas  ödematös  erweist.  Am 
2.  Tage  hat  dasselbe  die  grösste  In-  und  Extensität  erreicht. 
Es  erhält  sich  so  1—3,  manchmal  auch  5—7  Tage,  wobei  die 
Intensität  der  Färbung  öfters  wechselt,,  und  namentlich  mit 
den  Exacerbationen  u.nd  Eemissionen  des  Fiebers  sich  steigert 
und  fällt. 

Fieber  und  allgemeine  Symptome  halten  an.  Die  angi- 
nösen  Erscheinungen  sind  mitiuiter  mässig,  diffuse  Eöthe, 
massiges  Oedem  des  Velum  und  der  Uvula,  zuweilen  aber 
dui'ch  intensive  Entzündung  der  Tonsillen,  bei  Kindern,  be- 
lästigend, oder  selbst  unmittelbar  gefahrdrohend.  Die  Mund- 
schleimhaut ist  difPus  geröthet,  die  Zunge  nach  Abstossung 
ihres  grauen  Beleges  dunkel-fleischfarben  und  zottig  (Katzen- 
zunge), die  Cervicaldrüsen  oft  deutlich  geschwellt.  Die  Haut 
ist  trocken,  heiss,  brennend,  die  Diurese  spärlich,  oft  deutlich 
Eiweiss  und  Nieren-Epithelien  im  Urin  nachweisbar  (Eisen- 

SCHITZ). 

Nachdem  sich  das  Exanthem  durchschnittlich  1 — 3  Tage 
auf  der  Ahme  erhalten,  beginnt  dasselbe  in  der  Reihenfolge 
vom  Halse  abwärts  abzublassen,  unter  gleichzeitigem  Nachlass 
der  Temperatur  und  der  anderen  Fieber-  und  Begleit- 
erscheinungen. Nur  die  Angina  pflegt  noch  nngeschwächt  fort- 
ziibestehen,  oder  gar  noch  sich  zu  steigern. 

Binnen  4 — 8  Tagen  ist  der  Ausschlag  mit  Ziirücklassung 
einer  gelbbraunen  Pigmentirung  abgeblasst,  die  Haut  normal 


2Q4  Zwölfte  Vorlesung. 

temperirt,  transpirirend,  Angina  und  die  Eeihe  der  begleitenden 
Erscheinungen  in  Rückbildung  begriffen,  die  Unruhe  und 
Schlaflosigkeit  gewichen,  Esslust  eingetreten. 

Das  Stadium  desquamationis  macht  sich  von  da  ab 
unter  den  Fortschritten  der  allgemeinen  Reconvalescenz  geltend 
durch  die  entsprechend  dem  Exanthem  sich  darbietende  Epi- 
dermisablösung.    Sie   schülfert  in  kleineren    und  grösseren 
Lamellen    (Desquamatio    membranacea) ,    besonders    an  den 
Fingern,  zuweilen  in  ganzen  handschuhfingerförmigen  Hülsen 
(Desquamatio  siliquosa),  denen  manchmal  die  Nägel  selbst  in 
toto  folgen ;  an  stärker  transpirirenden  Stellen  nur  in  Schüppchen 
(D.  furfuracea).  Binnen  14  Tagen  ist  die  Abschuppung  vollendet 
und  die  Epidermis  allenthalben  gleichmässig  regenerirt.  Aus- 
fallen der  Haare,  oder  Ergrauen  (Beigel)  ist  einigemal  ge- 
sehen worden. 

Die  Dauer  des  ganzen  Processes  vom  Stadium  prodromorum 
bis  zur  Beendigung  der  Abschuppung  beträgt  zwischen  2  bis 
3  und  5  Wochen. 

Der  geschilderte  Symptomencomplex  und  Verlauf  des 
Scharlachs  entspricht  der  Mehrzahl  der  Krankheitsfälle  bei  gut- 
artigen Epidemien ,  oder  sporadischem  Vorkommen  imd  bei 
sonst  gesunden  Individuen. 

Von  diesem  an  und  für  sich  schon  abwechslungsreichen 
Typus  zeigt  der  Scharlach  oft,  viel  häufiger  als  die  anderen 
acuten  Exantheme,  sehr  bedeutende  Abweichungen,  welche 
einen  in  einzelnen  Beziehungen,  oder  durchwegs  anomalen 
Symptomencomplex  und  Verlauf  bedingen. 

Die  Incubation  kann  ungewöhnlich  kurz,  4 — 5  Tage, 
seltener  abnorm  lang,  mehrere  Wochen  dauern,  letzteres  bei 
rhachitischen    oder    sonst    herabgekommenen    Kindern.  Das 
Prodromalstadium  fehlt  ganz,    oder  macht  sich  nicht 
durch  Fieber  kenntHch.    FreiHch  fehlt  auch  da  kaum  jemals 
die  Angina,  welche  jedoch  wegen  Mangels  des  Fiebers  leicht 
übersehen  wird.    Das  Stadium  eruptionis  scheint  dann  ur- 
plötzlich ohne  Prodrome  aufzutreten.    Das  Exanthem  kann 
unregelmässig,  zuerst  am  Stamme,  über  den  (jelenken  und  den 
warm  gehaltenen,  oder  gedrückten,  oder  gereizten  Körperstellen 
auftreten,  oder  überhaupt  sehr  spärlich,  nach  einzelnen  Beob- 
achtungen auch  halbseitig ,  allmälig  und  zögernd ,  oder  plötz- 
lich über  dem  ganzen  Körper  erscheinen.    An  paralytischen 


Scharlach.  205 

Extremitäten  pflegt  dasselbe  zu  fehlen,   oder  im  Gregentlie^l 
stärker  entwickelt  zu  sein  und  länger  zu  verbleiben. 

Der  Ausschlag  hält  in  manchen  Fällen  kaum  wenige 
Stunden  an,  so  dass  er  oft  ganz  übersehen  wird,  und  nur  die 
Tonsillitis  und  die  für  eine  Ansteckung  sprechenden  Neben- 
umstände, eventuell  die  späteren  Folgen  (Desquamation,  Hydrops) 
den  Cliarakter  der  Erkrankung  verrathen.  Daran  knüpft  sich 
das  Vorkommen  einer  Scarlatina  sine  exanthemate, 
mit  completem  Fehlen  des  Ausschlages  \mä  der  Abschuppung, 
aber  Gegenwart  der  Angina  und  aller  übrigen,  dem  Scharlach 
entsprechenden  Erscheinungen  und  möglichen,  selbst  letalen 
Folgen. 

Im  Gegentheil  kann  das  Exanthem  ungewöhnlich  lange, 
1_2  Wochen  und  darüber  bestehen.  Damit  steht  gewöhnlich 
ein  öfteres  Erblassen  und  Wiederaufblühen  und  dunklere 
Färbung,  mit  Austritt  von  rmter  dem  Fingerdrucke  nicht 
schwindenden  Flecken  (Blutfarbstoff),  selbst  Petechialflecken 
in  Verbindung,  Es  wird  auch  von  E,ecidi^ären  des  Exanthems 
nach  vollendeter,  oder  beinahe  vollendeter  Desquamation  be- 
richtet. Allein  es  scheint  sich  da  um  Erythem  und  nicht  um 
wahres  Scharlach-Exanthem  zu  handeln. 

Auch  die  Desquamation  kann  ungewöhnlich  verspätet 
eintreten,  sich  lange  hinschleppen,  sehr  intensiv  sein,  d.  h.  in 
Form  ausgedehnter  und  dicker  Schwarten  -  Ablösung  statt- 
finden. 

Bezüglich   der  morphologischen  Eigenschaften  des 
normalweise  als  punktförmig,  gleichmässig  fleckig  und  glatt 
erscheinenden  Exanthems  —  Scarlatina  laevis  —  findet 
sich  die  Abweichung  als  Sc.  laevigata,  mit  mehr  vor- 
springenden, glänzenden  Flecken;   Sc.  papulosa  und  Sc. 
miliaris  mit  deutlicher  Knötchen-  und  Bläschenbildung  auf 
der  diffus  gerötheten  Haut;  Sc.  variegata,  mit  der  Bildung 
grösserer,   von   den   einzelnen  rothen  Punkten  ausgehender 
Flecke,  welche  durch  ihr  dunkleres  Colorit  von  der  blässer 
gefärbten   übrigen  Exanthemfläche    sich    deutlich  abheben; 
endlich  Scarlatina  haemorr hagi  c a   s.   septica,  mit 
anfangs  punktförmigen,   später  bis  Thaler-  und  Flachhand- 
Grösse  und  darüber  sich  ausdehnenden  Blutaiistritten  mitten 
auf  den  scharlachgefärbten  Hautregionen,  bei  Kindern  meist 
am  Stamme,  bei  Erwachsenen  am  Halse  und  über  den  Gelenken 


2Qg  Zwölfte  Vorlesimg. 

xind  in  Gesellscliaft  mit  scorbiitisclien  Erscheinungen  der  Mnnd- 

sclileimliaiit,  —  eine  böse  I'orm. 

Was  die  Gleichzeitigkeit  des  Scharlachs  mit  anderen 
acuten  Exanthemen,   Masern  und  Blattern   anbelangt,  von 
welcher  in  den  letzten  Jahren  wiederholt,  namentlich  Kinder- 
ärzte ,  berichtet  haben ,  so  ist  kein  Zweifel  darüber  ,  dass  die 
den  einzelnen  Exanthemen  entsprechenden  Contagien  gleich- 
zeitig- im  Körper   aufgenommen   sein  und    ihre  specifische 
Wirkung  entfalten  können.  Sie  macht  sich  aber  in  der  Weise 
geltend    dass  die  eine  erst  auf  der  Haut  erscheint,  wenn  die 
des  anderen  bereits  in  Abnahme  begriffen  ist.    So  kann  man 
in  Decremento  Scarlatinae  MorbiUen  oder  Variola  und  wechsel- 
weise auftreten  sehen.   FäUe  aber,  in  welchen  das  eme  Exan- 
them   z   B.  Scharlach,  durch  einen  Ausbruch  von  Masern 
unterbrochen  worden  und  nach  Abblassen  dieser  jenes  wieder 
neu   erblüht   sein   soll,    dürften    wohl    anderer  Deutungen 

fähig  sein.  -■  -r>    ^  i 

Erytheme,  Urticaria,  einzelne  Blasen  und  Pusteln,  sowie 
Petechialflecke  kommen  gelegentKch  mit  Scharlach  vor ,  haben 
aber  keine  weitere  Bedeutung,  als  die  der  örtlichen  Steigerung 
der  Gefässfüllung,  Exsudation  und  PermeabiKtät  der  Gefass- 

"^""'''^CWsche  Exantheme,  Scabies,  Eczem,  Psoriasis  bilden 
sich  während  der  Blüthe  des  Scharlachs  zurück  imd  reactiviren 
sich  wieder  mit  dem  Eortschreiten  der  Eeconyalescenz. 

Die  Eeihe  der  weiteren  AnomaHen,  welche  die  Scarlatma 
darbieten  kann,  ist  eben  so  gross,  als  die  der  einzelnen  über- 
haupt möglichen,  örtlichen  und  allgemeiaien  Symptome^^  Es 
gibt  kaum  eines,  welches  nicht  durch  abnorme  Entwicklimg 
L  dem  hervorragendsten   des   ganzen  Symptomencomp  exes 
Sch  herausbüden,'dadurch  das  Kraiikheitsbild  des  Schaidachs 
wesentlich  umgestalten  und  den  Verlauf  und 
Erkrankung  zu  bestimmen  geeignet  wäre.  Derartige  abnoime 
Symptome  erscheinen  dann  entweder  als  Complicationen, 
wofern  sie  ganz  aus  dem  Rahmen  des  gewöhuHchen  Kraukheits- 
bildes  heraustreten,  oder  als  Nachkrankheiten,  mdem  sie 
nach  Ablauf  des  gewöhnlichen  Cyclus  noch  andauern,  oder  gai 

erst  da  entstehen.  _ 

Am  häufigsten  ist  eine  abnorme  Steigerung  dei_  scai- 
latinösen  Angina  zu  beobachten  -  Angina  scarlatmosa 


Scharlach. 


207 


maligna.  Es  kommt  schon  während  der  Prodrome  nnd  zu 
lieginu  der  Eruption  zu  parenchymatöser  Entzündung  der 
Tonsillen,  der  Graunien-  und  ßachenschlelmhaut  und  des 
retromucösen  Bindegewebes.  Hochgradige  Schlingbeschwerden, 
OtFenhalten  des  Mundes,  reichlicher  Speichelabfluss  aus  diesem, 
heftiges  Fieber,  Grediiusenheit  des  Gresichtes,  Unruhe,  Delirien 
begleiten  den  Zustand.  Die  enorm  vergrösserten  Tonsillen 
lesen  sich  hart  aneinander  und  können  SufFocation  veranlassen. 
Ihre  Abscedirung  an  ein  oder  mehreren  Stellen  ist  ein  relativ 
günstiger  Ausgang,  Gefährlicher  ist  die  Vereiterung  des 
retromucösen  Bindegewebes.  Besonders  führen  Retropharyngeal- 
abscesse  direct  oder  durch  Eitersenkung  unmittelbar,  oder  in 
der  Folge  zum  Tode.  Rapid  geht  es  zum  Verderben,  wenn 
der  entzündliche  Infarct  der  Tonsillen  und  der  Gaumenschleim- 
haut zu  Gangrän  führt.  Diese  verräth  sich  durch  den  be- 
kannten brandigen  Geruch  des  Athems,  breitet  sich,  von  den 
Tonsillen  ausgehend,  sehr  rasch  über  die  Gaumensegel,  die 
Mimd-  vmd  Rachen -Nasenschleimhaut  aus  und  führt  unter 
Coma,  Convulsionen,  jauchigem  Ausfluss  aus  Nase  und  Mund, 
bis  zur  Undeutüchkeit  beschleunigtem  und  geschwächtem  Pulse 
zum  Tode.  Das  Exanthem  besteht  während  des  die  Gangrän 
begleitenden  intensiven  Fiebers  und  erblasst  erst  mit  dem 
Schwächerwerden  des  Pulses. 

Ein  andermal  ist  es  Diphtheritis  des  Rachens,  — 
Angina  diphtheritica  —  welche  die  Angina  verschlimmert. 
Die  schmutzig-gelben ,  fibrinösen  Auflagerungen  können  sich 
über  die  Rachenschleimhaut  und  durch  die  Choanen  auf  die 
ScEDJErDEß'sche  Schleimhaut  ausbreiten.  Doch  findet  oft  wieder 
Lösung  des  membranartig  auflagernden  Exsudates  statt.  Mehr 
Gefahr  bringt  die  auf  den  Kehlkopf  sich  ausbreitende  Diph- 
theritis—  Laryngitis  crouposa  —  welche  dutch SufFocation, 
hinzutretende  Pneumonie,  Gangrän  oder  Blutzersetzung,  oder 
selbst  nach  Lösung  des  Croup  durch  nachträgliche  plötzliche 
Nerven-  und  Gefässlähmung  dem  Leben  ein  Ende  bereitet. 

An  alle  diese  Afi'ectionen  schliesst  sich  regelmässig  be- 
deutendere Schwellung  oder  Entzündung  der  Unter- 
kiefer- und  Speicheldrüsen.  Zuweilen  steigert  sich  die- 
selbe zu  einer  ausgebreiteten  Entzündung  auch  des  umgebenden 
Bindegewebes.  Wangen-,  Kiefer-  und  Halsgegend  sind  von 
einer  derben  Geschwulst  besetzt,  welche  gegen  den  Kehlkopf 


Zwölfte  Vorlesung. 

dränft-t,  das  Oeffneu  des  Kiefers  umnöglicli  maclit.  Es  kommt 
regelmässig  .ur  Abscedirung  an  mehreren  Stellen,  mit  Nadi- 
lass  der  örtlichen  und  allgemeinen  Erscheini.ngen  und  mög- 
licher Heilung;  oder  zu  rasch  um  sich  gi;eifender  Grangran, 
welche  durch  Erschöpfung,  Fieberhöhe  oder  Arrosion  der 
grossen  Halsgefässe  und  tödtliche  Blutung  das  Leben  ver- 
nichtet- oder  es  bleibt  bei  sonst  günstigem  Verlaufe  eine  in- 
dolente' Geschwulst  noch  monatelang  fortbestehen.  _ 

Affectionen  des  Intestinaltractes,  durch  massige 
Diarrhoe  in  benignen  Fällen  sich  manifestirend,  können  durch 
Steio-erung  zu  croupöser  Enteritis  einen  deletären  Charakter 
annebnen,  unter  profusen,  blutig-schleimigen  Entleerungen, 
Meteorismus,  noch  während  des  Blüthestadiums  des  Exanthems 
raschen  VerfaU  der  Kräfte,  Temperatursabnahme  und  den  iod 

herbeiführen.  ,  p 

Otitis  catarrhalis  et  suppurativa  des  Mittelohres,  Tei- 
foration  des  TrommelfeUes  und  folgende  Anchylose  der  Gehor- 
knöchel,  auch  Entzündung  und  Caries  des  Warzenfortsatzes 
Hiit  complicirender  Phlebitis  und  Meningitis,  mit  schleppendem 
Verlaufe  oder  raschem,  deletärem  Ende  compHciren  mcht  selten 
den  Scharlach  schon  in  dessen  frühen  Stadien  oder  stellen  sich 

als  dessen  Folge  ein. 

UebeAaupt  ist  jede  Angina  scariatinosa  pai^nchymatosa, 

gangraenosa  oder  diphttaitica  die  QueUe  ^^^'^'^t^S 
Lnten  und  eine  ganze  Eeihe  nodi  zu  erwalinender  Compl  - 
"tionen,  namentUoh  Blutnngen,  Embolie,  Pya,n,e  nnd  meta- 

statiscber  Entzündungen  in  allen  ß^^''«"         ^^^"'"'p"  , 
Obne  noch  dureh  einen  besonders  loeahsn-ten  Prooess 
selbst  Angina  und  Exanthem  mcbt  ausgenommen  sich  gdtend 
gemacht  zu  haben,   oder  bei  Gegenwart  eines  b^noi 
fhagiseh  sich  gestaltenden  Exanthems  kann 
Contagium  der  Scariatina  gesetzte  »"«^^ 
funetiL  zerrütten,  indem  durch  dasselbe 
Blutzersetznng  bewirkt  wird.    Sie  ^^"f  *"*  , f  g^;" 
einem  Symptomeneomplex.  der  als  Scharlachtyphus,  Sear 

latina  typhosa,  -.septica,  haCmorrhagica  '^«f.^'f , 

Derselbe  wird  bezüglich  der  Intensität  seiner  Symptome 

nach  zwei  Graden  unterschieden  (Mayk,  Hebka). 

Im  ersten  Grade  macht  sieh  sogleich  beim  *™*; 

des  Fiebers  grosse  Muskelschwache  und  Eingenommenheit  des 


Scharlach. 


^09 


Kopfes  geltend.  Im  Stadium  eruptionis  steigern  sicli  die  Er- 
scheinungen des  G-ehirndruckes :  häiifiges  Erbrechen,  Delirien, 
Betäubung,  Coma,  Convulsionen,  erweiterte  Pupillen.  Alsbald 
stellt  sich  Bronchial-  und  Trachealrasseln  ein,  die  Zunge  ist 
roth  und  trocken,  der  Unterleib  meteoristisch,  die  Milz  massig 
gesehwellt,  Urin  spärlich.  Der  Puls,  sehr  frequent ,  wird 
schwächer,  die  Temperatur  sinkt  und  der  Tod  erfolgt  nach 
einem  Krankheitsverlauf  von  zwölf  Stunden  bis  fünf  Tagen. 

Das  Exanthem  erscheint  bei  raschem  Decursus  gar  nicht, 
sonst  unregelmässig  oder  urplötzlich  sehr  intensiv,  in  grossen, 
alsbald  livid  (oder  hämorrhagisch)  werdenden  Elecken. 

Im  zweiten  Grrade  des  Scharlachtyphus  sind  (nach 
Löschner)  die  Gehirndruckerscheinungen  massiger  und  ist  der 
ganze  Krankheitsverlauf  mehr  träge,  so  dass  auch  das  Exan- 
them sich  regelrecht  entwickelt,  oft  allerdings  mit  P  e  t  e  c  h  i  e  n 
und  Miliari  ab  laschen  gemengt.  Erst  später  steigern  sich 
die  Krankheitserscheinungen.  Es  tritt  Albuminurie,  Meteo- 
rismus und  Diarrhoe  hinzu  und  erfolgt  der  Tod  unter  Coma, 
verschwindendem  Pulse  und  Temperaturabnahme. 

Aus  den  in  solchen  Fällen  sich  ergebenden  Sections- 
befunden  sind  hervorzuheben:  G-raue  G-ranulationen  auf  den 
Meningen,  häufiger  nach  lentescirendem  Krankheit s verlaufe  zu 
beobachten,  Hyperämie  des  G-ehirnes,  der  Lujigen  und  der 
Eingeweide,  Schwellung  der  PEYER'schen  Plaques,  der 
Solitärdrüsen  des  Darmes  und  der  Drüsen  des  Mesen- 
teriums :  endlich  seröse  Ansammlung  in  den  Höhlen  der  serösen 
Häute. 

Nierenerkrankung  bildet  wohl  die  häufigste  Com- 
plication  des  Scharlach,  insoferne  in  den  meisten,  selbst  sonst 
normal  verlaufenden  Fällen,  schon  in  den  frühen  Stadien 
etwas  Eiweiss  und  Nierenepithel,  selbst  mit  Anzeichen  der 
Verfettung  sich  im  Urin  vorfindet  (Eisenschitz,  Steinee  u.  A.). 
Doch  fällt  die  vorwiegende  katarrhalische  und  parenchymatöse 
Nephritis  in  die  Periode  der  Abschiippung  und  der  späteren 
Zeit,  derart  eine  Eolgekrankheit  des  Scharlachs  darstellend. 
Durch  die  einer  solchen  Affection  innewohnende  Bedeutung 
kann  der  günstigst  verlaufende  FaU  von  Scharlach  noch  nach- 
träglich unglücklich  enden. 

Pneumonie,  desquamative  u^nd  croupöse,  letztere  be- 
sonders als  Fortsetzung  des  Croup  des  Larynx ,' Entzündung 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  -'■^ 


21Q  ZwöKte  Vorlesung. 

der  serösen  und  synovialen  Häute,  Pleuritis,  Perikarditis, 
Peritonitis,  Gelenksaffectionen  gehören  zu  den  selteneren  Com- 
plicationen.  Keratomalacie  tritt  im  Grefolge  der  septischen 
Scarlatina  und  Grangrän  auf.  Geringere  Bedeutung  haben  die 
seltener  auftretenden  Blutungen  aus  der  Nase,  Aphthen  des 
Mundes,  Vereiterung  einzelner  Unterkiefer-  und  Halsdrüsen, 
wofern  sie  eine  isolirte  Complication  des  normalen  Scharlachs 
darstellen. 

Als  Nachkrankheiten  des  Scharlach  werden  solche 
Erkrankungen  anzusehen  sein,  die  wohl  während  des  Bestandes 
des  Scharlachs  begonnen  haben,  aber  die  Abschuppungsperiode 
als  selbständige  Uebel  überdauern,  oder  gar  erst  nach  derselben 
zur  Entwicklung  gelangen,  aber  aus  den  der  Scarlatina  eigen- 
thümlichen  Veränderungen  des  Organismus  herzuleiten  sind. 

In  die  erste  Kategorie  gehören  andauernde  Ozoena,  als 
einfacher  chronischer  Nasenkatarrh,  oder  intensivere  Entzündung, 
die  zu  Geschwüren,  eitrigem  Ausfluss,  Caries  und  Necrose  der 
Muscheln  und  Nasenscheidewand,  Erysipel  und  selbst  Gangrän 
führen  kann ;  Otitis  mit  den  möglichen  Folgen,  als  Zerstörung 
wichtiger  Gebilde,  bleibender  Schwerhörigkeit  oder  Taubheit, 
selbst  letal   endigender  Caries;  Vergrösserung  der  Mandeln, 
chronischer  Darmkatarrh  und  consecutive  Störung  der  Ernährung, 
metastatische  AfPectionen  der  Gelenke  und   serösen  Häute, 
Entzündung  und  Vereiterung  der  Lymphdrüsen,  der  Haut  und 
des  subcutanen  Zellgewebes  an  den  verschiedensten  Körper- 
stellen.   Besonders  Parotis  und  Submaxillardrüsen  schwellen 
sehr  oft  in  indolenter  Weise  und  bilden  durch  Monate,  ein  bis 
zwei  Jahre  fortbestehende  Tumoren,  eben  so,  wie  Mumps,  die 
indolente  Schwellung    und  Infiltration    des  periglandulären 
Bindegewebes  in  der  Kieferfurche,  oft  nach  Scharlach  zurück- 
bleibt. Aus  aUen  diesen  AfPectionen  kann  sich  eine  chronische 
Ernährungsstörung  des  Organismus,   namentlich  Scrophulose, 
entwickeLa,  oder  selbst  ein  acuter,  letal  endigender  Process 
hervorgehen. 

Die  häufigste  und  gefürchteteste  Folgekrankheit  des 
Scharlachs  bleibt  jedoch  die  Nierenaffection,  welche  in 
seltenen  Fällen ,  sowie  in  früheren  Stadien ,  auch  später ,  als 
acuter  Morbus  Brightii  durch  Erscheinungen  der  Urämie  plötz- 
lichen Tod  herbeiführen  kann,  oder  später  und  in  allmäliger 
Entwicklung  bald  an  verschiedenen  KörpersteUen  wechselnd 


Scharlach. 


211 


auftanchenden,  bald  vorwiegend  auf  die  Unterextremitäteii 
beschränkten  Hydrops  Anasarca,  so  wie  Ascites  veranlassen 
kann.  Die  meisten  Fälle  mit  späterem  Hydrops  keilen  wieder, 
andere  führen  zu  erschwerenden  Complicationen,  oder  gar,  wie 
durch  Hydrocephalus  acutus,  Hydrothorax  und  Hydrocardiura, 
Glottisödeni  zum  Tode. 

Ich  habe  mich  mit  Rücksicht  auf  den  Plan  unserer 
Vorlesungen  darauf  beschränkt,  nur  die  Hauptmomente  der 
Complicationen  und  Folgezustände  des  Scharlachs  hervorzuheben. 
Aber  schon  das  Angeführte  wird  genügen,  um  den  schwanken- 
den \md  unbestimmbaren  Charakter  des  scarlatinösen  Processes, 
zugleich  dessen  Gefährlichkeit  Ihnen  zur  Ueberzeugung  zu 
bringen. 

Die  Prognose  kann  daher  bezüglich  der  Scarlatina 
nie  anders  als  zweifelhaft  lauten.  Ich  kenne  keine  hinterlistigere 
Krankheit  als  den  Scharlach.  Man  darf  ihr  gegenüber  niemals 
sich  in  Sicherheit  wiegen.  Jederzeit  und  in  jedem  Falle  kann 
man  von  den  gefährlichsten  Ziifällen  überrascht  werden.  Der 
normalst  sich  einleitende  und  mit  mässigen  und  typisch  sich 
gebenden  Symptomen  einhergehende  Fall  kann  plötzlich  durch 
Urämie,  Gehirnlähmung,  oder  irgend  eine  der  genannten  Com- 
plicationen mit  Tod  abbrechen,  oder  nach  vollendetem  gläck- 
lichen  Verlaufe  noch  durch  Folgekrankheiten  und  Metastasen 
entweder  sich  in  die  Länge  ziehen,   oder  '  noch  nachträglich, 
gefährlich  werden,   oder  selbst  letal  enden.    Der  Arzt  soll 
daher  unter  allen  Umständen  dem  Scharlach  gegenüber  sich 
skeptisch  verhalten,  auch  die  geringste  Complications-Erscheinung 
nicht  als  unwichtig  beachten  und  den  Patienten  nicht  für  ge- 
sund und  von  aller  Gefahr  befreit  erklären,   bevor  nicht  alle 
Symptome  des  Processes,  auch  die  über  die  Abschuppung  sich 
verlängernden,  vollkommen  beseitigt,  der  Urin  vollständig  frei 
von  Eiweiss  ist  und  die  Functionen  des  Organismus  durchwegs 
normal  geworden  sind. 

Insbesondere  ist  auf  den  Gang  des  Fiebers  und  des 
Exanthems  zu  achten.  Zu  hohes  Fieber  ist  immer  ein  bedenk- 
liches Zeichen,  noch  mehr  dessen  Complication  mit  bedeutenden 
Erregungs-  oder  Depressions  -  Erscheinungen  des  Gehirnes. 
Deutlich  und  zur  rechten  Zeit  entwickeltes  Exanthem ,  mit 
massigem  Fieber  und  katarrhalischer  Angina  gibt  den  besten 
Symptomen  -  Complex.    Pavenchymatöse  Angina,  Zcllgewebs- 

14* 


91^2  Zwölfte  Vorlesung. 

Entzündung  der  ßachensclileiraliaut  und  des  Halses  sind  sein- 
o-efalirliclie ;   Diplitlieritis ,   Croup,    Gangrän  fast  durcliwegs 
letal  endigende  Complicationen.    Das  plötzliclie  Verschwinden 
des  Exanthems   deutet    auf   intensive  Erkrankung  innerer 
Organe,   der  Lungen  oder  des  Gehirnes;  zögernder  Ausbruch 
desselben  bei  andauerndem  hochgradigem  Eieber  und  gleich- 
zeitigen kephaUschen  Symptomen  ist  ein  böses  Zeichen.  Scar- 
latina   variegata   ist   oft   von   hartnäckiger   Bronchitis  und 
Pneumonie  gefolgt.  Scarlatina  miliaris,  durch  Auftauchen  von 
Bläschen  auf  dem  schon  bestehenden  Exanthem  charakterisirt, 
deutet   auf    pyämische   Blutvergiftung.    Einzelne  Petechien, 
Nasenbluten  bei  sonst  massigen  Symptomen  sind  unbedenklich; 
dagegen  bei  hohem  Eieber,  Delirien,  Sopor,  Gangrän,  Vorboten 
allgemeiner  Blutdissolution.  _ 

Dem  Gang  der  Diurese  muss  von  Anbeginn  der  Er- 
krankuno-  grosse   Aufmerksamkeit  zugewendet,   der  Gehalt 
des  Harnes  an  Eiweiss  durch  tägliche  Untersuchung  controllirt 
werden.    Albuminurie  als  solche  ist  noch  kein  gefährliches 
Symptom.  Sie  fehlt  fast  niemals.  Aber  ihr  Nachweis  halt  die 
Gefahr  vor  Urämie  und  deren  möglichem  Ausgang  oder  nach- 
folgendem Hydrops  und  zögernder  Eeconvalescenz  stets  vor 
A,^xo-en    Diese  imd  jede  andere  Complication  muss  überdies 
lach  ihrem  pathologischen  Werthe  und  nach  ihren  möglichen 
Eolo-en  bemessen  und  zur  Orientiruiig  bezüglich  der  Prognose 
verwerthet  werden.    Dasselbe  gilt  für  die  Eolgeerschemungen 

lind  Nachkrankheiten.  •  .  n  ^  j 

Im  Uebrigen  bietet  auch  der  aHgememe  Charakter  der 
Epidemie  und  des  „Genius  epidemicus"  einigen  Anhalt  für  die 
Vorhersage.  Eine  gutartige  Scharlach-Epidemie  gibt  es  nach 
•dem  Ausspruche  erfahrener  Kinderärzte  überhaupt  nicht.  Doch 
zeichnen  sich  manche  durch  besonderen  ßeichthum  und  durch 
Gefährlichkeit  der  Complicationen  und  Folgekrankheiten  aus. 
•Gegen  Ende  der  Epidemie  sind  im  Allgemeinen  die  Erki-aiikungen 
o-utartiger.  Während  des  Vorherrschens  von  Croup,  TjT^hus, 
Dysenterie,  Cholera  sind  [auch  sporadische  Scharlachfälle  mehr 

zw  fürchten.  ,       .  ^ 

Endlich  sind  auch  die  individueUen  Verhaltnisse  des 
Alters,  der  allgemeinen  Constitution,  der  gelegentlichen  ander- 
weitigen Complication,  mit  bei  der  Vorhersage  zu  beruck- 
«ichtio-en,  abgesehen  natürlich  von  den  im  Krankheitsprocesse 


Sclinrlacli. 


liegenden  Momenten.  Jüngere  Individuen  sind  im  Allgemeinen 
melir  gelalirdet  als  reifere,  obgleich  auch  diese  eben  so  rasch 
hingerafft  werden  können.  Schlecht  genährte,  schlecht  gepflegte 
Personen,  von  häufiger  Augina  geplagte,  mit  infarcirten  Ton- 
sillen behaftete  lünder,  Wöchnerinnen,  Blattern-  oder  Typhus- 
kranke,  oder  Reconvalescenten  smd  durch  Scharlach  sehr  ge- 
fährdet. Ich  schliesse  diese  Andeutungen  mit  der  wiederholten 
Mahnung,  dass  der  Arzt  jedem  Scharlachfalle  gegenüber  zwar 
nicht  die  Umgebung  fortwährend  beängstigen,  sie  aber  auch 
keineswegs  in  HofPtiungssicherheit  wiegen  darf,,  bevor  nicht 
die  allerletzten  der  Complications  -  und  Folgesymptome  voll- 
ständig geschwunden  sind. 

lieber  die  anatomischen  Veränderungen  ist,  das 
Exanthem  bezüglich,  nichts  zu  sagen,  was  nicht  schon  aus  der 
klinischen  Erscheinung  desselben  zu  entnehmen  wäre:  Hyper- 
ämie mit  mässiger  Exsudation  in  den  normalen  Formen,  bei 
Knötchen  und  Bläschen  die  dieser  entsprechende  stärkere  Ex- 
sudation und  ZeUenvermehrung  innerhalb  der  Papillen  und 
dem  ßete,  bei  Petechien  freier  Blutaustritt  in  die  Papillen 
und  die  Cutis.  Li  cadavere  ist  die  Hyperämie  geschwunden. 
Die  in  der  Haut  und  in  anderen  Greweben  und  Organen  sonst 
vorfindlichen  pathologisch  -  anatomischen  Veränderungen  ent- 
sprechen den  jeweiligen,  im  klinischen  Verlaufe  vorgekommenen 
Erkrankungen  und  sind  zum  Theile  bei  deren  Besprechung 
bereits  erwähnt  worden. 

Die  Aetiologie  der  Scarlatina  ist  nicht  weiter  gediehen 
als  die  der  anderen  acuten  Exantheme.  Es  ist  zweifellos,  dass 
die  Ursache  der  Krankheit  in  einem  specifischen  Contagium 
gegeben  ist.  Durch  die  an  allen  Orten  und  für  die  meisten 
Fälle  von  Scharlacherkrankung  erwiesene  Gelegenheit  zur 
Ansteckung  von  einem  anderen  Scharlachkranken  ist  dargethan, 
dass  der  Process  nie  anders  als  durch  Contagion  entsteht. 
Dies  muss  daher  auch  für  solche  sporadische  Fälle  gelten, 
in  welchen  der  Nachweis  der  Ansteckungsquelle  nicht  gerade 
gegeben  werden  kann. 

Uebertragung  auf  Gresunde  durch  Ueberimpfung  von  Blut, 
Schuppen  imd  Secret  Scarlatinöser  ist  Einzelnen  gelungen, 
mit  dem  Effect  einer  oft  schweren  Allgemeinerkrankung,  wes- 
halb solche  Versuche  aufgegeben  worden  sind.  Andere  haben 
überhaupt  nicht  Haftung  erzielt.    Nur  Mtqcel  gibt  an,  einzig 


214 


Zwölfte  Vorlesung. 


Örtliche  Entzündung  und  Schutz  vor  weiterer  Ansteckung 
erlangt  zu  haben.  Im  Blute  von  Kaninchen,  die  durch  Ein- 
spritzung von  Blut  Scharlachlcranker  rasch  zum  Tode  gebracht 
wurden  (CosE  und  Feltz  u.  A.),  hat  man  reichlich  Bacterien 
gefunden.  Es  steht  sehr  in  Frage,  ob  diese  mit  dem  Contagium 
des  Scharlachs  etwas  gemein  haben. 

Das  Scharlach  -  Contagium  ist  flüchtig  und  erfüllt  die 
Athmungssphäre  der  Scharlachkranken.  Es  ist  ferners  in  dem 
Blute,  wahrscheinlich  auch  den  Abschuppungs-  und  Excretions- 
stofFen  der  Kranken  enthalten  und  haftet  auch  an  Gregen- 
ständen  und  Geräthen,  mit  denen  es  auf  weite  Entfernungen 
verschleppt  werden  kann.  Einathmeu  der  contagiumgeschwän- 
gerten  Luft,  wie  die  directe  Berührung  des  Kranken  und 
seiner  Secrete,  so  wie  der  Verkehr  mit  den  Personen  und 
Dingen,  die  das  Contagium  an  sich  zu  heften  vermochten,  kann 
die  Ansteckung  ermöglichen.  lieber  die  grosse  Lebensdauer 
des  Scharlach-Contagiums ,  seine  Tenacität  gegen  Zeit  und 
Ortsveränderung ,  hohe  Kälte  und  Hitze  und  Witterungs- 
äuderungen  liegen  die  sonderbarsten,  vielfach  sehr  beglaubig- 
ten Angaben  vor.  Darnach  ist  die  Krankheit  durch  gesunde 
Mittelspersonen ,  oder  von  Scharlachkranken  oder  ihrer  Um- 
gebung herrührende  Gregenstände ,  Kleider ,  selbst  Briefe  viele 
Meilen  weit  verschleppt  worden ;  oder  sind  Personen  an 
Scharlach  erkrankt,  die  ein'  seit  Monaten  von  einem  Scharlach- 
kranken verlassenes  und  seither  gründlich  gereinigtes  Zimmer 
bezogen  haben. 

Das  Contagium  scheint  nicht  im  Prodromalstadiutu,  wohl 
aber  zur  Eruptionszeit  von  dem  Kranken  ausgehaucht  zu 
werden.  Daher  bleiben  Kinder,  die  zu  jener  frühen  Periode 
von  ihrem  erkrankten  G-eschwister  entfernt  wurden,  meist  ver- 
schont. Dagegen  dauert  die  Ansteckungsfähigkeit  Scarlatinöser 
länger  als  die  Morbillöser,  wie  manche  Fälle  annehmen  lassen, 
sogar  noch  einige  Zeit  nach  vollendeter  Desquamation,  wofern 
noch  Folgezustände,  z,  B.  Hydrops,  zugegen  sind. 

Die  Disposition  für  das  Scharlach-Contagium  ist  all- 
gemein geringer ,  als  für  das'^der  Masern.  Daher  erkranken 
meist  in  einer  Familie  nur  einzelne  Mitglieder,  höclist  selten 
alle  Kinder.  Vom  2. — 7.  Lebensjahre  scheint  die  Disposition 
zur  Erlvrankiing  am  grössten.  Doch  ist  mit  Ausnahme  etwa 
des  Greisenalters  kein  Lebensalter  vor  Scharlach  gefeit.  Ob 


Scliarlacli. 


115 


die  Affectiou  aucli  im  Mutterleib  acquirirt  und    zur  Welt 
gebracht  werden  kann,  ist  niclit  entschieden. 

Einmal  vom  Scharlach  Absolvirte  scheinen  für  das  ganze 
Leben  vor  einer  neuen  Infection  geschützt  zu  sein.  Wenigstens, 
gehören  Beobachtungen  von  zweimaliger  Scarlatina  zu  den 
grössten  und  jederzeit  augezweifelten  Seltenheiten. 

Das  häufigere  Vorkommen  der  Scarlatina  ist  sporadisch. 
In  grossen  Städten,  wie  bei  uns,  mangelt  es  nie  an  solcher. 
Manche  halten  dafür,  dass  Diphtheritis  und  Scharlach  zu  ein- 
ander in  Wechselbeziehung  stehen.  Durch  engeres  Aneinander- 
schliessen  von  Einzelfällen  und  damit  vermehrte  Gelegenheit 
zu  weiterer  Ansteckung  entstehen  in  grösseren  Städten  alle 

3  4  Jahre  Epidemien  von  Scharlach.    Sie   erreichen  jedoch 

niemals  eine  solche  Maximalgrösse  wie  Masernepidemien. 
Schwankende  Entwicklung  und  zögerndes  Erlöschen,  längeres 
Verweilen  auf  ihrem  Maximum  sind  den  Scharlachepidemien 
eigen  (Thomas).  Sie  unterscheiden  sich  als  mehr  gutartige, 
oder  durch  besondere  Complicationen  und  Verlaufsweiseu 
charakteristische  \mi  bösartige.  In  entlegeneren  Bevölkerungen 
wird  die  Krankheit  gelegentlich  durch  Afficirte  oder  Recon- 
valescenten,  oder  auch  contagium-behaftete  Gregenstände  ver- 
sclileppt.  Sie  kann  da  wieder  sporadisch  bleiben,  oder  zur 
Epidemie  sich  entwickeln. 

Das  Mortalitätsverhältniss  varürt  zwischen  ö^/o 

20— 25°/o  der  Erkrankten,  je  nach  dem  mehr  gutartigen 
oder  perniciösen  Charakter  der  herrschenden  Epidemie. 
Schliesslich  bemerke  ich  noch,  dass  auch  bei  einzelnen  Haus- 
thieren  eine  für  Scharlach  imponirende  Krankheit  beobachtet 
worden  ist. 

Eür  die  Diagnose  des  typischen  Scharlachs  bietet  das 
charakteristische  Hautexanthem,  dessen  punktirte  Röthe  und 
Abgrenzung  gegen  das  Gesicht,  die  frühzeitige  Angina,  mit 
der  punktirten  E,öthe  des  Gaumens,  das  begleitende  Eieber 
und  die  nach  Abblassen  des  Exanthems  folgende  Desquamation 
sichere  Merkmale.  In  rudimentär  entwickelten,  oder  noch  vor 
Ausbruch  des  Exanthems  letal  endigenden  EäUen  wird  das 
Herrschen  einer  Scharlach-Epidemie,  oder  die  nachweisliche 
Gelegenheit  zur  Ansteckung,  und  in  nicht  geringem  Grade 
der  Nachweis  von  Albuminurie  zur  Diagnose  verhelfen,  wäh- 
rend andere  unklare  Erkrankungsformen,  wie  Scarlatina  siae 


216  Zwölfte  Vorlesung. 

exanthemate ,  durch  die  Angina  und  den  Genius  epideniicus, 
Scharlacli  mit  flüclitigem  Exantliem  durcli  die  deutliche  Des- 
quamation oder  gewisse  Folgekrankheiten,  wie  Mumps,  Hydrops 
—  neben  dem  Nachweis  der  Ansteckungs-Gelegenheit  —  sich 
zu  erkennen  geben. 

Morbillen  differenziren  sich  gegenüber  dem  Scharlach 
durch  die  Fleckenform  des  Exanthems,  dessen  Gegenwart  auch 
im  Gesichte,  und  die  katarrhalischen  Erscheinungen ;  Erytheme 
durch  die  Abwesenheit  von  Angina  und  geringes  oder  mangehi- 
des  Fieber. 

Bei  Puerperen  kommt  eine  in  der  Eegel  letal  verlaufende 
Affection  vor,  welche  als  Scarlatina  puerperalis  (Helm, 
1837)  bekannt  ist.    Sie  ist  nicht  mit  Scarlatina  in  Puer- 
pera  zu  verwechseln.    Letztere  bedeutet  Scharlach  bei  einer 
Wöchnerin,  erstere  ein  zumeist  auf  den  Unterleib  beschränktes, 
zuweilen  auch  auf  anderen  Körperstellen  localisirtes,  oder  selbst 
universelles  Erythem,   charakterisirt  durch  diffuse,  lebhafte 
bis  dunkle  Scharlach-Röthe ,  Hitze  der  Haut,  namentüch  der 
Bauchdecke,    die    oft   gleichzeitig  mit  zahbeichen,  miliaren 
Bläschen  besetzt  ist.  Zumeist  ist  Schmerzhaftigkeit  des  Uterus, 
spärlicher  und  übelriechender  Lochialduss  und  typhoider  Zu- 
stand mit  hohem  Fieber,  trockener  Ziuige  vorhanden.  Das 
Erythem    ist   der  Ausdruck  eines  von  Metrophlebitis  aus- 
gehenden pyämischen  Processes  und  durch  obige  Charaktere 
leicht  von  Scharlach  zu  unterscheiden.  Er  endigt  meist  mit  Tod. 
In  cadavere  sind  oft  noch  die  Bläschen  erhalten,  oder  dui-ch 
punktförmige  Abschülferung  bezeichnet. 

Die  Therapie  des  Scharlachs  möglichst  wirksam  zu 
gestalten,  ist  von  jeher  das  Streben  der  Aerzte  gewesen,  was 
in  Anbetracht  der  grossen  Gefährlichkeit  der  Krankheit  nur 
erklärlich  ist.  Leider  gebricht  es  uns  noch  bis  an  den  heutigen 
Tag  an  Mitteln,  welche  die  Wirksamkeit  des  von  den  Scharlach- 
kranken emanirenden,  oder  des  in  den  Organismus  bereits ^  ein- 
gedrungenen Contagiums  zu  paralysiren  vermöchten.  Diejenigen, 
welche  die  mycotische  Natur  des  Scharlach-Contagiums,  sowie 
das  der  meisten  Lifectionskrankheiten,  als  bereits  erwiesen  an- 
nehmen, mögen  immerhin  glauben,  durch  innerliche  Darreichung 
von  salycüsaurem  oder  borsaurem  Natron,  Carbolsäure,  Chlor- 
wasser etc.  demselben  innerhalb  des  Organismus  begegnen  zu 
können.    Thatsache  ist,  dass  es  bis  jetzt  weder  durch  diese 


Scharlach. 


217 


Mittel ,  nocli  cTurcli  die  früher  gebräuchlich  gewesenen  Mineral- 
säui-en  gelungen  ist,  den  Ausbruch  des  Scharlachs  zu  verhüten, 
sobald  dessen  Contagium  aufgenommen  worden  ist. 

Deshalb  besteht  die  erste  Indication  für  die  Behandluiag 
in  der  P  r  0  p  h  y  1  a X  i  s,  der  subjectiven  und  objectiven.  Unter  der 
ersteren  meine  ich  den  Schutz  des  noch  nicht  inficirten  Indi- 
viduums durch  dessen  rechtzeitige  und  vollständige  Isolirung 
von  der  Krankheitsquelle;  [unter  der  objectiven  Prophylaxis 
die  möglichste  Unschädlichmachung  des  Ansteckungsherdes, 
durch  dessen  Separirung,  durch  Desinfection  der  mit  dem 
Kranken  in  Contact  gestandenen  Räume  und  Greräthe. 

Gegen  die  Krankheit  selber  ist  nach  dem  Stande  der 
heutigen  Erfahrung  nur  eine  symptomatische  Behandlung 
am  Platze.  Es  ist  da  genug  Grelegenheit  für  den  Arzt  zum 
rationellen  und  erfolgreichen  Eingreifen.  Nicht  in  normal  ver- 
laufenden Fällen.  Da  ist  die  rein  exspectative  Methode  am 
besten.  Der  Kranke  werde  in  einem  fleissig  gelüfteten,  ge- 
räumigen Zimmer,  bei  14 — 15"  R.,  im  Bette  leicht  bedeckt 
gehalten ;  erhalte  fleissig  kühlende  Gretränke,  verdünnte  Eleisch- 
brühe,  Milch,  gekochtes  Obst ;  bei  belästigender  aber  gutartiger 
Angina  EispiUen,  Zuckereis  (Gefrornes)  zur  Erquickung,  ein 
GiTTgelwasser  zum  Spülen.  Reinhalten  des  Körpers  durch 
Waschen,  Wechseln  der  Leib-  und  Bettwäsche  ist  nur  wohlthätig. 

Der  Kranke  darf  erst  das  Bett  verlassen,  wenn  der  Puls 
bereits  durch  mehrere  Tage  normal,  die  Haut  weich  und  leicht 
transspirirend  sich  erweist.  Nach  Ablauf  der  Desquamation 
nehme  der  Kranke  ein  lauwarmes  Wannenbad  und  von  da  ab 
ein  solches  jeden  2.  bis  3.  Tag.  Erst  am  Ende  der  4.  bis  5. 
Woche,  nach  allseitig  beendeter  Abschuppung  und  wenn  keine 
Spur  von  Albuminurie  zu  finden,  kann  der  Reconvalescent  die 
freie  Luft  aufsiichen. 

In  allen  Fällen  von  hoher  Fiebertemperatur  und  allar- 
mirenden  Gehirnsymptomen  möchte  ich  der  vielfach  erprobten 
hydrotherapeutischen  Behandlung  das  Wort  reden.  Von 
dem  individuellen  Falle  und  dem  Ermessen  des  Arztes  mag  es 
weiter  abhängen,  inwieferne  dieselbe  in  Form  von  öfteren  lauen 
oder  kühlen  Halbbädern,  Abwaschungen  oder  Einhüllungen  etc. 
angewendet  wird.  Wenn  ich  auch  noch  der  methodischen  Speck- 
einreibvmgen  (nach  Schneemann)  hier  gedenke,  ist  es,  um  deren 
Nutzlosigkeit  zu  bemerken. 


218 


Zwölfto  Vorlesung. 


Ich  muss  es  mir  versagen,  auf  die  Mittel  und  Methoden 
einzugehen,  welche  gegen  das  grosse  Heer  der  complicirenden, 
allgemeinen  imd  örtlichen  Krankheitssymptome  angezeigt  und 
anwendbar  sind,  wie  die  excitirenden  hei  G-ehirndruck,  Collapsus ; 
die  Tonica  und  Opiate  gegen  Diarrhoe ;  Chinin,  Digitalis  gegen 
zu  hohes  Fieber  und  grosse  Pulsfrequenz ;  Ononis,  Kali  aceticum 
bei  spärlicher  Diurese ;  die  Verfahren  gegen  Diphtheritis,  Croup, 
Pneumonie,  Grangrän,  GrelenhsafFectionen  u.  s.  w.  u.  s.  w.  Alle 
diese  Atfectionen  werden,  auch  wenn  sie  dem  Symptomen-Cömplex 
des  Scharlachs  angehören,  nur  nach  den  Regeln  behandelt, 
welche  aus    der  speciellen   medicinischen  und  chirurgischen 
Pathologie  Ihnen  ohnedies  geläufig  sind. 

Ich  möchte  nur  als  ein  häufig  nach  Ablauf  des  Scharlachs 
zur  dermatologischen  Behandlung  kommendes  Uebel  die  durch 
Monate,  1—2  Jahre  bestehende  Intumescenz  der  Parotis  und 
der  Submaxillardrüsen  speciell  hervorheben.  Gegen  dieselbe 
habe  ich  die  Application  von  Emplastr.  hydrargyr.  pur,  oder 
cum  Empl.  cicutae  ää  part.  aequales  oft  von  überraschender 
Wirkung  gesehen.  Auch  Einpinselungen  von  Jodoformü  1,00 
ad  15,00  CoUod.  elasticum  wären  zu  versuchen. 


Dreizebnte  Yorlesung. 


Geschichte.    Variolation  und  Vaoeination.    Variolosis,  Varicella.  Typische 
Blattern,  Variola  vera.    Atypische  mit  günstigem  Verlaufe. 

Blattern,  Variola. 

Blattern,  Variola,  Pocken,  Petite  veröle,  Small- 
pox,  Vajuolo,  nennen  wir  "jene  acute  contagiöse  Krank- 
heit, welcke  sick  durch  eine  unter  Fieber  und  Ergriffen- 
sein des  Gresammtorganismus  auf  der  allgemeinen  Decke 
erscheinende  Eruption  von  Knötcken,  Bläschen 
und  Pusteln  und  typischen  V  erlauf  char akterisirt. 

Unter  den  acuten  Exantkemen  ist  Variola  patkologisck 
und  epideniiologisck  wohl  die  wichtigste.  Dieselbe  interessirt 
die  Dermatologie  noch  besonders  durch  dj.e  ausgesprochenen 
xmä  charakteristiscken  Veränderungen,  welcke  die  allgemeine 
Decke  bei  derselben  erfäkrt.  Das  Exanthem  bildet  zweifellos 
das  hervorragendste  Merkmal  des  Blatternprocesses.  An  das- 
selbe knüpfen  sich  die  entscheidenden  Merkmale  für  die 
Diagnose  und  Prognose.  Deshalb  findet  man  auch  allenthalben, 
wo  kein  besonderes  Pockenhospital  besteht,  die  Zuweisung  der 
Blatternkranken  an  die  dermatologischen  Sectionen  als  natur- 
gemäss.  Der  hiesigen  dermatologischen  Abtheilung  war  die 
Blatternstation  für  den  ganzen  Wiener  Eayon  bis  zum  Jahi-e 
187.3  einverleibt. 

Die  Geschichte  der  Blattern  zeugt  davon,  dass  Laien 
und  Aerzte,  Regierungen  und  Alle,  welche  das  sanitäre  "Wohl 
der  Menschheit  zu  berücksichtigen  berufen  sind,  zu  allen 
Zeiten  die  hohe  Wichtigkeit  dieser  Krankheit  gewürdigt  'und 
.  sich  bemüht  haben,  ihrer  verderblichen  Wirkung  zu  steuern. 
Manche  wichtigen  Fragen,  die  ihre  Pathologie  betrelFen  und 


220  üreissehute  Vorlesung. 

zum  Theile  noch  heute  ihrer  Erledigung  harren,  wurzehi  in 
historischen  Momenten.  Deshalb  dürfen  auch  Sie  nicht  ganz 
gleichgiltig  über  die  letzteren  hinweggehen. 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich  (Moore),  wenn  aiich  nicht 
gerade   doctimentirt ,  dass   die   Blatternkrankheit   schon  ein 
uraltes  Uebel  der  Völker  ist  und  von  dem  Osten  Asiens,  China 
and  Hindostan,  her  seinen  Weg  über  die  östlichen  Küsten- 
länder des  Mittelmeeres  nach  Europa  genommen  hat.  Grenauere 
geschichtliche  Angaben  über  Blatternseuchen  in  Arabien,  Klein- 
asien, Egypten  will  G-ekqoet  zuerst  im  Procopids  (544  n.  Chr.) 
finden.   Jedenfalls  muss  von  da  die  Krankheit  sehr  rasch  sich 
über  die  anderen  Küstenländer  des  Mittelnieeres  verbreitet 
haben.    Denn  nach  Hecker  hat  schon  im  Jahre  581  n.  Chr. 
Gregor  von  Tours  eine  über  den  ganzen  Süden  Europa's  ver- 
breitete  epidemische  Krankheit  beschrieben,    die  wohl  als 
Variola  angesehen  werden  darf.    Noch  deutlicher  lässt  sich 
Rhazes  (900  n.  Chr.)  über  die  Krankheit  vernehmen,  der  zu- 
gleich Aeusserungen  des  egyptischen  Arztes  Aheon  aus  dem 
G.  Jahrhundert  n.  Chr.  übermittelt.    Von  den  Arabern  in  un- 
bezweifelbarer  Weise  geschildert,  scheinen  die  Blattern,  nach 
einigen  im  British  Museum  zu  London  aufbewahrten  Manuscrip- 
ten  zu  schliessen,  auch  schon  vor  dem  Jahre  900  n.  Chr.  unter 
dem  Namen  Variola  (Diminutivum  von  Varus,  Knoten,  oder 
hergeleitet  von  aio).o?,  varus)  bekannt  gewesen  zu  sein,  obgleich 
die  Autorschaft  dieser  Bezeichnung  gemeiniglich  Constantlxüs 
Africaküs  (1087)  zugeschrieben  wird.    Der   deutsche  Name 
„Pocke"  bedeutet  „Beutel". 

Während  der  Kreuzzüge  trug  der  rege  Völkerverkehr  viel 
zur  Verbreitung  der  Krankheit  bei,  sowie  zu  der  allgemeinen 
Vorstellung  von  ihrer  grossen  Ansteckungsfähigkeit  und  Ge- 
fährlichkeit. Die  gegen  Ende  des  15.  Jahrhundertes  epide- 
misch erschienene  Syphilis,  mit  den  ihr  eigenthiünlichen 
Pustelausschlägen  auch  „Blatterkrankheit"  genannt,  wiu'de 
als  „grosse  Pocken" ,  „grande  veröle" ,  von  den  eigentlichen 
Pocken,  „petite  veröle",  „small  pox"  ,  unterschieden.  Im 
Gefolge  der  vom  Ende  des  15.  Jahrhundertes  ab  in  die  neu- 
entdeckten überseeischen  Erdstriche  einwandernden  Europäer 
Helten  auch  die  verheerenden  Blattern  mit  dem  gefürchteten 
schwarzen  Tod"  ihren  Einzug.  Nach  Millionen  zählten  ihre 
Opfer  während  einzelner  Epidemien  dies-  und  jenseits  des  ^^  elt- 


Blattern. 


221 


nieeres.  Zalilreiclie  Blatternliäuser  wurden  zur  Unterbringung 
und  Absonderung  der  von  der  Seucbe  Befallenen  errichtet  und 
die  Furclit  vor  Ansteckung  und  Tod  dtirch  dieselbe  erzeugte 
die  mannigfachsten  ,  im  Sinne  der  Neuzeit  selbst  inbuman  zu 
nennenden  Vorschriften  bezüglich  der  Blatternkranken,  wie 
beispielsweise  die  Yehme  jedes  einen  Blatternkranken  bergen- 
den Hauses  durch  einen  an  die  Thüre  des  letzteren  ange- 
brachten Aushängezettel. 

Wie  jeder  sanitätspolizeiliche  Fortschritt,  ging  auch  der 
wider  die  Blatternseuchen  geplante  zunächst  unvermerkt,  so- 
dann bewusst,  von  dem  genaueren  wissenschaftlichen  Yerständ- 
niss  der  Krankheit,  hier  von  der  sorgfältigeren  Pathologie 
der  Blattern  aus. 

Wieder  war  es  Sydenham,  der  in  den  letzten  Jahrzehnten 
des  17.  Jahrhxmdertes  über  die  Pathologie  der  Variola  werth- 
voUe  Arbeiten  veröffentlichte ,  während  zu  Beginn  und  im 
Laufe  des  18.  Jahrhundertes  Boerhave,  van  Swieten,  Cotogno, 
DE  PTakn,  Hoffmann,  Saövages  u.  v.  A.  den  Gegenstand  klinisch 
beleuchteten. 

Von  Wichtigkeit  war  zunächst  die  Thatsache ,  welche 
von  allen  Beobachtern  der  Blattern  constatirt  wurde,  dass 
manche  Epidemien  derselben  durch  vorwiegend  leichte,  mit 
geringer  Schädigung  der  Haut  verlaufende  und  in  Genesung 
endigende  Erkrankungen  gebildet  wurden ,   während  andere 
Epidemien  vorwaltend  schwere,  mit  intensiver  Zerstörung  der 
Haut  und  wichtiger  Organe  einhergehende  und  häufig  letal 
endigende  Fälle  aufwiesen.    So  hat  schon  Sydenham  die  Er- 
krankungen der  Epidemie  aus   den  Jahren  1667 — 1672  als 
Variolae  reguläres,  die  von  1674 — 1675  als  Variolae  anomales 
bezeichnet.    Da  man  zugleich  wusste,  dass,  wer  einmal  Blattern 
überstanden  hatte,  vor  einer  neuerlichen  Ansteckung  geschützt 
war,  so  lag  der  Gedanke  nahe,  zur  Zeit,  wo  leichte  Erkran- 
kungsformen vorherrschten,  die  bis  dahin  blatterfreien  Personen 
der  Ansteckung  direct  auszusetzen.    Man  konnte  so  darauf 
rechnen,  dieselben  zunächst  in  ungefährlicher  Weise  erkranken 
zu  sehen  xmd  weiters  vor  der  sonst  wahrscheinlichen  Gefahr 
zu  schützen,  während  einer  kommenden  bösartigen  Epidemie 
in  gefährlicher  Weise  zu  erkranken.  So  entstand  der  Gebraiich 
der  Impfung  mittels  Men  s  chenblattern ,   die  Va- 
riolation  oder  Inoculation. 


222 


Droizehiite  Vorlesung. 


Die  ersten  Anfänge  dieses  Grebrauches  sind  allerdings 
unbekannt.  Im  Orient  soll  er  nacli  Eimer  schon  im  11.  Jalir- 
bimderte  bestanden  haben  und  gewiss  ist  derselbe  von  da  aus 
verbreitet  worden.  Historisch  ist,  dass  die  Gemahlin  des  eng- 
lischen Gesandten  in  Constantinopel ,  Lady  Montague,  im  Jahre 
1717  daselbst  ihren  Sohn  und  1721  in  England  ihre  Tochter 
mit  Blatterninhalt  impfte.  Alsbald,  da  die  Herrscherfamilien 
mit  dem  Beispiele  vorangingen  ,  fand  die  Methode  der 
Blatternimpfung  auch  in  die  Länder  des  Continentes 
allenthalben  Eingang. 

Die  Wirkung  der  Blatternimpfung  bestand  darin,  dass 
zunächst  an  den  Impfstellen  am  3.-4.  Tage,  in  den  folgenden 
Tagen  auch  in  deren  Umgebung,  Knötchen  entstanden,  welche 
zu  Bläschen  und  Pusteln  sich  entwickelten,  und  dass  unter 
Eiebererscheinungen  am  10. — 11.  Tage  eine  allgemeine  Blattern- 
eruption erschien,  die  jedoch  im  Allgemeinen  milde  verlief. 
Obgleich  die  derart  Geimpften  selber  vor  neuerlicher  Er- 
krankung im  Allgemeinen  geschützt  waren,  so  konnte  doch 
die  Variolation  nicht  auf  die  Dauer  sich  erhalten.  Denn  es 
ist  klar,  dass  die  Variolisirten  selber  gerade  so  zur  Ver- 
breitung des  Blattern-Contagiums  und  zur  Entstehung  von 
Epidemien  beitrugen,  wie  zufällig  Erkrankte.  Deshalb  wurden 
bereits  gegen  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  an  einzelnen 
Orten  ,  und  später  allenthalben  die  Impfungen  mit  Menschen- 
blattern behördlich  auf's  Strengste  verboten. 

Man  konnte  um  so  leichteren  Herzens  die  Variolation 
aufgeben,  als  inzwischen  die  segensreiche  Impfung  mittelst 
Kuhpocken,  die  Vaccination,  durch  Jenner  in  London, 
im  Jahre  1798  zur  Geltung  gebracht  wurde.  Diese  erzeugte 
an  dem  Individuum  nur  örtHch  einige  Pusteln  und  keine 
Allgemeinerkrankung,  veranlasste  auch  keine  Ansteckung  auf 
Distanz  bei  anderen  Personen  und  schützte  dennoch  die  Ge- 
impften vor  der  gefürchteten  Variola.  Diese  glänzende  Wirkung 
sicherte  der  Vaccination  für  alle  Zukunft  die  Werthschätzung 
aller  Sachverständigen  und  iinbefangen  denkenden  Aerzte  und 
Laien. '  Sie  ist  heute  ein  werthvoll  gehegtes  Gemeingut  aller 
gebildeten  Staaten  und  Gemeinwesen  des  Erdrundes,  trotz  der 
Anwürfe  und  Verdächtigungen,  welche  von  berufener  und 
unberufener  Seite  zeitweilig  gegen  dieselbe  erhoben  werden. 

Ich  will  mich  hier  nicht  weiter  über  die  Kuhpocken- 


Blattorn. 


223 


iinpfung  ergehen,  da  icli  im  Capitel  der  Prophylaxis  gegen 
Blattern  noch  des  "Weiteren  über  dieselbe  sprechen  werde. 
Hier  rausste  ich  derselben  nur  im  Interesse  der  historischen 
Darstellung  gedenken  und  weil  die  Pathologie  der  Blattern 
zum  Theile  von  derselben  und  ihren  Folgen  beeinflusst  wurde. 

Nicht  Jenner  selbst,  wohl  aber  viele  seiner  Anhänger 
hegten  und  verbreiteten  nämlich  die  HofFnung,  dass  mit  der 
voUzogenen  Impfung  auch  die  Fähigkeit,  von  Blattern  ange- 
steckt zu  werden,  absolut  verloren  gehe.  Nun  zeigte  es  sich 
alsbald,  dass  einzelne  regelrecht  Geimpfte  denn  doch  nach 
etlichen  oder  langen  Jahren  von  Blattern,  wenn  auch  m  der 
Eegel  leichteren  Grades,  befallen  wurden.  Um  mm  die  Theorie 
zu  retten,  versuchte  man  vielfach  solche  Erkrankungen  nicht 
als  Blattern  gelten  zu  lassen.  Man  nannte  sie  Variolois, 
oder  Varicella.  Nach  und  nach  machte  man  sich  auch  mit 
dem  Gedanken  vertraut,  dass  auch  Geimpfte  an  Blattern 
erkranken  können.  Da  jedoch  die  Fälle  zumeist  gutartig  und 
von  den  bei  Nichtgeimpften  vorkommenden  ecliten  Blattern, 
Variola  vera,  in  manchen  Beziehungen  günstig  sich  unter- 
schieden, so  betrachtete  man  dieselben  als  durch  die  Impfung 
des  Befallenen  umgeänderte,  mitigirte  Blattern,  Variola 
modificata.  In  Wirklichkeit  verhält  es  sich  aber  so,  dass 
alle  diese  Formen  genetisch  und  pathologisch  ein  und  die- 
selbe Krankheit  darstellen,  dass  auch  Geimpfte,  wenn  auch 
viel  seltener  als  Ungeitnpfte,  an  Variola  vera  erkranken 
können,  dass  leichte  Variolois  und  Varicella  eines  Geimpften 
die  Quelle  abgeben  kann  für  schwere  Blattern  bei  einem  Ge- 
impften oder  Nichtgeimpften,  und  dass  schliesslich  auch  Nicht- 
geimpfte an  so  milden  Formen  erkranken  können,  wie  solche 
bei  Geimpften  in  deren  Erkrankungsfalle  zur  Regel  gehören. 

Die  Vario]_o^is_betrefFend  sind  alle_ Meinungen  überein- 
stimmend. Man  nennt  so  Variola  milderen  Grades,  gleichgiltig, 
ob  sie  an  einem  geimpften  oder  nicht  geimpften  Lidividuum 
sich  vorfindet. 

Bezüglich  der  Varicella  gehen  jedoch  die  Ansichten 
der  Aerzte  auch  heutzutage  noch  aiiseinander.  Schon  vor 
Einführung  der  Impfung  war  dieselbe  als  Varicella,  Variolae 
spuriae,  "Wasserpocken,  chicken  pox  etc.  bekannt  (de  H.a.en) 
und  seit  dem  vorigen  Jahrhunderte  vielfach  (Heberdeen, 
Thomson,  Diemerbröck,  Heim,  "Willan,  Hesse  u.  v.  A.)  erörtert 


224  Dreisnelmte  Vorlesung. 

lind  bald  als  identiscli  mit  den  Blattern  (Thomson),  bald  als 
eine  durch  die  Impfung  modificirte  Blatternform,  bald  als  von 
Variola  vollkommen  verschiedene  Krankheit  hingestellt.  Es 
ist  ganz  unmöglich ,  aus  dem  älteren  literarischen  Materials  ein 
entscheidendes  Urtheil  zu  schöpfen,  so  widersprechend  lauten  die 
dort  niedergelegten  Daten.  Eisenschitz,  der  neuerlich  dieselben 
in  der  objectivsten  Weise  neben  einander  gestellt  hat,  ist  doch 
zu  Schlussfolgerungen  gelangt,  denen  weder  ich  noch  Ajidere 
(Kassowitz)   zustimmen    können.    Neben  Hesse,  Trousseau, 
Vetter  vertreten  namentlich  seit  den  60er  Jahren  viele  Kinder- 
ärzte,  Thomas,  Steiner,  Lothar  Meyer,  Gerhardt,  Hönti, 
Fleischmann,  Henoch  u.  v.  A.  mit  grosser  Wärme  die  Ansicht, 
dass  die  VariceUaei^^ 

KrankheirdiriTiiil_und  n^r  der  Kinder  vo_rstelle7~17en 
Motiven,   welche   diese  Autoren  für   die  ÄufstelTung  emer 
„specifischen"  oder  „echten"  Varicella  aufbringen,  haben  Hebra,  _ 
Kassowitz,  ich  u.  A.  sachliche  Gründe  entgegengestellt,  welche 
mir  gewichiig  g'enug  erscheinen,  um  die  Existenz  einer  von 
Blattern  vers^chiedenen  Varicella  in  Abrede  zu  stellen.  Eine 
besondere  Darlegung  jener  Gründe  muss  ich  mir  an  diesem 
Orte  versagen.    Hier  möge  es  genügen,  dass  ich,  wie  Hebra, 
nur  eine  Art  von_MatoakrajaiMi,  Variola  schlechtweg, 
kenne,  die  au!ch  nur  von  einem  Contagium  herstammt,  aber 
einmal  unter  einem  mehr  minder  schweren,  oder  selbst  letal 
endigenden  Symptomencomplexe  auftritt,  ein  andermal  als  un- 
bedeutendes Uebel  verläiift.   Hebra  hält  es  für  praktisch,  nach 
dem  In ten Sita ts grade  drei  Formen  der  Variola  aufzu- 
stellen: Variola  vera,  Variolois  und  Varicella,  doch 
immer  mit  der  Betomuag  ihrer  Identität  und  der  Thatsache, 
dass  aus  der  einen  Form  für  ein  anderes  Individuum  üe 
anderen  Formen  hervorgehen  können. 

Nicht  mehr  also,  denn  eiiaen  praktischen,  ziu'  gegen- 
seitigen Verständigung  über  den  aUgemeinen  Intensitätsgrad 
des  jeweiligen  Falles  dienlichen  Zweck  hat  Hebra  mit  der 
Aufstellung  dieser  drei  Variolaformen  verfolgt,  indem  er  cüe 
leichteste,  binnen  14  Tagen  oder  noch  kürzerer  Zeit  ablaufende 
Form  als  Varicella,  die  zwischen  der  3.-4.  Woche  endigende 
Variolois,  die  bis  Ende  der  vierten  Woche  und  darüber  dauernde 
als  Variola  vera  bezeichnet.  Ich  halte  aber  diese  oder  eme 
analoge  Eintheilung  auch  für  erspriesslich,  insolange  die  leichten, 


Blattern. 


225 


mit  vorwiegend  Bläsclien-Efflorescenzen  einliergelienden  Fälle 
von  einer  AnzaU  Aerzten  alsXai'icella  siü  generis  angesehen 
werden,  damit  es  nicht  in  Vergessenheit  gerathe^  dass  wir  inul 
mit  uns  viele  andere  Aerzte  diäse  Formen  ebenfalls  als  identisch 
mif  Variola  und  zu  ihr  gehörig  betrachten. 

Grellen  w  nun  zur  S  y  m p  t  o  m a t  o  1  o  g  i  e  der  B 1  a  1 1  e  r n  über. 

Wenn  Sie  viele  sehr  verdienstliche  Abhandliuigen  über 
Blattern  durchstudiren ,  wird  es  Ihnen  nur  schwer  gelingen, 
ein  einheitliches  Kraukheitsbild  der  Variola  aus  denselben  zu 
gewinnen  und   die   oft  bedeutenden   Abweichungen    in  der 
Symptomatologie  auszugleichen.   Der  Vorwurf  dieses  Mangels 
trifft  am  wenigsten  die  Autoren,  zumeist  nur  die  Krankheit 
selbst.    Ich,  der  ich  in  der  Lage  war,  als  Assistent  an  der 
hiesigen  Klinik,   innerhalb  sechs  aufeinander  folgender  Jahre 
an  4000  und  in  der  Folge  noch  ein  fünftes  Tausend  Blatternkranke 
zu  beobachten,  habe'  ein  voUes  Verständniss  für  die  Unver- 
meidlichkeit solcher  Differenzen  in   den  Anschauungen.  Es 
Avird  aber  bei  aU'  Denjenigen  fehlen,  die  zu  wenig  Blattern- 
kranke gesehen  haben.  Nicht  nur  bietet  jede  einzelne  Epidemie 
.die  grösste  Mannigfaltigkeit  der  FäUe  dar,   sondern  einzelne 
Symptome  präsentiren  sich  in  der  oder  jener  Epidemie  dieses 
oder  jenes  Jahres,  oder  Länderstriches  in  ganz  besonderer 
Weise.  Der  auf  ein  geringes  Beobachtungsmaterial  Besclu-änkte 
geräth  dann  leicht  in  die  Gefahr,  Zufälliges  als  charakteristisch 
aufzufassen  und  Einzelnes  überhaupt  nicht  richtig  zu  deuten, 
gerade  so,  wie  Derjenige,   der  seine  Blatternstudien  nur  in 
einer  einzigen  Epidemie  zu  machen  Grelegenheit  gehabt. 

Diese  Bemerkungen  schicke  ich  voraus  ,  um  Ihnen  be- 
greiflich zu  machen,  dass  jede  Schilderung  der  Blattern  nach 
streng  gegliederten  Einzelnformen  gar  leicht  den  Anstrich  des 
Schematischen  gewinnt.  In  der  Natur  gibt  es  derartige  scharfe 
Grenzen  nicht.  Von  den  leichtesten,  ungefährlichsten  Formen  gibt 
es  stetige  Uebergänge  zu  den  intensivsten  und  gefährlichsten. 

Zählt  man  die  beobachteten  Fälle  nach  Tausenden  und 
wägt  man  nach  einem  Durchschnitt  aus  so  Vielen  die  Symptome, 
so  kaim  man  die  Erkrankungen  doch  in  zwei  Gruppen  ab- 
theilen, in  typische,  normale,  Variolae  reguläres,  erethycae 
und  in  atypische,  Variolae  anomales,  wobei  es  in  beiden 
Gruppen  leichte,  ungefährliche,  schwere  und  letal  endigende 
Formen  gibt. 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  15 


226  Dreizehnte  Vorlesung. 

Für  die  Blattern  mit  normalem  Verlaufe  prä- 
tendiren  wir  die  deutliclie  Ausprägung  der  für  die  acuten 
Exantheme  geltenden  Stadien  durcli  die  ihnen  entsprechenden 
charakteristischen  Symptome,  und  unter  diesen  vor  Allem  die 
typische  Entwicklung  der  auf  der  Haut  erscheinenden  Blattern- 
Efflor  escenzen. 

Dies  triift  vor  Allem  zu  bei  den  meisten  Fällen  der  als 
Typus  der  Krankheit  hinzustellenden 

Variola  vera. 

Das  Stadium  incubationis,  vom  Tage  der  gele- 
gentlichen Ansteckung  an  gerechnet,  dauert  in  der  Eegel 
vierzehn  Tage,  zuweilen  etwas  länger,  bis  drei  Wochen,  häufiger 
etwas  kürzer,  10—12  Tage  und  verläuft  bei  vollständigem 
Wohlbefinden  des  Betroffenen.  Gegen  Ende  desselben  macht 
sich  bei  Einzelnen  Unbehagen,  Mattigkeit",  verringerte  Esslust, 
unruhiger  Schlaf  geltend. 

Das  Stadium  prodromonum  beginnt  urplötzlich  mit 
einem  zumeist  in  den  Abendstunden  sich  einstellenden  Schüttel- 
frost. Das  so  eingeleitete  Fieber  ist  in  der  Regel  durch 
grosse  Intensität  der  Temperatur  (40— 41<'C.)  und  der  beglei- 
tenden Erscheinungen,  Erbrechen,  Kopfschmerz,  grosse  Unruhe, 
Delirien,  Convulsionen "  (bei  Kindern)  und  heftige  Kreuz- 
schmerzen gezeichnet.  Die  letzteren  sind  meist  so  heftig, 
dass  die  Kranken  sofort,  auch  oft  ohne  Befragen,  über  die- 
selben klagen  und  von  einer  Verletzung  oder  Entzündung  in 
der  Kreuzgegend  befallen  zu  sein  meinen.  Das  Symptom  ist, 
wenn  auch  nicht  gerade  pathognomonisch  für  die  kommenden 
Blattern,  so  doch  in  hohem  Grade  beachtenswerth.  Am  zweiten 
und  dritten  Tage  hält  das  Fieber  fast  gleichmässig  an,  indem 
Hitzegefühl  mit  Horribilationen  abwechseln  ,  oder  es  steigert 
sich  noch  einigermassen,  ebenso  wie  die  es  begleitenden  Symp- 
tome, namentlich  die  Kreuzschmerzen. 

Die  Schleimhaut  des  Gaumens  und  des  Eachens  erscheint 
oft  schon  da  diffus  oder  fleckig  geröthet ,  die  Tonsülen  ge- 
schwellt, durch  Schlingbeschwerden  die  Aufmerksamkeit  des 
Kranken  erregend.  Am  dritten  Tage  sieht  man,  wofern  später 
Efflorescenzen  daselbst  sich  bilden  werden,  da  und  dort  auf  der 
Schleimhaut  der  Mundhöhle  bereits  rotlie ,  erhabene  Knötchen. 
Ebenfalls  am  zweiten  oder  dritten  Tage  taucht  auf  der 


Bliittern. 


227 


allfemeinen  Decke  zuweilen,  also  durchaus  nicht  bei  allen 
Kranken,  ein  Exanthem  auf,  welches  als  Roseola  vario- 
losa,  Erythema  variolosuni  oder  Prodromalexan- 
them der  Pocken  bekannt  ist.  Schon  früher  von  verschiedenen 
Autoren  öfters  erwähnt  und  verschieden  gedeutet,  ist  es  zuerst 
von  Hebra  nach  seinen  vorwiegenden  Eigenschaften  genauer 
geschildert  und  als  der  Prodrome  der  Blattern  angehörig  fest- 
gestellt worden.  Ich  habe  dasselbe  in  allen  Jahrgängen  und 
iii  allen  Formen  beobachtet.  In  einzelnen  Epidemien  hat  es 
sich  besonders  häufig  und  mannigfach  geartet  erwiesen.  Unter 
solchen  Verhältnissen  ist  dasselbe  besonders  aus  der  Ham- 
burger Pockenepidemie  von  Th.  Simon,  Knecht  und  Lothar 
Meyer  in  den  letzten  Jahren  sehr  eingehend  geschüdert  worden. 

Es  erscheint  als  lebhaft-  bis  dunkelrothe,  unregelmässig 
gestaltete,  zuweilen  scharf  abgegrenzte,  flache,  manchmal  wenig 
vorspringende  Punkte,  Elecke  und  Streifen,  welche  unter  dem 
Fina'erdrucke  erblassen  und  selten  mässig  jucken  oder  brennen. 
Seine  Localisation  betrifft  zumeist  den  Leistenbug  und  die 
angrenzende  innere  Oberschenkelfläche  (Schenkeldreieck,  Sniox), 
die  Regio  pubica  und  hypogastrica,  die  Streckseiten  der  Knie- 
iTud  Ellbogengelenke,  der  Phalangen  ,  den  Eussrücken  (längs 
des  grossen  Zehenstreckers  ,  Simon)  ,  die  Achselfalten  rmd 
Schlüsselbeingegend,  die  seitlichen  Lendenpartien,  kann -aber 
auch  auf  jeder  beliebigen  Stelle  des  Stammes  xtnd  der  Extremi- 
täten sonst  noch  erscheinen. 

In  der  Schenkel -Leistengegend  und  der  Schamgegend, 
sowie  der  Achselhöhle  treten  im  Bereiche  der  erythematösen 
Elecke  öfters  punktförmige  bis  liiisengrosse,  dimkelrothe,  unter 
dem  Eingerdrucke  nicht  schwindende  Flecke,  Haemorrha- 
gien,  Petechien  auf,  welche  in  den  daratif  folgenden  Tagen 
die  bekannten  Farbenveränderungen  durch  grüne,  gelbe  und 
braune  Pigmentirung  eingehen. 

Das  Erythem  zeigt  sicli  an  vielen  Stellen  wandelbar,  an 
anderen  dauernder,  breitet  sich  auch,  aus  und  besteht  als 
Ganzes,  aUmälig  erblassend  \mi  ohne  Sckülferung  endend,  bis 
in  die  ersten  Tage  deä  Stadium  eruptionis,  selten  noch  länger. 
Alsdann  pflegen  auch  auf  demselben  miliäre  und  auch  grössere 
Bläschen  oder  Qiiaddeln  aufzutauchen. 

Im  Allgemeinen  findet  sich  das  Erythema  variolosum 
häufiger  bei  Individuen  jugendlichen  und  kräftigen  Alters,  bei 

15* 


228 


Dreizehnte  Vorlesunp;. 


weiblicheil  häufiger  als  bei  männlichen ;  bei  ersteren  namentlich 
als  petechiales ,  gewöhnlich  in  Gesellscliaft  mit  dnrch  die 
Krankheit  präcipitirter  ixnd  profuser  Menstruation, 

Weder  die  Intensität  der  oben  geschilderten  fieberhaften 
Erscheinimgen,  noch  Charakter  und  Ausdehnung  des  Prodromal - 
exanthems  gewähren  Anhaltspunkte  bezüglich   der  Intensität 
der  kommenden  Variola.    Es  ist  wahr,  dass  die  von  Erythem 
besetzt  gewesenen  Stellen,  namentlich  des  „Schenkeldreieckes", 
in  der  Regel  von  Blatternefflorescenzen  verschont  bleiben,  oder 
nur  von  wenigen  Blattern  besetzt  werden.  Das  hindert  nicht,, 
dass  .im  Uebrigen  die  Krankheit  recht  gefährlich  werden  kann. 
Eine  intensiv  dunkle  Röthung  der  ganzen  Bauchdecke,  wemi 
selbe  namentlich  bis  in  das  Eruptionsstadium  imvermindert 
fortbesteht  und  mit  sich  wiederholenden  Hämorrhagien  durch- 
setzt wird,  ist,  wie  bereits  Hebea  betont  hat,  ein  ominöses 
Symptom.    Von  dem  abgesehen ,   habe  ich ,   nach  meinen  Er- 
fahrungen,   das   Erythema   variolosum   stets   als  hoffnungs- 
volleres Zeichen  für  eine  mässige  Erkrankung  ansehen  dürfen. 

Nach  durchsclmittlich  dreitägigem,  selten  um  einen  Tag 
verzögertem  Prodrom  beginnt  das 

Stadium  ernptionis.  Auf  dem  Gesichte  und  behaarten 
Kopfe  zuerst  und  in  reichlicherem  Maase,   zögernder  nnd  in 
Nachschüben  auf  dem  Stamme  uird  den  Extremitäten,  Flach- 
hand und  Fnsssohle ,  tauchen  unter  Empfindung  von  Stechen,  . 
Druck  nnd  Schmerz,  stecknadelkopfgrosse  und  grössere,  lebhaft 
rothe,  konische,  derbe  Knötchen  auf,  Stippchen.  Am  Stamme 
zeigen  sich  einzelne  von  einem  fingernagelgrossen,  rosenrothen 
Hof  umgeben  —  hyp  erämischer  Halo.    Die  Knötchen 
bilden  sich  zumeist  um  die  Mündungen  der  HautfoUikel.  Be- 
steht auch  noch  ein  Prodromalexanthem,   so  begreift  sich  die 
täuschende  Aehnlichkeit  des  Exanthems  mit  Morbilli  papulosi. 
Die  Diagnose  ist  auch  an  diesem  Tage  unter  solchen  Um- 
ständen kaum  zu  machen. 

Mit  dem  Auftreten  der  Variolenstippchen  fallen  die 
Eiebersymptome  in  der  Regel  plötzKch  ab.  Sie  erhalten  sich 
aber  in  noch  immer  erheblichem  Grade,  wenn  inzwischen  die 
Blatternefflorescenzen  auf  der  Schleimhaut  des  Rachens  und 
Kehlkopfes  sich  iai  beträchtlicher  Menge  entwickelt  haben, 
oder  die  Stippchen  tief  sitzen,  zahlreich  und  dicht  gedrängt 
(als  Vorläufer  einer  Variola  confluens)  erscheinen. 


Blattern. 


229 


Mit  dem  Auftreten  der  Stippclien  entscheidet  sicli  ancli 
für  die  normalen  Blattern  die  allgemeine  Intensität  der 
Kranklieit.  Kommen  innerhalb  des  vierten  und  fünften  Tages 
nur  wenige  zum  Vorschein  und  hat  das  Fieber  fast  ganz  nach- 
gelassen, so  dürfte  der  ganze  Verlauf  der  Krankheit  am  12. 
bis  14.  Tage  sein  Ende  erreicht  haben  —  Varicella.  Treten 
dieselben  in  erheblicher  Menge,  aber  durchwegs,  namentlich 
aber  am  Stamme,  disseminirter  Weise  und  grosse  Hautstellen 
zwischen  sich  freilassend  auf,  so  wird  das  Exanthem  innerhalb 
der  dritten  Woche  vollständig  abgelaufen  sein  —  Variolois. 

In  den  Fällen  der  typischen  Variola  vera  vermehren 
sich  nun  am  ersten  und  zweiten  Tage  des  Stadium  eruptionis 
die  Knötchen,  immer  schmälere  HautinseLn  zwischen  sich  frei- 
lassend. Die  am  frühesten  aufgetauchten  Knötchen,  also  vor- 
weg die  im  Gresichte ,  sind  inzwischen  grösser  xmd  durch  An- 
sammlung eines  klaren,  serösen  Inhaltes  zu  durchscheinenden 
Bläschen  geworden.  Viele  derselben  zeigen  in  der  Mitte 
eine  seichte  Depression,  Delle.    Damit  hat  das 

Stadium  floritionis  begonnen,  das  vom  sechsten 
Krankheitstage  gereclinet  wird.  Innerhalb  dieser  Zeit  ist  das 
Fieber  sehr  mässig,  der  Puls  9G — 100,  und  iimwandeln  sich 
zunächst  die  meisten  Knötchen  zu  Bläschen.  Einzelne  Stippchen 
involviren  sich  in  jedem  Falle  als  solche. 

Vom  achten  und  neunten  Tage  ab  trübt  sich  der  Inhalt 
der  Bläschen  in  der  Reihenfolge  ihres  Alters,  also  zuerst  der 
im  G-esichte,  und  mit  dem  10.  bis  11.  Tage,  der  Ahme  des 
Processes,  beginnt  allenthalben  dasSuppurationsstadium. 
Die  Bläschen  bekommen  eiterigen  Inhalt,  sie  werden  zu 
Pusteln.  Dabei  füllen  sie  sich  stärker,  sie  wachsen  bis  zu 
Erbsengrösse  heran,  die  DeUe  gleicht  sich  aus,  die  Pusteln 
sind  voll,  prall,  ihre  Basis  erscheint  roth  umsäumt,  oft  von 
einem  grösseren  entzündlichen  Halo  iimgeben. 

Mit  der  beginnenden  Suppuration  steigert  sich  auch 
neuerdings  das  Fieber,  —  Eiternngsfieb er  —  und  die 
Reihe  der  subjectiven  Unannehmlichkeiten,  welche  hierin,  in 
den  Veränderungen  auf  der  Mund-Rachensclileimhaut ,  sowie 
in  der  Menge  der  in  der  Haut  sitzenden  Eiterherde  und 
der  sie  begleitenden  Entzündungserscheinungen  begründet  sind; 
als  vor  Allem  Schmerz-  und  Spannungs-Empfindung  in  der 
Haut,  Schlingbeschwerden,  Durst,  Schlaflosigkeit,  Wüst- 


230 


Dreizelmto  Vorlesung. 


sein  des  Kopfes  u.  v.  A.  Nicht  selten  werden  Kranke  ia 
diesem  Stadium  von  Fieber-Delirien  zu  Selbstmord-Handlungen, 
Aus-dem-Fensterspringen,  getrieben,  weshalb  sie  da  stets  über- 
wacht werden  müssen. 

Das  Gesicht  ehaes  gleichmässig  und  reichlich  mit  Blattern 
behafteten  Kranken  ist  gedunsen,  aufgetrieben,  seine  Augen- 
lider ödematös  und  geschlossen,  Nase  und  Lippen  verdickt, 
die  Unterlippe  durch  das  Grewicht  der  Pusteln  herabgezogen, 
der  Mund  offen,  speicheltriefend,  die  Nasenlöcher  von  Pusteln 
und  Krusten  verlegt,   die  Ohren  dick,  wulstig,   das  Antlitz 
derart,   selbst  des  Bestbekannten,   geradezu  unkenntlich  und 
wird  im  Allgemeinen  um  vieles  älter  geschätzt.    Die  Arme 
und  Hände  verdickt ,   liegen  schlaff  darnieder ;    sie  sind  zu 
schwer  geworden;  die  Finger  in  halber  Beugung.  Flachhand 
und  Fusssohle,  wo  die  Blattern  wegen  der  Mächtigkeit  der 
Epidermisdecke  nicht  emporgewölbt,  sondern  platt  gedrückt 
erscheinen ,  so  wie  auf  der  Kopfhaiit  ist  die  Empfindung  von 
Schmerz  und  Spannung  am  quälendsten. 

Die  Vertheilung  der  Blattern  ist  im  Allgemeinen  eine 
gleichmässige ,  am  spärlichsten  in  der  Regel  am  Unterleib. 
Stellenweise  sind  sie  zu  Haufen  näher  gerückt  (Variola 
Gorymbosa)  und  fehlen  dagegen  meist  sowohl  in  der  Area  der 
von  Erythem  besetzt  gewesenen  Haut,  wie  im  Schenkel- 
Leistendreieck,  auch  an  manchen  Körperstellen,  die  nach  der 
von  Voigt  dargestellten  Vertheilung  der  Hautnerven  inter- 
mediäre Zonen  darstellen,  wie  über  den  Grluteis  etc.  Am 
Stamme,  der  Schultergegend  sind  sie,  wie  schon  Hebea 
signalisirt,  in  parallelen  Reihen  angeordnet,  die  einerseits 
den  Langer' sehen  Spaltrichtungen,  andererseits  zugleich  dem 
Nervenverlaufe  entsprechen. 

Hautstellen,  welche  vor  der  Erkrankung  gereizt  worden, 
wie  durch  Sinapismen,  oder  längerem  Drucke  ausgesetzt  waren, 
wie  von  Bruch-  und  Tragbändern  etc.  sind  in  der  Regel  von 
auffallend  dicht  gedrängten  Blattern  besetzt,  offenbar,  weil 
sie  der  Sitz  von  zur  Hyperämie  und  Stauung  mehr  vor- 
bereiteten Hautgefässen  sind. 

Auf  der  Schleimhaut  der  nach  aussen  mündenden 
Körperhöhlen  erscheinen  gleichfalls  Pocken.  Ihre  Entwicklung 
schreitet  derjenigen  auf  der  allgemeinen  Decke  bedeutend  vor. 
Schon  gegen  Ende  des  Prodromalstadiums  kann  mau  häufig 


Blattern. 


231 


auf  dem  weichen  und  harten  Gaumen,  der  Zunge,  der  Wangen- 
und  Lippenschleimhaut,  den  Tonsillen,  am  Rachen,  rothe  Stipp- 
chen bemerken,  welche  sehr  bald  mit  einem  gratdichen  Häubchen 
bedeckt  erscheinen.  Schon  nach  wenigen  Tagen  fällt  dieses, 
d.  i.  die  durch  die  Wärme  und  den  Speichel  macerirte  Epithel- 
decke ,  ab  und  man  sieht  in  der  Mitte  der  Efflorescenz  ein 
Grübchen  mit  rothem  Grunde,  die  blossgelegte  oder  dünn  mit 
Epithel  belegte,  roth  injicirte  Schleimhaut.  Am  12.— 15.  Tage, 
nur  in  schweren  Fällen  später,  ist  auch  der  Rest  des  grauen 
Beleges  abgestossen  und  jede  Efflorescenzstelle  durch  neu- 
gebildetes Epithel  überhäutet,  ihre  Spur  erblasst.  Die  Menge 
der  Efflorescenzen  ist  meist  proportional  der  auf  der  all- 
o-emeinen  Decke.  Demgemäss  erscheint  oft  der  Zungenrücken 
dicht  von  denselben  besetzt.  Schmerzen  beim  Schlingen,  reich- 
liche Speichelsecretion,  Trockenheit  im  Halse  sind  ihre  Folge. 
Li  intensiven  Fällen  besetzen  dieselben  auch  reichlich  den 
Kehldeckel,  das  Lmere  des  Kehlkopfes  und  finden  sie  sich 
(bei  Sectionen)  auf  der  Schleimhaut  der  Trachea  und  bis  in 
die  Bronchien  2.  und  3.  Ordnung.  Dass  ihre  Gegenwart  hier 
Aphonie,  Glottisödem,  Gangrän,  Perichondritis  veranlassen 
kann,  erfährt  man  nur  in  schweren  Fällen.  Bei  Kindern  und 
Säuglingen  ist  schon  Variola  der  Mundschleimhaut  wegen  der 
behinderten  Ernährung  bedenklich.  Sonst  verlaiifen,  wie  gesagt, 
die  Efflorescenzen  hier  sehr  rasch  und  ohne  bedenkliche  ört- 
liche Complicationen. 

Im   Oesophagus   finden   sich  Blattern    oft    in  grosser 

Menge. 

Auf  der  Schleimhaut  der  Vulva  und  Vagina,  sowie 
des  Anfangsstückes  des  Mastdarmes  erscheinen  die  Pocken 
nur  spärlich  und  zögernd. 

Der  äussere  Gehörgang  ist  in  Fällen  von  Variola  vera 
bis  in  den  knöchernen  Theil  mit  Efflorescenzen  besetzt.  Der 
tiefste  Theil,  wie  das  Trommelfell  sind  wohl  immer  frei.  Das 
Gehör  ist  während  der  Zeit  kaum  merklich  abgestumpft. 

Von  den  äusseren  Gebilden  des  Auges  trägt  nebst 
der  Haut  der  Augenlider  auch  der  Augenlidrand,  ent- 
sprechend den  MEYBOM'schen  Drüsen,  Efflorescenzen.  Auf  der 
Schleimhaut  der  Augenlider  tauchen  nur  selten  welche  auf, 
die  auch  bald  macerirt  werden.  Auf  der  Conjunctiva  bulbi 
kommen  keine  Blattern  vor,  höchstens  einmal  ein  rasch  zer- 


232 


Dreizehnte  Vorlesung. 


fallendes  Pustelclien  am  Limbns,  besonders  bei  an  Conjunctivitis 
pustulosa  (Herpes  corneae,  v.  Stellwag)  schon  früber  leidenden 
lündern.  Was  von  den  bösartigen  .Augenerkrankungeji  bei 
Blattern  bekannt  ist,  bezieht  sich  auf  Compllcationen  und 
Folgezustände,  die  noch  zur  Sprache  kommen  werden. 

Das  Stadium  exsiccationis  beginnt  bei  massigeren 
Fällen  um  den  13.  Tag,  bei  intensiven  ein  bis  zwei  Tage 
später  lind  lauft  bei  ersteren  langsamer,  binnen  8 — 10  Tagen, 
bei  letzteren  zögernder,  binnen  10—14  Tagen,  ab.    Sein  Ein- 
tritt markirt  sieb  durch  Nachlass  des  Eiterungsfiebers.  Der 
Puls,  früher  zwischen  112—120,  fällt  binnen  1—1 V2  Tagen  auf 
96 — 80,  später  noch  unter  das  Normale  ab.  Schlaf  und  etwas 
Esslust  stellen  sich  ein.  Die  Blatternpusteln  sind  da  und  dort 
im  G-esichte  geborsten  und  von  gelben  Krusten  bedeckt.  Die 
übrigen,  zumeist  voll  dicken  eiterigen  Inhaltes,  sinken  zunächst 
an  der  Spitze  ein  (s  e  c  u  n  d  ä  r  e  D  e  1 1  e)  und  bilden  sodann  braune 
Borken,   das  Product  der  Eintrocknung  ihrer  Decke  samnit 
Inhalt.    Zugleich  schwillt  die  Haut  ab,  das  Gesicht  bekommt 
wieder  die  normalen  Contouren.  Die  Eintrocknung  der  Pusteln 
schreitet  in  den  folgenden  Tagen  rüstig  vor.    Vom  16.  Tage 
ab  lösen  sich  schon  viele  ab  und  hinterlassen  eine  seichte, 
platte,  weiss  glänzende  Depression.  Amiängsten,  3— 4 Wochen, 
bleiben  die  dunkelbraunen,   linsenförmigen,  und  in  der  Epi- 
dermis eingekapselten  Körper  in  der  Flachhand  und  Fusssohle 
liegen,  welche  durch  Eintrocknung  der  dort  situirten  Pusteln 
entstanden  sind.    Mit  Ausnahme  dieser  ist  im  Verlaufe  der 
vierten  Woche  allenthalben  die  Decrustation  vollendet,  der 
Kranke,  zu  Beginn  der  Desiccation  abgemagert,  und  nun  sich 
nährend,  nimmt  stetig  an  Körpergewicht  zu,  er  ist  hergestellt. 

Die  Blatternspuren,  theüs  weisse,  glänzende  (narbige), 
theils  seicht  deprimirte,  braune  oder  blaurothe  Flecke ,  bleiben 
jedenfaUs  viele  Monate  kenntlich.  Die  ersteren  persistiren 
zeitlebens,  die  letzteren  verschwinden  nach  Frist  von  vielen 
Monaten. 

Von  diesem  Typus  der  Variola  gibt  es  mannigfache  Ab- 
weichungen nach  den  verschiedensten  Richtungen.  Es  bleibt 
Jedem  unbenommen,  solche  Verschiedenheiten  als  Anomalien 
oder  Varianten  der  Blattern  oder  Variolae  irreguläres 
darzustellen.  Es  gibt  eben  keine  Epidemie,  wo  mcht  alle 
überhaupt  raöglicken  Formen  vorkämen,    und  zwar  gluck- 


Blattern. 


233 


lickerweise  gerade  die  im  günstigen  Sinne  von  dem  Typus  ab- 
weichenden als  Meln-zalil. 

Darum  will  icli  auch  unter  den  vom  Typus  abweichenden 
Vorkommnissen  vorerst  die  klinisch  günstigen  hervorheben. 

Die  Prodrome  selber  sind  durch  keinerlei  Symptome 
markirt.  Der  Kranke  zeigt  Variolen-Efflorescenzen  und  erinnert 
sich  kaum  unwohl  gewesen  zu  sein.  Mancher  stellt  sich  im 
Ambulatorium  wegen  vermeintlicher  Akne  vor  und  hört  erst 
da,  dass  er  Blattern  habe.  Viele  Efflorescenzen  sind  da  nie 
vorhanden ,  doch  gibt  es  solche  Fälle ,  wo  doch  das  Gresicht 
genügend  besetzt  ist,  später  auch  das  Eiterungsfieber  sich  noch 
gehörig  entwickelt ,  ja  unangenehme  Folgeerscheinungen  auf- 
treten können. 

Ein.  andermal  sind  die  Prodromalsymptome  ausserordent- 
lich stürmisch ,  bedeutendes  Prodromalexanthem  ,  am  4.  Tage 
Abfall  des  Fiebers  und  —  parturiunt  montes  ...  10  bis  20 
Stippchen ,  die  rasch  zu  Bläschen  oder  bis  bohnengrossen 
Blasen  sich  entwickeln ,  grösstentheils  als  solche  eintrocknen, 
nur  zum  Theile  pustulös  werden,  ohne  Eiterungsfieber  bei  an- 
daiierndem  Wohlsein  des  Befallenen  am  10.  bis  12.  Tage  ein- 
getrocknet sind,  repräsentiren  die  ganze  Variola,  Variola 
apyretica,  Varicella,  zumeist  bei  Kindern  und  geimpften 
Individuen  des  jugendlichen  und  reifen  Alters,  gewiss  oft  auch 
als  Pemphigus  acutus  diagnosticirt. 

Oder  Prodrome  wie  immer ,  Eruptionsstadium  typisch, 
enorm  zahlreiche  Stippchen ,  die  alle  zu  Bläschen  mit  und 
ohne  Delle  sich  entwickeln.  Am  9.  bis  10.  Tage  massiges 
Suppurationsfieber,  dann  plötzlich  allgemeine  und  gleichzeitige 
Vertrocknung  der  kleinen  Pusteln  und  Beendigung  der  De- 
crustation  am  14.  bis  15.  Tage.  Offenbar  kann  dies  nur  bei 
allgemein  oberflächlich  situirten  Pocken  stattfinden. 


I 


Vierzehnte  Yoiiesuug. 


Blattern  (Fortsetzung).  Ungünstige  Atypie  :  Variola  haemorrhagica, 
Variola  eonfluens.    Complieationen  und  Folgen  der  Blattern.  Anatonn.e. 

Ungleich  mannigfaclier  sind  die  Atypien  der  Variola  im 
ungünstigen  Sinne. 

Vor  allem  wäre  hier  der  bereits  im  Prodromalstadium 
und  im  Beginne  der  Eruption  als  funest  sich  darstellenden 
Variola  haemorrhagica  zu  gedenken. 

Variola  haemorrhagica, 

im  Volksmunde  als  schwarze  Blattern  bekannt,  ist  bei  Laien 
und  Aerzten  gleich  übel  berüchtigt. 

Nicht  jedesmal,  wenn  im  Verlaufe  des  Blatternprocesses 
Hämorrhagien  auftreten,  hat  man  auch  das  Recht,  von  Variola 
haemorrhagica  zu  sprechen  oder,  was  nach  dem  bisherigen  Usus 
damit  metonymisch,  einen  deletären  Verlauf  zu  erwarten. 

Es  ist  aber  geradezu  unmöglich,  die  Formen,  welche  als 
eigentliche  Variola  haemorrhagica  gelten  sollen,  demnach  meist 
deletär  verlaufen,  von  denjenigen  scharf  abzugrenzen,  bei 
welchen  die  Hämorrhagien  nur  ein  nebensächüches  Symptom 
darsteUen.  Es  finden  sich  nämlich  Uebergangsformen  zwischen 
den  absolut  letal  verlaufenden  hämorrhagischen  Blattern 
und  den,  wenn  ich  sagen  darf,  indifferenten  Hämorrhagien 

bei  Variolen. 

Die  Bedeutung  der  Hämorrhagien  im  Blatternprocesse 
ist  schon  verschieden,  je  nach  dem  Stadium  der  Erkrankung, 
in  welchem,  ixnd  je  nach  der  Oertlichkeit,  an  welcher  sie 
sich  zeigen. 


Blattern. 


235 


Die  Menge  der  liämorrliagisclien  Herde  bildet  jedenfalls 
das  wichtigste  Moment.  Demnäclist  der  Umstand,  inwiefern 
die  Hämorrhagien  in  einem  Schub  entstehen  oder  in  aufein- 
anderfolgenden Stessen  sich  vermehren.  Je  mehr  Hämorrhagien, 
je  eontinuirlicher  dieselben  sich  erneuern,  desto  mehr  stempeln 
sie  den  Fall  zu  einem  bösartigen,  i.  e.  zu  einer  Variola  hae- 
morrhagica.  Man  darf  aber  keineswegs  die  Hämorrhagien  als 
solche,  insoferne  sie  einen  mehr  minder  bedeutenden  Blutver- 
lust darstellen,  auch  als  nächste  Ursache  des  deletären  Ver- 
laufes, und  demnach  als  meritorisch  hervorragendstes  Symptom 
der  Variola  haemorrhagica  betrachten.  Die  Bkxtaustritte 
erweisen  sich  vielmehr  in  den  wahrhaft  bösen  Fällen  nur 
als  Folgeerscheinungen  der  d  e  s  t  r  u  c  t  i  v  e  n  Gr  e  s  a  ni  m  t- 
e  r  k  r  a  n  k  u  n  g. 

Fasst  man  die  Variola  haemorrhagica  in  diesem  Sinne 
auf,  so  können,  wie  ich  bereits  im  Jahre  1872  dargethan,  zu- 
nächst zwei  Tyjjen  derselben  aiifgestellt  werden. 

1.  Form  der  Variola  haemorrhagica,  Purpura  vario- 

losa. 

Durch  zwei  bis  drei  Tage  empfindet  der  Kranke  allge- 
meine Abgeschlagenheit,  Kopfschmerz,  Appetitlosigkeit,  Kreuz- 
schmerzen. Am  vierten  Tage  stellt  sich  heftiges  Fieber,  grosse 
Unruhe  und  ein  Exanthem  ein. 

Dieses  besteht  in  einer  D  unkelpur  pur  röthe,  welche 
beinahe  über  die  gesammte  Körperhaut,  Gresicht,  Hals,  Stamm, 
Unterleib ,  Extremitäten  fast  gleichmässig  ergossen  erscheint. 
Sie  schwindet  unter  dem  Fingerdrucke.  Die  Haut  ist  dabei 
heiss,  trocken ,  turgescirt.  Man  könnte  glauben ,  einen  inten- 
siven Fall  von  Scarlatina  vor  sich  zu  haben. 

Schon  die  gleichmässige  Tingirung  des  Dunkelpurpurs, 
das  wie  eine  in  die  Haut  ergossene  (diffundirte)  Tinte  sich 
darstellt,  und  dessen  gleichzeitige  Ausbreitung  über  das  Gre- 
sicht schützen  vor  dieser  Täuschung.  Noch  mehr  die  anderen 
begleitenden  Symptome.  Fieberhitze  und  Pulsfrequenz  sind 
bedeutend,  die  Cornea  ist  glänzend,  die  Pupille  verengt.  Der 
Kranke  wirft  sich  ungeberdig  im  Bette  iimher.  Die  Kreuz- 
schmerzen  haben  sich  bis  zu  einem  Grrade  entwickelt,  der 
den  Kranken  stöhnen  macht.  Beinahe  regelmässig  beklagt  er 
sich  vor  Allem  und  einzig  über  dieses  Symptom.  Alle  Ver- 
suche, es  zu  mildern,  sind  vergeblich.  Auch  heftige  Schmerzen 


23(3  Vierzehnte  Vorlosung. 

in  der  Magengrube,  Atliemnotli  ohne  objectiv  nacliweisbaren 
Grund  werden  von  Manchen  angegeben. 

Schon  um  diese  Zeit,  also  am  1.  Eruptionstage,  "ist  das 
Bewusstsein  einigermassen  alterirt.  Der  Kranke  antwortet 
zwar  prompt  auf  die  an  ihn  gerichteten  Fragen;  allein  er 
ignorirt  im  Uebrigen  Alles,  was  um  ilm  vorgeht.  Er  ist  wie 
in  sich  und  seinen  heftigen  Schmerz  verloren. 

Nun  treten  sehr  bald  Hämorrhagien  auf.  Am  frühesten 
in  der  Conjunctiva,  wo  sie  in  Gestalt  einer  dreieckigen  Ecchy- 
mosirung  einen  inneren  oder  äusseren  Augenwinkel  occupirt. 
Demnächst  auf  fler  allgemeinen  Decke,  zumeist  am  Stamme, 
auf  dem  IJnterleibe.    Hier  erscheinen  sie  als  stecknadelkopf- 
bis  linsengrosse,  schwarzblaue,  unter  dem  Eingerdrucke  nicht 
schwindende  Flecke  auf  dem  purpurrothen   Grunde.  Ueber 
ihnen  ist  die  Hautoberfläche  glatt  und  geschmeidig.  Sie  tauchen 
Anfangs  vereinzelt  und  ohne  alle  bestimmte  Anordnung  da  und 
dort,   zunächst  am  Stamme,   aber  auch  im  Gesichte,   an  den 
Extremitäten  auf.  Die  einzelnen  hämorrhagischen  Flecke  dehnen 
sich  sehr  rasch,  binnen  Stunden,  peripher  aus.  Sie  diffundiren 
gleichsam,  wie  Fetttropfen  in  Filtrirpapier.  Ein  linsengrosser, 
hämorrhagischer  Fleck  kann  binnen  wenigen  Sttmden  die  Grosse 
einer  Flachhand  erreicht  haben.    Dadurch,  sowie  durch  das 
Aufeinandertreffen  nachbarlicher  Flecke,  entstehen  ausgedehnte, 
schwarzblaue ,  den  Todtenflecken  vergleichbare  Verfärbungen. 
Auch  die  Zahl  der  neuen  Hämorrhagien  nimmt  rasch  zu. 
Allenthalben  auf  der  Haut  tauchen  frische  kleine  und  rasch 
peripher  sich  ausbreitende  Hämorrhagien  auf. 

Die  anderen  Gewebe  werden  schon  im  Yerlaiife  wemger 
Stunden  auf  ähnliche  Weise  von  Blutaustritten  betroffen.  Die 
Bindehaut  der  Bulbi,  schon  beim  Auftreten  der  Scharlachröthe 
in  den  Augenwinkeln  ecchymosirt,  wird  binnen  wenigen  Stunden 
fast  durchgehends  zu  einem  dunkelblaurothen  Wulste  infiltrirt, 
welcher  die  stark  glänzende  Cornea  wallartig  überragt.  Das 
Epithel  der  Schleimhaut  der  Lippen,  der  Zunge  trocknet  zu 
einer  schmutzig  braunrothen  Kruste  ein,  durch  welche  deren 
Beweglichkeit  gehemmt  wird.  Es  erfolgen  Einrisse  mit  freiem 
Blutaustritte,  hämorrhagische  SufFusionen  unter  dieselbe  und 
fleckenweise  Hämorrhagien  in  die  Schleimhaut  selbst.  Aus 
dem  Munde  strömt  ein  fötider  Geruch.  Die  Schleimhaut  des 
Gaumens  und  des  Rachens  ist  braunroth,  trocken,  rissig,  die 


0  Blattern. 


237 


Stimme  aplionisch,  das  Athraen  wird  rauh,  heiser.  Mit  dem 
zeitweiligen  Husten  räuspert  der  Kranke  von  hellrothen  Streifen 
oder  schwarzen  Blutgerinnseln  durchzogene  Sputa  hei-aus. 

Bisweilen  stellen  sich  blutige  Darmentleerungen,  bei 
AVeibern  Gebärmutterblutungen  ein. 

Der  Harn  ist  meist  zurückgehalten,  die  Blase  zeigt  sich 
bis  über  die  Symphyse  ausgedebnt.  Mit  dem  Katheter  wird 
ein  blutiger  Urin  entleert. 

Das  Bewusstsein  ist  bei  Mancben  bis  nahe  an's  Lebens- 
ende klar,  bei  den  Meisten  jedocli  scbon  bei  Ausbruch  der  Er- 
krankung insoferne  getrübt,  als  die  Kranken  erst  auf  Ansprache 
auf  ihre  Umgebung  achten.  Mit  dem  Fortschreiten  des  Pro- 
cesses  erlischt  das  Bewusstsein  vollständig.  Unter  diesen  Er- 
scheinungen wird  das  Athmen  scbwächer  und  unregelmässig, 
der  Puls  klein,  fadenförmig,  und  stellt  sich  unter  Hervortreten 
blutigen  Schaumes  aus  dem  Munde  der  Tod  ein. 

Dieser  im  ganzen  so  Symptomenreiche  Verlauf  geht  inner- 
halb 24  bis  36  Stunden  vor  sich.  Von  dem  Augenblicke  an, 
als  die  Purpura  variolosa  sich  erst  als  diiFuse  Rothe  einge- 
stellt hat,  ist  bereits  die  Diagnose  dieser  Eorm  der  „Variola 
haemorrhagica"  möglich,  und  damit  die  Prognose  des  absolut 
letalen  und  rapiden  Verlaufes  gestattet.  Von  Stunde  zu  Stunde 
schreiten  die  Hämorrhagien  und  die  Störung  des  Bewusstseins 
vor.  Es  ist  geradezu  unmöglich,  die  Symptome  über  Momente 
hinaus  zu  fixiren.  Mit  der  nächsten  kurzen  Zeitfrist  hat  sich 
die  Scenerie  bereits  im  scblechten  Sinne  geändert  und  so  rasch, 
wie  kaum  eine  andere  Allgemeinerkrankung,  hat  der  Tod  den 
Process  beendigt.  In  seltenen  Fällen  dehnt  sich,  der  Verlauf 
über  zwei  Tage  aus ,  so  dass  erst  später ,  aber  docb  längstens 
am  3.  Tage  von  der  Eruption  des  Exanthems  an  gerechnet, 
der  letale  Aiisgang  sich  einfindet. 

Bei  der  Section  finden  sich  kleinere  oder  ausgedehnte 
Hämorrhagien  beinahe  in  allen  Greweben  und  inneren  Organen : 
in  den  serösen  Häuten,  den  Muskeln,  dem 'Periost.,  den  paren- 
chymatösen Organen,  der  Leber,  den  Nieren,  zuweüen  auch  in 
den  Meningen ,  den  Nervenscheiden  etc.  Das  freie  Blut  im 
Herzen,  in  den  Venen  und  Parenchjonen  ist  schwarzroth,  dünn- 
flüssig, zwetschkenbrühartig. 

Berücksichtigt  man  den  eben  geschilderten  Symptomen- 
complex,  so  wird  es  verständlich,  dass  hie  und  da  ein  Zweifel 


238 


Vierzehnte  Vorlesung. 


darüber  sich  erhebt,  ob  derselbe  wirklich  dem  Blatternprocesse 
angehört  nnd  dessen  Auffassung  als  Variola  haeniorrhaglca 
gerechtfertigt  ist.  Es  findet  sich  ja  auf  der  ganzen  Haut 
nicht  die  geringste  Andeutung  einer  Blatternefflorescenz  oder 
auch  nur  eine  Anlage  zu  einer  solchen,  ein  Stippchen. 

Gegenüber  solchen  Bedenken  ist  zu  bemerken,   dass  die 
ätiologische  Beziehung  dieser  Erkrankung  zu  gewöhnlichen 
Formen  von  Blatternerkrankung  gar  nicht  selten  constatirt 
werden  kann.     Eine  Person,   welche  einen  an  gewöhnlicher 
Variola  oder  Variola  modificata  leidenden  Kranken  gepflegt 
hat,  erkrankt  nach  dem  ents])rechenden  Zeitintervall  an  Purpura 
variolosa.  Ein  drittes  Individuum,  welches  mit  dieser  letzteren 
Person  umgegangen  war,  erkrankt  an  gewöhnlicher  Variola, 
üeberdies  kommen  nicht  selten  Fälle  zur  Beobachtung,  in 
welchen  auch  klinisch  die  Identität  der  Variola  mit  dieser  Er- 
krankungsform sich  ergibt.     In  den  etwas  protrahirten ,  bis 
ziTm  3.  Tage  sich  hinziehenden  Fällen  von  Purpura  variolosa 
kommt  es  bisweilen  an  einzelnen  Hautstellen,  meist  der  Unter- 
extremitäten, zu  kleinen,  schlaffen,  flachen,   oft  selber  hämor- 
rhagischen oder  von  Hämorrhagi e  freien,  als  Blatternefflorescenzen 
erkennbaren  Eruptionen. 

Bei  dem  gewöhnlich  äusserst  rapiden  Verlaufe  der  Pur- 
pura variolosa  ist  allerdings  von  einer  Andeutung  wirklicher 
Variolenefflorescenzen  nichts  wahrzunehmen.  Es  ist  jedoch 
aus  dem  Verhalten  bei  protrahirten  Fällen  die  Annahme  ge- 
stattet, dass  der  rasch  eintretende  Tod  die  Entwicklung  einer 
jedweden  Efflorescenz  unmöglich  macht.  Man  hat  hier  im 
wahren  Sinne  eine,  wie  die  Alten  sagten,  „Variola  sine  varioKs". 

Nicht  minder  spricht  für  die  in  Rede  stehende  Identität 
das  häufigere  Vorkommen  der  Purpura  variolosa  während 
grösserer  Variolenepidemien. 

Im  G-anzen  kommt  die  Purpura  variolosa  selten  zur  Be- 
obachtung. Oft  vergehen  Jahre,  bevor  solch'  ein  unglücldicher 
Fall  gesehen  wird.  Ja  auch  bedeutendere  Epidemien  bieten 
nicht  immer  derartige  Formen  dar.  Vom  Jahre  1866  bis  1871 
war  die  Blatternepidemie  in  Wien  eigentHch  nie  erloschen. 
Unter  den  während  dieser  Zeit  auf  der  Blatternabtheilung 
des  allgemeinen  Krankenhauses  behandelten  4088  Blattern- 
fällen habe  ich  diese  Form  in  reiner  Entwicklung  nur  einmal 
gesehen.    In  derselben  Zeit  sind  mir  in  der  Privatpraxis  2 


Blattern. 


239 


exquisite  Fälle  vorgekommen,  während  im  Jahre  1874  unter 
209  Blatternkranken  der  Klinik  10  solche  Fälle  vorkamen.  Aehn- 
liches  ist  auch  anderswo  (Hamburg,  Dr.  Knecht)  beobachtet 
worden. 

Abgesehen  von  der  in  der  Bösartigkeit  mancher  Epidemie 
gelegenen  Ursache  können  wir,  namentlich  für  das  sporadische 
Vorkommen  der  Purpura  variolosa  keinerlei  Grund  auffinden. 

Die  Impfung  scheint  in  Rücksicht  auf  diese  Erkran- 
kungsform nicht  den  geringsten  Schutz  darzubieten.  Pur- 
pura A^ariolosa  findet  sich  bei  ihrer  absolut  geringen  Zahl 
so  oft  bei  Geimpften,  Revaccinirten  und  bei  Personen,  die 
bereits  Blattern  überstanden  haben ,  dass  dieser  Umstand 
geradezii  aufTällig  ist.  Auch  in  anderen,  sonst  massgebenden 
Verhältnissen  der  Individuen  finden  wir  keine  Aufklärung. 
Es  sind  nicht  etwa  alte,  decrepide,  kachectische ,  armselige, 
den  schlecht  genährten,  niederen  Volksclassen  angehörige  In- 
dividuen ,  sondern  meist  junge ,  blühende ,  im  Alter  zwischen 
20  bis  30  stehende ,  oft  in  den  besten  Verhältnissen  lebende 
Personen ,  die  der  Purpura  variolosa  zum  Opfer  fallen.  Wir 
befinden  uns  liier ,  wie  bei  dem  Versuche ,  den  bösen  Verlauf 
anderer  zymotischen  Krankheiten,  des  Typhus  exanthematicus, 
zu  erklären,  vor  einem  Räthsel,  das  wir  höchstens  mit  der 
Annahme  einer  besonderen  individiiellen  Disposition  decken, 
aber  nicht  lösen  können. 

2.  Form  der  Variola  ha em orrh agi c a. 

Die  Prodromalsymptome  gleichen  denen  der  ersteren 
Form  und  einer  jeden  bevorstehenden  intensiven  Variola. 
Am  Anerten  Tage  der  Erkrankung  werden  die  Erscheinungen 
stürmisch.  Eia  Prodromalexanthem  ist  vorhanden  oder 
fehlt.  Die  Kreuzschmerzen  sind  sehr  heftig.  Grosse 
Unruhe  des  Kranken ,  heisse  ,  trockene  Haut ,  fliegender  Puls. 
Im  Verlaufe  desselben  oder  des  nächsten  Tages  klagt  der 
Kranke  über  heftige  Schmerzen  in  den  Unter extr emitäten. 
Beim  Zu.f üblen  findet  sich  die  Haut  der  letzteren,  bisweilen 
auch  die  des  Unterleibes  bis  zur  Nabelgegend,  und  die  der 
Vorderarme  geschwellt,  dabei  bretthart,  kaiim  eindrückbar, 
beim  Druck  sehr  schmerzhaft,  und  für  den  über  sie  streichen- 
den Finger  fein-stumpfhöckerig. 

Mittelst  Tastens  und  der  Besichtigung  bei  guter  Be- 
leuchtung kommt  man  zu  dem  Urtheile ,  dass  die  Schwellung 


2ij.()  Vierzehnte  Vorlesung. 

und  Härte  der  Haut  durcli  kleine ,  harte ,  rundliche  und  nach 
oben   etwas  zugespitzte,   tief  im  Corium  sitzende  Knötchen 
veranlasst  ist,  die  in  Unzahl  und  hart  an  einander  gedrängt, 
und  in  gleichmässiger  Weise  überallhin  das  Hautgewebe  in- 
farciren.    Am   ersten  oder  zweiten  Tage  der  Eruption  er- 
scheinen erst  punktförmige,  anfangs  je  den  Conis  der  einzelnen 
Knötchen  entsprechende,   tiefsitzende,   durch  die  Epidermis 
durchscheinende,  schwarzblaue  Elecke  —  Hämorrhagien. 
Von  Stunde  zu  Stunde  mehrt  sich  ihre  Zahl,  während  auch 
die  einzelnen  durch  periphere  Ausbreitung  sich  vergrössern 
und  zu  confluirenden ,  ausgedehnten,  hämorrhagischen  Elecken 
werden.  Doch  bleiben  die  meisten  isolirt  und  höchstens  in  den 
Grenzen  der  einzelnen  knotigen  Hervorragungen.  Ja,  es  nekro- 
sirt  stellenweise  die  Haut  in  verschieden  grosser  Ausdehnung, 
nachdem  sie  hämorrhagisch  suffundirt  werden,  oder  von  vorn- 
herein, zu  einer  missf ärbigen ,  trockenen,  schwärzlichgrünen 
Masse. 

Die  Haut  des  Stammes  und  des  Gesichtes  kann  sich 
dabei  verschieden  verhalten.  Einmal  sieht  man  massig  viele, 
in  normaler  Weise  in  Entwicklung  begriffene,  oder  von  vorn- 
herein hämorrhagische  Efflorescenzen ;  ein  anderesmal  ohne 
diese,  oder  nebst  solchen,  auf  erythematösem  Grimde  auf- 
tauchende hämorrhagische,  sich  rasch  peripher  vergrössernde 
Flecke,  wie  bei  der  erst  geschilderten  Form. 

Inzwischen  haben  die  febrilen  Symptome  noch  an  Inten- 
sität zugenommen,  der  Puls  sehr  frequent,  die  Zunge  trocken, 
rissig.  Das  Bewusstseiu  wird  getrübt,  die  Delirien  und  Un- 
ruhe machen  einem  comatösen  Zustande  Platz,  welcher  all- 
mälig  in  Sopor  und  zum  Tode  führt.  Cüeschmann  scheint  mit 
seiner  V.  haemorrhagica  pustulosa  diese  Blatternform  zu 

meinen.  .  , 

Diese  Form  der  Variola  verläuft,  wenn  auch  nicht  so 
rapid  wie  die  erste,  doch  meist  innerhalb  2-3  Tagen,  kann 
aber  auch  bis  vier  Tage  sich  ausdehnen.  In  letzterem  Falle 
kommt  es  immer  zu  den  oben  erwähnten  deutlichen  Efflorescenz- 
bildungen  im  Gesichte  und  am  Stamme.  Ja  es  erheben  sioli 
auch  über  den  bretthart  infiltrirten  Partien  der  Unterextremi- 
täten einzelne  flache,  meist  hämorrhagische  Efflorescenzen. 
Sie  führt  aber  binnen  der  genannten  Frist  immer  zum  Tode. 
Unter  den  Svmptomen  fäUt  hier  besonders  die  grosse 


Blattern. 


241 


Menge  auf  eii^e  gewisse  Partie  der  allgemeinen  Decke,  der 
Unterextremitäten  und  des  Unterleibes  zvisammengedräugter 
Efflorescenzen  auf,  welche  schon  als  Stippchen  tief  gelagert 
lind  hart  an  einander  stossend ,  die  geschilderte  harte,  schmerz- 
hafte Lifarciriing  der  Haut  veranlassen.  Die  hier  örtlich  auf- 
tretenden Hämorrhagien  erscheinen  unter  diesen  Umständen 
•mehr  als  Effect  der  localen  Circulationsstörung  in  Eolge  der 
dichten  entzündlichen  Infiltration,  denn  als  Ausdruck  einer 
allgemeinen  Blutzersetzung. 

Wie  diese  Eorm  durch  die  Production  von  InitiaKormen 
der  Blattern- Efflorescenzen  den  typischen  Eormen  der  Blattern- 
krankheit sich  nähert,  so  schliesst  sie  sich  auch  nach  der 
anderen  Richtung  der  Purpura  variolosa  in  den  Eällen  an,  in 
welchen  am  Stamme  auf  efflorescenzfreier  Haut  sich  die  oben 
erwähnten  diffusen  Hämorrhagien  bilden. 

Diese  Form  der  Variola  haemorrhagica  kommt  nach 
meiner  Erfahrung  noch  seltener  vor,  als  die  Purpura  variolosa. 

Ihre  ätiologischen  Momente  scheinen  dagegen  nach 
einer  Richtung  klarer  als  die  der  Purpura  variolosa.  Sie 
findet  sich  immer  bei  Nichtgeimpften,  oder  bei  Personen, 
die  weit  ab  von  ihrer  Impfung  sich  .befinden,  das  ist  bei 
Personen  höheren  Alters. 

Sehen  wir  von  den  bisher  geschilderten  zwei  Formen 
der  Variolen-Erkrankung  ab,  welche  ich  wegen  des  zeitlichen 
Auftretens  und  der  Intensität  der  Hämorrhagien  und  des  ab- 
solut letalen  Verlaufes  -caT  s^opv  als  Variola  haemorrhagica 
bezeichnen  möchte,  so  kommen  noch  Hämorrhagien  unter 
sehr  mannigfachen  Umständen  bei  Variola  zur  Beobachtung. 

In  den  nun  zu  bezeichnenden  FäUen  treten  die  Hämor- 
rhagien nicht  allgemein  auf,  sondern  meist  nur  auf  die  ein- 
zelnen Variolen-Efflorescenzen  und  deren  nächste  Umgebung 
beschränkt. 

Sie  erscheinen  durchschnittlich  zwischen  dem  5.  bis 
11.  Krankheitstage  als  hämorrhagischer  Inhalt  der  entstehen- 
den oder  schon  entwickelten  Efflorescenzen,  und  als  hämor- 
rhagischer Erguss  in  die  Papillarschicht  und  das  Corium  des 
Grundes  und  der  Umgebung  der  einzelnen  Efflorescenzen. 
Die  betreffenden  hämorrhagischen  Efflorescenzen  sind  in  toto 
oder  nur  am  Rande  und  der  nächsten  Umgebung  dunkelroth 
bis  schwärzlich,  dabei  meist  schlaff",   flach,  kommen  nie  zu 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  16 


2^2  Vierzehnte  Vorlesung. 

praller  Füllung  und  trocknen  viel  rascher  ab,   als  zu  regel- 
mässiger Eiterung  kommende  Efflorescenzen. 

Viele  solche  Hämorrhagien  treten  schon  in  den  Stipp  chen 
auf,  und  insoferne  die  letzteren  sehr  häufig  den  Follikeln  ent- 
sprechen, hat  man  stellenweise  das  Bild  wie  bei  Acne  cachecti- 
corum.  Solche  Stippchen  entwickeln  sich  nicht  weiter  zu 
Variolen-Efflorescenzen ,  sondern  trocknen  als  solche  zu  einer 
schwarzen  Masse  ein ,  welche  nach  Abblätterung  der  sie  be- 
deckenden Epidermis  ausfällt.  Die  hämorrhagischen  Flecke 
sind  deshalb  disseminirt  und  differiren  blos  in  den  einzelnen 
Fällen  an  Zahl,  nicht  an  Intensität  und  Ausbreitung. 

Solche  Art  Hämorrhagien  finden  sich  fast  regelmässig 
bei  jeder  universellen,  confluirenden  Variola,  und  in  der  auf- 
fällig grössten  Zahl  im  Gesichte,  auf  dem  Rücken  und  an  den 
Unterschenkeln. 

Ihre  Ursachen  sind  aber  sehr  verschieden.  Insoferne 
confluirende    Variola    zumeist   bei   Nichtgeimpften  sich 
findet,   gehören  hämorrhagische  Efflorescenzen  auch  zumeist 
solchen  Individuen  an.    Manche  bösartige  Epidemien  zeichnen 
sich  durch  das  besonders  häufige  Auftreten  nicht  nur  der 
vorerwähnten  zwei  typischen  Formen  der  Variola  haemorrhagica 
aus,  sondern  auch  besonders  noch  durch    das  häufige  Er- 
scheinen von  Variola  confluens,  mit  und  ohne  Hämorrhagien, 
bei  Nicht-Greimpften.    Zudem  erscheinen  sie  fast  regelmässig 
bei   Potator  es.    Ferners    bei   aus   welch'   immer  Ursache 
cachectischen  Individuen,  bei  alten  Personen.  Endlich 
an  den  Unterschenkeln  bei  Personen,  die  varicöse  Venen 
haben,  oder  viel  gestanden  haben,  bei  welchen  alle  entzünd- 
lichen'Pro  cesse  und  Exantheme  mit  Pigmentablagerung  und 
Hämorrhagien  sich  gesellen.  In  aUen  diesen  Fällen  kann  man 
nicht  so  sehr  von  Variola  haemorrhagica ,  sondern  besser  von 
hämorrhagischen  Efflorescenzen  bei  Variola  sprechen. 

Der  Verlauf  ist  auch  gar  nicht  von  diesen  Hämorrhagien 
abhängig,  sondern  von  den  erwähnten,  sie  mit  bedingenden 
Umständen.  Die  Kranken  sind  gefährdet,  nicht  weü  sie 
Hämorrhagien  in  der  erwähnten  Form  zeigen ,  sondern  weil 
confluirende  Variola  an  und  für  sich  eine  gefährliche  Krank- 
heit darstellt,  weil  bei  Potatores  jedwede  fieberhafte  Krankheit, 
z.  B.  auch  eine  Pneumonie  caeteris  paribus  tödtlich  zu  ver- 
laufen pflegt. 


Blattern. 


243 


In  der  That,  je  geringfügiger  das  genannte  allgemeine 
Moment,  auf  welches  die  Hämorrhagie  sicli  mit  bezieht,  desto 
geringer  ist  die  Gefahr  überhaupt,  ob  mit,  ob  ohne  Hämor- 
rhagien.  Ein  Potator  ohne  Hämorrhagien  ist  durch  Variola 
immer  mehr  gefährdet,  als  ein  Bäcker,  der  nicht  Potator,  aber 
wegen  Varices  an  den  Unterextremitäten  Hämorrhagien  zeigt ; 
und  eine  confluirende  Variola  ohne  hämorrhagische  Efflores- 
cenzen  ist  immer  gefährlicher,  als  eine  massige,  mit  schlappen, 
theilweise  hämorrhagischen  Efflorescenzen  untermischte  Variola 
modificata  eines  Tuberculosen. 

Im  Allgemeinen  gilt  es  jedoch,  dass  je  grösser  die  Menge 
und  Intensität  der  Hämorrhagien,  diese  ein  desto  bedenk- 
licheres Symptom  darstellen,  sei  es  als  Ausdruck  der  Bös- 
artigkeit des  Contagiums  überhaupt,  sei  es  als  Symptom  eines 
in  der  Individualität  des  Kranken  gelegenen  Momentes.  Ab- 
solut letal  sind  aber  die  zuletzt  geschilderten  Formen  von  mit 
Hämorrhagien  gefüllten  Variolen  nicht,  sondern  die  Gefahr 
lieo-t  in  dem  Zusammentreffen  mehrerer  der  erwähnten  Momente 
und  steigert  sich  mit  der  Zahl  und  Intensität  der  letzteren. 

Die  allergeringste  Bedeutung  haben  jene  Hämor- 
rhagien, welche  als  Folge  der  localen  Steigerung  der  Hyper- 
ämie bei  dem  Prodromal -Erythem  der  Variola,  dem  Erythema 
variolosum,  auftreten,  wie  ich  bereits  besprochen  habe. 

Auf  der  Area,  welche  der  Sitz  solcher  Hämorrhagien 
geworden,  kommt  es  meist  zu  gar  keiner  oder  nur  zu  spär- 
licher Entwicklung  von  Blattern-Efflorescenzen. 

Die  Darstellung  der  Verhältnisse  ergibt  nebenher,  dass 
unter  allen  Umständen  auch  beim  Auftreten  von  Hämorrhagien 
der  klinische  Charakter  der  Variola  unverkennbar  sich  aus- 
prägt, und  dass  selbst  bei  der  Purpura  variolosa,  bei  welcher 
keine  Efflorescenzen  erscheinen,  die  Identität  des  Processes  mit 
Variola  klinisch  nnanf echtbar  ist. 

Ich  erwähne  hier  nochmals  dieses  Umstandes,  weil  es 
einmal  versucht  wurde,  vom  histologischen  Standpunkte 
der  Variola  haemorrhagica  eine  besondere  Stellung  zu  vindi- 
ciren  (Erisman).  Wenn  man  Hautstücke  von  Variola  hämor- 
rhagica verschiedener  Form  und  aus  verschiedenen  Stadien 
ihrer  Entwicklung  untersucht,  kann  man,  wie  auch  die  Unter- 
suchungen von  E.  Wagner,  0.  Wyss  und  Züelzer  lehren, 
sich  zur  Genüge  überzeugen ,   dass  die  Art  und  Weise  der 

16* 


2^4  Vierzehnte  Vorlesung. 

Efflorescenzbildung  bei  der  Variola  liaemorrhagica  in  gleicher 
Weise  vor  sich  geht,  wie  bei  der  gewöhnlichen  Variola.  Die 
Extravasation  von  rothen  Blutkörperchen  und  Blutserum  ist 
nicht  auf  die  Localisation  der  Efflorescenzen  beschränkt,  er- 
folgt oberflächHch,  in  den  Papülen,  und  tiefer  im  Corium, 
läno-s  der  Grefässe,  imd  stört  nur  die  Efflorescenzbildung  in 
dent  Masse,  als  sie  zugleich  auch  in  den  Bereich  der  Efflorescenz 
fällt,  oder  überhaupt  relativ  früh  sich  einstellt. 

'  "Während  die  geschilderten  Formen  der  Variola  haemor- 
rhagica  rücksichtlich  der  mangelnden  oder  mangelhaften  Ent- 
wicklung der  Pocken  und  indem  der  Krankheitspro cess  durch 
den  frühen  Eintritt  des  Todes  abgebrochen  wird,  gewisser- 
massen  zugleich  Abortivformen  der  Blattern  darstellen, 
zeigt  sich  eine  excessive  Bildung  von  Efflorescenzen  bei 
jener  Form,  welche  als 

Variola  confluens 

bekannt  ist. 

Dieselbe  wird  ra  der  ßegel  schon  durch  ein  stürmisches 
Prodromalstadium  eingeleitet.  Wenn  die  Symptome  der  Pro- 
drome unbedeutend  siad,  ist  Variola  confluens  wohl  nicht  zu 
befürchten.  Während  der  Eruption  der  Stippchen  fäUt  das 
Fieber  kaum  ab,  es  erhält  sich  in  beträchtlichem  Grade  wäh- 
rend der  Florition  und  steigert  sich  oft  zu  einem  typhösen 
Zustande  (Variola  typhosa)  mit  Delirien  oder  Stupor  und 
Coma  während  der  Suppuration. 

Die  Stippchen  sind  derber  als  sonst,  weü  ihre  entzünd- 
liche Basis  sehr  tief  im  PapiUarkörper  und  Corium  sitzt, ^  und 
erscheinen  in  so  grosser  Menge,  dass  sie  schon  während  ihrer 
Entwicklung  zu  Bläschen  durch  ihr  Breitenwachsthum  dicht 
aneinander  stossen.  Noch  mehr  drängen  dann  die  entwickelten 
Pusteln  aneinander.    Sie  bilden  stellenweise ,  namentlich  im 
Gesicht  und  an  den  Händen,  eine  confluirende ,   durch  die 
Spitzen  der  Pusteln  höckerig  gezeichnete,  derbe  Hervorragung 
über  der  Haut,  welche  überdies  durch  Entzündung  ihrer  tieteren 
Schichten  und  Oedem  in  toto  enorm  geschwellt  ist.    Die  Tu- 
mescenz  und  Spannung  des  Gesichtes,  der  Augenlider,  der 
Kopfhaut,  der  Hände  ist  auf's  Höchste  gediehen.    An  alleii 
diesen  Stellen,  ebenso  wie  am  Stamme,  können  die  Pustel- 
Flecken  so  dicht  aufeinander  treffen ,   dass  sie  zu  einer  con- 


Blattern. 


245 


tiiiuii-licben  Pusteldecke  verschmelzen,  welche  von  der  Masse 
des  Eiters  auf  grosse  Flächen  abgehoben  wird.  Das  Corium  liegt 
da  bloss  und  bedeckt  sich  bald  mit  einem  gelblichen  diphtheri- 
tischen  Beleg.  Oder  es  gangränescirt  selbst  die  Haut, 
streckenweise  in  eine  missfärbige  Pulpe  sich  verwandelnd,  in 
Folge  der  dichten  Entzündungs-Infiltration  der  Pustelgrnndlage. 
Dass  viele  Pusteln  hämorrhagischen  Inhalt  unter  solchen  Um- 
ständen bergen,  ist  schon  gesagt  worden. 

Auch  die  Menge  der  Blattern  auf  der  Schleimhaut  der 
Mund-,  Rachen-  und  Kehlkopfhöhle  ist  bei  Variola  conflnens 
stets  sehr  bedeutend.  Die  Zunge,  zuweilen  stark  geschwellt, 
(Grlossitis  variolosa),  presst  sich  gegen  die  Zähne  und  zeigt 
diphtheritisch  belegte  Quetschstellen.  Die  Stimme  ist  apho- 
nisch ,  das  Athmen  und  Schlingen  geht  mühsam  vor  sich. 
Schwer  stillbares  Erbrechen  hat  Cdeschmann  beobachtet.  Die 
Schleimhaut  des  Rachens,  des  Kehldeckels  und  Larynx  er- 
scheint trocken,  braunroth,  wie  gefirnisst.  Oder  es  entstehen 
diphtheritische  Greschwüre.  Perichondritis  laryngea  kommt  meist 
erstimDecrustationsstadium  vor.  Bronchialkatarrh  ist  bedeutend. 

Dem  ausserordentlich  in-  und  extensiven  Entzündungs- 
zustande der  allgemeinen  Decke  entsprechend ,  die ,  wie  ge- 
schildert, mit  vielen  hundert  tiefen  Pusteln,  also  eben  so  vielen 
Eiterherden  besetzt  und  überdies  vielleicht  streckenweise  noch 
von  diphtheritischer  Entzündung  oder  Grangrän  befallen  ist, 
sind  auch  die  allgemeinen  und  Fiebererscheinungen  höchst  in- 
tensiv. Zur  Suppurationszeit,  12.  bis  15.  Tag,  ist  das  Fieber 
continuirlich,  die  Kranken  deliriren  oder  liegen  im  Sopor,  aus 
dem  sie  erst  mit  dem  allgemeinen  Eintritt  der  Vertrocknung 
erwachen.  Sie  gehen  aber  oft  schon  früher  zu  Grrunde  an 
Lungenödem ,  Pleuropneumonie ,  Nervenparalyse ,  Suffocation 
wegen  Larynx-  und  Trachealcroup.  Auch  wenn  sie  bis  in  das 
Stadium  decrustationis  anlangen,  können  sie  noch  durch  meta- 
statische Entzündungen  der  Haut  und  anderer  Organe,  die  ich 
noch  erwähnen  werde,  und  durch  Erschöpfung  das  Leben  ein- 
büssen  oder  dauernde  nachtheilige  Folgen,  als  Larynxstricturen, 
Augendefecte,  Blindheit,  Anchylosen  u.  v.  A.  davontragen. 

Ueberdies  sind  Variola  vera  und  confluens  reich  an  sehr 
mannigfachen  Complicationen. 

Unter  diesen  erwähne  ich  vor  Allem  als  seltenere  Vor- 
kommnisse bei  Variola  (vera  und)  confluens  Aphasie,  Lähmung 


246 


Viorzehnto  Vorlosung. 


einzelner  Muskelgruppen,  Paraplegie,  welclie  ich,  Westphal 
u.  m.  A.  beobachtet  haben.  Im  Falle  die  Variola  überstanden 
worden,  schwanden  dieselben  entweder  mit  dem  Naclilass  der 
febrilen  und  Meningeal  -  Erscheinungen  oder  in  der  Recon- 
valescenz,  oder  sie  sind  noch  nach  Ablauf  der  Variola  zurück- 
geblieben. 

Albuminurie  und  Diarrhoe  sind  seltener  und  von  gerin- 
gerem Belang. 

Dagegen  sind  von  grösster  Wichtigkeit  die  bereits  ange- 
deuteten,  auf  der  Höhe  des  Suppurationsstadiums  sowie  im 
Verlaufe  der  Decrustation  eintretenden  Metastasen. 

Die  häufigsten  betreffen  die  Haut  und  das  Unterhaut- 
zellgewebe. Bis  zu  50,  100  und  darüber  bilden  sich  successive, 
iTnter  jedesmaliger  erneuerter  Fieberbewegung,  kleinere  und 
grössere  Abscesse,  Furunkel,  circumscripte  Entzündungen  mit 
Bildung  von  hämorrhagischen  Blasen  über  denselben.   Oder  es 
entsteht  um  einzelne  Pockenkrusten  ein  entzündlicher  Hof,  über 
welchem  die  Oberhaut  zu  einer  Eiterblase  emporgehoben  wird, 
die  die  centrale  Kruste  wallartig  umgibt  —  P  e  m  p  h  i  g  u  s  v  a  r  i  o- 
1 0  s  u  s  ,  Rupia  V  a  r  i  0 1 0  s  a.  Ein  andermal  entstehen  zmschen 
den  vertrocknenden  Variolen  auf  erysipelatös  oder  circumscript 
entzündeter   Haut  einfache  Pusteln   und  Furunkel  —  Impe- 
tigo variolosa.    Kaum  von  einzelnen  solchen  durch  Operation 
und  Heilung  befreit,  kündigt  ein  Schüttelfrost  eine  neuerliche 
metastatische  Localisation  an.  Trotz  sorgfältiger  Untersuchung 
ist  nichts  zu  entdecken.  Doch  schon  nach  12,  nach  24  Stunden 
zeigt  sich  an  einer  Körperstelle,  zumeist  über  dem  Knie  oder 
sonst  wo,  mässige  Rothe  der  Haut  und  unter  derselben  bereits 
Fluctuation.    Beim  Einschneiden  entleert  sich  eine  colossale 
Menge  jauchiger,  mit  nekrotischen  Glewebsfetzen  untermischter 
Flüssigkeit.    Nur  selten  ist  Nekrose  des  Knochens  die  Folge. 
Meist  heilen  alle  diese  Abscesse  und  Phlegmonen  wieder  sehr 
schnell.    Untermengt   laufen  Lymphangioitis  und  Erysipel, 
Adenitis  mit  und  ohne  Vereiterung.    Der  mit  all'  diesen  Zu- 
fällen verbundene  Säfteverlust,  die  begleitenden  Fieber,  Schmer- 
zen, Schlaf-  und  Appetitlosigkeit  führen  durch  Erschöpfung 
zum  Tode  oder  verzögern  auf  6-8  Wochen  die  Reconvalescenz. 
Oder  es  wird  der  Tod  direct  durch  Metastase  in  inneren  Or- 
gane (Pleuritis,  Pericarditis)  veranlasst. 

Die  das  Auge  betreifenden   AfFectionen,   zu  welchen 


Blattern. 


247 


Blattern  Veranlassung  geben,  maclien  wohl  unter  all'  diesen 
folgenschweren  Ereignissen  den  deprimirendsten  Eindruck  auf 
den  behandelnden  Arzt.  Ich  habe  schon  der  unbedeutenderen 
Katarrhe  und  der  Pustelbildungen  am  Limbus  corneae  gedacht. 
Man  hat  aber'  von  Alters  her  gerade  wegen  der  üblen  Folgen 
für  das  Auge  die  Blattern  noch  besonders  gefürchtet.  In  der 
That  wird  dasselbe  bei  Variola  vera  und  confluens  oft  ge- 
fährdet und  vernichtet.  Xerosis  der  Cornea,  Keratonialacie, 
Abscesse  und  diffuse  eiterige  Keratitis,  aus  einzebien  Pusteln 
hervorgehende  Ulceration,  Hypopium,  Irido-Cyclitis ,  Perfora- 
tion der  Hornhaut  und  Irisvorfall,  Panophthalmitis  habe  ich 
selber  öfters  beobachtet.  Alle  diese  Affectionen  treten  als 
metastatische  Processe  zur  Zeit  des  Suppurationsstadiums  oder 
später  auf  und  stellen  demnach  ebenso  wenig,  wie  die  er- 
wähnten Abscesse  und  Phlegmonen  der  Haut,  eigentliche  Symp- 
tome der  Variola,  sondern  Complicationen  und.  Folgen  der- 
selben dar.  Hans  Adlee  hat  eine  sehr  verdienstliche  Arbeit 
über  diesen  wichtigen  Gegenstand  veröffentlicht ,  in  welcher 
auch  die,  namentlich  aus  der  Letztzeit  reiche  Literatur  über 
Augenerkrankungen  in  Folge  von  Variola  verzeichnet  ist. 

Bei  Complicationen  mit  anderen,  schon  früher  bestandenen 
acuten  oder  chronischen  Hautkrankheiten  bewirken  die  Blattern 
gewöhnlich  eine  theilweise  Eückbildung  dieser  Processe,  und 
zwar  auf  verschiedene  Weise.  So  gehen  die  Milben  der  Scabies 
in  der  Regel  zu  Grunde  und  involviren  sich  auch  die  Eczem- 
erscheinungen.  Allein  in  der  Reconvalescenz  entwickeln  sich 
die  zurückgebliebenen  Milbeneier  und  die  Serie  der  Krätze- 
symptome auf's  Neue.  Mit  Verdickung  der  Epidermis  und 
chronischen  Congestivzuständen  des  Coriums  einhergehende 
Hautkrankheiten,  wie  Ecz^m,  Psoriasis  ,  auch  Lupus  begün- 
stigen eine  copiösere  Entwicklung  von  Blatterefflorescenzen  an 
den  von  ihnen  besetzten  HautsteUen.  Nach  dem  Abfallen  der 
Blatterkrusten  ist  auch  die  Hautkrankheit  verschwunden  oder 
geringer  geworden.  Sie  erneuert  sich  aber  zumeist  später. 
Ebenso  vermindern  sich  oder  verschwinden  während  des  Blattern- 
processes  die  Symptome  der  Prurigo,  Ichthyosis,  frühe  Syphilis- 
formen, ohne  jedoch  für  die  Dauer  zu  erlöschen. 

Complicationen  der  Blattern  mit  Typhus  habe  ich  öfters 
gesehen ,  jedoch  nur  derart,  dass  die  ersteren  in  der  Recon- 
valescenz des  letzteren  auftraten. 


2^g  Vierzehnte  Vorlesung. 

Was  ihr  Zusammentreffen  mit  Scharlacli  und  Masern 
anbelangt,  so  liabe  ich  mich  schon  darüber  geäussert.  Die 
meisten  Fälle,  welche  eine  Verwechslung  des  neu  hinzuge- 
tretenen Exanthems  mit  Erythema  variolosum  oder  Erythema, 
Urticaria,  Erysipel  ausschliesseu,  stellen  sich  bei  genauer  Be- 
trachtung als  ein  „Nacheinander"  heraus,  derart,  dass  das 
Exanthem  der  Scarlatina,  der  Morbillen  auftrat,  wenn  das  der 
Variola  bereits  die  Höhe  der  Entwicklung  erreicht  oder  über- 
schritten hatte.  Allerdings  involviren  auch  solche  Fälle  noch 
die  gleichzeitige  Anwesenheit  der  beiden  Contagien  im  Orga- 
nismus, mit  Rücksicht  auf  die  Incubationsdauer ,  welche  auch 
für  das  später  sich  geltend  machende  in  Anspruch  genommen 
werden  muss. 

Als  Nachkrankheiten  und  Folgen  der  Blattern 
können  alle  jene  Affectionen  und  deren  weitere  Wirkungen 
betrachtet  werden,  welche  ich  im  Vorhergehenden  als  Coni- 
plicationen  und  metastatische  Processe  bei  Variola  geschildert 
öder  kurz  erwähnt  habe  ,  wofern  sie  ihrer  Natur  nach  den 
Blatternprocess  längere  Zeit  überdauern ;  z.  B.  gewisse  Augen- 
und  Gelenksaffectionen ,  bei  schon  früher  dazu  disponirten 
Personen  auch  Tuberculose. 

Als  gewöhnliche  Folgen  derselben  sind  zu  erwähnen: 
Seborrhoe,  Pigmentflecke  und  Narben. 

Die  Seborrhoe  betrifit  zumeist  das  Gesicht,  besonders 
die  Nase  und  den  behaarten  Kopf.  Ihre  Symptome  sowie  ihre 
specielle  Form  als  Seborrhoea  congestiva  (Hebra)  mit  dem 
möglichen  Uebergang  in  Lupus  erythematosus  habe  ich  bereits 
unter  dem  betreffenden  Capitel  (pag.  147)  geschüdert.  Mt 
der  Seborrhoe  des  behaarten  Kopfes  hängt  auch  rasches  Aus- 
fallen der  Haare  zusammen,  Effluvium  capillorum ,  die  jedoch 
meist  wieder  durch  Nachwuchs  ersetzt  werden.  Bleibender 
Haarverlust  betrifft  nur  solche  SteUen,  an  denen  durch  tief 
gehende  Eiterung  der  Blattern  die  Haarfollikel  zu  Grunde 

gegangen  sind. 

Die  Nase  erscheint  bei  Kranken ,  die  Variola  vera  und 
confluens  des  Gesichtes  überstanden  haben,  von  tiefen  Gruben 
durchfurcht,  über  welche  warzige  Zapfen,  das  sind  Reste  der 
Haut,  emporragen.  Andere  warzige  Hervorragungen  werden 
durch  Sebumanhäufung  in  den  Talgdrüsen  oder  durch  Narben 
abgeschlossene  Acini  derselben  bedingt;  noch  andere  durch 


Blattern. 


249 


dicht  aneinander  gedrängte  Variolalinötchen  ,  die  nicht  zur 
Eiterung  gekommen,  sondern  als  papilläre  und  epitheloide 
Hyperplasien  einige  Zeit  bestehen.  AU'  dies  figurirt  unter 
dem  Namen  Variola  verrucosa,  warty  pocks. 

Die  regelmässigen  Spuren  der  Blattern  bleiben  als  Pigment- 
flecke und  Narben  zurück.  Die  ersteren  sind  linsengross,  gelb- 
braun, alsbald  in  der  Mitte  weiss  und  etwas  deprimirt,  unter 
dem  Fingerdrucke  nur  wenig  erblassend.  Sie  finden  sich  au 
allen  Stellen,  wo  oberflächliche,  d.  i.  innerhalb  der  Epidermis 
abgelaufene  Pocken,  seien  es  vesiculöse  der  Varicella  oder 
regelrecht  zur  Eiterting  gelangte  dieser  und  der  Variola,  ge- 
sessen hatten.  Sie  verdanken  ihre  Eärbung  einer  bedeutenderen 
Pigmentanhäufung  im  Eete  und  einer  noch  länger  andauernden 
stärkeren  Füllung  der  Papillargefässe.  Aus  letzterem  Grunde 
erscheinen  sie  auch  in  der  Kälte  mehr  blauroth.  Nach  Monaten 
kehrt  die  normale  Earbe  zurück. 

Die  Narben  sind  von  derselben  Gestalt  imd  Grösse  wie 
die  Pigmentflecke ,  anfangs  blauroth ,  später  glänzend  weiss 
und  seicht  deprimirt.  Sie  entstehen  nur  an  den  Punkten,  wo 
die  Blatterpusteln  bis  in  den  Papillarkörper  gereicht  haben 
und  ein  Theil  dieses  in  der  Eiterung  mit  zerstört  worden. 
Da,  wo  sie  dicht  aneinander  stossen ,  bilden  die  dazwischen 
übrig  gebliebenen,  unversehrten  Hautreste  Inseln  und  Brücken, 
welche  der  betreff'enden  Stelle  ein  gestricktes,  genetztes  An- 
sehen verleihen.  Charakteristische  Pockennarben  gibt  es  aber 
nicht.  Sie  sehen  aus,  wie  aus  ähnlichen  Efflorescenzen ,  z.  B. 
Syphilis,  Acne  etc.  hervorgegangene  Narben.  Nur  aus  ihrer 
gleichmässigen  Anordnung  und  Verbreitung  kann  man  auf  ihre 
Quelle  schliessen. 

Alle  diese  letztgenannten  örtlichen  Folgen  der  Blattern, 
Flecke,  Narben  und  Warzen  sind  also  in  der  anatomischen 
Veränderung  begründet ,  welche  die  einzelne  Pocke  gesetzt 
hat.    Deshalb  wollen  wir  jetzt  diese  etwas  näher  betrachten. 


Die  Anatomie  der  Variolenefflorescenzen  bietet  manche 
Eigenthümlichkeiten  dar,  durch  welche  dieselben  von  den  ana- 
logen Morphen  der  nicht  variolösen  Entzündung ,  z.  B.  den 
Knötchen,  Bläschen  und  Pusteln  des  Eczems  sich  nicht  unwe- 
sentlich unterscheiden.  Nach  meiner  Auffassung  jedoch  beruht 
diese  Eigenthümlichkeit  nicht  etwa  auf  nutritiven  Vorgängen, 


Vierzehntü  Vorlesung. 

die  den  anderen  entzündlichen  Processen  fremd  wären,  sondern 
ist  sie  die  blosse  Folge  tind  der  Ausdruck  des  typisclien, 
innerhalb  einer  bemessenen  Zeit  zur  Entwicklung  und  zum 
Abschluss  kommenden,  örtlichen  Processes.    Der  Typus  selbst 
ist  uns  allerdings  ein  Eäthsel,  wie  seine  Ursache,  die  variolöse 
Erkrankung.    Diejenigen  freilich,  welche  in  dem  Inhalte  der 
Pocken  und  in  dem  unter   diesen  liegenden  Corium  auch  die 
Bacterien,  Micrococcen  und  Mikrosphären  der  Blattern  gefun- 
den zu  haben  glauben,  sind  auch  sofort  bereit  (Weigert),  die 
feineren  anatomischen  Vorgänge  direct  aus  der  Anwesenheit 
jener  Contagiumkörperchen  zu  erklären.     Abgesehen  davon, 
dass  diese  Beziehung  für  andere  Untersucher  nicht  ersichtlich 
ist,  herrscht  auch  noch  rücksichtlich  der  anderen  saclüichen 
Befunde,  wie  ihrer  Deutixng,  grosse  Memungsverschiedenheit. 

Am  reinsten  bieten  sich  die  Verhältnisse  in  der  typischen 
Blatter-Efflorescenz  dar,  welche  innerhalb  der  Epidermis  ihren 
Sitz  hat  und  in  ihrem  Wachsthum  nicht  über  diese  hinausgreift. 

Die  Efflorescenzbildung  beginnt  mit  einer  hyperämi- 
schen,   durch  stärkere  Inj ection  der  Gefässe  (Rothe),  seröse 
Durchtränkung  und  mässige  Zelleninfiltration  bewirkten  Schwel- 
lung der  Papillen  des  begrenzten  Bezirkes,  auf  welchem  sich 
alsbald   das   Knötchen   erhebt.    Diesen  Befund   aus  dem 
Initialstadium,  den  Ausp]tz  und  Bäsch  in  ihrer  bezüglichen 
Arbeit  zuerst,  neben  anderen  auch  heute  als  richtig  anzu- 
sehenden   Thatsachen,   angegeben  haben,    habe  ich  selbst 
an  Präparaten  von  Purpura  variolosa  zu  verzeichnen.  Der 
Hauptantheil  des  über  das  Hautniveau  sich  erhebenden  Knöt- 
chens wird  jedoch  durch  eine  Wucherung  der  Malpighi  sehen 
Zellen  beschafft.    Sie  beginnt  mit  einer  „trüben  Schwellung" 
der  Retezellen.    Rindfleisch  gibt  von  dieser  Metamorphose  der 
Epithelzellen  eine  zutreffende  Beschreibung,  wornach  dieselben 
entweder  nur  feinkörnig  getrübt  oder  von  einer  dunklen ,  die 
Kerno-ebilde  gänzlich  verdeckenden  Körnung  befallen,  ver- 
grössert  und  zu  plumpen  Schollen  verwandelt  werden.  Dieser 
Veränderung  unterliegen  die  Epithelzellen  auch  bei  anderen 
Processen     Weigert's  Annahme,  dass  diese  Umwandlung  eines 
Theiles  der  Retezellen  zu  scholligen  „kernlosen"  Gebilden  direct 
durch  den  Contact  mit  dem  aus  dem  Corium  in  die  Epidermis 
voro-edruiigenen  Blatterncontagium ,  den  supponirten  Bacteneu 
oder  Mikrosphären  veranlasst  sei  und  eine  „diphtheroide"  Zer- 


Blatteru. 


251 


Störung  darstelle,  hat  demnacli  nicht  mehr  als  eine  suhjective 
Bedeutung. 

E.1NDFLEISCU  gibt  die  mittlere  Schichte  des  ßete  Malpighii 
als  den  Ausgangspunkt  der  erwähnten  Wucherung  an.  Unna 
dagegen  denionstrirt  das  Stratum  lucidum,  also  die  unterste 
Hornzellenschichte,  als  jene,  welche  durch  Wucherung  und 
weitere  Umwandlungen  ihrer  Zellen  den  eigentlichen  späteren 
„Pockenkörper"  bilden.  Es  scheint  mir  zweifellos,  dass  die 
oberen  Reteschichten  in  allen  typisch  sich  entwickelnden 
Pocken,  ob  mit  oder  ohne  Stratum  lucidum,  an  dem  Processe 
betheiligt  sind. 

Während  die  erwähnten  Zellen  sich  durch  Trübung  zum 
Zerfall  vorbereiten ,  beginnt  auch  eine  Proliferation  der  sie 
umgebenden  Zellen,  deren  vermehrte  Massen  eiue  Art  Schale 
für  die  mittleren  abgeben.  Nur  im  Centrum  ,  da  wo  Wkigert's 
diphtheroider  Herd  und  seine  untere  Delle  liegt ,  werden  die 
Retezellen  in  ihrem  Zusammenhange  gelockert  durch  das  aus 
den  Papillen  emporsteigende  seröse  Exsudat  ,  welches ,  die 
Epidermislagen  durchdringend,  die  obersten  Hornzellenlagen 
als  Decke  vor  sich  herwölbt.  Man  hat  ein  Bläschen  mit  trans- 
parentem Inhalte  vor  sich. 


Fig.  16. 


Senkrechter  Durchschnitt  einer  Pocke  im  Stadium  der  beginnenden  Pustel- 
bildung (nach  Rindfleisch),  verjüngt. 

f  Delle  mit  Schweissdrüseacanal,  !>  Fächer  in  der  Epidermis,  c  kleiaate  Fächer,  in 
ibneu  Lymphe  und  Eiterzellen. 


9^2  Vierzöbnte  Vorlesung. 

Durch  die  Exsudatflüssigkeit  werden  die  obersten  Zellen- 
lagen der  SchleimscHclite ,  vorwiegend  jedoch  zuerst  die 
unteren  Hornzellenschichten  auseinander  gedrängt.  Dieselben 
bilden  so  die  Wände  und  Balken  eines  Maschen-  und  Fächer- 
werkes im  Inneren  des  Pockenbläschens  (Fig.  16).  Ebstein 
hat  das  Fächerwerk  als  ein  oberflächliches,  von  Hornzellen 
gebildetes  und  ein  tieferes,  den  ßetezellen  angehöriges,  unter- 
schieden. In  die  letzteren  greift  dasselbe  jedenfalls  erst  in 
dem  Masse  hinein,  als  die  Pocke  sich  weiter  entwickelt  und 
tiefer  greift. 

Die  Maschenräume  sind  mit  klarer  Flüssigkeit  erfüUt, 
in  welcher  massig  Exsudatzellen,  Epidermistrümmer,  amorphe 
Massen  imd  kleine  glänzende  Körnchen  von  angeblich  speci- 
fischer  Art  und  der  Bedeutung  von  Schyzomyceten  (Micro- 
coccus,  Hallier,  Klebs,  Ferd.  Cohn  u.  A.)  enthalten  sind. 

Die  Bildung  der  Delle  im  ersten  Bläschenstadium  ein- 
zelner  Pocken    (denn   nicht   alle  haben   eine  DeUe)  haben 
Auspitz  und  Bäsch  damit  erklärt,  dass  die  Ausdehnung  der 
mittleren  Pockentheile  durch  Exsudat  nicht  gleichen  Schritt 
hält  mit  der  Vergrösserung  der  Papel  in  ihrem  peripheren 
Theile,   welche   durch   Wucherung   des  Epithels  veranlasst 
wird.    Weigert  meint,  dass  die  diphtheroiden  Epithelbalken 
in  der  Pockenmitte  der  Ausdehnung  durch  Exsudat  länger 
widerstehen,  als  die  peripher  gelagerten  Zellen  und  die  Pocken- 
kuppen fest  halten,   so   dass  sie  erst  später  sich  vorwölben 
könnte,   wenn  diese  Balken  zerreissen.    Ich   schliesse  mich 
Hebra  und  EiNDFLEiscH  an,  welche  das  Hornstratum  einer  die 
Pocke  durchsetzenden  Follikel-  oder  Schweissdrüsen-Mündung 
für  die  Entstehung  der  Delle  in  Anspruch  nehmen  (Fig.  16,  a), 
indem  dasselbe  der  in  der  Umgebung  stattfindenden  Erhebung 
gegenüber  sich  wie  ein  Retinaculum  verhält.    Die  Delle  ist 
auch  nicht  der  Pocke  eigenthümlich.    Eine  solche  findet  sich 
unter  gleichem  anatomischen  Verhalten  auch  bei  einfach  ent- 
zündlichen Efflorescenzen.  Sie  verschwindet  immer  zu  Beginn 

der  Eiterung.  .      •      r»  i 

Die  Umwandlung  des  Pockenbläschens  m  eine  Pocken- 
nustel  geschieht  durch  Ansammlung  von  Eiterzellen  im  Innern 
der  Efflorescenz  und  Trübung  ihres  Inhaltes.  Sie  stammen 
nach  der  gegenwärtig  geltenden  Vorstellung  theils  aus  den 
Gelassen  der  Papillen  (Wanderzellen),  theils  smd  sie  Ab- 


Blattern. 


253 


köiumlinge  der  proliferirenden  Retezellen.  Die  Trabekeln  der 
Fäclierräume  gehen  tlieils  durch  eigenen  eiterigen  Zerfall, 
eiterige  Schmelzung,  theils  durch  den  Druck,  welchen  die  sich 
steigernde  Flüssigkeitsmenge  ausübt,  in  Trümmer.  Der  mittlere 
und  untere  Theil  der  Pockenpustel  wird  von  einer  unregel- 
mässigen Eiterhölüe  eingenommen,  in  welche  Epidermisfetzen 
der  oberflächlichen  Fächerwände  und  der  seitlich  und  unter- 
halb lagernden  ßetezellen  hineinragen.  Die  Pustel  ist  auf  der 
Höhe  ihrer  Entwicklung  angelangt. 

In  dem  darauffolgenden  Stadium  der  Eintrocknung  ver- 
mindert sich  die  entzündliche  Blutüberfüllung  der  Papillen  und 
die  aus  ihnen  stammende  Exsudation.  Aus  den  den  Eiterherd 
seitlich  und  von  unten  her  umfassenden  Retezellen  gehen  nun 
solche  junger  Formation  hervor,  welche  in  ihrem  physiologischen 
TJmwandlungsprocesse  zu  Hornzellen  durch  kein  nachschiebendes 
Exsudat  gestört  werden.  So  formirt  sich  seitlich  und  von 
iinten  her  eine  genügend  mächtige  Hornzellenlage,  welche  an 
die  der  Pusteldecke  anschliessend,  mit  dieser  vereint,  eine  voll- 
ständige Kapsel  um  den  Eiterherd  bildet  (Fig.  17,  e),  der  auf 
diese  Weise  von  den  ernährenden  Stratis  der  Haut  vollständig 
abgeschlossen  ist. 

Durch  Vertrocknung  (Verdampfung  oder  Aufsaugung) 
der  flüssigen  Bestandtheile  bildet  sich  der  Pustelinhalt  in 
Verbindung  mit  seiner  Decke  zur  Kruste,  welcher  nach  Tagen 
oder  "Wochen  mechanisch  sich  herausbröckelt ,  um  so  später, 
je  dicker  die  sie  bedeckende  Hornschichte  ist ,  wie  in  der 
Flachhand  und  Fusssohle. 

Die  dem  Grrunde  der  Efflorescenz  entsprechenden  Papillen 
werden,  obwohl  im  Beginn  der  Knötchenbildung  in  der  Regel 
geschwellt  und  hervorragend,  im  weiteren  Verlaufe  durch  die 
proliferirenden  Retezellen  der  Bläschen-Basis ,  oder  nach 
Unna  des  Stratum  lucidum,  welche  einen  Druck  nach  der 
Tiefe  ausüben ,  comprimirt ,  abgeflacht.  So  sehen  Sie  dieselben 
auch  in  Fig.  17  eingedrückt,  im  Vergleiche  zu  den  peripheren 
normalen  Papillen  bei  g.  Unter  allen  Umständen  wird  aber 
bei  diesen  typischen  Formen  nach  Abfallen  der  Pockenkruste 
nur  ein  deprimirter  und  durch  stärkere  Pigmentirung  des 
Rete  (unterhalb  e,  Fig.  17)  braun  gefärbter  Fleck  übrig  bleiben, 
aber  keine  Narbe,  da  die  Papillen  erhalten  sind. 


254 


VievKehute  Vorlesung. 
Fig.  17. 


Senkrechter  Durchschnitt  durch  eine  in  Abkapselung  begriffene  Pustel  (zur 
Hälfte)  nach  Au.spitz  und  Bäsch. 

a  alte  ETjidermi.s,  h  Retezellen  oberhalb  des  Maschenwerkes,  ä  Maschenwerk  mit 
Lto  beflS^^en  Eiter.ellen,  e  neucebildete  Epidermiszeilen  3  .Papillen,  die,  an  der 
Basis  der  Pustel  abgeplattet,  alle  Zellen  intiltviren. 

So  verlaufen  anatomisch  alle,  oder  die  meisten  Pocken 
bei  Varicella  und  Variolois,  sowie  viele  auch  bei  Variola  vera. 

Ein  andermal  gedeiht  jedoch  die  entzündliche  Infiltration 
der  Papillen,  welche  jeder  Pochenbildung  vorangeht,  bis  zu 
dem  Grade,  dass  ein  Theil  derselben,  oder  noch  ein  angrenzen- 
der Theil  des  Coriums  zu  eiterigem  und  nekrotischem  Zerfall 
gelangt.    Auf  dem  Durchschnitt  erscheint  eine  solche  Partie, 
wie  schon  Bärenspeüng  bemerkt,  gleichmässig  weiss  verfärbt 
(diphtheritische  Pocke),   weil,   wie  Rindfleisch's  Injections- 
präparate  leliren,   selbst  die  zuführenden  G-efässchen  durch 
das  Exsudat  und  die  Zelleninfiltration   comprmirt  werden. 
So  stirbt  dieser  Theil  der  Papillen  und  des  Coriums  ab  und 
dessen  Zerfallproducte  und  Eiterzellen  vermehren  mit  den  aus 
dem  darüber  liegenden  Rete  stammenden,  das  in  solchen  Fallen 
selbstverständlich  ebenfaUs  vereitert,  den  Pockeninhalt.  Die 
Eiterhöhle  erstreckt  sich  also  in  solchen  Formen  bis  in  die 
Papülen  und  noch  tiefer.   Und  es  versteht  sich,  dass  da  auch 
jedesmal  eine  Pockennarbe  zurückbleiben  muss ,  weil  em  binde- 
gewebiger Antheil  der  Haut  mit  in  Eiterung  zerstört  worden. 
Darnach  kann  man  auch  bemessen,  wie  unrichtig  es  ist,  wenn 
Jemand  glaubt,  durch  Salben,  Pflaster  etc.,  die  zur  Zeit  der 


Blattern. 


255 


beginnenden  Suppuration  applicirt  werden  ,  die  Narbenbildung 
verhüten  zu  können ,  da  die  Bedingung  für  diese  bereits  in 
dem  tiefen  Sitze  tind  der  Intensität  der  ersten  Entzündungs- 
vorgänge gegeben  ist. 

Die  Efflorescenzen  bei  Variola  liaemorrhagica ,  wofern 
solclie  überhaupt  zu  Stande  kommen,  bilden  sich  nicht  anders 
als  bei  Variola  pustulosa;  nur  dass  bei  jener,  neben  weissen 
Blutkörperchen  und  serösem  Exsudat,  auch  rothe  Blutkörperchen 
dem  Inhalt  der  Pockenhöhlen  beigemengt  sind  und  hämor- 
rhagische Herde  in  den  Papillen  und  im  Corium  sich  finden. 
Der  Versuch  Erismann's,  für  die  Variola  haemorrhagica  in 
anatomischer  Beziehung  von  der  gewöhnlichen  Variola  einen 
durchgreifenden  Unterschied  geltend  zu  machen,  ist  von  "Wyss, 
E.  "Wagner,  Zdelzer  als  unbegründet  dargethan  worden. 

Bei  Purpura  variolosa  fijiden  sich  neben  Zelleninfiltration 
der  Papillen  an  vielen  Stellen,  offenbar  den  Anläufen  zur 
Stippchenbildung,  nur  zerstreute  Blutaustritte  im  Corium  und 
subcutanen  Gewebe. 

Ueber  die  feineren  Veränderungen  der  auf  der  Schleim- 
haut der  Mund-Rachenhöhle,  des  Larynx ,  der  Bronchien,  des 
Oesophagus  situirten  Pocken  fehlen  uns  genaiiere  Unter- 
suchungen. 

Was  die  anderweitigen  pathologisch  -  anatomischen  Ver- 
änderungen anbelangt ,  Avelche  bei  zur  Obduction  gelangten 
Variolafällen  bisher  sich  vorfanden,  so  entsprechen  dieselben  im 
Allgemeinen  den  auch  klinisch  wahrnehmbaren  Complicationen, 
z.  B.  bei  Pneumonie,  Lungenödem.  In  vielen  Todesfällen  bleibt 
der  anatomische  Grund  der  unmittelbaren  Todesursache  ganz 
unaiifgeklärt.  Ich  darf  sagen,  dass,  so  zahlreich  auch  die 
vorliegenden  Angaben  über  Post  mortem  -  Befunde  in  den 
inneren  Organen  bei  Variola,  dieselben  doch  noch  nicht  ge- 
statten, allgemein  giltige  Daten  aufzustellen,  so  widersprechend 
lauten  dieselben.  Wenn  z.  B.  Hebra  gesehen  hat,  dass  bei 
Purpura  variolosa  die  parenchymatösen  Organe,  Leber,  Herz, 
Lunge,  Milz,  ebenfalls  von  Hämorrhagien  betroffen  werden  und 
letzteres  Organ  oft  zu  einem  fibrinösen  Bhitklumpen  ver- 
wandelt erscheint,  Cürschmann  und  Ponfick  dagegen  es  sogar 
als  Unterschied  gegen  Variola  pustulosa  geltend  machen 
wollen,  dass  bei  Piirpura  variolosa  die  Milz  stets  klein  und 
derb  ist  und  überhaupt  in  dem  Verhalten   der  Unterleibs- 


gp^ß  Vierzehnte  Vorlesung. 

Organe  bei  den  genannten  Pockenformen  eine  durchgreifende 
Differenz  erkennen  woUen,  so  dürften  diese  Meinungsverschieden- 
heiten wohl  erst  durch  die  Zeit,  oder  besser  durch  ein  Mehr 
von  Beobachtungen  ausgeglichen  werden. 

SpecieU  bezüglich  der  Variola  haemorrhagica,  bei  welcher 
auch  noch   die   zuweüen    gefundenen  Blutaustritte    in  die 
Nervenscheiden  und  Meningen  (Neümann,  Züelzer,  ich)  hervorzu- 
heben sind,  spielen  die  noch  mehr  fraglichen  Bacterienschlauche 
und  Micrococcushaufen  in  den  Augen  der  neueren  Untersucher 
eine  grosse  Rolle.    Ja  ein  Autor  lässt  sogar  dieselben  von 
der  Epidermisoberfläche  her  eindringen  und  so  jede  Pocke  er- 
zeugen, wobei  er  vergisst,  dass  dann  für  das  Vorangehen  von 
Fieber  gar  kein  Grund  wäre.  Zu  solchen  Verkehi^theiten  fuhrt 
der  blinde  Glaube  in  der  Medicin.    Züelzee  betont  überdies 
die  Starrheit  und  Zerreisslichkeit  der  Gefässwandungen  m 
Folge  körnigen  Zerfalles  der  Elemente,  besonders  der  Mus- 

cularis.  ,      t^t  •  i 

Man  hat  auch  in  der  Lunge,  unter  der  Pleura,  m  dei 
Leber,  theils  bei  an  Variola  verstorbenen  Menschen,  theils 
bei  Thieren,  die  durch  Injection  von  Blut  an  Variola  hämor- 
rhagica Verstorbener  geendet  hatten,  Knötchen  ^;i<i^^«|^;^ 
ge?unden.    Sie  haben  wohl  nur  die  Bedeutung  metastatische 
Intzündungsherde  (nach  WEiaEKT  ebenfaUs  Bacterien-ColonierO 
nicht  die  von  eigentlichen  Pocken.    Diese  kommen  ubei  die 
schon  erwähnten  Schleimhaut-Gebiete  hinaus  nicht  weiter  im 
Innern  des  Körpers  vor. 


Fünfzeliiite  Vorlesung. 


Blattern  (Schluss).  Diagnose.  Prognose.  Einfluss  der  Impfung  auf  die 
Schwere  der  Erkrankung.  Aetiologie.  Therapie.  Proplaylaxis.  Vaecination  ; 
originäre  und    hunnanisirte   Lymphe.     Variola   vaeeina.    Normaler  und 

abnormer  Verlauf. 

Die  Diagnose  gut  ausgebildeter  Blattern  unterliegt  woM 
keiner  Schwierigkeit.  Die  gescMlderten  Symptome  bieten 
genügende  Gewähr  für  dieselbe.  Unter  Umständen  unterliegt 
die  Diagnose  jedoch  erheblichen  Schwierigkeiten  und  kommen 
auch  thatsächlich  unangenehme  Irrthümer  vor.  Niemandem 
ist  es  zu  verdenken,  wenn  er  im  Anblicke  des  Prodromal- 
Exanthems,  oder  selbst  am  ersten  Tage  der  Eruption,  beim 
Erscheinen  der  ersten  Stippchen,  zwischen  Erythema  papulatum, 
oder,  selbst  mit  Eücksicht  der  fieberhaften  imd  katarrhalischen 
Erscheintingen,  zwischen  Morbilli  papiilosi  und  Variola  in  der 
Diagnose  schwankt.  Ich  rathe  in  solchen  Eällen  überhaupt, 
die  Diagnose  in  Schwebe  zu  lassen.  Am  nächsten  Tage  werden 
die  Symptome  klarer,  da  im  Falle  der  Blattern  die  Stippchen 
des  Vortages  erheblich  grösser  geworden  und  namentlich  im 
.  G-esichte  bereits  in  vesiculöser  Umwandlung  begriffen  sein 
werden.  Die  vorschreitende  und  überwiegende  Entwicklung 
der  Knötchen  im  Bereiche  des  Gesichtes  spricht  auch  mehr 
für  Blattern.  Vesiculöse  Blattern,  Varicella,  werden  \mtev 
Umständen  gegenüber  von  Impetigo  faciei,  oder  beginnendem 
Pemphigus  (acutus)  abgeschätzt  werden  müssen.  In  pnstulösem 
Zustande  sich  präsentirende  Variola  wird  wohl  selten  ver- 
kannt. Häufiger  ereignet  sich  das  Umgekehrte ,  class  ein 
pustulöses  Syphilid  oder  die  selten  vorkommenden 
Pusteln  der  Eotzkrankheit  für  Blattern  diagnosticirt 
werden.  Auf  die  Aehnlichkeit  mit  Syphilis  deutet  ja  schon 
die  Bezeichnung  „grande  veröle",  für  Syphilis,  gegenüber  den 

Kaposi,  Hautkranklieiteii.  1' 


253  Fünfzehnte  Vorlesung. 

Blattern,  als  „petite  veröle",  „small  pox"  hin.    Beim  Syphilid 
(Varicella  sypMitica,  SypHHs  pustulans  varioloides  u.  A.  der 
Autoren)  finden  Sie   stets  Efflorescenzen  der  verscMedenen 
Entwicklungsstufen  gleichzeitig  vor,  grosse,  linsen-  bis  erbsen- 
grosse  Knoten,  in  Blütbe  und  in  Verscliorfung  vom  Centrum 
her  begriffene  Efflorescenzen,  und  in  der  Peripherie  der  letzteren 
einen  deutlichen,   derben  Knötchen  - WaU.    Auch  kann  ein 
solcher  Irrthum  nur  wenige  Tage  bestehen,   da  auch  dem 
Mindergeübten  der  gleichmässige  Bestand  der  syphilitischen 
Eruption  gegenüber  dem  jederzeit  raschen  Evolutions-  und 
Involutionsgang  der  Blattern  auffaUen  muss.  Bei  Rotzkrankheit 
finden  sich  neben  oberflächlichen  Pusteln  stets  auch  grössere 
furunkelartige  Knoten  und  Abscesse.    Fieber  kann  bei  beiden 
Processen  in  kenntlichem  G-rade  zugegen  sein,  während  bei 
mässiger  Variolois  oder  VariceUa  das  Fieber  sehr  gering  zu 

sein  pflegt.  , .  .  ■,     x  ;j 

In  der  Betrachtung  der  Mund-Rachenschleimhaut  werden 

sich  überdies  differentiale  Merkmale  bei  Blattern  fast  immer 

ergeben.  .  , 

Mässige  Fälle  von  Blattern,  bei  welchen  vorwiegend  und 
in  raschem  Tempo  im  Gesichte,  namentlich  auf  der  Stirne 
spitze   und    zumeist    deutUch    den    FoUikeln  entsprechende 
Pusteln  entstanden  sind,  während  am  Stamme  verspätete,  ver- 
einzelte und   abortiv    verlaufende  Efflorescenzen  entstehen, 
imponiren  leicht  für  Acne  pustulosa.    In  solchen  Fallen 
ist  das  rasche  und  gleichzeitige  Auftreten  der  Pusteln  zu 
Gunsten  der  Diagnose  Variola  zu  verwerthen,  während  bei 
Acne  in  den  Symptomen  der  ungleichzeitigen  Entwicklung  und 
des  chronischen  Verlaufes,  der  Gegenwart  von  Comedonen,  ent- 
zündlichen Knötchen  und  Abscesschen  Merkmale  gegeben  sind. 
Medicamentöse  Acne,  wie  die  durch  innerlichen  Gebrauch  von 
Jod  und  Brom  entstandene,  ist,  weü  stets  acut  sich  ent- 
wickelnd, aUerdings  im  Beginne  schwerer  zu  unterscheiden. 

Zur  Prognose  der  Blattern  habe  ich  schon  m  der  vor- 
hergeschickten Schilderung  der  Symptome  und  des  Verlaufes 
der  Krankheit  sehr  beachtenswerthe  Momente  vorgeführt,  bie 
müssen  dieselben  sich  jedesmal  gegenwärtig  halten.  _  Es  ist 
a-esagt  worden,  dass  noch  so  stürmische  Prodromalerschemungen, 
wofern  sie  innerhalb  des  typischen  Ralimeus  bleiben,  m  All- 
gemeinen keine  Schlussfolgerung  über  die  Schwere  und  den 


Blattern. 


259 


Verlauf  des  folgenden  Blatternprocesses  gestatten,  dass  aber 
bei  Purpura  variolosa  der  tödtliche  Ausgang  scbon  aus  den 
ersten  Symptomen  zu  entnebmen  ist. 

Hievon  abgeseben ,  sind  durchwegs  die  Menge  der 
Blatternpusteln,  ob  Variola  vera,  confluens,  Variolois 
oder  Varicella  zugegen  ,  nebstdem  das  Individuum  betreffende 
specielle  Verbältnisse  für  die  Prognose  von  grösstem  Belange, 
als  Alter,  bei  Frauen  Gravidität  und  Puerperium,  ob  geimpft 
oder  geblättert,  sowie  der  Charakter  der  eben  berrscbenden 
Epidemie. 

Varicella  verläuft  durchwegs  günstig,  Variolois  bei  Ge- 
impften wahrscheinlicher  günstig  als  bei  Ungeimpften,  Variola 
confluens  ist  auch  bei  Geimpften  höchst  gefährlich  und  in 
ihrem  Ausgang  überdies  mehr  als  die^Tmässigen  Formen  durch 
die  Verhältnisse  des  Individiuims  beeinflusst;  Variola  haemor- 
rhagica  der  geschilderten  Formen  ist  stets  tödtlich. 

Das  Alter  anbelangend,  so  sind  variolöse  Säuglinge 
wegen  des  behinderten  Säugens  fast  unrettbar  verloren,  ältere 
und  sonst  kräftige  Kinder  überstehen  oft  selbst  schwere  Blattern. 
Im  Greisenalter  stehende  Personen  disponiren  zu  schlaffen  und 
hämorrhagischen  Blattern  und  erlauben  nur  eiue  zweifelhafte 
Prognose ,  eben  so  wie  Potatores ,  die  meist  an  der  Schwere 
der  Blattern,  oder  im  Delirium  potatorum  ditrch  Lungenödem 
zu  Grunde  gehen. 

Schwangere  und  Puerperae  sind  durch  schwere  Blattern 
mehr  gefährdet  als  andere  weibliche  Personen.  Ich  habe  als 
Assistent  auf  der  hiesigen  Blatternabtheilung  unter  700  weib- 
lichen Variolösen  der  Jahre  1866  und  1867  allein  120  Schwan- 
gere und  Wöchnerinnen  beobachtet  und  ihre  grössere  Gefährdung 
in  einem  ungarischen  medizinischen  Journal  statistisch  dar- 
gestellt. Darnach  starben  —  auch  die  Impfungsverhältnisse 
berücksichtigend  —  von  solchen  jede  5.,  von  den  anderen 
weiblichen  Kranken  jede  22.  Die  grössere  Mortalität  ist 
bedingt  durch  complicirende  Puerperalprocesse ,  zu  welchen 
Abortus  und  Frühgeburt  Veranlassung  geben.  Damals  sah  ich 
die  meisten  der  letzteren  im  7.  und  9.  Schwangerschaftsmonat. 

Höchst  wichtig  ist  bezüglich  der  Prognose  der  Umsta-nd, 
ob  das  Individuum  früher  mit  Erfolg  geimpft  worden,  oder 
ungeimpft  ist.  Zimächst  erkranken  Geimpfte  durchschnittlich 
mehr  an  leichteren  Formen,   Ungeimpfte  mehr  an  schweren 

17* 


I 


2ßQ  Fünfzehnte  Vorlesung. 

Blattern.    Aber  ancli  Variola  vera  lässt  bei  Geimpften  einen 
besseren  Ausgang  hoffen.  Dabei  darf  aber  niclit  verschwiegen 
werden,  dass  unter  den  gleichen  äusseren  Umständen  Vaccinirte 
an  schwerer,  und  Nichtgeimpfte  an  leichter  Variola  erkranken, 
und  demnach  auch  die  Gefahr  in  demselben  Verhältnisse  ver- 
theilt sein  kann.    AUein  im  Allgemeinen  verhält  es  sich  un- 
zweifelhaft so,  wie  ich  gesagt.    Ich  kami  hier  nicht  auf  die 
grosse  Zahl  von  an  Tausenden  und  Abertausenden  Variolöser 
hier  und  anderswo  gemachten  Beobachtimgen ,   auf  die  von 
Einzelärzten  mid  Commissiouen  gemachten  statistischen  Aus- 
weise eingehen,  die  alle  von  der  evidenten  Abschwächung  der 
Blatternkrankheit   durch   die  Vaccination  und    den  relativ 
grossen  Schutz  gegen  die  Erkrankung  überhaupt,  d.  i.  die 
relative    Immunität    der    Geimpften    das  unbezweifelbarste 
Zeugniss  geben.   Im  internationalen  Aerzte-Congress  zu  Wien 
1873  sind  von  700,  fast  alle  civiüsirten  Länder  vertreten- 
den Aerzten ,  bis  auf  3 ,  alle   für  den  grossen  Nutzen  der 
Impfung  eingestanden.    Treten  Sie  in  ein  Blatternspital,  so 
werden  Sie  bei  einiger  Erfahrung  sofort  die  Nichtgeimpften, 
mit  seltenem  Fehler,  herauskennen  -  sie  haben  durchwegs 
schwere  Formen,  universene  und  grosspustiüöse  Blattern.  In 
Ländern,  wo  die  Impfung  nicht  allgemein  geübt  wird,  hausen 
die  Epidemien  heute  eben  so  verheerend,  wie  m  früheren  Jahi- 
hunderten.   Bei  uns  sterben  durchschnittlich  von  Ungeimpften 
18,  20  bis  450/0,  von  Geimpften  2,  5  bis  15«/o,  je  nach  der 
Bösartigkeit  der  Epidemie  U3id  der  Grösse  der  m  ßeclinung 
crebrachten  Zahl  Erkrankter. 

WoUen  Sie  sich  von  der  Richtigkeit  dieser  Angaben  durch- 
dringen   und  nicht  beirren  lassen    von    gegentheiligen  Be- 
hauptungen, mögen  sie  von  welcher  Seite  immer  kommen. 
Sie  haben  gewiss  eine  unlautere  oder  unrichtige  QueUe  Be- 
denken Sie,  dass  durch  die  Lnpfung  die  Erkrankungstalle  an 
Zahl  und  Schwere  geringer  und  damit  die  Gefahr  tui'  das 
betroffene  Individuum  sowolü  vermindert  wird,  als  die  Gelegen- 
heit zur  Ansteckung  für  Andere  und  für  die  Entstehung  von 
Epidemien.    Halten  Sie  dagegen  die  Nachtheile.  welche  durch 
Vernachlässigung  der  Vaccmation  in  der  BevöUcerung  ent- 
stehen können  und  bei  jeder  Einschleppung  von  Blattern  sich 
sofort  in  erschreckender  Weise  geltend  machen,  so  werden 
Sie  in  Ihrem  Berufe,  als  praktische  und  für  das  körperliche 


ßlnttoni. 


261 


'Wohl  Ihrer  Mitmenschen  begeisterte  Aerzte ,  gewiss  mit  Gre- 
sinuung,  Wort  und  That  allerorten  für  die  mögliclist  allgemeine 
Durcliführiing  der  Vaccination  einstehen. 

Bemerkenswerth  ist,  wie  Hebra  betont,  dass  voraus- 
gegangene Blattern  prognostisch  eine  üble  Vorbedeutung  haben, 
indem  er  wiederholt  mit  Narben  von  absolvirter  Variola 
besetzte  Kranke  bei  ihrer  zweiten  und  dritten  Erkrankung 
sterben  sah. 

Endlich  wird  selbstverständlich  den  jeweiligen  Compli- 
cationen  und  Folgen  der  Blattern,  Phlegmone,  Erkrankun- 
gen der  Gelenke,  der  inneren  Organe,  Herz,  und  Lungen- 
krankheiten etc.  das  entsprechende  Grewicht  bezüglich  der 
Vorhersage  zufallen. 

Die  Aetiologie  der  Blattern  ist  kaum  weiter  gediehen, 
als  die  der  anderen  infectiösen  Krankheiten.  Wir  wissen  als 
positiv  nur,  dass  denselben  ein  eigenartiges  Contagium  zu 
Grunde  liegt,  welches  von  den  Blatternkranken  emanirt,  dem- 
nach auch  durch  die  Atmosphäre  weiter  getragen  wird,  also 
..flüchtig"  ist;  dass  es  auch  besonders  im  Inhalte  der  Blattern- 
Efflorescenzen  enthalten  ist  und  mit  demselben,  sei  dieser 
flüssig  oder  zu  Krusten  eingetrocknet,  auf  andere  Individuen 
durch  subepidermidale  Impfung  übertragen  werden  kann ;  dass 
es  im  Organismus  erst  nach  einer  Incubationsfrist  von  12  bis 
14  Tagen  eine  allgemeine  Erkrankung  veranlasst  und  hier 
sich  reproducirt,  vermehrt.  Ob  es  auch  im  Blute  Variolöser 
enthalten  ist,  schehat  wahrscheinlich  (Züelzer),  aber  noch  nicht 
erwiesen,  unwahrscheinlich  dagegen,  dass  in  anderen  Secreten 
der  Blatterkranken.  Auf  Thiere  (Schaf,  Pferd,  Esel,  Ziege, 
Kuh)  mittelst  der  genannten  Vehikel  übertragen,  erzeugt  es 
an  ihnen  meist  eine  analoge ,  wenn  nicht  gar  identische ,  ent- 
weder nur  örtliche  oder  allgemeine  Krankheit.  Sicher  ist, 
dass  diese,  auf  den  Menschen  zurückverimpft,  nicht  eigentlich 
als  allgemeiner ,  sondern  vorwiegend  als  örtlicher  Process  zur 
Erscheinung  gelangt  (Vaccina). 

Die  in  den  letzten  Jahren  immer  mehr  sich  geltend 
machende  Vorstellung  von  der  organisirten  Natur  der  Contagien 
überhaupt,  hat  auch  bezüglich  desjenigen  der  Pocken  (und  der 
Vaccine)  eine  concrete  Eorm  angenommen.  Seit  Kebee's  Nach- 
weis sehen  Viele  in  kleinen  (0-001  Mm.)  Körnchen  der  Pocken- 
lymphe ,  wenn  nicht  das  Contagiiim  selbst ,   so  doch  dessen 


2Qi)  FiiufKehnte  Vorlesunj;. 

wesentliclisten  Träger.  Ferd.  Cohn  liat  durch  neuere  exacte 
Arbeiten  diese  Ansiclat,  gestützt  und  die  Körperchen  als  vege- 
tationsfähig und  als  eine  den  Blattern  specifische  Kugel- 
bacterien- Art  hingestellt.  Trotz  der  genannten  grossen  Autorität 
auf  dem  fraglichen  Gebiete,  und  trotz  analoger  Funde  von 
LuGiNBÜHL,  Klebs,  Weigert  ,  ZuELZER  u.  V.  A.,  trotz  experi- 
menteller Versuche  aller  Art  (Chauveaü's  Filtrationsversuche) 
und  sogenannter  Culturen ,  Injectionen  an  Thieren  etc.  kann 
ich  nicht  anders  als  mich  gegen  die  Sache  höchst  skeptisch 

verhalten.  .  ,  ,t  i 

Auf  sehr  triftige  Gründe  gestützt,  die  ich  wesentlich  an 
einem  anderen  Orte  dargelegt  habe,  aber  hier  auszuführen 
mir  unthunlich  erscheint,  muss  ich  annehmen,  dass  weder  die 
pfianzUche  Natur  all'  jener,  als  solche  ausgegebenen  Gebilde, 
und  noch  weniger  ihre  Bedeutung  als  Contagien  oder  Gontagien- 
träger,  bis  auf  den  heutigen  Tag  erwiesen,  ja  auch  nur  m 
streng  wissenschaftlichem  Sinne  wahrscheinlich  gemacht  ist. 

Der  AVeg  auf  dem  der  AnsteckungsstofP  gewöhnlich 
aufgenommen  wird,  ist  der  des  ßespirationstractes.  Die  früher 
o-eiäte  Variolation  hat  erwiesen,  dass  die  Uebertragung  auch 
durch  verletzte  Hautstellen  möglieh  ist.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit bemerke  ich,  dass  in  Folge  von  Verunremigung  kleiner 
Wunden  durch  Blatternproducte  heftige  Lymphangioitis,  E 
sipel  Phlegmone  mit  Schüttelfrösten,  Pyämie,  Icterus,  selbst 
Tod 'sich  einstellen  kann.  Ich  selber  habe  eine  leichtere,  em 
College  eine  sehr  complicirte  derartige  Erkrankung  durchzu- 

"""'^Dafs  dt^Contagium  durch  Zwischenpersonen  und  Geräthe 
verschleppt  werden  kann,  scheint  zweifeUos.  Sehr  hohe  Tem- 
peraturen vernichten  dasselbe  viel  mehr  als  hohe  Kalte. 
'  Durch  Kranke,  seltener  durch  Mittelspersonen,  W  die 
Variola  verbreitet.  Für  einzelne  Bevölkerungen,  wie  für  die 
Ittdt  Lyon  durch  EENon  sehr  schön  ^^-nstni.  worden^^^^^^^^ 
man  sehr  oft  von  Fall  zu  Fall  den  Weg  ^^^^^J^ 
Krankheit    durch  Verschleppung    nimmt.    Aus  EmzeltaUen 

wLti    daii^  auf  engere  ^^^^  ^^^"^ 
endlich  Epidemien,  die  ganze  Lander  und  Eidtheile  ubei 
"eh  n     Bei  uns  in  Wien,  wie  in  grossen  Städten  überhaupt, 
hU  es  nie  an  sporadischen  Fällen.  Von  ^f^f]^"^^ 
Zt  ununterbrochene  Epidemie  geherrscht,  die  im  Jahre  18.0  bis 


Blattern. 


263 


1872  bezüglicli  ihrer  geograpliisclien  Ausbreitung,  Bösartigkeit 
und  Mortalität  wohl  als  die  bedeutendste  des  ganzen  Jahr- 
hunderts sich  entwickelt  hat.  In  Wien  z.  B.  sind  imter  25.000 
Sterbefällen  des  Jahres  1872,  3300  Blattern-Todesfälle  gewesen, 
ein  Verhältniss,  dessen  Bedeutung  Sie  ermessen  können,  wenn 
Sie  erfahren,  dass  im  Jahre  1865  unter  21.000  Sterbefällen, 
nur  137  in  Folge  von  Blattern  zählen.  Auf  der  Höhe  der 
Epidemie  sind  die  intensiven  und  letalen  Erkrankungen 
häufiger,  abgesehen  davon,  dass  die  Epidemien  unter  einander 
noch  in  vielen  Beziehungen  sich  unterscheiden.  In  der  70er 
Epidemie  z.  B.  war  die  Häufigkeit  von  Variola  haemorrhagica 
geradezu  unerhört. 

"Was  die  Jahreszeiten  anbelangt,  so  ist  bei  uns  regel- 
mässig in  den  "Wintermonaten,  December  bis  Ende  Eebruar, 
die  grösste  Menge  von  Variolafällen  zu  verzeichnen. 

Dass  in  einer  durchwegs  geimpften  Bevölkerung  die 
Blattern  derselben  Epidemie  niemals  jene  Verheerungen  an- 
richten, wie  in  einer  nicht  geimpften,  kann  man  fort  und  fort 
constatiren.  BQerüber,  sowie  über  den  relativen  Schutz  der 
Individuen  durch  die  Impfung,  habe  ich  bereits  gesprochen,  in 
dem  Sinne,  dass  die  Empfänglichkeit  gegen  das  Blattern- 
contagium  und  dieses  in  seiner  "Wirkung  dauernd,  oder  für 
lange  Zeit  aufgehoben  oder  wenigstens  abgeschwächt  wird. 
Das  Grleiche  erweist  sich  für  Personen,  die  bereits  Blattern 
überstanden  haben.  Doch  sind  zwei-  selbst  dreimalige  Er- 
krankungen an  Blattern  öfters  beobachtet  worden  und  der- 
artige Personen  sind  in  den  späteren  Erkrankungen  mehr 
gefährdet.  Sie  erweisen  sich  eben  ipso  facto  als  besonders 
disponirt.  Ich  habe  von  einem  Ealle  berichtet,  in  dem  14  Tage 
nach  Ablauf  einer  Variolois  eine  zweite  regelrecht  auftrat 
und  verlief,  und  Kramee  hat  Gleiches  mitgetheilt. 

Von  diesen  Verhältnissen  abgesehen,  ist  die  Disposition 
der  Individuen  sehr  verschieden,  am  geringsten  wohl  bei 
Kindern  der  ersten  Lebensmonate  und  Personen  hohen  Alters. 
Doch  kann  auch  der  Eötus  im  Mutterleibe  an  Variola  er- 
kranken, wobei  derselbe  fast  durchwegs  ausgestossen  wird, 
todt  oder  lebensschwach.  Es  ist  strittig ,  ob  jedesmal  eine 
Erkrankung  der  Mutter  vorausgehen  muss.  Dass  Schwangere 
und  "Wöchnerinnen  gerade  mehr  als  Andere  für  Blattern  dis- 
ponirt wären,  wüsste  ich  nicht  zu  sagen.  Ich  weiss  nur,  dass 


Fünfzehnte  Vorlesung. 

sie  mehr  gefährdet  sind.    Dasselbe  gilt  bezüglich  der  Neger, 
die  wohl  durchwegs  sehr  bösartig  erkranken,  wahrscheinlich 
aber  nur,  weil  sie  meist  ungeimpft  sind.    Eine  interessante 
Thatsache  ist,  dass  innerhalb  der  30  Jahre,  da  Hebra  die 
Blatternabtheilung  leitete,  niemals  von  den  dort  continuirlich 
beschäftigten  Aerzten  und  Wartpersonen  J emand  erkrankt  ist, 
dagegen  leider  alljährlich  mehrere  Aerzte  und.  Studenten,  die 
auch  nur  ganz  flüchtig  die  Abtheilung  der  Vorlesung  halber 
besucht  haben.  Man  kann  temporär  immun  gegen  Pocken  sich 
verhalten,  in  einer  Gelegenheit  verschont,  in  einer  scheinbar 
weniger  gefährlichen  inficirt  werden. 

Dass  die  Infection  mit  Blattern  durch  anderweitige,  von 
früher  bestehende  Krankheiten  der  Haut  und  der  inneren 
Organe,  auch  das  Puerperium,  nicht  behindert  wird,  ist  schon 
gesagt  worden,  eben  so  wenig  durch  acute  fieberhafte  Krank- 
heiten, wie  Typhus,  Pneumonie  und  die  anderen  acuten 
Exantheme ,  nur  dass  in  den  letzteren  Fällen  der  Ausbruch 
der  Blattern  bis  in  das  Stadium  decrementi  jener  Processe 

sich  verzögert. 

Der  Therapie   bietet  ein  so  symptomenreicher  Process, 
wie  die  Blattern,  ein  weites  Feld,  doch  sind  die  auf  demselben 
zu  gewinnenden  Erfolge  lange  nicht  so  befriedigend,  als  dies 
erwünscht  sein  mag.   Wenn  Einzelne  glauben,  die  im  Pocken- 
inhalte oder  im  Blute  von  Variola-Leichen  gefundenen  feinsten 
Körnchen  als  Bacterien  oder  Micrococcen  und  als  das  Pocken- 
gift agnosciren  zu  dürfen,  und  demnach  auch  durch  Dar- 
reichxmg  von    salicylsaurem  Natron    oder    Xylol  (Borkärt, 
ZuELZEB)  bei  Blatterkranken  auf  die  Zerstörung  dieser  giftigen 
Schizomyceten  hinwirken  und  den  Krankheitsprocess  besänf- 
tigen zu  können,  so  habe  ich  nichts  dagegen  einzuwenden 
da  ja  das  Princip,   welches  hiebei  leitet,   richtig  ist.  Ich 
zweifle  nur  an  der  Bedeutung   der  vemeintHchen  Erfolge. 
Eben  so  wenig  vermögen  grosse  Dosen  von  Chinin,  Brech- 
weinstein,   oder   die  bei  Beginn   der  Blattern  ausgeführte 
Vaccination,  oder  subcutane  Injection  von  Vaccine,  etwas  Er- 
spriessliches  zu  leisten.   Es  verläuft  sogar,  wenn  die  Letztere 
haftet,  die  Vaccine-Eruption  ungestört  paraUel  der  Variola. 
Wir  besitzen  eben  nach  meiner  Ueberzeugung  kein  Mittel, 
welches  die  einmal  perfecte  Infection  und  ihre  Wu'kung  auf 
den  Organismus  aufzuhalten  oder  zu  beirren  vermöchte,  eben 


Blattern. 


265 


so  wenig,  wie  wii"  die  constitutionelle  Syphilis  zu  verhüten 
im  Stande  sind,  Avenn  einmal  das  Gift  örtlich  inocnlirt  worden, 
trotzdem  wir  noch  Wochen  vor  dem  Ausbruch  derselben  für 
unsere  Thätigheit  zur  Verfügung  haben  und  sogar  die  ersten 
Wege  des  Giftes  ziemlich  verfolgen  können.  Es.  bleibt  uns 
auch  für  die  Blattern  nur  die  symptomatische  Behandlung 
übrig. 

Da  aber  die  Symptome  bei  den  Blattern  massigen  Grades 
nicht  beunruhigend  sind,  und  der  Verlauf  typisch  sein  Ende 
erreicht,  so  ist  auch  da  thatsächlich  nichts  wesentlich  Thera- 
peutisches zu  leisten.  Massige  Zimmertemperatur,  gute  Lüftung 
des  Krankenraumes  auch  bei  strenger  Winterkälte  ohne  Gefahr 
des  Zurückgetriebenwerdens  der  Pocken,  aber  im  Interesse 
des  Patienten  und  der  mit  ihm  verkehrenden  Personen,  kühlende 
Getränke ,  am  besten  frisches  Wasser ,  das  bei  Blattern  der 
Mundhöhle  am  liebsten  genommen  wird,  der  Fieberbewegung 
entsprechende  Diät,  das  ist  Alles,  was  in  solchen  günstigen 
Fällen  das  Behandlungsprogramm  ausfüllt. 

Gegen  durch  die  Variola  der  Schleimhaut  veranlasste 
Schlingbeschwerden  und  Stomacace  können  Gargarismen  (Kali 
chloricum,  Alumen  zu  5,  auf  300,  aqu.  font.  oder  Infus,  tiliae 
und  Aehnliches  mit  Tinct.  laudan.  croc.  2,50  und  Meli,  rosat. 
10)  gereicht  werden.  In  schweren  Fällen  vermögen  aber  die 
Patienten  kaiim  zu  spülen  und  man  reicht  am  besten  frisches 
Wasser  und  Eispillen. 

Sobald  die  Decrustation  allenthalben  eingetreten,  verhält 
man  den  Kranken  täglich,  oder  jeden  anderen  Tag  ein  warmes 
Bad  zu  nehmen,  sich  gut  mit  Seife  zu  waschen.  Es  ist  kein 
Grund  vorhanden ,  anzunehmen ,  dass  ein  derart  von  Blattern 
Absolvirter,  nach  Abfallen  aller  Krusten,  noch  Andere  an- 
stecken könne. 

Grössere  Anforderungen  treten  an  den  Arzt  heran  gegen- 
über der  Variola  vera  und  confluens.  Doch  vermögen  wir  nur 
zum  Theile  denselben  zu  genügen.  Dass  gegen  Variola  haemor- 
rhagica  alle  Mittel  vergebens  sind  (Xylol ,  Ferrum  sesqui- 
chloretum ,  Ergotin  innerlich  und  subcutan  injicirt  u.  v.  A.) 
ist  bereits  nach  den  geschilderten  Symptomen  derselben  voraus- 
zusetzen. Dieselben  laufen  ja  im  Prodromal-  und  ersten 
Eruptionsstadium  zu  Ende.  Wir  sind  selbst  gegen  die  oft 
stürmischen  Erscheinungen  dieser  Periode ,  Fieber ,  Unruhe, 


2ßß  Fünfzehnte  Vorlesung. 

Erbrechen,  Kreuzschmerzen,  Cardialgie,  Oppression,  nicht  viel 
zu  leisten  im  Stande.    Ich  warne  speciell  vor  Chloralhydrat, 
Kali  bromat.,  Opiaten  und  subcutanen  Morphin- Inj ectionen, 
um  niclit  die  Nerventhätigkeit  vorzeitig  zu  sehr  herabzusetzen. 
Nur  wenn  ohnedies,  wie  bei  Purpura  variolosa,  der  letale 
Ausgang  sicher  zu  erwarten  steht,  oder  wenn  das  Individuum 
im  Fieberwahn  Selbstmordversuche  macht  oder  die  Umgebung 
bedroht,  oder  Delirium  potatorum  vorliegt,  oder  das  Individuum 
überhaupt  anders  nicht  tractabel  wäre,  kann  ich  Opiate  be- 
fürworten.   Chloralhydrat  empfiehlt  Curschmann  als  Klysma 
zu  verabfolgen  (Hydrat.  Chloral.  6,0—8,0,  Aqu.  dest.  mucil. 

g.  arab.  aa  25,0). 

Auf  Nebensymptome  Bedacht  nehmende  Medicationen, 
wie  Aqu.  lauroceras.  gegen  Uebligkeiten ,  kalte  Umschläge 
gegen  Hitze  im  Kopfe,  gegen  Collapssymptome  Cognac, 
Campher  etc.  etc.  können  frei  gehandhabt  werden.  , 

Im  weiteren  Verlaufe  steht  die  grosse  Meuge  von  dicht 
gedrängten  Pockenpusteln  und  die  sie  begleitende  Dermatitis 
im  Vordergrunde  der  Symptome.  Mit  derselben  sind  Fieber, 
Schlaflosigkeit,  Delirien,  Coma  oder  der  plötzliche  Tod  durch 
Herz-  und  Lungenlähmung  im  innigen  Zusammenhange.  Des- 
halb sind  auch  diese  Krankheitsmomente  durch  nichts  in  directer 
Weise  zu  beeinflussen. 

Aus  diesem  Grunde  sowohl,  wie  auch,  weil  je  zalilreicher, 
mehr  gedrängt  und  tief  die  Pusteln  sitzen,  auch  die  subjectiven 
Symptome,  Schmerz,  Spannung  um  so  grösser  sind  xmi  weiters, 
im  späteren  Stadium  decrustationis  um  so  mehr  Metastasen 
der  früher  geschilderten  Art  befürchtet  werden  müssen,  endlich 
in  der  Hoffnung,  das  Zurückbleiben  von  Narben  verhüten  zu 
können,  -  aus  all'  diesen  Gründen  hat  man  von  jeher  sich 
bestrebt,  die  Pustelbildung  möglichst  zu  bekämpfen,  die  abortive 
Rückbüdung  der  Pocken  und  die  Eintrocknung  derselben  durch 
Coagulation  des  flüssigen  Inhaltes  zu  beschleunigen. 

Bekannt  ist  die  schon  von  Alters  her  geübte  Methode 
des  Aufstechens  der  Pusteln,  oder  ihrer  Aetzung  mittelst 
Lapis  (ektrotische  Behandlung),  Verfahren,  die  bei  wenigen 
Pocken  überflüssig,  bei  zahlreichen  undui'chführbar  und  unnutz, 
oder  eigentlich  schädlich  sind. 

Zur  Verminderung  der  schmerzhaften  Spannung  im 
Gesichte ,  an  Händen  und  Füssen  ist  die  Application  von  aut 


Blattern. 


267 


Leinwand  gestrichenen  einfachen  Salben,  Einölen,  Emschmieren 
von  Speck  imd  Aehnlichem  zu  empfehlen,  besser  noch  das 
Belegen  und  Einhüllen  mit  kühlen  nassen  Compressen ,  Um- 
schlägen von  Wasser -Glycerin  oder  mit  Kautschuk-Leinwand. 

Wichtiger   sind   die  Verfahrungsweisen ,   welche  dahin 
zielen,    die  abortive  Eintrocknung   der  Bläschen  (vor  der 
Suppiu-ation)  und  Pusteln  zu  bewirken.    Was  die  Hoffnung 
anbelangt,  derart  Narbenbildung  verhüten  zu  können,  so  darf 
man  nicht  vergessen,  dass  tief  angelegte  Pocken  eo  ipso  mit 
Vereiterung  des  Papillarkörpers  einhergehen,  daher  unter  allen 
Umständen  Narben  hinterlassen  müssen,  während  im  Rete  ab- 
laufende, also  oberflächliche  Pusteln  eben  so  unter  allen  Um- 
ständen  ohne  Narbe  verheilen.    Darnach    können   Sie  den 
Werth  jener  Anpreisungen  ermessen,  nach  welchen  das  Auf- 
legen oder  Einschmieren  dieser  oder  jener  Salbe  oder  Tinctur, 
oder  das  Abhaltendes  Lichtes  und  vieles  andere  z.  Th.  Abenteuer- 
liche die  Narbenpocken  verhütet  habe.  Die  günstigere  oder  un- 
günstigere anatomische  Anlage  der  Pocken  ist  im  voraus  in 
dieser  Beziehung  bestimmend.    Man  rühmt  neben  den  oben 
angeführten  kalten  Umschlägen  und  einfachen  Salben  noch 
Unguent.  cinereum,  Empl.  hydrargyri.  Bepinseln  mit  Tinct. 
jod. ,    Eintupfen    mit    Siiblimatlösung    (Sublimat  0,20,  Aqu. 
dest.  100),  oder  Sublimatbäder  (5,00  ad   300  Wasser,  in's 
Bad  zu  schütten).    Doch  vergesse  man  bei  den  Quecksilber- 
präparaten nie  auf  die  Grefahr  der  Salivation.  In  neuerer  Zeit 
ist  das  auch  von  uns  schon  in  den  Sechziger  Jahren  auf  der 
Blatternabtheilung  angewendete  LiSTER'sche  Liniment  (Acid. 
carbolici  1,  Olei  olivar.  8,  Cretae  alb.  pulv.  2,00)  empfohlen 
worden  (Schwimmer).  Wir  haben  nichts  Eclatantes  von  seiner 
Wirkung    gesehen.    Dennoch    will  ich  behufs  beschränkter 
Applicationen  im  Gesichte,  an  Händen  und  Füssen  diese  und 
ähnliche  Mittel,  die  wir  fast  alle  mit  versucht  haben,  befür- 
worten. Sie  verringern  alle  die  Spannung,  verhüten  die  Eiter- 
absperrung und  damit  einen  Theil  der  Gefahr  für  Erysipel 
und  Metastasen. 

Was  ich  in  schweren  Fällen  von  Variola  vera  und  con- 
fluens  aus  gleichem  Grunde  bestens  und  wärmstens  empfehlen 
kann,  sind  continuirliche  Bäder  nach  dem  Vorgehen  von  Hebra. 
Man  kann  die  Kranken  vom  9.  Tage  ab,  vom  Beginn  der 
Suppuration ,    täglich  in   ein  lauwarmes  Bad   bringen  und 


268 


Fünfzehiito  Vorlesung. 


daselbst  durch.  2 — 4  Stunden  belassen  ,   während  dieser  Zeit 
stets  durch  Wasserwechsel  das  Bad  in  der  dem  Kranken  an- 
genehmsten Temperatur  erhaltend.    Aus  dem  Bade  genommen 
wird  derselbe  am  ganzen  Körper  mit  Poudre  bestreut.  Die 
Patienten  befinden  sich  höchst  behaglich.    Die  Mühe  ist  nicht 
gross,  da  selbst  Schwerkranke  ganz  gut  allehi  In's  Wasser 
steigen  und  herausgehen,  eventuell  mit  dem  Laken  hinein- 
o-ehoben  werden  können.    Die  auffallendste  Wirkung  besteht 
in  raschem  Einsinken  der  Pocken  und  Nachlass  der  Spannung, 
in  Beschleunigung  der  Abtrocknung  und  Decrustation,  so  dass 
Fälle,  in  welchen  die  letztere  sonst  gegen  Ende  der  vierten 
Woche  zu  erwarten  wäre,  schon  am  15. — 16.  Tag  in  dieser 
Beziehung  beendet  sind.   Man  hat  dabei  nichts  zu  befürchten. 
Hat  ja  Hebra.  den  schwerstkranken  Variolösen  mit  Pleuro- 
pneumonie Tag  und  Nacht  im  Wasserbett  erhalten  und  genesen 
o-esehen.    Ich  habe  als  Assistent  zahlreicke  Fälle   auf  der 
Klinik  und  viele  privat  derart  behandelt.    Der  nächste  und 
grösste  Vortheil  dieses  Verfahrens  besteht  in  der  zweifellosen 
Verhütung    oder    Beschränkung    der    metastatischen  Haut- 
entzündungen, Abscesse  und  Gangrän,  die  bei  copiösen  und 
confluirenden  Pockenpusteln  stets  zahlreich  und  das  Leben 
gefährdend  sick  einsteUen.    Solcke  metastatische  Processe  ver- 
laufen  auch   selber   im   continuirlichen  Bade   nach  unseren 
reichen  Erfahrungen  am  besten. 

Im  Uebrigen  werden  sie  lege  artis  chirurgicae  behandelt. 
Namentlicli  müssen  Abscesse,  sobald  sie  durch  Hautröthe,  oder 
auck  nur  Schmerz  und  geringe  Fluctuation  sick  zu  erkennen 
geben,  sofort  eröffnet  werden. 

Von  den  Augenaffectionen  erheiscken  die  metastatische 
Keratitis,  Iritis,  Hypopium  rasches  Eingreifen.  Punction  der 
Cornea,  Atropin-Einträufeln,  Druckverband,  Einschmieren  von 
Belladonna  mit  Ung.  cinereum  (Extr.  Beilad.  0,35,  Ung. 
cinerei  10,00)  über  den  Augenbrauen  etc.  werden  indicirt  sein. 

Bei  intensiver  Variola  des  Kehlkopfes  mit  Aphonie,  In- 
crustation  der  Sckleimhaut  habe  ich  von  der  Tracheotoime  doch 

keine  Rettung  gesehen. 

Nach  Ablauf  der  Blattern  zurückgebliebene  Seborrhoe 
ist  nach  den  auf  pag.  151  gegebenen  Vorschriften  zu  behandeln. 
Warzige  Narben,  Hautinsebi  und  Brücken  im  Bereiche  der 
Nase  und  der  Stirne  sind  mittels  Scheere  abzutragen. 


Blattern. 


269 


Icli  schliesse  diese  therapevitisclaen  Ratlischläge  mit  dem 
Hinweise  auf  die  Nothwendigkeit,  dass  der  Arzt  der  Mannig- 
faltio-keit  der  Symptome  und  ihrer  Bedeutung  jedesmal  sein 
Benehmen  anpasse. 

An  die  Massnahmen  der  Behandlung  schliessen  sich  die 
der  Prophylaxis.  Sie  sind  zunächst  dieselben  und  auf  der- 
selben theoretischen  Grundlage  zu  empfehlen ,  wie  bei  anderen 
contagiösen  Krankheiten,  als  möglichst  strenge  Isolirung 
der  Kranken  sowohl  in  der  Privat-  wie  in  der  öffentlichen 
Pflege  und  Desinfection  der  von  Blatterkranken  innegehabten 
Räume  und  benützten  lüeider  und  Greräthe  u.  s.  w.  Nebst  der 
guten  Lüftung  ist  das  Aufstellen  von  Chlorkalk  in  dem 
-Krankenzimmer  oder  Carbolspray ,  Trimethylammoniiun ,  mit 
dem  auch  die  Haut  der  Yariolösen  zwei-,  dreimal  täglich 
allenthalben  arrosirt  werden  kann,  Desinfection  der  Aborte 
und  Aehnliches  zu  empfehlen. 

Die  individuell  imd  epidemiologisch  wichtigste  Prophy- 
laxis gegen  Blattern  bildet  die  Impfung  mittelst 

Vaccine  —  Vaccination. 

Im  geschichtlichen  Theile  dieses  Capitels  habe  ich  bereits 
mitgetheilt,  wie  man  zu  der  Ansicht  gelangt  ist,  durch  künst- 
liche Einimpfung  der  Pocken,  Inoculation  oder  Variolation, 
die  Menschen  vor  der  Gefahr  einer  späteren  Erkrankung  zu 
schützen,  und  dass  dieses  Vorgehen  deshalb  verlassen  und  be- 
hördlich verboten  wurde,  weil  die  derart  Erkrankten  ipso  facto 
zur  Verbreitung  des  flüchtigen  Contagiums  und  zur  Entstehung 
neuer  Blatternepidemien  beitrugen,  und  dass  schliesslich  durch 
Jenner's  Entdeckung  der  Vaccination  sowohl  jener  ange- 
strebte Schutz  erreicht,  als  die  letztgenannte  Gefahr  ver- 
mieden wurde. 

Bei  vielen  Haiisthieren,  Kuh,  Schwein,  Pferd  (Mauke,  am 
Fiissgelenke),  Ziege,  Hund  (und  beim  AfFen)  hat  man  gelegent- 
lich den  Ausbriich  von  Pocken  beobachtet.^  Bei  der  Kuh 
sitzen  sie  auf  dem  Euter  und  den  Zitzen.  Sie  stellen  da  eine 
rein  örtliche  Krankheit  vor,  und  man  hat  Grund  zu  glauben, 
dass  sie  nie  anders  als  durch  directe  Uebertragung  und  nie- 
mals originär  entstehen.  Ihr  Contagium  ist  aber  nicht  flüchtig 
und  überträgt  sich  demnach  auf  andere  Thiere,  sowie  auf  den 


270  Fiinfzelinte  Vorlesung. 

Mensclien  nur  durch  directen  Contact  mit  einer  verletzten 
Hautstelle. 

Gelegentlioli  kommt  eine  sololie  Uebertragung  auf  den 
Mensclien  vor.  Ich  habe  zweimal  an  Männern,  sogenannten 
„Schweizern",  das  sind  Kuhmeier,  eine  Eruption  von  Variola 
vaccina  gesehen.  Sie  erschien  in  Form  von  auf  den  Händen 
und  über  dem  Arm  zerstreuten  ,  stellenweise  zu  Gruppen  an- 
einandergedrängten ,  bis  pfenniggrossen ,  mit  heller  Lymphe 
gefüllten  und  zum  Theile  gedellten,  flachen ,  von  rothem  Hofe 
umgebenen  Bläschen,  die  binnen  14  Tagen  etwa  unter  Trübung 
und  Verkrustung  verheilten. 

Bei  Schafen  kommt  auch  die  Pocke  (Ovine)  als  ört- 
liches Uebel ,  aber  zuweilen  auch  als  allgemeine  Blattern- 
krankheit vor,  welche  sich  flüchtig-contagiös  erweist  und  derart 
zu  verheerenden  Ovine-Epizootien  Veranlassung  gibt,  denen  grosse 
Schafheerden  zum  Opfer  fallen.  Deshalb  hat  man  wiederholt 
die  Idee  gefasst,  die  Schafe  mit  Menschen-  oder  Thierpocken 
schutzweise  zu  impfen ,  und  dieselbe  scheint  nur  wegen  der 
materieUen  Schwierigkeit  der  Durchführung  und  besonders  des- 
halb nicht  durchzugreifen,  weil  bei  solchen  Impfungen  ge- 
legentlich statt  örtlicher  Pocken  allgemeine  Ovine  auftrat,  die 
wieder  zu  einer  Ovine-Epizootie  führte. 

Bezüglich  der  Einimpfung  der  Vaccine-  auf  den  Menschen 
ist  Aehnliches  nicht  zu  fürchten.  Stets  entsteht  nur  eine  ört- 
liche Eruption  und  von  dem  geimpften  Menschen  überträgt 
sich  deren  Lymphe  wieder  nur  durch  directen  Contact,  sei  es 
auf  Menschen,  oder  die  Kuh  und  andere  Thiere. 

Man  hat  unmittelbar  nach  Jenner's  PubKcation  (1798) 
nur  mittels  Kuhpocken  direct  auf  den  Menschen  geimpft,  was 
man  später  Impfung  mit  o  riginärer  Lymphe  nannte,  nach 
und  nach  aber  diese  Methode  aufgegeben,  weil  die  BeschaflPung 
des  Materials  schwierig  und  kostspielig  war  und  die  Lymphe 
zu  oft  fehlschlug,  auch  bei  der  Haftung  heftige  Entzündungs- 
erscheinungen  zuweilen  auftraten.  So  kam  man  bald  dazu, 
statt  von  originären  Kuhpocken,  von  den  durch  diese  erzeugten 
Menschenpocken  zu  impfen,  deren  Lymphe  als  humanisirte 
Vaccine  bezeichnet  und  bis  heute  allgemein  zur  Impfung  ver- 
wendet wird. 

Die  Schutzkraft  derselben  wurde  vielfach  direct  erwiesen, 
indem  man  geimpften  Kindern  sogar  Menschenblattern  ohne 


Blattern. 


271 


"Wirkung  oculirte,  wie  die  von  Auspitz  veröfFentlicliten  Proto- 
kolle Peter  Frank's  (1801)  sehr  überzeugend  darthun.  Die  san- 
guinisclien  Erwartungen  der  ersten  Impfjahre  wurden  allerdings 
nicht  erfüllt.  Sie  wissen,  dass  auch  Vaccinirte  an  Blattern 
erkranken  können.  Allein  selbst  Variola  schützt  nicht  absolut 
vor  einer  zweiten  und  selbst  dritten  Erkrankung.  Aber  es  liegt 
ein  geradezu  erdrückendes  Beobachtungsmaterial  über  die  rela- 
tive ,  aber  doch  bedeutende  Schutzkraft  der  Impfung  vor,  gegen 
dessen  Beweise  alle  G-egen-Argumente  verstummen  müssen. 

Man  ist  im  Laufe  der  Zeit  zu  der  Ueberzeugung  gelangt, 
dass  die  Schutzkraft  der  Vaccine  zwar  bei  vielen  Menschen 
für  das  ganze  Leben  besteht,  aber  im  Allgemeinen  mit  der 
Zeit  im  Individuum  sich  abschwächt  und  bei  Vielen  nicht  über 

IQ  12  Jahre  sich  geltend  macht.    Darum  dringt  man  mit 

Recht  auf  Wiederholung  der  Impfung  —  Revaccination. 
In  der  preussischen  Armee  hat  sich  diese  Massregel  glänzend 
bewährt. 

Weiters  hat  man  die  Schuld  an  der  Infektion  Geimpfter 
durch  Blattern  damit  motiviren  wollen,  dass  die  humanisirte 
Lymphe,  indem  sie  seit  ihrer  Entnahme  von  den  originären 
Kuhpocken  du.rch  so  viele  Menschen-Generationen  durchgeführt 
worden,  an  Schutzkraft  nothwendig  eingebüsst  haben  müsse, 
und  dass  es  darum  räthlich  sei,  dieselbe  durch  ßetrovaccination 
auf  die  Kuh  aufzufrischen.  In  unserem  Hauptimpfinstitute  in 
Wien  wird  aber  in  einzelnen  Sälen  die  von  Jenner  selbst 
gesandte  Ljmiphe  seit  der  Eiaführung  durch  de  Carro,  d.  i. 
seit  1802  fortgeführt ,  ohne  dass  sie  nachweislich  an  Haft- 
barkeit oder  Schutzkraft  eingebüsst  hätte.  Das  Gleiche  ist  in 
England  der  Fall.  Obgleich  demnach  die  Regeneration  der 
Kuhpocken  durch  Retrovaccination  nicht  nöthig  erscheint, 
ist  sie  doch  wiederholt  angerathen  und  öfters  mit  Erfolg 
durchgeführt  worden  (Pissm). 

Endlich  hat  man  der  Impfung  mittelst  humanisirter 
Lymphe  den  Vorwurf  gemacht,  dass  durch  dieselbe  allerlei 
constitutionelle  Krankheiten,  Scrophulose ,  Rhachitis,  Tuber- 
culose,  speciell  Syphilis  von  einem  Kinde  auf's  andere  über- 
tragen und  derart  das  Menschengeschlecht  systematisch  körper- 
lich deteriorirt  würde. 

Von  allen  diesen  Vorwürfen  haftet  blos  der  eine  bezüg- 
lich der  Syphilis.    Es  sind  thatsächlich  einzelne  Uebertragun- 


2-^9  PünfKehnte  Vorlesung. 

gen  dieser  Krankheit  durch  die  Impfung  vorgekonnnen  — 
Impfsj^philis.    Allein  die  Zahl  dieser  unglücklichen  Vor- 
kommnisse ist  geradezu  verschwindend  klein  gegenüber  den 
Millionen  schadlos  durchgeführter  Impfungen,  und  die  genauen 
Untersuchungen  der  Fälle  haben  theils  Irrthümer  ergeben, 
theils,  dass  die  betrefPenden  Kinder  schon  vor  ihrer  Impfung 
syphilitisch  waren,  theils  dass  bei  gehöriger  Vorsicht  von 
Seite  des  Impfarztes  das  Unglück  hätte  vermieden  werden 
können.    Einige  Fälle  bleiben  aUerdings  noch  unaufgeklärt, 
ebenso  wie  die  Art  der  Uebertragung.    Auf  keinen  FaU  ist 
die  Ansicht  Viennois'  richtig,   dass  in  der  Beimengung  von 
Blut  zur  Lymphe  die  einzige  materieUe  Ursache  der  gelegent- 
lichen Syphilisübertragung  ruhe,  denn  die  reinste  Lymphe 
enthält  einzelne  Blutkörperchen.    Köbner,  Auspitz,  Rineckee, 
Bädmlee  haben   den   Gegenstand  in  belehrender  Weise  be- 
handelt. .  . 

Dennoch  sind  die  angeführten,   gegen  die  hnmanisu'te 
Lymphe  geltend  gemachten  Vorwürfe  wirksam  genug  gewesen, 
um  einen  Theil  der  Impffreruide  ihr  abwendig  zu  machen  und 
den  Wunsch  rege  zu  halten,  dass  nur  originäre  Vaccine  füi' 
die  Impfung  verwendet  werde.  Nachdem  in  Neapel  schon  über 
50  Jahre  ein  Institut  für  Kuhpocken-Impfung  bestanden  hatte, 
wurden  seit  1864  der  Reihe  nach,  theils  auf  Staatskosten, 
theils  durch  Privatmittel,  solche  errichtet  in  Frankreich,  Belgien, 
Deutschland  (Pissm's  nnd  Röll's  Bericht)  und  neuestens  zwei 
in  Wien  selbst.    Man  impft  da  junge  Färsen  auf  der  Bauch- 
wand und  benützt  die  durch  Anstechen  oder  durch  Einklemmen 
der  Basis  zum  Austritt  gezwungene  Lymphe  direct,  oder  ein- 
getrocknet oder  flüssig  aufbewahrt  zur  Impfung.  Obgleich 
die  Berichte  der  Institutsvorsteher  selbst  sehr  günstig  lauten 
wird  doch  von  anderer  Seite  die   schwierigere  Haftung  und 
die  grössere  Gefahr  von  complicirenden  Entzündungen  ,  ßotli- 
lauf  und  Gangrän  betont.    Ich  selbst  habe  derart  em  Kind 
zu  Grunde  gehen  sehen.    Indessen  kann  man  doch  pnncipiell 
die  Impfungen  mit  originärer  Lymphe  nur  gut  heissen,  da  sie 
gewiss  in  der  Hand  von  Geübten  auch  möglichst  von  solch 
fiblen  Folgen  frei  bleiben  und  dem  Theile  der  Bevo  keru^ 
den  Schutz  der  Impfung  bieten,  der  die  hnmanisirte  Ljnip^^e 
.  aus  irgend  welchen  Gründen  perhorrescirt.    Eb  kommt  abe, 
bei  der  Prophylaxis  der  Bevölkerung  durch  die  Impfung  darauf 


Bliittevn.  27;} 

an  dass  sie  mögliclist  absolut  allgemein  durcligeführt  werde, 
weil  jedes  einzelne  nicht  geimpfte  Individnum  sowolil  selber 
inelir  disponirt  für  Blattern  und  melir  diirch  sie  gefährdet  ist, 
als  auch  die  Ansteckungsquelle  für  Andere  abgibt. 

Bei  uns  ist  die  Impfung  mittelst  h um anisirt er  Lymphe 
allgemein  gebräuchlich. 

Man  impft  entweder  von  Arm  zu  Arm,  oder  mit  m  glä- 
sernen Haarröhrchen  aufbewahrter  flüssiger  oder  auf  Bein- 
chen eingetrockneter  Lymphe.    Die  flüssige  kann  im  Falle  des 
Bedarfes  nach  Müllee's  Vorgang  mit  Glycerin  nnd  Wasser 
(je  2  Theile)  verdünnt  werden ;    die  eingetrocknete  wird  vor 
der  Anwendung  in  einem  Tröpfchen  "Wasser,  oder  durch  Ver- 
schmieren in  dem  von  dem  Impfstich  des  Impflings  hervor- 
quellenden Serum  gelöst.    Bei  directer  Impfung  nimmt  man 
die   durch   oberflächliches   Anstechen   der   7—8   Tage  alten 
Impfpusteln  des  Stammimpflings    zum  Anstritte  veranlasste 
Lymphe.  Man  überträgt  sie  mittelst  Impflanze  \md  subepider- 
midales  Einstechen,  oder  durch  Aufstreichen  auf  die  oberfläch- 
Hch  scarificirte  Haut,   am  besten  der  Streckseite  des  Ober- 
armes ,  bei  Mädchen  so  weit  oben ,   dass  die  Narben  später 
beim  Biosstragen  des  Armes  nicht  zu  sehr  sichtbar  werden. 
Zwei  Impfstiche  beiderseits  genügen.    Gesunde  Kinder  können 
nicht  fiüh  genug  geimpft  und  vor  Blattern  geschützt  werden, 
besonders  zur  Zeit  von  Epidemien,  oder  bei  grosser  Nähe  der 
Blatterngefahr,   z.  B.  Kinder  von  Aerzten.    Ich  habe  meine 
Kinder  in  der  ersten  Lebenswoche  geimpft;    sie  haben  den 
Process  ohne  Eieber  durchgemacht.    Keine  Jahreszeit  oder 
Witterung  ist  ein  Hinderniss  für  die  Impfung. 

Bei  normalem  Verlaufe  derselben  entstehen  an  den  Impf- 
stellen am  3.  bis  4.  Tage  kleine  rothe  Knötchen,  welche  am 
5.  bis  7.  Tage  zu  Bläschen  sich  entwickeln  und  am  7.  bis 
8.  Tage  bis  zu  pfenniggrossen ,  praUen ,  oft  gedellten ,  trans- 
parenten Bläschen  geworden  sind.  Ein  mässiger  rother  Hof 
umgibt  dieselben.  Vom  9.  Tage  ab  trübt  sich  der  Inhalt  und 
trocknet  derselbe  zu  einer  Borke  ein  ,  welche  nach  abermals 
10—14  Tagen  mit  Hinterlassung  einer  Narbe  abfällt. 

Man  sieht  allgemein  die  „schöne"  Narbe  als  Kriterium 
für  eine  erfolgreiche  Impfung  an,  ohne  dass  dies  jedoch  absolut 
richtig  wäre.  Es  ist  gut,  die  Kinder  während  dieser  Zeit 
nicht  zu  baden,  um  die  Entwicklung  der  Pocken  nicht  durch 

Kaposi,  Hautkranklieiten.  18 


274 


Fünfzehnte  Vorlesung. 


Maceretion  oder  mechanisclie  Verletzung  zu  stören.  Massiges 
Fieber  begleitet  dieselben  zumeist  im  Höliestadium. 

Anomaler  Weise  bleiben  die  Impfefflorescenzen  auf  der 
Höhe  der  Knötchen  stehen,  ohne  sich  zu  Bläschen  zu  ent- 
wickeln —  Variola  vaccina  atrophica,  Steinpocken.  Oder 
es  entwickeln  sich  auf  der  Impfstelle  und  ilirer  Nachbarschaft 
juckende  und  alsbald  vom  Kinde  zerkratzte  Knötchen  und 
Bläschen  —  Eczempocken,  V.  vaccina  herpetica;  oder 
grosse  Blasen ,  nach  deren  Abtrocknen  keine  Narbe  zurück- 
bleibt —  Blasenpocken,  V.  vaccina  pemphygoides ;  oder 
es  tauchen  Furunkel  auf.  Zuweilen  bleibt  nach  Abfallen  der 
Pockenkruste  eine  wunde  Stelle  zurück,  welche  durch  Wochen 
und  Monate  Serum  und  Eiter  secernirt ,  sich  peripher  ver- 
CTÖssert ,  an  der  Basis  sich  hart  infiltrirt ,  mit  wuchernden 
Granulationen  und,  wenn  nicht  gepflegt,  mit  dicken  Krusten 
sich  belegt,  Schwellung  der  Achseldrüsen  bedingt  und  ein 
sypliilitisches  G-eschwür  vortäuscht.  Sie  heilt  nach  Aetzung 
mit  Lapis  und  Bedeckung  mit  leicht  ad  stringir enden  Verbänden 
(Kali  caust.  0,1,  Aqu.  font.  25,  oder  Ung.  simpl.  25,  Nitr. 
argent.  0,04). 

Bisweilen  entstehen  Nebenpocken,  Vaccinolae,  das 
sind  den  Impfpocken  ähnliche  Efflorescenzen ,  gleichzeitig  mit 
jenen,  oder  etwas  später,  an  nicht  geimpften  Stellen,  meist 
am  Arm ,  den  Schultern  und  dem  Thorax ,  zu  einzelnen  bis 
20 — 30,  discret,  oder  zu  Haufen  gedrängt.  Sie  bedingen  stets 
bedeutendere  Dermatitis  und  Fieber,  selbst  Lebensgefahr. 

Die  häufigste  Complication  der  Schutz-Pocken  ist  Ro- 
seola vaccina,  eine  im  Verlaufe  des  Pockenbestandes  von 
den  Armen  ausgehende  und  über  einen  grossen  Theil  der 
Haut  sich  ausbreitende,  da  und  dort  auch  in  isolirten  Flecken 
erscheinende  Rothe,  die  mit  erhöhter  Hauttemperatur  und 
mässigeni  Fieber,  aber  immer  ohne  Nachtheil  verläuft. 

Gefährlich  ist  das  Impf -Erysipel,  Variola  vaccina 
erysipelatosa ,  welches,  von  den  Impfstellen  ausgehend,  grosse 
Ausbreitung  gewinnen,  zur  Phlegmone  sich  steigern  und  selbst 
zu  Gangrän  führen  kann.  Es  kommt  selbst  bei  Erwachsenen 
(namentlich  bei  Revaccination)  vor  und  kann  da  den  Tod  zur 
Folge  haben ;  häufiger  tritt  es  bei  Kindern  auf,  und  da  wieder 
öfters  nach  Impfung  mit  originärer  Lymphe.  Dass  bei  Kindern 
ein  unglücklicher  Ausgang  öfters  uocli  zu  beobachten,  braucht 


Blattern. 


275 


nicht  erst  gesagt  zu  werden.  Zu  Zeiten ,  wo  auch  auf 
chirurgischen  Ahtheilungen  Erysipel  herrscht,  kommen  auch 
Impfer3''sipele  in  grösserer  Zahl  vor.  Es  ist  constatirt,  dass 
die  Ursache  wohl  manchmal  in  einem  verdorbenen  Impfstoffe 
gelegen  sein  mag,  ^äel  öfters  jedoch  in  anderen  Umständen, 
die  überhaupt  für  Rothlauf  geltend  gemacht  werden.  Denn 
es  sind  Fälle  bekannt ,  wo  unter  mehreren  mit  derselben 
Lymphe  geimpften  Kindern  m\v  eines  erkrankt  ist. 

Vaccine  und  Variola,  obgleich  experimentell  ikre  Identität 
so  ziemlich  erwiesen  ist,  können  doch  ungestört  neben  einander 
bestehen.  So  kami  ein  mit  florescii'enden  Schutzpocken  be- 
haftetes Eänd  von  Blattern  befallen  werden ,  deren  Grift  es 
vor  der  Impfung  aufgenommen ,  und  kann  an  einem  mit 
Blattern  besetzten  Individuum  durch  Impfung  schöne  Vaccine 
erzeugt  werden.  Beide  Processe  schliessen  sich  erst  nach 
vollendetem  Decursus  aus,  mit  welchem  erst  die  Durchseuchung 
des  Organismus  vollendet  zu  sein  scheint. 

Wenn  die  Vaccine  fehlschlägt,  ist  das  Kind  nach  Ablauf 
von  2 — 3  Monaten  neuerdings  zu  impfen.  Manche  Personen 
erweisen  sich  nur  zeitweilig  und  gegen  eine  besondere  Lymphe 
immun ,  wenige  Individuen  aber  absolut ;  ob  auch  gegen 
Blattern  ist  wohl  schwer  zu  ermitteln. 


18 


1 


Secliszeliiite  Yorlesung., 

b.  Acute,  nicht  contagiöse,  exsudative  Dermatosen. 

1.  Erythemfomien. 

Die  nnalomischen  Veränderungen  bei  den  Erythemen  identisch  nur  nach 
dL  Grad"  verschieden.    Erythema  multiforme  und  Herpes  Ir.s  et  crc- 
natus,  Erythema  nodosum,  Purpura  rheumatiea. 

Wir  kommen  heute  zur  Bespreclimig  einer  Reilie  von 
Krankheitsformen,  welche  ebenfalls  durch  acuten  allezeit 
typisch  begrenzten  Verlauf  und  Exsudation  sich  chaxakteri- 
sii^en  aber  im  Gegensatz  zu  der  zuletzt  abgehandelten  Gruppe, 
nicht  co'ntagiös  sind.  Sie  bieten  höchst  interessante 
klinische  Bilder  und  durch  ihre  eruirte,  oder  nur  vermuthete 
Beziehung  zu  den  erst  in  den  letzten  Jahren  näher  studirten 
Gefässnerven,  nicht  nur  ein  speciell  dermatologisches,  sondern 
auch  ein  allgemein  pathologisches  Interesse. 

Das  anatomische  Wesen  der  hier  zur  Sprache  kommen- 
den Processe  besteht  darin,  dass  zunächst  auf  eine  begmnende 
Entzündung  hindeutende,  durch  Hyperämie  bedingte,  rothe 
Flecke,  mit  mässiger  seröser  Imbibition,  Exsudation,  d  i 
obersten  Hautschichten  sich  präseiitiren.  Diese  Gruppe  steUt 
die  vielgestaltigen  Erytheme  vor.  _ 

Es  braucht  jedoch  nur  einer  geringen  Steigerung  der 
H.T)erämie  uiad  der  serösen  Schwellung,  damit  gleichzeitig 
Knötchen,  Knoten  oder  Quaddeln  erscheinen  Ja  es  l^ann 
noch  weiters  unter  denselben  Verliältnissen  durch  die  Menge 
des  exsudirten  Serums  die  Epidermis  zu  Bläschen  oder 
Blasen  emporgehoben  werden,  so  dass  klinisch  sich  eine 
Combination  von  rothen  Flecken,  Knötchen,  Knoten,  Quaddeln, 


Erytliema  multiforme. 


277 


Bläsclien  und  Blasen  gleichzeitig  an  verschiedenen  Punkten 
desselben  Krankheitsherdes  und  im  Verlaufe  desselben  Processes 
einstellen  können,  ohne  dass  dadurch  die  Berechtigung  oder 
Veranlassung  entstände,  die  verschiedenen  Morphen  auch  als 
differente  Krankheiten  anzusehen.  Denn  immerliin  bildet  auch 
bei  solch'  combinirten  Tonnen  die  erythematöse  Erkrankung 
den  Typus  des  Processes. 

Eine  zweite  Gruppe  von  hieher  gehörigen  Krankheiten 
charakterisirt  sich  durch  die  typische  Bildung  von  B 1  ä  s  c  h  e  n , 
Phlyktänosen,  die  also  durch TJeberwiegen  der  Exsudation 
innerhalb  der  Papillarschichte  und  des  Rete  zu  Stande  kommen. 

Bei  einer  dritten  Gruppe  endlich  kominen  die  Symptome 
der  Entzündung,  wie  sie  pag.  173  geschildert  worden  sind, 
in  durchgreifender  Weise  zum  Ausdrucke,  eigentliche  Haut- 
entzündimg,  Dermatitis. 

Zunächst  vom 

Erythema  exsudativum  multiforme. 

"Wie  schon  der  von  Hebra  ihm  gegebene  Name  besagt, 
fällt  dieser  Process  durch  seine  Vielgestaltigkeit  auf,  und 
durch  die  demselben  zu  Grunde  liegende  Exsndation  tmter- 
scheidet  sich  derselbe  von  dem  durch  blosse  Hyperämie  ge- 
bildeten Erythema  congestivum  (pag.  109). 

Nach  dem  fast  ausnahmslos  sich  wiederholenden  Typus 
des  Erythema  multiforme  entstehen  (symmetrisch)  auf  beiden 
Hand-  und  Fussrücken  und  den  angrenzenden  Partien 
des  Vorderarmes  und  Unterschenkels  Stecknadel- 
kopf- und  alsbald  zur  Linsengrösse  heranwachsende, 
zinnoberrothe,  unter  dem  Fingerdrucke  erblas- 
sende, flache,  oder  nur  mässig  über  das  Niveau 
emporragende,  normal,  oder  etwas  derb  und 
ödematös  sich  anfühlende,  scharf  begrenzte,  dis- 
seminirte  Flecke  (Erythema  laeve). 

Binnen  wenigen  Stunden  entwickeln  sich  diese  Flecke, 
peripher  fortschreitend,  zu  grösseren  Dimensionen,  während 
zwischen  ihnen  und  weiter  nach  dem  Vorderarme  hinauf  neue 
Efflorescenzen  auftauchen.  Schon  nach  wenigen  Stunden  zeigeii 
sich  die  ältesten  Erixptionspunkte ,  das  sind  also  die  Centra 
der  grösseren  Flecke,  eingesunken  und  cya notisch,  während 


278 


Sechszehntü  Vorlesung. 


der  jüngere,  peripliere  Theil  einen  zinnoberrotlien  Saum 
darstellt. 

In  dem  so  rasclien  Waclisthnm  kommt  es  alsbald  zu 
kreuzer-  und  tlialergrossen  Flecken,  die  nach,  demselben  Typus 
entstanden  sind,  weshalb  die  centrale  Partie  blaurotb,  die 
peripberische  zinnoberotli  erscheint,  und  endlich  confluiren  auch 
diese  grösseren  Flecke,  so  dass  schon  am  zweiten  bis  dritten 
Tage  der  Eruption  der  Handrücken  diffus  blauroth,  cyanotisch 
erscheint,  dabei  sich  kalt  anfühlt,  beim  Druck,  unter  Ver- 
schwinden der  Blauröthe,  gelbbraune  Pigmentirung  aufweist, 
während  am  Vorder-,  Oberarm  vmd  im  Gresichte  vielleicht  erst 
linsen-  bis  kreuzergrosse ,  disseminirte ,  im  Centrum  blauröthe, 
peripher  zinnoberrothe ,  und  am  Stamme  die  eben  erst  aufge- 
tauchten Stecknadelkopf-  bis  linsengrossen,  zinnoberrothen  Flecke 
sich  vorfinden. 

Da  die  nach  der  lebhaftrothen  Hyperämie  so  rasch  fol- 
gende cyanotische  Lijection  auf  eine  Stagnation  in  den  venösen 
Capillaren  hindeutet,  so  ist  es  begreiflich ,  dass  neben  gelegent- 
lichem Oedem  der  tieferen  Hautscliichten  und  des  Unterhaut- 
zellgewebes, z.  B.  am  Augenlid,  auch  alsbald  etwas  Blutfarb- 
stoff austritt ,  ja  wirkliche  Hämorrhagie  stattfindet  und  dem- 
nach in  den  folgenden  Tagen  die  Flecke  durch  die  Farbennuancen 
von  Blau  zu  Gelb ,  Grün ,  Gelb  und  Braun  durchgehen ,  und 
zwar  in  der  Reihenfolge  vom  Centrum  nach  der  Peripherie, 
entsprechend  dem  Erkrankungsalter  der  einzelnen  Punkte. 

Blassen  die  Flecke  rasch  im  Centrum  ab,  während  der 
rothe  Saum  centrifugal  sich  ausbreitet,  so  entsteht  die  Form  des 
Erythem a  annulare;  durch  Aufeitiandertreffen  mehrerer 
Kreise,  die  an  den  Berührungspunkten  sich  verwischen,  entstehen 
o-eschlängelte  Linien  und  aUerlei  zierliche  Figuren,  —  Ery- 
thema  gyratum,  figuratum. 

Wenn  im  Centrum  der  sich  vergrössernden  Flecke  neuer- 
lich ein  rother  Fleck  auftaucht,  hat  man  Ery  thema  Iris. 

Wenn  der  ursprüngliche  Fleck  zu  einem  etwas  erhabeneren, 
derberen  Knötchen  sich  entwickelt  hat,  in  Folge  Steigerung 
des  exsudativen  Vorganges,  so  nennt  man  das  Ery  thema 
papulatum,  und  ist  es  etwas  grösser  an  Umfang,  so  dass  es 
einer  Urticariaquaddel  entspricht,  Ery  thema  urticatum 
oder  Liehen  urticatus. 

Da  im  letzteren  Falle  die  Knötclien  gewöhnlicli  lieftig 


Erytlionm  nuiltiformo.  Herpes  Iris  et  circinatus. 


279 


jucken,  so  werden  sie  alsbald  nach  ihrem  Auftauchen  zerkratzt 
und  demnach  mit  einem  schwarzen  Blutbörkchen  besetzt  er- 
scheinen. Da  inzwischen  auch  bei  den  Knötchen  der  o-leiche 
Entwiclvlxmgsgang  stattfindet,  wie  bei  den  einfachen  Flecken, 
so  bekommt  man  zierliche  und  charakteristische  Bilder  von 
linsen-  bis  pfenniggrossen  Flecken,  deren  Centrum  ein  Blut- 
börkchen trägt,  worauf  dann  eine  blaurothe  und  eingesunkene, 
von  einem  rothen,  erhabenen  Saum  umfasste  Area  folgt. 

Endlich  kommt  es  auch  durch  weitere  Exsudation  in  die 
Knötchen  bisweilen  zur  Bläschenbildung  und  zwar  in  der  Form 
von  wässerig  schimmernden,  oder  mit  einer  grösseren  Menge 
wässeriger  Flüssigkeit  erfüllten,  in  der  Regel  sehr  derben  Efflo- 
rescenzen,  die  selbstverständlich  auch  wieder  nach  dem  beschrie- 
benen Typus  fortschreiten.  Das  Centrum  des  Knötchens 
sinkt  nach  wenigen  Stunden  ein,  sich  blauroth  färbend,  indem 
dessen  Flüssigkeit  aufgesogen  und  die  Cyanose  der  Basis  sichtbar 
wird;  peripher  schreitet  die  Bildung  eines  rothen,  erhabenen, 
steü  abfallenden,  derben  Saumes  fort,  auf  welchem  ein  Kranz 
solcher  Bläschen  aufsitzt.  Man  hat  soErythema  vesicu- 
losum  und  im  letzteren  Falle  Herpes  circinatus. 

Bisweilen  findet  sich  im  Centrum  noch  ein  altes  oder 
frisch  aufgetauchtes  Bläschen  ,  peripher  ein  Bläschenkranz ,  ja 
zuweilen  an  diesen  angrenzend  ein  dritter  centraler ,  — 
Herpes  Iris. 

Endlich  kann  auch  an  irgend  einer  oder  mehreren  Stellen, 
im  Centrum,  oder  an  der  Peripherie  der  Efflorescenzen  die 
Oberhaut  zu  einer  grossen  Blase  emporgehoben  werden  — 
E  r  y  t  h  e  m  a  b  u  1 1  o  s  u  m. 

Ich  habe  mit  dieser  Schilderung  die  möglichen  Typen  der 
Erythemen twicklung ,  von  dem  einfachen  Erythem  zum  Ery- 
thema  papulatum  und  Herpes  Iris  imd  circinatus  geschildert. 
Sie  können  daraus  entnehmen,  dass  aUe  diese  Formen  aus 
einer  Grundform  hervorgehen,  demnach  nur  ein  und  denselben 
Process  darstellen. 

Die  Mannigfaltigkeit  ihrer  Gestaltungen  rechtfertigt  ihren 
Gattungsnamen  Erythema  multiforme  oder  polymorphe,  und 
die  vielfachen  schon  angeführten  Benennungen  sind  ganz  geeignet, 
die  in  jedem  speciellen  Falle  vorwiegendste  Form  damit  zu 
bezeichnen.  Die  einzelnen  Flecke  enden  also  mit  Hinterlassung 
einer  braunen  Pigmentirung,  ohne  Schuppung.    Nur  wo  ober- 


2gQ  Sechszehnte  Vorlesung. 

flächlicli  stärkere  Exsudation  statthatte,  bei  den  Bläsclien- 
und  Blasenformen,  kommt  es  durch  Vertrocknung  solcher  Efflo- 
rescenzen  zu  Krustenbildung  und  Schuppung. 

Ausser  diesen  objectiven  Erscheinungen  sind  keine  bemer- 
kenswerthen  subjectiven  Symptome  anzugeben,  manchmal 
ein  leichtes  Brennen  bei  der  Knötchenform,  bei  Liehen  urticatus 
heftigeres  Jucken,  zuweilen  nicht  unerhebliche  Schmerzen  in 
den  Gelenken  der  Finger,  der  Handwurzel,  dem  Sprunggelenke. 

Der  Verlauf  des  Erythema  multiforme  ist,  wie  schon 
erwähnt,  ein  typischer.  Binnen  14  Tagen  bis  4  Wochen,  läng- 
stens C.  Wochen  ist  in  der  Regel  der  ganze  Process  zu  Ende. 
Er  dauert  länger,  wenn  die  Eruptionen,  wie  in  selteneren  Fällen, 
nach  und  nach  auch  den  ganzen  Stamm  befallen  und  an  den 
schon  krank  gewesenen  Stellen  neue  Nachschübe  auftauchen, 
weil  jeder  neue  Fleck  bis  zur  vollständigen  Abblassung  noch 
8  bis  XO  Tage  braucht. 

Ebenso  wird  ein  mit  intensiverer  seröser  Exsudation  com- 
binirtes  Erythem ,  also  Er.  urticatum ,  herpeticum ,  im  All- 
gemeinen länger  verlaufen  als  ein  flüchtiges  Er.  laeve. 

Ausnahmsweise  kann  aber  das  Erythem  auch  mehrere 
,  Monate  und  über's  Jahr  dauern,  aber  immer  nur  durch  Wieder- 
\  holung  von  Ausbrüchen.    Die  einzelnen  Proruptionen  verlaufen 
aber  auch  da  immer  acut.  _  _ 

Ich  habe  im  Wintersemester  1877-1878  einen  Warter 
vorgestellt,  dessen  Erythema,  Herpes  Iris  und  circinatus  seit 
dem  Mai  1877  immer  fort  Nachschübe  gemacht  hat. 

Unter  solchen  Umständen  ist  das  Pigment  im  Centrum 
der  einzelnen  Flecke  so  intensiv,  und  die  Umwallung  der- 
selben meist  so  derb,  dass  man  zu  dem  Irrthum  verleitet 
werden  könnte,  im  Centrum  sich  involvirende  syphilitische 

Papeln  vor  sich  zu  haben. 

Ueberhaupt  kommen  sehr  bemerkenswerthe  Ab  weich  un- 
o-en  von  dem  geschüderten  Typus  vor  in  Bezug  auf  Localisation, 
die  Intensität  der  örtUchen  oder  begleitenden  Erschemiingen 
und  Complicationen.  So  kann,  die  Localisation  betreffend, 
Hand-  und  Fussrücken  gar  nicht,  oder  erst  später  betailen 
werden  und  die  Eruption  vorwiegend  Gesicht  und  Stamm 
betreffen,  einmal  auf  eine  kleine  Hautregion  sich  beschranken, 
ein  andermal  universell  erscheinen.  Die  Intensität  der 
Symptome  betreffend,  kann  es  örtlich  zu  starker,  derber,  bis 


Erythema  multiforme.  281 

in's  subcutane  Gewebe  reichender  Infiltration  und  Hämorrhagie  1/j 
kommen.    Es  können  heftige  gastrische  Erscheinungen,  ErostjM 
hohes  Fieber ,  intensive  Entzündung  der  ßachenschleimhaut, 
psychische  Depressionssymptome  (Leavin)  ,  intensive  G-elenks-  ' 
affectionen  zugegen  sein.    In  einem  Falle  meiner  Erfahrung 
sind  durch  mehrere  Monate  periodisch  (aUe  14  Tage)  wieder- 
kehrende Blutungen  aus  der  Niere  dem  Ausbruche  des  Erythems  : 
vorangegangen. 

An  Complicationen  und  Folgen  des  Erythema 
multiforme,  allerdings  vorwiegend  des  Erythema  nodosum, 
werden  noch  angeführt  Endo-  und  Pericarditis,  Meningitis,  Tuber- 
culose,  Klappenfehler,  Pleuro-  und  Pneumonie  und  es  ist  in 
einer  beträchtlichen  Zahl  (unter  70  von  Lewin  aus  der  Literatur 
angeführten  FäUen  10)  unter  solchen  CompKcationen  der  Tod 
eingetreten.  Offenbar  hat  in  all'  diesen  Fällen  das  Erythem 
nicht  die  Bedeutung  des  wesentlichen  Processes,  sondern  nur 
ein  er  symptomatischen  Erscheimmg ,  wie  auch  viele  Ro- 
seolen. Man  kann  deshalb  auch  nicht  dem  Erythem  den  unglück- 
lichen Ausgang  zuschreiben.  Ich  glaube  darum  auch  die  Unter- 
scheidung eines  benignen  und  malignen  Verlaufes  bei 
Erythema  multiforme  nach  Lea\tn,  oder  einer  „ominösen"  Form 
nach  Uffelmann  nicht  befürworten  zu  sollen. 

Diese  seltenen  Fälle  nun  abgerechnet,  gestattet  der  Pro- 
cess  in  der  Regel  nur  eine  günstige  Prognose,  da  er  ja 
unter  allen  Umständen  spontan  abläuft. 

Die  Diagnose  des  Erythems  ist  bei  einiger  Aufmerk- 
samkeit ziemlich  leicht.  Die  Erscheinung  von,  wie  geschildert, 
disseminirten  Flecken,  deren  grössere  unter  allen  Umständen 
die  centrale  blaurothe  Depression  zeigen,  ist  so  autFallend,  dass 
sie  gar  nicht  mit  irgend  einem  anderen  Krankheitsbüde  ver- 
wechselt werden  kann.  Nicht  minder  sind  die  mit  Knötchen 
und  Bläschen  combinirten  Formen  sehr  charakteristisch. 

"Wenn  man  nun  aus  der  BeschafiFeuheit  der  einzelnen 
Flecke  ihren  regelmässigen  Entwicklungsgang  von  einzelnen 
Centren  absehen  kann  und  zugleich  erkennt ,  dass  der  Process 
symmetrisch  an  beiden  Hand-  und  Fussrücken  begonnen  haben 
muss,  wen  dort  die  Erscheinungen  des  grösseren  Alters  der 
Flecke  (confluirende  blaurothe  Färbung)  sich  zeigt,  während 
vielleicht  am  Stamm  eben  auftauchende  sich  befinden,  ferners 
den  raschen ,  binnen  Stunden  vor  sich  gehenden  Wechsel  der 


282 


Secliszehnte  Vorlenung. 


Ersclieinmigen  iii  Betracht  zieht,  dann  ist  ja  ein  Irrthum  über 
den  Charakter  der  Krankheit  gar  nicht  möglich. 

Von  den  ebenfalls  in  Kreisform  erscheinenden  Herpes 
tonsurans  und  Psoriasis  ist  Erythema  leicht  durch  den  Mangel 
an  Schu.ppung ,  von  Syphilis  annularis  durch  den  Mangel  an 
eigentlicher  Infiltration,  die  unter  dem  Finger  nicht  schwindet, 
nebst  den  genannten  positiven  Eigenschaften  zu  unterscheiden. 

Ueber  die  Ursache  dieses  merkwürdigen  Processes  sind 
wir  vollständig  im  Unklaren.  Dass  wir  es  mit  einer  Capillar- 
hyperämie  und  nachträglicher  Parese  der  feinsten  Papillar- 
gefässe  zu  thun  haben,  ist  zweifellos,  das  ist  ja  aus  den  klini- 
schen Erscheinungen  zu  deutlich  zu  entnehmen. 

Wenn  demnach  einige  Autoren,  wie  Landois,  oder  neuer- 
dings Lewin  denselben  als  Angioneurose  hinstellen ,  so  ist 
damit  nichts  mehr  erklärt,  als  was  uns  schon  bekannt  ist ;  denn 
wir  wissen  dann  noch  immer  nicht,  ob  die  peripheren  Grefässnerven, 
oder  ihr  Centraiorgan  und  wodurch  es  afficirt  ist.  Wir  wissen 
nur  so  viel,  dass  in  gewissen  Jahreszeiten  der  Process  regel- 
mässig in  einer  grösseren  Anzahl  zur  Beobachtung  kommt, 
speciell  März,  April,  October,  November,  gleichzeitig  mit  Fällen 
von  Zoster,  vereinzelt  aber  auch  in  anderen  Monaten  zu  sehen 
ist ;  dass  einzelne  Personen  manclimal  noch  zwei  bis  drei  J ahre, 
circa  um  dieselbe  Jahreszeit  von  Erj^them  befallen  werden  (Tj^dus 
annuus)  und  dass  schliesslich  im  Allgemeinen  jugendlichere 
Individuen  männlichen  und  weiblichen  Greschlechtes  ein  grösseres 
Contingent  dieser  Krankheitsform  liefern,  als  Erwachsene  und 
ältere  Personen'.  Die  Lebensweise,  äussere  Verhältnisse,  all- 
gemeiue  Constitution,  speciell  bestimmte  Nahrungsmittel,  Ge- 
tränke scheinen  für  die  Entstehung  der  Krankheit  ganz  belanglos. 

Hebra  erklärt  ausdrücklich,  dass  örtliche  Ursachen 
nicht  Erythema  multiforme  hervorrufen,  ohne  andere  positi-^^e 
angeben  zu  können.  Aber  bei  einem  so  gar  nicht  aufgeklärten 
Processe  dürfen  alle  Thatsachen  wenigstens  erwähnt  werden. 
Ich  habe  einmal  Erythema  Iris  in  Folge  von  Einreibung  mit 
Unguentum  cinereum  gesehen  und  in  einem  exquisiten  Falle 
von  Erythema  Iris  und  papnlatum,  einem  Falle,  der  rasch  wech- 
seLide  Formen,  keine  Schuppung  und  keine  Bläschen  zeigte, 
demnach  nicht  mit  Herpes  tonsurans,  für  de»  ihn  Pick  ansieht, 
verwechselt  werden  konnte  —  ich  besitze  die  Abbildung  — 
zweifellos  einen  parasitären  Pilz  demonstrirt.    Es  würde  aus 


Ervthoiiiii  multiforme. 


283 


diesen  zwei  Beobaclitungen  wenigstens  soviel  liervorgelien,  dass 
denn  doch  zuweilen  durcb.  einen  örtlichen  Reiz  ein  derartiges 
Er-s'them  hervorgehen  kann.  Lkwin  glaubt  in  einigen  Fällen 
auf  Reizung  der  Harnröhre  durch  Erosionen  (auch  experimentell) 
auf  reflectorischeni  Wege  die  Angioneurose  des  Erythem  zurüclc- 
fiihren  zu  können.  Es  handelt  sich  zweifellos  um  eine  Alte- 
ration der  G-efäss-Innervation,  und  sie  dürfte  thatsächlich  einmal 
peripher  d.  i.  direct  an  den  Endgefässchen,  ein  andermal  von 
den  Gefässnervencentren  aus  sich  geltend  machen.  Durch 
Avelche  Schädlichkeiten  aber ,  das  ist  vor  der  Hand  nicht  näher 
erwiesen. 

Keinesfalls  sind  die  erwähnten  vereinzelten  Beobachtungen 
für  die  Aufstellung  einer  Aetiologie  genügend  und  namentlich 
für  die  Erklärung  der  typischen  Localisation  auf  Hand-  und 
Eussrückeu.  Das  letztere  Moment  dürfte  bezüglich  mancher 
Fälle  wenigstens  eher  mit  einem  anderen  Verhältnisse  in  Be- 
ziehung gebracht  werden  können,  unter  welchem  an  den  peri- 
phersten  Körpertheilen  —  Händen  und  Füssen  —  Capillarstasen 
eben  am  leichtesten  entstehen,  und,  wie  aiich  bei  Erythem  der 
Fall,  Hände  und  Füsse  in  der  Regel  sich  kalt  anfühlen. 

Da  will  ich  denn  gleich  anfügen,  dass  man  bei  einzelnen 
weiblichen  Individuen ,  welche  an  Amenorrhoe  in  Folge  von 
pueriler  Entwicklung  des  Uterus,  Dysmenorrhoe  ,  Chlorose,  Ste- 
rilität leiden,  durch  mehrere  Jahre  von  Zeit  zu  Zeit  Erythem 
der  Hände  und  namentlich  der  Stirne  sieht,  sub  forma  des 
Erythema  urticatum  et  Iris.  In  diesen  Fällen  sah  ich  zuweilen 
die  Flecke  der  Stirne  sehr  träge  verlaufen,  mit  sehr  derbem 
Circumvallationsrand  und  dunkelbraunem,  deprimirten  Centrum, 
so  dass  Ungeübtere  ohneweiters  die  Diagnose  Corona  venerea 
machten. 

Damit  möchte  ich  auch  die  Blasegeräusche  im  Herzen, 
die  Klappenfehler  vortäuschen ,  in  Verbindung  bringen ,  von 
denen  Lewin  in  einzelnen  Fällen  von  Eiythem  berichtet.  Sie 
sind  wohl  ein  Symptom  der  Chlorose,  nicht  des  Erythem. 

"Wir  werden  erfahren,  dass  Urticaria  und  Roseola  eben- 
falls in  Kreisen  imd  Gi-yris  auftreten ,  und  so  den  analogen 
Formen  des  Erythema  multiforme  gleichen  können.  Da  jene 
Processe  zweifellos  durch  Ingesta ,  gewisse  Speisen  und  Medi- 
camente, oder  örtliche  Schädlichkeiten,  z.B.  die  Processions- 
raupe ,  veranlasst  werden ,   so  ist  es  begreiflich ,  dass  einzelne 


234  Sechszelinte  Vorlesung. 

dieser  Ursachen  ancli  für  Erytliem  geltend  gemacht  werden, 
wenn  der  Hantaussclilag  eben  in  dem  letzteren  Sinne  diagnosti- 
cirt  worden  ist.  Dahin  gehören  Fälle,  wie  der  von  Madee, 
in  dem  derartige  Eruptionen  mit  heftigen  Kolil?;en  sich  wieder- 
holt einstellten,  oder  der  von  Arnold  Pick  bei  einer  Blödsinnigen, 
wo  die  Ausbrüche  mit  den  Menses  wiederholt  zusammentrafen. 
Hebra  hat  eine  ganze  Reihe  von  pathologisch-analogen  Formen 
mit  Functionsstörungen  des  Uterus  in  Beziehung  gebracht. 

Thatsächlich  bieten  alle  diese  Processe,  Erythema,  Roseola, 
Herpes  und  Urticaria,  so  viel  Uebereinstimmendes  dar  und 
kommen  sie  in  so  mannigfachen  Uebergangsformen  vor,  dass 
es  manchmal  nur  schwer  hält,  dieselben  klinisch  strenge  aus- 
einander zu  halten. 

Wir  sehen  dies  gleich  bei  dem  folgenden  Processe,  dem 


Erythema  nodosum. 

Dieses,  auch  D ermatitis  contusif  or mis  oder  Urti- 
caria tuberosa  genannt,  schliesst  sich  pathologisch  un- 
mittelbar an  das  Erythema  multiforme  an.  Dasselbe  erscheint 
in  Gestalt  von  haselnuss-  bis  nussgrossen  Beulen  und  geschwulst- 
ähnlichen Knollen  von  derber  Beschaffenheit,  zumeist  an  beiden 
Unterschenkeln  und  Fussrücken,  weniger  häufig  an  den  Vorder- 
armen, Oberschenkeln  und  Nates,  höchst  selten  gleichzeitig  auch 
an  anderen  Körp erstellen. 

Die  Knollen  des  Erythema  nodosum  ragen  mässig  über 
das  Hautniveau  empor,  oder  liegen  im  Niveau  und  fallen  nur 
durch  die  an  der  Peripherie  rosenrothe  und  in  ihrem  Centrum 
mehr  blaurothe  Färbung  auf,  werden  dagegen  mit  dem  Finger 
deutlich  als  derbe  KnoUen  gefühlt  und  sind  sowohl  spontan 
als  namentHch  bei  Druck  ausserordentlich  schmerzhaft.  Sie 
finden  sich  vereinzelt,  manchmal  aber  in  grösserer  Zahl  oft 
15_20  an  jeder  Extremität,  disseminirt. 

Ihre  Entwicklung  erfolgt  sehr  acut,  über  Nacht,  manch- 
mal unter  begleitenden  Fiebererscheinungen,  allgemeinem  Unbe- 
hagen, gastrischen  Symptomen,  Schmerzhaftigkeit  m  den  Ge- 
lenken, namentlich  der  betroffenen  Extremität.  Die  einzelnen 
Knollen  bestehen  selber  mehrere,  8-14  Tage.  Der  frisch  ent- 
standene Knoten  bleibt  nämlich  dureli  2-3  Tage  scheinbar 
unverändert,   alsdann  verwandelt  si(;h  das  lebhafte  Roth  der 


Erytlioma  iiodosum. 


285 


über  demselben  befindlichen  allgemeinen  Decke,  zunächst  im 
Centrum,  dann  peripher  fortscshreitend,  in  Blauroth,  Gelb,  Grün 
imi.  während  auch  die  Masse  des  Infiltrates  sich  vermindert, 
bis  endlich  nach  einem  Zeitraum  von  anderthalb  bis  zwei 
Wochen  jede  Spur  desselben,  bis  auf  etwas  braune  Pigmen- 
tiiung  der  betreffenden  Hautstelle,  geschwunden  ist.  Bisweüen 
erfolgt  in  die  infiltrirte  Hautstelle  ein  wirklicher  hämorrha- 
gischer Erguss,  wodann  die  mit  jeder  Hämorrhagie  verbundene 
Reihe  von  Involutionserscheinungen  und  Farbenveränderungen 
etwas  länger  für  sich  in  Anspruch  nimmt.  Manche  Knoten 
fühlen  sich  mehr  weich-elastisch  an,  so  dass  sie  für  einen  ent- 
zündlichen Abscess  imponiren.    Sie  schliessen  aber  nie  eine 

Höhle  ein.  nocli  verflüssigen  oder  vereitern  sie_jemal3.  

Was  den  Verlauf  der  Krankheit  in  toto  anbelangt,  so 
erscheinen  innerhalb  der  ersten  8  bis  14  Tage  in  der  Eegel  neue 
Knoten,  welcke  die  geschilderten  Veränderungen  durchmachen, 
so  dass  die  Ki-anklieit  im  Ganzen  auf  einen  Zeitraum  von 
drei  bis  sechs  Wocken,  auch  nock  länger,  ausnakmsweise  sogar 
durck  Monate  sich  ausdeknt.  Auck  die  Fieberersckeinungen, 
welcke  in  intensiven  Fällen  und  bei  sensibleren  Personen  selten 
feklen,  kalten  mit  der  Eruption  gleicken  Sckritt  und  bleiben 
mit  dem  Beginn  der  allgemeinen  Involution  vollständig  aus. 
Als  Begleitersckeinungen  sind  neben  den  GelenksatFectionen 
besonders  Dyspepsie,  seltener  Koliken  und  Diarrkoe,  nack  Ein- 
zelnen auck  sckmerzkafte  Knoten  der  Zunge  und  der  Mund- 
Eackensckleimkaut  zu  erwäknen. 

Das  Erytkema  nodosum  belästigt  sowokl  durck  die  Inten- 
sität der  örtlicken  Affection  als  der  begleitenden  subjectiven 
Erscheinungen  des  Fiebers  und  der  Schmerzkaftigkeit  in  den 
Knoten,  den  ßökrenknocken  und  Gelenken  in  viel  kökßrem 
Grade,  als  die  früker  gesckilderten  Erytkeme.  Dock  stellt 
dasselbe  im  Wesentlicken  mir  einen  analogen  Process  vor, 
insoferne  dem  Erytkema  nodosum  entspreckende  Knoten  auck 
mit  den  Flecken  des  Erytkema  multiforme  gemengt  vorzu- 
kommen pflegen,  beide  Processe  die  gleicke  Localisation  der 
Eruption  zeigen,  zur  selben  Jakreszeit  und  unter  gleicken  Ver- 
kältnissen vorkommen  und  acut  und  typisck  verlaufen,  Deim 
auck  die  Knoten  des  Erytkema  nodosum  gelangen  unter  allen 
Umständen  vollständig  zur  Resorption. 

Anatomisck  bedeuten  sie  vorwiegend  seröse  Infiltration 


286 


Sechszehnte  Vorlesung. 


aller  Gewebsscliicliten  bis  ins  subcutane  Bindegewebe  mit  gleich- 
zeitiger, anfangs  arterieller,  später  venöser  Capillarstasis  und 
mit  Rücksicht  auf  das  Plötzliche  ihres  Entstehens  und  ihrer 
vollständigen  Rückbildung  nur  eine  intensiver  entwickelte 
Urticariaquaddel. 

"Was  das  ätiologische  Moment  anbelangt,  so  ist  das- 
selbe ebenso  unklar ,  wie  bezüglich  der  anderen  Erythemformen. 
Dasselbe  findet  sich  bei  zarten  weiblichen  und  jugendlichen 
Individuen  in  überwiegender  Anzahl,  Säuglinge  und  Kinder 
mit  inbegriffen,  nicht  selten  mit  dem  auch  für  das  Erythem 
hervorgehobenen  Typus  annuus,  dem  häufigen  Vorkommen  in  den 
Frühlings-  und  Herbstmonaten. 

Die  Prognose  kann  in  Anbetracht  des  von  dem  Pro- 
cesse  Ausgesagten  nicht  ungünstig  lauten,  obgleich  eine  unter 
Umständen  auch  mehrere  Wochen  durch  sie  veranlasste  Bett- 
lägerigkeit immerhin  bei  Schulkindern,  der  dienenden  und 
erwerbenden  Classe  angehörenden  Personen  ein  für  die  Praxis 
belangreiches  Moment  sind. 

Bei  kleinen  Kindern  ist  die  Krankheit  schon  etwas  bedenk- 
licher, obgleich  sie  auch  hier  in  der  Regel  gut  abläuft.  Allein 
es  kann  doch  durch  bedeutende  Herabsetzung  der  Ernährung 
während  der  andauernden  Appetitlosigkeit,  die  häufigen  Fieber 
und  zufällige  Complicationen ,  wie  Nierenbhitung  ,  zu  einem 
unglücklichen  Ende  kommen,  weshalb  da  immerhin  die  Prognose 
vorsichtiger  gestellt  werden  soll.  Ueberhaupt  darf  man  bei 
allen  diesen  Processen  nicht  vergessen,  dass  sie  für  einen  zarten 
Organismus  um  so  mehr  bedeuten,  je  mehr  sie  zu  Hämor- 
rhagien  neigen ;  also  weniger  als  Erytheme,  .mehr  als  Erythema 
nodosum  und  noch  mehr  als  Purpura. 

In  di  agn  OS  tischer  Beziehung  wäre  zu  erwähnen,  dass 
bei  dem  Auftauchen  vereinzelter  solcher  Knollen  an  den  Unter- 
schenkeln, oder  gar  an  einer  anderen  Körperstelle,  z.  B.  am 
Arme,  an  einem  Augenlid,  welches  dadurch  enorm  geschwellt, 
in  den  bekannten  Farben  vorangegangener  Hämorrhagie  schil- 
lernd erscheint,  leicht  der' Irrthura  begangen  werden  könnte, 
diese  Beulen  von  einem  Trauma,  Schlägen,  Anstossen  u.  s.  w. 
herzuleiten.  Wenn  man  jedoch  einen  Fall  von  typischer  Loca- 
lisation  am  Unterschenkel  vor  sich  hat,  und  dabei  Knoten  von 
verschiedenem  Alter,  namentlich  aber  frische,  demnach  an  der 
Oberfläche  rosenroth  erscheinende  sieht,  welche  letztere  in 


Purpura  rhenraatica. 


287 


dieser  Bescliaffenlieit  niemals  durch  ein  Trauma  hervorgerufen 
werden  können,  wird  eine  irrthüraliche  Diagnose  selbstverständ- 
lich vermieden  werden  können. 

Nicht  ulcerirte  Grummaknoten  der  Unterschenkel  können 
mit  Erj'thema  nodosum  verwechselt  werden ,  weim ,  wie  ich 
neulich  au  einem  Mädchen  gesehen,  dieselben  an  beiden  Unter- 
schenkeln sich  vorfinden.  Die  syphilitischen  Knoten  sind  stets 
scharf  umschrieben  und  umgreifbar.  Die  Erythemknoten  an 
der  Peripherie  sich  verlierend.  Literarische  Angaben ,  welche 
von  Ulceration  der  Erythemknoten  berichten,  dürften  auf  solchen 
Irrthümern  beruhen. 

Noch  ein  dritter  Process  ist  hier  anzuschliessen : 

Purpura  rheumatica 

oder  Peliosis  rheumatica. 

Bei  diesem  entstehen  unter  dem  Fingerdruck  nicht  schwin- 
dende, blaurothe  und  später  braun  werdende  Flecke,  Hämor- 
rhagien,  welche  ebenfalls  in  einem  typischen  Zeitraum  von 
drei  bis  sechs  Wochen  zu  entstehen  und  zu  verlaufen  pflegen. 

Ein  solcher  Process  gehört  vom  streng  systematischen 
Standpunkte  nicht  hierher,  sondern  in  die  Classe  der  Hämor- 
rhagien ;  allein  es  vsdrd  Ihr  Verständniss  von  dem  eigenthüm- 
lichen  Charakter  der  schon  geschilderten  exsudativen  Vorgänge 
nicht  wenig  fördern,  wenn  Sie  wissen,  dass  auch  die  hier 
gemeinten  Blutaustritte  typisch  an  den  Unterschenkeln  und 
Vorderarmen  zuerst  auftreten,  von  Grelenksschmerzen  und  Ex- 
sudationen um  und  in  die  Gelenke  begleitet  zu  sein  pflegen  und 
ebenfalls  einen  Typus  annuus  erkennen  lassen. 

Thatsächlich  hat  man  von  dem  Erythema  laeve  exsuda-  \ 
tivum  durch  das  Erythema  urticatum  zum  Herpes  Iris  und 
circinnatus  nach  aufwärts,  sowie  von  dem  Erythema  urticatum 
durch  das  Erythema  nodosum  zur  Purpura  rheumatica  fort- 
laufend, eine  in  continuirlichen  Uebergangsformen  sich  präsen- 
tirende  Krankheitsciasse  vor  sich,  welche  durch  den  schon 
geschilderten  allgemeinen  Typus  der  eigenthümlichen  Locali- 
sation,  der  acuten  typischen  Verlaiifsweise,  der  im  Allgemeinen 
benignen  Bedeutuug ,  des  vorwiegenden  Erscheinens  in  be- 
stimmten Jahreszeiten  vor  sich. 

Während  in  der  Regel  die  einzelnen  Unterarten  dieser 
Erkrankungsciasse  nach  ihrem  Typus  gesondert  vorzukommen 


288 


SouhsSKehnte  Vorlesung. 


pfleo-en,  findet  man  doch  auch  nicht  selten  alle  Formen  an 
einem  Individuum  gleichzeitig  vertreten,  z.  B.  Erythema  annu- 
lare  laeve,  diffusum,  Iris  an  den  Oberextremitäten,  Herpes  Ins 
und  circinnatus  am  Handrücken  und  im  Gesichte,  Urticaria 
papulata  und  Erythema  nodosum  an  den  Unterextremitaten  und 
zwischen  den  Knollen  des  letzteren  eingestreut  linsengrosse  und 
grössere,  flache  Hämorrhagien ,  nebst  Gelenkschwellung,  Pur- 
pura  rheumatica. 


l-'ig.  18. 


Durclischnitt  eines  Bläscliens  von  Er.  papnlo-vesiculosum. 


ijuruuoiiuu.i"»'  

„  Hornsclüclite,  ^  Bete  «^..»f  f^Crliagfe^Ä  BlXörperchen  j-?' l'apiHären  und 
seröse  Bxsudati9n  erweitert  c  (Ha>no^^^^^^^  Schleimschichte  mit  Serum 

subpainllären  Bindegewebe,  /  Blasc^Uemao^^^^^^^^_^^^^^^ 

Ich  gebe  Ihnen  hier  die  Abbildung  (Fig.  18)  eines  Durch- 
Schnittes  von  einem  in  Umwan  Uung  .um  B räschen  begriffenei. 
Knö  chen  des  Erythema  painüatum  bei  starker  Vergrosserung 
""t  am  Grunde  zweier  Papillen  frei  ausgetretene  -  ^ 
S;i:;::^vchen(mmorrhag^^^   iVber  ^ ^^^^^ 
TJpfe  Malpiffhii  theils  aufgequollen  und  gelockert,  tbeils 
Tl^^   -   Balken  und  Scheidew.nd^^^^^ 
Fächerwerkes  auseinander  gedrängt.   Dasselbe  is    mit  Serum 
Lei  rzelnen  Exsudatkörperchen  erfüllt,  stellt  also  em  Bläs- 
chen mit  dicker  Epidermisdecke  vor. 


Eoseola. 


289 


Was  die  Behandlung  aller  dieser  Krankheitsformen 
anbelangt,  so  sind  wir  nicht  in  der  Lage,  jenen  Nerveneinfluss 
zu  paralysiren,  durch  welchen  einzelne  Capillargefässbezirke  in 
so  merkwürdiger  Weise  in  ihrem  Tonus  alterirt  werden,  dass 
in  denselben  zunächst  arterielle,  später  mehr  venöse  Hyperämie, 
dann   seröse   Exsudation   und  Hämorrhagie   stattfindet  ,  mit 
einem  Worte ,  die  eigenthümlichen  Erscheinungen  von  Flecken, 
Knötchen,  Quaddeln,  Bläschen,  Blasen,  Härmorrhagien  mit  der 
typischen  Tendenz  zum  peripheren  Fortschritt  bedingt  werden. 
Wir  sind  also  nicht  in  der  Lage,  weder  den  ersten,  noch  die 
erneuerten  Ausbrüche  hintanzuhalten,  ebensowenig  aber  auch 
die  Rückbildung  der  vorhandenen  zu  beschleunigen  und  so  den 
Krankheitsverlauf  m  toto  abzukürzen.    Es  ist  demnach  eine 
eigentliche  Behandking  all'   der  genannten  Krankheitsformen 
gar  nicht  nothwendig. 

Die  Fälle  von  gewöhnlichem  Erythema  polymorphe  werden 
ohneweiters  sich  selbst  überlassen,   indem  man  dem  Kranken 
mit  aller  Beruhigung  einen  günstigen  spontanen  Verlauf  ver- 
sprechen kann  und  nur  selten  durch  eine  ungebührlich  lange 
Dauer  des  Processes  Lügen  gestraft  wird.    Gegen  etwaige 
Juckempfindung ,  welche  bei  der  Liehen  urticatus  ,  Erythema 
urticatum  et  papulatum  genannten  Form  immerhin  belästigend 
werden  kann,  wird  zeitweiliges  Betupfen  mit  Alkohol,  Spii'itus 
vini  gallicus  ohne  oder  mit  Zuthat  von  1  -0  Acid.  carbol.  oder 
salicyl.  auf  200  Gr.  der  Flüssigkeit  und   darauf  Application 
von  Amylum,  oder  auch  kaltnassen  Einhüllungen  erleichternd 
wirken.  Bei  Gegenwart  von  Gelenksschmerzen,  oder  bedeutender 
Schwellung  der  Gelenke,  sowie  bei  andauernden  Fiebererscheinnn- 
gen  werden  die  Kranken  besser  im  Bette  behalten,  weil  sicherlich 
beim  Herumgehen  sowohl  Oedem  als  Schmerzen  sich  steigern 
und  vielleicht  neue  Hämorrhagien  producirt  werden  können. 
Zugleich  werden  Umschläge  mit  Eis,  kaltem  Wasser,  Plumbum 
aceticum  basicum  solutum  Erleichterung  verschaffen.    Es  ver- 
steht sich  von  selbst,  dass  gegen  etwaige  allgemeine  Symptome, 
Fieberhitze,  gastrische  Erscheinungen  etc.  ebenfalls  eine  ent- 
sprechende innere  Medication,  Acidum  phosphoricum,  Elixirium 
acidum  Halleri,  diätetisches  Verfahren  am  Platze  sein  wird. 


Ich  muss  hier  noch  anhangweise  der  Roseola  gedenken, 
von  welcher  bereits  früher  (pag.   III)  die  Rede  war.  Die 

IQ 

K  a  p  0  s  i ,  Hautkrankheiten. 


29Q  Sechszehnte  Vorlesung. 

Flecke  derselben  können  dnrch  Steigerung  der  ihnen  zu  Grunde 
liegenden  Hyperämie  und  Exsudation  zu  Knötchen  sich  ent- 
wickeln und  würden  dann  den  früher  besprochenen  exsuda- 
tive]! Erythemen  zugezählt  werden,  insofern  sie  dem  hier 
geschilderten  Typus  entsprechen,  wie  Roseola  autumnalis,  ver- 
nalis  (Willan),  oder  Roseola  cholerica  und  varlolosa.  Bei  den 
letzteren ,  sowie  bei  der  Roseola  typhosa  ist  es  wahrscheinlich 
der  specifische  Krankheitserreger,  oder  nur  die  Fiebererregung, 
welche  die  Gefässnerven  derart  beeinflusst,  dass  an  der  Haut 
die  genannten  Exantheme  erscheinen. 

Das  Prodromalexanthem  der  Pocken  ist  bereits  geschildert 
worden  (pag.  227),  ebenso  Roseola  cholerica  (pag.  lU).  Das 
T  y  p  h  u  s  e  X  a  n  t  h  e  m ,  theils  als  Flecken ,  theils  als  Knötchen , 
kommt  sowohl  bei  Ileotyphus,  als  bei  dem  exanthematischen 
Typhus  vor.  Manchen  Epidemien  ist  eine  besondere  Form  desselben  ^ 
eigenthümlich.    Es  findet  sich  da  meist  am  Stamme,  Bauch  und 
Innenfläche  der  Extremitäten,  gleich  Anfangs,   oder  im  Ver- 
laufe.   Es  ist  mehr  stationär  als  das  typische  Erythema  exsu- 
dativum multiforme.  Das  DiETEL'sche  Typhusexanthem  erscheint 
in  Gestalt  von  weizenkornähulichen ,   länglichen,  glanzenden 
Knötchen  auf  der  Brust  und.  dem  Bauche. 

Die  Roseola  syphilitica  stellt  ebenfalls  Flecke  dar,  die 
ihre  Gestalt  nicht  verändern,  sondern  in  der  Form  und  Grösse, 
in  der  sie  aufgetaucht,  bestehen  und  ohne  Schuppung  schwinden. 

An  die  geschilderten  Erytheme  schliesst  sich  naturge- 
mäss  eine  Gruppe  von  Krankheiten  an,  bei  welchen  zwar  die, 
Hautröthe  nur  ein  Theüsymptom  einer  Allgemeiiikraukheit 
darsteUt,  aber  doch  als  einleitendes,  oder  äusseres  Merkmal 
der  letzteren  geltend  gemacht  wd.  Es  sind  P  ell^.gr  a,,und 
Acrodynie. 

Pellagra 

Risipola  lombarda.  Mal  rosso,  Mal.,d4..sole;,  der  lombar- 
dische Aussatz,  wird  als  eine  en  demis:cha,  Kranklieit  ausge- 
geben, welche  besonders  unter  der  ärmeren  Bevölkerung  der 
lombardischen  Ebene,  Piemonts,  Venatiens  und  Südfrankreichs 
sich  vorfindet.  In  den  letztpn  .Jahren,  ist  aiich  über  eine  grossere 
Zahl  solcher  Erkrankungen  aus  Rumänien  (Schkiber),  Spanieii 
und  dem  südlichen  Frankreich  .berichtet  worden.  Ich  wüL 
gleich  hier  bemerken,  dass  die.  I.itßratur.  über  die  Pellagra 


Pellagra.  2P I 

seit  der  Mitte  des  vorigen  J alirliunderts  zwar  zu  ausserordent- 
licli  starken  Bänden  angeschwollen  ist,  aber,  trotzdem  sie  fast 
ausschliesslicli  mit  den  Vorkommnissen  in  den  oberitalischen 
Ebenen  sicli  beschäftigt,  es  nicht  zu  einer  einheitlichen  und 
allgemein  überzeugenden  Darstellung  über  die  Symptome,  Ur- 
sache und  Bedeutung  des  Uebels  gebracht  hat.  Deshalb  ist 
auch  zeitweilig  ein  Zweifel  über  die  Existenz  einer  Pellagra 
zu  nennenden  Krankheitsform  aufgetaucht  und  Winternitz  hat 
erst  im  Jahre  1876  auf  Grund  eigener,  an  so  genannt  Pel- 
lagrösen  gemachter  Beobachtungen,  und  eingehender  litera- 
rischer Studien  die  Schlussfolgerung  machen  zu  können  geglaubt, 
dass  eine  so  zu.  nennende  einheitliche  Krankheit  gar  nicht 
existire,  und  dass  die  Aerzte  allerlei  Krankheiten,  die  in  den 
bekannten  pathologischen  Systemen  bei  guter  Diagnose  ihren 
Platz  fänden,  auf  unmotivirte  Beurtheilung  hin  als  Pellagra 
zusammenfassen. 

Allein  es  stehen  diesem  Autor  ausserordentlich  zahlreiche, 
gediegene  Beobachter  entgegen,  welche  die  Krankheit  aus  eigener 
Anschauung  kennen  und  als  besonderen  Process  hinstellen. 
Hebra  selbst  sagt,  dass  er  Pellagrakranke  in  grosser  Anzahl 
beobachtet  und  gefunden  hat,  dass  das  Krankheitsbild  unzwei- 
felhaft die  grösste  Aehnlichkeit  habe  mit  anderen,  durch  ver- 
dorbene Vegetabilien  herbeigeführten  Intoxicationen.  Auch 
ich  habe,  wenn  auch  nur  einzelne  Fälle  gesehen,  die  ich  aber 
immöglich  anders  als  in  die  Symptomenreiche  Gruppe  der 
pellagrösen  Erkrankungen  einzureihen  vermöchte. 

Die  Symptome  der  Pellagra  werden  in  sehr  divergirender 
Weise  angegeben.  Ich  glaube,  dies  hängt  eben  damit  zusammen, 
dass  die  Ejrankheit  thatsächlich  unter  mannigfacher  Eorm  und 
Verlaiifsweise  sich  darstellt ,  mehr  acut,  oder  äusserst  lente- 
scirend  verlaufend,  mit  wenigen,  oder  vielen  Erscheinungen  oder 
nur  rudimentär. 

Durchschnittlich  werden  mehrere  Stadien  angegeben.  Das 
erste  Stadium  wird  durch  Erythem  gekeruizei chnet.  Auf 
den  Handrücken,  dem  Gesichte,  auf  Hals  und  Brust,  so  weit 
sie  überhaupt  u.nbekleidet  und  den  Sonnenstrahlen  (bei  Arbei- 
tenden) ausgesetzt  wird,  erscheint  die  Haiit  dunkelbraunroth. 
Es  tritt  im  Frühling  und  Sommer  auf,  verschwindet  unter 
geringer  Schuppung  im  Herbst  und  Winter  und  stellt  sich 
mehrere  Jahre  hindurch  mit  der  wärmeren  Sonne  wieder  ein. 

19* 


992  Sochszehnte  Vorlesung. 

Bei  Öfterer  Wiederkelir  wird  die  Epidermis  über  den  erytlie- 
matösen  Stellen  dunkelolivbraun  gefärbt  und  schält  sicli  dieselbe 
in  sebr  dicken  Schwarten  ab.  Es  gesellt  sich  Muskelschwäche, 
aUgeuieine  Verstimmung  dazu.  Von  da  kann  das  Uebel  sich  ganz 
zuriickbilden.  Oder  es  tritt  in  das  zweite  Stadium  ein,  welches 
durch  erhöhte  Muskelschwäche,  Kriebeln,  fortwährendes  Kälte- 
gefühl und  weitere  Veränderungen  an  der  Haut  gekennzeiclmet 
wird.  Die  Haut  erscheint  dann  allgemein,  besonders  im  Gesichte, 
an  Händen  und  Füssen,  blauroth,  oder  broncebraun,  glänzend,  mit 
verdünnter  Epidermis,  atlasartig,  sie  ist  höchst  empfindlich.  In 
den  Fingern  fülden  die  Kranken  Kriebeln,  oder  Pamstigsein.  Sie 
frösteln  stets.   Die  Finger  werden  gebeugt  gehalten ;  die  Berüh- 
rung des  Bodens  ist  für  die  Haut  des  Fusses  schmerzhaft.  Stö- 
rungen der  Sinnesempfindungen,  Krämpfe,  Diarrhoen,  Delirien, 
Stupor,  Melancholie  (religiöser  Wahnsinn)  und  Blödsinn  gesellt 
sich  allmälig  dazu.    Die  Kranken  sterben  an  Marasmus,  coUi- 
(pativen  Diarrhoen,  oder  acuten  und  chronischen  Erkrankungen 
der  Lungen,  Nieren,  des  Herzens. 

Ausser  den  solchen  Complicationen  entsprechenden  patho- 
logiscb-anatomischen  Veränderungen  haben  sich  bei  der  Section 
(Labus,  Sgheiber  u.  A.)  Pachymeningitis,  Induration  des  Gehirnes 
und  Rückenmarks  und  oft  anämischer  oder  atropbischer  Zustand 
der  inneren  Organe,  wie  nach  chronischer  Inanition,  ergeben. 

Unter  den  mannigfachen  Ursachen,    welcke  für  die 
Pellagra  geltend  gemacht  wurden  (als  persönliclies  Elend  über- 
haupt, telluriscbe  und  kUmatische  Verbältnisse,  Sonnenbrand, 
(Erythema  solare),  Heredität,  da  man  aucli  bei  Säugliiigen  das 
Uebel  angetreten  haben  wiU  etc.),   wird  die  ausschliesslicbe 
Ernährung  mittelst  Mais  (Kukurutz,  Zea  Mais,  Polenta  der 
Italiener)    besonders  betont  und  darauf  hingewiesen ,   dass  es 
nur  die  von  solchem  lebende  arme  Bevölkerung  gewisser  Ge- 
genden sei,   die  von  Pellagra  befallen  werde.    Seit  dem  Vor- 
walten der  Pilztheorie  in  der  Aetiologie  der  Krankheiten  ist 
es  ein  Pilz  des  Mais  (Sporisorium  Maidis),  der  beschuldigt 
wird,  namentlicb  mit  Rücksicht  darauf,  dass  man  Grund  hat, 
nur  die  Ernährung  mittelst  verdorbenen,  schimmeUgen  Mais- 
mebles  anziüdagen.    Lombboso  hat  experimentell,  durch  Dar- 
reichung von   aus  verdorbenem  Mais  bereiteter  Tinctur ,  die 
Symptome  der  Pellagra  erzeugt  (18G8).    Hierdurch  hat  er 
sowohl  die  Existenz  der  Krankheit  positiv  erwiesen,  weiters 


Pellagra,  Acrodyiiie. 


293 


den  Mais  als  Ursache  dargetlian,  zugleich  aber  aus  dem  Crange 
der  Experimente  sich  veranlasst  gesehen,  nicht  den  Maispilz 
lind  nicht  den  gewöhnlichen  Schimmelpilz,  sondern  eine  in  der 
Verderbniss  des  Maismehles  sich  entwickelnde  besondere  Sub- 
stanz als  Ivranldieitsursache  zu  beschuldigen. 

Die  letztere  Annahme  ist  sicher  nicht  allgemein  giltig-, 
da  ScHEiBER,  ich  und  Andere  auch  an  solchen  Personen  Pellagra 
gesehen  haben,  die  nie  von  Maismehl,  sondern  wie  wohl  situirte 
Städter  sich  genährt  haben.  Da  darunter  auch  Personen 
waren,  die  nie  in  der  Sonne  gearbeitet  haben,  einer  meiner 
Pälle  auch  aus  Böhmen  war,  wo  Pellagra  nicht  endemisch  vor- 
kommt, so  ist  ersichtlich,  dass  noch  Vieles  bezüglich  der  Pel- 
lagra im  Dunkel  liegt. 

Therapeutische  Erfolge  erwartet  man  nur  in  den 
frühen  Stadien  der  Krankheit  diu-ch  Aufenthalt  in  gesunden 
Verhältnissen,  gute  Nahrung  und.roborirende  Diät,  Kaltwasser- 
curen ,  Eerrum  u.  s.  w.  Manche  Fälle  werden  auch  spontan 
gut.  Die  weiter  gediehenen  und  namentlich  mit  Geisteskrank- 
keit gepaarten  Formen  führen  regelmässig  zum  Tode. 

Acrodynie ,  oder  Erythema  endemicum ,  bietet  viele  Ana- 
logie mit  Pellagra  dar.  Dieselbe  hat  nach  Alibert's  Aus- 
sage im  Jahre  1828  und  nach  Hiksch  auch  1829  und  1830  in 
Paris  epidemisch  gekerrscht.  Hände  und  Füsse  der  ßetroifenen 
waren  der  Sitz  eines  Erythems  mit  folgender  Schuppung,  oder 
auch  Bläschen-  und  Blasenbildung ,  Ablösung  der  verdickten 
Epidermis  in  Schwarten,  wie  bei  Pellagra,  während  die  Haut 
der  Brust  und  des  Unterleibes  fast  schwarz  pigmentirt  erschien. 
Elriebelii ,  Taubsein  in  den  Fingern  und  Zehen ,  auch  heftige 
Schmerzen  in  denselben,  Erbrechen,  Durchfall,  Ischurie  gesellten 
sich  hinzu  und  führten  oft  zum  Tode.  Man  beschuldigte  all- 
gemein (Chomel  ,  Recamiek  u.  A.)  eine  Verderbniss  der  zum 
Genüsse  gekommenen  Getreidevorräthe  und  brachte  die  Krank- 
heit mit  Pellagra  in  Analogie. 


I 


Siebzelinte  Vorlesung. 

Urticaria,  Nesseln. 

Formen  und  Bedeutung  der  Urticaria,  idiopail.isehe  und  symptomatische, 
acute  und  chronische  Nessehi. 

'  Die  Urticaria  (Cnidpsis,  Nesselsucht,  Porcellanfriesel) 
o-enannte  Krankheit  bestellt,  wie  der  Name  schon  besagt,  in  der 
Production  von  Quaddeln  oder  Nesseln,  das  sind  fingeruagel- 
o-rossen  und  grösseren ,  urplötzlich  auftauchenden,  rosenrothen 
oder  weiss  schimmernden  und  roth  umsäumten,  flach  erhabenen, 
rundlichen  oder  unregelmässig  gestalteten  und  etwas  derb  sich 
anfühlenden  Effloi^Gcenzen ,  welche  sehr  heftig  jucken  und 
brennen  und  einen  äusserst  flüchtigen  Bestand  haben,  indem 
sie  binnen  wenigen  Minuten  oder  überhaupt  sehr  kurzer  Zeit 
wieder  vollständig  zum  Schwinden  gelangen ,  ohne  Schuppung 
oder  sonstige  Spuren  zu  hinterlassen. 

Die  einzelne  Quaddel  breitet  sich  entweder  rasch  der 
Fläche  nach  aus,  indem  ihr  rother  Saum  peripher  vorruckt, 
bis  zur  Grösse  eines  Kreuzers,  Thalers  und  darüber,  wobei  ihr 
Plateau  weiss  schimmert,  U  r  t  i  c  a  r  i  a  p  o  r  c  e  1 1  a  n  e  a  eben  oder 
im  Centrum  etwas  deprimirt  ist.   Alsdann  sinkt  dieselbe  em  und 
.-erschwindet  spurlos,  oder  mit  Hinterlassung  geringer  brauner 
Pigmentirung.  Oder  sie  verschwindet  schon  im  Centrum  wahrend 
die  Peripherie   fortschreitet.    Dann  entstehen  Quaddelringe, 
Urticaria- annularis,   und  durch  die  Vereinigung  mehrerer 
solcher  Ringe  Gyri,  Urticaria  gyrata,  figurata,  odex 
mehrere  concentrische  und  excentrische  Kreise,  die  al  e,  w_egen 
der  Flüchtigkeit  der  Eruption,  wieder  sehr  rascli  ihre  iorm 
ändern    Da  wie  wir  sehen  werden,  die  Haut  ,edes  Ur  icaria- 
k  aXn  auch  an  ..uaddelfreien  Stellen  höchst  emphndhch  ist. 


Urticaria. 


295 


so  wird  cliircli  jede  Eeriihvung  mit  dem  Finger,  durcli  den  über 
sie  fahrenden  Fingernagel,  wieder  Urticaria  hervorgerufen  und 
man  kann  daher  auch  Quaddehi  in  Gestalt  von  Striemen  nnd 
Streifen  sehen,  ja  ganze  Quaddelzeichnungen,  Buchstaben  etc. 
sofort  in  Quaddelerhebung  auf  der  Haut  durch  den  Finger  pro- 
vocii-en  —  Urticaria  f  a,  c  t  i  t  i  a.  Unter  dem  Striche  entsteht 
erst  ein  weisser  Streifen,  der  sofort  roth  wird  mid  dann  weiss 
schimmernd ,  qnaddelartig  vorspringt ,  sich  verschieden  lange 
erhält  und  auch  weiter  ausbreiten  kann. 

Es  können  ferner  an  einzelnen  Punkten  einer  oder 
mehrerer  Quaddeln  durch  Ansammlimg  von  grösseren  Serum- 
Mengen  in  der  Epidermis  Bläschen  und  Blasen  sich  erheben, 
Urticaria  vesiculosa  et  bullosa,  nach  deren  Platzen 
sich  Krusten  bilden;  oder  es  entstehen  nur  serös  infiltrirte 
Knötchen,  Urticaria  papulosa. 

Die  Krankheit  nun  ,  welche  aus  der  Formation  solcher 
Quaddeln  sich  zusammensetzt,  heisst  Urticaria.  Es  kommt 
nämlich  aus  verschiedenen  Ursachen,  die  wir  alsbald  erörtern 
werden,  zum  Ausbruch  von  Urticariaquaddeln,  die  theils  gleic  h- 
zeitig  an  verschiedenen  Körperstellen,  theils  successive  erscheinen, 
zu  fünfzehn  bis  zwanzig  und  viel  mehr  solchen  über  dem  ganzen 
Körper  in  xmregelmässiger  Situation,  so  dass  man  gleichzeitig- 
alle  möglichen  Entwicklungs-  imd  Rückbildungsstufen  vor  sich 
hat.  An  den  Augenlidern,  am  Präputiiim  veranlasst  die  Quaddel 
bedeutendes  Oedem,  so  dass  z.  B.  das  Auge,  natürlich  nur  auf 
kurze  Zeit,  geschlossen  erscheint. 

Auch  auf  der  Schleimhaut  des  Mundes,  Rachens  und 
Kehldeckels  kommen  manchmal  gleichzeitig  flüchtige  ßöthungen 
und  den  Quaddeln  entsprechende,  ödematöse  Schwellxxngen  vor, 
durch  welche  z.  B.  das  Zäpfchen  enorm  vergrössert,  die  Epi- 
glottis  bis  zur  Erstickungsgefahr  angeschwollen  sein  kann. 
Doch  sind  derartige  Vorkommnisse  gewiss  höchst  selten  imd 
speciell  beider  als  Riesen  u,Tticaria  (Milton)  mitgetheilten 
Form  gesehen  worden ,  bei  welcher  auch  auf  der  Haut  enorm 
grosse,  beulenartige  Geschwülste  entstanden  sind,  die  durch 
plötzliches  Auftauchen  ,  Schrherzlosigkeit ,  flüchtigen  Bestand 
als  Quaddeln  sich  zu  erkennen  gaben. 

Wie  viele  Quaddeln  immer  auftauchen  mögen,  imjuer  ist 
ihre  Dauer  nur  eine  sehr  flüchtige.  Aber  auch  der  Process  als 
solcher  ist  ein  höchst  acuter,  insoferne  man  in  der  Regel  den- 


cjgg  Siebaehiito  Vorlesung. 

selben  nicht  länger  als  ein  bis  einige  Tage  zu  sehen  bekommt, 
U  r  t  i  c  a  r  i  a  a  c  u  ta ,  e  V  a  n  i  d  a.    Doch  kann  unter  Umständen 
der  Nesselausschlag  viele  Wochen,  Monate  und  Jahre  in  gleich- 
massigen  oder  aus  Exacerbationen  und  Remissionen  sich  zu- 
sammensetzenden Eruptionen  bestehen,  U  r  t  i  c  a  r  i  a  r  e  ci  d i  v  a, 
chronica,  oder  U  r  t  i  c  a  t  i  o ,  Nesselsucht.    Darnach  wird  die 
Bedeutung  der  sonst  scheinbar  so  harmlosen  Krankheit  grösser, 
sowie  die  Art  und  Zahl  der  complicir enden  und  beglei- 
tenden Symptome  verschieden  sein,  als:  auf  der  Haut,  Exco- 
riationen,  Pigmentation ,  Knötchen  und  Pustebi ,  wie  sie  dem 
Eczem  angehören;  weiters:  Dyspepsie,  Uebligkeit ,  Erbrechen, 
Diarrhoe,  Fieber,  remittirend  und  intermittirend,  und  viele 
andere,  deren  Besprechung  sich  am  besten  derjenigen  von  den 
verschiedenen  Formen  der  Urticaria  anschliessen  wird. 

Die  Wichtigkeit  dieser  Krankheit  wird  erst  einleuchten, 
wenn  man  die  verschiedenen  Ursachen  kennt,  durch  welche 
Urticaria  veranlasst  werden  kann.  Darnach  steUt  sie  ein- 
mal eine  ganz  unbedeutende,  vorübergehende  Molestirung,  ein 
anderes  Mal  ein  recht  schweres  Leiden  dar. 

Praktisch  am  besten  unterscheiden  wir  die  Urticaria  nach 
ihrerUrsache  als  idiopathische  uud  symptomatische. 

Die  i  d  i  0  p  a  t  h  i  s  c  h  e  Urticaria  ist  diejenige,  welche  durch 
äussere  SchädKchkeiten,  durch  directe  Reizung  der  Haut 
hervorgerufen  wird,  als  deren  vulgäres  Beispiel  der  Nesselaus- 
schlag in  Folge  von  Brennessel  bekannt  ist.  In  praktischer 
Beziehung  wäre  hier  zunächst  hervorzuheben,  dass  die  bei  uns 
häufigen  Epizoen,  Flöhe,  Pulex  irritans,  Wanzen,  Cimex 
lectuarius  und  Läuse,  Pediculi,  nebstdem  noch  andere  Insecten, 
die  Processions-  und  andere  Raupen ,  Mücken  (Gelsen ,  Culex 
pipiens)  die  häufigste  Ursache  für  Urticaria  sind. 

Es  entstehen  zunächst  an  den  Punkten,  wo  das  Lisect, 
z  B  die  Wanze,  einsticht  und  saugt,  um  die  Einstichstelle 
herum  quaddelartige  Erhebungen,  durch  welche  bis  auf  eine 
gewisse  Circumferenz  das  Rete  Malpighü  serös  imbibirt  und 
aufgequoUen  ist.  Da  nun  die  Quaddel  juckt ,  so  kratzt  sich 
der  Betrefi-ende  und  trifft  mit  zwei  bis  drei  Fingernagebi  das 
aufgelockerte  Epidermisstratum.  Dadurch  werden  zwei  bis  drei 
parallele  Excoriationsstriche  hervorgerufen,  welche  an  der  Biss- 
stelle der  Wanze  selber  gewöhnlich  in  einer  rundHchen  Blut- 
borke sich  vereinigen.    Es  entstehen  aber  nicht  nur  an  den  von 


Urticaria. 


297 


den  riöheii  und  Wanzen  diirch  SaiTgen  direct  irritirten  Stellen 
Quaddeln,  sondern  aucli  an  vielen  anderen  Körperstellen,  aut 
welcte  die  betreffenden  Insecten  nur  springend  oder  kriechend 
einen  Reiz  hervorgerufen  haben,  und  endlich  an  solchen  Haut- 
stellen, welche  von  den  betreffenden  Tliierchen  gar  nicht  berührt 
worden  sind. 

Es  ist  nämlich  eine  Eigenthümlichheit,  dass  das  auf  einem 
Punkt  der  Haut  vorhandene  Jucken  ein  Irritaiiient  der  Art 
abgibt,  dass,  auf  dem  Wege  der  sensitiven  Nerven  vermittelt, 
reflectorisch  an  einer  ganz  anderen  Köperstelle,  und  an  vielen 
solchen,  Urticariaquaddeln  auftreten  und  dass  besonders  die  von 
Urticaria  schon  befallene  Haut  in  dieser  Beziehung  die  grösste 
Ii-ritabilität  bekundet,   so  dass  schon  die  Berührung  mit  dem 
Finger,  noch  mehr  das  Kratzen,  die  Eeibung  durch  gesteifte 
Wäsche,  Druck  von  Strumpfbändern  etc.  neue  Quaddeln  hervor- 
rufen.   Wir  begegnen  darum  der  Urticaria  in  allen  den  Krank- 
heitsformen, wo  Jucken  überhaupt  vorhanden  ist.    Es  werden 
die  bereits  vorhandenen  Quaddeln  noch  viele  Tage,  wenn  die 
ursprüngliche  Schädlichkeit  auch  beseitigt  ist,   durch  reflec- 
torische  Irritation  neue  Quaddeln  hervorrufen. 

Man  kann  z.  B.  bei  einem  Kinde ,  welches  sehr  rein  , 
gehalten  wird  und  eine  empfindliche  Haut  hat,  bei  sorgfältigster 
Untersuchung  nur  einen  Eloh  auffinden,  mit  einem  einzigen 
Elohstich  am  ganzen  Körper  und  sofort  Quaddeln  in  grosser 
Zahl  über  den  ganzen  Körper  zerstreut,  welche  durch  mehrere 
Tage  und  in  allmäliger  Decrescenz  sich  erneuern.    Da  aber 
Wanzen  in  manchen  Wohnungen  in  grosser  Menge  eingenistet 
sind,  so  werden  diese  zu  exquisit  chronischer  Urticaria  Ver- 
anlassung geben.    Man  findet  an  einer  solchen  Haut  allent- 
halben zerstreut  theils  frische,  theils  nur  in  Eorm  von  braunen 
Streifen  gekennzeichnete  Excoriationen ,  in  der  Grestalt  von 
zwei-  und  dreifach  gezogenen  und  sich  gegenseitig  dukaten- 
zeichenähnlich  kreuzenden  Linien,  so  dass  man  aus  dieser  Er- 
scheinung die  Diagnose  Urticaria  chronica  mit  der  wahrschein- 
lichen Aetiologie  e  cimicibus  machen  kann,   auch  wenn  im 
Momente  der  Untersuchung  nicht  eine  einzige  Quaddel  da  ist ; 
und  die  Diagnose  ist  fast  jedesmal  richtig,   wenn  angegeben 
wird,  dass  das  Jucken  immer  nur  in  der  Nacht  vorhanden  ist. 

Seltener  hat  man  Grelegenheit ,   und  zwar  in  Sommer- 
monaten vereinzelt  oder  nahezu  in  endemischer  Verbreitung 


298  Siebzehnte  Vorlesung. 

Urticaria  in  Folge  von  Culex  pipiens,  Leptus  autumnalis  oder 
der  Processionsranpe,  Gastropacha  processionea  zu  sehen  ,  zu- 
meist als  Urticaria  papulosa. 

Die  symptomatische  Urticaria  erscheint  als  lieflex- 
symptom  einer  von  einem  anderen  Organe  oder  Systeme,  als 
die  Haut,  ausgehenden  Nervenreize,  rein  reflectorisch,  oder  als 
begleitendes  Symptom  anderer  Hautkrankheiten  und  darnach 
auch  wieder  entweder  acut,  oder  chronisch. 

Am  häuiigsten  ist  dieselbe  bedingt  durch  Reizung  der 
G-eschmacks  nerven  und  des  Gastroi  n  testin  alt  ract  es, 
wobei  einmal  durch  die  betreffenden  Ingesta  ein  ausgesi^rochener 
Magen-  und  Darmkatarrh  mit  Erscheinungen  der  Ueblichkeit, 
Erbrechen,  Diarrhoe,    choleraähnlichen  Znständen,  belegter 
Zunge ,  Fieber  u.  s.  w.  auftreten ,  oder  auch  ohne  alle  derar- 
tige begleitende  Sjanptome.    In  allen  diesen  Fällen  muss  eine, 
für  viele  Personen  wenigstens,   ganz  besondere  Idiosynkrasie 
gegenüber  von  speciellen  Speisen  oder  Getränken  angenommen 
werden.    Man  kann  nicht  annehmen,   dass  überhaupt ,  oder 
wenigstens  nicht  dass  in  gewissen  Fällen  erst  durcb  eine  von 
Seite  des  Magen-Darmtractes  resorbirte  und  in  das  Blut  ge- 
langte Substanz,  welche  chemisch  auf  die  betreffenden  Nerven- 
centra  einwirken  würde,  die  Urticaria  hervorgerufen  wird.  Denn 
es  ist  notorisch,  dass  sehr  häufig  fast  unmittelbar,  sobald  die 
betreffende  Stibstanz  oder  das  Medicament  auf  die  Mundschleim- 
haut gebracht  wurde,  scbon  die  Urticaria  auftritt,  was  selbst- 
verständlich nur  auf  reflectirtem  Wege  von  den  Geschmacks- 
nerven aus  erklärt  werden  kann. 

Solche  bei  vielen  oder  einzelnen  Individuen  zeitweilig,  oder 
regelmässig  einen  Urticariaausbruch  veranlassende  Speisen  und 
Substanzen  siud:  Erdbeeren,  Himbeeren,  Johannisbeeren,  Fische 
aller  Art,  insbesonders  Seefische,  Hummern,  Austern.  Fluss- 
krebse, Schnecken,  Würste  aller  Art,  Schinken,  Champagner, 
Majonnaise,  Schweinefleisch,  geräuchert,  gebraten  oder  gekocht, 
manche  Sorten  Käse,  Gefrorenes  (Fruchteis).  An  Medica- 
menten: Copaivabalsam,  Terpenthin,  verschiedene  Mineral- 
wässer, Chinin  in  seltenen  Fällen  (KöbneeI,  auch  blosse  Inha- 
lation von  Balsamicis,  Terpenthin  und  eine  Menge  anderer 
Stoffe,  die  unter  Umständen  für  ein  bestimmtes  Individuum 
Urticaria  producirend  sind. 

Manche  glauben,  dass  ein  grosser  Theil  der  Schuld  in 


Urticaria. 


299 


solchen  Fällen  an  sogenanntem  Ekel  oder  in  der  Einbildung 
liegt,  indem  ein  Lidividunm,  welches  nach  einer  bestimmten 
Speise  ein  oder  mehrere  Male  einen  so  unangenehmen  Zustand 
erfahren  hat,  vorkommenden  Falls  schon  mit  einer  gewissen 
Furcht  an  den  neuerlichen  Grenuss  der  betreffenden  Speise 
herangeht.  Das  ist  ein  Irrthum,  wie  mir  bekannte  Beispiele 
beweisen,  nach  welchen  es  gelungen  war,  solche  Personen  über 
den  Genussgegenstand  zu  täuschen,  dieselben  aber  doch  wieder 
Diarrhoe,  Erbrechen  und  Urticaria  bekamen. 

Gastrische  Zustände  überhaupt  disponiren  aufPallend 
für  Urticaria  und  insoferne  ein  solcher  Gastricismus  monate- 
lang persistiren  kann,  wird  auch  die  durch  denselben  bedmgte 
Urticaria  häufig  sich  wieder  einstellen,  also  als  chronisch  sich 
präsentiren. 

Ein  solches  Individuum  ist  nicht  nur  subjectiv  sehr  gequält, 
insoferne  dasselbe  fortwährend  von  Jucken  geplagt  wird,  mit 
der  Gesellschaft  nicht  verkehren,  an  keinem  Mahle  theilnehmen 
'  kann ,  sondern  es  magert  auch  im  Verlaufe  der  Zeit  ab ,  da 
sowohl  der  Schlaf  gestört  ist,  als  auch  seine  Ernährung  enorm 
leidet.  Es  kann  vorkommen,  dass  ein  solcher  Kranke  tagelang, 
und  manchmal  durch  viele  Wochen  mit  geringen  Unterbrechungen 
höchstens  ganz  indifferente  Flüssigkeiten,  Thee  oder  Wasser, 
kaum  etwas  Suppe  zu  sich  nehmen  kann,  oder  nur  warme  oder 
nur  kalte  Speisen,  weil  in  dem  Momente,  als  das  eine  oder  das 
andere  in  den  Mund  gebracht  wird,  über  dem  ganzen  Körper 
Urticaria  ausbricht. 

Bei  kleinen  Kindern  ist  diesen  Verhältnissen  besonders 
Eechnung  zu  tragen,  denn  häufig  ist  wochen-  und  monatelang 
andauernde  Urticaria  nichts  anderes  als  der  Ausdruck  eines 
chronischen  Magenkatarrhs,  der  durch  unzweckmässige  Ernäh- 
rungsweise, schlechte  Milch,  fette  Speisen,  welche  dessen  Magen 
noch  nicht  verträgt,  hervorgerufen  ist. 

Ich  habe  bei  diesen  ätiologischen  Momenten  der  Urticaria 
etwas  länger  verweilt,  weü  deren  Eruirung  für  die  prak- 
tische Hilfeleistung  von  grossem  Belange  ist. 

Durch  Gemfi thsaffecte  plötzlicher  Art,  Scham,  Ver- 
legenheit. Zorn  kommt  wohl  auch  ein  Urticariaausbruch  zu  Stande. 

In  die  Reihe  der  durch  irritirende,  in  die  Blutmasse  auf- 
genommene Substanzen  bedingten  Urticariaformen  gehört  auch 
das  Auftreten  von  Urticaria  neben  Scarlatina  imd  Morbilli  oder 


noo 


Siebzehnte  Vorlesung. 


im  Prodromalstadium  der  Variola  neben  dem  Erythema  vario- 
losum,  in  welchen  Fällen  eben  das  specifisclie  Kranklieitscon- 
tagium  als  das  irritirende  Moment  angesehen  werden  muss. 

Mit  Intermittens  oder  unter  intermittirendem  Fieber  ist 
wiederholt  Urticaria  gesehen  worden  —  Febris  urticata  inter- 
mittens oder  Intermittens  sixb  forma  tirticariae  larvata  (Scor- 
czEWSKi,  Zeissl,  Neümann). 

Höchst  wichtig  ist  noch  das  Auftreten  von  Urticaria  als 
Vorläufer  und  Begleiter  der  den  Pemphigus  constituirenden 
Blaseneruptionen. 

Entweder  erscheinen  über  den  Körper  zerstreut  zahlreiche 
Erythemformen  in  Combination  mit  Urticaria  und  es  entwickeln 
sich  über  einzelnen  Quaddeln  Pemphigusblasen ,  während  der 
grösste  Theil  des  Erythems  wieder  schwindet.  Oder  es  kommen 
consequent  nur  einzelne  Urticariaquaddeln  und  nur  an  solchen 
Stellen  sodann  auch  Blasen.  Das  letztere  ist  speciell  bei 
Pemphigus  pruriginosus  der  Fall. 

Prurigo  beginnt  auch  in  der  ßegel  mit  den  Erschei- 
nungen der  Urticaria  derart,  dass  durch  mehrere  Monate  bei 
einem  Kinde  nur  Quaddeln  auftauchen  und  erst  im  Verlaufe 
des  zweiten  Lebensjahres  die  charakteristisch  localisirten  Pru- 
rigoknötchen erscheinen. 

Wir  kennen  weiters  chronische  und  symptomatische  Urti- 
caria ,   als  Ausdruck  einer  theils  nachweisbaren  Erkrankung 
irgend  eines  inneren  Organs,   theils  nicht  näher  definirbarer 
allgemeiner  Zustände,   somatischer  wie  psyschiseher.    So  in 
Folge  von  gewissen  Functionsanomalien  des  weiblichen  Sexual- 
systems,   Dysmenorrhoe,    Amenorrhoe,   chronischem  Infarct, 
Sterilität,    chronischer   Albuminurie  (auch   bei  acuter  Urti- 
caria ist  Albuminurie  beobachtet  worden,  Leube)  chi^onischem 
G-astricismus ,   Reizung   des  Darmtractes   durch  Eingeweide- 
würmer, Intestinalkatarrh,  Leberanschoppung,  Diabetes,  oder 
als  Ausdruck  eines  allgemeinen  Marasmus,    namentlich  des 
Marasmus  senilis,   als  Begleitung  des  Pruritus  senilis,  depri- 
mirender,  lang  andauernder  Gremüthsalfecte ,  Trauer  über  Ver- 
lust theurer  Familienmitglieder,  Aenderung  der  materiellen 
Verhältnisse  u.  s.  f.,  und  da  die  letzt  angeführten  Ursachen  in 
der  Regel  ihrer  Natur  nach  lang  andauern,  so  wird  auch  die 
von  ihnen  veranlasste  Urticaria  in  der  Regel  eine  Urticaria 
chronica  sein. 


Urticaria. 


301 


Sie  sehen,  meine  Herren,  zu  welch'  bedeutendem  Leiden 
diese  anscheinend  so  harmlose  AfFection  unter  Umständen  sich 
herausbilden  kann,  und  Sie  werden  es  dadurch  gerechtfertigt 
finden,  daas  ich,  obgleich  die  örtliche  Hautveränderung  der 
Urticaria  jedesmal  eine  höchst  unbedeutende,  flüchtige  ist, 
dennoch  der  Urticaria  als  Erkrankungsform  des  Organismus 
etwas  grössere  Aufmerksamkeit  geschenkt  habe.  Denn  Sie 
sehen  schon  ein.  wie  schwierig  im  Allgemeinen  die  Frage  zu 
beantworten  ist,  ob  die  Urticaria  eine  günstige  oder  ungünstige 
Prognose  gestattet. 

Ein  in  Folge  von  Wanzen  oder  des  einmaligen  Genusses 
einer  Selchwurst  entstandener  Nesselausschlag  ist  eine  nicht 
redenswerthe  Affection ;  sie  geht  ja  in  wenigen  Tagen  von  selbst 
vorüber.  Eine  Urticaria,  welche  mit  Amenorrhoe  zusammen- 
hängt, oder  mit  einer  gar  nicht  eruirbaren  Ursache,  oder  nach 
jedem  Speise-  und  Getränkegenuss  recidivirt,  ist  ein  sehr  schweres 
Leiden,  welches  den  Kranken  und  die  Umgebung  belästigt,  den 
BetrotFenen  in  seinem  Berufe  stört,  an  Körper  und  Gemüth 
herunterbringt  und  bis  zum  Lebensüberdruss  treiben  kann. 

Die  Prognose  wird  demnach  wesentlich  abhängen  von  dem 
jeweiligen  ätiologischen  Momente  des  Nesselausschlages ,  oder 
was  ein  und  dasselbe  ist,  von  der  speciellen  Diagno  s  e. 

Die  Urticaria  nämlich  als  solche  zu  diagnosticiren  unter- 
liegt ja  keinerlei  Schwierigkeit,  eine  Urticariaquaddel  kann 
ja  mit  nichts  Anderem  verwechselt  werden.  Die  specielle  Dia- 
gnose bezieht  sich  darauf,  dass  man  in  dem  jeweiligen  Falle 
die  Art  ihrer  Veranlassung  herausfinde ,  ob  dieselbe  durch  ein 
äusserliches  Moment  und  durch  welches,  durch  ein  inneres  vor- 
übergehendes oder  dauerndes ,  ein  solches ,  welches  beseitigt 
werden  kami  oder  unheilbar  ist,  bedingt  ist. 

Um  nun  in  dieser  Richtung  sich  zu  Orientiren,  muss'man 
vor  Allem  zu  entscheiden  sich  bemühen,  ob  ein  Fall  von  acuter 
oder  chronischer  Urticaria  vorliegt.  Man  ist  hierbei  vorwie- 
gend ,  aber  nicht  ganz ,  auf  die  Angaben  des  Kranken  ange- 
wiesen. Denn  bei  chronischer  Dauer  der  Urticaria  werden 
neben  frischen  Excoriationen  auch  zahlreiche  Pigmentstreifen 
sich  vorfinden.  Ueberdies  sind  dieselben  bei  Pediculi  vestimen- 
toru.m  besonders  localisirt,  am  Nacken,  der  Schrdtergegend  im.d 
am  Kjreuz ;  bei  anderen  Ursachen  unregelmässig  über  den 
Körper  zerstreut. 


302 


Siebzehnte  Vorlesung. 


Urticaria  in  Folge  von  Epizoen ,  Insectenstichen  etc.  int 
in  der  Regel  acut  und  vorübergehend.  Nur  bei  Bettwanzen 
kann  durch  die  Andauer  der  Ursache  auch  die  AfFection  chro- 
nisch sein.  Hier  ist  die  Erfahrung,  dass  die  Schädlichkeit  in 
der  Regel  nur  in  der  Nacht  auf  die  Haut  wirkt,  zur  Orienti- 
rung  zu  benützen.  Die  Kinder  wachen  in  der  Regel  mit  Urti- 
caria auf,  verlieren  sie  aber  im  Laufe  des  Tages  und  zeigen 
in  der  nächsten  Nacht  und  Morgens  wieder  Urticaria. 

Ebenso  wird  der  einmalige  Grenuss  von  gewissen  Speisen 
der  aufgezählten  Sorten  auch  eine  vorübergehende  Urticaria 
veranlassen.  Sind  namentlich  auch  gastrische  Erscheinungen 
vorhanden,  so  wird  man  durch  Aiifzählen  der  erwähnten  Speise- 
und  G-etränkesorten  dem  Gredächtnisse  des  Kranken  nachhelfen 
und  auf  diese  Weise  von  ihm  die  Bestätigung  erhalten,  dass 
er  ein  oder  zwei  Tage  vorher  Erdbeeren,  G-.efrorenes,  Hummer 
etc.  gegessen  habe,  womit  die  specielle  Diagnose  Urticaria  ab 
ingestis  und  die  günstige  Prognose  gesichert  ist. 

Schwieriger  ist  die  Orientirung,  sobald  es  feststeht,  dass  man 
eine  Urticaria  chronica,  Nesselsucht,  vor  sich  hat.  Man 
muss  dann  per  exclusionem  vorgehen  und  der  Reihe  nach  alle 
jene  früher  geschilderten  Verhältnisse  zu  eruiren  oder  auszu- 
schliessen  trachten,  welche  eben  chronische  Urticaria  zu  veran- 
lassen vermögen,  und  darnach  den  betreffenden  Krankheitsfall 
specificiren,  z.  B.  Urticaria  chronica  ex  morbo  Brightü  oder  ex 
hysteria. 

Nach  den  aufgezählten  Verhältnissen  richtet  sich  auch 
das  Vorgehen  bei  der  Behandlung.  Eine  acute  flüchtige 
Urticaria  bedarf  ja  keiner  solchen ,  obgleich  es  auch  da  wün- 
schenswerth  sein  wird,  wenigstens  der  momentanen  Jnckempfin- 
dung  entgegen  zu  wirken. 

Im  Allgemeinen  wird  man  zunächst  die  Ursache  der  Urti- 
caria zu  eruiren  und  womöglich  zu  beseitigen  sich  bemühen. 
Dies  güt  namentlich  für  die  Urticaria  in  Folge  von  Bettwanzen, 
zu  deren  Nachweis  in  ihren  bekannten  Schlupfwinkeln,  Bilder- 
rahmen, Fussdielen  etc.  man  bei  Urticaria  der  Kinder  sich  die 
nothwendige  Mühe  nehmen  muss.  Bei  Urticaria  ab  ingestis 
wird  vielleicht  ein  Abführmittel  die  Entfernung  der  betreffenden 
schädHchen  Substanz  aus  dem  Darmtract  befördern  und  den 
Urticariaanfall  abkürzen. 

Bei  Nesselausschlag  in  Folge  von  chronischem  Magen- 


Urticaria, 


katarrh  wird  man  durch  eine  sorgfältige,  dem  Individnniii  ange- 
passte  Diätverordnung,  Soda,  Magnesia,  Rheum,  Amaricantia, 
eventuell  Brunnencaren,  wie  Marienbad,  Karlsbad,  Franzensbad, 
bei  Kindern  durch  Verabreichung  leicht  verdaulicher ,  guter 
Milcli,  Vermeidung  fetter  Substanzen  u.  s.  w.  die  Quelle  der 
Urticaria  beseitigen. 

Ebenso  werden  die  etwa  eruirten  Anomalien  von  Seite 
des  Grenitalsystems  bei  Weibern  entsprechend  behandelt  werden 
müssen,  wenn  die  durch  sie  bedingte  Urticaria  ihr  Ende  er- 
reichen soll. 

In  Bezug  auf  die  durch  Gemüthsaffecte  bedingte  Nessel- 
sucht hat  die  Erfahrung  gelehrt,  dass  sie  nach  plötzlichen 
Schicksalsschlägen  wie  urplötzlich  auftritt  und  nach  verschieden 
langem,  oft  Jahre  langem  Bestände  entweder  wie  die  Seelen- 
zustände  selbst  allmälig  erträglicher,  so  auch  die  Urticaria 
selbst  in  ihrer  Intensität  abgeschwächt  wird  und  endlich  ver- 
schwindet, oder  dass  die  Urticaria  bei  plötzlicher  Wendung  in 
den  Gemüthsstimmungen ,  ja  selbst  der  äusseren  Lebensver- 
hältnisse der  Individuen  auch  urplötzlich  verschwindet.  Man 
kann  sich  dies  auch  für  die  Therapie  zu  Nutze  machen  und 
durch  den  jeweiligen  Verhältnissen  angemessene  allgemein 
diätetische  Verordnungen,  günstige  psychische  Einwirkung,  Zer- 
streuung und  Umstimmung  bei  den  Kranken  hervorzurufen  sich 
bemühen. 

Manchmal  hört  die  Urticaria  urplötzlich  auf,  wenn  der 
Kranke  seinen  Aufenthalt  wechselt,  z.  B.  auf  Reisen  geht. 
Sobald  er  das  Weichbild  seiner  Leidenstätte  verlassen ,  kann 
er  Alles  essen  und  trinken,  in  heisse  Locale  gehen,  marschiren, 
sich  aufregen,  die  Urticaria  bleibt  weg,  und  kehrt  er  nach  drei 
bis  vier  Monaten  zurück,  bleibt  er  von  seinem  Uebel  verschont. 
Ein  anderes  Mal  kehrt  alsbald  nach  wenigen  Wochen  die  Urti- 
caria wieder. 

Sie  sehen,  wie  precär  unsere  ätiologische  Therapie  in  der 
Urticaria  ist,  indem  wir  nur  in  sehr  wenigen  Fällen  die  Ur- 
sache der  Krankheit  zu  beseitigen  vermögen.  Wir  sind  noch 
übler  daran  mit  der  Bekämpfung  des  Nesselausschlages  selbst , 
mit  der  symptomatischen  Behandlung. 

Ihre  Aufgabe  ist  in  diesem  Falle,  das  durch  die  Quaddeln 
bedingte  Jucken  möglichst  zu  mildern  und  die  Schädlichkeiten, 
welche  den  Auisbruch  steigern  oder  erneuern  könnten  — ■  und 


Siöbzelinte  Vorlesung. 

(las.lucken  selbst  ist  ja  eine  solche  Schädlichkeit möglichst 
hintanziihalten. 

Im  Allgemeinen  sind  es  solche  Mittel,  welche  der  Haut 
Wärme  entziehen,  durch  welche  die  Kranken  einige  Erleich- 
terung erfahren,  also  Abwaschungen  mit  kaltem  Wasser,  gemengt 
mit.  aromatischen  flüchtigen  Substanzen,  Acetum  vini,  Acetum 
aromaticum,  Spiritus  vini  gallicus,  Mindereri,  Aether  sulfiiricus, 
Abreiben  mit  Citronenscheiben  u.  s.  f.,  kalte  Einhüllungen, 
Douchen  (lauwarme  Bäder  entsprechen  seltener) ,  Fluss-  und 
Seebäder. 

Am  besten  ist  es,  dass  der  Kranke  sich  möglichst  kühl 
verhalte,  im  kühlen  Zimmer  schlafe  und  sich  nur  leicht  zu- 
decke. Die  Bettwärme,  der  Aufenthalt  in  dicht  bewohnten, 
stark  geheizten  Räumen,  Theater  u.  s.  w.  sind  zu  vermeiden. 
Nicht  nur,  dass  Wärme  und  Gaslicht  bei  dazu  Disponirten 
Urticaria  producirt,  wirkt  auch  die  Angst  vor  einem  solchen 
Ausbruch  als  psychisches  Erregungsmoment  der  Urticaria, 
wenn  die  Betreffenden  sich  mitten  in  der  Gesellschaft  befinden, 
z.  B.  einer  Sitzreihe  im  Theater ,  wo  sie  dem  Drange  nach 
Kratzen  nicht  folgen  können  und  auch  nicht,  ohne  Aufsehen  zu 
erregen,  sich  entfernen  können. 

Da  die  Urticariaausbrüche  im  Laufe  des  Tages  nur  zwei 
bis  dreimal ,  gewöhnlich  ein  paar  Stunden  nach  dem  Essen 
und  unmittelbar  beim  Schlafengehen,  oder  beim  Entkleiden, 
oder  ein  paar  Stunden  nach  dem  Einschlafen  erscheinen  ,  so 
kann  man  jedes  Mal  beim  Beginn  des  Ausbruches  deii 
Körper  mit  eiuer  der  genannten  Flüssigkeiten  benetzen,  z.  B. 
Rp.  Spir.  vini  gaUici  200,  Aeth.  petrol.  5,  Glycerini  2,o. 
S  zum  Einpinseln.  Oder:  ßp.  Spir.  lavand.  100,  Spii'.  vini  gall 
150,0,  Aeth.  sulf.  2,5,  Aconitini  1,0.  S.  Zum  Einpinseln.  Auf 
die  benetzten  Hautstellen  wird  Puder  gestreut. 

Gelingt  es  die  ersten  Quaddeln  rasch  ziu'  Rückbildung 
zu  bringen,  so  wird  das  Kratzen  verhütet  und  denmach  auch 
ein  allgemein  vehementerer  Ausbruch. 

Gegen  einzelne  Quaddebi  von  Insectenstichen ,  Mucken-, 
Bienenstichen  ist  das  Betupfen  mit  Ammonia  pura  liquida  als 
günstig  wirkend  befunden  worden. 

Medicamentöse  Bäder  mit  Soda,  Kilogramm,  gut 

aufgelöst  ins  Bad  geschüttet,  Alaun  500  Gramm,  Sublimatbader 


Urticaria. 


5  ^0  Gramm  pro  Bad,  werden  in  verzweifelten  Fällen  immer- 

liin  versucht  werden  müssen. 

Im  UeLrigen  wird  bei  einer  unter  so  mannigfachen  Ver- 
liältnissen  auftretenden  Krankheit  der  Umsieht  und  Erfahrving 
des  einzelnen  Arztes  es  überlassen  bleiben  müssen,  sowohl  in 
Bezug  auf  die  allgemein  diätetische,  als  auch  psychische  und 
örtKche  Behandlung  nach  dem  speciellen  Falle  das  Eichtige  zu 
treffen. 

Die  Behandhmg  der  mit  den  erwähnten  anderweitigen 
Hautkrankheiten,  wie  Pemphigus,  Prurigo,  Scabies  etc.,  symp- 
tomatisch vergesellschafteten  Urticaria  fällt  mit  derjenigen 
.eben  dieser  Krankheiten  zusammen. 


K  ap  0  .s  1 ,  Hautkrankheiten. 


SO 


AcMzelmte  Yorlesung. 


2.  Phlyctänosen,  Bläschenausschläge. 

Herpes. 

Es  gibt  kaum  eine  dermatologische  Kranklieitsbezeiclinuug, 
welche  eine  mannigfachere  Verwendung  gefunden  hätte,  als  die 
des  Herpes. 

Etymologisch  bedeutet  der  Name  etwas  was  kriecht,  und 
daher  haben  die  alten  Schriftsteller  als  Herpetes  solche  Haut- 
ausschläge bezeichnet ,  welche  von  einer  Stelle  aus  in  schlei- 
chender Weise  sich  ausbreiten  ,  und  damit  vorwiegend  chro- 
nische HantaflPectionen  benannt,  u.  z.  theils  oberflächliche,  theils 
üi  die  Tiefe  der  Gewebe  dringende  und  diese  zerstörende  Pro- 
cesse.    Im  ersteren  Sinne  hat  sich  das  Wort  leider  noch  heut- 
zutage bei  sehr  vielen  Aerzten  erhalten ,  welche  bei  jeder 
chronischen,  im  Allgemeinen  „trockenen"  Hautkrankheit  ebenso 
unterschiedslos,  wie  die  Laien,  von  einer  Elechte,  einem  Herpes, 
einem  herpetischen  Ausschlag  sprechen.    Im  zweiten  Sinne 
haben  wir  noch  in  dem  Herpes  esthyomenus ,  exedens,  rodens, 
devastans,  ferus  der  Autoren  für  ein  fressendes,  kriechendes 
Geschwür,  also,  nach  unserem  heutigen  Begriff,  für  emen  serpi- 
ginösen  Krebs  oder  Lupus  Belege  bei  Alibert  und  manchen 
Chirurgen  der  Vierziger -Jahre.  ^ 

Nach  unseren  heutigen,  möglichst  festgestellten  Begriften 
ist  es  nicht  gestattet,  von  einem  „herpetischen  Ausschlag"  zu 
sprechen,  wie  dies  manchen  Aerzten  beliebt,  welche  eine  eben 
sich  ihnen  darbietende  HautafFection  nicht  zu  beurtheilen  m 
der  Lage  sind  und  mit  einer  solchen  Bezeichnung  etwas  gesagt 
zu  haben  glauben. 


Herpes  Zoster. 


J307 


Wh'  verstehen  seit  Willah  unter  Herpes  eine  acut 
und  typisch  verlaufende  gutartige  Hautkrankheit, 
welche  sich  durch  die  Bildung  von  in  Gruppen  gestellten, 
mit  wasserheller  Flüssigkeit  gefüllten  Bläschen 
charakterisirt,  gewisse,  theils  anatomisch  beson- 
ders vorgezeichnete,  theils  wenigstens  topogra- 
phisch markirte  Regionen  des  Körpers  occupirt 
und  jedes  Mal  in  einem  bestimmten,  auf  relativ 
kurze  Zeit  bemessenen  Cyklus  abläuft. 

Wenn  Sie  sich  also  den  Typus  eines  Herpes  vorstellen 
wollen,  so  kann  demselben  nur  folgendes  Krankheitsbild  ent- 
sprechen. 

An  einer  bestimmten  Eegion  der  Haut  entstehen,  in  acuter 
Weise  ,  eiii  oder  mehrere  Gruppen  von  kleinen  Epidermidal- 
elevationen,  Knötchen,  welche  sich  rasch  durch  Ansammlung 
von  Serum  zu  Bläschen  entwickeln;  damit  ist  die  Höhe  des 
Processes  erreicht. 

Den  weiteren  Verlauf  kann  man  sich  nach  allgemein  patho- 
logischen Gesetzen  a  priori  construiren. 

Die  Bläschen  bestehen  ein  paar  Stunden,  oder  ein  bis 
zwei  Tage  und  trocknen  durch  Resorption  des  Serums  zu  Borken 
ein.  Unter  diesen  erfolgt,  in  Folge  Rückbildung  der  Entzün- 
dung und  Aufhören  der  Exsudation,  normale  Epidermisbildung, 
die  Borken  fallen  ab,  die  Bläschenstellen  erscheinen  überhäutet, 
der  Herpes  ist  zu  Ende. 

Nach  den  besonderen  Typen,  unter  welchen  der  Herpes 
sich  zu  präsentiren  pflegt,  unterscheidet  man : 

1.  Herpes  Zoster. 

2.  Herpes  praeputialis  s.  progenitalis. 
iJ.  Herpes  labialis  s.  faciaKs. 

4.  Herpes  Iris  et  circinatus. 

Ich  will  Sie  gleich  mit  der  ersten,  unstreitig  der  kKnisch 
und  pathologisch  interessantesten  Form,  welche  vielleicht  aucli 
für  die  folgenden  zwei  Arten  den  Schlüssel  abgibt ,  mit  dem 
Herpes  Zoster  bekannt  machen. 

Herpes  Zoster,  Zoster,  Gürtelausschlag. 

Wir  bezeichnen  jene  Krankheitsform  als  H  e  r  p  e  s  Z  o  s  t  e  r. 
welche  nach  dem  Typus  des  Herpes,  das  ist  mit  acut 
auftretenden  Bläschengruppen  an  einer  Körper- 

20* 


•jQjj;  Aclitzelmte  Vorlesung. 

liälfte,  liöclist  selten  an  beiden,  des  Stammes,  des 
Kopfes  oder  der  Extremitäten  sich  localisirt  und 
mit  seiner  Eruption  die  durch  die  Nerven  vor- 
gezeichnet'e  anatomische  Richtung  einhält. 

Da  ich  schon  in  der  Definition  der  Krankheit  als  wesent- 
lichen Cliarakter  eine  genaue  Beziehung  des  N  e  r  v  en  v  e  rl  auf  es 
zur  Haiiteruption  hervorgehoben  habe,  so  wird  es  Sie  sicher- 
licli  interessiren ,  zunächst  über  diese  neue  Beziehung  einige 
Aufklärung  zu  erhalten. 

Schon  zu  einer  Zeit,  als  man  die  hier  zu  besjjrechende 
Hautkrankheit  noch  nicht,  wie  heute,  als  Herpes  zu  bezeichnen 
in  der  Lage  war,  sondern,  wegen  des  mit  der  Eruption  ver- 
bundenen Gefühls  von  heftigem  Brennen,  sie  als  Ignis  sacer 
benannte,  hat  man  in  dem  h  a  1  b  s  e  i  ti  g  e  n  Auftreten  desselben 
das  auffallendste  Symptom  gefunden,  und  schon  Plinios  sagt: 
Ignis  sacri  plura  sunt  genera,  quorum  quod  medium  honiinem 
ambiens  Zoster  appellatur,  und  de  Haen  sagt  von  demselben: 
Haec  tarnen  perpetua  lex,  ut  ab  anteriore  parte  nunquam 
lineam  albam,  nunquam  a  postica  spinam  transcenderet. 

Diese  Erscheinung  hätte  schon  frühzeitig  auf  die  Idee 
führen  müssen,  dass  das  Cerebrospinalsystem,  oder  wenigstens 
die  Spinalnerven  mit  der  Krankheit   in   inniger  Beziehung 
stehen.    Doch  hat  erst  1818  Mehlis,  später  allerdings  Rayee, 
Homberg,  Hebra,  Häusinger  auf  eine  solche  Beziehung  liinge- 
wiesen.    Aber  erst  Bärenspeung  hat  diesem  Verhältniss  einen 
concreten  Ausdruck  gegeben,  indem  er  aus  dem  Studiuui  der 
Verlaufsweise  vieler  Zosterfälle  erst  theoretisch,  und  dann, 
nach  einem  Sectionsbefunde ,   auch  objectiv  demonstirte,  dass 
der  Zoster  immer  in  seiner  Richtung  einem  Spmahierven  ent- 
sprechen müsse  und  dass  eine  Erkrankung  des  Intervertebral- 
o-ano-lions  die  Ursache  des  Zoster  sei,  das  ist  jenes  Ganglions, 
durch  welches  die  hintere  sensitive  Wurzel  des  Rückenmarkes 
hindurchstreicht  und  von  welchem  sie  einzelne  Fasern  aufnimmt, 
bevor  sie,  durch  die  letzteren  verstärkt,  mit  der  vorderen,  moto- 
rischen Wurzel  zu  dem  gemeinschaftlichen  Stamm  eines  Spi- 
nalnerven sich  vereinigt.    Da  von  den  Hirnnerven  nur  der 
Trio-eminus  es  ist,  in  dessen  Bereich  erfahrungsgemass  Zoster 
auftritt,  derselbe  aber  auch,   analog  den  Spinalnerven,  ein 
Ganglion  besitzt,  das  Ganglion  Gasseri ,   so  hat  er  für  den 
Zoster  im  Bereiche  des  Gesichtes  eine  Erkrankung  des  Gang- 


Zoster. 


lion  Gasseri  verantwortlich  gemaclit.  Erklärt  liat  B.  dies 
speciell  damit,  dass  von  dem  betreffenden  G-anglio]i  Fasern  zu 
dem  Nervenstaram  ziehen,  welche  im  peripheren  Verbreitungs- 
bezii'ke  die  feinsten  Blutgefässe  der  oberen  Haut-  und  Papü- 
larschichte  versorgen,  demnach  auch  bei  ihrer  Alteration  Ent- 
zündung und  Exsudation  daselbst  veranlassen  können,  was 
unter  dem  Bilde  des  Herpes  erscheint. 

So  hat  BJvRBNSPRUNG  denn  auch  die  Zosteres  nach  ihrer 
Verlaufsweise,  genau  dem  Verlaufe  der  Nerven  entsprechend, 
eingetheilt  als : 

1.  Zoster  facialis,  a)  labialis.  2.  Z.  occipito  -  collaris. 
o.  Z.  cervico  -  subclavicularis.  4.  Z.  cervico-brachialis.  a)  bra- 
chialis.  5.  Z.  dorso-pectoralis.  6.  Z.  dorso-abdominalis.  7.  Z. 
lumbo-inguinalis.  8.  Z.  lumbo-femoralis.  9.  Z.  sacro-ischiadicus. 
a)  genitalis. 

Dieser  interessante  Eund  von  Bäkenspetjng,  mit  welchem 
in  einem  Male  das  Wesen  der  Zostererkrankung  enträthselt 
zu  sein  schien,  hat  durch  analoge  Befunde  von  Rayee  ,  Daot- 
ELSSEN,  Weidner,  Charcot  und  Cotard,  E.  Wagner  ,  0.  Wyss, 
Sattler  und  mir  Bestätigung  gefunden.    Speciell  haben  hier 


Fig.  1!). 


Längsschnitt  durch  das  'd.  rechtseitige  Leuden-Spinalgangüon  bei  einem  Zoster- 
lumbo-inguinalis,  (Loupen-Vergrösserung). 

aa  Ganglion.  Die  schwarzen  Punkte  innerhalb  desselben  entsprechen  den  dunkel 
]iigmentirten  Ganglienzellen,  die  dunkeln  Striche  den  strotzend  erfüllten  Blutgefässen . 
abcde  das  Ganglion  einhüllendes  Kettgewebe,  /  Fettzellen,  bei  (/  and  allenthalben, 
wo  dunkle  Schattiruiig  Hümorrliagie  und  strotzende  Gefässe.  bb  ein-  und  austretendu 
Nervenbündel  im  Längsschnitt,  bei  cc  im  tiuerachnitt. 


•MO 


Aclitzelinte  Vorlesung. 
Fig.  20. 


Hämorrliagisclier  Herd  im  Ganglion,  (.starke  Yergrösseniug). 

n-  .Invin  abs-eblasste  Gaiielienzellen  in  der  Linie  h.  bbf  mit  BlutUörperclien  erfüUte 
oÄenÄln  bd  Eeilie  erfüllt,  d  normale  Ganglienzellen,  a  solche  mit 

^  Nervenanslaufer. 

in  Wien  Sattlee  und  icli  in  je  einem  Falle  von  Zoster  fron- 
talis Hämorrliagien  und  Zerstörung  im  Ganglion  Gasseri,  luid 
ich  nocli  ausserdem  bei  einem  Zoster  lumbo-inguinalis  bedeu- 
tende Erkrankung  in  den  Spinalganglien  der  dem  Zoster  ent- 
spreclienden  Körperbälfte  und  Nerven  nacbgewiesen. 

Sie  seben  in  der  Abbildung  (Fig.  19)  den  Durcliscbnitt 
eines  solchen  Intervertebral-Ganglion.  Darin  die  Gefässe  von 
Blut  strotzend.  In  Fig.  20  ist  ein  hämorrhagischer  Herd  aus  dem 
Ganglion  dargestellt,  in  welchem  mehrere  Ganglienzellen  durch 
den  in  ihre  Kapsel  erfolgten  Bluterguss  verändert,  oder  zer- 
stört worden  sind.  In  Fig.  21  sehen  Sie  innerhalb  einer  ein- 
zelnen Ganglienzelle,  deren  Protoplasma  und  Kern  noch  gut 
erhalten  sind,  rothe  Blutkörperclien  eingedrungen. 

Trotz  dieser  positiven  Befunde  von  Anderen  und  mir 
liabe  ich  aus  verschiedenen,  tlieils  klinischen,  thells  anatomi- 


Zoster. 


311 


Fig.  21. 


f  Intrao-anelionäres  Bhitgefäss  mit  Körperchenstase  ,  6  innerhalb  der  Ganglienzellen- 
kapsei  rothe  Blutkörperchen,  Zellenkörper  und  Kern  a  erhalten,  c  Bindegewebe, 

e  E.vsudatzellen. 

seilen  iTiicl  physiologischen  Gründen  mich  an  einer  anderen 
Stelle  dahin  ausgesprochen ,  dass  die  Erkrankung  der  Spinal- 
ganglien gewiss  nicht  für  alle  Fälle  die  Ursache  des  Zoster 
abgibt.  Sie  müssen  vielmehr  der  Ueberzeugung  sein,  dass  ein 
Zoster  auch  entstehen  kann  in  Folge  von  Erkrankung  im  Ner- 
vencentruni  selbst ,  z.  B.  im  Rückenmark.  Dafür  spricht  das 
zeitweilig  doppelseitige  Auftreten  von  Zoster;  oder  durch  Er- 
krankung an  irgend  einer  Stelle  des  peripheren  Verlaufes  des 
Nerven,  wofür  der  Umstand  spricht,  dass  sehr  häufig  der 
Zoster  nicht  im  Bereiche  des  ganzen  Nervenverlaufes,  sondern 
nur  entsprechend  dem  periphersten  Theile  eines  Nervenstammes 
oder  nur  einem  Zweige  desselben  auftritt. 

Soviel  geht  aber  aus  den  bisher  bekannt  gewordenen  Ver- 
hältnissen hervor,  dass  eine  Erkrankung  im  Bereiche  des  Nerven, 
an  seinem  Ursprünge  oder  im  Spinalganglion,  oder  in  seinem 
Aveiteren  Verlaufe  die  Ursache  des  Zoster  ist,  und  dass  der 
anatomische  Verlaixf  des  Zoster  jedesmal  den  anatomischen 
Verlauf  jenes  Nerven  deckt,  in  dessen  Bereich  das  ätiologische 
Erkrankungsmoment  liegt. 

Sie  werden  darum  auch  jedesmal  sich  Mühe  geben  müssen, 
beim  Anblick  des  Zoster  aus  seiner  Ausbreitungs weise  den 
betreffenden  Nerven  herauszulesen ,  wie  dies  Bärenspeüng  in 
der  oben  angeführten  Eintheilung  der  Zosters  zum  Ausdruck 
gebracht  hat. 

Weil  aber  aus  Gründen ,  die  Sie  der  Praxis  entnehmen 
werden,  nicht  jedesmal  diese  anatomischen  Verhältnisse  am 


3]  2  Achtzehnte  Vorlesung. 

Lebenden  zu  eruiren  sind,  so  dürfte  es  genügen,  nacli  dem 
Beispiele  von  Hebra,  mehr  die  gröberen,  topograpliiscli-anato- 
niischen  Verhältnisse,  nach  welchen  am  häufigsten  Zoster  auf- 
zutreten pflegt,  zu  berücksichtigen  und  demnach  als  Typen  des 
Zoster  anzunehmen : 

1.  Zoster  capillitii.    2.  Z.  faciei.    ;-3.  Z.  nuchae  et  colli. 
4.  Z.  brachialis.    5.  Z.  pectoralis.    6.  Z.  abdominalis.    7.  Z. 

femoralis. 

Ich  gehe  nun  zur 

Symptomatologie  des  Zoster 

über. 

Dem  Ausbruche  des  Zoster  gehen  bisweilen  mehrere  Tage, 
manchmal  selbst  drei  bis  sechs  Wochen,  neuralgische  Schmerzen 
voran,  die  entweder  in  dem  ganzen  Bereich  des  späteren  Er- 
krankungsherdes sich  kundgeben,  oder  vorzüglich  auf  einzelne, 
genau  fixirbare  Punkte  sich  beschränken,  welche  letzteren  in 
der  Regel  Theilungs-  oder  Anstrittstellen  von  Nerven  oder 
Nervenästen  entsprechen. 

So  befindet  sich  bei  Zoster  pectoralis  ein  schmerzhafter 
Punkt  in  der  Nähe  der  Wirbelsäule,  da  wo  die  hinteren  Aeste 
der  Spinalnerven  hervortreten,  ein  anderer  Punkt  in  der  Axil- 
larlinie, an  der  stärksten  Vorwölbung  der  Rippen,  da  wo  der 
vordere  Zweig  des  Spinalnerven  in  einen  oberflächlichen  und 
tiefen  Zweig  sich  theilt  und  der  erstere,  die  Muskelschichte  durch- 
bohrend, zur  Haut  tritt.   Seltener  ist  ein  dritter  schmerzhafter 
Punkt  an  der  vorderen  Medianlinie,  also  an  dem  periphersten 
Verbreitungspunkte  des  Nerven,  gelegen.    Die  Neuralgien  sind 
zuweilen  sehr  heftig,  behindern  beim  Sitze  an  dem  Thorax  das 
Athmen  und  können  eine  Pleuritis  vortäuschen.  In  vielen  Fällen 
mangeln  diese  Prodromalneuralgien  vollständig. 

Der  Ausbruch  des  Zoster  erfolgt,  ob  mit  oder  ohne  der- 
artige Vorläufer,  höchst  acut.  Unter  dem  Gefühl  von  Brennen 
schiessen  an  einzelnen  SteUen  der  Haut,  auf  vorher  gerötheter 
Basis,  einzelne  Gruppen  von  hirsekorngrossen  ixnd  etwas  grös- 
seren, lebhaft  rothen  Knötchen  auf,  welche  binnen  wenigen 
Stiuiden,  ein  bis  zwei  Tagen,  sich  zu  Bläschen  von  Stecknadel- 
kopf- bis  Schrotkorn-  und  Erbsengrösse  entwickeln.  Die  Empfin- 
dung des  Brennens  ist  ziemlich  heftig.  Die  Eruptionsdauer 
kann  sich  auf  vier  bis  acht  Tage  ausdehnen,  indem  nämlich 


Zoster. 


niclit  alle  Gruppen  scliou  am  ersten  Tage  auftanclien.  —  Die 
Efflorescenzen  der  einzelnen  Gruppen  aber  sind  coaevi,  erreiclien 
deninacli  gleichzeitig  die  Höhe  ihrer  Entwicklung  und  es  kann 
eine  Gruppe  schon  vollständig  entwickelt  sein ,  während  eine 
andere  eben  erst  auftaucht.  Die  Bläsclien  der  einzelnen  Gruppen 
stehen  entweder  ganz  isolirt  von  einander  ,  oder  sind ,  wenn 
grösser  geworden,  dicht  an  einander  gedrängt,  ja  sie  können 
zu  einer  grossen,  an  der  Oberfläche  höckrigen  Blase  confluiren. 

Der  Inhalt  der  Bläschen  erhält  sich  durch  drei  bis  vier 
Tage  ziemlich  hell,  wasserklar,  sodann  trübt  er  sich,  wird 
eitrig  und  trocknet  mit  den  Bläschendecken  zu  gelbbraunen 
Borken  ein.  Darüber  vergeht  für  jede  wohl  entwickelte  Gruppe 
ein  Zeitraum  von  acht  bis  zehn  Tagen,  und  da  innerhalb  der 
ersten  Woche  häufig  noch  Nachschübe  kommen,  so  kann  auf 
diese  Art  der  Gesammtverlauf  auf  vierzehn  Tage  bis  vier 
Wochen  durchschnittlich  sich  erstrecken.  Nach  Abfallen  der 
Borken  bleibt  eine  vollständig  mit  Epidermis  bedeckte ,  für 
einige  Zeit  etwas  braun  pigmentirte  Haut  zurück. 

Die  Menge    der   Bläschengruppen  ist  ausserordentlich 
variabel.    In  den  mässigsten  Fällen  findet  sich  blos  eine  ein- 
zige Gruppe,  entweder  am  Austritt,  oder  an  dem  peripheren 
Ende  des  betreffenden  Nerven,   oder  in  dessen  Verlauf.  In 
mässigen  Eällen  sind  mehrere  Gruppen,  sechs  bis  acht,  in  ziem- 
lich gleichmässiger  Vertheilung  im  betrefi'enden  Nervengebiete 
zu  finden.    In  sehr  intensiven  Erkrankungsfällen  sind  nicht 
nur  die  Bläschen  der  einzelnen  Gruppen  sehr  dicht  gedrängt, 
sondern  auch  die  letzteren  selber  hart  aneinander  gerathen,  so 
dass  das  ganze  Territorium  fast  gleichmässig  mit  grossen  Bläs- 
chen besetzt  erscheint,  und  nur  an  der  peripheren  Umrandung 
erkennt  man  aus  der  Configuration  die  Zusammensetzung  aus 
einzelnen  Gruppen. 

Selbstverständlich  werden  in  einem  so  gearteten  Falle 
auch  die  Sclnnerzen  viel  intensiver  sein ,  die  begleitenden 
Fi eb  e  r  er  s  cheinung en  ,  sowie  die  ganze  Ablaufsdauer 
viel  länger  sich  bemessen. 

Von  dem  hier  geschilderten,  an  und  für  sich  schon  zwischen 
ziemlich  bedeutenden  Extremen  sich  bewegenden  Typus  des 
Zoster ,  der  jedoch  immerhin  als  normaler  bezeichnet  werden 
muss,  gibt  es  Abweichungen  in  auf-  und  absteigender  Linie, 
durcli  welche  der  Zoster  sich  als  abnorm  charakterisirt. 


Achtzehnte  Vorlesung. 

Wenn  mit  dem  Ausbruche  der  Zostereruption  die  Pro- 
dromalneuralgie  nicht  nachlässt,  sondern  imGegentheil  sehr  vehe- 
ment fortbesteht  oder,  was  ebenso  geschehen  kann,  selbst  nacli 
Ablaiif  des  Zoster  die  Neuralgie  persistirt,  ist  der  Krankheits- 
fall jedenfalls  ein  ungewöhnlicher.  Es  kann  weiters  der  Zoster 
abortiv  verlaufen,  indem  alle  Gruppen  nur  in  Knötchen  bestehen 
und  letztere  gar  nirgends  zu  Bläschen  sich  entwickeln,  sondern 
alsbald  wieder  unter  Abblättern  und  Abschuppen  sich  verlieren. 
Einzelne  unvollkommen  entwickelte  Gruppen  finden  sich  bei- 
nahe bei  jedem  Zoster,  manchmal  als  ziemliche  Spätlinge. 

Eine  sehr  bemerkenswerthe  Abnormität  im  Zosterverlauf 
wird  durch  den  Eintritt  von  Hämorrhagien  in  den  Bläschen- 
inhalt und   die  Papillarscliichte  gegeben.    Bei   jedem  inten- 
siven Zoster  werden   einzelne  Efflorescenzen ,'  oder  alle  Efflo- 
rescenzen   einzelner  Gruppen,   statt  wasserhellen  Inhalts  ein 
blaurothes  Contentum,  also  Hämorrhagien  zeigen.    Allein  solche 
Efflorescenzen  können  noch  immer  sammt  dem  hämorrhagischen 
Inhalt  ganz  gut  abtrocknen.    Bei  dem  sogenannten  Zoster 
haemorrhagicus  erscheinen  dagegen  die  meisten  Efflores- 
cenzen hämorrhagisch.  Alsdann  ist  die  Schmerzhaftigkeit  ausser- 
ordentlich heftig,  die  betreffenden  Efflorescenzen  und  Efflores- 
cenzgruppen  trocknen  nicht  einfach  ein,  sondern  jede  Decke 
platzt,  wird  abgeschoben  und  es  bleiben  nun  der  Configuration 
der  Efflorescenzen  und  ihren  Gruppen  entsprechende,  verschieden 
tiefgreifende,  mit  einem  durch  Hämorrhagie  zerwühlten  Gewebs- 
grunde  versehene  Substanzverluste  zurück,  welche  ausserordent- 
lich empfindlich  sind  und  erst  einen  Eiterungsprocess  durchzu- 
machen haben,  bevor  das  zertrümmerte  Gewebe  abgestossen 
worden  und  es  zur  Ueberhäutung  kommt.  Selbstverständlich 
heilen  solche  Stellen  nur  mittelst  Narben,  da  ja  em  Theil  des 
bindegewebigen  PapUlarkörpers  mit  zerstört  worden,  und  kann 
der  Verlauf  eines  derartigen  Zoster  sechs  Wochen  bis  drei 

Monate  dauern. 

Abnorm  auch  kann  sich  der  Zoster  gestalten  durch  seine 
Folgen,  indem  nach  manchem  Zoster  für  Monate  oder  selbst 
das  ganze  Leben  hindurch  Neuralgien  oder  Lähniungserschei- 
nungen  oder  Atrophie  der  Muskeln,  Ausfallen  der  Haare  oder 
Zähne,  Lähmungen  im  Bereiche  des  von  Zoster  befa  len 
gewesenen  Territoriums  zurückbleiben.  So  haben  wir  schon 
wiederholt  nach  Zoster  facialis  solche  Neuralgien  beobachtet, 


Zoster. 


315 


Neuralgien  im  Bereiclie  des  K.  maxillaris,  durch  welclie  die 
Kranken  sehr  herunterkommen,  weil  sie  bei  jedem  Versuche  zu 
kauen  oder  zu  sprechen  einen  neuen  Anfall  von  Tic  douloureux 
sich  producirten  und  demnach  von  allen  Versuchen  zu  essen 
und  trinken  abstehen  nuissten. 

Von  diesen,  im  Allgemeinen  doch  seltenen,  aber  immerhin 
genügend  oft  beobachteten  Abnormitäten  abgesehen,  kann  man 
den  Zoster  nur  als  eine  gutartige  Krankheit  bezeichnen,  welche 
durchschnittlich  mit  vollständiger  Heilung  und  ohne  bleibende 
Veränderung  der  Haxit  verheüt ;  wie  gesagt  bleiben  Narben  nur 
nach  Zoster  haemorrhagicus  zurück. 

Merkwürdig  ist  auch  ,  dass  der  Zoster  in  der  Regel  nur 
einmal  das  Individuum  befällt.  Von  zweimaliger  Erkrankung 
an  Zoster  sind  ia  der  Literattir  nur  zwei  Pälle  angegeben,  und 
bei  diesen  waren  nicht  beide  Erkrankungen  von  einem  und 
demselben  Arzte  beobachtet  worden.  Nur  ich  habe  von  einer 
bis  nun  schon  neunten  Recidive  des  Zoster  bei  einer  und  der- 
selben Kranken  berichten  können  und  bei  derselben  seither  noch 
einen  zehnten  und  elften  abortiven  Ausbruch  gesehen.  Allein 
in  diesem  Falle  war  der  Zoster  auch  in  allen  anderen  Rich- 
tungen eine  so  merkwürdige  Ausnahme,  dass  dieser  eine  Fall 
die  Regel  nicht  erschüttert,  dass  man  vom  Zoster  nur  einmal 
im  Leben  befallen  wird. 

Was  die  typische  Halbseitigkeit  der  Eruption  anbelangt, 
so  kennt  man  seit  Hebea's  bezüglichen  Mittheilungen  schon 
ziemlich  viele  Ausnahmen ,  namentlich  haben  ich  und  Andere 
schon  doppelseitigen  Zoster  facialis  und  cervico  -  brachiaKs 
gesehen  und  ich  selbst  habe  noch  vor  einem  Jahre  den  ersten 
Fall  von  doppelseitigem  Zoster  sacro-femoralis  et  ischiadicus 
beobachtet. 

Was  das  Vorkommen  des  Grürtelausschlages  anbelangt, 
so  findet  er  sich  sowohl  bei  jugendlichen,  als  bei  dem  reiferen 
Alter  angehörigen  Personen,  selbst  bei  G-reisen,  im  Allgemeinen 
doch  viel  seltener  bei  Kindern. 

Merkwürdigerweise  zeigt  sich  die  Gürtelkrankheit  in 
gewissen  Jahreszeiten  in  grösserer  Zahl,  gewöhnlich  zu  der 
Zeit,  wo  auch  Lungenentzündungen  und  die  früher  geschilderten 
Formen  von  Erythemen  sich  in  häufigen  Fällen  präsentiren, 
während  in  anderen  Monaten  manchmal  gar  keine  oder  mir 
sporadische  Erkrankungen  vorkommen. 


Aclitzelinte  Vorlesung. 

Abgeselien  von  diesen  mehr  als  begleitende  Umstände  zu 
bezeichnenden  Verhältnissen  können  wir  über  die  eigentliche 
Aetiologie  des  Zoster  wohl  zum  Theil  positivere  Momente 
anführen.  Als  solche  sind  die  schon  früher  angegebenen,  als 
Hilmorrhagie  und  entzündliche  Reizung  constatirten  Erkran- 
kungen der  Spinalganglien  und  des  Ganglion  Gfasseri  anzu- 
führen. 

Als  gelegentliche  Ursachen  können  noch  angeführt  werden 
Neoplasmen,  Krebs,  Tuberculose,  Eiterherde  und  Periostitis, 
entzündliche  Exsudate  und  Entzündung  überhaupt ,  Pleuritis, 
durch  welche   den  betreifenden  Erkrankungsherden  nachbar- 
liche Nervenstämme  gereizt  und  entzündlich  aft'icirt  werden. 
Auch  nach  Vergiftung  von  Kohlenoxydgas  hat  man  Zoster 
beobachtet,   sowie  nach  Einigen  während  des  innerlichen  Ge- 
brauches  von  Arsenik.    Allein  für   die  meisten  Fälle  von 
Zoster  sind  eben  derartige  Ursachen  nicht  zu  eruiren  und  spe- 
ciell  ist  eine  solche  Aetiologie  nicht  durchwegs  vereinbar  mit 
der  Erfahrung,  dass  eben  der  Gürtelausschlag  nur  einmal  im 
Leben  auftritt,  da  ja  derartige  Verhältnisse  bei  einem  und 
demselben  Menschen  wiederholt  sich  ereignen  können. 

Endlich  hat  man  noch  im  Gefolge  von  traumatischen  Irri- 
tationen der  Nerven  nach  Schuss ,  Hieb,  Schlag,  einem  Peit- 
schenhieb z.  B.  im  Bereiche  des  N.  frontalis,  Zostereruption  im 
Bereiche  des  betreffenden  Nerven  auftreten  gesehen. 

Ich  schliesse  aber  jene  difPusen  ßöthungen  („glossy  skin"), 
schmerzhafte  Entzündungen,  Bläschen  und  Blasenbildungen  aus, 
welche  im  Verbreitungsbezirke  von  verletzten,  von  Narben 
oder  Neoplasmen  gezerrten  Nerven  in  chronischer  Weise  aufzu- 
treten pflegen  (Mitchel,  Morehouse  und  Keen,  Schieferdecker, 
u.  m.  A.)  und  auch  oft  unter  dem  Titel  Zoster  mitgetheilt 
worden  sind;  ihnen  mangelt  der  typische  Verlauf  des  klinischen 

Manclie,   nicht  unwesentliche  Eigenthümlichkeiten  bietet 
der  Zoster  dar  nach  seiner  besonderen 

Localisation. 

Nach  dem,  was  wir  über  die  bekannte  Ursache  des  Zoster 
vorgebracht  haben,  speciell  über  die  innige  Beziehung  desselben 
zu  dem  Kervenverlaufe,  ist  vorauszusetzen,  dass  an  jeder  Körper- 
stelle Zoster  auftreten  kann,  da  eben  die  allgemeine  Decke 


Zoster. 


allenthalben  mit  Nerven  versehen  ist.  Für  die  Analyse  eines 
vorfindlichen  Zoster  in  dem  Sinne,  dass  man  die  Eruption  in 
jedem  Falle  auf  das  betreffende  Nervengebiet  anatomisch  zu 
reduciren  vermöge,  wäre  es  nothwendig,  die  peripheren  Verbrei- 
tungsgebiete jedes  einzelnen  Spinal-  und  sensiblen  G-ehirnnerven 
zu  kennen. 

Voigt  hat  in  dieser  Beziehung  allerdings  Ausgezeichnetes 
zu  Tage  gefördert,  indem  er  durch  die  mühsamste  Präparation 
so  ziemlich  die  cutanen  Nerven  bis  in  ihre  periphersten  Endi- 
e-una-en  blossgelegt  und  so  die  Grrenzgebiete  der  einzelnen 
Nerven  bestimmt  hat.  Dabei  hat  es  sich  aber  gezeigt,  dass 
sowohl  in  der  Medianlinie  des  Körpers,  als  auch  an  anderen 
Bezirken  die  einzelnen  Hautnerven  in  das  nachbarliche  Grebiet 
übergreifen  und  eigentlich  strenge  Grenzen  oder  vollständige 
neutrale  Zonen  kaum  existiren.  Dazu  kommt,  dass  auch  nahe 
ihrem  Austritt  aus  dem  Eückenmarke  zunächst  die  Spinal- 
nerven nach  auf-  und  abwärts,  sowie  nach  rechts  und  links, 
durch  anastomatische  SchKngen  verbunden  sind,  so  dass  die 
Erkrankung  des  einen  noch  Reizung  und  Entzündung  im  Ver- 
laufe des  nachbarlichen  oder  entgegengesetzten  Nerven  zur 
Folge  haben  kann;  abgesehen  davon,  dass,  wie  bei  doppelsei- 
tio-em  Zoster,  sicherlich  von  einem  im  ßückenniarke  selbst 
befindlichen  Krankheitsherde  die  Reizung  nach  beiden  Seiten 
ausstrahlen  mag. 

Wegen  der  vielfachen  Anastomosen  zwischen  den  Zweigen 
des  Trigeminus,  Facialis  und  den  oberen  Halsnerven  ist  darum 
auch  der  Zoster  facialis  in  Bezug  auf  das  betroffene  Ner- 
vengebiet der  allervariabelste. 

So  tritt  der  Zoster  facialis  sehr  häufig  auf  als  Zoster 
frontalis,  entsprechend  der  Ausbreitung  des  Ramus  frontalis 
des  ersten  Astes.  Es  erscheinen  mit  einer  scharfen  Begren- 
zung nach  der  Medianliaiie  dichtgedrängte  Bläschengruppen 
über  der  einen  Stirnhälfte ,  entsprechend  der  Ausbreitung 
des  N.  supraorbitalis ,  welcher  vom  Foramen  supraorbitale 
austritt,  am  oberen  Augenlid  und  bis  zum  Scheitel;  ebenso  bis 
zum  Augenwinkel  sich  ausbreitende  Efflorescenzen,  dem  N.  supra- 
trochlearis  entsprechend.  Sehr  oft  ist  dieser  Zoster  ein  hämor- 
rhagischer. In  Folge  der  Mitbetheiligung  des  R.  ethmoidalis 
und  infratroclilearis  vom  Nervus  nasalis  pflegt  auch  Schwellung 
der  Nasenschleimhallt,  Eruption  auf  der  betreffenden  Hälfte 


3][g  Achtzehnte  Vorlesung. 

des  Nasenrückens  bis  zur  Nasenspitze  vorhanden  zu  sein.  Fer- 
ners können  bei  weiterer  Ausbreitung  durch  Betlieiligung  des 
Zygoniaticus  und  Lacrymalis  die  nachbarliclie  Partie  der  Schläfe 
der  Sitz  einer  Erviption  werden.  In  einer  solchen  Ausbreitung 
stellt  er  eben  den  Zoster  ophthalmicus  dar. 

Er  gehört  zu  den  schmerzhaftesten  und  wird  unter  Um- 
ständen lebensgefährlich,  ja  kann  zum  Tode  führen.  Zunächst 
wird  durch  Betheiligung  des  ßamus  ciliaris  und  der  Radix 
longa  ganglii  ciliaris  Injection  der  Ciliargefässe,  ja  Iritis  auf- 
treten können ;  in  Folge  Affection  des  R.  Iacr3nnalis  entzündliche 
Erscheinung  der  Conjunctiva,  Greschwüre  auf  der  Cornea,  ja 
Xerosis  der  Hornhaut.  Die  neuralgischen  Schmerzen,  Licht- 
scheu sind  in  solchen  Fällen  ausserordentlich  heftig.  Endlich 
kann  es,  wie  in  dem  Falle  von  Wyss,  zu  Plilebitis  \\m  und 
innerhalb  des  Bulbus,  zu  Panophthalmitis  und  durch  Fort- 
setzung der  Phlebitis  in  die  Schädelhöhle  zu  Pyämie ,  Menin- 
gitis und  zum  Tode  kommen. 

Eine  zweite  Localisationsform  des  Zoster  facialis  ist  die- 
jenige, welche  ihren  Hauptsitz  auf  der  Wange  aufschlägt  und 
den  Verästlungen  des  R.  maxillaris  superior  entspricht  mit 
auslaufenden  Gruppen  gegen  den  Nasenflügel  und  am  unteren 
AugenUde,  welche  vom  R.  infraorbitalis,  dem  Endausläufer  des 
Oberkiefernerven,  versorgt  werden.    Gleichzeitig  können  im 
Bereiche  der  Wangen ,   Gaumen  und  Rachenschleimhaut  der 
betreffenden  Seite  theils  diffase  schmerzhafte  Röthungen,  theils 
Efflorescenzgruppen  von  ephemerer  Dauer  auftreten  durch  Be- 
theiligung der  R.  palatini  und  pharyngei.    Nicht  selten  sind 
bedeutende  Schlingbeschwerden,  heftige  Zahnschmerzen  die  Folge 
der  Affection ,  ja  es  kann  dauernd  oder  für  längere  Zeit  Läh- 
mung des  betreffenden  Gaumensegeltheiles  zurückbleiben.  Ebenso 
sind  nachträglich  andauernde  neuralgische  Zahnschmerzen,  Aus- 
fallen der  Zähne  und  Atrophie  des  Alveolfortsatzes  als  Folge 
der  Erkrankung  im  Bereiche  des  N.  alveolaris  posticus  beob- 
achtet worden. 

In  das  Bereich  des  dritten  Astes  des  fünften  Paares,  des 
Maxillaris  inferior,  fällt  ein  Zoster,  der  liauptsächUch  dem 
Ramus  inferior  desselben  entspricht,  welcher  vorwiegend  sensi- 
tive Fasern  führt.  So  treten  Bläschengruppen  auf  an  der 
vorderen  Partie  der  Ohrmuschel  und  der  angrenzenden  Schlafe, 
im  äusseren  Gehörgang  bis  zum  Trommelfell  (N.  aunculans 


Zoster. 


319 


anterior) ;  ferners  Eruptionen  im  Bereiche  des  Kinnwinkels  dem 
II.  mentalis  entsprechend  ,  und  Reizungszustände  ,  bisweilen 
Epithelialabsehürfungen,  auf  der  betreifenden  Seite  der  Znnge, 
entsprechend  dem  N.  lingualis. 

Es  können  aber  auch  noch  an  der  hinteren  Fläche  der 
Ohrmuschel  ein  paar  Gruppen  auftreten,  entsprechend  dem  N. 
aiu'icularis  posterior  vom  Facialis,  sowie  im  Bereiche  der  Schläfe, 
der  Jochgegend,  der  Wangen,  des  Unterkiefers  xmä  der  oberen 
vorderen  Halsgegend  durch  die  Betheiligung  der  Rami  tempo- 
rales, zygamatici,  buccales  und  der  mit  dem  Mentalis  zu  einem 
Plexus  sich  vereinigenden  R.  maxillares  und  subcutanei  colli 
snperiores. 

Es  kann  die  Ausdehnung  des  Gresichtszoster  noch  grösser 
werden  durch  Einbeziehung  jener  Grebiete  ,  welche  von  den 
oberen  Halsnerven  versorgt  werden,  nämlich  vom  N.  occipitalis 
magnus ,  welcher  am  Nacken  und  an  der  Hinterfläche  der  Ohr- 
muschel sich  ausbreitet  und  vom  dritten  Halsnerven  entspringt. 

Häufig  erscheinen  in  dem  beschriebenen  Gebiete  des  Ge- 
sichtes nur  ganz  vereinzelte  Zostergruppen.  Ein  anderes  Mal 
kann  das  ganze  beschriebene  Gebiet  der  Sitz  des  Zoster  sein, 
entweder  mit  einer  beinahe  confluirenden ,  dicht  gedrängten 
Gruppenbildung  hämorrhagischer  Efflorescenzen,  oder  mit  disse- 
minirten ,  normal  entwickelten  Bläschen,  worunter  auch  viele 
Gruppen  mit  abortiv  sich  rückbildenden  Knötchen.  Seltener 
ist  schon  eine  gleichzeitige  Eruption  am  Hinterhaupt  und 
Nacken,  also  eine  Betheiligung  der  Ansa  cervicalis  von  den 
ersten  drei  Halsnerven  (Zoster  occipito-collaris).  Endlich  am 
seltensten,  aber  doch  schon  wiederholt  gesehen,  ein  doppel- 
seitiger Zoster  facialis,  wie  ihn  zu  allererst  Hebra  be- 
schrieben und  in  seinem  Atlas  abgebildet  hat. 

Beim  Zoster  occipito-collaris  finden  sich  ausser  den 
Gruppen  im  Bereiche  des  Hinterhauptes,  vom  Occipitalis  major 
und  minor  noch  entsprechend  dem  Auricularis  magnus  Gruppen 
an  der  hinteren  Fläche  der  Ohrmuschel,  am  Ohrläppchen,  an 
der  hinteren  Fläche  des  Gehörganges,  endlich  noch  nach  vorne 
gegen  die  Medianlinie  des  Halses  und  unter  dem  Kinn  hin- 
streichend,  Gruppen  entsprechend  dem  R.  subcutaneus  colli  aus 
den  oberen  Cervicalnerven. 

Beim  Zoster  cervico-subclavicularis  beginnt  die 
Eru])tion  am  Nacken ,  an  der  Grenze  des  behaarten  Kopfes, 


g20  AclitKohnte  Vorlesung. 

steigt  an  der  Seite  des  Halses  nach  abwärts  nnd  aussen  zui- 
Scliulter,  xon  da  nach  vorne  über  die  Haut  zwischen  Clavicula 
nnd  Brustwarze  nnd  einen  Theil  des  Halses  oberhalb  der 
Clavicula.  Die  Verbreitung  ents])richt  dem  des  vierten  Cervi- 
calnerven.  der  N.  subclaviculares  und  der  aufsteigenden  Nacken- 


nerven. 


Der  Zoster  cer  vico-brachialis  geht  aus  einer  Er- 
krankung im  Bereiche  des  Plexus  brachialis  hervor,  welcher 
aus  einer  Vereinigung  der  vorderen  Aeste  der  vier  unteren  Hais- 
und des  ersten  und  zweiten  Brustnerven  gebildet  wird. 

Es  entstammen  aus  diesem  Nervengeflechte  Hantäste  für 
den  Nacken  nnd  die  Schulter,  von  dem  zum  Plexus  gehörenden 
ersten  und  zweiten  Brustnerven  gehen  Hautäste  zum  hinteren 
und  inneren  Theile  des  Oberarmes  und  einige  Hautäste  für  den 
vorderen  TheU  der  Brust  im  Bereiche  der  ersten  und  zweiten 
Rippe  ab.    Ein  solcher  Zoster  erstreckt  sich  sowohl  an  der 
Streck-  als  Beugeseite  des  Armes  verschieden  tief  nach  abwärts, 
manchmal  am  Vorderarm  bis  zum  kleinen  Finger  herab,  nebst 
Gruppen  im  Bereiche  der  ersten  und  zweiten  Rippe  bis  zum 
Sternum.    Es  kann  aber  durch  gleichzeitige  Betheilignng  der 
mit  dem  Plexus  verbundenen  mittleren  Halsnerven  eine  Erup- 
tion im  Bereiche  des  Nackens  bis  zum  Hinterhaupt  und  auch  m 
der  Schultergegend  stattfinden,  letzteres  entsprechend  dem  N. 

cutaneus  brachii  superior. 

Ich  habe  einmal  einen  dopp  eltseitigen  Zoster  occi- 

pito-collaro-brachialis  mit  bis   an  die  Fingerspitzen  und  zur 

Hohlhand  sich  fortsetzenden  Bläschen  gesehen. 

Beim  Zoster  pectoralis  kommt  der  Nerventypus  der 

Erkrankung  am  schönsten  zur  Ansicht. 

Ein  ieder  Rückennerv  theilt  sich  sofort  nach  dem  Aus- 
tritt in  einen  hinteren  und  vorderen  Ast.    Der  hintere  Ast 
durchbohrt  die  Rückenmuskelschichten,  zum  Theil  diese  ver- 
sorgend,   und  schickt  Hautäste  in    die  Nachbarschaft  der 
Medianlinie.    Der  vordere  Zweig,  als  N.  intercostahs  nach 
vorne  laufend,  theilt  sich  in  einen  Ramus  externus  und  intea-nus^ 
Der  erstere  durchbohrt  die  Intercostalmuskeln    versorgt  d 
Haut  der  seitlichen  Rückengegend  nnd  läuft  als  Hautast  nach 
vorne  bis  zur  Medianlinie  in  der  Brustgegend,  die  Nerv,  cmtan^ 
pectorales ,   am  Unterleib  die  N.  cutanei  abdonuna  es  bildend. 
^       Der  Z.  pectoralis  präsentirt  sich  nun  einmal  als  eine,  von 


Zoster. 


321 


der  "Wirbelsäule  bis  zur  vorderen  Medianlinie  des  Stammes 
fortlaufende  üeilie  von  Bläschengruppen ,  die  die  Breite  von 
ein  bis  drei  Intercostalräumen  einnelimen  können.  Nicht  selten 
confluiren  die  GrrupiDen.  Sie  sind  oft  zum  Theil ,  oder  auch  alle- 
sammt  hämorrhagisch,  in  welchem  Falle  derselbe  ausserordent- 
lich schmerzhaft  ist  und  selbstverständlich  mit  Eiterung  und 
Narbenbildung,  oft  erst  nach  drei  Monate  langem  Verlaufe  heilt. 
Ein  anderes  Mal  findet  sich  nur  eine  sehr  beschränkte  Zahl  von 
Gruppen,  z.  B.  eine  in  der  Nähe  der  Wirbelsäule,  eine  seit- 
liche, entsprechend  dem  Austritte  des  ß.  externus  und  eine 
am  peripheren  Ende,  in  der  vorderen  Medianlinie.  Oder  es 
findet  sich  ttberhaiipt  nur  eine  Gruppe.  Die  Endgruppen  am 
Rücken  sowohl  wie  in  der  vorderen  Medianlinie  überschreiten 
die  mittlere  Grenze  in  der  ßegel  um  Etwas. 

Der  Z.  pectoraKs  ist  sehr  häufig  von  einer  Prodromal- 
neuralgie  eingeleitet.  Es  sind  Fälle  bekannt,  in  welchen  Jahre 
lange  Intercostalneuralgie  dem  Zoster  vorangegangen  sind.  Mit 
pleuritischer  Reizung  complicirt,  oder  von  einer  Pleuritis  ange- 
regt, oder  von  Caries  oder  Ejrebs  der  Wirbel,  ist  schon  öfters 
Zoster  pectoralis  beobachtet  worden.  Ebenso  ist  während  des 
Bestandes  des  Zoster  Seitenstechen,  Athembeklemmung  gewöhn- 
lich vorhanden,  und  endlich  bleibt  nach  Zoster  pectoralis  auch 
die  Neuralgie  öfters  zurück. 

lieber  den  Zoster  do r  s o- a b  d o  minalis  und  Z.  lumb  o- 
inguinalis  ist  nicht  viel  mehr  zu  sagen,  als  sein  Name  selbst 
bedeutet;  nur  ist  zu  bemerken,  dass  die  hinteren  Aeste  der 
Lumbalnerven  zur  Haut  des  Gesässes  und  an  die  äussere  Seite 
des  Oberschenkels,  bis  zum  Trochanter,  Zweige  abgeben  und  dem- 
nach vom  Kreuzbein  nach  dem  Trochanter  hin  über  den  Glu- 
taeis  ebenfalls  Gruppen  von  Zoster  vorkommen,  sowie  am  Möns 
veneris,  der  Leistengegend  und  am  Scrotum,  entsprechend  dem 
Beo-inguinalis  und  scrotalis. 

Der  Z.  lumbo-femoralis  entspricht  einer  Erkrankung 
des  zweiten  bis  vierten  Lendennerven  und  es  erscheint  die  Erup- 
tion über  dem  Lumbal-  und  Sacraltheil  der  Wirbelsäule,  dem 
Gesäss,  der  vorderen  Fläche  des  Oberschenkels  an  seiner 
äusseren  und  imieren  Fläche  bis  zum  Knie  Lerab  und  der  Wade 
entlang,  sowie  am  Scrotum  und  an  der  grossen  Schamlippe,  ent- 
sprechend dem  N.  cataneus  anterior  externus  femoris,  dem  Ge- 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  Ol 


gpc,  Achtzehnte  Vorlesung. 

nito-cruralis,  dem  sensitiven  Ast  des  N.  obtnratorius  nnd  dem 
Cutanens  medins  mu\  saplienns  vom  Crnralis. 

Der  Z.  sacro-ischiadicns  nnd   s  acro-genitalis 
bestellt  ans  Ernptionen  im  Bereiche  des  Gesässes    des  Kreuz- 
beins, des  Perineum,  der  hinteren  Eläcbe  des  Hodensackes, 
der  Aftergegend,  der  Schamlippen  und  am  Scheideneingang. 
Die  letzteren  Localisatioiien ,   sowie  eine  Eruption  auf  dem 
Rücken  des  Penis,  entsprechen  dem  N.  pudendus ,  Eruptionen 
im  Bereiche  des  Trochanter  und  des  Tuber  ischu  dem  N. 
cutaneus  posterior  magnus,  während  der  Iscliiadkus  am  Ober- 
schenkel gar  keine,  und  nur  am  Unterschenkel  mittelst  des  Pero- 
naeus  für  Fussrücken  und  Fnsssohle  Hautäste  abgibt  und  dem- 
nach auch  einem  dort  localisirten  Zoster  entspricht. 

Bezüglich  der  AfPection  im  Bereiche  des  N.  pudendus 
kann  ich  die  interessante  Thatsache  mittheüen,  dass  ich  wieder- 
holt auch  am  Penis  nnd  Scrotum  einen  genau  m  der  ]\Iedian- 
linie  des  Penis  begrenzten  Zoster  gesehen  habe.  _ 

Die  anatomischen  Veränderungen  bei  Zoster  beziehen 
sich  einestheils  auf  die  bei  demselben  betheiHgten  Nerven, 
anderntheils  auf  die  Bläscheheruption.   Bezüglich  der  ersteren 
habe  ich  bereits  die  Art  der  Ganglienerkrankung  dargestellt 
fna^  309  Eig.  19-21).  Ueber  Veränderungen  der  Nerven  selbst 
liegt  nichts  Entscheidendes  vor  (BlBENSPEUKa,  Weidner  ti.  A.). 
Der  Fund  von  Haight  einer  entzündlichen  ZeUenmfiltration 
vmi  eine  Nervenfaser   der  tieferen  Hautschichten   kann  bei 
ieder  Hautentzündung  gemacht  werden  und  ist  dem  Zoster 
'ebensowenig  eigenthümlich,   wie  das  Fehlen  des  Achsencylin- 
ders  in  einer  oder  der  anderen  Nervenfaser. 

Was  die  Veränderungen  in  der  Haut  anbelangt   so  sind 
sie  die  schon  für  die  Büdung  entzündlicher  Bläschen  bekann  en 
wie  ich  für  das  Erythema  vesiculosum  geschildert  habe.  (Fig.  180 
HAxanx  hat  sie  noch  besonders  studirt.    Es  ist  a"i,i^^^^ 
formen,  also  auch  dem  Zoster  eigenthümlich  dass  ^1- B  a  chen 
in  den  tieferen  Schichten   des  Rete  entstehen,   so  dass_  clre 
ZeUen  des  letzteren  zu  einem  Fachwerke  auseinander  gedrangt 
erscheinen,   dessen  Räume  ^on  ¥i}^vingevn^nsdr. ,  ^e^^^^^ 
Exsudatzellen  (Wanderzellen)  erfüllt  sind.  ^J^^^^^^^^^^ 
Panillen     sowie  des  Coriums  ist  ebenfalls  von  Exsudatzeiien 
!Äser  Infiltration  betroffen,  die  Gefässe_  sind  erwei^^% 
die  Maschenrämne  des  Bindegewebes  geräumiger.    Je  mten 


Zoster. 


323 


siver  die  örtKclie  Entzündung ,  desto  tiefer  reicht  anch  die 
Zelleninfiltration  iind  Exsudation  längs  der  Gefässe,  vind  desto 
o-rösser  die  Bläschen,  desto  mehr  ist  auch  ihr  Fachwerk  ent- 
wickelt. Bei  hämorrhagischen  Formen  wird  durch  den  Blut- 
austritt in  die  Papillen  und  oberen  Coriumschichten  ein  Theil 
des  Bindegewebes  mechanisch  zertrümmert  und  ein  Substanz- 
verlust gesetzt,  der  erst  auf  dem  Wege  der  Eiterung  und 
Narbenbildung  heilt.  Bei  den  gewöhnlichen  Bläschen  wird  nur 
ein  Theil  des  Rete  abgehoben.  Ueber  den  unversehrten  und 
zum  Theil  noch  mit  unversehrten  Zellen  besetzten  Papillen 
bildet  sich  normale  Epidermis,  durch  welche  die  eintrocknende 
Bläschenmasse,   die  Borke,  abgehoben  wird  und  die  Heilung 

erfolgt  ohne  Narbe. 

Bezüglich  der  Diagnose  verweise  ich  auf  die  geschil- 
derten Symptome  des  Zoster ,  bei  deren  Berücksichtigimg  selbst 
ein  abortiver  oder  rudimentärer  Zoster  noch  leicht  zu  erkennen 
ist.  Ebenso  finden  sich  in  der  geschilderten  Symptomatologie 
aUe  Anhaltspunkte  für  die  Prognose,  die  darnach  im  All- 
gemeinen günstig  ist. 

Was  die  Behandlung  des  Zoster  betrifft,  so  sind  wir 
weit  entfernt  davon  einen  seiner  ganzen  Natur  nach  so  typisch 
angelegten  Krankheitsprocess  irgendwie  beeinflussen  oder  ab- 
kürzen zu  können;  was  wir  zu  leisten  berufen  oder  befähigt 
sind,  beschränkt  sich  auf  die  Bekämpfung  der  vorhandenen 
lästigen  Symptome. 

Am  günstigsten  und  mit  der  geringsten  Belästigung  ver- 
laiift  der  Zoster,  wenn  die  Bläschendecken  erhalten  bleiben  und 
die  Efflorescenzen  eintrocknen.  Aus  dem  Grunde  ist  davon 
abzurathen,  dass  man  allenfalls  zur  Bekämpfung  der  Empfin- 
dimg von  Brennen  kalte  oder  warme  Umschläge  applicire,  weil 
durch  die"selben  die  Epidermisdecke  macerirt  wird;  die  ihrer 
Decke  beraubten  EruptionssteUen  schmerzen  alsdann  ausser- 
ordentlich, weil  der  Papillarkörper  nackt,  oder  von  einer 
geringen  Schichte  Epithels  bedeckt,  zu  Tage  liegt.  Am 
besten  ist  es  um  diese  Zeit  der  schmerzhaften  Empfindung  mit 
Einstreuen  von  Amyliim,  mit  oder  ohne  etwas  Opiumpulver  zu 
begegnen;  dadurch  wird  sowohl  das  Eintrocknen  beschleunigt, 
als  auch  verhütet,  dass  die  Leibwäsche  die  Bläschen  reibt  und 
zerstört  und  an  nässende  Stellen  anklebt.  Wenn  jedoch  die 
Bläschen  durch  übermässige  Füllung,  bei  intensiverer  Steige- 

21* 


324 


Achtzelinte  Vorlesung. 


ruiig  des  Processes,  xilatzen  und  auf  diese  Weise  ausgedehnte 
wunde  Stellen  blossgelegt  werden ,  oder  wenn ,  wie  bei  Zoster 
luiemorrliagicus  auf  alle  Fälle,  ausgedehnte  eiternde  Wund- 
fläclien  sicli  präsentiren,  dann  wird  man  am  besten  die  Wunden 
mit  indifferenten  Fetten  und  Salben  bedecken,  aber  nicht  Un- 
guentum  diachyli,  welches  ebenfalls  selir  heftig  brennt,  sondern 
Unguentum  simplex,  Ceratum  simplex,  einer  Salbe  von  Gera 
flava  und  Oleum  olivarum  1  :  3,  welcher  etwas  Extractum  Bella- 
donnae  oder  Extractum  Opii  aquosum  (0,5  auf  50,0  Unguent.) 

zugefügt  wird. 

Heftige  Neuralgien,  sowohl  des  Prodromal-  als  Verlaufs- 
stadiums, sowie  intensive  diffusse  Schmerzen  im  Bereiche  des 
Erkrankungsherdes ,  und  die  häufig  zu  beobachtende  Schlaflosig- 
keit während  der  ganzen  Eruptionszeit  bekämpft  man  mit  sub- 
cutanen Morphiuminjectionen ,  innerlicher  Verabreichimg  von 
Chloralhydrat ,  Opiaten  oder  örtlicher  Application  von  Opiat- 
pflastern, z.  B.  Emplastrum  de  Meliloto  oder  Cicutae  supra 
linteum  extens.  25,0  insperge  cum  pulvere  laudani  2,0. 

Doch  wird  man  von  all  dem  oft  genug  in  Stich  gelassen, 
und  der  Nachlass  der  Schmerzen,  sowie  der  beruhigende  Schlaf 
stellen  sich  erst  mit  dem  Beginne  des  Desiccationsstadiums  em. 

Eine  schwer  zu  lösende  Aufgabe  für  die  Therapie  bietet 
die  nach  Zoster  zuweilen  zurückbleibende  Neuralgie.  Abge- 
sehen von  der  gegen  derartige  Affectionen  im  Allgemeinen 
üblichen  endermatischen  und  subcutanen  Anwendung  von  Nar- 
coticis,  kann  man  bei  typischer  Form  der  Neuralgie  von  Chinin 
und,  wie  mir  einmal  gelungen,  von  der  methodischen  Anwen- 
dung von  Solutio  Fowleri  Erleichterung  oder  Heüuug  erlangen. 

Man  begimit  mit  6  Tropfen  de  die  in  25,0  Aqua  foeni- 
culi  oder  aiiisi,  auf  dreimal  des  Tages  zu  gebrauchen,  und  steigt 
jeden  dritten  Tag  um  je  2  Tropfen  der  Tinctur  bis  auf  etwa 
30—40  Tropfen  de  die.  Bei  merklicher  Besserung,  oder  beim 
Eintritt  von  Magendrücken,  Diarrhoe  geht  man  stufenweise 
auf  15—12  Tropfen  herab. 


Neimzelinte  Yoiiesmig. 

Herpes  Jabialis,  Herpes  progenitalis,   Herpes  Iris  et  circinatus.  Miliaria 
rubra ,  alba  et  crystallina.  Pemphigus  acutus. 

Nacli  der  eingelienden  Sdiildening  des  Herpes  Zoster 
kann  icli  micli  bezüglicli  der  anderen  Herpesformen  und  acuten 
Plilyctänosen  etwas  kürzer  fassen. 

Herpes  labialis. 

Als  Herpes  labialis,  oder  nach  Hebra  besser  H. 
facialis,  bezeichnet  man  die  bekannte  Erkrankiuigsform,  bei 
welcher  im  Bereiche  der  Lippe ,  der  Nasenflügel ,  in  der  Um- 
gebung des  Mimdes,  in  acuter  Weise,  eine  bis  mehrere  Bläschen- 
gruppen auftauchen. 

Hire  Entwicklung  und  die  erste  Zeit  ihres  Bestandes  ist 
ebenfalls  mit  der  Empfindung  von  Brennen  verbimden.  Die 
Bläschen  bestehen  ein  bis  drei  Tage ,  worauf  sie  eintrocknen 
und  die  Borken  abfallen.  Bisweilen  finden  sich  analoge  Er- 
krankungsherde im  Bereiche  der  Wangenschleimhaut  und  des 
weichen  und  harten  Graumens ,  der  Zunge.  Das  Epiithel  wird 
an  einzelnen  oder  gruppirten  Punkten  grau  getrübt ,  abge- 
stossen,  worauf  die  betrefi'enden  Stellen  roth  und  für  einige  Tage 
empfindlich  zurückbleiben.  Schlingbeschwerden ,  Belästigung 
beim  Sprechen  und  Kauen  sind  begleitende  Erscheinungen.  Es 
ist  bekannt,  dass  dieser  Herpes  im  Verlaufe  von  ephemeren 
und  überhaupt  acuten  fieberhaften  Erkrankungen,  Schnupfen, 
Pneiimonie,  Typhus,  also  bei  vollständig  geringfügigen,  sowie 
auch  bei  intensiven  Erkrankungen  aufzutreten  pflegt.  (Hydroa 
febrilis).  Dass  das  Erscheinen  von  Herpes  labialis  s.  facialis 
eine  günstige  Bedeutung  für  den  Verlauf  des  Processes  habe, 
als  dessen  Begleiter  er  sich  eingefunden ,  wird  von  keinem 


g2ß  Neunzehnte  Vorlesung. 

Unbefangenen  geglaubt,  da  derselbe  aucb  während  eines  letal 
endigenden  Typlius  erscheinen  kann. 

AA^ir  sind  überhaupt  nicht  in  der  Lage  über  die  Ursache 
dieses  merkwürdigen  Processes  etwas   aussagen  zu  können. 
BAUENSPRUNG  hat  zwar  die  Meintuig  geäussert,  dass  der  Herpes 
facialis  einen  gewissermassen  auf  die  aUerperiphersten  ^erven- 
zweige  des  Trigeminus  beschränkten  Zoster  darstelle,  dessen 
Ursache  vielleicht  in  der  Reizung  eines  peripher  eingestreuten 
Gano'lions     z.  B.   des   Ganglion  incisivum,   läge.    Allem  er 
feÄ  diese  Meinung  nicht  bezüglich  alW  in  der  Eor. 
von  Herpes  labialis  auftretenden  Eruptionen  auirecht.  Diesei 
Tterscheidet  sich  auch  vom  Zoster  noch  dadurch,  dass  desseii 
Gruppen  meist  zu  beiden  Seiten  der  Medianlinie  unregelmassig 
"nem  einzelnen  Nervenaste  entsprechend,  situirt  sind,  das 
:^^iX^olt  ein  und  dasselbe  Individuum  befaUen  kann  so 
oft  eben,  als  eine  fieberhafte  Erkrankung  zu  demselben  Vei- 
"lassin;  .ibt.    Gbkhabbt  dagegen  mehit,  dass  er  vielleicht 
^rEelring  der  in  Knochencanälen  vei4aufenden  Trig_ 
Aest   V  ranlasst  würde,  welche  von  Seite  der  sie  begleitenden 
icf  iin  Fieberzustaiide  stark  gefüllten  Blutgefässchen  einen 
Druck  zu  erfahren  hätten. 

Herpes  praeputialis  s.  progenitalis. 

Man  bezeichnet  so  eiaie  acute  Eruption  ™  »f^«'!™- 
.ru Jen  der  männlichen  oder  weibUchen  6 e s oh  1  e c h t s  t he xl  . 
Ändort  ist  die  Vorhaut  des  .nännUchenGhedes,  d.e  Iv«.  - 

urche  und  das  angrenzende  »-^J^^^J^^. 
liehen  Individuen  das  Praepuüum  chtonis,  '^^^^^^^^^^^^ 
Uppen  und  allenfaUs  noch  die  angrenzenden  Theile  der 

^nnttÄÄ^^^^ 

an  den  genannten  Oertlichkeiten  ein  tas  mehrere  G  upp« 
miliarer,  bis  stecknadelkopfgrosser  oder  «twa« /''^^f „ 
dxen  aui  geröthetem  oder  geschwelltem  0  - 

dabei  ziemlich  bedeutend  un^  erstreckt  s  sehr^^^ 
die  Umgebung,  so  dass  dre  Vorh  ^^^.^^^ 

t^rten,  dicken  Y^'^J^'^'l^j*'  ~         ,3  „ieht  selten  nach  Ber- 
geschwoUen  ersohemen.    Dabei  pnCoi 
stun"  des  Epithels  auch  zu  Aussickern  von  bei  um  zu 
uml^zu  hegieitender  katarrhalisclier  Seeretion  von  de,  Hain 


Herpes  progenitalis. 


327 


rölu-enschleimhaut  und  der  Vagina.  Aucli  im  vordersten  Theile 
der  männlichen  Urethra  kann  ein  analoger  Entzündungsherd 
sich  bilden  mit  der  Erscheinung  von  eitrig-serösem  Ausfluss 
und  Brennen  beim  Urinlassen. 

Nach  zwei-  bis  dreitägigem  Bestände  trocknen  die  Bläs- 
chen zu  Börkchen  ein,  und  nach  abermals  so  vielen  Tagen 
sind  diese  Börkchen  abgefaUen  iind  die  EruptionssteUen  ver- 
heüt.  Wie  beim  Zoster  können  auch  beim  Herpes  progenitaHs 
einzelne,  oder  aUe  Bläschen  hämorrhagischen  Inhalt  bekommen. 
Alsdann  wird  nach  Bersten  der  Bläschendecken,  in  Folge  hämor- 
rhao-ischer  Zertrümmerung  der  obersten  PapiUarschichte,  Eite- 
rung eintreten ,  welche  zehn  bis  vierzehn  Tage  anhält  und  nach 
Abslossung  des  zertrümmerten  Gewebes  zur  Narbenbildiing  führt. 

Die  Diagnose  dieses  Uebels  ist  im  Allgemeinen  ziem- 
Hch  leicht,  da ''die  Bläschengruppen,  auch  wenn  die  einzelnen 
Efflorescenzen  zu  einem  pfennig-  bis  kreuzergrossen  Plaque  con- 
fluirt  sind,  an  dem  kerbigen  Aussehen  des  Randes  die  Zusammen- 
setzung aus  einzelnen  Bläschen,  und  somit  ihren  Charakter  als 
Herpes  erkennen  lassen.    Nur  wenn  durch  mechanische  Ein- 
flüsse,  Kratzen,  Ankleben  der  Leibwäsche  oder  bedeutende 
Exsudatmenge  und  Hämorrhagie  die  Bläschendecken  entfernt 
worden  sind  und  ein  gelblich  belegtes,    oder  hämorrhagisch 
gefärbtes  Gewebsstratum  zu  Tage  liegt,  oder  auch  im^  Stadium 
der  Krustenbildimg,  wenn  unter  der  Kruste  etwas  eitrig  gewor- 
denes Secret  abgesperrt  worden  ist,  wäre  primo  intuitu  die 
AfFection  von  einem  beginnenden  Schanker,  oder  überhatipt  einer 
specifischen  PrimärafPection  nicht  leicht  zu  unterscheiden.  Wenn 
es  namentlich  constatirt  ist,  dass  das  Individuum  innerhalb  des 
entsprechenden  Zeitraumes,  das  ist  ad  maximum  einer  Woche, 
durch  einen  Cöitus  sich  der  Gelegenheit  einer  Ansteckung  aus- 
gesetzt hat,  muss  man  sein  Urtheü  in  Schwebe  lassen.  Denn 
auch  bei  zweifelloser  Anwesenheit  eines  Herpes  könnte  doch 
noch  gleichzeitig  eine  Ansteckung  erfolgt  sein,  deren  Wirkung 
sich  erst  im  weiteren  A^erlaufe  sub  forma   eines  Schanker- 
geschwüres, oder  einer  Induration,  kundgeben  würde.  Von  dieser 
Möglichkeit  nun  abgesehen,  verläuft  der  Herpes  progenitalis 
immer  als  acute  Krankheit  und  gestattet  demnach  immer  eine 
günstige  Prognose. 

Eigenthümlich  ist  die  häufige  Wiederkehr  des  Herpes 
progenitalis.    Es  gibt  Individuen,  namentlich  männliche,  welche 


328 


Neunzehnte  Vorlesung. 


im  Laufe  des  Jahres  mehreremals  von  einem  solchen  befallen 
werden.  Viele  Kranke  geben  ganz  bestimmt  an,  dass  sie  jedes- 
mal nach  einem  Coitiis  auf  eine  Herpeseruption  gefasst  sein 
müssen.  Es  lässt  sich  schwer  sagen,  inwieferne  diese  Angabe 
begründet  ist.  Es  würde  dies  eiae  mechanische  Ursache  der 
Entstehung  des  Herpes  voraussetzen.  Uebrigens  sind  wir  selber 
auch  nicht  in  der  Lage  eine  Ursache  überhaupt  anzugeben. 
Bärenspkung  hat  auch  diesen  Herpes  als  eine  Art  peripheren 
Zoster  genitalis  angesehen.  Es  ist  zu  bemerken,  dass  entgegen 
von  Zoster,  bei  H.  progenitalis  die  Bläschengriippen  keineswegs 
auf  die  eine  Hälfte  des  Grliedes  beschränkt,  sondern  ganz  unregel- 
mässig situirt  sind,  ebenso  wie  die  häufige  "Wiederkehr  des 
H.  progenitalis  im  Gegensatze  steht  zur  regelmässigen  Einmalig- 
keit des  Zoster. 

Was  die  Therapie  anbelangt,  so  wird  bei  dem  typischen, 
acuten  Verlauf  selbstverständlich  keine  eingreifende  Behand- 
lung nothwendig  sein.  Man  beschränkt  sich  durch  Einstreuen 
von  Amylum,  und  namentlich  durch  Einlegen  von  in  Amylum 
eingetauchter  Charpie,  oder  Baumwolle,  zwischen  Vorhaut  und 
Grlans  und  in  die  Labialfurchen  die  Empfindung  des  Brennens 
zu  mildern,  der  Maceration  der  Bläschen  vorzubeugen  und  ihre 
Eintrocknung  zu  begünstigen.  Im  Falle  der  Blosslegung  der 
Herpesstellen  und  ihrer  Eiterung  wird  man  indifferente  Deck- 
mittel, durch  welche  die  Krustenbildung  verhütet  wird,  Ceratum 
simplex,  Emplastrum  domesticum,  anwenden. 

Herpes  Iris  et  circinatus. 

Unter  den  acuten  Bläschenausschlägen  wird  gewöhnlich 
auch  Herpes  Iris  und  circinatus  als  besondere  Eruptions- 
art angeführt.  Man  versteht  unter  dieser  Bezeichnung  eine  acute 
Bläscheneruption ,  welche  die  bekannte  Grestalt  von  Iris ,  das 
sind  concentrischer  Kreise,  oder  nur  eines  Kreises,  d.  i.  circinatus, 
darbietet. 

Die  Irisform  entsteht  derart,  dass  ein  Bläschen  auftaucht 
und  während  dieses  nach  ein-  bis  zweitägigem  Bestände  eben 
einzusinken  beginnt,  ringsum  auf  der  peripher  fortgeschrittenen 
Eöthung  der  Haut  ein  neuer  Bläschenkranz  imd  sofort  auch 
ein  zweiter  auftritt.  Hat  das  centrale  Bläschen  sich  voll- 
ständig involvirt,  so  bleibt  nur  der  äussere  Bläschenkranz 


Herpes  Iris  et  circinatus. 


329 


zurück,  welclier  eine  geröthete  oder  bereits  pigmentirte  Haut- 
steile  einschliesst ,  und  man  liat  dann  den  Herpes  circinatus- 

Die  Bläschen  des  Herpes  Iris  und  circinatus  sind  Steck- 
nadelkopf- bis  erbsengross,  wobei  gewöhnlich  derselben  Gruppe 
angehörige  Bläschen  von  gleicher  Grrösse  zu  sein  pflegen.  Zu- 
weilen confluiren  die  centralen  mit  den  peripheren  zu  einem 
continuirlichen  Blasenringe,  welcher  nur  durch  sein  gekerbtes 
Ansehen  die  Entstehung  aus  einzelnen  Bläschen  erkennen  lässt. 
Die  Bläschen  fühlen  sich  in  der  ßegel  sehr  derb  an,  weil  sie 
durch  seröse  Exsudation  in  die  Papillarschichte  und  Anfquel- 
lung  der  tiefen  Schichte  des  Rete  gebildet  sind.  Darum  platzen 
sie  auch  sehr  selten  und  ist  daher  auch  fast  niemals  Nässen 
oder  Krustenbildtmg  bei  denselben  zu  beobachten.  Sie  invol- 
viren  sich  im  Gregentheile  in  der  Regel  nach  acht-  bis  zehn- 
tägigem Bestände  durch  Resorption  ilires  Inhaltes  und  hinter- 
lassen etwas  Pigmentirung,  nur  selten  auch  Schuppung. 

Wenn  ich  Ihnen  über  die  Bedeutung  des  Herpes  Iris  et 
circinatus  etwas  Bestimmtes  sagen  soll,  linde  ich  mich  in  sehr 
grosser  Verlegenheit.  Sie  werden  sich  erinnern ,  dass  wir 
eigentlich  von  demselben  schon  gesprochen  haben ,  und  zwar 
bei  Gelegenheit  des  Erythema  Iris  und  circinatum.  In  der 
That  haben  wir  auch  alle  Veranlassung,  diese  beiden  Processe 
mit  einander  zu  indentificiren  (Hebea,  Köbner).  Zunächst 
erscheint  derselbe  in  der  schon  früher  (pag.  279)  geschilderten 
Combination  mit  Erythema  Iris  und  circinatum ,  aber  auch  in 
der  reinen  Herpesform  in  derselben  typischen  Localisation  am 
Hand-  und  Eussrücken,  mit  dem  gleichen  typischen  Verlauf 
binnen  zwei  bis  drei,  Wochen,  dem  Typus  annuus ,  kurz  ganz 
mit  dem  Charakter  des  Erythema  multiforme. 

Es  hat  eine  Zeit  gegeben,  wo  man  den  Herpes  circinatus 
als  Formation  einer  Pilzkrankheit ,  unseres  heutigen  Herpes 
tonsurans,  angesehen  hat.  Das  war  vor  Allem  bei  Batemann 
der  Eall,  welcher  denselben  als  Porrigo  scutulata  angeführt 
und  abgebildet  hat,  und  ebenso  später  noch  bei  den  Franzosen, 
namentlich  Cazenave.  Ich  habe  erst  in  der  jüngsten  Zeit  bei 
einem  sechszehnjährigen  Schneiderlehrling  und  bei  einem  zwölf- 
jährigen Mädchen  auf  dem  Rückeü  der  linken  Hand  zwischen 
Daumen  und  Zeigefinger  und  dann  wieder  am  Vorderarme  eines 
Kindes  einen  thalergrosseu  Doppelkreis  von  sehr  derben,  zwei 
Linien  hohen,  zu  einem  gekerbten  Ring  confluirenden  Bläschen 


rjQQ  Neunzehnte  Vorlesung. 

gesehen,  während  noch  sonst  auf  dem  Handrücken  zerstreut 
mehrere  miliare  isolirte  Bläschen  zu  sehen  waren.  Bei  der 
mikroskopischen  Untersuchung  fand  sich  ein  reichliches  Geflecht 
von  Pilzfäden  innerhalb  der  ßetezellen,  so  dass  in  allen  diesen 
Fällen  an  der  Pilznatiu'  der  AfPection,  die  unter  dem  Bilde 
des  Herpes  circinatus  vorlag,  nicht  zu  zweifeln  war. 

Sie  sehen,  meine  Herren,  wie  schwer  die  Entscheidung  in 
dieser  Frage  ist,  da  man  zur  Schöpfung  des  Urtheüs  erst  emer 
genauen  mikroskopischen  Untersuchung  bedarf.    Ich  mochte 
Ihnen  rathen ,  die  Sache  so  zu  nehmen.    Wenn  beim  Herpes 
Iris  und  circinatus  der  Typus  des  Erythema  exsudatnnim  sich 
manifestirt,  dass  nämlich  beide  Hand-  und  Pussrücken  den 
Ausgangspunkt,  die  erste  und  hauptsächlichste  Localisation, 
für  den  Herpes  abgeben,  dann  wollen  wir  ihn  eben  mit  dem 
Erythem  identificiren.    Wenn  derselbe  dagegen  an  irgend  emer 
anderen  KörpersteUe,  z.  B.  im  Gesichte,  auf  der  Wange  oder 
'asymmetrisch,  nur  auf  einer  Hand  sich  darbietet,  dann  dürfte 
1  die  Vermuthung,  dass  man  es  mit  einem  Herpes  tonsurans,  das 
ist  einer  ansteckenden  und  durch  einen  Pilz  bedingten  Ivrank- 
1  heit,  zu  thun  habe,  gerechtfertigt  sein  und  durch  die  mikro- 
'  skop'ische  Untersuchung  sich  beweisen  lassen. 

■     Wenn  wir  hiemit  schon  in  eine  Art  Dif f  er entialdia- 
n  0  s  e  gerathen  sind,  muss  ich  noch  eiues  Umstandes  gedenken, 
dass  nämlich  auch  eine  chronische,  sehr  gefährHche  dui'ch 
Blasenbildung  charakterisirte  Hautkrankheit,  Pemphigus, 
und  zwar  die  gefährlichste  Form  desselben,  der  Pemphigus 
foliaceus,  mit  der  Bildung  cir ciliarer  und  irisförmiger  Blasen 
zu  debutiren  pflegt.    In  .diesem  FaUe  ist  aUerdings  ^e  Dia- 
gnose pro  momeiito  gar  nicht  zu  machen.    Erst  im  Verlaufe 
von  sechs  bis  acht  Wochen  wird  der  Charakter  der  Krankheit 
klar  werden,  indem  der  Herpes  Iris  et  circinatus  m  der  Eegel, 
nach  einer  Eruptionszeit  von  zwei  Wochen,  binnen  abermals  so 
langer  Zeit  sich  voUständig  involvirt  und  nur  selten  m^u-ere 
Wochen  persistii^t,  während  bei  Pemphigus  nach  vielen  Wochen 
noch  neue  Blasen  erscheinen  und  der  Process  sich  als  chronisch 

™'es  versteht  sich  von-  selbst,  dass  die  Behandlung 
eines  Herpes  Iris  und  circinatus,  in  Anbetracht  seines  acuten 
und  typischen  Verlaufes  eine  indifferente  sem  wird  und  nui 
bei  heftio-en  und  entzündlichen  Erscheimmgen ,  im  Falle  gros- 


Miliaria. 


331 


serer  Blasenbildung ;  oder  wenn,  wie  bei  Erythem,  auch  Gelenks- 
affectionen  sich  dazugesellen,  man  von  kalten  Umsclüägen  u.  s.  w. 
Gebrauch  machen  wird. 

Miliaria,  Friesel. 

Unter  die  acuten  Bläschenausschläge  gehört  auch  die 
Miliaria,  der  sogenannte  Frieselausschlag,  welcher  in 
der  Pathologie  der  früheren  Zeit  eüae  grosse  EoUe  gespielt  hat, 
indem  man  sogar  von  J^üliaria-Epidemien  zu  wiederholten  Malen 
berichtet  hat  (ital.  Migliaria). 

Man  führt  dreierlei  Arten  von  Miliaria  an:  1.  M.  rubra, 
2.  M.  alba,  3.  M.  crystallina. 

Als  MiUaria  rubra  bezeichnet  man  eine  in  acuter  \\  eise, 
und  in  der  Regel  unter  profusen  Schweissen  über  den  Stamm 
und  die  Extremitäten  auftretende ,  dicht  gedrängte  Eruption  von 
hirsekorngrossen,  rothen,  an  ihrer  Spitze  etwas  klare  Flüssig- 
keit bergenden,  also  kleine  Bläschen  mit  rother  Basis  darstel- 
lenden Efflorescenzen.  Wenn  die  Epidermisdecke  derselben  mace- 
rirt,  aufgelockert  und  der  Inhalt  trübe  wird,  so  erscheinen  die 
Bläschen  opalescirend  und  man  hat  dann  die  zweite  Art,  Mi- 
liaria alba.  •  T\fl- 
Hebra  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,   dass  diese  Mi- 
liariaform  die  Bedeutung  eines  durch  Schweiss  bedingten  Ex- 
anthems hat,  und  demnach  eigentlich  den  Namen  Eczema  Sudamen 
oder  Sud  am  ina  verdient  (prickly  heat  engl,  Calori  der  Ita- 
liener).   Häight  hat  einen  belehrenden  mikroskopischen  Dui'ch- 
schnitt  eines  MUiariabläschens  abgebildet.    Es  zeigt  sich  da 
die  Hornschichte  allein  über  einer  Schweissdrüsenmündung  als 
Bläschendecke  abgehoben.    Man  begegnet  dem  Ausschlag  sehr 
häufig  in  den  heissen  Sommertagen ,  bei  Personen,  welche  in 
starken  Schweiss  gerathen  waren.    Man  kann  sich  überzeugen, 
dass  man  es  nur  mit  einem  leichten  Grade  von  durch  Schweiss 
bedingtem  Eczem  zu  thun  hat ,  weil  bei  Andauer  der  maceri- 
renden  und  irritirenden  Schweisse,  des  Kratzens  in  Eolge  des 
Juckens,  der  Ausschlag  wirklich  zu  nässendem  Eczem  sich 
steigert.    Wenn  dagegen  die  genannten  Reize  ferne  gehalten 
werden,  involviren  sich  dieselben  unter  Abschiebung  der  Bläschen- 
. decken,  das  ist  geringer  Schuppung. 

Dem  entsprechend  kann  man  auch  die  MiKaria  rubra  und 
alba  in  Begleitung  fieberhafter  Krankheiten  sehr  häufig  beob- 


332 


Neunzehnte  Vorlesung. 


achten.  Ihrer  Entwickliing  geht  selir  oft  eine  Empfindung  von 
Stechen,  wie  mit  Nadelstichen,  in  der  Haut  voran.  Nach  erfolgter 
Eruption  dagegen  ist  es  das  Jucken ,  vs^elches  die  Kranken 
belästigt. 

Man  hat  aber  mit  Rücksicht  auf  diese  Erscheinungen  und 
den  erwähnten  anatomischen  Befund  von  Haight  alle  Ur- 
sache, die  Bläschen  nicht  durch  den  irritirenden  Einfluss  des 
schon  auf  die  Hautoberfläche  ausgetretenen  Schweisses  zu 
betrachten,  sondern  als  Effect  der  Ansammlung  des  Schweisses 
zwischen  den  die  Schweissdrüsenmündung  ausfüllenden  Epider- 
mislagen. 

Dagegen  gebührt  der  Miliaria  crystallina  unzweifel- 
haft die  Bedeutung  eines  eigenthünilichen  Hautexanthems,  sowohl 
nach  seinem  klinischen  Charakter,  als  nach  seinem  ätiologischen 
Momente.  Die  Bläschen  der  M.  crystallina  stellen  grieskorn- 
grosse,  wasserklare,  blasse,  thautr opf  enähnliche,  oft  mit 
dem  Finger  deutlicher  als  mit  dem  Gresichte  wahrnehmbare  Efflo- 
rescenzen  dar  ,  welche  sowohl  am  Stamm ,  namentlich  auf  der 
Brust ,  am  Unterleib ,  an  der  seitlichen  Thoraxgegend ,  aber 
ebenso  gut  an  den  Beugeflächen  der  Extremitäten,  am  Halse, 
in  grosser  Menge  sich  vorfinden. 

Sie  bestehen  mehrere  Tage,  bis  eine  und  mehrere  "Wochen, 
je  nach  den  Verhältnissen,  unter  welchen  sie  aufgetreten  sind. 
Ihr  Lahalt  reagirt  schwach  alkalisch,  nie  sauer.  Sie  persistiren 
während  der  angegebenen  verschieden  langen  Zeit,  ohne  jemals 
im  Einzelnen  sich  zu  vergrössern  —  hie  und  da  kommen  auch 
linsen-  bis  bohnengrosse  Blasen  darunter  gemengt  vor,  aber 
auch  diese  haben  eine  ausserordentlich  dünne  Epidermisdecke 
—  ihr  Inhalt  wird  nie  trübe,  eiterälinlich,  sondern  sie  bestehen 
fort  als  solche  thaup erlenähnliche  Efflorescenzen,  ja  es  ist  das 
einzige  exsudative  Exanthem,  welches  selbst  noch  an  der  Leiche 
kenntlich  sich  erhält. 

Sie  verschwinden  in  der  Hegel  in  der  Art,  dass  ihre 
Bläschendecken  spontan  oder  unter  dem  Einflüsse  von  Schweiss 
weggeschwemmt  werden,  so  dass  es  zu  einer  eigentlichen  Schup- 
pung gar  nicht  kommt.  Dadurch,  dass  ein  Theil  derselben  auf 
diese  Weise  zu  Grunde  geht,  während  sie  überhäutete  Stellen 
zurücklassen  und  wieder  neue  Eruptionen  auftauchen,  kann  der 
ganze  Process  durch  mehrere  Wochen  sich  erhalten.  Der  ersten 
Eruption  wie  den  einzelnen  Nachschüben  pflegen  Schüttelfröste 


Pempliigus  acutus. 


333 


voranzugehen.  Hebea  liat  in  nachdrückliclier  "Weise  darauf 
aufmerksam  gemacht,  dass  man  allen  Grrund  hat,  die  M.  cry- 
stallina als  den  Ausdruck  eines  metastatischen  Processes  anzu- 
sehen, bedingt  durch  solche  Vorgänge  in  inneren  Organen, 
welche  eben  Metastasen  auf  die  allgemeine  Decke  zu  veran- 
lassen geeignet  sind,  wie  Endometritis,  Metrophlebitis ,  der 
Puerperalprocess  in  toto,  Endocarditis,  Typhus,  Gelenksrheu- 
matismus, acute  Exantheme,  wie  Scarlatina  (Miliaria  exanthema- 
tica),  weil  im  Verlaufe  aller  dieser  Processe,  und  zwar  gewöhn- 
lich in  deren  späterem  Verlaufe,  die  Miliaria  aufzutreten  pflegt, 
demnach  man  auch  von  einer  Miliaria  typhosa,  puerperaUs  s. 
uterma,  pectoralis  s.  cardiaca  lesen  kann. 

Die  Diagnose  der  M.  crystallina  ist  nicht  schwer,  da 
keinem  Exantheme  diese  thautropfenähnliche  Beschaffenheit 
der  Efflorescenzen  zukommt.  Da  dasselbe  weder  durch  J ucken, 
noch  -  durch  intensivere  Veränderungen  der  Haut  belästigt, 
bietet  es  auch  gar  keine  Veranlassung  für  die  Erörterung 
einer  Prognose  oder  Therapie;  sein  Bestand  hängt  von 
der  es  veranlassenden  fieberhaften  Krankheit,  ab  und  es  handelt 
sich  in  dem  betreffenden  Ealle  nur  um  die  Prognose  jener  Krank- 
heit, nicht  um  die  der  Miliaria. 

Pemphigus  acutus  s.  febrilis,  Blasenfieber. 

An  die  acuten  Blasenausschläge  muss  ich  noch  den  soge- 
naimten  Pemphigus  acutus  anschliessen. 

Man  versteht  darunter  eine  Krankheit,  bei  welcher  in 
acuter  Weise  und  mit  einem  acuten,  auf  einige  Wochen 
beschränkten  Verlaufe,  mit  oder  ohne  Fiebererscheinungen, 
Blasen,  das  ist  erbsen-  bis  bohnengrosse  und  grössere,  mit 
wasserheller  Flüssigkeit  gefüllte  Efflorescenzen,  in  unregel- 
mässiger Weise,  zerstreut  im  Gresichte,  am  Stamme,  an 
den  Extremitäten  auftreten ,  welche  Blasen  nach  Bestand  von 
wenigen  Stunden  oder  Tagen  eintrocknen  und  nach  Abfallen 
der  Borken  rothe ,  später  pigmentirte  Flecke  zurücklassen. 

Der  Verlauf  der  Krankheit  ist  ein  acuter,  indem  inner- 
halb der  ersten  acht  bis  vierzehn  Tage  in  unregelmässigen 
Nachschüben  Blasen  auftauchen,  hierauf  die  Eruptionen  spär- 
licher werden,  die  alten  Blasen  abheilen  und  endlich  der  ganze 
Process  erlischt,  um  nicht  mehr  zu  recidiviren. 


gg^  Neunzehnte  Vorlesung. 

Der  Pempliigus  acutus  ist  auch  in  kleineren  oder  grösseren 
Endemien  bei  Kindern  beobaclitet  worden. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  für  viele  Fälle  Hebra's 
Einwand  ricbtig  ist,  wonacb  solcbe  acute  Blasenprorui^tionen, 
wie  sie  bei  Variola  modificata  und  Varicella  bullosa,  Erythema 
bullosum,  Herpes  Iris  iind  circinatus,  selbst  bei  Eczem,  bei  Ur- 
ticaria bullosa  vorkommen ,  endlicli  eine  eigentbiimliche  Form 
von  Impetigo  des  Gesiebtes ,  welche  wir  beim  Eczem  kennen 
lernen  werden,  dass  diese  Blasenproruptionen,  welche  ebenfalls 
einen  acuten  Verlauf  haben,  von  einzelnen  Aerzten  als  Pem- 
phigus acutus  diagnosticirt  worden  sein  mögen;  oder  dass  man 
gar  die  einzelnen  acut  ablaufenden  Eruptionsperioden  des 
Pemphigus  chronicus  für  einen  Pemphigus  acutus  hielt. 

Inzwischen  haben  in  den  letzten  Jahren  von  so  vielen 
Seiten,  namentlich  von  Kinderärzten,  Mittheilungen  stattgefunden, 
wie  von  Thomas,  Moldenhauee  u.  v.  A.,  denen  zufolge  in 
kurzer  Zeit,  bei  einer  grossen  Zahl  von  Kindern  einer  Ort- 
schaft, ein  mit  einem  Stadium  prodromorum,  eruptioms  und 
decrementi  verlaufender  Blasenausschlag  beobachtet  wurde,  der 
aber  unter  allen  Fällen  günstig  abgelaufen  ist. 

Obgleich  nun  selbst  es  niemals  an  gegentheüigen  Stimmen 
gefehlt  hat,  von  denen  einzelne,  den  betreffenden  Blasenaus- 
sclilao-  als  VariceUa  diagnosticirten ,  was  auch  damit  harmo- 
niren  würde ,  dass  manche  Aerzte  diese  Endemien  von  einem 
Contagium  herleiteten  und  die  Krankheit  als  Pemphigus  co  n- 
tagiosus  infantum  bezeichneten;  andere  dagegen,  wie  Bohn, 
die  Epidemie  auf  den  Einfluss  von  zu  heissen  Bädern  zurück- 
führten, welche  em  und  dieselbe  Hebamme  bei  den  ihrer  Wartung 
empfohlenen  lündern  anwendete;  noch  andere  deshalb,  weil 
nur  von  derselben  Hebamme  gepflegte  Kinder  erkrankten  den 
Process  durch  Ansteckung  von  Seite  dieser  Personen  entstehen 
Hessen  -  kurzum  die  verschiedenartigsten  und  entgegengesetzte- 
sten Ansichten  über  die  Krankheit  laut  geworden  sind:  so  kann 
.  ich  doch  über  die  mitgetheüten  Thatsachen  des  Vorkommens  eines 
Blasenausschlages  von  acutem  Verlaufe  zumeist  bei_  Kindern, 
manchmal  auch  bei  Erwachsenen  (Köb^ee's  FaU)    mchts  aus- 
sagen da  ich  selbst  eine  solche  epidemische  P  ä  d  o  p  h  1  y  c  1 1  s  oder 
Febris  pemphigosa  s.  bullosa,  s.  anipuUosa,  epidemica 
contagiosa,  infantum  etc.  noch  nicht  zu  sehen  Gelegenheit 
gehabt  habe.   


fl 


Zwanzigste  Vorlesung. 

3.  Dermatitides.   Eigentliche  Hautentziin- 

clungen. 

Identität  der  anatomischen  Veränderung.  Klinische  Verschiedenheit  durcA 
Grac   und  Ursache  der  Entzündung  bedingt.  Idiopathische  und  symp  o- 
mal^sehe  Dermatitis.  D.  traumatica,  a  venenatis  et  dynamxca.  Calor.sche 
Form:  Verbrennxtng  vind  Erfrierung. 

Die  in  die  Gruppe  der  eigentliclien  Haut entzün dün- 
gen— Dermatitides   —  reihenden  AfPectionen  cliarak- 
terisiren  sich  neben  acutem  Verlaufe  durcli  prägnanten  Aus- 
druck aUer  der  Entzündung  angehörigen  Erscheinungen ,  wie 
sie  im  AUgemeinen  (auf  pag.  173)  gescMldert  worden  sind,  als: 
ßöthung,  SchweUung,  erhöhte  Temperatur,  Infiltration,  Schmerz- 
haftigkeit ,   mit  den  Ausgängen  der  Entzündung  in  Lösung, 
oder  Eiterung,  oder  Nekrobiose  en  masse  (Gangrän),  oder  dem 
Uebergang  in  chronische  Dermatitis.    Den  klinischen  Erschei- 
nungen entsprechen  die  ebenfaUs  im  AUgemeinen  schon  an- 
geführten feineren  histologischen  Veränderungen.  Insoferne 
stimmen  also  auch  die  örtlichen  Symptome  bei  aUen  hieher 
gehörigen  Krankheitsformen   der  Hauptsache  nach  überein. 
Unterschiede  ergeben  sich  aber  sowohl  bezüglich  der  örtlichen, 
wie  der  begleitenden  Symptome  nach  dem  Sitze,    der  Eorm, 
Ausbreitung,  dem  morphologischen  und  chemischen  Charakter 
des  Infiltrates,  dem  Ausgange  der  Entzündung  und  schliesslich 
nach  ihrer  besonderen  Veranlassung. 

Damach  kann  -unter  allen  Umständen  die  Entzündung 
entweder  die  obersten  Hautschichten  aUein,  oder  die  Cutis  in 
ihrer  ganzen  Tiefe  bis  in's  UnterhautzeUgewebe  betrelFen,  vor- 


330 


Zwanzigste  Vorlesung. 


wiegend  durch  ßötlie  und  seröse  Durclitränkung  sich  mani- 
festiren  ,  die  den  Ausgang  in  Lösung  nimmt  —  Dermatitis 
erythematosa  — ,  oder  durch  mehr  plastische  Lifiltration 
des  Parenchyms,  die  gerne  zur  Eiterung  führt  —  Dermatitis 
phlegmonosa;  oder  ein  rasch  gerinnendes  fibrinöses  Exsudat 
setzen,  das  moleculären  Zerfall  bedingt  —  Dermatitis  diph- 
theritica;  oder  mit  Absterben  grösserer  Grewebsmassen  ein- 
hergehen — -Dermatitis  gangraenosa  et  escharo'tica; 
oder,  durch  seröse  Ausschwitzung  in  die  Epidermisschichten, 
mit  Blasenbildung  vergesellschaftet  sein  —  Dermatitis  bul- 
losa; weiter  circximscript  oder  diffus  erscheinen,  fix  oder 
fortschreitend,  a  febril  oder  mit  Fieber  und  complicirten 
Allgenieinsymptomen  verknüpft  sein. 

In  all'  diesen  verschiedenen  Formen  vind  Graden  kann 
die  Hautentzündung  einmal  durch  Einflüsse  entstanden  sein, 
welche  die  Haut  direct  getroffen  haben,  ein  andermal  als  Theil- 
'  erscheinung  einer  anderweitigen  Erkrankung  auftreten.  Dar- 
nach unterscheidet  sich  dieselbe  als  a)  idiopathische  und 
b)  symptomatische  Hautentzündung. 

a)  Idiopathische  Hautentzündung. 

Zu  dieser  führen  alle  jene  bereits  auf  pag.  109  angeführ- 
ten Schädlichkeiten,  welche  bei  geringerer  Intensität  nur 
Erythem  hervorrufen,  sobald  ihr  Einfluss  stärker  oder  nach- 
haltiger geworden,  oder  das  getroffene  Hautorgan  reizbarer 
ist.  Nach  dem  allgemeinen  Charakter  jener  Potenzen  fülu-en 
wir  die  durch  sie  veranlassten  Hautentzündungen  an,  als: 

Dermatitis  traumatica,  die  Entzündung,  welche  durch 
Schlag,  Stoss,  Druck  von  eng  anliegender  Beschuhung,  Druck- 
und  Tragbändern,  hantirten  Werkzeugen,  Rudern,  durch 
Kratzen  mit  den  Fingernägeln  (Excoriationes) ,  traumatische 
Einwirkungen  welcher  Art  immer,  veranlasst  ist. 

Dermatitis  a  venenatis  et  causticis,  die  durch 
chemisch  giftige,  oder  ätzend  wirkende  Substanzen  veranlasste 
Hautentzündung ,  wie  von  Canthariden  (A^esicantien) ,  Meze- 
reum,  Rhus  toxicodendron ,  Terpenthin ,  Aetzkali,  Aetzkalk, 
Aetzpasten  überhaupt  und  die  starken  Mineralsäuren.  Endlich 

Dermatitis  dynamica  et  calorica,  die  durch  exces- 
sive  dynamische  und  Temperaturs-Einflüsse,  Elektricität,  Blitz- 
schlag, hohe  Hitze  und  Kälte  erzeugte  Entzündung. 


Combustio. 


337 


All'  diese  nach  der  allgemeinen  und  speciellen  Qualität 
ihrer  Veranlassung  angeführten  Kategorien  von  Dermatitis 
bieten  wesentlich  dieselben  örtlichen  Symi^tome  dar ,  wie  icli 
im  Eingange  dieser  Vorlesung  angeführt  habe,  und  wesentlich 
auch  dieselbe]}  Anhaltspunkte  für  die  Prognose  und  Therapie. 
Dennoch  ergeben  sich  auch  manche  praktisch  sehr  berücksich- 
tigenswerthe  Unterschiede,  nicht  nur  rücksichtlich  der  allge- 
meinen Momente,  wie  Intensität,  Ausdehmmg,  Bedeutung  für 
das  betroffene  Organ  und  den  Gesammtorganismus  etc. ,  son- 
dern auch,  wenn  ich  sagen  darf,  der  Qualität.  Indem  es  mir 
unthuulich  erscheint ,  nach  dieser  Richtung  den  Gegenstand 
weiter  zu  verfolgen  und  ich  rücksichtlich  desselben  auf  die 
allgemeine  Pathologie  der  Dermatitis  und  die  specielle  Chirur- 
gie verweise,  hebe  ich  doch  noch  die  diirch  calorische  Einflüsse 
hervorgerufene  Hautentzündung  besonders  hervor,  sowohl  wegen 
ihrer  eminenten  praktischen  Wichtigkeit,  als  auch  weil  deren 
Symptome  ein  erschöpfendes  Schema  der  verwandten  Affec- 
tionen  überhaupt  darbieten. 

Die  calorische  Hautentzündung  wird  nach  den  zwei 
Extremen  ihrer  Ursache  als  Verbrennung  und  Erfrie- 
rung unterschieden. 

Dermatitis  ambustionis,  Verbrennung, 

Combustio,  heisst  die  durch  abnorm  hohe  Temperaturs- 
Einflüsse  veranlasste  Hautentzündung. 

Symptome,  Verlauf  und  Bedeutung  derselben  sind 
verschieden  nach  dem  Grade  der  sie  veranlassenden  Tempera- 
tur, der  Zeitdauer  ihrer  Einwirkung,  der  Qualität  des  Mediums, 
weiters  der  räumlichen  Ausdehnung  der  Verbrennung  und  nach 
der  betroffenen  Individualität. 

Indem  die  zunächst  augenfälligen  örtlichen  Erschei- 
nungen zugleich  einen  Massstab  abgeben  für  die  begleitenden 
und  allgemeinen  Symptome,  Folgen,  Bedeutung  und  die 
Massnahmen  der  Behandlung ,  unterscheiden  wir  zum  prakti- 
schen Gebrauche  die  Verbrennung  nach  drei  Graden,  welche 
aber  nur  Intensitätsstnfen,  nicht  streng  von  einander  zu  tren- 
nende Formen  der  Erkrankung  vorstellen. 

Der  erste  Grad:  Dermatitis  ambustionis  erythema- 
tosa, charakterisirt  sieh  durch  gleichmässige ,  diffuse,  unter 
dem  ringerdrucke  nicht  ganz  schwindende  Röthung  und  mäs- 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  22 


ygg  Zwanzigste  Vorlesung. 

sige  Schwelhing  der  Haut,  so  weit  sie  von  der  höheren  Tem- 
]ieratur  gettofFen  wurde. 

Die  Rothe,  anfangs  lebhaft,  alsbald  dunkel  nuancirt  Ijis 
blau-  und  braunroth,  ist  demnach  meist  scharf  begrenzt.  Durch 
.Fingerdruck  verdrängt,  macht  sie  einer  gelblichen  Tingirung 
Platz.    Das  G-efühl  von  lebhaftem  Brennen  und ,  bei  grösserer 
Ausdehnung  und  bei  jugendlichen  oder  reizbaren  Individuen, 
t'.uch  massige  Fieberbewegung  begleiten  dieselbe.  So  stellt  sich 
das  Bild  dar  nach  Begiessen  der  Haut  mit  Wasser  von  .30  bis 
45 '1  Wärme,  bei  Personen,  die  ihre  Haut  der  heissen  Julisonne 
mehrere  Stunden  ausgesetzt  haben,  beim  Schwimmen,  Rudern, 
Marschiren ,   oder  deren  Gesicht  voni  einer  Flamme  im  Fluge,  . 
oder  auch  nur  von  strahlender  Wärme  getroffen  wurde. 

Der  an  atomische  Effect  solch'  mässiger  Hitzegrade  be- 
steht in  einer  sofortigen  activen  Hyperämisirung  der  feinsten 
Hautgef ässe  mit  folgender  Parese  und  passiver  Blutüberfällung. 
Am  schönsten  erweist  sich  dies  bei  dem  Erythema  solare ,  in- 
dem die  Rothe  genau  in  der  Linie  sich  abgrenzt  ,  in  der  die 
Nachbarhaut,  z.  B.  von  der  Schwimmhose,  bedeckt  war.  Die 
Schwellung,  und  gelbliche  Tingirung  sind  der  Ausdruck  eiiier 
mässigen  Exsudation. 

Unter  Abnahine  der  Schwellung ,  Hitze'  und  Schmerzhaf- 
tigkeit  der  afficirten'Haut  und  Aufhören  des  Fiebers  verwan- 
delt sich  binnen  wenigen  Tagen  das  Lebhaftroth  in  Braunrdth 
bis  Braun  ,  die  Oberhaut  schiebt  sich  in  Form  von  schmutzig- 
weissen  Kleien  oder  grösseren  LameUen  ab  und  cUeHaut  kehi't 
binnen  1-3  Wochen . zur  . Norm  zurück;  allenfalls  ist  sie  noch 
durch  einige  Zeit  etwas^  d-nnkler  pigmentirt. 

Der  zweite  Grad-  der  Verbrennung,  Dermatitis  am- 
bustionis  bullosa,  durch  heisses  und  siedendes  Wasser  (50^ 
bis  80«),  flüchtige  Berührung  mit  Feuerflammen,  heisse  Metalle, 
starke  Sonnenhitze,  geschmolzenes  SiegeUack  u.  A.  veranlasst, 
charakterisirt  sich,  neben  den  Symptomen  des  ersten  Grades, 
durch  die  Erscheinung  von  Bläschen  und  Blasen,  als  Effect 
einer  reichlichen  serösen  Exsudation  in  die  Epidermis  schichten. 
Sie  erheben  sich  unmittelbar,  oder  auch  erst  mehrere  Stunden 
nach  stattgehabter  Hitzeeinwirkung,  auf.  der  diffus  gerotheten 
oder  auch  sonst  scheinbar  niclit  veränderten,   oft  aber  aucli 
•  noch  intensiver 'afficirten  Haut,  iiu  eiuzeluen  und  vielen  Blasen, 
.  und  in  .-verschiedener  Grösse,  bis  zum  Umfange  eines  Huhner- 


Combustio. 


339 


eies ,  prall  gespannt ;  da  wo  die  Oberliaut  dünn  ,  gelb  durcli- 
sche'inend;  wo  die  Epidermis  dick,  wie  an  den  Händen,  nur 
als  stramme  Vorwölbung.  An  manchen  Stellen  wird  die  Ober- 
haut durch  die  Exsudatmenge  ganz  losgehoben.  Sie  hängt  in 
Fetzen  herab,  oder  erscheint  über  grössere  Strecken  zusammen- 
geschoben oder  aufgerollt. 

Oberflächliche  Blasen  haben  zur  Decke  die  obersten  Horn- 
zellenlagen und  entleeren  beim  Anstechen  sofort  ihren  ganzen 
Inhalt.  Andere  Blasen  betreffen  die  ganze  Dicke  des  Rete. 
Da  sickert,  selbst  nachdem  die  Blasendecke  mittelst  der  Scheere 
abgekappt  worden,  nur  allmälig  das  Serum  aus  und  die  ge- 
quollenen Retezellen  liegen  als  gelblich-graue,  sulzeartige  Pulpe 
zu  Tage. 

Auf  mikroskopischen  Durchschnitten  von  Brandblasen 
zeigen  sich  innerhalb  der  verbreiterten  Papillen  ilirer  Basis 
und  des  obersten  Corium  die  Gefässe  erweitert,  die  Binde- 
gewebsfasern gequollen,  die  Maschenräume  erweitert,  mässig 
viele  Exsudatzellen  in  ihnen  und  im  adventitiellen  Gefässraum^ 
im  Bereiche  der  Blase  selbst  die  Petezellen  trüb ,  gequollen, 
mit  Zeichen  von  Kerntheilung  abortiver  oder  proliferirender 
Art,  zu  Easern  und  Balken  ausgezogen,  welche  zwischen  der 
Blasendecke  und  den  basalen  Papillen  oder  noch  auf  diesen 
haftenden  Retezellen  ausgespannt  sind.  Derart  bilden  diese 
ein  Eächerwerk,  dessen  Räume  nebst  Serum  Exsudatzellen, 
Epitheltrümmer  und  Fasergerinnsel  enthalten  (v.  Biesiadecki, 
Unna  u.  A.),  Verhältnisse,  welche  der  Blasenbildung  unter 
allen  Umständen  zukommen.  Nebenbei  bemerke  ich  noch,  dass 
die  inneren  Vorgänge  der  Blasenbi].dung  stets  dieselben  sind, 
sie  mögen  von  geschmolzenem  Siegellack  oder  Feuer,  oder  einem 
Vesicans  erzeugt  sein  (Unna),  oder  von  einer  inneren  Ursache 
herrühren,  wie  bei  Zoster. 

Der  Verla  u  f  des  örtlichen  Processes  findet  nun  in  typi- 
scher Weise  statt.  Dort  wo  die  Blasendecke  erhalten  ist,  ver- 
trocknet dieselbe,  sobald  die  Entzündung  und  weitere  Exsada- 
tion  sistirt,  mit  ihrem  Inhalte  zu  einer  Kruste,  unter  welcher 
die  über  den  erhaltenen  Papillen  nachschiebenden  Retezellen 
verhornen.  Oder  die  Blasendecke  wird  mechanisch,  oder  durch 
die  Menge  des  Exsudates  losgehoben  und  es  erfolgt  reichliche 
ZeUenproliferation  des  blossliegenden  Rete  unter  dem  Bilde 
.  der  katarrhalischen  (epithelialen)  Eitermig.  Die  Papillen  liegen 

22* 


Zwanzigste  Vorlesung. 

als  rothe  Pünktchen,  zum  Theile  hämorrhagisch  zerwühlt,  in 
einem  grauen,  eiternden  Netze  bloss,  dessen  Maschen  von  dem 
interpapillären  Malphigischen  Stratum  gebildet  werden. 

AUmälig  vermindert  sich  unter  Rückbildung  der  Entzün- 
dung die  Abstossung  und  überwiegt  die  Festsetzung  der  neu- 
gebildeten Zellen,  welche  in  den  oberen  Lagen  verhornen  und 
inzwischen  auch  über  die  Papillen  hinübergewuchert  sind.  Es 
erfolgt  allseitig  Ueberhäutung  ohne  Narben  und  nur  an  Punk- 
ten, wo  einzelne  Papillen  durch  Bhiterguss  zerwnihlt  worden 
und  necrosirt  sind,  bleiben  weisse  Narben  zurück. 

Auch  bei  sehr  beschränkter  Ausdehnung  dieses  G-rades 
von  Verbrennung  begleiten  heftige  Schmerzen  die  ersten  Sta- 
dien desselben.  Bei  grösserer  Verbreitung,  z.  B.  über  beide 
Hände  und  Arme,  tritt  wohl  auck  heftiges  Fieber  hinzu.  Auch 
complicirende  Entzündung,  Lymphangioitis  ,  Drüsenschwellung 
kann  noch  während  der  Eiterung  eintreten.  Ausserordentlich 
schmerzreich  ist  das  Stadium,  in  welchem  nach  Abstossung 
der  Blasenpulpe  die  Papillen  über  grosse  Flächen  blossliegen. 
Mit  dem  Eintritte  der  neuen  Epithelbekleidung,  auch  bevor  es 
zur  Verhornnng  gekommen,  haben  diese  Beschwerden  ein 
Ende. 

Ist  aber  eine  noch  grössere  Hautregion  von  der  Verbren- 
nung zweiten  Grades  betroffen,  etwa  beide  Hände  und  Füsse, 
Vorderarme  und  Unterschenkel ,  das  Gesicht  und  etwa  noch 
ein  Theil  des  Rückens;  oder  trifft  sich  solches  gar  bei 
einem  jugendlichen  Individuum,  einem  Kinde,  dann  kommt  es 
wohl  leicht  noch  zu  den  gefährHchen  Complicationen ,  welche 
dem  höchsten  Grade  der  Verbrennung  häufiger   sich  zuge- 

Dieser  dritte  Grad  der  Verbrennung,  Dermatitis  ambu- 
stionis  escharotica,  ist  durch  die  Einwirkung  höchster  Hitze- 
grade, wie  durch  Feuerflammen,  glühendes  oder  geschmolzenes 
Metall,  explodirendes  Gas,  Dampf  hoher  Spannung,  oder  auch 
nur  siedende  und  ätzende  Flüssigkeiten  bedingt,  wofern  diese 
nur  durch  längere  Zeit  mit  der  Haut  in  Berührung  geblieben, 
oder  grosse  Wärmecapacität  besitzen. 

Das  Bestimmende  für  diesen  Grad  der  Verbrennung  ist 
dieVerschorfung  der  Haut,  die  unmittelbare  Mortification. 
Je  nach  der  Qualität  des  Verbrennungs-Mediums  erschemt  die 
Haut   so  weit  sie  verscliorft,  wie  verkohlt,  schwarz,  braun, 


Combustio. 


341 


missfärbig  oder  vertrocknet,  lederartig,  oder  sclieinbar  auch 
gar  nicht  verändert,  glatt  mid  weiss,  alabasterartig,  aber  unter 
allen  Umständen  beim  Zufühlen  starr,  hart  oder  zähe  und 
immer  empfindungs-  und  leblos.  Li  dem  getroffenen  Hautstücke 
ist  jede  Lebensthätigkeit ,  Blut-  und  Säftebewegung  und  Er- 
nährung sistirt.  Dem  chemischen  Effecte  nach  handelt  es  sich 
einmal  um  wirkliche  Verkohlung ,  z.  B.  durch  Eeuergluth ,  wo- 
dann  in  dem  braunen  Schorfe  schwarzbraune,  baumartige 
Zeichnungen,  der  verkohlte  Inhalt  der  oberflächlichen  Blut- 
gefässe, bemerkt  wird.  (Wenn  die  Haut  eines  Todten ,  etwa 
vorher  Ermordeten,  verbrannt  wird,  sieht  man  diese  Gefäss- 
injection  nicht,  was  gerichtlich-medicinisch  entscheidend  ist 
[E.  Hofmann].)  Ein  andermal  ist  die  nächste  Wirkung  Morti- 
fication  der  Grewebe  durch  Grerinnung  und  Zersetzung  der 
Proteinsubstanzen,  oder  eine  Umwandlung  wie  bei  der  Leder- 
gerbung,  z.  B.  beim  Sturz  in  eine  Kalkgrube,  oder  die 
Haut  ist  gekocht,  wie  bei  Verbrühung  durch  heisse  Dämpfe 
und  "Wasser  u.  s.  f.  Ueber  manchen  weissen  Schorfen  ist 
die  Oberhaut  zu  Blasen  erhoben,  oder  lamellös  aufgeschwemmt 
und  man  glaubt  an  der  Stelle  nur  Verbrennung  zweiten 
Grades  vor  sich  zu  haben.  Aber  nach  2 — 3  Tagen  gibt  sich 
auch  da  der  Zustand  zu  erkennen,  indem  das  Hautstück  miss- 
färbig und  runzelig  wird  und  an  den  Rändern  gegen  die  Um- 
gebung sich  absetzt. 

Zwischen  dem  3. — 5.  Tage  entsteht  nämlich  unter  re- 
activer  Entzündung  der  Umgebung  eine  eiternde  Marke  rings 
um  den  Schorf;  dieselbe  wird  zur  breiten  Fiu-che  und  setzt 
sich  in  die  inzwischen  ebenfalls  eiternde  Basis  fort.  Durch 
die  Eiterung  wird  der  Schorf  binnen  8 — 12  Tagen  losgehoben. 
Die  nun  zu  Tage  liegende  eiternde  Wundfläche  ist  meist  un- 
gleich tief,  unregelmässig  grubig,  ein  Beweis  dafür,  dass  fast 
immer  die  Verschorfang  sehr  ungleichmässig  nach  der  Tiefe 
greift.  Die  oberflächlichen  Brandschorfe  schützen  sehi-  lange 
die  unterliegenden  Gewebe  vor  dem  Einfluss  der  hohen  Tem- 
peratur (Hofmann)  und  die  Leichenverbrennungen  haben  im 
Grossen  erwiesen,  wie  überaus  schwierig  die  Verkohlung  nach 
der  Tiefe  greift.  Ich  werde  an  einer  anderen  SteUe  über  die 
intimeren  Vorgänge  bei  der  Wundheilung  mittelst  Eiterung 
sprechen  und  beschränke  mich  hier  auf  die  kurze  Anführung 
der  leicht  wahrnehmbaren  anatomischen  Erscheinungen.  Es 


Zwanzigste  Vorlesung. 

folgt  also  allenthalben  üppige  Fleischwärzchenbildung  und 
endlich  Ueberhäutung.  Die  neue  Epidermisdecke  geht  zum 
grössten  Theile  von  der  randständigen  Epidermis  hervor.  Doch 
zeigen  sich  auch  stets  inmitten  des  grannlirenden  Feldes  neue 
Epidermisinseln.  Man  hat  nach  den  bis  heute  vorliegenden 
Daten  der  experimentellen  und  histologischen  Untersuchungen 
alle  Ursache  zu  glauben,  dass  diese  nicht  von  dahin  aus  dem 
Coriura  oder  den  Randepithelien  emigrirten  Wanderzellen  und 
Bindegewebskörperchen  stammen ,  wie  dies  angedeutet  wurde 
(BiESiADECKi,  Pagenstecher)  ,  sondern  von  präformirtem  Epithel, 
nämlich  von  Resten  der  Eetezapfen,  die  an  solchen  Punkten 
stehen  geblieben,  wo  die  Yerschorfung  nicht  zu  tief  gedrungen 
war.  Und  ich  habe  ja  ausdrücklich  auf  den  letzteren  Umstand 
hingewiesen. 

Das  Resultat  der  Verheilung  ist  also  neugebildetes  Binde- 
gewebe, in  welchem  Papillen,  Haare  und  Follikel  fehlen  — 
eine  Narbe.  Sie  entspricht  schon  im  Momente  ihres  Ent- 
stehens nicht  mehr  ganz  der  Form  und  Grösse  des  Brand- 
schorfes, da  schon  während  der  Granulationsbildung  ein  Heran- 
ziehen der  Gewebsunterlage  und  Nachbarschaft  stattfindet 
(Billroth);  noch  weniger  später  ,  da  das  jange  Narbengewebe 
noch  in  der  Folge  schrumpft.  So  wird  die  Narbe  um  so  un- 
regelmässiger, zackig,  strahlig,  eingezogen,  wiüstig,  leisten- 
artig vorspringend,  genetzt,  je  grösser  der  Substanzverlust 
und  je  zögernder  die  Heilung  war. 

Verkohlung,  Yerschorfung  kann  aber  stellenweise  auch 
die  Cutis  in  toto  und  aUe  unterliegenden  Gewebe  mitsammt 
den  Knochen  betreffen.  Findet  solches  in  sehi'  grosser  Aus-' 
dehnung  statt,  dann  hat  man  freüich  keinen  Kranken,  d.  h. 
kein  lebendes  Object  vor  sich  ,  weil  das  Individuum  sicherlich 
lange  vorher  in  den  Flammen  sein  Leben  ausgehaucht  haben 
muss,  sei  es  durch  Erstickung,  oder  durch  den  Shok. 

Ich  habe  bis  nun,  so  zu  sagen,  die  a  n  a  t  o  m  i  s  c  h e n  Erschei- 
nungen der  Verbrennung  geschildert,  diejenigen,  welche  un- 
mittelbar durch  den  Einfluss  der  hohen  Temperatur  an  der  Haut 
erzeugt  werden,  und  diejenigen,  welche  in  physiologischer  Gesetz- 
mässigkeit nach  den  ersteren  sich  örtlich  einstellen  und  m  ihrer 
Summe  den  Eliminations-  undRegenerationsprocess  vorsteUen.  Sie 
stehen  zu  einander  in  einem  constanten  Verhältnisse.  Insoferne 
hat  also  die  Unterscheidung  der  Verbrennung  nach  bestimmten 


Combustio. 


343 


Graden  eine  positive  Basis.  Allein- mit  diesen  örtlichen  Symp- 
tomen ist  nicht  das  eigentliche  Krankheitsbild  der  Verbrennung 
erschöpft.  Denn  es  gesellen  sich  zu  jenen  sehr  mannigfache 
imd  bedeutungsvolle  hinzu  von  Seite  des  Gr  es  ammt o r  ga- 
nismus,  für  welche  nicht  der  Grrad  der  anatomischen  Verände- 
rimg an-  der  Haut  allein,  sondern  vorwiegend  die  Flächen- 
ausbreitung derselben  den  Grund  und  Massstab  abgibt.  Sie  fehlen 
z.  B.  gänzlich  bei  Verbrennung  dritten  Grades,  wenn  diese  sehr 
beschränkt  ist,  etwa  eine  Handbreite  betrifft,  können  dagegen 
sich  einstellen,  wenn  im  anatomischen  Sinne  nur  Verbrennung 
ersten  und  zweiten  Grades  vorhanden,  aber  ein  grosser  Theil 
der  allgemeinen  Decke  von  derselben  betroffen  ist. 

Nehmen  wir  einen  Durchschnittsfall ,  wie  er  sich  bietet, 
wemi  die  Kleider  einer  Person  durch  Spiritus- ,  Petroleum-, 
Gas-  oder  Feuerflammen  überhaupt  in  Brand  gerathen  waren, 
wobei  die  Flammen  sofort  nach  oben  schlagen,  so  dass  Gesicht 
imd  Arme  mehr  in  ihr  Bereich  gelangen ,  und  nehmen  wir 
weiters  an,  dass  der 'Brand  schon  nach  1—3  Minuten  durch 
anwesende  Personen  erstickt  worden.  Da  findet  sich  gewöhnlich, 
eine  bis  zwei  Stunden  nach  der  Katastrophe,  folgendes  Bild: 
Die  Haare  im  Bereiche  des  Gesichtes  und  Kopfes  versengt, 
die  Hände  und  Vorderarme,  einzelne  SteUen  der  Oberarme, 
das  Gesicht,  Hals-  und  Schlüsselbeingegend,  der  Nacken,  die 
obere  Rückengegend  und  einzelne  Stellen  der  Unterextremitäten 
zeigen  Brand  Verletzungen.  Wo  die  Kleider  fest  angedrückt 
sind,  oder  Bänder  einschnüren,  ist  die  Haut,  bei  raschem  Brande, 
am  wenigsten  versehrt;  so  unter  dem.  Mieder,  an,  der  Taille, 
imter  den  Strumpfbändern. 

Der  überwiegende  Theü  der  Verletziuig  .ist  ersten  und 
zweiten  Grades;  nur  beschränkte  Stellen  des  Gesichtes,  der 
Brust,  meist  auch  des  Rückens,  zeigen  braune  Verkohlnng,  oder 
sind  unter  der  durch  die  Essudation,  oder  .bei  den  Löschver- 
suchen mechanisch  losgewühlten  Epidermis,  weiss  verschorft. 
Es  ist  also  gar  nicht,  oder  nur  in  geringe^  Ausdehnung  Ver- 
brennung dritten  Grades  zugegen. 

Der  Verlauf  ist  nun  folgender:  Der  Kranke,  der  un- 
mittelbar, während  und  nach  der  Verbrennimg,  im  höchsten 
Grade  aiifgeregt  war,  und  wie  wahnsinnig  sich  geberdet, 
Jammergeschrei  ausgestossen  hat,  beruhigt  sich,  sobald  die 
Brandwxmden    kunstgerecht.,  bedeckt    worden.    Die  Empfin- 


344 


Zwanzigste  Vorlesung. 


clung  von  Brennen  trägt  er  stille,  oder  äussert  er  höchstens 
in  leisem  Stöhnen  und  Wimmern.    Er  ist  übrigens  wieder 
ganz  seiner  Gedanken  und  moralischen  Kraft  mächtig.  Auf 
Befragen   erzählt    er   die  Einzelheiten   des  Ereignisses  und 
gibt  er  über  Alles  genaueste  Auskunft.    Er  hat  seither  meist 
nicht  Urin  gelassen.    Führt  man  den  Katheter  ein,  so  findet 
sich  in  der  Regel  keii^e  Spur  von  Harn;  oder  manchmal  doch 
welcher  in  wenigen  Tropfen,   der   eiweisshältig  (Wertheim), 
oder,   seltener,   hämorrhagischer  Harn.    Nach  5 — G  Stunden 
stellt  sich  von  Zeit  zu  Zeit  Gälmen  imd  tiefes  Seufzen  ein, 
die  Augenlider  werden  geschlossen  gehalten.    Auf  Ansprache 
blickt  der  Kranke  auf  und  gibt  noch  richtige  Antwort;  aber 
es  ist  eine  gewisse  Apathie  nicht  zu  verkennen.    Jetzt  folgt 
öfteres  tiefes  Inspirium  und  ßuctus  oder  Singultus.    Das  ist 
schon   ein  schlimmes  Zeichen.    Bald   kommt  Erbrechen  von 
Speiseresten,  galliger  Flüssigkeit,  selten  auch  Blut.  Hebea 
gibt  an,  beim  Anstechen  verschiedener  Hautvenen  (Venae- 
section)  keinen  Blutstrom  bekommen  zu  haben.    Der  VcLien- 
inhalt  schien  eingedickt.  Nun  folgt  rasch  Unruhe,  Verworren- 
lieit,   die  Kranken  werfen  sich  ungeberdig  herum,  bekommen 
klonische  Krämpfe,   Opistotanus   und  verlieren  ganz  das  Be- 
wusstsein.    Lärmende  Delirien  machen  stillem  Sopor  Platz, 
oder  solcher  geht  aus  der  früheren  Apathie  unmittelbar  hervor. 
Unter  diesen  Erscheinungen  und  beschleunigtem  flachen  Re- 
spirium,   und  fliegendem,   erlöschendem  Pulse,   inmitten  von 
Schreien  und  Toben,   oder   stiUem  Stupor  erfolgt  der  Tod 
innerhalb   einer  Zeit   von   18—24—48    Stunden.  Manchmal 
kommen  auch  noch  vorher  Blutungen  aus   dem  Magen  und 
der   Harnblase.    Ich    habe    noch    keinen   Kranken  genesen 
sehen,    bei  welchem    einmal   Ischurie   zu    constatii-en  war, 
oder  Singultus  und  Erbrechen  sich  eingestellt  hatte.  Schon 
das  tiefe   Seufzen   und   der    öftere   Euctus   ist    in  meinen 
Augen  ein  ominöses  Zeichen.  Doch  mag  immerhin  von  diesen 
ersten    Symptomen    noch    eine   Lösung    möglich    sein.  Ich 
habe  solches  einmal  bei  einer  Frau  gegen  Ende  des  2.  Tages 
gesehen  ,  und  da  die  Diurese  sich  eingestellt  und  das  Erbrechen 
aufgehört  hatte,   die  Kranke  gerettet  geglaubt.    Aber  nach 
zweitägigem  Wohlbefinden   trat   am  Ende   des  4.  Tages  in 
rascher  Aufeinanderfolge  die  ganze  Reihe  der  genannten  Symp- 
tome wieder  auf  und   binnen  wenigen  Stunden  war  Alles  zu 


Combustio. 


345 


Ende.  Auch  nacli  einer  Woche  noch  ist  ein  solcher  Symp- 
tomen-Complex  beobachtet  worden. 

Bei  der  Section  finden  sieh  zuweilen  Greschwüre  im  Duo- 
denum (Corrosionsgeschwüre  nach  Klebs  und  Hofmann),  hämor- 
rhagische Erosionen  auf  der  Magen-  und  Darmschleimhaut, 
körnige  Degeneration  der  Glefässwände ,  Muskeln  und  paren- 
chymatösen Organe,  Hyperämie  der  Meningen,  sehr  früh  schon 
Nephritis  (Wertheim),  das  Blut  meist  geronnen,  im  Uebrigen 
aber  meist  keinerlei  als  eigentliche  Todesursache  anzusehende 
Veränderungen. 

Der  ganze  Symptomen-Complex  dieser  ersten,  der  Ver- 
brennung unmittelbar  folgenden  Periode,  der  rasche  Verlauf 
und  der  rapide  letale  Ausgang  machen  den  Eindruck  einer 
allgemeinen  Litoxication.  Es  ist  klar,  dass  die  Läsion  des 
Hautorganes  nicht  in  dem  Sinne  einer  Entzündung  diese  Er- 
scheinungen verschuldet.  Denn  innerhalb  dieser  ersten  Sta- 
dien ist  ja  von  Entzündung  und  Eiterung  kaum  noch  etwas 
zu  in'-  ';en.  So  hat  man  denn  versucht,  diese  räthselhafte  un- 
mitte.^:-  9  Folge  der  Verbrennung  auf  verschiedene  Weise  zu 
erklären:  Indem  man  mit  Eirniss  bestrichene  Thiere  rasch 
verenden  sah,  vermeintlich  durch  Vernichtung  der  Hautper- 
spiration  innerhalb  einer  grossen  Area,  hat  man  mit  Unrecht 
beim  Menschen  analog  geschlossen.  Aber  es  ist  bei  Verbren- 
nung zweiten  Grades  solches  gar  nicht  erwiesen,  und  bleibt 
räthselhaft,  warum  die  unversehrten  zwei  Drittel  der  Haut- 
fläche und  die  Nieren  diesen  Ausfall  nicht  rasch  sollten  decken 
können;  und  warum  die  Nieren  im  Gegentheil  gewöhnlich 
ganz  zu  functioniren  aufhören. 

Wie  zuerst  Werthebi,  haben  auch  Andere  auf  die  Gegen- 
wart kleiner  Körperchen  im  Blute  Verbrannter  aufmerksam 
gemacht,  die  als  Derivate  rother  Blutköperchen  anzusehen 
wären.  Ob  diese,  oder  vorfindliches  Melanin  etwas  mit  dem 
raschen  Tode  zu  thun  haben,  ist  fraglich;  ebenso,  ob  der  Tod 
durch  im  Blute  zurückgehaltene  Exoretionsstoffe  (kohlensaures 
Ammoniak)  oder  giftige  Stoffe  veranlasst  ist,  die  aus  den  durch 
die  Hitze  zersetzten  organischen  Substanzen  erzeugt  und  in's 
Blut  gelangt  sein  mögen.  Vielfach,  auch  experimentell  (Falk), 
ist  das  rasche  Sinken  der  Körpertemperatur  nach  ausgedehn- 
ter Verbrennung  constatirt  worden,  während  Sonnenbürg 
meint,  dass  die  Ueberhitzung  des  Bltites  direct  Herzlähmung 


ZwanaigBte  Vorlesung. 

zur  Folge  habe,  bei  langsam  eintretemlem  Tode  aber  derBhit- 
druck  in  Folge  reflectoriscber  G-e£ässlähmung  sinke.  Ick  meine, 
so  wie  auch  Hebba  vorweg  äussert,  dass  der  Nerven- Skok 
am  höchsten  in  Anschlag  zu  bringen  sei.    Denn  ich  habe  den 
gleichen  Verlauf  gesehen  auch  da,  wo  von  hohen  Temperaturen 
der  Verbrennung  nicht  die  Rede  war  und  bei  allen  Arten  von 
Verbrennuugs- ,  Verbrühungs-  und  Aetzungstod,   obgleich  der 
chemische  Effect  unter  all'  diesen  Umständen  doch  verschieden 
sein  muss,  z.  B.  anders  bei  Verbrennung  durch  Flammen ,  bei 
Verbrühung,  und  beim  Sturz  in  eine  Löschgrube  von  Kalk. 

Ueberlebt  der  Verbrannte  dieses  erste  Stadium,  erst  dann 
treten  die  Läsionen  der  Haut  in  den  Vordergrund  der  Symp- 
tome und  der  weitere  Verlauf  gestaltet  sich  nun  in  der  schon 
früher  geschilderten  Weise  nach  den  allgemein  gütigen  Ge- 
setzen, nach  welchen  Entzündung,  Eiteriihg ,  Schorf- Ablösung, 
Granulation  und  Ueberhäutung  überhaupt  vor  sich  gehen. 
Wofern  nicht  noch  im  Verlaufe  der  ersten  oder  zweiten  Woche 
o-anz  abnormer  Weise  jener  Litoxications-Complex  sich  einstellt, 
kann  nunmehr  ein  übler  Ausgang  nur  im  Rahmen  der  allgemein- 
chirurgischen Vorkommnisse  erfolgen,  wie  solche  aUen  Eiterungs- 
Processen  zukommen,  wie  durch  Rotlilauf,  Pyämie,  Erschöpfung, 

Pneumonie,  Morb.  Brightii. 

Die  unmittelbare  Prognose  bei  Verbrennungen  hangt 
nach  dem  Gesagten  zunächst  von  der  Litensität  und  Ausbrei- 
tung der  localen  Läsion  ab.  Sie  kann  im  Allgemeinen  günstig 
o-esteUt  werden  bei  Verbrennung  ersten  und  zweiten  Grades, 
ist  aber  bei  der  letzteren  immerHn  zweifelhaft,  sobald  diese  sehr 
ausgebreitet  ist,  oder  ein  zartes  Lidixäduum  (Säugling)  getrof- 
fen hat    Verbrennung  dritten  Grades  ist  selbst  m  geringer 
Ausdehnung  bei  jugendlichen  Personen  von  schwerer  Bedeutung 
und  endet  fast  immer  letal,  sobald  dieselbe,  wenn  auch  mit 
Verletzungen  zweiten  Grades  untermengt,  ein  Drittel  der  gan- 
zen Hautoberfläche  betroffen  hat.    Ist  der  Tod  nicht  m  un- 
mittelbarer Folge  der  Verbrennung  eingetreten,  so^  ist  noch 
der  weitere  Verlauf,  so  wie  die  materielle  Folge  (Ivrankheits- 
dauer    Berufstörung  durch  Functionsbehinderung  der  Fmger, 
Schrumpfung  der  Augenlider  etc.)  mannigfach  beeinflusst  durch 
die  grössere  oder  geringere  Tiefe  der  Verschorfung    die  be- 
troffene Oertlichkelt,  die  Lidividualität  und  -  man  darf  wohl 
sagen  —  die  Behandlung. 


Combustio. 


347 


Der  Therapie  der  Verbrennungen  fällt  als  nnmittel^ 
bare  Aufgabe  zu  die  Linderung  der  heftigen  Schmerzen.  Bei' 
dem  erytheniatösen  Grade  kann  man  sich  beschränken  auf 
Einstreuen  von  Amylum,  Umschläge  von  kaltem  Wasser,  Blei- 
wasser ,  bei  geringer  Ausdehnung  desselben ,  Einpinseln  mit 
Collodium  und  Aehnliclies.  Nach  Eückbildung  der  Entzündung 
erheischt  die  Desquamation  keine  weitere  Behandlung. 

Beim  zweiten  Grrade  der  Verbrennung  ist  zunächst  die 
Empfindung  der  Spannung  zu  beheben  durch  Anstechen  der 
Blasen  an  deren  abhängigen  Stellen,  wodurch,  sowie  durch 
sanftes  Drücken  mittelst  in  Poudre  getauchter  Charpieballen 
der  Austritt  von  Serum  befördert  wird.  Die  Erhaltung  der 
Blasendecke  ist  jedoch  wünschenswerth ,  weil  diese  für  die 
entblössten  Papillen  den  besten  Schutz  abgibt  und  unter  diesem 
die  Ueberhäutung  grösstentheils  ohne  Eiterung  vor  sich  geht. 

Da  aber  bei  ausgedehnter  Verbrennung  aller  Grade, 
namentlich  Blasen-  und  Schorfbildung,  die  Berührung  mit  der 
Luft  die  Jieftigsten  Schmerzen  verursacht ,  besonders  da ,  wo 
die  Epidermis  losgelöst  ist,  so  ist  von  jeher  die  möglichste 
AbschUessung  der  verbrannten  Theile  mittelst  milder  und  gut 
siteh  anschmiegender  Verbandmittel  angestrebt  worden.  Eür 
Verbrennung  innerhalb  beschränkter  Territorien  sind  Einhül- 
Itmgen  mittelst  in  Olivenöl,  Eiweiss ,  Oleum  lini  cum  Aqua 
Calcis  (aa  part.  aequales)  eingetauchten  Leinwandflecken  oder 
Baumwolle  anzuempfehlen.  Man  lässt  dieselben  in  den  ersten 
Tagen  liegen,  um  nicht  bei  deren  Ablösen  auch  die  Blasen- 
decken mit  loszureissen,  und  verhindert  ihre  Eintrocknung 
durch  häufiges  Betupfen  mittelst  der  genannten  Oele.  Auch 
kann  man  über  dieselben  noch  kalte  Umschläge  appliciren, 
wofern  dem  Kranken  die  Kälteempfindung  angenehm  ist.  Wenn 
nach  Verlauf  von  3 — 5  Tagen  sich  Eiterung  unter  solchen 
Verbänden  eingestellt  hat,  müssen  dieselben  allerdings  zur 
Verhütung  der  Zersetzung  des  Secretes  entfernt  und  öfters 
gewechselt  werden.  Dies  ist  selbstverständlich  mit  grossen 
Schmerzen  für  den  Kranken  und,  bei  Gegenwart  vieler  Brand- 
wunden überhaupt,  noch  mit  unsäglicher  Mühe  für  die  Warte- 
personen verbunden. 

Li  dem  von  Hebra  eingeführten  Wasserbette  ist  in 
all'  den  genannten  Beziehungen ,  sowie  für  die  ganze  folgende 
Behandlung  ein  nicht  genug  zu  schätzender  Vortheil  geboten. 


g^g  Zwanzigste  Vorlesung. 

Dasselbe  besteht  aus  einer  geräumigen  Zinkwanne,  die  in 
einem  Bettgestelle  sieb  befindet.    In  derselben  wii'd  em  läng- 
lich viereckiger ,  mit  Gurten  querbespannter,  eiserner  Rahmen 
mittels  Ketten  schwebend  erhalten,  die  um  je  eine  am  Kopf- 
und  Fussende   des  Bettes  verlaufende  Welle   laufen.  Der 
Rahmen  hat  einen  Kopf-  und  Körpertheil.    Der  erstere  kann 
mittels  gezahnten  Charniers  verschieden  hoch  aufgestellt  werden 
und  ist  der  ganze  Rahmen  mittelst  Kurbel  und  Zahnrad  auf- 
xinä  niederzuwinden.    Auf  den  gurtbespannten  Rahmen  wird 
eine  Matratze  oder  Wolldecke  und  darauf  der  Kranke  gelegt. 
Die  Wanne  ist  nach  gewöhnlicher  Art  zu  füllen,  worauf  der 
Kranke  mit  sammt  seinem  schwebenden  Bette  in  das  AVasser 
hinabgesenkt  wird.    (Zum  Behufe  der  Nothdurft-Verrichtung 
wird  er  aus  dem  Wasser  gewunden.) 

Unmittelbar  empfindet  der  Verbrannte  das  Wasser  zu 
heiss,  weshalb  es  auf  25-26  °  R.  gerichtet  werden  soll.  Sofort 
stellt  sich  Frösteln  ein  und  das  Bad  wird  rasch  aiif  32-34^  R. 
gerichtet.  Alsdann  befindet  sich  derselbe  höchst  behaglich. 
Die  Schmerzen  haben  fast  ganz  aufgehört.  Ein  Rettungs- 
mittel gegen  die  ersten  lutoxicationssymptome  und  den  acuten 
letalen  Verlauf  bildet  das  Wasserbett  nicht.  Die  Kranken 
sterben  bei  ausgebreiteter  Verbrennung  hier  eben  so,  wie  ausser- 
halb •  aber  sie  sind  wenigstens  sofort  von  ihren  Schmerzen  befreit. 

Dageo-en  ist  das  continuirliche  Bad  em  wirkliches  Heil- 
mittel und  eine  wahre  Wohlthat  für  den  Kranken  und  die 
Wartang  in  der  ganzen  Periode  der  Eiterung.    Man  denke 
nur  •    AVährend  solche  Kranke  im  Bette  nie  genügend  rem 
gehalten  werden  können,  weil  die  grosse  Zahl  und  Ausdehnung 
der  eiternden  Wunden  zum  Verband  viel  Zeit  erfordert,  dabei 
dasHeben  und  AVenden  der  Kranken  für  diese  höchst  schmerzhaft, 
ein  Ankleben  und  Losreissen  an  und  von  dem  Bettlaken  nicht  zu 
vermeiden  ist,  da  frische  Blutmig,  dort  Absperrung  und  Stmkig- 
werden  des  Secretes  eintritt,  das  Fieber   stetig  unterhalten 
wird,  Gefahr  für  Sepsis  allenthalben  gegenwärtig,  nervöse  Aut- 
reoung  jeden  Verbandwechsel  begleitet  -  hat  alle  Muhe  und 
Q^ral  im  Wasser  ein  Ende.    Der  Kranke  liegt  und  bewegt 
sich  wie  er  will,  schläft  und  isst,  beschäftigt  sich,  wenn  ei- 
nlebt fiebert,  nach  Lust  und  Neigimg,  und  die  Wimden  sind 
fortwährend  bedeckt,  immer  rein  und  granuliren  prachtig.^  ot 
zu  üppig,  so  dass  dieselben  nach  bekannter  Weise  eingeschränkt 


Combvkstio. 


349 


werden  müssen.  Nacli  diesen  Andentungen  ist  also  das  Hebra' sehe 
Wasserbett  anfangs  und  später  das  beste  Scliutzmittel  gegen 
Schmerzen,  \md  während  des  Suppurationsstadiums  geradesiu 
ein  iinübertrofFenes  directes  Heilmittel,  indem  im  Wasser  die 
Abstossiang  der  Schorfe  rascher  als  ausserhalb  erfolgt,  Absper- 
rung luid  Zersetzung  des  Eiters  kaum  möglich,  die  Gefahr 
für  Sepsis,  Rothlauf  ferngehalten  wird,  das  Fieber  auch  sofort 
axifhört,  Schlaf  und  Esslust  sich  einstellen,  dadurch  der  Orga- 
nismus in  die  Lage  versetzt  wird,  den  grossen  Eiterverlust  zu 
ersetzen  und  schliesslich  auch  die  aranulation  niid  Heilung, 
unter  Fernhaltung  aUer  dieselbe  sonst  begleitenden  subjectiven 
und  objectiven  Unannehmlichkeiten  und  Gefahren,  im  continuir- 
lichen  Bade  ausserordentlich  günstig  verläuft. 

Ich  will  nicht  auf  die  theoretischen  Daten  eingehen, 
welche  das  physiologische  Experiment  bezüglich  des  Verhal- 
tens des  Körpers  im  Bade  ergeben  hat.  Hier  ist  wichtiger  die 
Thatsache  hervorzuheben,  dass  erstens  alle  mit  ausgebreiteten 
Epdermisverlusten  (wie  Verbrennung,  Pemphigus  foliaecus), 
Gangrän  oder  Eiterwunden  behaftete  Kranke  im  Wasserbette 
sehr  rasch  ihr  Fieber  verlieren,  Esslust  und  Schlaf  gewinnen  und 
dass  die  Heilung  der  Wunden  am  raschesten  erfolgt  und  dass 
zweitens  nach  den  an  der  hiesigen  Klinik  gemachten  (von  Hanns 
Hebra  schön  zusammengefassten)  Erfahrungen  Kranke  bis  zu 
250  Tagen  und  Nächten  continuirlich  im  Wasser  gehalten  worden 
sind,  ohne  eine  andere  Folge  als  ihre  Genesung  davon  zu  tragen. 

In  der  Privatpflege  richtet  man  sich  eine,  am  besten,  höher 
gestellte  lange  Wanne,  in  welche  Wolldecken  und  ßosshaar- 
polster  geleg-t  werden,  als  Wasserbett  her.  Das  Wasser  ist 
stets  der  Empfindung  des  Kranken  entsprechend  zu  temperiren 
und  nach  Bedarf  zwei-  bis  dreimal  täglich  zu  erneuern. 

Beschränkte  Brandwunden  können  auch  mittelst  continuir- 
licher  Irrigation  behandelt  werden. 

Bei  ausserhalb  des  Bades  stattfindender  Behandlung  hat 
man  die  Schorfe  bei  ihrer  Lösung  successive  abzutragen  und 
die  eiternden  Wunden  nach  speciell  chirurgischen  Regeln  zu 
behandeln,  indem  sie  mit  Liniment,  Ung.  simplex,  Geraten,  mit 
und  ohne  Zuthat  von  Zinc  oxydatum,  Cerussa,  Alaun,  Carbolöl, 
Carbolpaste,  Opiaten  etc.  bedeckt  und  fleissig  gereinigt  werden. 

Werden  die  Granulationen  zu  üppig,  so  sind  dieselben 
mittelst  Lapisstift,  oder  diirch  tägliches  Betupfen  mit  Lapis- 


gr-,Q  '  Zwanzigste  Vorlesung. 

lösiuig  (1:1  aqu.  dest.),  Auflegen  von  Cliarpie,  die  in  solche 
oder  eine  schwächere  Lösung  getaucht  worden,  oder  von  einer 
ätzenden  Salbe  (Ung.  emoll.  50-00,  Nitras  argenti  0-1 5 -0-50) 
zu  beschränken.  Durch  letztere  Mittel,  oder  durch  energische 
und,  wenn  nöthig,  'jeden  oder  jeden  zweiten  Tag  ausgeführte 
Aetzung  sind  die  Fleischwärzchen  im  Niveau  zu  erhalten.  Nur 
so  erzielt  man  glatte,  weiche,  später  wenig  schrumpfende  Narben, 
und  nur  so  verhütet  man  Contracturen  über  den  Gelenken, 
am  Halse,   Blepharophimosis  und  ähnliche   störende  Folgen. 
Namentlich  aber  kann  die  Verwachsung  der  Finger  und  Haut- 
falten Überhaupt  durch  täglich,  bis  zur  voUendetenUeberhäutung. 
ausgeführte  Lapisätzungen  am  sichersten  verhütet  werden. 

°  Dennoch  kann  die  zweckmässigste  Behandlung  es  nicht 
verhindern,  dass  sehr  ausgebreitete,  z.  B.  eine  ganze  Extre- 
mität oder  den  Rücken  in  toto  einnehmende  Brandwunden 
auch  nach  zwei  bis  drei  Jahren  nicht  gänzlich  verheilt  smd, 
dass  die  jungen  Narben  bald  da,  bald  dort  wieder  zerreissen, 
zerfallen,'  hämorrhagisch  zerwühlt  werden ,  oder  dass  schliess- 
lich auch  functionbehindernde  Contracturen  sich  ausbilden. 

Was  in  Bezug  auf  Symptome,  Bedeutung,  Folgen, 
Prognose  und  Behandlung  der  eigentlichen  Verbrennung  ange- 
führt worden,  gilt  im  Allgemeinen  auch  für, die  analogen  Ver- 
letzungen, welche  als  eigentliche  Aetzungen  z.  B.  durch 
Begiessen  mit  Vitriolöl,  Sturz  in  eine  Kalkgrube  u.  s.  w.  ver- 
anlasst werden.  ■ 

Bei  Blitzschlag  finden  sich  auf  der  Haut  unregel- 
mässige rothe  Flecke,  oder  braune  und  verschieden  gefärbte, 
baumartig  verzweigte  Zeichnungen,  wie  solche  neuerlich  Schefcik 
abgebildet  hat,  die  Gefässen  oder  Nerven  entsprechen  mögen; 
oder  auch  gar  keine  Spuren  von  Verletzung; 

Viel  kürzer  darf  ich  mich  fassen  rücksichtlich  der  durch 
abnorm  tiefe  Temperatur-Einflüsse  bedingten  Hautkrankheit, 
die  als 

Erfrierung,  Dermatitis  congelationis, 

oder  Congelatio  bekannt  ist.  _  , 

Unter  dem  lang  andauernden  Einflüsse  absolut  .niedriger 
Temperatur,  bei  dazu  disponirten  Personen  aber  auch  schon 
bei  einer  Temperatur  von  4-5°  über  dem  Gefrierpunkte, 
erleiden  die  derselben  ausgesetzten  Hautstellen  Veränderungen, 


Congelatio.  \ 


351 


die,  wie  diejenigen  nach  Verbrennung,  ebenfalls  in  drei  Grade 
unterseliieden  werden  können,  als  Dermatitis  congelationis 
erythematosa,  bullosa  et  escharotica. 

Die  e  r  y  t  h  e  m  a  t  ö  s  e  Form  stellt  die  sogenannten  Frost- 
beulen,  Pernio nes,  vor.  Ihr  Standort  ist  vorwiegend  an 
den  Händen  und  Füssen ,  seltener  an  der  Nase ,  den  Wangen 
und  Ohren.  Sie  treten  erst  zu  Tage,  wenn  die  betreffenden 
Hautstellen,  nachdem  sie  der  Kälte  längere  Zeit  ausgesetzt 
waren,  sich  wieder  erwärmen,  demnach  zumeist  in  den  Abend- 
stunden und  in  der  Zimmerwärme,  wo  sie  durch  stechenden 
.Schmerz  und  intensives  Jucken  mehrere  Stunden  hindurch  ihre 
Besitzer  quälen.  Alsdann  stellen  sie  daumennagel-  bis  thaler- 
grosse,  knotigerhabene  Flecke  vor,  von  peripher  lebhaftrother, 
in  der  Mitte  livider  Färbung.  Schmerz,  Hitzegeföhl  und  Jucken 
steigern  sich  regelmässig  des  Abends,  während  sie  in  den 
Morgenstunden  höchstens  gegen  Druck  empfindlich  sind.  Durch 
die  Kälteeinwirkung  werden  die  Capillargefässe  beschränkter 
Bezirke  zunächst  zur  Contraction  veranlasst  —  die  Hautstelle 
wird  anämisch,  kalt,  gefühllos.  Es  scheint  aber ,  dass  sie 
zugleich  paretisch  werden,  indem  sie  in  der  Folge  sich  über- 
mässig ausdehnen,  worauf  Erscheimmgen  der  passiven  Hj^Dcr- 
ämie.  Bläuung  und  Symptome  der  Stase ,  seröse  Lifiltration 
und  träge  Entzündung,  eintreten.  Die  letztere  führt  auch  zu 
Austritt  von  blutigem  Serum  unter  die  Epidermis  der  Per- 
niones,  und  nach  Platzen  der  Blasen  zu  nekrotischem  Zerfall 
der  obersten  Coriumschichten  sub  forma  von  torpiden,  sehr  träge 
verlaufenden,  mit  hämorrhagischer  Basis  versehenen  Greschwüren 
—  Pernio  ulcer  au  s.  Von  solchen  habe  ich  zuweilen  Phlebitis 
und  Adenitis  mit  heftigen  Fiebersymptomen  ausgehen  sehen. 

Diese  Form  stellt  zugleich  den  zweiten  G-rad  der 
Erfrierung  vor  und  kann  bei  allen  Menschen  auftreten ,  deren 

•  Haut  grosser  Kälte  dixrch  längere  Zeit  ausgesetzt  war. 

Zur  Accjuirirung  von  Frostbeulen  disponiren  ganz  beson- 
ders anämische  Individuen  beiderlei  Geschlechtes.  Bei  solchen 
treten  dieselben  schon  während  kalter  Regentage  des  Herbstes, 
oder  selbst  des  Sommers  ein,  wenn  die  Lufttemperatur  allen- 
falls auf  4—5  ^  R.  gesunken  ist ,  während  wohlgenährte  und 
genug  Wärme  producirende  Personen  selbst  grosser  Kälte  sich 
.aussetzen  können,   ohne  Frostbeulen  zu  bekommen.  Deshalb 

•  leiden  auch  die  erste  Art  Personen  in  jeder  kalten  Saison 


352  Zwanzigste  Vorlesung. 

durch  mehrere  Jahre  —  insolange  ihre  Anämie  nicht  weicht 
—  regelmässig  an  Frostbeulen,  während  allgemein  robuste 
Mensehen  höchstens  gelegentlich  an  einer  Hautstelle  sich 
erfrieren  können,  und  dann  meist  in  zweitem  oder  drittem  Grade. 

Bei  Erfrierung  dritten  Grrades  finden  sich  entweder 
grosse,  mit  blutig- seröser  Flüssigkeit  gefüllte  Blasen,  deren  Basis 
hämorrhagisch  sufPundirtes  Grewebe  darstellt ,  oder  die  Haut 
erscheint  nur  blass,  blau  marmorirt ,  dabei  kalt,  starr  und 
empfindungslos.  Erst  nach  vielen  Tagen  bis  Wochen  ergibt 
sich,  wie  weit  die  Gewebe  zur  Mortification  gelangt  sind.  Es 
zeigt  sich  dabei  ein  höchst  ungleichmässiger  Effect  der  Kälte, 
indem  die  Mumificirung  stellenweise  bis  auf  den  Knochen  reicht 
und  dieser  selbst  nekrosirt,  stellenweise  nur  die  oberen  Haut- 
schichten verloren  gehen,  oder  auf  intermediären  Stellen  durch-  - 
greifetide  Nekrosirung  statt  hat.    An  der  Grenze  der  Schorfe 
etablirt  sich  exfoliirende  Entzündung  und  Eiterung,   die  mit 
Fieber  einhergehen.    Verlust  einzelner  Phalangen  oder  ganzer 
Gliedmassen  ist  die  Folge  solcher  Erfrierungen,  nicht  selten 
Phlebitis,  Septikämie  und  Tod,  auch  wenn  frühzeitig  die  opera- 
tive Beseitigung  der  abgestorbenen  Partie  vorgenommen  worden. 

Die  Prognose  bei  Erfrierung  dritten  Grades  ist  aus 
den  genannten  Gründen  sehr  zweifelhaft,  auch  wenn  dieselbe 
nur  einige  Zehen  oder  Finger  betrofleen  hat.    Ueberdies  ist 
noch  zu  bemerken,  dass  man  über  die  Ausdehnung  und  Tiefe 
der  Erfrierung  erst  nach  vielen  Tagen  ein  Urtheil  bekommt, 
da  die  Reaction  sehr  spät  und  zögernd  eintritt;   und  dass 
viele  leblos  erscheinende  Partien  sich  noch  erholen  können,  da, 
wie  BtLLKOTH  treffend  andeutet,  die  Gefässe  ja  vielfach  durch- 
gängig sind  und  neuerdings  mit  Blut  injicirt  und  für  die  Er- 
nährung der  Gewebe  dienstbar  werden  können ,  insoweit  diese 
nicht  durch  directe  Erfrierung  ihrer  wässerigen  Bestandtheile 
decomponirt  worden  sind.    Li  der  Durchgängigkeit  der  Ge- 
fässe liegt  aber  zugleich  die  grössere  Gefahr  für  Septikämie, 
indem  der  durchstreifende  Blutstrom  zersetzte  Gewebspartikel- 

chen  fortschwemmt. 

In  der  Therapie  der  Congelatio  escharotica  sind  daher 
von  vornherein  die  Hände  ziemlich  gebunden.  iMan  versucht 
durch  Frottiren  mit  Schnee  die  erfrorenen  Tlieile  allmälig  zu 
beleben  und  für  die  Circulation  durchgängig  zu  machen.  Die 
Notliwendigkeit  partieller  oder  totaler  chirurgischer  Abtragung 


Erfrieniug. 


erfrorener  Theile  ergibt  sicli  in  der  Folge  nach  Massgabe  der 
sjpeciellen  chirurgischen  Erfahrung.  Hierüber  ist  jüngst  in  der 
k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  lehrreicher  Weise  discutirt 
worden,  anlässlich  eines  interessanten  Vortrages  Billroth'.s 
über  Gangraena  si^ontanea.  Während  Billroth  nach  seiner  Er- 
fahrung für  möglichst  frühe  Amputation  plaidirte ,  befürwor- 
teten DüMUEiCHEE  und  DiTTEL ,  dass  man  die  Begrenzung  der 
Gengraen  abwarten  soUe.  Bei  Erfrierung  der  Zehen  und  Finger 
habe  ich  selbst  das  Zuwarten  für  den  Kranken  vortheilhafter 
o-efnnden.  da  durchschnittlich  mehr  erhalten  wurde,  als  an- 
fänglich  möglich  schien.  Bei  Verschorfung  bis  in  die  Mitte  des 
Unterschenkels  habe  ich  nach  spät  erfolgter  Amputation  und  auch 
während  des  Zuwartens  septikaemischen  Tod  eintreten  sehen. 

Sind  die  Personen  allgemein  erfrierungsstarr  aufgefunden 
worden,  so  versucht  man  dieselben  vorerst  in  einem  kalten 
Eaume  durch  Frottiren  und  die  allgemein  bekannten  Belebungs- 
versuche zum  Bewusstsein  zu  bringen,  worauf  erst  die  ört- 
lichen Erfrierungen  in  Betracht  kommen. 

Gegen  erythematöse  Frostbeulen  empfehlen  sich  Einpin- 
selungen von  Jodtinctur ,  Jodglycerin  ,  Collodium ,  verdünnte 
Salpetersäure,  Citronensaft ,  Tischlerleim,  Salben  von  Plumb. 
acet.  basic.  (5—10  ad  40),  Creosot  (O'ö,  ad  20  Unguent.), 
Campher  (Camphor  rasae  l'OO,  Cerae  alb.  40-00,  Olei  lini  SO'OO, 
Bals.  peruv.  I'ÖO),  Bals.  peruvianus,  Bierhefe,  Druckverband 
mittelst  Emplastr.  lithargyri  adustum,  Abreiben  mittelst  Schnee, 
heisse  Hand-  und  Fussbäder  —  mediciaische  und  Volksniittel 
in  so  o-rosser  Zahl,  dass  schon  daraus  ihre  Unverlässlichkeit 
entnommen  werden  kann.  Geschwürige  Stellen  wären  mit  den 
erwähnten,  leicht  ätzenden  Salben  oder  Pflastern  zu  belegen, 
Blasen  zu  eröffnen  und  deren  Basis  mittelst  Lapis  zu  ätzen. 

Wichtig  istdie  Prophylaxis,  der  zu  Folge  die  zu  Frost- 
beulen Disponirten  schon  bei  mässigem  Sinken  der  Temperatur 
warme  Handschuhe  und  Fussbekleidung  und  genügend  bequeme 
Beschuhung  tragen  sollen,  weü.  die  Erfrierung  um  so  leichter 
eintritt,  je  mehr  der  Körpertheil  schon  durch  Druck  anämisch 
"gehalten  wird.  Ausserdem  muss  man  bei  Anämischen  und  Chloro- 
tischen  durch  methodische  Medication  mittelst  Ferruginosis 
und  Verbesserung  der  Ernährung  die  Disposition  für  Erfrie- 
rungen überhaupt  zu  beheben  trachten. 


Kaposi,  Hautkrankheiten. 


Einundzwanzigste  Yorlesung. 

b)  Symptomatische  Hautentzündungen. 

Diff^ase  ervthematöse  Entzündung,  Erysipel;  phlegn^onöse  Form,  P^eu-Jo- 
D.ffuse  erymem^  Formen:  Furunkel,  Anthrax  (idiopathische  und 

Formen  :  Bouton  d' Alep.  Zoonosen  :  Malias- 
mus,  Leichenlnfeetionspustel,  Pustula  maligna. 

Die  symptomatischen  Haiitentzündimgen  bilden  nacli 
Ursache  nnd  Wesen  einen  nicht  zu  verkennenden  Gegensatz  zu 
den  früher  besprochenen  idiopathischen  Entzündungen.  Wahrend 
diese  einen  directen  Effect  äusserer  Schädlichkeiten  darstellen 
vmd  in  Allem  und  Jedem  proportional  sind  der  mechamschen, 
chemischen  nnd  dynamischen  In-  und  Extensität  jener  Causa 
nocens,  nehmen  die  symptomatischen  Hautentzündungen  einmal 
angeregt,  Gestalt  und  Verlaufsweise  an,  welche  mit  der  sup- 
ponnirten  Ursache  nicht  gerade  gedeckt  werden  kann 

Die  Schädlichkeiten,  welche  cUe  symptomatischen  Ent- 
zündungen veranlassen,  sind  nicht  eigentlich  bekannt,  sondern 
nnr  nach  ihrem  aUgemeinen  Charakter  abgeschätzt  und  gelten 
als  giftige  oder  irritirende  Substanzen,  welche  direct  oder  m- 
direct  von  animalischer  Abstammung  sind ,  sei  es  von  dem 
eigenen  oder   einem  fremden  menschlichen ,   oder  von  exnem 
tHerischen  Körper.    Ob  diese  Stoffe  nicht  -g^sirte  Zerfe^^^ 
producte  thierischer  Gewebe,  oder  organisirte  "  e  M^^^^^^^^ 
coccen  Bacterien,  Bacteridien)  sind,  ist  eine  noch  sehr  stiittige 
Frage.'  Sei  dem  wie  immer,  man  stellt  sich  vor,  ^ass  — 
auf  eine  wunde  HautsteUe,  oder  i.-gendwie  m  die  Saftebahn 
gebracht,  eine  Entzündung  veranlassen,  die  als  Hautaffec^-^ 
Sh  ver  chieden  weit  ausbreiten  und  als  solche  ablaufen,  odei 
auch  den  Gesammtorganismus  in  Mitleidenschaft  ziehen  kann, 


Erysipelas. 


355 


wie  das  Leichengift  ,  Milzbramlgift ,  Scklangengift ,  Rotzgift; 
oder  dass  diese  Schädliclikeiten  von  einem  im  betreffenden 
Körper  befindlichen  Krankheitsherde,  z.  B.  einem  retrouteri- 
nalen  oder  einem  cutanen  Eiterkerde  ,  einer  Pustel  der  Haut, 
oder  einer  gar  nicht  nachweisbaren  Quelle  abstammend,  in  die 
Gelassbahn  gelangen  und  theils  die  Haut  zur  Entzündung,  tkeils 
den  Gesammtorganismus  zur  Erkrankung  bringen,  wie  beim 
ßothlauf,  Furunkel,  Anthrax.  Nach  alledem  können  die  symp- 
tomatischen Hautentzündungen  auch  als  örtliche  oder  allge- 
meine Infectionskrankheit  gelten.  Doch,  wie  gesagt,  ist  eine 
solche  Auffassung  nicht  für  alle  Fälle,  z.  B.  nicht  für  jeden 
Furunkel,  zu  begründen. 

Nach  ihrem  Idinischen  Charakter  erscheinen  die  sympto- 
matischen Hautentzündungen  entweder  in  diffuser  Form, 
wie  Erysipel  und  Pseudoerysipel,  ersteres  mit  mehr  serösem, 
dieses  mit  mehr  plastischem  Exsudate,  oder  in  circumscrip- 
ten  Herden,  wie  Furunkel,  Anthrax,  Milzbrandpustel ,  Eotz- 
krankheit,  Bouton  d'Alep.  In  Berücksichtigung  der  Intensität 
der  gesetzten  Gewebsveränderung  unterscheiden  wir  die  hieher 
gehörigen  Entzündungsformen  in  erythematöse  und  phleg- 
monöse. 

Als  erythematöse  Entzündung  ist  anzuführen: 
Erysipelas, 

Rothlauf,  Rose,  d.  i.  eine  in  der  Regel  von  Fieber  ein- 
geleitete undbegleitete  Hautentzündung,  welche 
sich  als  diffuse,  schmerzhafte  Röthung  und 
Schwellung  der  allgemeinen  Decke  darstellt  und 
nach  acutem  Verlaiife  grösstentheils  mit  Abschup- 
pung endet. 

Symptome  und  Verlauf  der  Krankheit  lassen  eine 
gewisse  Analogie  mit  denen  der  acuten  Exantheme  nicht  ver- 
kennen. 

Dem  Ausbruche  des  Rothlaufes  geht  gewöhnlich  12 — 2-i 
Stunden  voraus  ein  Schüttelfrost  mit  folgendem  Hitzestadium, 
gastrischen  Erscheinungen,  Erbrechen  und  allgemeinen  Begleit- 
erscheinungen, wie  solche  auch  dem  sogenannten  Eruptionsfieber 
der  acuten  Exantheme  eigenthümlich  sind. 

Die  erysipelatöse  Entzündung  tritt  an  einer  beschränkten, 
etwa  thalergrossen  Hautstelle  auf  unter  Empfindung  von  Span- 

23* 


Eimindzwanzigstü  Vorlesung. 

nimg  lind  niässigem  Sclimerz  oder  Jucken,  als  ein  unregel- 
mässig begrenzter,  meist  steilrandiger,  rother,  erhabener  Fleck, 
in  dessen  Bereich  die  Haut  glatt,  glänzend  erscheint  —  Ery- 
sipels glabrum  —  lieiss,  derb  und  gegen  Druck  schmerzhaft 
sich  anfühlt  und  nach  Verdrängen  der  Rothe  gelblich  tingirt 
erscheint. 

Im  Verlaxife  der  nächsten  Tage  breitet  sich  die  Entzün- 
dung ziemlich  gleichmässig   auf  die  nachbarlichen  Hautstel- 
len aus ,  so  dass  der  Eleck  binnen  zwei  bis  drei  Tagen  schon 
eine  flachhand-  oder  doppelt  so  grosse  Ausdehnung  erlangt 
hat.    In  massigen  Fällen   hat  der  Process  mit  einer  solchen 
Ausdehnung  iind  binnen  wenigen,   etwa  3—5  Tagen,  semen 
Höhepunkt  erreicht  und  steht  von  da  ab  stille  —  Erysipelas  • 
fixiim.    Das  Fieber,  welches  mit  abendlichen  Exacerbationen 
und  Temperaturen  von  39—41°  C.  denselben  begleitet  hatte, 
Schlaflosigkeit,  Eingenommenheit  des  Kopfes ,  leichte  Delirien, 
Trockenheit  der  Zunge  etc.  schwinden  und  die  Hautentzündung 
bildet  sich  allmälig  zurück.  Das  lebhafte  Roth  der  erysipela- 
tösen  Stelle  verwandelt  sich  in  Blau-  bis  Braunroth  und  Blass- 
braun, die  Turgescenz  und  Derbheit  der  kranken  Hautstelle 
weichen  allmälig,  die  braungefärbte  Epidermis  löst  sich  in 
Schüppchen  oder  Lamellen  ab  und  die  Haut  erscheint  normal. 
Esslust  und  Schlaf  stellen  sich  allmälig  während  der  Rück- 
bildung der  HautafFection  ein. 

Je  nach  der  Ausdehnung  des  Processes  kann  ein  solcher 
Verlauf  8 — 14  Tage  in  Anspruch  nehmen. 

Von  diesem  sehr  häufig  zu  beobachtenden  Typus  gibt  es 
Abweichungen  im  günstigen  und  ungünstigen  Sinne  und  nach 
verschiedenen  Richtungen.  So  nach  dem  gesammten  Symp- 
tomen-Complexe ,  indem  sowohl  die  Hautafi'ection  äusserst  un- 
ansehnlich, etwa  thalergross  ist,  von  vornherein  fixirt  bleibt 
und  ohne  alle  concomitirenden  Fieber-  und  AUgemeinerschei- 
nungen  einhergeht.  Doch  kann  auch  da  die  örtliche  Affection 
viele  Tage  bestehen  und  sich  nur  zögernd  rückbilden. 

Weiters  nach  der  Intensität  und  Ausbreitung  der  Ent- 
zündung. So  kann  die  erstere  sich  derart  steigern,  dass  die 
seröse  Infiltration  innerhalb  des  Epidermisstratums  zur  Bildung 
von  Bläschen  und  Blasen  führt,  die  da  und  dort  über  der 
derb  geschwellten  Haut  sich  erheben  —  Erysipelas  ve.^i- 
cnlosum  et  bullös  um.    Aus  diesem  geht  durch  Eiterig- 


Erysipelas. 


;3Ö7 


■werden  des  Blaseninhaltes  die  Form  des  Erysipelas  pustu- 
losum,  und  dnrch  Vertrocknnng  desselben  die  des  Erysipelas 
criistosum  hervor.  Auch  im  Corinna  selbst  kann  die  In- 
iiltration  sehr  intensiv  werden  nnd  dnrcli  mechanischen  Druck 
und  Compression  der  Gefässe  zu  Gangrän  führen,  wie  zuweilen 
an  den  Augenlidern ,  am  Penis  und  Scrotum ,  am  Kreuz ;  oder 
zu  eiterig-cellulärer  Schmelzung  der  Gewebe,  Furunkel-  und 
Abscessbildung. 

Wichtiger  als  diese  Eigenthümlichkeiten  der  örtlichen 
Erscheinung  ist  für  den  allgemeinen  Verlauf  das  sogenannte 
Wandern  des  Rothlaufes  —  Erysipelas  migrans.  Während 
bei  normalem  Verlaufe  die  Entzündung,  nachdem  sie  eine 
massige  Ausbreitung  erlangt  hat,  sich  fixirt  und  nach  kurzem 
Beharren  sich  allseitig  rückbildet,  schreitet  dieselbe  bei  dem 
wandernden  Rothlauf  nach  einer  oder  mehreren  Richtungen 
continuirlich  fort,  während  von  der  entgegengesetzten  Seite 
her  die  Rückbildung  in  gleichem  Schritte  nachfolgt.  Die  Aus- 
breitung geschieht  immer  nach  der  Seite  der  gewulsteten, 
steilen  Ränder  durch  gleichmässiges  Vorschieben  dieser,  oder 
durch  zackige  Ausläufer,  die,  wie  Pfleger  gezeigt,  den  Langer'- 
schen  Spaltrichtungen  der  Haut  folgen,  während  von  der  Seite 
der  flachen,  verwaschenen  Ränder  die  Rückbildung  eintritt. 
Derart  fortschreitend  kann  der  Rothlauf  sehr  grosse  Haut- 
strecken und  auch  die  gesammte  Hautoberfläche  durchwandern, 
ja,  zur  Ursprungsstelle  zurückkehrend,  den  Cyclus  ein  zweites- 
mal antreten.  Auch  mitten  im  abgeheilten  Territorium  pflegen 
neue  Rothlauf-Centra  zu  entstehen  und  getrennt  stehende  Roth- 
laiifflächen  können  durch  zartrosenroth  gefärbte  Striemen  und 
Linien,  wie  solche  als  Symptome  der  Lymphangioitis  bekannt 
sind,  mit  einander  in  Verbindung  treten,  längs  solcher  Strie- 
men aufeinander  wachsen  und  später  difiiis  verschmelzen. 
Vier  bis  sechs  Wochen  nimmt  ein  solcher  Verlauf  in  Anspruch, 
während  dessen  die  Kranken  ausserordentlich  herunterkommen, 
theils  durch  den  materiellen  Verlust,  welchen  die  ausgebreitete 
Exsudation  involvirt,  theils  durch  das  Fieber,  das  die  ganze 
Zeit  über  mit  den  Exacerbationen  des  Rothlaufes  Schritt  hält 
und  dieselben  entweder  durch  Steigerung  der  Temperatur  und 
Pulsfrequenz ,  oder  durch  Schüttelfrost  jedesmal  ankündigt. 
Chronische  Exantheme,  wie  Syphilis,  Psoriasis,  Lupus  bilden 
sich  während  intensiven  Rothlaufes,  wie  bei  anderen  fieber- 


g^cj  Einundzwiinzigstü  Yorlosung. 

haften  Krankheiten,  zurück  („Erysipele  salutalre").  In  dem- 
selben Masse,  als  der  Rothlauf  grössere  Hautflächen  durch- 
schreitet und  länger  andauert,  mehren  sich  auch  die  Gelegen- 
heiten und  Gefahren  der  Comp licationen,  als  welche  zu 
bemerken  sind  Delirien,  Sopor,  Gehirnödem ,  Meningitis ,  Lun- 
genödem, Pneiimonie,  Glottisödem,  Pleuritis,  Endo-  undPericar- 
ditis,  metastatische  Entzündung  und  Vereiterung  der  Gelenke, 
der  fibrösen  Häute,  der  Haut  und  des  subcutanen  Zellgewebes, 
pyämische  Processe  überhaupt. 

Nach  der  Localisation  ist  der  G e si cht sr o t h  1  a u f 
—  Erysipelas  faciei  —  am  häufigsten  zu  beobachten.  Derselbe 
geht  meist  von  einer  Stelle  der  Nase  oder  der  Wange  aus, 
bisweilen  nachweislich  von  der  Nasen-  oder  Rachenschleimhaut, 
in  welchen  Fällen  man  von  einem  Erysipel  der  Schleim- 
haut sprechen  kann.  Das  ganze  Gesicht  kann  successive  oder 
gleichzeitig  davon  befallen  sein.    Dasselbe   ist  dann  in  toto 
enorm  gedunsen,  die  Lippen  sind  wulstig,  abstehend,  aus  dem 
Munde  quillt  reichlicher  Speichel,   die  Zunge  ist  braunroth, 
trocken,  rissig  ;  Eachen-  und  Gaximenschleimhaut  vne  gefirnisst, 
trocken,  glänzend;  die  Augenlider  ödematös ,  geschlossen,  zu- 
weilen brandig;  die  Ohrmuscheln  dick,  abstehend,  der  Gehor- 
gfing  beinahe  durch  die  Schwellung  verlegt;  da  und  dort  stehen 
auf  der  Haut  Blasen  und  Krusten.     Der  Kranke  delirirt 
bei  hoher  Temperatur  (4P  C.)  und  vollem  beschleunigten  Puls 
oder  bietet  ein  andermal  Erscheinungen  der  Depression  dar, 
verlangsamten  Puls,    Apathie    oder  gar  Sopor.  Gefahrlich 
pflegen  insbesondere  die  Gehirnerscheinungen  zu  werden,  wah- 
rend der  Eothlauf  den  behaarten  Kopf  besetzt,  nach  dessen 
Durchwanderung  derselbe  erst  auf  Nacken  und  Schulter  zur 
Ansicht  gelangt.  An  der  behaarten  Kopfhaut  verräth  sich  die 
Erkrankung  mehr  durch  die  grosse  Schmer zhaftigkeit  gegen 
Berührung,  da  die  Haare  das  Krankheitsbild  verdecken.  Nach 
Ablauf  der  Entzündung  fallen  die  Haare  reichlich  aus,  ja 
kommt  es  zu  Verlust  aller  Kopfhaare  in  raschem  Effluvium. 
Dies  erklärt  sich  dadurch  ,  dass  auch  in  die  Follikel  Exsuda- 
tion stattfindet  (Haight)  ,  durch  welche  die  Wurzelscheiden  von 
der  Glashaut  abgelöst  werden,  sowie  durch  die  folgende  Seborrhoe. 

Der  Gesichtsrothlauf  endet  noch  während  seines  Bestan- 
des zuweilen  tödtlich  durch  die  früher  erwähnten  Complica- 
tionen,  namentlich  bei  älteren  Lidividuen  und  Potatores  durch 


Eiysipelas. 


359 


Lungen-  oder  Hirnödem,  geht  aber  sonst  grösstentheils  in  Grfe^- 
nesung  über. 

Manche  Menschen  werden  mehrere  Jahre  hindiu'ch  wieder- 
holt von  Gesichtsrose  heimgesucht.  Bei  solchen  pflegt  sich 
eine  bleibende  Verdickung  und  Derbheit  der  "\\''angenhaut 
herauszubilden. 

An  allen  übrigen  Körperstellen  kann  ßothlauf  seinen 
Anfang  nehmen,  bei  Neugeborenen  oft  vom  entzündeten  Nabel 
aus —  Erysipelas  umbilici  —  mit  oft  tödtlichem  Ausgange ; 
von  den  Impfstellen  Vaccinirter  —  Vaccina  rothlauf  —  von 
den  Genitalien  beiWöchnerinnen  —  Erysipelas  p  u  e  r  p  e  r  a  1  i  s  — ; 
von  den  Extremitäten  bei  mit  Varices,  Excorationes ,  PusteLa 
behafteten  Personen. 

Die  eben  aufgezählten  Gelegenheitsur  Sachen  des 
Er3'sipel,  sowie  die  Häufigkeit  dieser  oder  jener  Localisation 
desselben  hängt  zusammen  mit  dessen  besonderer  Aetiologie. 

Wie  Hebra,  Billroth  tuad  die  meisten  neueren  Patho- 
logen, meine  auch  ich,  dass  Rothlauf  nie  anders  entsteht,  als 
durch  Aufsaugung  von  irgend  welchen  Entzündung  und  Eieber 
erregenden  StofPen  (phlogogene  und  pyrogene  Substanzen, 
Billroth)  in  die  Lymphgefässe  und  Saftcanäle  der  Haut.  Da- 
für spricht  sowohl  das  Auftreten  jener  früher  erwähnten,  den 
Gefässen  entlang  laufenden  rothen  Streifen  bei  Rothlauf,  so 
dass  ich  das  Erysipel  als  Lymphangioitis  capillaris  cutis  an- 
sehen möchte ;  als  auch  der  Umstand,  dass  man  in  den  meisten 
Eällen  einen  Entzündungs-  oder  Eiterherd  nachweisen  kann, 
der  eben  solche  pyrogene  Stoffe,  (organische  Zersetzungspro- 
ducte  im  Allgemeinen)  zu  produciren  geeignet  ist,  \mi  von 
welchem  die  Lymphangioitis  und  der  ßothlauf  ihren  Ausgang 
genommen,  sei  es  ein  Abscess  in  der  Haut,  oder  Caries  einer 
Kippe,  oder  ein  Eiterherd  im  DouGLAs'schen  Räume :  und  end- 
.  lieh  noch  die  Erfahrung ,  dass  zumeist  die  Entzündung  sofort 
sich  rückbildet,  wenn  durch  Ablösung  der  Krusten  auf  der 
Haut,  oder  Eröffnung  des  Abscesses,  dem  Eiter  Austritt  ver- 
schafft wird ,  von  dessen  Absperrung  und  Zersetzung  eben 
der  ßothlauf,  alsEolge  einer  Art  Autoinfection,  begonnen  hatte. 

Bezüglich  des  Gesichtsrothlaufes  herrscht  jedoch  vielfach 
die  Meinung,  dass  derselbe  genuin,  durch  „Erkältung"  ent- 
stehen könne.  Ich  betone,  dass  bezüglich  dessen  Ursache  das- 
selbe gilt ,  wie  für  Rothlauf  an  einer  Extremität.    Man  muss 


gßQ  Eiulindawauzigste  Vorlesung^ 

dessen.  Quelle  aiifsuclien  und  wird  sie  finden  in  Caries  eines 
Zahnes  (Erysipelas  odontalglcum),  in  Eczem ,  Lupus ,  Scrophu- 
lose,  Syphilis  der  Nasenschleimhaut,  in  einem  retropharyngealen 
Abscesse  und  Aehnlichem.  Allgemein  wird  angenommen,  dass, 
wer  einmal  Gesichtsrothlauf  gehabt,  besonders  disponirt  ist  zu 
Recidiven.  Das  ist  richtig,  aber  nicht,  weil  er  sich  leichter 
erkältet ,  sondern  weil  die  vorliegenden  Ursachen  solche  sind, 
dass  sie  chronisch  bestehen  (scrophulöse  Rhinitis,  Eczema  und 
Liipus  nasi)  und  demnach  öfters  die  bedingenden  Stoffe  für 
Rothlauf  hergeben.  Die  rationelle  Therapie  weiss  auch  diese 
Verliältnisse  gebührend  zu  würdigen. 

Dennoch  ist  damit  die  Aetiologie  des  Erysipels  nicht  für 
alle  Fälle  klargestellt.  Zu  gewissen  Zeiten ,  bei  uns  nament- 
lich im  Frühling  und  Herbst,  tritt  sowohl  bei  sonst  Gesunden, 
als  besonders  in  Spitälern  zu  bestehenden  Wunden,  Rothlauf 
in  grösserer  Frequenz  auf,  und  es  wird  angenommen,  dass  dieses 
(septische)  Erysipel  sogar  direct  übertragbar  sei,  sei  es  ver- 
mittelst eines  flüchtigen  Stoffes  (Volkmakn),  oder  organischer 
Krankheitskeime,  Bacterien,  Micrococcen,  (Lukomsky,  Orth, 
PONFICK,  ZuELZEE  u.  A.) ,  Injectioneu  mittelst  Erysipel-Producten 
bei  Thieren  haben  sich  sehr  giftig  erwiesen.  Doch  ist  damit 
keineswegs  dargethan,  ob  jenes  Agens  organisirt  oder  nicht, 
■oder  nur  chemischer  Natur  sei. 

Die  anatomische  Veränderung  der  Haut  bei  Erysipel 
besteht  wesentlich  in  einer  Infiltration  der  gesammten  Cutis, 
also  Epidermis,    Corium  und  Unterhautzellgewebe,  mittelst 
eines  vorwiegend  serösen  Exsudates.  Doch  ist  dieses  keines- 
wegs zellenarm,   wenn  auch  nicht  so  reicKhaltig  an  Exsudat- 
zellen, wie  das  plastische  Exsudat  der  phlegmonösen  Hautent- 
zündung.   Quellung,    Trübung,  Kerntheilung ,  Zerriing  und 
Dehnung  der  Retezellen  zu  einem  Fächerwerk  (wie  bei  Blasen- 
bildung) sind  die  Wirkung  jener  Exsudation  im  Bereiche  der 
Epidermis ;  im  Corium  Aufquellung  der  Bindegewebsfibrülen, 
Erweiterung  der  Safträume,  während  um  die  erweiterten  Blut- 
gefässe  reichlich  Exsudatzellen   sich   reihen.    Ebenso  findet 
Exsudation  in  die  Talgdrüsen  und  Haarfollikel  statt,  welche 
Lockerung  der  Wurzelscheiden,  nachträgliches  Ausfallen  der 
Haare  und  langandanernde  Zellenproliferation  sub  forma  von 
Seborrhoe  zur  Folge  hat.    Die  erwähnte  Beschaffenheit  des 
Exsudates  und  der  Gewebe   erklärt  die  klinischen  örtlichen 


Erysipelas. 


361 


Symptome ,  sowie  die  Restitutio  ad  integrum  nach  erfolgter 
Resorption  des  Exsudates. 

Acut  kann  sich  der  Zellengehalt  und  die  Plasticität  des 
Exudates  steigern.  Dann  kommt  es  stellenweise  zu  den  Symp- 
tomen der  phlegmonösen  Hautentzündung ,  mikro-  und  makro- 
skopischen Abscessen  und  Grangrän. 

Bei  an  derselben  Stelle  häufig  sich  wiederholendem  Ery- 
sipel, wie  im  Gresichte,  an  den  Unterschenkeln,  bleibt  ein  Theil 
des  serösen  Exsudates  jeweilig  zurück.  Es  siiramirt  sich  so- 
dann zu  einem  chronischen  Oedem  von  dem  Charakter  des  so- 
genannten lymphatischen  (Vieceow),  das  sehr  viel  Exsudat- 
zellen enthält.  Diese  wachsen  mit  der  Zeit  zu  Bindegewebs- 
körperchen  aus  und  vereinigen  sich  zu  Eibrillen  (Youku).  So 
geht  aus  denselben  neues  Bindegewebe  und  Verdickung  der 
betreffenden  Haiit  hervor  —  Pachydermia.  Man  kann,  wie 
gesagt,  derart  die  Wangen  dauernd  verdickt  finden  nach  häufig 
wiedergekehrtem  Rothlauf,  und  eben  so  die  Unterschenkel. 

Die  Diagnose  des  Rothlaufs  ist  unter  "Würdigung 
seiner  geschilderten  Charaktere  nicht  schwierig.  Verwechs- 
lungen kommen  vor  gegenüber  von  Erythem,  Dermatitis  phleg- 
monosa, und  bei  der  Blasenform,  mit  Eczem. 

Die  Prognose  ist  im  Allgemeinen  günstig.  Die  meisten 
Eälle  enden  in  Genesung.  Dennoch  ist  Voi  sieht  in  der  Vor- 
hersage unter  allen  Umständen  geboten,  da  man  nie  wissen 
kann ,  welche  Ausdehnung  der  Process  nehmen  und  ob  nicht 
schwere  Complicationen  zu  demselben  ti'eten  werden. 

Dass  Erysipelas  faciei  und  migrans  im  Allgemeinen,  und 
besonders  bei  Trinkern  und  alten  Personen  bedenklich  werden 
kann,  ebenso  Erysipelas  umbilici  infantum  gefährlich  ist,  habe 
ich  bereits  erwähnt. 

Die  Therapie  des  Rothlaufs  ist  rücksichtlich  seiner 
allgemeinen  Symptome  in  der  Weise  zu  leiten,  wie  bei  allen 
fieberhaften  Krankheiten,  und  nach  den  für  diese  geltenden 
Indicationen.  Darnach  wird  man  einmal  die  übermässige  Körper- 
wärme, Delirien,  Unruhe,  durch  kalte  Einhüllungen,  Eisbeutel, 
u.  s.  w.  zu  mitigiren  trachten,  bei  regelmässigem  Typus  der 
Exacerbation  Chinin  verabreichen ,  bei  mässigem  Fieber  oder 
afebrilem  Verlaufe  in  dieser  Richtung  ganz  unthätig  bleiben 
können.  Entschieden  sind  Venaesectionen,  Blutegel  und  Schi'öpf- 
köpfe  zu  verdammen. 


3ß2  Einiiiid/.wanzigslu  VorlBSung. 

Vielfach  waren  von  jeher  die  Bestrebungen,  durcli  ört- 
liche Eingriffe  und  Mittel  die  erysipelatöse  Hautentzündung 
zu  begrenzen  und  am  Fortschreiten  zu  hindern,  doch,  man  kann 
sagen,  vergebens.  Weder  das  Ziehen  einer  Grenzmarke  mittelst 
Lapisstiftes  hat  sich  als  Hinderniss  für  die  Ausbreitung  des 
Erysipels  ergeben,  noch  lässt  sich  dieses  durch  Bestreichen 
mit  Collodium  oder  Jodtinctur  an  Ort  und  Stelle  festbannen. 

Die  rationelle  Behandlung  macht  sich  zur  ersten  Aufgabe, 
den  Ausgangspunkt  des  ßothlaufes  zu  eruiren  und  unschädlich 
zu  machen.  —  Bei  Gesichtsrose  muss  man  nachsehen,  ob  etwa 
ein  Zahuabscess  vorhanden  ist  und  ihn  eröffnen,  besonders  aber 
die  Nasenhöhle  genau  inspiciren,  daselbst  befindliche  Pusteln 
eröffnen,  Krusten  und  Eiterherde  durch  Einlegen  von  Salben- 
xind  Oeltampons  erweichen;  und  ich  habe  schon  manchen  Fall 
von  seit  Jahren  recidivirendem  Gesichtsrothlauf  dauernd  geheilt, 
indem  die  Patienten  gelehrt  wurden,  auch  nach  Ablauf  der 
Krankheit  Krustenbildungen   im  Bereiche  der  Nasenhöhle  zu 
verhüten.    Analog  müssen  an  anderen  Körperstellen,  z.  B.  an 
den  Unterschenkeln  leicht  auffindliche  oder  auch  verborgene 
Eiterherde,   z.  B.  Periproctitis  bei  Erysipel  der  Nates,  auf- 
gesucht und  durch  Erweichung  der  sie  deckenden  Krusten, 
oder   operative  Eröffnung   ihrer  Decken  erschlossen  Averden. 
Indem  derart  die  Gelegenheit  für  neuerliche  Resorption  ent- 
zündungserregender Substanzen  beseitigt  wird,  ist  auch  der 
erysipelatöse  Process  am  ehesten  zu  begrenzen. 

Die  in  Entzündung  befindlichen  Hautstellen  selbst  werden 
entweder  gar  nicht,  oder  mit  trockener  YerbandwoUe,  mit  Eis- 
blasen oder  Kataplasmen  bedeckt,  je  nachdem  man  die  Kranken 
für  das  Eine  oder  Andere  subjectiv  mehr  disponirt  findet,  d.  h. 
sie  dies  oder  jenes  angenehmer  ,  behaglicher  empfinden.  Auf- 
legen von  auf  Leinwand  gestrichenem  Unguent.  hydrargyri  ist 
bei  Gesichtsrothlauf  beliebt.  Doch  achte  man  dabei  auf  die 
Gefahr  von  Salivation.  Li  neuerer  Zeit  haben  Hüeter,  Neü- 
DÖRFER  U.A.  angegeben,  durch  täglich  10-20malige  subcutane 
Liiection  von  ein-  bis  zweipercentiger  Carbollösung  den  Roth- 
lauf  örtlich  coupirt  zu  haben.    Ich  habe  darüber  kerne  Er- 

.  fahrung.  .       .  ,  .,j 

Die  Application  von  auf  Leinwand  gestrichenen  müden 
Salben  (Gerat,  simplex,  Zink-  oder  Präcipitalsalben  (1:40), 
Glycerin"  Vaseline,  LiSTER'sche  Paste,  Phunbum  aceticum  und 


Pseudoerysipel.  Furunkel. 


3G3 


Aehnliclies  kann  die  Spannung  etwas  mildern  und  beson- 
ders zur  Zeit  der  Decrustation  als  zweckmässig  empfohlen 
werden. 

Die  phlegmonösen  Hautentzündungen  charakterisiren 
sich  durch  intensive,  schwer  verdrängbare  Rothe,  BQtze, 
Schmerzhaftigkeit  und  sehr  derbe,  bis  zu  bedeutender  Härte 
gesteigerte  Infiltration  und  Schwellung  der  betroffenen  Haut 
und  dui'cli  den  gewöhnlichen  Ausgang  in  eiterige  Schmelzung 
oder  Massennekrose  (Gangrän)  des  Gewebes. 

In  diffuser  Form  stellt  dieselbe  das  sogenannte  Pseudo- 
erysipel (Phlegmone)  vor.  Meist  mit  Schüttelfrost  und 
Fieber  eingeleitet ,  entsteht  dasselbe  als  eine  über  grosse 
Strecken,  z.  B.  eme  Extremität,  sehr  acut  sich  ausbreitende, 
derbe,  schmerzhafte  Schwellung  und  Röthung  der  Haut.  Die 
Entzündimgserscheinungen  können  mit  Nachlass  des  Fiebers 
nach  einigen  Tagen  sich  verlieren,  unter  Zurücklassung  von 
brauner  Pigmentirung  und  Desquamation.  Häufiger  kommt  es 
sehr  rasch ,  binnen  ein  bis  drei  Tagen ,  zu  weitverbreiteter 
eitriger  Schmelzung  des  Gewebes,  die  durch  gesteigertes  Fieber 
und  örtlich  durch  Fluctuation  sich  zu  erkennen  gibt.  Nach 
EröfiFnung  und  Entleerung  des  oft  jauchigen  und  massenhaften 
Eiters ,  dem  immer  auch  gröbere  Gewebsfetzen  beigemengt 
sind,  zeigt  sich  oft  eine  enorme  Verwüstung  des  Unterhaut- 
zellgewebes, oder  gar  noch  der  unterliegenden  Gewebe,  Fascien, 
Muskel,  Entblössung  oder  Nekrose  der  Knochen,  Eröffnung  der 
Gelenke.  Am  übelsten  in  dieser  Beziehung  ist  die  Phlegmone 
der  Hand,  welche  frühzeitig  die  Phalangealknochen  und  Gelenke 
gefährdet. 

Neben  den  örtlichen  Folgen  sind  fortgeleitete  Adenitis, 
ferners  Pyämie,  Icterus,  Metastasen,  langwierige  Kachexie  oder 
rascher  Tod  bei  Pseudoerysipel  zu  fürchten. 

Die  Ursache  desselben  ist  wohl  immer  eine,  sei  es  von 
aussen  her  durch  Leichengift ,  Variolainhalt ,  Puerperalsecret, 
Jauche ,  faulende  animalische  Substanzen  überhaupt ,  mittelst 
Eintragung  in  eine  "Wimde  (Excoriation)  erfolgte  Intoxication ; 
oder  eine  analoge  Vergiftung ,  die  von  einem  Eiterherd  des 
Individuums  selbst  durch  die  Lymphbahn  ihren  Weg  genom- 
men. In  dem  letzteren  Falle  stellt  ihr  Effect  die  eigentlich  meta- 
statische Phlegmone  vor,  wie'  die  nach  Variola  vera 
geschilderten,  oder  die  bei  Wöchnerinnen  zu  beobachtenden. 


Eimuldzwanaigste  Vorlesuug. 

Hielier  würden  aucli  die  durch  Schlangengift,  Biss  von 
Scorpionen  etc.  von  den  Bisswnnden  her  sich  ausbreitenden 
Phlegmonen  gehören,  die  entweder  als  örtlicher  Affect  ab- 
laufen, oder  diirch  allgemeine  Blutvergiftung  den  Tod  herbei- 
führen. 

Bezüglich  ihrer  Therapie  ,  die  aus  der  Chirurgie  bekannt 
ist,  erwähne  ich  nur  die  Nothwendigkeit,  so  früh  als  möglich 
und  genügend  tief  Einschnitte  zu  machen,  auch  wenn  noch 
kein  Sammelherd  des  Eiters  zu  constatiren  wäre. 

In  cir  cum  Script  er  Eorm  erscheint  die  phlegmonöse 
Hautentzündung  bei  den  als  Furunkel  und  Anthrax  be- 
kannten Krankheiten,  sowie  bei  den  Zoonosen:  Rotz- 
krankheit, Leicheninfectionspustel  mid  Pustula 
maligna. 

Der  Furunkel  stellt  einen  umschriebenen ,   derben ,  ent- 
zündlichen Knoten  der  Cutis  vor,  in  dessen  Centrum  es  ge- 
wöhnUch  zu  Nekrose  des  Gewebes  in  Gestalt  eines  zur  EHmi- 
nation  gelangenden  Pfropfes  kommt.  Seine  Entwicklung  kündigt 
sich  durch  eine  umschriebene  Schmerzhaftigkeit  und  Härte  der 
Haut  an.    Erst  am  folgenden  Tage  zeigt  sich  daselbst  auch 
ßöthe  und  vermehrte  Wärme.    Geschwulst,  Härte  und  Rothe 
breiten  sich  aus,  so  dass  der  nur  mässig  vorragende  Knoten 
hasel-  bis  wallnussgross  erscheinen  kann.    Bei  dem  deutlich 
um  einen  Haarbalg  entstandenen   Eollicular  -  Furunkel  zeigt 
sich  schon  frühe  ein  vom  Haare  durchbohrter  gelber  Punkt ;  bei 
den  sogenannten  Zellgewebs-Furunkeln  dagegen  sieht  man  einen 
solchen  erst  nach  mehreren  Tagen ,   oder  wölbt  sich  auch  nur 
die  blaurothe  und  verdünnte  Haut  empor,  indem  es  inzwischen 
unter  Andauer  der  Schmerzen  und  Gefühl  von  Pulsiren  zu 
eiteriger  Schmelzung  in  dessen  Mitte  gekommen.    Nach  Er- 
öffnung der  Eiterdecke  mildern  sich  in  etwas  die  Schmerzen, 
doch  schwinden  dieselben  erst  dann  gänzlich,  wenn  sich  nach 
8—10  Tao'en  die  nekrotische  Masse  durch  Eiterung  losgelöst 
hat.    Dieselbe  wird  in  Gestalt  eines  gelblich-grünen .  zalien, 
eiterdurchtränkten  Pfropfes  ausgestossen  oder  ausgelost^Hier- 
auf  erfolgt  aUmäliger  Verschluss  der  becherförmig  klaffenden 
Höhle  durch  Granulation. 

Manchmal  eröffnet  sich  der  furunculöse  Knoten  aii  melire- 
ren  Punkten  und  lösen  sich  mehrere  Pfropfe  aus.  Die  Haut 
sieht  dann  daselbst  wabenartig  durchlöchert  aus  -  i  urunculus 


Anthrax.  Furiinculosis. 


3G5 


vespajiis.  Es  handelt  sich  da  um  mehrere  zusammen- 
gedrängte Funuikel. 

Bei  reizbaren  Individuen  begleitet  wohl  auch  Fieber  die 
Entziindungs-  und  Eiterungsperiode  des  Furunkels. 

Der  Anthrax  (Carbunkel)  entsteht  als  eine  furunkel- 
o-lelche,  aber  über  thaler-  bis  flachhandgrosse  und  noch  mehr 
ausgebreitete,  sehr  harte,  kaum  bewegliche  Infiltration  der 
Haut  und  des  Unterhautzellgewebes.  Sein  häufigster  Sitz  ist  die 
Nackengegend,  doch  kommt  er  auch  im  Gesichte,  auf  der  "Wange, 
Lippe,  oder  am  Rücken,  in  der  Kreuzgegend  vor.  Schmerz 
und  Fieber  sind  bei  demselben  oft  sehr  intensiv,  ja,  bei  seiner 
Localisation  am  Nacken  und  im  Gresichte  zuweilen  auch  Delirien 
und  Sopor  zugegen.  lieber  demselben  nekrosirt  die  Haut  in 
verschiedener  Ausdehnivng  und  Form,  indem  sie  zu  einer  bläu- 
lich-schwarzen Pulpe,  oder  einem  lederartigen  trockenen  Schorfe 
verwandelt  wird.  Der  Abstossung  dieser  folgt  noch  weitere 
Exfoliation  des  tieferen  Bindegewebes,  das  von  Eiterherden, 
geschmolzenen  Grewebsfetzen,  thrombosirten  Blutgefässen  in  der 
unregelmässigsten  Weise  durchsetzt  ist.  Erst  nachdem  die 
infarcirten  Massen  alle  geschmolzen  und  durch  demarkirende 
Eiterung  ausgestossen  worden,  liegt  eine  rothe,  granulirende, 
oft  sehr  tiefe  Wunde  bloss,  die  regelrecht  zur  Verkeilung 
kommt. 

Auch  bei  so  günstigem  Verlaufe  ist  der  Carbunkel  eine 
bedeutende  Krankheit.  Er  wird  aber  gefährlich,  wenn  die  In- 
filtration und  Gangrän  fortschreiten  und  die  Begrenzung  nickt 
eintritt,  indem  da  durch  Pyämie  oder  unter  Erscheinungen  des 
Gehirnödems  der  Tod  erfolgen  kann.  Aeltere  Personen  sind 
durch  Anthrax  jederzeit  sehr  gefährdet  und  die  Prognose 
muss  bei  dieser  AfFection  immer  vorsichtig  gestellt  werden. 

lieber  die  anatomischen  Verhältnisse  des  Furunkels 
und  Anthrax  sind  wir  nur  wenig  aufgeklärt,  da  dieselben  wohl 
niemals  vor  Eintritt  der  Gewebsnekrose  zur  Untersuchung  ge- 
nommen worden  sind.  Soweit  das  klinische  Bild  und  Form 
und  Be.standtheile  des  ausgelösten  Pfropfes  lehren,  geht  die 
Entzündung  und  Mortificatien  meist  von  einem  Haarbalge  oder 
einer  Talgdrüse  (Billroth)  und  dessen  Grenzgewebe  aus ;  wie 
Rindfleisch  meint,  vielleicht  von  dem  Bindegewebsstrang, 
welcher  vom  Grunde  des  Haarbalges  in  die  subcutane  Zell- 
schicht zieht  (Werthefm).  Manche  meinen,  dass  eine  Thrombo- 


-.^QQ  Einundzwanzigste  Vorlesung. 

sirung  der  den  FoUikelgrund  versorgenden  Gefässe  der  Ent- 
zündung und  Gewebsnekrose  zu  Grunde  liege,  was  jedoch  noch 
nie  erwiesen  wurde. 

Bei  Carbunkel  sind  die  anatomischen  Verliältnisse  noch 
complicirter. 

Furunkel  und  Anthrax  müssen  übrigens  pathologisch  im 
Zusammenhange  betrachtet  werden ,  indem  beide  unter  den 
gleichen  Verhältnissen  aufzutreten  i.flegen  und  sehr  oft  eine 
Eeihe  von  furunculösen  Erkrankungen  mit  einem  Carbunkel 
abschliesst. 

Die  Furunkel  kommen  entweder  sporadisch  vor,  oder  zu 
vielen  in  einer  successiven  Reihe,  derart,  dass  durch  mehrere 
Monate  und  selbst  Jahre ,  mit  kurzen  Unterbrechungen  oder 
continuirlich  und  au  verschiedenen  Kö rp erstellen ,  oder  vor- 
wiegend an  bestimmten  Regionen  Furunkel  auftauchen.  Man 
spricht  dann  von  F  u  r  u  n  c  u  1  o  s  i  s ,  als  einem  chronischen  Uebel , 
das  durch  die  häufigen  Schmerzen,  Fieber  und  Eiterungen  den 
Kranken  sehr  herunterbringen,  oder  durch  Intercurriren  eines 
Anthrax  auch  gefährden  kann. 

Nach  ihrer  Ursache  nun  kann  man  idiopathische 
und  symptomatische  Furunkel  und  Carbunkel  iinterschei- 
den.  Die  ersteren  entstehen  bei  ganz  Gesunden  spontan  und 
dann  meist  solitär,  oder  einzeln  und  zu  vielen  successiven  in 
Folge  von  Reizung  der  Haut  durch  vieles  Douchen,  Kalt- 
wassercuren  (sogenannte  Krisen)  und  Kratzen,  wie  bei  den 
jiickenden  Hautkrankheiten  Eczem,  Prurigo,  Scabies,  Pediculi 
vestimentorum. 

Als  symptomatisch  können  Furunkel  und  Anthrax 
gelten,  wenn  sie,  wie  erfahrungsgemäss ,  als  Folge  oder  Be- 
gleiter von  allgemeinen  Ernährungsstörungen,  chronischer  In- 
digestion, Marasmus  senüis,  Diabetes  auftreten. 

Die  Therapie  ist  gegen  die  besprochenen  AfPectionen 
ziemlich  ohnmächtig.  Man  kann  weder  durch  AppHcation  von 
Eis  oder  feuchter  Wärme,  noch  durch  frühes  Einschneiden  den 
Verlauf  des  einzelnen  Furunkels  alteriren  oder  abkürzen.  Da- 
her empfiehlt  es  sich ,  der  Empfindung  des  Kranken  gemäss, 
das  Eine  oder  Andere  aufzulegen,  was  eben  dessen  bchnierzen 
zumeist  lindert.  In  der  ersten  Zeit  behagt  meist  die  Kulte, 
zur  Zeit  der  eiterigen  Schmelzung  die  warme  Jomentation 


Boutou  d'Alep.  Mali.isniiis. 


367 


(liu'cli  Kataplasmen  oder  indifferente  Salben  und  Pflaster.  Das 
Ausheben  des  nekrotischen  Pfropfes  vor  seiner  vollständigen 
Lockerung  hat  gar  keinen  Zweck. 

Dagegen  ist  beim  Anthrax  die  energischeste  Anwendung 
der  Eiskälte  und  das  möglichst  frühe  durchgreifende  Ein- 
schneiden —  wobei  das  derbe  Gewebe  kreischt  —  nach  vielen 
Richtungen  angezeigt  ;  letzteres  um  möglichst  viele  Eiter- 
herde zu  eröfthen.  Mit  dem  Eintritt  der  Schmelzung  sind 
warme  Eomentationen  oder  desinficirende  Verbände  (Carbol- 
paste,  Trimethylammonium)  angezeigt. 

Bei  Eurunculosis  werden  die  einzelnen  Eruptions- 
luioten  gerade  so  symptomatisch  behandelt,  wie  die  sporadischen 
Eurunkel.  Ausserdem  trachte  man  die  eventuelle  allgemeine 
Ursache  derselben  zu  eruiren  und  durch  geeignete  IVIittel, 
Trink-  und  Nährcuren,  Amaricantia,  Soda,  Ferrum,  Thermal- 
wässer  von  Franzensbad,  Karlsbad,  Marienbad  u.  A.  zu  be- 
heben. Im  Allgemeinen  erweisen  sich  Bäder  als  nicht  zuträg- 
lich, doch  sind  wiederholt  Alaun-  und  Sodabäder  (1000  Gramm 
auf  ein  Bad) ,  sowie  Sublimatbäder  (10  Gramm  auf  ein  Bad) 
angerathen  und  heilsam  befunden  worden.  Ich  selbst  habe 
derartige  Verfahren  oft  angewendet,  da  die  Furunculosis  eine 
überaus  lästige  Krankheit  ist  und  zu  immer  neuen  Heilver- 
suchen auffordert. 

In  der  Literatur  wird  auch  von  endemischen  Furun- 
keln berichtet,  wie  Anthrax  hungaricus,  esthonicus,  bothnicus, 
Bouton  d'Aleppo.  Von  Letzterem  sagen  Pococke,  Willemin, 
RiGLEE,  J.  'E.  PoLLAK  u.  V.  A. ,  dass  derselbe  in  den  Länder- 
gebieten des  Euphrat  und  Tigris  und  vielen  anderen  besonders 
genannten  Erdstrichen  vorkomme  und  die  Eingeborenen  dvirch- 
wegs  zwischen  dem  1. — 7.  Lebensjahre,  jeden  Eingewanderten 
aber  innerhalb  des  1. — 2.  Jahres  seines  dortigen  Aufenthaltes  be- 
falle. Der  Bouton  entsteht  als  ein  entzündlicher  Knoten  im 
Gesichte,  auf  der  Hand  oder  sonst  wo  am  Körper,  zerfällt 
oberflächlich,  bildet  ein  indolentes  Geschwür,  das  nach  6 — S 
Monaten  mittelst  Narbe  heilt  und  kehrt  nicht  ein  zweites  Mal 
wieder.  Geber,  der  jene  Gegenden  besuchte,  hat  zwar  erklärt, 
dass  dort  Vieles  für  Bouton  angesehen  wird,  was  nicht  richtig 
diagnosticirt  worden ,  wie  Lupus  und  Syphilis ,  hat  aber  nach 
meiner  Meinung  damit  die  Existenz  des  Bouton  doch  nicht  zu 
widerlegen-  vermocht. 


Einuudzwanzigste  Vorlesung. 

An  die  geschilderten  Krauklieitsformen  sclüiesst  sich  eine 
Gruppe  von  circurascripten ,  phlegmonösen  Hautentzündungen 
an,  die  durch  thierische  Gifte  hervorgerufen  werden  — 
Zoonosen;  zunächst 

Die  Rotzkrankheit  des  Menschen,  Maliasmus.  (Malleus 
humidus,  MoEVE  et  Faecin),  welche  durch  Uebertragung 
der  gleichnamigen  Krankheit  vom  Pferde  (Thiere)  auf  den 
Menschen  entsteht.  Sie  manifestirt  sich  entweder  als  ört- 
liche AfPection  in  derselben  Weise,  wie  aUe  durch  moculirte 
organische  Gifte  erzeugten  Phlegmonen,  mit  Entzündung. 
Eiterung,  Gangrän,  Lymphangioitis ,  Adenitis,  metastatische 
Eiterung  und  kann  durch  Pyämie  tödten,  oder  nach  Abstossung 
der  Gangrän  mit  Genesung  enden. 

Oder  es  kommt  zur  maliatischen  Allgemeinerkr  an- 
kuno-  mit  oder  ohne  vorhergehende  LocalafiFection,  Dieselbe 
bekundet  sich  als  allgemeine  Blutvergiftung  durch  Schüttel- 
fröste, Eieber,   Gelenksschmerzeu  und  entzündliche  Localisa- 
tionen'  an  der  Haut,  an  welcher  zahlreiche  Pusteln,  Fnrnnkeh 
hämorrhagische  Knoten  nnd  Abscesse  in  der  mannigfachsten 
Grösse  sich  entwickeln.    Anch  die  Nasenschleimhaut  ist  oft 
geschwellt,   entzündet,  in  reichlicher ,  eiteriger  Secretion  be- 
grifleen.    Das  Leiden  verlauft  entweder  unter  heftigem  Fieber, 
kephalischen  Erscheinungen,  Complication  mit  Pneumonie,  Mil^- 
und  Darmaffectionen  binnen  wenigen  Tagen  oder  Wochen  letal, 
acuter  ßotz;   oder  es  entwickelt  sich  zur  chronischen 
Eotzkrankeit,  indem   die  stürmischen  allgemeinen  Symptome 
sich  verlieren ,   aber  die  Abscessbildungen  sich  fort  erneuern, 
und  der  Tod  erfolgt  am  Ende  eines  jahrelangen  Marasmus ; 
oder  endlich  es  versiegt  in  seltenen  FäUen  auch  die  Reihe  der 
localen  Entzündungen  und  die  Kranken  genesen. 

Bei  der  Section  an  ßotzkrankheit  Verstorbener  finden 
sich  neben  den  Knoten  und  Eiterherden  der  Haut  auch  solche 
der  Schleimhaut  der  Nase,  des  Rachens  und  Kehlkopfes,  der 
Bronchien,  herdweise  Pneumonie  und  mannigfache  Verände- 
rungen der  parenchymatösen  Organe,  Muskel  und  des  Gefäss- 

systems.  ,  .   i  ,     •  •  „ 

Die  Diagnose  des  Malleus  humanus  erheischt  einige 

Aufmerksamkeit,  da  dei^selbe  sonst  leicht  mit  Variola,  noch 
elier  aber  mit  pustulöser  und  gummatöser  Syphilis  verwechselt 
werden  kann. 


Leicheninfectionspustel.  Milzbrandcarbunkel. 


369 


Zur  Ansteckung  durcli  Rotz  ist  nicHt  die  directe  Be- 
rührung eines  rotzkranken  Tliieres  nöthig.  Es  genügt  das 
Schlafen  und  der  längere  Aufenthalt  in  einem  Stalle,  der  rotz- 
kranke Pferde  beherbergt,  oder  selbst  die  Beschäftigung  mit 
dem  Aase  eines  solchen ;  denn  das  ßotzgift  ist  erwiesenermassen 
flüchtig. 

Auch  von  Menschen  auf  Menschen  ist  Uebertragung  der 
Eotzkrankheit  beobachtet  worden. 

Die  Leicheninfections-Pustel  kommt  vor  bei  Personen, 
welche  mit  menschlichen  oder  thierischen  Leichen  und 
deren  Producten  (Felle  von  Thieren)  zu  hantiren  haben, 
bei  Aerzten,  Sectionsdienern ,  Abdeckern,  Fellscheerern.  Die 
AfFection  nimmt  zumeist  eine  Stelle  des  Handrückens  ein,  sub 
forma  einer  hämorrhagischen  Blase ,  oder  eines  meist  sehr 
schmerzhaften  Follicular -Furunkels.  Der  Verlauf  ist  ganz 
analog  dem  bereits  für  andere  Infectionsformen  geschilderten; 
entweder  acute  locale  Entzündung  mit  Lymphangioitis ,  Gran- 
grän ,  Nekrose  der  "Weicbtheile ,  der  Knochen  und  Heilung ; 
oder  acute  Pyämie  und  Tod;  oder  chronischer  Marasmus  mit 
und  ohne  Grenesung. 

Das  G-leiche  gilt  für  den  Milzbrandcarbunkel,  Pustula 
maligna,  welche  dieselben  Chancen  des  örtlichen  oder  all- 
gemeinen,  acuten  oder  chronischen,  günstigen  oder  letalen  Ver- 
laufes darbietet. 

Dieselbe  entsteht  unter  Jucken  und  Brennen  als  rother, 
erhabener  Fleck ,  wie  nach  einem  Insectenstich.  Sehr  bald 
hebt  sich  über  demselben  die  Epidermis  durch  hämorrhagisches 
Serum  zu  einem  Bläschen  empor,  das  im  Centrum  eintrocknen, 
peripher  sich  vergrössern,  oder  mit  nachbarlichen  verschmelzen 
kann.  Inzwischen  ist  an  der  Basis  eine  thaler-  bis  flachhand- 
grosse ,  sehr  derbe  und  wenig  schmerzhafte  Infiltration  der 
Haut  entstanden,  auf  welcher  bald  eine  hämorrhagische  Blase 
sich  erhebt,  oder  ein  Theil  der  Haut  zu  einem  trockenen,  miss- 
farbigen Schorfe  sich  verwandelt.  Die  Localisation  betrifft 
meist  den  Handrücken ,  seltener  das  Gresicht ,  das  Augenlid, 
welches  dabei  enorm  anschwillt  und  derb  infiltrirt  ist. 

"Wenn  der  Process  nicht  rasch  zum  Tode  führt,  so  ne- 
krosirt  der  grösste  Theil  des  infiltrirten  Gewebes,  nach  dessen 
Abstossung  daselbst  Granulation  und  Vernarbung  erfolgt. 
Lymphangioitis  und  eiternde  Adenitis  axillaris ,   oder  Verjau- 

Kaposi,  Haiitki'ankUelten.  24 


grjQ  Eintmdzwanzigste  Vorlesung. 

chung  des  Pectoralimiskels  kommt  häufig  vor.  Die  Prognose 
ist  nur  bei  localer  Beschränkung  der  AfFection  und  mangehi- 
den  Allgemeinsymptomen  günstig,  sonst  sehr  zweifelhaft,  denn 
es  kommt  oft  zu  pyämischen  AUgemeinerschemungen  und 
binnen  kurzem  Verlaufe  zum  Tode. 

Die  beste  Behandlung  ist  die  rein  symptomatische. 
Hebka  befürwortet  nicht  die  von  anderer  Seite  empfohlene 
Aetzuns  der  Pustula  maligna,  oder  der  anderweitigen  Inlec- 
tions-Knoten  und  Pusteln  mittelst  rauchender  Salpetersäure. 

Der  Milzbrandcarbunkel  kommt  seiner  Quelle  gemäss  zu- 
meist bei  Abdeckern,  Yiehwärtern  und  Personen  vor,  die  mit 
dem  Aas  und  den  AbfäUen  milzbrandkranker  Thiere  m  Be- 
rührung kommen;  gelegentlich  auch  durch  den  Stich  von  Fhe- 
cren  die  auf  Milzbrand-Aesern  gesessen  hatten. 

'  Als  Träger  des  Ansteckungsstoffes  für  Müzbrandcarbun- 
kel  werden  die  seit  Pollekdee  undDAVAiNE  vielfach  im  Bkite 
milzbrandkranker  Thiere  und  im  Gewebe  des  Carbunkels  selbst 
nachgewiesenen  beweglichen  Stäbchen, 

sehen  Ich  verweise  in  dieser  Beziehung,  sowie  bezüglich  dei 
Art  und  Gelegenheit  der  Ansteckung  und  der  Symptome  der 
Tllgemeinen  und  Litestinalerkrankung  bei  ^lilzbrand  (H^^kosi. 
intLinalis)  auf  die  Werke  über  specielle  Chirurgie  und 
Pathologie. 


Zweiandzwauzigste  Yorlesimg. 
B.  Chronische  exsudative  Dermatosen. 

Anatomische  Bedeutung  und  klinische  Eiotheilung  der  chronischen  Exsu- 
dat! vprocesse.    Squamöse  Dernnatosen.  Psoriasis. 

Meine  Herren!  Mit  dem  Studium  der  chronis  clien 
exsudativen  Dermatosen  befinden  wir  uns  so  recht 
mitten  in  dem  eigenartigen  Gebiete  der  Dermatologie.  Viele 
von  den  bisber  besprocbenen  Affectionen  ,  namentlicb  die  acut 
entzündlichen,  werden  vermöge  eines  Tbeiles  ihrer  Symptome 
jederzeit  auch  von  der  medicinischen  und  chirurgischen  Patho- 
logie gebührend  gewürdigt  und  so  zur  Kenntniss  der  Studi- 
renden  gebracht  werden.  Nicht  so  die  in  dieser  Gruppe  zu 
besprechenden,  welche  vorwiegend  selbstständige  Partien  der 
Haut  darstellen. 

Wie  schon  ihre  allgemeine  Charakterbezeichnung  als 
chronische  exsudative  Dermatosen  besagt,  liegt  allen  ein  Nutri- 
tionsvorgang  zu  Grunde,  der  chronisch  sich  abwickelt  und  als 
entzündlich  oder  exsudativ  bezeichnet  werden  kann,  indem  nur 
einzelne  Symptome  der  Entzündung,  nicht  aber  der  gesammte 
Symptomencomplex  derselben,  bei  ihnen  sich  vorfinden.  Von 
diesen  überwiegt  bald  die  Gefässinjection  (Rothe),  bald  die  Ex- 
sudation, oder  Proliferation  der  Gewebselemente.  Zugleich 
betreffen  diese  Vorgänge  entweder  vorwiegend  die  Papillar- 
schichte,  oder  auch  die  tieferen  Coriumschichten,  oder  nur  die 
Drüsen  und  deren  nächste  Umgebung,  oder  vorwaltend  die 
Epidermis.  Da  auch  gelegentlich  eine  Steigerung  des  ent- 
zündlichen Vorganges  zur  acuten,  typischen  Entzündung  mög- 


372 


Zweiundzwanzigste  Vorlesung, 


licli  ist,  manclae  dieser  Formen,  wie  das  Eezem,  meist  aucli 
aus  acuten  Anfangen  hervorgeht,  so  ist  es  kaum  thunlich,  auf 
G  rundlage  dieser  feineren  anatomischen  Unterschiede  die  grosse 
Zahl  der  hieher  gehörigen  Krankheitsformen  von  einander  zu 
sondern. 

Deshalb  empfiehlt  es  sich  besser,  nach  dem  Vorgange 
Hebra'b,  neben  den  vorspringenden  anatomischen  Veränderun- 
gen auch  die  sehr  auffälligen  klinischen  Merkmale  hier  mit 
zur  Unterscheidung  zu  verwerthen  und  daraufhin  die  chroni- 
schen exsudativen  Dermatosen  in  folgende  5  Gruppen  einzu- 
theilen,  als : 

1.  SquamöseDermatosen,  Schuppenausschläge :  Pso- 
riasis, Liehen  ruber.  Liehen  scrophulosorum. 

2.  Pruriginöse  Dermatosen,  Juckausschläge:  Ec- 
zema (Scabies),  Prurigo. 

3.  Folliculitides,  Finnenausschläge:  Acne,  Sycosis, 

Acne  rosacea. 

4.  Pustelausschläge:  Impetigo,  Ecthyma. 

5.  Blasenausschläge:  Pemphigus. 

Beschäftigen  wir  uns  zunächst  mit  den  in  die  erste  Gruppe 
gehörigen  Krankheitsformen. 

1.  Squamöse  Dermatosen. 
Psoriasis, 

Als  Psoriasis  bezeichnet  man  seit  Wn.LAN  jene  Haut- 
krankheit, welche  sich  durch  trockene,  weisse,  glän- 
zende Schuppenauflagerungen  charakterisirt,  die 
in  Form  von  punktförmigen  Hügelchen,  oder  grös- 
seren, scheibenförmigen  Platten  auf  scharf  be- 
grenztem,, rothem,  leicht  blutendem  Grunde  auf- 
lagern. 

Die  ausserordentlich  variablen  Formen  der  Krankheit 
gehen  allesammt  aus  Primärefflorescenzen  derselben 
Art  hervor.  Diese  erscheinen  als  stecknadelkopfgrosse,  braiin- 
rothe  Knötchen,  welche  unter  dem  Fingerdrucke  bis  zum  Ver- 
schwinden erblassen  und  binnen  wenigen  Tagen  mit  einem 
weissen  Epidermisschüppchen  sich  bedecken.  Wird  dieses  mit 
dem  Fingernagel  abgelöst,  was  sehr  leicht  geschieht,  so  er- 
scheinen auf  dem  rothen  Grunde  viele  feine  blutende  Punkte. 
Diese  entsprechen   eben  so  vielen  Gefässchen  der  Papillen, 


Psoriasis. 


373 


welche,  hyperämiscli  geschwellt,  hex'vorragten  xind  von  dem 
kratzenden  Nagel  verletzt  worden  waren.  ' 

Viele  solche  Primärefflorescenzen,  gleichzeitig  anf  der 
Hant  vorhanden,  geben  das  Bild  der  Psoriasis  punctata. 
Aus  dieser  geht  durch  periphere  Ausbreitung  der  Rothe, 
Schwellung  und  Schuppenbildung  die  Form  der  Psoriasis  gut- 
ta ta  iTud  nu miliaris  hervor,  tropfen-  und  pfenniggrosse 
Sohuppenauflagerungen  auf  eben  so  grossem,  rothem,  massig 
o-eschwelltem  G-runde ;  und  so  fort  binnen  1 — 3  "Wochen  thaler- 
grosse  und  grössere  solche  Scheiben ,  die  stets  dieselben  Cha- 
raktere zeigen,  leicht  ablösbare  Schuppenauflagerung  und  leicht 
verletzbaren  rothen  Grund.  Bei  den  grösseren  Scheiben  ist 
die  auflagernde  Schuppenplatte  von  einem  rothen  Saum  um- 
geben. Man  erkennt  so,  dass  auch  bei  dem  Fortschreiten  des 
Processes  ßöthe  und  Schwellung  der  Haut  der  Schuppen- 
bildung über  derselben  vorangeht.  Durch  directe  Aus- 
breitung der  einzelnen  Plaques  und  Vereinigung  mehrerer 
nachbarlicher  entstehen  weiters  ausgedehnte  und  unregelmässig 
gestaltete,  gleichmässig  rothe  und  mit  Schuppenauflagerungen 
versehene,  immer  scharf  begrenzte  und  roth  umsäumte  Pso- 
riasisflecke  —  Psoriasis  figurata,  geographica,  endlich 
diffusa  und  univeraslis. 

Zumeist  aber  bilden  sich  die  einzelnen  Plaques  zurück, 
nachdem  sie  thaler-,  flachhandgross  geworden  und  einige  Zeit 
stationär  geblieben  waren ,  was  durch  den  Mangel  des  fort- 
schreitenden rothen  Saumes  zu  erkennen  ist.  Unter  Abnahme 
der  ßöthe  und  Schwellung  vermindert  sich  die  Epidermispro- 
duction und  Auflagerung,  die  Schuppe  wird  dünner,  lockerer, 
und  ist  die  ßöthe  ganz  geschwunden ,  dann  fällt  auch  der 
letzte  ßest  der  Schuppe  ab.  Die  Hautstelle  ist  mit  glatter 
Epidermis  bedeckt  und  normal  gefärbt  oder  braun  pigmentirt ; 
letzteres  dort,  wo  die  Hyperämie  lange  Zeit  bestanden,  oder 
wie  an  den  Unterextremitäten  ,  der  ßückstrom  des  Blutes  mehr 
gehemmt  ist. 

Zumeist  erfolgt  nun  diese  Heilung  gleichzeitig  in  der 
ganzen  Ausdehnung  des  einzelnen  Plaque ,  bei  manchen  Flecken 
jedoch,  und  zuweilen  bei  allen  vorhandenen  in  der  Weise,  dass 
regelmässig  zuerst  die  älteren,  also  centralen  Stellen  abblassen 
und  heilen,  während  peripher  ßöthe  und  Schuppung  fortschrei- 
ten.   So  entstehen  rothe,  schuppende  Kreise,  die  sich  bis  zu 


Zweiundzwanaigste  Vorlesung. 

beträcMlichem  Umfange  vorschieben  können  -  Psoriasis  a  n- 
nularis  (Lepra  Willani)  nnd  durcli  AnfemandertrefFen  der- 
artiger Kreise,  wobei  sie  an  den  Berührungsstrecken  aboliren, 
serpiginöse  Linien  —  Psoriasis  gyrata.  ^     .  . 

Die  mannigfachen  Formen,  nnter  welchen  die  Psoriasis 
erscheinen  kann,  steUen  demnach  nur  verschiedene  Entwicklungs- 
land ßückbildungsstufen  desselben  Processes  vor,  die  selber  m 
einer  fortwährenden  Wandlung  begriffen  sind.  Es  ist  also 
besonders,  wie  Hebka  gezeigt,  auch  die  ringförmige  Psoriasis, 
nicht  anders  aufzufassen  und  daher  nicht  mit  einem  eigenen 
Namen  (Lepra  Willani)  zu  belegen.  .     ,      ^  ■ 

Die  Entwicklung  und  Rückbildung  der  einzelnen  Psorias- 
plaques  geht  manchmal  sehr  rasch,  binnen  wenigen  Wochen, 
manchmal  sehr  zögernd  vor  sich.    Im  ersteren  Falle  sind  die 
Schuppenmassen  lockerer,  weiss  glänzend,  leicht  ablösbar ,  so 
dass  sie  im  Bette,  oder  beim  Darüberstreichen  mit  der  Elach- 
hand  in  enormer  Menge  zu  Boden  faUen.  Ihi^e  Production  und 
Abstossung  geht  sehr  rasch  vor  sich.    Ueber  solchen  Plac^ies 
iedoch,  welche  lange  stationär  bleiben ,  thürmen  sich  die  Epi- 
dermisschuppen  zu  mächtigen,  festhaftenden,  harten  und  meist 
schimitzig-weissen  bis  braunen,   schildförmigen  Auflagerungen 

hinan.  ^  i  \  ^ 

Li  Bezug  auf  Localisation,  Anordnung-  mul  Avis- 
breitung  bietet  die  Psoriasis  die  grössten  Mannigfaltigkeiten 
dar.  Man  sieht  Fälle,  wo  nur  ein  oder  einzelne  Plaques  zugegen 
sind,  und  solche  mit  zahlreichen  disseminirten  Herden  und  Er- 
krankungen von  universeller  Ausbreitung.  Die  Anordnung  is 
meist  unregelmässig.    Am  Stamme  pflegen  die  noch  getrennt 
teilenden  Mecke  l  dem  Eippenverlauf  (der  ^^^^ 
Haut)   paraUelen  Reihen   gestellt  zu  sein. 
der  Extremitäten  und  besonders  des  Knie-  und  Ellbogen-Ge- 
lenkes ferner  der  behaarte  Kopf  und  die  Sacralgegend  bilden 
"e  hänfigstenLocalisationsstellen  für  Psoriasis  und  sind  darum 
a  ich  fast  regelmässig  mit  stationären,  alten,  dicke,  schmutzig 
S  huppen   tragenden  Flecken  besetzt.    Am  behaarten  Kopfe 
häSsich  dl  Schuppen  zu  dicken,  höckengen,  einem  eni- 
^^^en  Mörtel  vergleichbaren,  mit  den  Haaren  verfilmten 

Massen  an,  die  sehr  fest  haften.  ^    .  i  ,  0+,,^ 

Aber  auch  jede  andere  Hautstelle,  des  Gesichtes^ Stam- 
mes utd  de^  Extremitäten  kann  der  Sitz  eines  alten  Psorias- 


Psoriasis. 


375 


plaque  sein,  oder  gelegentlich  einer  allgemeinen  Eruption 
befallen  werden.  Flachliand  und  Fusssolile  allein  bleiben  regel- 
mässig, selbst  bei  sonst  universeller  Erkrankung,  frei  von  Pso- 
riasis und  werden  nur  selir  ausnahmsweise  davon  betroffen, 
im  Gegensatze  zu  der  Häufigkeit,  mit  welcher  dieselben  von 
Sj-philis  befallen  werden,  einer  Erkrankungsform,  die  durch 
iln-e  vulgäre  Bezeichnung  als  Psoriasis  palmaris  et 
plantaris  (i.  e.  syphilitica)  oft  miss verstanden  wird. 

Form,  Localisation  und  Ausbreitung,  d.  i.  das  Gesammt- 
bild  der  Psoriasis,  sind  auch  bei  jedem  einzelnen  Kranken 
höchst  wandelbar,  je  nach  der  Art  und  dem  Stadium  des 
Krankheitsverlaufes. 

Der  Verlauf  der  Psoriasis  ist  nämlich  äusserst  chro- 
nisch, aber  nicht  stetig,  sondern  aus  unregelmässig  sich  ablö- 
senden Perioden  der  Zu-  und  Abnahme  des  Processes  zu- 
sammengesetzt. 

Nur  selten  tritt  die  Krankheit  bei  einem  bis  dahin  pso- 
riasisfreien  Individuum,  ohne  Vorläufer,  mit  einer  acuten 
allgemeinen  Eruption  auf,  oder  mit  einzelnen  wenigen,  dissemi- 
nirten  Flecken,  welche  in  schleichendem  Verlaufe  sich  ver- 
grössern  und  durch  spärKch  neu  auftauchende  sich  vermehren. 
Das  Gewöhnliche  ist,  dass  ein  Kranker  Jahre  hindixrch  alte, 
trockene,  harte  Plaques  über  Knie-  und  Ellbogengegend  und 
am  Capillitium,  selten  an  anderen  Stellen,  trägt,  die  sich  fast 
unmerklich  verändern.  Alsdann  tauchen  ohne  nachweisbare 
Veranlassung  auch  an  anderen  Körperstellen  neue  Psoriasis- 
Punkte  auf,  einmal  nur  sporadische,  ein  andermal  viele  zu- 
gleich, welche,  in  stetiger  Ausbreitung  und  durch  neu  nach- 
schiebende Efflorescenzen  vermehrt  und  vergrössert,  binnen 
wenigen  Wochen  einen  grossen  Theil  der  Hautoberfläche  occu- 
piren.  Nach  einiger  Zeit  bilden  sich  die  neuen  Flecke  zurück, 
hört  die  Eruption  frischer  Knötchen  auf  und  die  Psoriasis 
schwindet  bis  auf  einzelne  Reste,  welche  grösstentheils  auf  die 
früher  genannten  Prädilectionsstellen  sich  beschränken.  Dann 
folfft  ein  Zeitraum  von  mehreren  Wochen  oder  Monaten  rela- 
tiver  Gesundheit  und  diesem  wieder  eine  Periode  von  Exacer- 
bation. So  geht  das  fort  viele  Jahre  hindurch,  das  ganze 
Leben,  wobei  die  einzelnen  Etappen  der  Besserung  und  Stei- 
gerung der  Krankheit  höchst  ungleich  sich  erweisen,  sowohl 
bezüglich  der  Dauer  als  der  Intensität  der  Exacerbation  oder 


1 


g-jQ  Zweiundzwanzigste  Vorlesung. 

Remission,  und  keinerlei  Regeln  rücksichtlicli  der  Jahreszeit, 
der  äusseren  Verhältnisse  n.  s.  w.  erkennen  lassen.    Bei  Ge- 
legenheit einer  solchen  Exacerbation  kann  es  auch  zu  uni- 
verseller Psoriasis  kommen,  bei  welcher  vom  Scheitel  bis 
zur  Zebe  die  Haut  gleichmässig  rotb,  mit  abblätternden  Schup- 
pen verseben,  beiss,  trocken,  streckenweise  glänzend,  atlas- 
artig, empfindlicb,   gespannt  ist.    Die  Gesicbtsbaut  erscheint 
geschrumpft,   das  imtere  Augenlid  ectropiscb,   die  Kranken 
halten  sieb  zusammengekauert,  weil  jeder  Versuch  der  Streckung 
in  den  Gelenken  Einreissen  der  Oberhaut  und  blutige  Rha- 
gaden zur  Folge  hat.    Die  Kopfhaare  fallen  leicht  aus,  ja  es 
tritt  Kahlheit  vorübergehend  oder  bleibend  ein.  Fortwährendes 
Frosto-efühl ,  heftiges  Jucken,  auch  Fieber ,  gastrische  Erschei- 
nungen,  Singultus,  Schlaf-  und  Appetitmangel,  Abmagerung, 
gefährliche  Zufälle  begleiten  diesen  Zustand.    Doch  ist  auch 
von  diesem  nach  Frist  vieler  Monate  eine  Rückbildung  bis  zu 
dem  mässigen  Grade  möglich.  Manche  Kranke  erfahren  wieder- 
holt solche  Steigerung  ihrer  Krankheit. 

Ausnahmsweise  kann  Jemand  sein  Leben  lang  mit  be- 
schränkter Psoriasis  der  Gelenks  -  Streckflächen  behaftet  sein, 
ohne  intercurrirende  Erkrankung  anderer  Hautstellen. 

Wie  die  Haare  durch  rasches  Ausfallen  ihre  Mitleiden- 
schaft bekunden,  so  erkranken  auch  die  Nägel  bei  jeder 
langandauernden  Psoriasis  in  der  Art,  dass  sie  trocken,  getrübt, 

bi'üchig,  käsig  werden. 

Auf  der  Schleimhaut  der  Mundhöhle  habe  ich  eben 
so  wenio-  wie  Hebea,  jemals  eine  der  Psoriasis  parallele  Er- 
krankung gesehen;  -  wohl  aber  bei  einzelnen  Psoriatischen 
o-raue  Plaques,  die  jedoch  von  Syphilis  herstammten. 

Von  s  ub j  e  c  t  i  V  e  n  Erscheinungen  erwähne  ich  neben 
den  schon  genannten  (Jucken ,  Schlaflosigkeit ,  Gastricismus) 
noch  rheumatische  Gelenksschmerzen  ,  welche  die  acuten  Aus- 
brüche zu  begleiten   pflegen,   Empfindung  von  Durst  und 

Trockenheit  im  Munde. 

Der  anatomische  Befund  lehrt  (Weetheim,  Neumann), 
dass  der  Psoriasis  örtlich  eine  vorwiegend  die  Papillarschichte 
betreffende,  entzündliche  Veränderung  der  Haut  zu  Grunde 
liegt.  Auf  mikroskopischen  Durchschnitten  vom  Lebenden 
exscindirter,  frisch-psoriatischer  Hautstücke  findet  man  die 
Schleimschichte  mächtig  entwickelt,  innerhalb  der  Papillen  die 


Psoriasis. 


377 


Gelasse  und  die  Maschenräume  erweitert  und  reichlich  Zellen 
eingelagert,  besonders  um  die  ersteren ,  an  deren  Wand  auch 
das  Netzwerk  verdichtet  erscheint. 

Die  alten  Psoriasisplaques  entsprechende  Haut  zeigt  das 
Corium  verdickt  und  bis  in's  Unterhautzellgewebe  von  Zellen 
infiltrirt,  ausgedehnte  Gefässe,  geringe  seröse  Durchtränkung, 
da  imd.  dort  pigmentirte  Zellen. 

Ueber  sehr  alten  Plaques ,  besonders  der  Unterschenkel 
und  der  Saeralgegend,  habe  ich  öfters  bindegewebiges  Aus- 
wachsen der  Papillen  in  Gestalt  von  derben  "Warzen  con- 
statirt. 

Während  jene,  den  frischen  Psoriasisherden  entsprechende 
Veränderungen  auch  spontan  spurlos  rückgängig  sind,  können 
letztere  nur  operativ  (durch  Aetzung,  Schaben)  beseitigt 
werden. 

Für  die  Diagnose  bietet  die  in  getrennt  stehenden 
Plaques  erscheinende  Psoriasis  die  geringste  Schwierigkeit. 
Man  halte  sich  nur  an  die  geschilderten  Symptome,  namentKch. 
die  dicke  Auflagerung  weisser  Schupj)en,  deren  leichte  Ab- 
lösbarkeit  mittelst  des  Pingernagels ,  die  dabei  erscheinenden 
blutenden  Pünktchen  der  rotken  Basis  unä  die  scharfe  Be- 
grenzung der  umschriebenen  Krankheitsherde.  Schwierig  da- 
gegen kann  die  Entscheidung  werden  bei  universeller  und 
diffuser  Psoriasis,  welche  Eczema  squamosum,  Pityria- 
sis rubra  und  Liehen  ruber  sehr  ähnlich  ist;  bei  auf 
den  behaarten  Kopf  beschränkter  Psoriasis,  die  mit  Eczema 
capillitii,  Favus,  Herpes  tonsurans,  Seborrhoe 
und  Lupus  erythematosus  verwechselt  werden  kann;  bei 
vereinzelten  Psoriasiskreisen,  die  gegen  Syphilis  annularis, 
Herpes  tonsurans,  Lupus  serpiginosus  und  Eczema 
marginatum  diflFerenzirt  werden  müssen,  und  endlich  bei 
acut  und  allgemein  erscheinenden  Psoriasisknötchen,  welcke 
innerhalb  der  ersten  Tage  für  Syphilis  papulosa,  Her- 
pes tonsurans  maculosus,  ja  Yariolastippchen  im- 
poniren  könnten.  Neben  der  Berücksichtigung  der  für  Psoriasis 
geltenden  Merkmale  werden  auch  die  Charaktere  der  genannten 
Processe,  die  aus  den  betreffenden  Capiteln  ersichtlich  sind, 
zur  Unterscheidung  verwerthet  werden  müssen. 

Dabei  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  auch  Combi- 
nationen  anderer  Hautkrankheiten  mit  Psoriasis  vorkommen, 


y-g  ZweiunÜKwanzigstü  Vorlesung. 

nameutlicli  oft  mit  Eczem,  das  direct  auf  dem  psoriatischen 
Fleck  sich  entwickeln  kann.  Im  Falle  variolöser  Erkrankung 
treten  auf  den  psoriatisclien  Stellen,  als  besonders  liyperämi- 
sirten  Partien,  die  Blatternpusteln  immer  zablreicb  und  inten- 
siv auf.  .  •,  T.  •  •  2.  ^ 
Die  Prognose  ist,   was  die  durcb  Psoriasis  gesetzte 

örtHche  Veränderung  anbelangt,  insoferne  günstig,  als  die  Haut 
allentbalben  wieder  vollständig  zur  Norm  zurückkebren  kann 
und  höchstens  an  den  Unterextremitäten  und  an  Stelle  alter 
stationärer  Plaques  dunkle  Pigmentirung  zuiMickbleibt  Hunstig 
ist  die  Vorhersage  auch  rücksichtlich  des  Allgemeinbefindens, 
indem  dasselbe  oft  durchaus  nicht,  oder  höchstens  wähi-end  der 
acuten  Ausbrüche,  besonders  aber  bei  Psoriasis  universalis 
gestört  ist,  aber  auch  da  nur  in  vorübergehender  ^\  eise. 
Dauernde  Störung  wichtiger  Functionen  in  Folge  von  Psoriasis 

ist  nicht  zu  beobachten.  .    .    -r,  4> 

Daa-egen  ist  die  Aussicht  weniger  günstig  m  Bezug  aut 
den  ganzen  Krankheitsverlauf  und  die  Heilbarkeit.  Man  kann 
nie  bestimmen,  ob,  wie  häufig,  und  welchen  Grades  Exacerba- 
tionen sich  einsteUen  werden  und  kann  von  einer  Heilbarkeit 
überhaupt  nur  so  weit  sprechen,  als  es  gelingt,  die  eben  vor- 
handene Psoriasis  zu  beseitigen,  nicht  aber  ßecidiven  zu  m- 
hüten  oder  zu  beschränken.  Im  Gegentheil,  jeder  Pso— e 
...ss  der  zeitweiligen  Verschlimmerungen  seines  ^^^^^^J^ 
wärtig  sein.    Die  Krankheit  ist  in  diesem  Sinne  gai  nicht 

Auch  dass  die  Disposition  zur  Erkrankung  .  an  Psonasis 
von  den  Eltern  auf  die  Kinder  sich  vererben  kann,   ist  em 

ersohwerender  Umstand.  „    i  i 

Die  Ursache  dieser  so  belästigeuden,  entstellen  m„l 
schwer  heilbaren  Krankheit  zu  eruiren,  haben  sich  Viele  be- 
IttM  da  man  in  ihr  anch  das  Uebel  beseifgen  zn  können 
Wen  konnte.  Leider  vermögen  wir  keine  solche  anzugeben : 
zunächst  keine  d y  s  k  r  a  s  i  s  c  h  e.  Die  Psoriatikcr  smd  durchwegs 
gl'de  robuste!  prächtig  sich  befindende  und  aussehende  In- 
dividue;  und  Schwächlinge  unter  denselben  smd  p-*-«  " 
r.lhme.  Was  an  beliebten  allgemein  ätiologischen  Momenten 

trsrlahllos  vorgebracht  wurde  wie       ^"T*-  1,!  S'. 

rische  Dyscrasie,  unterdrilckte  Menses  und  AUeilei, 
die  objective  Kritik  Hkbra's  längst  zurückgewiesen. 


Psoriasis. 


379 


Durcli  äusserliclie  Scliädlichkeiten  kann  Psoriasis 
ebensowenig  hervorgernfen  werden.  Nur  wenn  Jemand  bereits 
mit  Psoriasis  behaftet  ist  oder  die  Disposition  dazu  mitbringt, 
dann  pflegen  an  jenen  Hantstellen,  welche  künstlich  gereizt, 
z.  B.  mit  einer  Nadel  geritzt  werden,  oder  A^on  Eczem  besetzt 
sind,  zur  Zelt,  als  die  Psoriasis  Exacerbationen  macht,  reich- 
liche Effiorescenzen  aufzutreten. 

C  ontagiosität  kommt  der  Psoriasis  absolut  nicht  zu. 
Sie  kann  also  auch  nie  direct  übertragen  werden. 

Als  einziges  unzweifelhaftes  ätiologisches  Moment  ist  die 
Heredität  anzusehen,  indem  man  selten  einen  Psoriatischen 
trifPt,  ohne  dass  eines  seiner  Eltern,  oder  ein  Familienglied 
aufsteigender  Linie  nicht  auch  an  dem  Uebel  litte  oder  gelitten 
hätte.  Da  aber  meist  nur  einzelne  Kinder  oder  Familienglie- 
der davon  betroffen  Averden,  so  handelt  es  sich  hier  nicht  um 
eine  eigentliche  Heredität  der  Krankheit,  wie  bei  Syphilis, 
sondern  nur  um  Erblichkeit  der  Disposition,  der  Hautbeschaf- 
fenheit. 

Am  häufigsten  erscheint  die  Psoriasis  um  die  Zeit  der 
Pubertät  und  des  kräftigen  mittleren  Alters,  oft  genug  aber 
auch  schon  in  den  Kinderjahi-en.  Ich  habe  schon  ein  acht- 
monatliches Kind  eines  psoriatischen  Vaters  reich  besetzt  davon 
gesehen.  Die  Krankheit  erhält  sich  oft  bis  in  das  hohe  Grreisen- 
alter  in  luigeschwächter  Weise. 

Die  Therapie  der  Psoriasis  kann  nach  ihrem  heutigen 
Stande  nicht  mehr  erreichen,  als  die  Beseitigung  der  eben  an 
der  Haut  gegenwärtigen  krankhaften  Veränderungen,  und  die 
Beschränkung  der  neu  auftauchenden  Eruptionen.  Eine  eigent- 
liche Hintanhaltung  der  letzteren,  oder  gar  eine  bleibende 
Heilung;  zu  erzielen ,  steht  ausserhalb  der  Macht  unserer 
Kenntniss.  Aber  auch  schon  die  Erreichung  jenes  erstgenannten 
Erfolges  ist  ein  grosser  Grewinn  für  den  Kranken  und  setzt 
nicht  gewöhnliche  Gewandtheit  in  der  Handhabung  der  uns  zur 
Verfügung   stehenden  Mittel  und  Verfahrungsweisen  voraus. 

Diese  sind  innerliche  und  äusserliche. 

Zahlreiche  Mittel  sind  schon  empfohlen  worden,  durch 
deren  i  n  n  e  r  1  i  c  h  e  Verabreichung  man  die  Psoriasis  zu  heilen 
gehofft  hat,  wie  Mineralsäuren,  Mineralwässer,  Diaj)horetica, 
Leberthran,  Antimon,  Mangan,  Graphit,  Baryt,  Quecksilber, 
Eisen,  Anthrakokali,  blutreinigende  Tränke,  Sassaparilla,  ver- 


ßgQ  Zwüiululzwanzigste  Vorlusung. 

dorbenes  Maismebl,  Citronensaft  etc.,  oder  besondere  Diät,  als 
rein  vegetabilische  oder  rein  animalische  Kost;  —  von  allen 
diesen  ist  nach  den  Erfahrxmgen  unserer  Schule  absolut  keine 
Wirkung  gegen  Psoriasis  zu  erwarten. 

Von  Erfolg  erweisen  sich  nur  Arsenik,  The  er  und 
dessen  Derivate  (Carbolsäure). 

Der  Arsenik  ist  gegen  Hautkrankheiten  in  der  Form 
von  Solutio  EowLERi  (arsenigsaures  Kali),  der  PEARSON'schen 
Losung  (arsenigsaures  Natron),  der  Solutio  Donavani  (Arsen- 
jodür  und  Quecksilber)  und  der  asiatischen  Pillen  (Arsenik  mit 
Pfeffer,  oder  Arsenik  mit  Opium)  in  Gebrauch. 

In  der  ersteren  und  der  letzteren  Form  hat  sich  Arsen 
bei  uns  am  verlässlichsten  erwiesen. 

Man  gibt  Solutio  Fowleei  zu  6  Tropfen  de  die  in 
einem  Quantum  von  20,0  Aqua  destillata  oder  Infusum  Chamo- 
millae  auf  dreimal  den  Tag  über  vertheilt.    Wenn  sich  keine 
gastrischen  Erscheinungen  einstellen,  steigt  man  jeden  dritten 
bis  vierten  Tag  um  1  Tropfen  der  Solutio  Fowleei  pro  die. 
Von  12  Tropfen  angefangen  steigt   man  in  grösseren  Inter- 
vallen.   Man  kann  so  bis  auf  30  Tropfen  de  die  gehen,  bleibt 
auf  der  Höhe  einer  Dosis  stehen,  bei  welcher  eine  Rückbildung 
der  Psoriasis  sich  bemerkbar  macht,  setzt  aber  auch  bei  ziem- 
lich vollständiger  Heilung  nie  plötzlich  ab,  sondern  geht  wieder 
stufenweise  bis  auf  12  oder  6  Tropfen  zurück.    Man  kann 
so  ungestraft  die  Solutio  Fowleri  viele  Monate  anwenden. 
Professor  Lipp  in  Graz  hat  zu  gleichem  Zwecke  Acidum  ^  ar- 
senicosum  (weissen  Arsen)    durch   subcutane  Injection 
dem  Organismus  einverleibt,  in  der  Dosis  von  0,003—0,03,  von 
einer  Lösung  von  0,30  und  einer  anderen  von  0,60  auf  35,0 

Aqu.  dest.  ,  T     -n  1 

Pillulae  asiaticae  werden  nach  folgender  iormel 
verschrieben:  ßp.  Arsenici  albi  0,75;  Pulv.  piper.  nigri  6, 
Gummi  arab.  1,5;  Rad.  altheae  pulv.  2,  Aqu.  f.  q.  s.  ut  f. 
pillul.  N.  100.  Consp.  pulv.  pip.  nigr.  Sig.  3  Pillen  täglich 
zu  nehmen. 

Man  beginnt  mit  der  Dosis  von  3  Pillen  pro  die,  welche 
unmittelbar  vor  dem  Mittagessen  genommen  werden,  steigt 
laden  4.-5.  Tag  um  je  1  Pille  und  kann  auf  diese  Weise  bis 
auf  8  und  10  Pillen  pro  Tag  kommen.  5  Stück  und  mehr, 
werden  in  2  Dosen  abgetheilt,  die  eine  für  Mittag,  die  andere 


Psoriasis. 


381 


für  Abend  zw  n  mid  2,  zu  4  und  3  u.  s.  f.  Audi  hier  bleibt 
man  bei  der  Dosis  stellen,  bei  welcher  eine  "Wirkmig  bereits 
zu  bemerken  ist.  Wenn  Erscheinungen  von  Grastricismus  sieb 
einstellen,  Ueblicbkeit,  Kolik ,  Diarrhoe ,  so  geht  man  mit  der 
Dosis  wieder  etwas  herab.  Koliken  beugt  man  durch  Zusatz 
von  Opium   (0,15  auf  0,75  Arsen,  alb.  und  100  Pillen)  vor. 

Bei  den  subcutanen  Injectionen  hat  Lipp  bereits  nach  8 
Tagen  Besserung  der  Psoriasis  beobachtet.  "Wir  haben  durch- 
schnittlich erst  im  Verlauf  der  vierten  bis  sechsten  Woche 
eine  auffallende  Wirkung  beim  Arsengebrauch  gesehen.  Die- 
selbe äussert  sich  nach  meiner  Beobachtung  nicht  im  Abfallen 
der  Schuppen,  sondern  zunächst  im  Abblassen  der  Hyperämie, 
welche  die  Basis  der  Schuppen  bildet.  Alsdann,  in  der  5. — 6. 
Woche  der  Behandlung ,  fallen  die  Schuppen  binnen  wenigen 
Tagen  allesammt  und  als  Granzes  ab ,  so  dass  es  scheint ,  als 
wenn  die  Heilung  plötzlich  eingetreten  wäre. 

Wie  viel  in  Summa  asiatische  Pillen  gegeben  werden 
sollen  und  dürfen,  lässt  sich  gar  nicht  vorausbestimmen.  Dass 
dieselben  durch  viele  Monate  hindurch  und  bis  zur  Summe 
von  3000  und  4000  (d.  i.  20 — 30  Grramm  Arsenik)  verabreicht 
werden  können,  haben  wir  bei  der  Behandlung  des  Liehen 
ruber  erprobt.  Bei  Psoriasis  ist  dies  nicht  anzurathen.  W enn  bei 
Erreichung  von  400 — 600  Pillen  die  Psoriasis  sich  nicht  bessert, 
dann  ist  für  diesen  Eall  eben  nicht  viel  zu  hoifen  und  eine 
andere  Behandlung  zu  beginnen.  Es  hat  sich  nämlich  gezeigt, 
dass  nicht  nur  manche  Individuen  von  Arsenik  keine  Besserung: 
ihrer  Psoriasis  erfahren,  sondern  dass  bei  demselben  Kranken 
einmal  die  Wirkung  günstig  ist,  in  einem  zweiten  oder  dritten 
Jahre  aber  das  Mittel  fehlschlägt.  Nach  Arsengebrauch  pflegt 
an  den  PsoriasissteUen  längere  Zeit  dunkleres  Pigment  zurück- 
zxibleiben. 

Was  den  innerlichen  Grebrauch  des  Theers  anbe- 
langt, so  ist  dessen  Wirkung  gegen  chronische  Hautkrankheiten 
beim  Volke  wie  bei  den  Aerzten  längst  bekannt.  Die  Aqua 
picea,  sowie  andere  Theermittel  werden  jedoch  wegen  ihres 
widerlichen  G-eschmackes  von  den  wenigsten  Kranken  vertragen. 
Selbst  die  im  Ganzen  nicht  übel  schmeckenden,  von  franzö- 
sischen und  hiesigen  Eabrikanten  bereiteten  Theerliqueure  und 
PastiUen  werden  von  den  meisten  Kranken  refusirt. 

In  der  Carbolsäure  besitzen  wir  nun  ein  treffliches 


gg2  Zweiundzwaiizigste  Vorlesung. 

Theerpräparat,  welches,  in  Form  von  Pillen  verabreiclit ,  ganz 
gut  vertragen  wird  iind  analog  wie  Arsenik  wirkt.  Man  ver- 
schreibt: Acid.  carbol.  10,0,  Extr.  et  pnlv.  liquir.  q.  s.  u.  f. 
piU.  Nr.  100  nnd  gibt  davon  täglich  5—10  Pillen.  Man  kann 
das  Medicament  Wochen  hindurch  auch  noch  in  stärkerer 
Dosis  geben,  was  ich  jedoch  für  unnöthig  halte.  Mit  Ausnahme 
einer  leichten  Reizung  der  Nieren  habe  ich  nicht  den  gering- 
sten Nachtheil  davon  gesehen. 

Von  einigen  Seiten  wurden  auch  balsamische  Mittel, 
speciell  Copaivabalsam,  dann  Cantharidentinctur ,  Phosphoröl, 
Tinctura  Maidis  (Lombroso)  u.  v.  A.  zur  innerlichen  Medica- 
tion  empfohlen.  Ich  habe  über  alle  diese  keine  Erfahrung, 
doch  auch  nicht  viel  Bestätigendes  gelesen. 

Die  örtliche  oder  äusserliche  Behandlung  der 
Psoriasis  ist  mit  vielen  Umständlichkeiten  verbunden,  hat  aber 
den  Vortheü,  dass  sie  uns  durchwegs  zum  Ziele  führt,  wofern 
die  Mittel  und  Methoden  nur  fachkundig  gewählt  und  gehand- 
habt werden.  •  i  ,  + 
Der  eine  Theil  der  Behandlung  muss  dahin  gerichtet 
sein  sowohl  die  im  Augenblicke  auflagernden  Epidermisschup- 
pen'  als  die  im  Verlaufe  von  Tag  zu  Tag  sich  erneuernden  zu 
entfernen  —  damit  der  zweite  Theil  der  Behandlung,  die 
directe  Application  von  Medicameiiten  auf  die  kranken  Haut- 
partien möglich  werde.  _ 

Die  Beseitigung  der  auflagernden  Epidermisschuppen 
wird  dadurch  bewirkt,  dass  man  die  letzteren  zunächst  er- 
weicht, zum  Zerbröckeln  bringt,  und  dann  mechanisch  oder 
chemisch  ablöst.  Man  bedient  sich  hiezu  der  Fette  des 
Wassers,  der  Maceration  durch  die  Perspirationsflus- 
sigkeit  der  Haut,  der  Seifen  und  der  AetzmitteL 

Von  Fetten  sind  Oleum  olivar  um,  Axungia  porci,  Oleum 
iecoris  aselli,  auch  Glycerin,  Vaseline  etc.  zu  verwenden.  Sie 
müssen  nur  in  so  bedeutender  Menge  und  so  consequent  aut- 
setragen,  eingerieben  und  verrieben  werden,  dass  die  Macera- 
tion und  Ablösung  der  Epidermis  über  ihre  Regeneration  über- 
wies Man  kann  bei  beschränkt  localisirter  Psoriasis, _  z.  B. 
am  Ellbogen  und  Knie  Unguentum  simplex ,  Ceratum  Simplex 
auf  Leinwandlappen  gestrichen  auflegen  nnd  mittelst  Flanell 
u-ederbinden.  Am  intensivsten  macerirend  wirkt  der  Leberthran, 
der  auch  von  den  Meisten  gut  vertragen  wird.  Er  wird  nur  lastig 


Psoriasis. 


3S3 


dtirch  seinen  Grerucli ,  durch  die  Verderbniss  der  Bettwäsclie 
lind  endlich  dadurch,  dass  er  auf  einzelnen  Hautorganen  ein 
sehr  lästiges  Eczema  papulosiim  producirt.  In  diesem  Falle 
wird  mit  der  Beölung  sistirt,  die  Haut  mit  Amylura  bestreut, 
die  ölgetränkte  Wäsche  beseitigt,  bis  eben  das  Eczem  ver- 
schwunden ist  und  ein  anderes  Verfahren  Platz  greifen  kann. 
Li  einzelnen  Fällen  von  Psoriasis  universalis  habe  ich  unter 
Leberthran  eine  Loshebung  der  Epidermis  auf  grosse  Strecken, 
Blosslegung  des  Coriums,  in  Folge  dessen  heftige  Schmerz- 
haftigkeit  und  Fieber,  ja  typhoide  Erscheinungen  wie  bei  Ver- 
brennung gesehen,  aus  welchem  Zustande  die  Kranken  erlöst 
wurden,  indem  sie  in's  continuirliche  "Wasserbad  gebracht 
worden  sind. 

Das  Wasser,  als  epidermismacerirende  Potenz,  kann 
nach  Art  der  PRiESSNiTz'schen  Einhüllungen  auf  einzelnen 
G-Üedmassen ,  Körpertheilen  oder  für  den  ganzen  Körper  ver- 
wendet werden,  je  nach  der  Ausbreitung  der  Psoriasis. 

Am  consequentesten  kommt  das  Wasser  sub  forma  der 
Bäder  in  Verwendung,  und  zwar  in  der  Regel  prolongirter 
Bäder  nach  der  Methode  von  Hebra,  durch  je  3 — 6  Stunden 
täglich  und  darüber,  theils  als  macerirendes  Mittel,  theils  als 
Medium  für  die  methodische  Anwendung  der  mechanisch-che- 
mischen Behandlung  mittelst  Seifen  und  Frottiren,  durch  welche 
die  Epidermis  an  den  psoriatischen  Stellen  energisch  abgelöst 
wird,  endlich  als  Vehikel  für  die  Anwendung  besonderer  Heilmittel, 
z.  B.  des  Theers  (Theerbad)  oder  der  Solutio  Vlemingkx. 

Insoferne  sind  auch  indifferente  und  schwefelhältige  Ther- 
malbäder (Leuck,  Baden  bei  Wien)  und  hydropathische  Garen, 
wofern  die  Haut  täglich  genügend  lange  ihrem  Einflüsse  aus- 
gesetzt wird,  bei  Psoriasis  heilsam;  die  letzteren  übrigens 
noch  durch  die  Kälte,  als  die  Hautentzündung  mindernde 
Potenz,  wirksam. 

Durch  Einhüllung  in  Kaufs  chuk g  e  wand e r,  Hauben 
für  den  Kopf,  Jacke,  Beinkleider  und  Schuhe  für  Stamm  und 
Extremitäten,  Handschuhe  für  die  Hand,  wird  eine  sehr  inten- 
sive und  rasche  Maceration  der  Psoriasisschuppen,  bei  längerer 
Anwendung  selbst  Abblassen  der  psoriatischen  Stellen  bewirkt. 

Auch  da  kommt  es  manchmal  ^u  artificiellem  Eczem  oder 
zu  bedeutender  Schwellung  der  Haut. 

Die  Seifen,   am  besten  Sapo  viridis  und,   für  Gesicht 


384 


Zweiundzwanzigste  Vorlesung. 


und  Kopf,  Spirit.  saponat.  kalinus,  dienen  theils  zur  Macera- 
tion  der  Epidermis,  theils,  in  Verbindung  mit  Bädern,  zur  Ent- 
fernung der  sclion  macerirten  Scliuppen  und  der  auf  die  Haut 
gebrachten  fettigen  Medicamente,  zum  Tbeile  aber  auch  als 
directes  Heilmittel. 

Eine  rasche  Abschiebung  der  Epidermis  bewirkt  man 
durch  einen  Cyclus  von  Einreibungen  mittelst  Schmierseife. 
Dieselbe  wird,  etwas  mit  Wasser  verdünnt,  mittelst  der  Flach- 
hand auf  die  Haut  eingerieben  und  liegen  gelassen.  Das  Ver- 
fahren wird  täglich  2mal  durch  G  Tage  wiederholt.  Die  Ober- 
haut wird  dabei  braun,  runzelig,  mortificirt  und  löst  sich  in 
den  folgenden  3—4  Tagen  in  grossen  Fetzen  ab ,  worauf  erst 
ein  Bad  genommen  wird  (Pfeuffer's  Methode). 

Dicke,  harte  Schuppenmassen  werden  durch  Auflegen  und 
Niederbinden  von  Flanelllappen,  die  mit  Schmierseife  bestrichen 
worden,  binnen  12—36  Stunden  bis  zum  Wundwerden  der 
Haut  abgelöst.  Solches  eignet  sich  zuweilen  für  Psoriasis  der 
Kniee  und  Ellbogen. 

Stärkere  Aetzmittel,wie  concentrirte Kalilösung  (1:2), 
Essigsäure,  Citronensäure,  Salzsäure  etc.  werden  nur  zeitweilig 
dort  in  Anwendung  kommen,  wo  alle  übrigen  Macerations- 
methoden  die  Entfernung  der  Epidermis  nicht  zu  bewirken  im 
Stande  waren. 

Schliesslich  kann  man  auch  von  dem  rein  mechani- 
schen Verfahren  mittelst  des  Schablöffels ,  Reiben  mit  Sand, 
Bimsstein,  an  einzelnen  Stellen  Gebrauch  machen,  um  sehr  harte 
Epidermisschwielen  zu  entfernen. 

Die  eigentlichen  Heilmittel  gegen  Psoriasis  sind  die- 
jenigen ,  welche  die  der  Schuppenbildung  zu  Gründe  liegende 
hyperämische  SchweUung  und  Entzündung  der  Haut  zur  RÜck- 
büdung  bringen  können.  Unter  diesen  ist  neben  den  schon 
genannten  Mitteln,  welche ,  wie  die  kaltnassen  Einhüllungen, 
Seifen  etc.,  zum  Theile  auch  in  dieser  Richtung  wirken,  vor 
Allem  der  Theer  zu  erwähnen. 

The  er  ist  überhaupt  das  vorzüglichste  Mittel,  um  chro- 
nische oder  subacute  Hyperämie  der  Papillarschichte  ver- 
schwinden zu  machen  und  wirkt  darum  bei  Psoriasis  aut  s 
glänzendste.  Man  macht  hiebei  die  sonderbare  Erfahrung,  dass 
bei  Psoriasis  der  Theer  auf  die  wunden,  blutenden  Hautstellen 
applicirt  werden  kann,   ohne   die  Entzündung  zu  steigern. 


Psoriasis. 


385 


während  derselbe  bei  Eczem  die  epidermislose  Haut  intensiv 
reizt. 

Von  Theersorten  wenden  wir  die  sclion  pag.  99  erwähnten 
an:  Oletim  fagi,  Buchentheer,  Oleumßusci,  Birkentheer, 
seltener  Oleum  Cadinum  von  Juniperus  oxycedrus  und 
Tinctura  Rusoi  (Olei  Rusci  50,  Aether.  sulf.  Spir.  vin. 
rectif.  aa  75,  Filtrat.  adde :  Olei  lavandul.  2.) 

Weniger  zweckmässig  ist  ein  Derivat  des  Theers ,  Re- 
sineon,  welches  ebenfalls  ein  fettiges  Oel  darstellt. 

Der  Theer  wird  meist  derart  angewendet ,  dass  derselbe 
aiif  die  psoriatischen  Stellen,  nachdem  sie  im  Bade  mittelst 
Seife  von  ihrer  Epidermis  befreit  worden  sind,  in  dünner 
Schichte  mittelst  eines  Borstenpinsels  1— 2mal  des  Tages,  oder 
nur  des  Abends  energisch  eingerieben  wird,  worauf  der  Kranke 
sich  in  Wollkleider  steckt;  und  dass  diese  Prooedur  täglich 
wiederholt  wird. 

Energischer  wirkt  derselbe  als  sogenanntes  The  erb  ad. 
Es  besteht  darin,,  dass  der  Kranke  im  Bade  zunächst  mit 
Seife  tüchtig  abgerieben,  hierauf  unmittelbar  an  allen  kranken 
Stellen  eingetheert  und  sofort  wieder  in's  Wasser  gesetzt  wird, 
woselbst  er  4—6  Stunden  verbleibt.  Am  Schlüsse  wird  er 
abgewaschen,  abgetrocknet  und  dann  mit  irgend  einem  anderen 
Medicamente  tractirt. 

Als  mögliche  schädliche  Wirkungen  des  Theers  sind  zu 
erwähnen :  Erstens  eine  örtliche  Entzündung  der  Haut,  da  wo 
zwei  Hautflächen  gegenseitig  aufeinander  lagern  und  sich  er- 
wärmen, z.  B.  Scrotum  und  Penis.  Man  beugt  ihr  vor  durch 
Einlegen  von  in  Puder  getauchter  Charpie  oder  Baumwolle. 
Zweitens  die  Erscheinungen  der  acuten  Theerresorption,  Theer- 
Intoxication.  Es  geschieht  zuweilen,  dass  nach  der  ersten 
ausgebreiteten  Application  von  Theer  so  viel  von  dem  letz- 
teren aufgesogen  wird  und  in  die  Blutmasse  gelangt,  dass  ein 
Complex  von  Intoxicationserscheinungen  auftritt.  Die  Kranken 
bekommen  Eieber,  Ueblichkeit,  Aufstossen,  belegte  Zunge,  Er- 
brechen von  theerhaltigen ,  schwarzen  Massen,  diarrhoische 
Stühle  von  solchen  Flüssigkeiten ,  Ischurie ,  Strangurie ,  Ent- 
leerung theerhaltigen,  schwarzen  Urins.  Nach  24 — 48  Stunden 
stellt  sich  reiche  Transspiration  ein,  die  Erscheinungen  lassen 
nach:  leichtere  Diurese,  anfangs  olivengrüner,  später  heller 
TJrin  und  Wiederkehr  des  Wohlbefindens.    Gewöhnlich  ver- 

Kaposi,  Hautkrankheiten. 


1 


ygß  Zweiundzwanzigste  Vorlesung. 

tragen  die  Kranken  hierauf  das  Mittel  oluie  Anstand.  Man 
thut  aber  gut,  in  Voraussicht  einer  solchen  Complication ,  die 
ersten  Tage  nur  kleine  Territorien  einzutheeren  und  den 
Urin  zu  invigiliren.  Sobald  dieser  olivengrün  scheint,  setzt 
nian  eben  mit  dem  Theer  aus.  Nach  und  nach  gewöhnt  sich 
der  Organismus  ganz  gut  an  das  Eintheeren.  Bei  jugendlichen 
Individuen  und  Kindern  ist  diese  Vorsicht  um  so  nothwendiger. 

Als  dritte  schädliche  Wirkung  der  Theerapplication  ist  das 
Auftreten  von  zahlreichen  Acneknoten,  namentlich  an  der  Streck- 
seite der  unteren  Extremitäten  und  an  behaarten  SteUen  zu 
erwähnen,  das  sind  schmerzhafte,  harte,  in  der  Mitte  von  einem 
schwarzen  Punkt  oder  Haar  gezeichnete  Knoten,  bei  deren  Er- 
scheinen der  Theergebrauch  sistirt  werden  muss. 

Schwefel,  als  natürliche  oder  künstliche  Schwefelbader. 
Zur  Bereitung  der  letzteren  bedienen  wii'  uns  der  Solutio 
Vlemingkx,   einer  Kalk-Schwefelleber,   welche,  nach  der  von 
Schneider  angegebenen  Modification  bereitet,  gegenwärtig  bei 
uns  officinell  ist.  Die  Solution  wird  wie  der  Theer  verwendet, 
indem  man  den  Kranken  im  Bade,  nachdem  er  mit  Seife  abge- 
rieben worden  war,  mit  derselben  einpinselt,  tmd  durch  mehrere 
Stunden  sitzen  lässt;  oder  indem  sie  nach  beendetem  Bade  aut- 
gestrichen und  den  ganzen  Tag  über  auf  der  Haut  belassen 
wird  In  dem  letzteren  Ealle  wird  die  Haut  sehr  trocken  und 
verursacht  die  Solution  Brennen;  sie  kann  daher  am  besten 
in  Abwechslung  mit  anderen  Medicamenten  verwendet  werden 
Auf  zarte  HautsteUen  kann  dieselbe  sogar  ätzend  wirken  und 
zur  Schorfbildung  führen,  daher  sie  für  das  Gesicht  niemals 

verwendet  werden  soU.  .  ,  tt  + 

Ausgezeichnet  wirkt  das  vouHebra  modificirte  Ung^^ent. 
Wilkinsoni,  in  welchem  die  Wirkungen  von  Schwefel, 
Theer,  Seife  und  Fett  vereinigt  sind  (ßp.:  Sulf.  citrini,  Olei 
fagi  aa  50;  Sapon.  viridis,  Axung.  porci  aa  100,  Pulv.  cret. 
alb  10).  Die  Salbe  wird  durch  6  Tage  täglich  zweunal  em- 
gerieben  -  ohne  Litercurrenz  eines  Bades.  Erst  nach  erfolg-- 
ter  Abschiebung  der  Epidermis,  am  10.-12.  Tage,  ist  das  Bad 

räthlich.  ,    -,  i         o  n 

Weisse  Präcipitatsalbe  nach  der  Formel  von  2,0 

bis  5,0  auf  40,0  Ung.  emoU.  auf  die  wund  geriebenen  Pso- 
riasisstellen  mittelst  Borstenpinsels  dünn  eingerieben  ,  eignet 
sich  wegen  ihrer  Färb-  und  Geruclilosigkeit  für  Psoriasis  des 


Psoriasis. 


387 


Gesichtes  und  behaarten  Kopfes,  und  für  vereinzelte  Plaques 
des  Körpers.  Bei  allgemeinerer  Application  verursacht  dieselbe 
leicht  Salivation. 

Energischer  noch  wii'kt  U  n  g  u  e n  t  u  m  II  o  c  h  a  r  d  i ,  eine 
Jodquecksilbersalbe,  nach  der  Formel :  Jodii  puri  0,50,  Calomel 
1,50,  Leni  igni  fusis  adde  Ung.  rosat.  70,0.  Dieselbe  veran- 
lasst oft  unliebsames  Eczem. 

Ausser  den  genannten  kann  man  noch  Salben  von  Nitras 
hydrarg.  acid\ilus,  Protojoduretum,  Deutojoduretum  hydrargyri, 
Magisterium  Bismuthi ,  Oxydum  Zinci ,  Acidum  salicilicum, 
carbolicum  (1  :  40  —  5  :  40)  anwenden ,  welche  Mittel  aber  im 
G-rossen  und  Ganzen  wenig  directe  Heilwirkung  äussern. 

Alle  bisher  bekannten  ArzneistofFe  übertrifft  an  actueller 
Wirksamkeit  gegen  Psoriasis  das  Chrysarobin,  welches  im 
Jahre  1878  durch  Balmano  Squire  zuerst  in  die  Praxis  ein- 
geführt worden  ist.  Dasselbe  wird  durch  Extrahiren  mittelst 
heissen  Benzols  bis  zur  Menge  von  80 — 85''/g  aus  Goa- 
P  0  w  d  e  r  gewonnen,  einem  schmutzig-graugrünen  Pulver  ,  das 
grösstentheils  aus  Holz-  und  Markfasern  eines  in  Brasilien 
heimischen  Baumes  (einer  Leguminose)  besteht  und  daselbst 
sowohl ,  wie  in  Ostindien  (G  o  a) ,  wohin  es  importirt  worden, 
seit  längerer  Zeit  gegen  verschiedene  Hautkrankheiten,  nament- 
lich ßingworm,  mit  Nutzen  in  Anwendung  stand.  Durch  einen 
Kranken  auf  die  Heilwirkung  des  Goa-Pulvers  auch  gegen 
Psoriasis  aufmerksam  gemacht,  hat  B.  Squire  zunächst  dieses 
selbst,  alsdann  das  durch  Extraction  desselben  gewonnene 
goldgelbe  Pulver  in  Anwendung  gezogen,  welches  anfangs  für 
Chrysophansäure  gehalten  wurde  (Attfield),  seit  Lieber- 
mann's  Nachweis  aber  als  Chrysarobin  zu  gelten  hat. 

Chrysarobin  stellt  eine  gelbe,  aus  zarten,  nadeiförmigen 
Krystallen  bestehende  Substanz  vor,  welche  der  Phenolgruppe 
angehört,  in  Wasser  fast  gar  nicht,  leicht  in  heissem  Alkohol, 
Benzol,  Eisessig  und  heissem  Eett  und  Vaseline  löslich  ist. 
Zum  Gebrauche  eignet  sich  am  besten  eine  Salbe  von:  Chry- 
sarobini  10,  Vaselini  40  und  eine  schwächere  von  5  Chrysaro- 
bin auf  40  Vaseline  oder  Ungu.  emoUiens.  Die  wahrhaft  über- 
raschende Wirkung,  welche  B.  Squire  von  dieser  Salbe 
angegeben  hat ,  ist  sofort  auch  hier ,  (zunächst  von  Neumann 
dann  Jarisch  und  mir)  bestätigt  worden. 

Nachdem  das  Gros  der  Schuppen   durch   ein  Bad  und 

25* 


388  Zweiimdzwanzigste  Vorlesung. 

Seifenwasclaung  abgelöst  worden,  wird  die  Chrysarobinsalbe 
mittelst  eines  Borstenpinsels  auf  die  Psoriasisstellen  dünn  ein- 
gerieben, u.  z.  mehrere  Tage  bintereinander ,  ein-,  höchstens 
zweimal  des  Tages.  Während  dieses  Cyclns  wird  nicht  ge- 
badet lind  nicht  gewaschen.  Manche  Flecke  erscheinen  schon 
nach  der  4.-8.,  andere  erst  nach  12—16—20  Einreibungen 
auffallend  weiss  und  schuppenlos,  während  die  angrenzende 
Haut  blauroth,  violettbraun  verfärbt  ist. 

Neben  der  frappirend  schnellen  Heilwirkung  auf  die  ein- 
zelnen Psoriasisflecke  hat  das  Mittel  noch  den  Vorzug,  dass 
es  geruchlos  ist,  auch  auf  wunden,  blutenden  Stellen  gar  nicht 
schmerzt,  die  Haut  geschmeidig  erhält  und  das  umständliche 
und  kostspielige  Baden  überflüssig  macht. 

Nachtheile  desselben  sind:  die  Missfärbung  (in  Violett- 
braun) der  Leibwäsche,  der  Nägel,  Haare  und  der  gesunden 
Haut,  weshalb  es  im  Bereiche  des  Gresichtes  nicht  gut  an- 
zuwenden ist.   Ferners  die  entzündungerregende  Eigen- 
schaft desselben,  welche  an  den  nicht  psoriatischen,  also  ge- 
sunden Hautstrecken  als  diffuse  ßöthung,  oder  schmerzhafte 
Schwellung,  oder  Acne-  und  Furunkelbildung    erscheint  — 
Dermatitisformen ,  die  oft  über  den  ganzen  Körper  sich  aus- 
breiten, von  Fieber  und  intensiver  Störung  des  AUgemeinbefindens 
begleitet  sind  und  zwei  bis  drei  "Wochen  zu  ihrem  Ablaufe 
erheischen.  Noch  schlimmer  ist,  dass  nun  auf  derart  gereizten 
Hautstrecken  acute  Psoriasis-Eruption  aufzutreten  pflegt. 

Am  besten  verhütet  man  diese  störenden  Nebenwirkungen, 
wenn  die  Chrysarobinsalbe  sofort  bei  Seite  gelassen  wii'd  ,  so- 
bald um  die  einzelnen  Plaques  intensiv  rothe  Halenes  auf- 
treten, und  dieselbe  erst  dann  neuerlich  applicirt,  wenn  die  Rothe 
geschwunden  ist.  Im  Gesichte  überhaupt  ist  sie  nicht  anzu- 
wenden ,  und  bei  diffuser  Psoriasis  nur  mit  grosser  Vorsicht. 

Acid.  pyrogallicum  hat  A.  Jarisch,  als  chemisch  dem 
Chrysarobin  verwandten  Körper  (Bioxy-Phenol)  gegen  Psoriasis 
versucht  und  erprobt.  Die  von  ihm  angegebene  Salbe,  Acid.  pyro- 
gallici  10,  Vaselini  100,  ist  wie  das  Ungu.  Chrysarobini  geruchlos 
und  nicht  schmerzhaft  und  wirkt  zwar  nicht  so  prompt  wie 
Chrysarobin,  aber  doch  auch  vortrefflich.  Dagegen  führt  dieselbe 
nie  störende  Entzündungen  herbei,  es  wäre  denn,  wenn  sie  auf 
Leinwand  gestrichen  aufgelegt  wird.  Als  unangenehme  Neben- 
wirkung der  Pyrogallussalbe  stellt  sich  zumeüen  die  Empfin- 


Psoriasis. 


389 


dung  von  Trockenheit  iind  Jucken  ein,  wodann  ihre  Anwen- 
dung unterbrochen  und  die  juckenden  Hautstellen  mittelst 
einfachem  Fett,  oder  mit  Tinct.  Rusci  bepinselt  werden.  Etwas 
allarmii-ender  ist  das  Auftreten  von  Strangurie  und  Aus- 
scheidung von  olivengrünem  bis  theerschwarzem  Urin  unter 
massiger  Fieberbewegung  und  UebKchkeit,  bei  manchen  Kranken, 
bei  densn  das  Unguent.  pyrogallicum  wiederholt  über  den 
ganzen  Körper  eingerieben  worden.  Der  Symptomencomplex 
ist  die  Folge  der  massigen  Aufsaugung  der  Pyrogallussäure 
und  ihrer  Ausscheidung  durch  die  Nieren.  Auf  dem  "Wege 
durch  die  Blutbahn  wird  dieselbe  durch  Oxydation  zu  einem 
theerartigen  Körper  verwandelt  (ähnlich  wie  Carbolsäure  nach 
erfolgter  Resorption) ,  der  den  Urin  schwarz  macht.  Der  Zu- 
stand geht  rasch  vorüber.  Von  diesen  Zufällen  abgesehen,  ist 
von  der  Pyragallussalbe  keinerlei  Nachtheil  zu  befürchten  und 
ihr  Gebrauch  daher  für  die  Praxis  sehr  zu  empfehlen.  Sie 
wird  ebenfalls  mittelst  Borstenpinsels  eingerieben,  täglich 
l — 2mal  und  so  lange  als  nöthig.  Intercurrirend  kann  ein 
Bad  genommen  werden.  Sowohl  die  psoriatische  als  die  gesunde 
Haut  werden  von  dieser  Salbe  für  längere  Zeit  braun  gefärbt. 

Aus  dem  angeführten  reichen  Vorrath  von  Heilmitteln  und 
Methoden  hat  nun  der  Arzt  das  Richtige  zu  wählen,  indem  er 
auf  die  Form  und  Intensität  der  Erkrankung ,  die  individuellen 
und  äusseren  Verhältnisse  des  Kranken  jederzeit  gebührende 
E/ück  sieht  nimmt. 

Die  Behandlungsdauer  ist  caeteris  paribus  bei  verschie- 
denen Individuen,  und  bei  demselben  Kranken  zu  verschiedenen 
Zeitepochen  sehr  unterschiedlich,  eiamal  sehr  kurz,  das  andere- 
mal  kaum  abzusehen.  Am  raschesten  ist  Heilung  zu  erwarten, 
wenn  die  Psoriasis  eben  im  Stadium  decremen ti  sieh  befindet; 
es  schlagen  aber  fast  alle  Mittel  fehl,  wenn  der  Kranke  in 
der  Periode  neuer  Eruptionen  zur  Behandlung  kommt. 

Dass  dauernde  Heilung  der  Psoriasis  überhaupt  durch 
keinerlei  Heilverfahren  zu  erlangen  ist,  habe  ich  schon  hervor- 
gehoben. 


Dreiundzwaiizigste  Yoiiesuiig. 

Pityriasis  rubra.  Liehen,  Liehen  serophuloeorunn.  Liehen  ruber. 


Pityriasis  rubra  (Hebra). 

Viele  Autoren  und  praktisclie  Aerzte  gebranclien  die  seit 
Bateman  geläufige  Bezeichnung  Pityriasis  rubra  für  alle  Fälle, 
in  denen  die  Haut  auf  grossen  Strecken ,   oder  allgemein  in 
cbronisclier  Dauer  rotli  und  schuppend  erscheint,  und  dies  aus 
dem  Grunde,  weil  die  etymologische  Bedeutung  des  Wortes 
dem  Krankheitsbilde  ganz  entspricht  (TuiTupov,  Kleie  und  ruber). 
Allein  ein  derartiger  Zustand    der  Haut  kann  durch  ganz 
verschiedenartige  Processe ,  Eczem ,  Psoriasis,   oder  Liehen 
ruber  bedingt  sein,  und  in  allen  solchen  FäUen  bedeutet  der- 
selbe nichts  anderes,   als  ein  gewisses  Stadium  je  eines  der 
genannten  Processe.    Darum  gebrauchen  wir  auch  für  solche 
Krankheitsformen  keineswegs   den   Namen  Pityriasis  rubra, 
sondern  den  der  Krankheit,  durch  welchen   die  geschilderte 
Röthung  und  Schuppung  eben  bedingt  ist,   also  Eczem  oder 
Psoriasis,  oder  Liehen  ruber. 

Wir  verstehen  unter  Pityriasis  rubra  eine  ganz 
eigenartige  Krankheit,  welche  von  Hebra  zuerst  beschrieben 
worden  ist,  im  Ganzen  ausserordentlich  selten  vorkommt  und 
sich  dadurch  charakterisirt,  dass  bei  derselben  eben  gar 
keine  anderweitige  Proruptionsform,  weder  Knöt- 
chen oder  Bläschen,  nochPusteln,  sondern  immer 
einzig  und  allein  vom  Beginne  an,  wie  während 
ihres  ganzen  Verlaufes  nur  Röthung  und  Schup- 
pung der  Haut  vorhanden  ist. 


Pityriasis  rubra. 


391 


Man  hat  liöchst  selten  Gelegenheit  die  Krankheit  in 
ihren  ersten  Stadien  zu  sehen.  Ich  war  nur  zweimal  in  dieser 
Lage.  In  diesen  Fällen  begann  die  Krankheit  von  den  Grelenks- 
beugen  aus.  Die  Haut  zeigte  sich  da  in  ziemlich  circumscripter 
Weise  in  der  Schenkelfalte,  Achsel  und  Kniekehle  lebhaft  roth, 
von  etwas  erhöhter  Temperatur  und  mit  kleinen,  feinen,  in 
massiger  Abkleiung  sich  befindenden  Schüppchen  belegt,  ohne 
Infiltration,  ohne  Nässen,  ohne  Efflorescenzen. 

Die  meisten  Fälle  sind  in  vorgerückteren  Stadien  und  als 
über  den  grössten  Theil  der  allgemeinen  Decke,  oder  über  den 
ganzen  Körper  gleichmässig  ausgebreitete  Erkrankung  zur 
Beobachtung  gekommen. 

Allüberall  erscheint  die  Haut  lebhaft-  bis  blauroth,  nament- 
lich an  den  unteren  Extremitäten  livid ;  ihre  Epidermis  in 
feinen,  kleinen  Schüppchen  oder  in  etwas  grösseren  dünnen 
Lamellen  sich  loslösend,  ohne  dass  es  irgendwo  zu  einer 
eigentlichen  Schuppenauflagerung,  oder  andererseits  zur  gänz- 
I  liehen  Abhebung  der  Epidermis  und  zu  Nässen  käme.  Die  Gre- 
sichtshaut  von  derselben  Beschaff'enheit  und  ebenso  die  des 
behaarten  Kopfes,  während  Flachhand  und  Fusssohle  entweder 
blass  oder  injicirt,  dabei  mit  einer  glänzenden  dickeren  Epi- 
dermisauflagerung  versehen  sind.  Die  Hauttemperatur  ist  er- 
höht. Auf  Druck  blasst  die  ßöthe  ab,  mit  Zurücklassung  einer 
gelblichen  Tingirung.  Subjectiv  empfinden  die  Kranken  sehr 
mässiges  Jiicken  und  fortwährend  die  Empfindung  des 
Frösteins. 

Die  Krankheit  entsteht  ohne  nachweisbare  Veranlassun- 
gen und  ohne  bekannte  Vorläufer  gleichzeitig  an  mehreren 
oder  vielen  Körperstellen,  namentlich  den  Gelenksbeugen,  und 
breitet  sich  binnen  wenigen  Monaten,  eii;  bis  zwei  Jahren,  über 
den  ganzen  Körper  aus  mit  Beibehaltung  des  ursprünglichen 
Charakters. 

Der  Verlauf  erstreckt  sich  auf  viele  Jahre  und  zeigt 
niemals  eine  Aenderung  im  Sinne  der  Rückbildung,  sondern 
nur  in  dem  einer  Steigerung  der  durch  die  chronische  Hyperämie 
eingeleiteten  Ernährungsstörung  in  der  Haut. 

Während  nämlich  die  wie  geschildert  beschaffene  Haut  durch 
ein  bis  drei  Jahre  noch  ihre  Geschmeidigkeit  und  Elasticität 
beibehält,  so  dass  die  Kranken  ihrem  Berufe  nachgehen  können 
imd  höchstens  durch  übermässiges  Jucken,    gestörten  Schlaf, 


gg2  Dreiundzwanzigste  Vorlesung. 

zeitweilige  Indigestion  und  andauerndes  Kältegefülil  belästigt 
werden,  kommt  es  im  weiteren  Verlaufe  zu  stellenweiser  Ver- 
dicku.ng  der  allgemeinen  Decke,  theils  durch  ödematöse  Schwel- 
lung, tlieils  durch  etwas  massigere  Schuppenauflagerung.  In 
dieser  Periode  sieht  das  Bild  dem  einer  chronischen  Psoriasis 
universalis  oder  eines  Eczema  universale  am  ähnlichsten. 

Inzwischen  etablirt  sich  allenthalben,  statt  des  lebhaften 
Roth  eine  mehr  cyanotische  Färbung  ,  und  nun  beginnt  ein 
offenbarer  Schrumpfungsprocess  der  Haut,  so  dass  sie  allmälig 
gleichsam  für  den  Körper  zu  enge  wird.  In  Folge  der  Span- 
nung  der  Haut  kann  der  Mund  nur  unvollständig  geöffnet 
werden,  die  tinteren  Lider  sind  ectropisch,  die  Finger  in  halber 
Beugung;  über  den  Streckseiten  der  Kniee  und  Ellbogen  ist 
die  Haut  glatt,  glänzend ,  verdünnt ;  über  den  Unterschenkeln 
stramm  angezogen,  atlasartig  glänzend,  schwer  in  eine  Falte 
zu  heben ;  ebenso  beschaffen  ist  die  Haut  der  Fusssohlen,  deren 
Epidermislage  ausserordentlich  verdünnt  ist,  so  dass  das  Gehen 
durch  die  Empfindlichkeit  der  Fusssohle  behindert  wird.  Auch 
die  Kopf-  und  Körperhaare  werden  dünn,  fallen  aus ;  die  Finger- 
und Zehennägel  sind  dünn,  zart,  gläsern,  brüchig  oder  ver- 
dickt und  käsig  entartet.  Inzwischen  hat  auch  die  Gesa  mm  t- 
ernährung  bedeutende  Einbusse  erlitten;  das  Unterhautfett- 
gewebe ist  grösstentheüs  geschwunden;  es  hat  sich  ein  all- 
gemeiner Marasmus  eingestellt. 

An  den  stramm  angezogenen  HautsteUen,  wie  namentlich 
über  den  Unters chenl^eln  und  Gelenken,  wird  die  Epidermis 
nun  vielfach  eingerissen  ,  oder  auch  auf  grosse  Strecken  los- 
gehoben, wodui'ch  bald  da,  bald  dort  theils  flache,  zuweilen 
recht  ausgebreitete  wunde  Flächen ,  theils  selbst  Decubitus 
ähnliche  Geschwüre  zu  Stande  kommen. 

In  einem  Falle  habe  ich  im  Verlaufe  von  zwei  Jahren 
dreimal  über  der  rechten  Schultergegend,  am  Oberschenkel  und 
vorne  über  den  Rippen  spontane  Gangrän  der  Haut  beobachtet, 
welche  im  Umfange  eines  Kreuzers  begann  und  diu'ch  anfangs 
gleichmässiges,  später  nur  in  einem  Theil  der  Peripherie  statt- 
findendes Fortschreiten  bis  flachhandgrosse  Substanzverluste 
gesetzt  hat ,  die  erst  binnen  mehreren  Monaten  wieder  zur 
Verheilung  kamen. 

Dieses  Individuum ,  sowie  alle  anderen,  Hebra  und  mir 
bekannt  gewordenen  Fälle  sind  nach  mehr-  bis  vieljähriger 


Pityriasis  rubra. 


393 


Dauer  ilires  Leidens  scliliesslicli  im  Marasmus,  mit  oder  ohne 
complicirende  Pneumonie,  Diarrhoe,  Tubercvüose  zu  Grrunde 
gegangen. 

Inßiicksicht  auf  diese  Erfahrungen  kann  die  Prognose 
des  Uebels  nur  ungünstig  lauten,  obgleich  ich  glaube,  einen 
Fall  geheilt  zu  haben,  der  mir  aus  den  Augen  gekommen  ist, 
und  obgleich  ein  des  Gegenstandes  kundiger  Collega  mir  münd- 
lich mittheilte,  dass  er  selbst  einmal  an  Pityriasis  rubra  ge- 
litten habe  und  nun  genesen  sei. 

Ueber  die  Ursache  der  Krankheit  sind  wir  in  voll- 
ständiger Unkenntniss.  Hebra  selbst  hat  von  dieser  Krankheit 
bis  jetzt  etwa  15  Fälle ,  ich  selbst  habe  deren  nur  6  gesehen. 
Sie  alle  betrafen  männliche  Individuen,  darunter  eines  in  den 
Zwanziger- Jahren,  die  anderen  in  dem  Alter  von  40 — 50  Jahren, 
und  hatten  meist  in  den  genannten  Altersperioden,  in  einem 
Falle  schon  in  früher  Kindheit  begonnen. 

Die  feineren  anatomischen  Veränderungen  bei  Pity- 
riasis rubra  hat  Hanns  Hebra  an  zwei  zur  Obduction 
gelangten  Fällen  studirt  und  in  belehrender  Weise  mitge- 
theilt.  Bei  dem  Einen  hatte  die  Krankheit  mehr  recenten  Cha- 
rakter und  zeigte  die  Haut  mikroskopisch  die  Erscheinungen 
einer  mässigen  entzündlichen  Infiltration.  In  dem  anderen, 
sehr  vorgeschrittenen  Falle  aber  fand  sich  höchstgradige 
Atrophie  der  Haut,  welche  in  Schwund  des  Rete  xmi  der  Pa- 
pillen,  Sclerosirung  des  Bindegewebes  und  Ueberwiegen  der- 
elastischen  Fasern,  reiche  Pigmenteinlagerung  im  Corium ,  so- 
wie Verödung  der  Schweiss-  und  Talgdrüsen  und  Haarfollikel 
sich  zu  erkennen  gab.  In  beiden  Fällen  fand  sich  überdies 
Tuberculose  der  Lungen,  des  Darmes  xind  bei  dem  vorge- 
schrittenen auch  ein  Tuberkelknoten  im  Kleinhirn. 

Anlässlich  des  letzteren  Sectionsbefundes  hat  Fleischmann 
erinnert,  dass  er  eine  der  Pityriasis  rubra  entsprechende  Haut- 
aifection  bei  Kindern  gesehen  habe,  welche  bei  der  Obduction 
solitäre  Tuberkel  im  Gehirn  aufwiesen.  Bei  einem  obducirten 
Kranken  habe  ich  leichtgradige  atheromatöse  Erkrankung  der 
Arterien  gesehen.  Für  die  Aetiologie  des  Processes  bieten  die 
vorliegenden  Befände  noch  keine  genügende  Grundlage. 

Die  Diagnose  dieses  Hautübels  ist  nicht  gar  leicht. 
Seine  positiven  Merkmale  sind,  wie  früher  geschildert,  nur 
spärliche,  und  es  ist  daher  zu  dessen  Feststellung  auch  der 


1 


gg^  Dreiundzwanzigste  Vorlosung. 

negative  Thatbestand  nothwendig ,  das  FeWen  der  Symptome, 
welche  Psoriasis,  Liehen  ruber  und  Eczema  sf^ua- 
mosum  cbarakterisiren.  Es  müssen  daher  in  jedem  Falle 
diese  zur  Differentialdiagnose  in  Vergleich  gebracht  und  aus- 
geschlossen werden. 

In  Bezug  auf  die  Behandlung  dieser  Krankheit  sind 
wir  auf  die  symptomatischen  Indicationen  angewiesen.  In 
manchen  Fällen  haben  wir  gesehen,  dass  Theer  und  Fett  den 
localen  Process  nur  steigern.  In  einem  Falle,  der  über  zwei  Jahre 
in  meiner  Behandlung  stand,  habe  ich  in  methodischer  AVeise 
innerlich  Arsenik,  Carbolsäure,  Decoctum  Zittmanni  ohne  allen 
Erfolg  nehmen  lassen  und  nur  je  nach  dem  Wechsel  der  Haupt- 
symptome örtliche  Mittel ,  continnirliche  Bäder  ,  Theerbäder, 
modificirteWiLKiNSON'sche  Salbe,  Einhüllungen  mit  Ung.  diachyU 
mit  Kautschukgewand,  Beölen  mit  Oleum  jecoris  aseUi  mit  oder 
ohne  Theer,  einfachem  Fett  u.  s.  w.  mit  dem  Effecte  der  momen- 
tanen Linderung  einzelner  Beschwerden  angewendet. 

In  einem  einzigen  recenten  Falle,  bei  einem  jungen  Manne, 
ist  unter  dem  innerlichen  Grebrauche  von  Carbolsäure  Heiliuig 
eingetreten  ,  nachdem  alle  örtlichen  Mittel  die  Hautaffection 
nur  verschlimmert  hatten. 

Liehen. 

Wie  mancher  andere  von  den  Alten  überkommene  Krank- 
heitsnamen, wird  auch  Liehen  in  der  fremdländischen  Litera- 
tur lind  von  praktischen  Aerzten  in  differentem  Sinne  gebraucht ; 
meist  aUerdings,  nach  dem  Vorgange  von  Willan  ,  zur  Be- 
zeichnung von  kleinen  Knötchen  -  Effiorescenzen  überhaupt, 
ohne  Rücksicht  auf  deren  nosologische  Bedeutung;  so  dass 
Processe  von  sehr  differenter  Bedeutung  als  Liehen  figuriren, 
wofern  nur  im  Momente  der  Bezeichnung  Knötchen  zugegen 
sind,  z.  B.  solche  des  Eczem,  oder  der  Urticaria,  oder  Acne. 

NachHBBEA  dagegen  ist  als  Liehen  nur  jene  Krank- 
heitsform zu  bezeichnen,  bei  welcher  Knötchen 
gebildet  werden,  die  in  typis eher  Wei  s e  bestehen 
und  im  ganzen  chronischen  Verlaufe  keiue  weitere 
Umwandlung  zu  Effiorescenzen  höheren  Grades, 
d.i.  Bläschen  oder  Pusteln  erfahren,   sondern  als 

solche  sich  wieder  involviren. 

Mit  diesem  festgestellten  Begriffe  des  Liehen  kennen  wir 


Liclien. 


395 


mir  zwei  Krankheitsformen,  welche  Hebea  zuerst  pathologisch 
festgestellt  hat:  1.  Liehen  serophulosorum,  2.  Liehen 
r  u  b  e  r. 

Liehen  serophulosorum. 

Diese  Dermatonose  charakterisirt  sich,  neben  chro- 
nischem Verlaufe,  diirch  in  kreuzer-  bis  thalergrossen 
Gruppen  und  Haufen,  stellenweise  in  Ivreislinien  und 
Kreisen  gestellte,  hirsekorn-  bis  stecknadelkopf- 
grosse, sehr  flach  e,  wenig  resistent  e,  blassrothe  bis 
braun-  oderlividrotheKnötchen,  welche  an  ihrer  Spitze 
ein  kleines  Schüppchen,  seltener  ein  ganz  kleines  Eiterbläschen 
tragen  \mi  nach  längerem  Bestände  als  solche  sich  involviren. 

Sie  jucken  nur  sehr  wenig,  bestehen  monatelang  fast 
unverändert,  bilden  sich  alsdann  xinter  geringfügiger  Abblät- 
terung der  Epidermis  und  allmäligem  Abblassen  vollständig 
zurück,  ohne  eine  Spur  ihrer  Anwesenheit  zu  hinterlassen. 

Die  regelmässige  und  vorwiegende  Localisation  des 
Exanthems  ist  der  Stamm,  Rücken  und  Unterleib.  Anfangs 
finden  sich  nur  getrennt  stehende  Haufen  von  solchen  Knöt- 
chen ,  später  können  auch  nachbarliche  Grruppen  dichter  an- 
einander gedrängt  werden  und  dadurch  scheinbar  gleichmässig 
diffuse  Erkrankungen  darstellen ,  in  deren  Bereich  die  Haut 
schmutzig-braunroth  und  mit  dünnen,  leicht  sich  ablösenden 
Schuppen  besetzt  ist.  Doch  erkennt  man  noch  genau  die  Zu- 
sammensetzung aus  einzelnen  G-ruppen ,  und  dass  letztere  aus 
kleinen  Knötchen  zusammengesetzt  sind. 

Neben  den  genannten  Grruppen  und  confluirenden  Plaqu.es 
finden  sich  auch  einzelne  disseminirte  Knötchen,  sowie  solche, 
die  in  Kreisbögen  angeordnet  sind ;  überdies  pfennig-  bis  thaler- 
grosse  Stellen ,  welche  dadurch  kenntlich  gezeichnet  sind,  dass 
die  Talghaardrüsen-Mündungen  etwas  hervorragen  und  schärfer 
markirt  erscheinen  (Liehen  pilaris,  Cutis  anserina)  —  der  Be- 
ginn der  Knötchenbildung. 

Die  Entwicklung  erfolgt  ausserordentlich  langsam 
und  unmerklich,  der  Verlauf  äusserst  träge.  "Wenn  nach 
monatelangem  Bestände  die  Eruptionen  zahlreicher  geworden 
sind,  dann  erscheinen  analoge  Knötchen  und  Elnötchengruppen 
auch  an  der  Beugeseite  der  Ober-  und  Unterextremitäten,  wo- 
bei die  am  Unterschenkel  befindlichen  zu  grösseren,  mit  einem 


ggg  DruiundKwanzigste  Vorlesung. 

lividen  Halo  versehenen   Knötchen  lierangedeilien  (Liehen 
lividus),  sowie  Efflorescenzen  im  Bereiche  des  Gesichtes. 

Als  begleitende  Erscheinung  findet  sich  in  inten- 
siven Fällen  eczematöse  Erkrankung  des  Scrotum  und  der 
Regio  pubica,  mit  Secretion  einer  höchst  übelriechenden,  serös- 
fettigen Flüssigkeit,  welche  zu  ranzig  riechenden  Borken  ein- 
trocknet; ferners  aus  Entzündung  der  einzelnen  Haarfollikel 
hervorgegangene  Pusteln  und  Krusten  (Eczema  impetiginosum) 
am  Schamberge ;  endlich  durch  Hämorrhagie  und  Exsudatbildung 
in  die  HaarfoUikel  der  unteren  Extremitäten  entstandene 
Knötchen  und  Pusteln,  welche  von  einem  hämorrhagischen 
Hofe  umgeben  sind  (Acne  cachecticorum). 

Fast  ausnahmslos  (ca.  90"/o)  findet  sich  bei  den  mit  Liehen 
scrophulosorum  behafteten  Individuen  eine  nuss-  bis  faust- 
grosse,  indolente  und  manchmal  sogar  vereiternde  Intumescenz 
der  sübmaxiUar-,  Cervical- oder  AxiUardrüsen ,  sowie  zuweüen 
Periostitis,  Caries,  Necrose,  mit  oder  ohne  scrophulöse  Haut- 
geschwüre und  eine  im  AUgemeinen  kachektische,  eigenthümlich 
trocken-fettig  sich  anfühlende  Haut. 

Durchwegs  ist  der  Process  nur  bei  jugendlichen  uud  ui 
der  geschilderten  Weise  als  scrophulös  charakterisirten  Li- 
dividuen  zu  finden,  weshalb  der  Name  Liehen  scrophulosorum 
wohl  gerechtfertigt  erscheint. 

Damit  wäre  gleichzeitig  die  vermuthliche  Ursache  der 
Affection  gegeben.  Nur  selten  haben  wir  die  Krankheit  bei 
scrophulösen  Personen  der  20er  Jahi^e  gesehen ,  niemals  aber 
bei  älteren  und  sonst  sehr  gesund  aussehenden  Lidividuen ;  die 
Mehrzahl  dagegen  im  puerilen  oder  Pubertätsalter. 

Ich  nahe  durch  mikroskopische  Untersuchung  dar- 
^ethan,  dass  der  örtliche  Process  des  Liehen  scrophulosorum  m 
einer  Zelleninfiltration  und  Exsudation  in  nnd  um  die  Haar- 
follikel und  die  dazugehörigen  Talgdrüsen,  sowie  in  die  die  i  ol- 
likelmündung  zunächst  begrenzenden  Papillen  bestehe.  (Fig.  22.) 
Jedes  einzelne  Knötchen  entspricht  demnach  einer  Follicular- 
mündung  und  dessen  Umgebung.  Die  PapiUarschwellung  und 
Infiltration  repräsentirt  das  Knötchen,  und  die  Anhäufung  von 
hvperplastischer  Epidermis,  oder  von  Exsudat  m  der  Follikel- 
mündung steUt  das  centrale  Schüppchen  oder  Pustelchen  dar. 

Der  Process  ist  im  Wesentlichen  als  gutartig  zu  be- 
zeichnen,  insoferne   er   vollständig  zum  Schwinden  kommen 


Liohen  scvopliulosorum. 
Fig.  22. 


397 


Durchsclinitt  eines  Knötcliens  des  Liehen  scrophulosornm. 

n,  Haartalg;  6b,  Wurzelscheide  des  Haarschaftes  (mit  Zellen  durchsetzt)  ;  c,  Haare; 
<J,  Rete  Malpighii,  die  Zellen  länglich  verschoben,  zwischen  ihnen  Exsudatzellen ; 
e,  Epidermismasse  der  Follikelmündung;  , Talgdrüse;  3,  Entzündnngs- (Zellen-)  Infil- 
tration in  dem  perifollioulären  Bindegewehe  ,  sich  fortsetzend  in  die  Papillen  ;  h,  an- 
grenzendes normales  Bindegewebe  des  Corinm;  i.  Blutgefäss.  (Starke  Vergösserung.) 

kann  und  nur  einzelne  Follikel  unter  Eiterung  und  Narben- 
bildung zu  Grunde  geben  (Fig.  23). 

Der  spontane  Verlauf  kann  mebrere  Jabre  betragen. 

Die  Diagnose  des  so  cbarakterisirten  Uebels  ist  nicbt 
scbwer,  wenn  man  die  Grleicbartigkeit  der  Knötcben,  ibr 
Auftreten  in  Grruppen ,  ibre  bauptsäcblicbe  Localisation  am 
Stamme,  ibre  Scblappbeit  und  geringe  Hervorragung  und  ibre 
Complication  mit  den  bescbriebenen  Drüsenscbwellungen  und 
Zeicben  der  Scropbulose  berücksicbtigt. 

Verwecbslung  ist  möglicb,  1.  mit  Eczema  papulosum, 
welches  bei  kleinen  Kindern  zuweilen  in  Form  von  so  flacben, 
schuppenden  Knötcben  auftritt,  die,  weil  sie  den  Haarfollikeln 


398 


Dreiundzwanzigste  Vorlesung. 


Durclisclimtt  einer  Efflorescenz  von  Liclien  ««i'^P^'^^f  ,  ,  ^^j. 

a,  Haarpapüle;  »,  Muse  arrector  piU ;  c  W^^^^^^^  JSÄcheide'  to^^ 

Exsuüatzeuen  n  von  u    ^^^^^^  Schweissdrüsenmundung. 

entsprechen,  gleich  den  letzteren  in  Kreislinien  und  Gruppen 
angeordnet  sei.1  können  (Liehen  eczematodes,  figuratns  dei 
Antoren);  doch  ist  hier  die  Loealisation  nicht  eine  so  typische 
und  kann  es  in  acuter  EntwickKmg  zu  Steigerung  des  Processes 

bis  zum  Eczema  vesiculosum  kommen; 

2.  mitdemkleinpapulösenSyphilid,  demsogenann- 

ten  Liehen  syphiHticus.  Hier  sind  die  Knötchen  ni  der  Regel 
nicht  gruppirt,  sondern  vorwiegend  in  Kreislinien  angeordnet, 
ausserordentlich  derb  und  glänzend,  über  das  Haixtmveau  her- 
vorragend, zumeist  auf  die  Gelenksbeugen  localisu't,  und  es 
fehlt  nur  selten  zwischen  den  kleinen  Knötchen  auch  eme  oder 
die  andere  grössere,  etwa  linsengrosse  Efflorescenz.  Da  solche 
bei  Liehen  scrophulosorum  niemals  vorkommen,  so  wird  mit  dem 
Nachweis   einer   einzigen  grösseren  derben  Papel  der  Unter- 

schied  gegeben  sein.  . 

Die  sogleich  zu  besprechende  Lichenart,  der  LicJien 
ruber  hat  so  prononcirte  Charaktere,  dass  ihre  Verwechslung 
mit  Liehen  scrophulosorum  wohl  nicht  leicht  möglich  ist. 


Lichon  ruber. 


399 


Die  Heilung  des  Liehen  srophtilosorum  erfolgt  mit 
Sicherheit,  wenn  das  betreffende  Individnnm  in  Verhältnisse 
gebracht  wird,  durch  welche  dessen  Ernährung  im  günstigen 
Sinne  alterirt  wird.  Mit  der  Zunahme  der  Ernährung  bessert 
sich  die  allgemeine  Beschaffenheit  der  Haut  und  bilden  sich 
die  Knötchen  zurück.  Eine  bedeutende  Unterstützung  bietet 
der  innerliche  Gebrauch  des  Leberthrans  mit  oder  ohne  Jod, 
z.  B.  Rp. :  Jodii  puri  0,15,  Olei  jecor.  aselli  150,0 ,  Erüh  und 
Abends  einen  Esslöffel  voll  zu  nehmen. 

Wenn  gleichzeitig  auch  der  Haut  noch  durch  fleissige, 
2 — 3  Mal  des  Tages  wiederholte  Beölung  mit  Leberthran,  Eett 
zugeführt  wird,  geht  die  Besserung  noch  rascher  von  Statten. 
Binnen  6  Wochen  bis  3  Monaten  kann  man  die  intensivste 
Form  von  Liehen  scrophulosorum  vollständig  schwinden  sehen, 
wobei  gleichzeitig  auch  die  Drüsenschwelkuig  und  die  Erschei- 
nung;en  der  Acne  cachecticorum,  •  des  Eczema  scroti  etc.  sich 
verlieren. 

Liehen  ruber. 

Diese  merkwürdige ,  ebenso  räthselhafte ,  wie  gefährliche 
Haiitkrankheit  ist  zuerst  von  Hebra  als  Uebel  sui  generis 
erkannt  und  mit  dem  Namen  Liehen  ruber  belegt  worden. 

Was  von  diesem  Forscher  in  Bezug  auf  Symptomatologie 
und  Ausgang  dieser  Krankheit  seiner  Zeit  gelehrt  wurde,  hat 
durch  spätere  Beobachtungen  Ergänzungen  erfahren,  auf  deren 
Grund  wir  heute  von  Liehen  ruber  zwei  Formen  unterscheiden 
müssen :  Liehen  ruber  acuminatus  und  Liehen  ruber  planus. 

Liehen  ruber  acuminatus,  ist  die  von  Hebra  ur- 
sprünglich beschriebene  Form.  Sie  charakterisirt  sich 
durch  disseminirte,  hir  s  eko  rn- bis  stecknadelkopf- 
grosse, rothe,  konische,  an  der  Spitze  ein  dickes 
Epidermishübelchen  tragende,  sehr  derbe  Knöt- 
chen, welche,  wenn  sie  dichter  aneinandergereiht  sind,  rauh 
wie  die  Stacheln  eines  Reibeisens  sich  anfühlen  und  endlich 
zu  diffusen,  rothen,  schuppenden  Flächen  verschmelzen. 

Der  Process  nimmt  seinen  Anfang  entweder  mit  einer 
über  den  ganzen  Körper  zerstreuten,  oder  nur  auf  einzelne 
Stellen  (Gelenksbeugen ,  Stamm)  beschränkten ,  also  ziemlich 
acuten  Eruption  der  beschriebenen  Knötchen,  welche  vorerst 
unregelmässig  disseminirt   stehen   und   sich   alsbald  in  Stri- 


Dreiundzwanzigste  Vorlesung. 

eben  oder  Kreislinien  anreihen,  oder  sich  nnregelmässig  an- 
elnanderdrängen,  indem  zwischen  den  acuten  Knötchen  zahl- 
reiche neue  entstehen.  ri    •  n. 

Derart  werden  nun  binnen  3—4  Monaten  Stamm,  Gesicht, 
Extremitäten  mit  immer  dichter  gedrängten  Knötchen^  besetzt 
und  die  gesunden  Hautinseln  immer  weniger  und  kleiner  h.^ 
entstehen  nunmehr  durch  stellenweise  vollständige  yerschmel- 
zung  der  dicht  stehenden  Knötchen  diffuse  Krankheitsf eider, 
in  deren  Bereich  die  Haut  gleichmässig  verdickt,  roth,  schuppig, 
rissia-  von  tiefen  Furchen  durchzogen,  trocken  erscheint,  ahn- 
Hch  wie  bei  einem  alten  Eczema  sciuamosum.  Nur  am  Rande 
solch'  diffuser  Flecke  findet  man  in  mehreren  Reihen  die  ge- 
schilderten konischen,   mit  einem  Schuppendache  versehenen 
Primärefflorescenzen  des  Liehen  ruber. 

Indem  ein  derartiges  Fortschreiten  des  Processes,  der 
unverändert  seinen  Charakter  beibehält,   von  vielen  SteUeii 
aus  gleichzeitig  stattfindet,  kann  es  ini  Verlauf  von  ein  bis 
mehreren  Jahren  zu  universeller  und  gleichmässiger  Ausbreitung 
des  Processes  kommen,  -  Liehen  ruber  universalis,  in 
einem  solchen  Falle   erscheint   die  Haut  vom  Scheitel  bis 
zur  Zehe  geröthet,  verdickt,  durch  stärkere  Ausprägung  der 
normalen  Linien  der  Haut  gefurcht,   mit  zahlreichen  dünnen 
Schuppen  bedeckt ,    die   Gesichtshaut    trocken ,    rissig  und 
schuppig,  die  unteren  Augenlider  ectropisch,  die  oberen  herab- 
der  behaarte  Kopf  schuppig,  die  Haare  diuin  J 

AusfaUen  begriffen  (Effluvium  ^-V'^''-'^\.^''t^^^^^^^ 
und  Körperhaare  gehen  später  verloren.    Die  Bew  g^Hig  m 
den  Gelenken  ist  durch  die  Verdickung  und  ^agad  s  he  Be 
schaffenheit  der  Haut  gehemmt,  schmerzhaft;   ^andtel  er 
Fusssohle  meist  von  einer  dicken, 

Schwiele  besetzt,  durch  welche  die  Finger  in  «tarkexex  Beu 
gung  gehalten  werden;  dieNägel  an  den  Fmgern  und  Zek^ 
verc'clt,  brüchig,  getrübt.  Dabei        I—u-  s  -  ^ 
.schlecht  genährt,  fortwährend  fröstelnd.  de^^aatig  exc^^^ 

siver  Grad  des  Liehen  ruber  kann  mehrere  Jahie  be  tehen 
ohne,  nach  unserer  Erfahrung,  zur  spontanen  Involution  zu 

''''Tni.r  dem  Einflüsse  einer  so  intensiven 

allmählich  Fmaeiation  des  f^^^^tr^^Z 

oder  unter  einer  accessorischen  Eikiankun« 


Liehen  ruber. 


401 


L  i  c  h  e  11  r  11  b  e  r  p  1  a  11  u  s.  Bei  diesem  entstehen  durchwegs 
platte,  nicht  schuppende  und  von  vornherein  zur  Grrup- 
pirung  und  Plaquesbildung  neigende  Knötchen  von 
eigenthümlichem,  wa c h sar  tigern  Grlaiiz  e  undgedelltem 
Ansehen.  Die  Ejiötchen  sind  hirsekorn-  bis  stecknadelkopfgross 
und  selbst  viel  kleiner,  kaum  nadelstichgross,  die  entwickelten 
grösseren  braun-  oder  blassroth  oder  ganz  blass,  mit  einem 
haarfeinen,  rothen  Saum  an  der  Basis,  von  wachsartigem 
Glanz ,  rundlich  oder  polygonal ,  sehr  derb.  Viele  selbst  der 
kleinsten  Knötchen  zeigen  im  Centrum  ein,  wie  durch  einen 
Nadelstich  gemachtes  kleines  Grriibchen,  das  als  flache  Delle  oder 
feines  Pünktchen  sich  präsentirt.  Die  gescliilderten  Knötchen 
stehen  anfangs  unregelmässig  disseminirt  und  erscheinen  zu- 
meist an  den  Beugen  des  Ellbogens  oder  Handwurzelgelenkes, 
in  der  Kniekehle,  auf  der-  Gr-lans  penis,  oft  auch  an  der  Mach- 
hand und  Pusssohle,  oder  an  dem  Handrücken  zuerst,  aber 
auch  sonst  wo  immer  am  Stamm ,  an  den  Extremitäten ,  an 
den  Fingern  ,  auf  dem  Lippenroth,  auf  den  Augenlidern ,  an 
der  "Wange. 

Sehr  früh  stellen  sich  die  Knötchen  in  streifenförmige 
Reihen  oder ,  der  Follikelanordnung  gemäss ,  am  Stamm  in 
Kreislinien;  noch  häufiger,  und  später  an  den  meisten  Stellen, 
drängen  sie  sich  mosaikartig  aneinander.  Indem  dabei  die 
älteren ,  mittelständigen  einsinken  und  dunkelbraun  werden, 
peripher  wieder  ein  neuer  Kranz  von  platten ,  wachsartig 
schimmernden,  gedellten  Knötchen  sich  anfügt,  entstehen  linsen-, 
pfennig-  bis  thalergrosse  Plaques  von  eigenthümlichem  Ansehen, 
wie  eine  perlenumrahmte  dunkle  Gemme.  Die  grösseren, 
älteren  Plaques  sind  im  Centrum  deutlich  eingesunken  (atro- 
phisch) ,  livid-  bis  säpiabraun.  Endlich  kann  auch  die  Haut 
über  grössere  Flächen  gleichmässig  von  der  Eruption  besetzt 
sein,  wodann  sie  diffus  braunroth,  verdickt  und  körnig,  wie 
Chagrinleder ,  sich  ansieht  und  anfühlt.  Weder  auf  solchen 
Stellen,  noch  über  den  einzelnen  Knötchen  und  Plaques  kommt 
jemals  bemerkenswerthe  Schuppenbildung,  noch  eine  Umwand- 
lung zu  Bläschen  oder  Pusteln  vor. 

Verlauf  und  Dauer  der  Krankheit  ist  äusserst  chro- 
nisch. Viele  Knötchen  schwinden  nach  mehrwöchentlichem  Be- 
stände, mit  Hinterlassung  von  anfangs  dunkelbraunen,  später 
glänzend  weissen,   atrophischen  (narbenähnlichen)  Grübchen; 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  26 


^Qi,  Dreiundzwanzigste  Vorlesung. 

doch  besteht  und  vermehrt  sich  im  Uebrigen  das  Exanthem 
durch  continuirlichen  Nachschub  von  Knötchen. 

Im  Gegensatze  von  Liehen  ruber  acuminatus,  welcher 
rasch  zu  allgemeiner  Verbreitung  sich  steigert,  bleibt  Liehen 
raber  planus  in  einzelnen  Fällen  durch  1-2  Jahre  auf  einzelne 
Körperstellen  beschränkt.  Ob  derselbe  derart  auch  noch  langer 
fortbestehen  und  binnen  Jahren  spontan  zur  Involution  gelangen 
kann  weiss  ich  nicht,  da  die  zur  Beobachtung  gekommenen 
Fälle' sofort  behandelt  worden  sind.  Gewiss  aber  ist,  dass  die 
meisten  Fälle  mit  der  Zeit  eine  universelle  Verbreitung  er- 
langen können. 

Obo-leich  also  diese  beiden  Formen  nach  dem  Typus  ihres 
Ansehens  und  ihres  Verlaufes  sich  von  einander  unterscheiden, 
stellen  sie  doch,  wie  die  klinische  Beobachtung  und  die  ana- 
tomische Untersuchung  lehren,  wesentlich  einen  Process  dar. 
In  der  That  findet  man  auch  beide  Formen  sehr  oft  mitein- 
ander combinirt,  in  der  Art,  dass  z.  B.  am  Penis  und  an  den 
Händen,  Flachhand,  Handrücken  und  Fusssohlen,  Liehen 
planus,   am  Stamm  dagegen  vorwiegend  Liehen  lacuminatus 

sich  darbietet.  „  .,  . 

Was  den  Einfluss  der  Krankheit  auf  den  Gesammtorga- 
nismus  anbelangt,  so  scheint  er  durchwegs  geringer  zu  sein 
als  bei  Liehen  acuminatus. 

Ich  habe  nur  in  einem  Falle  von  Liehen  planus  rasch 
fortschreitende  Abmagerung,  Schlaflosigkeit,  Nebelsehen,  Kopf- 
schmerz beobachtet,  welche  Zustände  erst  unter  der  Behandlung 
vollständig  behoben  wurden. 

Als  häufige  Begleiterscheinung  des  Liehen  ruber  ist 
Jucken  zu  erwähnen,  welches  zuweilen  mässig,  manchmal  aber 
so  intensiv  ist,  dass  dadurch  der  Schlaf  durch  lange  Zeit  ge- 
stört wird.  Erst  mit  der  allseitigen,  durch  die  Behandlung 
bewirkten  Involution  des  Exanthems  hört  das  Jucken  aut._ 

Die  Prognose  bei  Liehen  ruber  ist  insoferne  nicht 
Dünstig,  als  dasUebel,  sich  selbst  überlassen,  nicht  heilt,  sondern 
L  uiüVersellen  Verbreitung  sich  steigert  und  endlich  einen 
tödtlichen  Marasmus  herbeiführt.  ,Ml.Pvbannt 
Dies  gilt  namentlich  für  Liehen  acuminatus  l^auP^' 
und  auch  für  universellen  Liehen  planus.  Die  ersten  141  alle, 
tlZV...  beobachtet  hat,  sind  auch  der  Krankheit  ei.egem 
Seitdem  aber  nach  Hebra's  Indication  eine  erfolgreiche  Behand- 


Liehen  ruber. 


403 


lungsmethocle  uns  zu  Gebote  stellt,  können  wir  bei  Liehen 
ruber  im  Gegentheil  eine  günstige  Vorhersage  machen,  da 
Avir  nun  in  der  Lage  sind,  den  Kranken  mit  Sicherheit  zu 
heilen ,  und  zwar  mit  der  Aussicht ,  dass  auch  keine  Recidive 
eintritt.  Nur  bei  einem  vierjährigen  Mädchen  habe  ich  zwei 
Jahre  nach  erfolgter  Heilung  eine  Erneuerung  des  Processes 
gesehen. 

Ueber  die  Ursache  des  Liehen  ruber  fehlt  uns  jede 
Ivenntniss.  Wir  können  keinerlei  constitutionelles  Moment 
beschuldigen,  da  alle  bisher  beobachteten  Erkrankungen  bei 
sonst  ganz  gesunden  Personen  aufgetreten  waren.  Auch  ist  der- 
selbe weder  ansteckend  noch  erblich.  Wohl  aber  kann, 
wie  bei  Psoriasis,  auch  bei  schon  bestehendem  Liehen,  ein  Haut- 
reiz, eine  Nadelritze  der  Haut ,  die  raschere  Entwicklung  von 
Knötchen  im  Bereiche  jener  zur  Folge  haben. 

Unter  unseren  Liehen  ruber-Kranken  zählen  wir  gut  zwei 
Drittel  Männer  und  nur  ein  Drittel  Weiber,  Die  meisten  Er- 
krankungen zeigten  sich  bei  Personen  zwischen  dem  10.  und 
40.  Lebensjahre.  Einmal  haben  wir  bei  einem  acht  Monate 
alten  Kinde  und  zweimal  bei  drei-  bis  vierjährigen  Kindern 
das  Uebel  aligetroifen. 

In  den  letzten  drei  Jahren  habe  ich  allein  mindestens 
25  Liehen  ruber-Eälle  gesehen,  darunter  17  Fälle  von  Liehen 
ruber  planus,  theils  rein,  theils  gemischt  mit  Liehen  ruber 
acuminatus.  In  der  Spitalspraxis  kommen  die  Fälle  seltener 
zur  Behandlung. 

Bei  den  zur  Section  gelangten,  in  Folge  von  Liehen 
ruber  verstorbenen  Individuen  hat  man  keinerlei  positive  An- 
haltspunkte für  die  Erklärung  jenes  tödtlichen  Marasmus  ge- 
funden. 

Was  die  anatomischen  Veränderungen  in  der  Haut 
selbst  anbelangt,  so  sind  sie  seinerzeit  von  Hebra,  später 
wiederholt  (von  Neümann,  Biesiadecki,  mir  und  Obtdlowic)  Ge- 
genstand der  Untersuchung  gewesen.  Uebereinstimmend  wird 
constatirt,  dass  die  Haarfollikel  und  ihre  nächste  Umgebung 
vorwiegend  den  Sitz  der  Erkrankung  abgeben ;  namentlich  hat 
sich  eine  Hyperplasie  der  Zellen  der  äusseren  Wurzelscheide 
in  dem  unteren  Theile  des  Haarschaftes,  zapfenartiges  Aus- 
wachsen derselben  mit  consecutiver  Ausbuchtung  der  Haarfollikel, 
sowie  Zelleninfiltration  der  den  Follikel  iimgebenden  Papillen 

26* 


404 


Dreiimdzwanzigste  Vorlesung. 


lind  Proliferation  des  sie  bedeckenden  Rete  vorgefunden.  Etwas 
für  Liehen  ruber  Cliarakteristisclies  liegt  in  diesem  Befunde 
nicht.  Man  hat  namentlich  die  zapfenförmigen  Auswüchse  der 
Wurzelscheiden  in  das  Corium  hinein  auch  bei  anderen  chro- 
nischen  Entzündungsprocessen   der   Haut,   wie   bei  Prurigo 
(Deeby),  Dermatitis  chronica,  chronischem  Eczem  vorgefunden. 
Entsprechend  der  Delle  der  einzelnen  Knötchen  bei  Liehen 
ruber  planus   zeigt  sich    der    Papillarkörper  in   der  Aus- 
dehnung mehrerer  Papillen   atrophisirt  und  Biesiadecki  hat 
darauf  aufmerksam  gemacht ,    dass    diese  Stelle    nicht  der 
Mündung  des  Haarfollikels  entspricht,  sondern  der  Anheftungs- 
stelle  des  jeweiligen  Musculus  arrector  pili ,   von  welchem  er 
meint,  dass  derselbe  in  einer  Art  dauernden  Tetanus  sich  be- 
finde. Sicher  ist,  dass  im  Beginne  der  Entwicklung  des  Liehen 
ruber   acuminatus   bisweilen   die  Haut   des  ganzen  Körpers 
einen  Zustand  darbietet  wie  bei  Liehen  pilaris ,  also  ein  Her- 
vorgedrängtsein  der  Haarfollikel  durch  Contraction  des  Haar- 
streckers. Die  das  atrophische  und  später  narbig  aussehende 
Centrum  der  einzelnen  Knötchen  umgebenden  Papillen  bieten 
erweiterte  Maschenräume  und  Gefässe  und  Zelleninfiltration 
dar  und  kehren  wieder  zur  Norm  zurück. 

lieber  das  Wesen  des  Processes  gibt  dieser  anatomische 
Befund  .doch  keine  genügende  Aufklärung.  Es  handelt  sich 
gewiss  noch  um  eine  ganz  ernste  Ernährungsstörung,  die 
in  der  örtlichen  bedeutenden  Gewebsveränderung  (Atrophie) 
und  in  dem  folgenden  allgemeinen  Marasmus  sich  ausprägt. 
Vielleicht  hat  die  Angabe  Biesiadecki's  von  colloider  Entartung 
der  Wandung  der  Papillen-Gefässe  diesbezüglich  eine  hervor- 
ragende Bedeutung. 

Die  Diagnose  des  Liehen  ruber  ist  durch  die  ausge- 
prägten klinischen  Charaktere  desselben  zwar  jederzeit  ge- 
sichert, aber  dennoch,  in  Anbetracht  des  seltenen  Vorkommens 
der  Krankheit,  für  den  minder  Geübten  ziemlich  schwierig. 

Im  Stadium  der  disseminirten  Knötchenbildung  kann  Liehen 
ruber  acuminatus  leicht  mit  Psoriasis  punctata  oder 
Eczema  papulosum  verwechselt  werden.  Die  flachen 
Psoriasisknötchen  werden  binnen  wenigen  Tagen  zu  charak- 
teristischen ,  linsengrossen ,  schuppigen  Elecken  heranwachsen, 
während  die  konisch  hervorragenden  Knötchen  des  Liehen  ruber 
als  solche  persistiren,  und  die  Knötchen  des  Eczema  papiüosum 


Liehen  rnbev. 


405 


sicli  rasch  in  dem  Sinne  von  Eczeni  entweder  zurückbilden 
oder  zu  Bläschen  entwickeln.  Noch  leichter  wird  Liehen  ruber 
in  der  Form  diffuser  Rothe  und  Verdickung  der  Haut  mit 
Eczema  chronicum  und  Psoriasis  diffusa  verwechselt. 
Man  siTche  daher  in  der  Nachbarschaft  jener  difPusen  Er- 
krankungsherde nach  den  charakteristischen  Primärefflores- 
cenzen  des  Liehen  ruber. 

Bei  universellem  Liehen  ruber  ist  die  Diagnose  gegen- 
über von  Psoriasis  universalis  am  allerschwierigsten. 
Im  Allgemeinen  zeigt  sich  bei  Liehen  ruber  relativ  geringe 
Schuppenbildung  und  beträchtliche  Verdickung  der  Haut, 
während  bei  Psoriasis  immerhin  viel  und  reichlich  sich  ablösende, 
und  an  anderen  Stellen  wieder  dick  auflagernde  Epidermis- 
schuppen  sich  vorfinden.  Ueberdies  macht  Psoriasis  selbst  in 
dem  höchsten  Grade  der  Entwicklung  auch  zeitweilige  Livo- 
lutionen,  so  dass  wieder  einzelne  gesunde  Hautinseln  zum 
Vorschein  kommen  können.  Endlich  werden  Plachhand  und 
Eusssohle  bei  Psoriasis  gar  nicht,  oder  nie  so  intensiv  krank 
erscheinen,  wie  bei  Liehen  ruber. 

Eczema  chronicum  universale  ist  wohl  leichter 
auszuschliessen ,  weil  hier  doch  an  vielen  Stellen  charakteri- 
stische Erscheinungen  des  Eczems,  des  Nässens  etc.  sich  vorfinden. 

Pityriasis  rubra  universalis  wird  durch  den 
Mangel  an  Infiltration  der  Hatit,  welche  im  Gegentheil  ver- 
dünnt, selbst  atrophisch  erscheint,  und  nur  sehr  dünne  Blättchen 
und  kleienförmige  Schüppchen  producirt,  leichter  von  Liehen 
riiber  difFerencirt  werden  können. 

Was  Liehen  ruber  planus,  dessen  disseminirte  oder 
figurirte,  gedellte  Knötcheneruptionen  und  dessen  Eorm  von 
im  Centrum  eingesunkenen  Plaques  anbelangt,  so  wird  der- 
selbe am  häufigsten  irrthümlich  als  papulöses  Syphilid 
diagnosticirt,  umsomehr  als  die  Glans  penis  in  der  Regel  auch 
von  Efflorescenzen  besetzt  erscheint.  Ich  muss  auf  die  weiter 
oben  geschilderten  -charakteristischen  Merkmale  dieser  poly- 
gonalen Knötchen  und  Plaques,  ihren  wachsartigen  Schimmer, 
die  kleine  Delle  bei  den  einzelnen  Efflorescenzen,  auf  die 
trockene  Beschaff'enheit  der  letzteren ,  selbst  wenn  sie  an  den 
Genitalien  localisirt  sind,  verweisen.  Immerhin  erheischt  die 
l  ichtige  Beurtheilung  eines  solchen  Krankheitsbildes  eine  grosse 
Aufmerksamkeit. 


^Qg  Dreiundzwanzigste  Vorlesung. 

Die  Therapie  gegen  Liehen  ruher  ist  eine  ganz  be- 
stimmte.   Während  in  den  ersten  14  Fällen,  welche  Hebba 
beobachtet  hat,  die  verschiedensten  innerlichen  und  äusserlichen 
Mittel  sich  fruchtlos  erwiesen  haben  und  den  letalen  Ausgang 
nicht  aufzuhalten  vermochten,  sind  alle  seithervorgekommenen 
Fälle  unter  dem  von  Hebra  erprobten  consequenten  Gebrauche 
von  Arsenik  genesen.  Und  wir  können  jetzt  ohneweiters  jedem 
Liehen  ruber-Kranken,  den  höchsten  Grad  des  Marasmus  bei 
universellem  Liehen  ruber  ausgenommen ,  mit  vollster  Sicher- 
heit die  Heilung  versprechen.  c  ■,        t.     i  • 
Bei  kleinen  Kindern  ziehe  ich  es  vor,  Solutio  1  owleri 
zu  2  Tropfen  de  die  und   sehr  langsam  steigend  zu  geben. 
Bei  Erwachsenen  machen  wir  die  Medication  mit  asiatischen 
Pillen  in  der  gleichen  Weise  wie  dies  bei  der  Behandlung  der 
Psoriasis  besprochen  worden. 

Yov  6—8  Wochen,  d.  i.  bis  der  Kranke  auf  200-2oO 
PiUen  angelangt  ist,  kann  man  in  der  Regel  keine  Besserung 
wahrnehmen;  es  kommen  noch  immer  eine  Menge  neuer  Nach- 
schübe und  von  den  alten  Efflorescenzen  involviren  sich  nur 
wenige  Erst  bei  500-600  Pillen  wird  die  Involution  merkhcher 
und  der  Nachschub  von  Knötchen  spärlicher.  Letztere  kommen 
aber  noch  bis  in  die  aUerletzten  Stadien  und  nach  voUkommenem 
Verschwinden  der  alten  Eruptionen.  Deshalb  verabreichen  wir 
,,och  3-4  Monate  hindurch,  nachdem  die  Krankheit  vollkom- 
men geschwunden  zu  sein  scheint,   den  Arsenik  in  massigen 
Dosen,  etwa  zu  6  Pillen  des  Tages.  _ 

Man  beginnt  also  mit  3  Stück  de  die,  steigt  jeden  4  bis 
5  Tag  um  eFne  bis  auf  8  oder  10  Pillen  per  Tag,  bleibt  auf 
dieser  Höhe  bis  die  Involution  des  Processes  ziemlich  voll- 
tändig  geworden,  fällt  allmälig  bis  auf  6  und  bleibt  bei  dieser 
Dosis  3-4  Monate  hindurch,  von  der  beiläufigen  Heilung  des 
Processes  an  gerechnet. 

In  mässigen  EäHen  von  Liehen  ruber  reichen  bOO-1500 
Pillen  in  Summa  aus,  doch  haben  wir  .selbst  unter  unseren 
Augen  bis  30U0  nehmen  lassen  und  ich  kenne  einen  Kranken, 
dessen  Liehen  ruber  universalis  nach  einer  zweijährigen  un- 
unterbrochenen Cur ,  bei  der  Gesammteinnalime  von  etwa  4o00 
asiatischen  Pillen  complet  geschwunden  war.  ...^^-^ 
Solche  Beispiele  vorzuführen  durfte  nicht  ubeiflussi, 
sein,  weil  jüngere  Aerzte  in  ihrer  Praxis  vor  einer  grosseren 


Liehen  ruber. 


407 


Arsenikmeclication  entweder  zurückschrecken  oder  znrück- 
o-esclireckt  werden  könnten,  wenn  nicht  derartige  Erfahrungen 
Anderer  vorlägen. 

"Wie  sehr  der  Organismus  an  einen  methodisch  gesteiger- 
ten Arsenikgenuss  sich  gewöhnen  kann,  habe  ich  auf  der 
Grazer  Natui-forscher  -  Versammlmig  zu  sehen  Gelegenheit 
gehabt.  Daselbst  wurden  zwei  „Arsenikesser"  vorgesteUt 
("diu-ch  Dr.  Knapp),  welche  a\\£  einmal  je  ein  Stück  von  0,25  nnd 
0,40  Gramm  Arsenik  verspeisten  und  alle  paar  Wochen  solches 
zu  wiederholen  angaben. 

Bei  Befolgung  der  beschriebenen  Methode,  d.  i.  des  all- 
mäligen  äteigens  und  Abfallens,  und  dass  man  auf  der  Höhe, 
bei  welcher  eine  Wirkung  sichtbar  ist,  anhält,  kann  dem 
Kranken  kein  Nachtheil  widerfahren. 

Was  die  oft  sehr  lästige  Empfindung  des  Juckens  und 
der  Schlaflosigkeit  anbelangt,  so  bekämpft  man  dieselbe  am 
besten  durch  örtliche  Mittel,  wie  Bepinselungen  mit  Carbol- 
oder  Salicylsäure  (1  :  40  Alcohol  und  1  Gr.  Glycerin),  Amyhim- 
einstreuung ,  Dampf-  und  Douchebäder ,  Einschmieren  von  in- 
differenten Fetten  oder  mit  Carbol- ,  Salicylsäure ,  Zink  ver- 
setzten Salben.  Doch  lässt  durchschnittlich  trotz  alledem 
das  Jucken  nicht  nach,  bis  nicht  der  Process  überwiegend  zur 
Invokition  neigt. 

Theereinpinselung  hat  sich  gegen  das  Jucken  und  den 
Process  als  solchen  nur  wenig  wirksam  erwiesen,  ebenso  wie 
Schwefel-,  Soda-,  Alaun-,  Sublimatbäder  etc. 

Man  könnte  selbstverständlich  subcutane  Arsenikinjec- 
tionen  machen  wie  bei  Psoriasis. 

Von  amerikanischen  Collegen  ist  gegen  Liehen  ruber, 
speciell  planus,  KaK  aceticum  in  der  Dosis  von  5,0  auf  150,0 
Aqu,  dest.  de  die  als  besonders  wirksam  empfohlen  worden, 
indem  durch  dasselbe  der  Liehen  binnen  3—6  Wochen  complet 
geschwunden  sein  soll.  Ich  habe  diese  günstige  Wirkung  nicht 
bestätigen  können. 


Vierundzwanzigste  Vorlesung. 
2.  Pruriginöse  Dermatosen,  Juckausschläge. 

Eczema. 

Definition  Polymorphie  und  WandellDarkeit  der  Symptonrie  ;  typischer 
Verlauf  des  acuten  Eezems;  chronisches  Eczem;  anatomische  Grundlage. 
Speeielle  Loealisationsformen.     Impetigo    faciei ;    Eczema   marginatum  ; 

Diagnose. 

Eczem,  (ix-'^ew,  aiisfliesseii)  nässende  Fleclite,  ist  eine 
sehr  oft  acut,  zumeist  jedoch  chronisch  verlaufende,  mit 
Jucken  vergesellschaftete  Hautkrankheit,  welche  in  Form 
von  theils  unregelmässig  zerstreuten  oder  dicht  ge- 
drängten Knötchen,  Bläschen  und  Pusteln,  theils 
von  diffuser  Röthung  und  Schwellung  der  Haut 
sich  darstellt,  deren  Oberfläche  alsdann  schup- 
pend, oder  nässend,  oder  mit  gelben,  gummiartigen 
Borken  bedeckt  erscheint. 

Zu  der  hier  skizzirten  Vielgestaltigkeit  (Polymorphie) 
des  Eezems  gesellt  sich  noch  eine  grosse  Wandelbarkeit  seiner 
Symptome.  Daher  rührt  es ,  dass  viele  Aerzte  und  Autoren 
noch  nicht  zm  Ueberzeugung  von  der  Zusammengehörigkeit 
all'  der  genannten  Formen  gelangt  sind,  sondern  viele  derselben 
als  besondere  Krankheiten  ausgeben. 

Man  kommt  jedoch  zu  dem  bei  uns  geltenden,  umfassenden 
txnd  einheitlichen  Begriffe  des  Eezems  ,  wenn  man  nicht  die 
Morphen  allein,  sondern  alle  Momente,  Erscheinung,  Verlauf, 
Ursache  die  Geschichte  des  ganzen  Processes  berücksichtigt, 
indem  sich  hierbei  ergibt,  dass  erstens  all'  die  genannten 
'  Krankheitsformen  sehr  häufig  gleichzeitig  auf  der  Haut  neben 
einander  bestehen,  zweitens  die  verschiedenen  Morphen  walirend 
des  Krankheitsverlaufes  in  steter  Umwandlung  m  und  aus 


Eczeni. 


409 


einander  begriffen  sind,  und  dass  wir  drittens  jederzeit  in  der 
Lage  sind,  an  jeder  Hantstelle  und  jedes  beliebigen  Individuums 
all'  die  genannten  Tormen  mitsammt  ihrer  Polpnorpliie  und 
ihren  Uebergängen  künstlich  zu  erzeugen. 

Gehen  wir  gleich  von  dem  letztgenannten  Momente  aus, 
indem  wir  die  Vorgänge  betrachten,  welche  auf  der  Haut  sich 
darbieten,  nachdem  dieselbe  künstlich,  durch  Hitze,  Schwefel- 
salbe, Arnicatinctiir,  Terpentin,  kurz  irgend  eine  Schädlichkeit 
gereizt  worden. 

Da  hängt  es  nun  von  der  Art,  Litensität  und  Dauer  der 
schädlichen  Einwirkung  und  der  individuellen  Reizbarkeit  der 
Haut  ab,  ob  die  eine  oder  andere  Morph e  des  Eczems 
entsteht ,  ob  Knötchen ,  oder  Bläschen ,  oder  diffuse  Röthung 
mit  Schuppung  oder  Nässen ;  und  von  der  Irritabilität  der 
Haut  und  der  Wiederholung  oder  Einmaligkeit  der  Hautreizung, 
ob  das  Eczem  als  acutes  abläuft  oder  chronisch  wird. 

Bei  geringer  Reizwirkung  erheben  sich  alsbald  unregel- 
mässig zerstreut  stecknadelkopfgrosse,  blasse  oder  rothe,  derbe, 
heftig  juckende  und  zum  Kratzen  veranlassende  Knötchen 
—  Eczema  p  a  p  u  1  o  s  u  m.  Ihre  Zahl  vermehrt  sich  innerhalb 
der  ersten  Stunden  oder  Tage  durch  neu  auftauchende.  Als- 
dann sinken  die  Knötchen  ein  und  verschwinden  sie  unter  Ab- 
blätterung. Bei  intensiver  Irritation  entwickeln  sich  die  Knöt- 
chen durch  Vermehrung  ihres  serösen  Inhaltes  zu  wasserhellen 
Bläschen  —  Eczema  vesiculosum.  Auch  die  Bläschen 
können  binnen  wenigen  Tagen  durch  Verdampfung  oder  Auf- 
saugung ihres  Inhaltes  einsinken  und  unter  Abblättern  vei*- 
schwinden.  "War  aber  die  Reizung  dauernder  oder  mächtiger, 
dann  wird  zunächst  die  Haut  über  eine  grössere  Strecke  diffus 
geröthet,  geschwellt,  zugleich  heiss,  schmerzhaft,  ödematös  • — 
Eczema  erythematosum.  Auch  dieser  Zustand  kann 
binnen  wenigen  Stunden  oder  Tagen  sich  rückbilden  mit  Hinter- 
lassung von  mässiger  Abkleiung  und  dunkler  Pigmentirung. 
Im  höchsten  Grade  der  Reizung  endlich  tauchen  auf  der  diffus 
gerötheten  und  erheblich  geschwellten  Haut  dicht  gedrängt 
Bläschen  und  Blasen  auf  —  Eczema  vesiculosum,  welche 
sehr  bald  grösstentheils  platzen  oder  zerkratzt  werden  und 
ihren  flüssigen  Inhalt  in  hellen  Tropfen  austreten  lassen.  Man 
hat  das  nässende  Eczem  vor  sich  —  Eczema  madidans. 
Werden  die  Bläschendecken  mechanisch  durch  Abreiben  ent- 


Vierundzwanzigste  Vorlesung. 

fernt  oder  weggeschwemmt,  so  liegt  die  Hautfläche  dunkelroth, 
von  blossem  Rete  belegt,  mit  feinen  Grübchen  besetzt,  welche 
den  zerstörten  Bläschen  entsprechen  (etat  ponctueux,  Dkvergie) 
zu  Tage  —  Eczema  rubrum.    Die  Eczemflüssigkeit  (luiUt 
nun  reiclilicher  hervor.    Dieselbe  ist  hellgelb,  eiweissartig, 
klebrig,  reagirt  neutral,  lässt  beim  Kochen  oder  Zusatz  von 
Salpetersäure  flockig  Albumen  ausfallen.    Sie  ist  eben  Blut- 
serum und  keineswegs   ein  pathologisch  beschaffenes,  oder 
scharfes"  Secret.    Dieselbe  vertrocknet  an  der  Atmosphäre 
zu  gelben,  gummiartigen  Krusten  und  steift,  gleich  Sperma, 
die  damit  imprägnirte  Leibwäsche. 

Mit  dem  Stadium  der  Bläschenbildnng  hat  das  Kczem 
seinen  anatomischen,  und  mit  dem  des  Nässens  seinen  klimschen 
Höhepunkt  erreicht.    Auf  diesem  beharrt  dasselbe  nach  Um- 
ständen wenige  Stunden  oder,  durch  erneuerte  Anregung  un  er- 
halten, auch  mehrere  Tage,  worauf  dessen  Rückbildung  erfolg  . 
Zunächst  trocknet  die  Eczemflüssigkeit  zu  gelben  und  durch 
Beimengung  von  Blut  gelbbraunen  Krusten  ein  -  Eczema 
crustosum,   unter  welcher  das  nachschiebende  Secret  ab- 
gesperrt und  grün-eiterig  wird-Eczema  impetiginosum. 
Da  und  dort  bersten  die  schwappenden  Borken,  tritt  die  eitrige 
Flüssigkeit  hervor  und  wird  die  nässende  rothe  Papillarflache 
sichtbar.  Indessen  vermindern  sich  die  Entzündung  Schwellung 
die  Haut  sinkt  ein,   die   spärlicher  gewordene  Secretion  is 
nicht  mehr  im  Stande  die  Krusten  abzuheben,  welche  demnach 
Tocken,   hart  werden  und  festkleben    ^nter  ihrem  Sc^^^^^^ 
bildet  sich  eine  festhaftende  Epidermisdecke  von  wel  her  e^^i 
lieh  die  Krusten  sich  ablösen.    Die  erkrankte  Haut  liegt  fre 
zu  Tage,  kaum  geschwellt,  aber  sie  ist  noch  hyperamisch  roth 
nnd  schilfert  -  Eczema  squamosum.  Schliesslich  verliert 
Tch  aucl  der  letzte  Rest  von  Blutüberfüünng  -1  Schuppung 
Die  Haut  ist  normal  gefärbt  und  überhäufet  und  zeigt  uns 
noch  durch  kurze  Zeit  dunklere  Pigmentirung.    Es  ist  ^oU- 
ständiffe  Restitutio  in  integrum  erfolgt. 

L  mässig,    etwa   über  einen  Vorderarm  ausgedehntes 
Eczem  dieser  Ar!  braucht  zu  seinem  Verlaufe  2-4  Wochen. 

Die  geschilderten  Symptome  entsprechen  zugleich  den- 
ipnie-en  des  acuten  Eczems. 

lus  dieser  Darstellung  ist  znnäcl.st  Hehreres  für  das 
Verständniss  des  Eczems  Wichtiges  zu  entnelimen ; 


Eczem. 


411 


1.  Dass  die  Kranklieit  mit  punktförmiger  oder  diffuser 
Rötliung  und  Schwellung  der  Haut  —  Eczema  erythematosum 

 oder  juckenden  Knötcken  —  Eczema  papulosum  —  beginnt, 

dass  aber  das  Eczeni  übes  diese  niedrigen  Stadien  hinaus  sich, 
nicht  weiter  zu  entwickeln  braucht. 

2.  Dass  das  Stadium  der  Bläschenbildung  —  Eczema 
vesiculosum  —  und  des  Nässens  —  Eczema  rubrum,  madidans 
—  die  Acme  des  Processes  darstellen. 

o.  Dass  die  Krustenbildung  —  Eczema  impetiginosum  et 
crustosum  —  und  das  Stadium  der  rothen ,  schuppenden  Eläche 
 Eczema  squamosum  —  nur  Eückbildungsformen  des  Eczems 

sind,  und  endlich 

4.  Dass  das  acute  Eczem  einen  typischen  Verlauf  be- 
kundet. 

Die  geschilderten  Veränderungen  bilden  die  wesentlichen 
Symptome  des  Eczems  und  finden  sich  unter  allen  Mannig- 
faltigkeiten der  Localisation,  Verlaufsweise,  Complication,  Ur- 
sache u.  s.  f.  entweder  allesanunt  tind  in  der  geschilderten 
Reihenfolge,  oder  vereinzelt  und  in  der  buntesten  Combination 
miteinander  vor. 

Man  begreift  jetzt  leicht,  was  ein  ehr  o ni sehe s  E cz  em 
zu  bedeuten  habe.  Nichts  anderes  als  eine  Hautaffe ction ,  bei 
welcher  die  geschilderten  Erscheinungen  nicht  in  einem  Aus- 
bruche typisch  ablaufen,  sondern  sich  durch  längere  Zeit  er- 
halten oder  wiederholt  erneuern,  u.  z.  entweder  indem  der- 
artige Exacerbationen  und  Remissionen  an  einzelnen  beschränk- 
ten  Hautstellen  stattfinden,  oder  indem  in  jahrelangem  Verlaufe 
bald  da,  bald  dort  am  Körper  Eczem  auftaucht.  Dies  sind 
dann  die  zumeist  polymorphen  und  wandelbaren  Eczeme,  indem 
gleichzeitig  alle  möglichen  Entwicklungs-  und  Rückbildungs- 
formen der  Krankheit  sich  vorfinden,  die  selber  wieder  in  steter 
Umänderung  begriffen  sind,  da  Knötchen,  dort  Bläschen,  hier 
rothe,  schuppende,  anderwärts  nässende  oder  mit  Krusten  be- 
legte Stellen,  Pusteln,  Rhagaden,  Pigmentflecke  und  Streifen 
—  wesentlich  aber  doch  dieselben  Veränderungen,  welche  auch 
dem  acuten  Eczeme  angehören. 

Anatomisch  bedeutet  das  Eczem  in  allen  Formen  und 
Stadien  Entzündung  mit  vorwiegend  seröser  Exsudation 
(Gr.  Simon,  Hebra,  Wedl,  Kaposi,  Neümann,  Biesiadecki)  und 
ich  brauche  nicht  erst  wieder  auseinanderzusetzen,  welcher  Art 


412 


Vierundzwanzigste  Vorlesung. 


mikroskopiscli  die  Eczem-Knötchen  und  Bläschen  sich  er- 
weisen, da  die  intimeren  Veränderungen  innerhalb  der  Epider- 
mis, der  Papillen  und  dem  Corinm  hier  ganz  und  gar  dieselben 
sind,  wie  bei  E ry thema  paiuüatum  und  Herpes  (siehe  pag.  288 
und  Fig.  18).  Je  intensiver  die  örtlichen  Entzünduiigserschei- 
nungen  (Eczema  rubrum,  madidans) ,  desto  mehr  betriift  die 
Exsudation  auch  die  tieferen  Coritimschichten,  bis  in  die  Fett- 
zellenschichte,  desto  mehr  sind  die  Maschenräume  erweitert, 
die  Bindegewebskörperchen  proliferirend  und  die  Exsudatzellen 
vermehrt,  während  innerhalb  des  Rete  alle  Veränderimgen 
von  einfacher  Aufi^uellung  und  Auseinanderzerrung  der  Zellen 
zu  einem  Balkenwerk  bis  zur  Proliferation  und  eitrigen  Schmel- 
zung sich  finden.  Es  ist  auch  begreiflich,  dass  von  solchen 
Zuständen,  also  des  aciiten  Eczems,  eine  vollständige  Restitutio 
in  integrum  jederzeit  stattfindet. 

Fig.  24. 


Eczema  chronicum.    Senkrecliter  Durchschnitt  yon  der  , Haut  des  Ober- 
armes (starke  Vergrosserung). 


Eczem. 


413 


Bei  cbroiiiscliem  Eczem  dagegen,  wofern  dasselbe  ein  und 
dieselbe  Hautpartie  jahrelang  occupirt,  kommen  auch  bleibende 
Veränderungen  des  Gewebes  zu  Stande,  welche  klinisch  als 
dunklere  Pigmentiruug  vind  Verdickung  der  Epidermis  und  des 
Coriums,  stärkere  Ausprägung  der  normalen  Hantfurchen, 
sich  zu  erkennen  geben  und  histologisch  als  dichte  Zellen- 
und  Pigmenteinlagerung  in's  Corinna  ,  namentlich  um  die 
erweiterten  Gefässe ,  Vergrösserung  der  Papillen  ,  Erwei- 
terung der  Lymphgefässe  (Neümann,  Klebs)  ,  Sclerosirung  des 
Bindegewebes,  Verödung  der  Talgdrüsen  und  Haarfollikel 
(Wedl),  Degeneration  der  Schweissdrüsen  (Gay),  Schwund  der 
Eettzellen  —  kurz  Veränderungen  der  degenerativen  Hyper- 
trophie, wie  bei  Elepliantiasis  arabum,  sich  darstellen. 

Es  erübrigt  nunmehr  die  durch  die  geschilderten  Nutri- 
tionsveränderungen  der  Haut  gegebenen,  also  wesentlichen  und 
anatomischen  Merkmale  des  Eczems  noch  durch  diejenigen  zu 
ergänzen,  welche  nach  den  begleitenden  Umständen,  besonderen 
Ursachen ,  der  Localisation ,  Ausbreitung  u.  m.  A. ,  besonders 
aber  nach  dem  acuten  oder  chronischen  Verlaufe  sich 
ergeben. 

Das  acute  Eczem. 

Dieses  erscheint  an  einer  einzigen  oder  an  mehreren 
Körperstellen  zugleich  und  macht  an  jedem  Herde  den  früher 
geschilderten  Verlauf  durch.  Es  breitet  sich  oft  über  den 
ursprünglich  ergriffenen  Eayon  hinaus  fort  per  continuum, 
wobei  es  meist  im  Centrum  zum  Grade  des  Eczema  vesiculo- 
sum,  riTbrum,  madidans  gedeiht,  während  an  der  Peripherie, 
durch  gesunde  Hautstellen  getrennt,  mir  einzelne  Bläschen 
oder  Knötchen,  oder  rothe  Flecke  sich  vorfinden.  Oder  das 
Eczem  vermehrt  sich  zugleich  dadurch,  dass  an  entfernten 
Körperstellen  neue  Ausbrüche  erfolgen. 

Um  Letzteres  zu  begreifen,  muss  man  wissen,  dass  mit 
dem  Auftreten  eines  acuten  Eczems  das  Hautorgan  in  der 
Weise  krankhaft  alterirt  wird,  dass  dasselbe  nunmehr  auf 
geringe  Hautreize,  durch  das  ßeiben  der  Leibwäsche,  das 
Kratzen,  die  Bettwärme,  oder  auch  spontan,  auf  dem  Wege 
der  reflectorischen  Gefässalteration,  von  Eczem  befallen  wird. 

Insbesondere  zeichnet  sich  in  dieser  Beziehung  das  Ge- 
sicht (Ohren,  Augenlider)  aus,  das  sofort  reflectorisch  an  Eczem 


Vierundzwanzigste  Vorlesung. 

erkrankt,  wenn  an  einer  entfernten  Körperstelle  ,   z.  B.  am 
Scrotum,  ein  acuter  Eczemausbrucli  stattgefunden  hat 

Schon  dem  Ausbruche  eines  beschränkten  acuten  Eczems 
gehen  gewöhnlich  Horribilation ,  selbst  Schüttelfrost  und 
iieberhitze  voran  und  solche  begleiten  nebst  Schlaflosigkeit, 
Unruhe  und  gastrischen  Erscheinungen  den  Process  bis  zu 
seiner  Acme,  und  kündigen  auch  jede  neue  Exacerbation  an. 
Sie  schwinden  erst,  wenn  allenthalben  die  Nachschübe  sistiren. 
In  der  Periode  der  Rückbildung  stört  nur  noch  das  Jucken 

den  Schlaf.  ^  t    i     ß  „„f 

Der  Morphe  nach  tritt  das  acute  Eczem  sehr  häufig  aut 
alsEczema  papulosum,  veranlasst  durch  SonnenHtze  oder 
Schweiss,  bei  Säuglingen  namentlich  oft  in  allgemeiner  Eruption 
wodann  meist  den  Follikeln  entsprechend  und  daher  figunrt 
(Eczema  lichenoides),  auch  als  Begleiter  aiiderweitiger  jucken- 
der Hautkrankheiten  (Prurigo,  Scabies).  Als  Eczema  er ythe- 
matosum  findet  es  sich  meist  an  sich  macerirenden  Haut- 
falten.    Die    häufigste    Form    des   acuten    Eczems  ist  die 

''^''Durch  die  specielle  Lo  calisation  werden  noch  manche 
Besonderheiten  des  acuten  Eczems  bedingt  _  Als  die  frequen- 
testen  Oertlichkeiten  desselben  erscheinen  die  G-elenksbeugen 
die  dem  Einfluss  des  Schweisses  ausgesetzten  Hautflachen  der 
Genitalien,  der  weiblichen  Hängebrust,  und  überdies  ganz  be- 
sonders das  Gesicht  sammt  den  Ohren  und  dem  behaarten  Kopf. 

Das  Eczema  acutum  faciei  et  capillitii,  gewohiü;  ^ 
Hiit  einem  Schüttelfrost,  eingeleitet,  tritt  -ter  dem  GefoU^^^^^^^ 
Brennen  in  den  Augen,  mit  Röthung ,  •  SchweUung ,  ^f^"^'^^ 
des  Gesichtes  auf,  die  Augenlider  sind  — s  und 
können  kaum  oder  gar  nicht  geöffnet  werden ,  die  Ohren  sma 
wTckt  vo"  dems'chädel  abstehend,  die  Lippen  wulstig,  luid 
Tel  weniger  Geübte,  sowie  die  Laien  pflegen  dieses  Krank- 
heitsbild als  Erysipel  zu  diagnosticiren 

Bei  genauerem  Zusehen  überzeugt  man  sich,  dass  de 
RöthiL  lind  Schwellung  keineswegs  so  bedeutend  sind  wie 
?    Zthlluf   auch  das  Fieber  nicht  so  intensiv;  speciell  sind 
"         Soir  0^^^^  wahrzunebnen 
Bei  s'hef  i^^^^^^^^^^^        Licht,   oder  tastend,  überzeugt 
n      dass  die  Haut  dicht  besetzt  ist  mit  gneskorn- 
Z^i^t:  s^-ernden  Hübelchen,  das  sind  die  im 


Eczem. 


415 


Entstehen  begriffenen  Bläschen.  Bimien  12 — 24  Stunden  haben 
sich  diese  zu  kenntlicher  G-rösse  entwickelt,  sie  platzen  und 
es  beginnt  das  charakteristische  Nässen  und  die  Krustenbildung. 
Namentlich  von  den  Ohren  sickert  eine  grosse  Menge  Flüssig- 
keit ab.  Auch  die  Haut  des  äusseren  Grehörganges  ist  ge- 
schwellt bis  zur  Undurchgängigkeit  desselben,  so  dass  auch 
Schwerhörigkeit  und  Taubheit  vorhanden  ist.  Erst  allmälig 
kommt  es  auf  dem  behaarten  Kopfe  zu  Schwellung,  Nässen 
und  Krusten,  durch  welche  die  Haare  büschelförmig  miteinan- 
der verklebt  werden. 

Der  Verlauf  eines  solchen  Eczems ,  im  Uebrigen  den 
geschilderten  Typus  einhaltend,  bemisst  sich  je  nach  der  In- 
tensität und  Ausdehming  der  Erkrankung  auf  3 — 6  Wochen. 
Selbst  noch  vollständigem  Ablauf  bleibt  auf  dem  behaarten 
Kopfe  noch  lange  Zeit  der  Zustand  des  Eczema  squaniosum 
und  im  Bilde  der  Pityriasis  capillitii  zurück,  ebenso  häufig 
Trockenheit,  Verdickung  und  ßissigsein  der  Epidermis  in  der 
Eurche  hinter  den  Ohrmuscheln.  Von  letzterem  Ort  aus  kommt 
es  noch  später  sehr  oft  zu  neuerlichen  Exacerbationen. 

Ueberdies  recidivirt  das  Gresichteczem  auf  die  verschie- 
densten Einflüsse  ausserordentlich  häufig. 

Beim  acuten  Eczem  der  Hände  und  Füsse  sind  die 
Bläschen  und  Blasen  meist  sehr  prall,  mit  dicker  Decke  ver- 
sehen. Das  Gefühl  der  Spannrmg  und  des  Pelzigseins  der 
Finger,  ja  Schmerzhaftigkeit  ist  bedeutend.  Es  kommt  oft  zu 
eitriger  Umwandlung  des  Blaseninhaltes  (Pustelbildung),  be- 
deutendem Oedem,  schmerzhafter  Blosslegung  des  Coriums, 
Caro  luxurians  am  Nagelfalz  und,  Abstossung  einzelner  Nägel, 
Bei  Kindern  kommt  ein  grossblasiges  Eczem  an  den  Fin- 
gern vor. 

Das  Eczema  acutum  penis  et  scroti  ist  mit  sehr 
bedeutender  ödematöser  Schwellimg  der  betroffenen  Hautpartien 
und  intensivem  Nässen  verbunden. 

Auf  der  Haut  der  G-elenksbeugen,  der  G-enit al- 
falten, der  Hängebrust  vind  allen  durch  gegenseitige  Be- 
rührung sich  macerirenden  Hautfalten  entsteht  das  acute  Eczem 
häufig  sub  forma  diffuser  Röthung  —  Erythema  Inter- 
trigo, Frattsein  —  aus  welchem  durch  Loshebung  der  Epidermis 
nässende  Flächen  —  Eczema  Intertrigo  —  hervorgeht. 

Dieses  hat  eine  grosse  Bedeutung  bei  Säuglingen,  bei 


Vierundzwauzigsto  Vorlesung. 

welclien  es  in  der  Tiefe  der  Hautfalten,  am  Halse,  an  der 
inneren  Oberschenlcelfläche  entsteht.  Es  wird  sehr  häufig  von 
den  Kindspflegerinnen  übersehen,  indem  sie  sich  scheuen,  die 
Falten  auseinanderzuziehen,  weil  die  Zerrung  Schmerz  ver- 
anlasst. Nicht  selten  steigert  sich  nun  die  Dermatitis  und  es 
kommt  höchst  acut  zu  Gangrän,  Phlegmone,  diphtheritischer 
Entzündung,  welche  im  günstigsten  FaUe  zur  Heilung  mittelst 
Substanzverlusten  und  Narben,  oder,  wie  ich  schon  erlebt, 
unter  Eclampsie  und  CoUapsus  bümen  wenigen  Tagen  zum 
Tode  fülu^t. 

Eine  wahre  Plage  für  den  Kranken  und  den  Arzt  stellt 
das  universelle  acute  Eczem  vor. 

Eigentlich  handelt  es  sich  hiebei  nicht  um  eine  vom 
Scheitel%is  zur  Zehe  gleichmässig  entwickelte  eczematöse  Er- 
krankuno-. Vielmehr  setzt  sich  dasselbe  aus  einzelnen  Herden  von 
acutem  Eczem  aller  möglichen  Grade  und  Formen,  Knötchen, 
nässende  undborkige Flächen  etc.  zusammen,  die  mit  ihrenPeriphe- 
rien  mehr  weniger  aneinander  reichen.  Die  begleitenden  Fieber- 
erscheinungen sind  in  der  Regel  ziemlich  intensiv  und  die  Ex- 
acerbation  desselben  häufig  (oft  auch  typisch ,  mit  abendhcher 
Steigerung) ,   iudem  bald  da,  bald  dort  ein  neuer  Ausbruch 
erfolgt    Der  Kranke  ist   aus  dem  Grunde  auch  gewöhnlich 
bettlägerig,   abgesehen  davon,   dass  das  Angekleidetsein  und 
Umhergehen,  auch  wenn  subjectiv  möglich,  durch  die  Reibung 
der  Kleider,  das  Ankleben  der  Leibwäsche,  nur  schädlich  wirkt. 

Per  Process  braucht  bei  einer  solchen  Ausbreitung  min- 
destens 2-3  Monate ,  oft  noch  länger,  zu  seiner  voUständigen 
Rückbildung.  Der  Kranke  kommt  in  der  Ernährung  durch  das 
Fieber,  die  Appetit-  und  Schlaflosigkeit  und  den  thatsachlichen 
Verlust  an  Blutplasma  bedeutend  herunter.  _ 

Im  Verlaufe  steUen  sich  auch  Lymphangioitides  und 
Furunkelbildungen  ein.  Aber  auch  nach  Frist  von  niehreren 
Monaten  pflegt  ein  solches  Individuum  de  merito  nicht  ganz 
herges tem  .u  sein.  Es  bleiben  an  den  Olutohen  an  den 
Gelenksbeugen,  da  und  dort  rhagadische  Stellen  zimick  welche 
den  Ausgangspunkt  neuerlicher  Eruptionen  abgeben  können 
oder  es  wiecferholen  sich  die  furunkulösen  Entzündungen  durch 
lle  Monate,  1-2  Jahre,  und  endlich  behält  die  Haut  enie 
I  LEmpfindHchkeit  gegen  aUe  möglichen  äusseren  Einflus  , 
welche  Eczem  zu  erzeugen  vermögen,  wie  Sonnen-  und  Feuei- 


Eczoni. 


417 


Litze,  Scliweiss ,  "Wasser  etc. ,  dass  dieselbe  selir  häufig  neuer- 
lich erkrankt,  weil  es  in  der  Ausübung  ihres  Lebensberufes 
nur  wenigen  Menschen  gegönnt  ist,  von  allen  diesen  Schädlich- 
keiten sich  ferne  zu  halten. 

Das  chronische  Eczem, 

Dieses  entwickelt  sich  entweder  als  das  Residuum  eines 
nicht  ganz  abgelaufenen  acuten  Eczems ,  oder ,  aus  geringen 
Anfängen,  durch  Persistenz  der  letzteren. 

Ich  habe  schon  auseinandergesetzt ,  dass  das  chronische 
Eczem  wesentlich  dieselben  Erscheinungen  darbietet,  wie  das 
acute,  und  dass  nur  noch  solche  Veränderungen  der  Haut  sich 
einstellen,  welche  durch  die  stellenweise  häufig  sich  wieder- 
holenden entzündlichen  Vorgänge  bedingt  sind,  als  Verdickung 
der  Oberhaut  und  des  Coriums  und  dunkle  Pigmentirung,  end- 
lich auch  degenerative  Veränderung  und  Follicular-Atrophie. 

Das  chronische  Eczem  kann  örtlich  jeden  Augenblick  zum 
acuten  sich  steigern  und  demnach  als  nässendes,  oder  crustöses 
erscheinen.  Doch  präsentirt  es  sich  meist  als  Eczema  squa- 
mosum. 

Das  begleitende  JiTcken  ist  meist  sehr  intensiv  und  führt 
zu  energischem  und  häufigem  Ejratzen.  Dieses  wirkt  selber 
als  Hautreiz  und  veranlasst  deshalb  häufige  Steigerung  des 
bestehenden,  und  Ausbruch  neuen  Eczems.  Darum  findet  sich 
meist  neben  einem  Herde  chronischen  Eczems  noch  an  ver- 
schiedenen Körperstellen  die  Spur  einer  jüngeren  Erkrankung, 

Die  Localisation  desselben  zeigt  gewisse  Eigenthüm- 
lichkeiten,  trotzdem  es  sich  an  jeder  beliebigen  Körperstelle 
finden  mag.  Am  häufigsten  trifft  man  es  auf  beschränkten 
Regionen ,  der  Furche  der  Ohrmuscheln ,  den  Gelenksbeugen, 
und  dann  meist  sy:nmetrisch,  am  behaarten  Kopfe,  im  Gresichte, 
an  den  männlichen  Genitalien  und  ad  anum,  oft  genug  auch 
in  universeller  Verbreitung. 

Das  Eczema  capillitii  chronicum  ist  sehr  häufig, 
meist  in  Verbindung  mit  chronischem  Gesichtseczem,  und  prä- 
sentirt sich  unter  dem  Bilde  des  Eczema  impetiginosum  oder 
squamosum.  Der  Haarboden  erscheint  mit  Krusten  oder 
abkleienden  Epidermisschuppen  besetzt,  nach  deren  Abkratzen 
die  Haut  roth,  stellenweise  nässend  sich  erweist.  Schuppung 
und  Röthung  greifen  mit  scharfen  Rändern,  oder  verwaschen 

Kaposi,  Hautkranklieiten.  2*7 


^•j^g  Vienindzwanzigste  Vorlesung. 

auf  die  Haut  der  Stirne  und  des  Nackens  über.  Lockerung 
und  Ausfallen  der  Haare   sind  die  regelmässige  Folge 
eines    lange    bestellenden    Koiifeczems.     Durch  zeitweilige 
Steigerung  desselben  zum  nässenden  Eczem  kommt  es  zu  Ver- 
klebung und  Verfilzung  der  Haare  bei  Frauen  (Plica)  ,  oder, 
in  seltenen  Fällen,  zur  Entstehung  von  zalilreicben  Follicular- 
pusteln  (Sycosis  cai)illitii),  auf  der  intensiv  entzündeten  Kopf- 
haut,   Es  besteht  oft  viele  Jahre,  ist  bei  Männern  seltener, 
als  bei  Frauen  und  Kindern  und  hier  häufig  durch  K  opf  lause 
bedingt. 

In  diesem  Falle  finden  sich  meist  inselförmige  Eczemherde 
am  Scheitel  und  Hinterhaupt,  auf  welchen  mächtige,  trockene 
oder  schwappende,  ranzig  riechendes  Secret  absperrende  Krusten 
sich  aufhäufen,  nach  deren  Ablösung  die  Haut  theils  roth  und 
nässend  aber  glatt,  theils  jedoch  mit  kreuzer-  bis  thalergrossen 
Scheiben  von  2— 4  Mm.  hohen,  rothen,  drusigen,  leicht  bluten- 
den,  nässenden,   papillären  Excrescenzen  besetzt  ist  (Achor, 
Mucor  granulatus,    Tinea  granulata).    Es  versteht  sich  von 
selbst,  dass  nebstbei  die  Erscheiniingen  der  Läuse  und  ihrer 
Nisse  nicht  fehlen.  Diese  Eczeme  sind  regelmässig  mit  bedeu- 
iender  Schwellung  der  Cervicaldrüsen  vergesellschaftet,  welche 
die  irrige  Diagnose  Scrophulose  veranlassen,  während  dieselbe 
richtig  nur  Eczema  e  pediculis  capitis  lauten  kann. 

Eczema  chronicum  faciei.    Im  Bereiche   des  G-e- 
«ichtes  ist  das  Eczem  entweder  nur  auf  einzelne  Hautstellen 
beschränkt,  oder,  wenn  auch  aUgemein  verbreitet,  jedenfalls  an 
einzelnen  Partien  immer  in  ungleicher  Intensität  vorhanden. 
Die  Ohrmuscheln  erscheinen  meistens  verdickt,  starr,  an  den 
Furchen  die  verdickte  Epidermis  eingerissen,  oder  mit  Krusten 
bedeckt ,   der  äussere  Gehörgang  mit  Epidermisschuppen  zum 
Theil  verlegt.    Es  steigert  sich  an  den  Ohren  sehr  häufig  zu 
.acuten  Ausbrüchen.    Als  krustöses  und  schuppiges  Ec«em  der 
Säuglinge  (Crusta  lactea ,  Milchborke,  MUchschorf,  Porrigo 
larvalis,  Lactumen  Manardi)  occupirt  es  vorwiegend  die  Wangen, 
Stirne  und  Ohren.   Schmerzhafte  Furunkel  im  Gehörgang  smd 
■dabei  nicht  selten,  sowie  in  der  Nasenfurche  und  am  Muud- 
•winkel  schmerzhafte  Rhagaden. 

Chronisches  Eczem  der  Nasenschleimhaut  ist 
bei  jugendlichen  Individuen  sehr  häufig,  in  Combination  mit 
scrophulösen  Augenaifectionen,  und  veraiüasst  durch  Heizung 


Eczcm. 


419 


der  Nasensclileimliaut  von  Seite  der  Tliränen.  Die  Naseu- 
öffmmgen  sind  durch  die  Eczemkrusten  verlegt,  die  Kinder 
athmen  mit  offenem  Munde,  die  Rachensclileimhaut  ist  von 
Nasenschleim  inundirt,  entzündet.  Rüsselartige  Verdickung  der 
Mundlippen  bildet  sich  als  Folge  der  begleitenden  Lymphan- 
o-ioitis  heraus. 

Bei  Erwachsenen,  häufig  die  Folge  von  chronischem 
Schnupfen,  belästigt  das  chronische  Eczem  der  Naseuschleim- 
haut dui-ch  Krusten  und  Rhagaden  und  führt  es  oft  zu  Sycosis 
oder  Furunkel  an  Ort  und  Stelle  und  zu  recidivirendem  Gresichts- 
rotlilauf. 

Eczem  der  Mundlippen  kommt  in  der  geschilderten 
Form  in  Begleitung  von  anderweitigem  Gresichtseczem ,  beson- 
ders Eczema  nasi  vor.  Eigenthümlich  ist  die  Form,  welche 
bei  weiblichen  Personen  mittleren  Lebensalters  öfters  beobach- 
tet wird  und  hauptsächlich  das  Lippenroth  betrifft.  Dieses 
ist  rissig,  mit  hämorrhagischen  Krusten  besetzt.  Dieses  Eczem 
juckt  intensiv,  macht  häufige  acute  Exacerbationen  luid  ist 
äusserst  hartnäckig. 

Im  Bereiche  des  bebarteten  Gesichtes  und  an  den  Augen- 
brauen hat  das  chronische  Eczem  nicht  selten  Sycosis  zur 
Folge  (Eczema  sycosiforme). 

Auch  die  Augenlidränder  sind  oft  davon  besetzt,  wo- 
dann  Blepharadenitis  sich  dazu  gesellt,  wofern  dieselbe  nicht 
das  Eczem  bedingt  hat.  In  den  Augenwinkeln  stellt  es  sich 
in  Form  von  Rhagaden  vor.  Die  Liddeckel  selbst  werden 
durch  langdauerndes  Eczem  dick,  schwer  herabhängend,  wo- 
durch die  Lidspalte  verengt  erscheint  (Kaniuchenauge). 

Von  dem  am  Stamm  localisirten  chronischen  Eczeme 
ist  nichts  Besonderes  zu  sagen.  Nur  das  Eczem  der  Brust- 
warze und  der  Mamma  ist  hervorzuheben.  Es  kommt  höchst 
selten  beim  Manne  und  dann  meist  einseitig ,  häufig  dagegen 
bei  Frauen  (Wöchnerinnen,  Ammen,  mit  und  nach  Krätze) 
vor.  Die  Brustwarze  kann  dabei  bis  zu  Fingerdicke  anschwel- 
len und  mit  drusiger,  rother,  nässender  Fläche  hervorragen, 
oder  durch  dicke  Krusten  verhüllt  erscheinen,  in  welche  oft 
schmerzhafte  und  blutende  Einrisse  erfolgen.  Der  "Warzenhof 
und  dessen  Nachbarschaft  bilden  eine  derb  infiltrirte,  schmerz- 
hafte, arg  nässende  oder  inkrustirte  Area.  Mastitis  complicirt 
dieses  Eczem  nicht  selten. 

27 


^20  Yierundzwanzigste  Vorlesung. 

Eczema  umbilici  betrifft  meist  den  eingebuchteten 
Nabel  bei  fettleibigen  Individuen  und  ist  durch  Ansammlung 
lind  Zersetzung  des  Hautsecretes  bedingt.  Es  ist  schwer 
heilbar. 

Das  Eczem  der  männlichen  und  weiblichen  Genitalien 
ist  ein  ausserordentlich  lästiges  und  oft  zur  Behandlung  kom- 
mendes Uebel. 

Es  betrifft  bei  männlichen  Individuen  zumeist  das 
Scrotum,  und  zwar  entweder  nur  an  einzelnen  Stellen,  woselbst 
die  Haut  mit  der  Schenkelfläche  dauernd  in  Contact  steht, 
oder  es  verbreitet  sich  in  einer  jahrelangen  Dauer  über  die 
gesammte  Scrotalfläche,  zum  Theil  auch  den  Penis,  die  Raphe 
perinei,  sehr  oft  auch  noch  die  Circumanalhaut,  die  Crena  ani 
und  die  bis  zum  Kreuzbein  hinaufreichende  Hautfläche 

Ein  durch  10 — 15  Jahre  von  Eczem  besetztes  Scrotum 
erscheint  verdickt  ,  mit  mächtig  entwickelten  Falten  und 
Grru.ben,  da  und  dort  zerkratzt,  schuppend,  nur  wenig  mit 
Krusten  bedeckt.  Das  mit  dem  Leiden  verbundene  Jucken  ist 
ausserordentlich  heftig  und  steUt  sich  in  der  Regel  mehrmals 
des  Tages  anfallsweise  ein. 

Bei  Eczem  am  After  setzen  sich  die  Rhagaden  oft  weit 
in's  Rectum  hinein  fort.  Die  Defäcation  wird  wegen  der 
Schmerzhaftigkeit  retardirt  und  dann  um  so  schwieriger.  Es 
•wechseln  Verstopfung  und  Diarrhoe.  Im  Laufe  der  Jahre  wird 
die  Rectalschleimhaut  enorm  gewulstet ,  leicht  verletzlich. 
Schleimige  Secretion  und  zeitweilige  bedeutende  Blutungen  aus 
derselben  machen  den  Zustand  noch  unleidlicher. 

An  den  weiblichen  Grenitalien  etablrrt  sich  das 
chronische  Eczem  meistens  an  den  grossen  Labien,  seltener 
auch  den  kleinen  Lefzen  und  dem  Introitus  vaginae.  Man 
findet  das  Integument  verdickt,  excoriirt,  die  Haare  daselbst 
durch  das  Kratzen  ungleich  abgerissen.  In  der  Regel  ist 
gleichzeitig  Leukorrhoe  zugegen,  welche  ihrerseits  oft  das 
Eczem  veranlasst  und  unterhält. 

An  den  oberen  und  unteren  Extremitäten  sind  die 
Gelenksbeugen  häufig  Sitz  des  chronischen Eczems,  in  der 
Regel  symmetrisch  auf  beiden  Seiten.  Den  Symptomen  nach 
entspricht  es  vollständig  dem  auch  anderweitig  localisirten 
Eczema  chronicum.  _ 

Es  belästigt  vorwiegend  durch  die  Behinderung  im  Gehen, 


Eczem. 


421 


Schmerzliaftigkeit  bei  forcirtem  Strecken  und  intensives  Jucken. 
Dasselbe  findet  sich  entweder  als  isolirtes  Uebel,  oder  in  Be- 
gleitung- von  anderweitig  localisirtem  Eczem,  namentlicli  von 
anderweitig  juckenden  und  zu  Kratzen  disponirenden  Processen, 
speciell  Scabies  und  Prurigo. 

An  den  Händen  und  Fingern  ersclieint  das  Eczem 
unter  sehr  mannigfaltigen  Bildern,  als  deren  gewöhnlichstes 
jenes  zu  betrachten  wäre,  welches  als  Folge  der  häufigen  Ein- 
wii'kung  von  die  Haut  irritirenden  Substanzen,  speciell  Lauge 
und  Wasser  bei  Wäscherinen  (Eczema  lotricum),  Dienstmäg- 
den, Kellnern ;  von  pulverigen  Substanzen,  bei  Gewürzkrämern 
(Gewürzkrämerkrätze),  Bäckern  (Bäckerkrätze);  von  Mineral- 
säuren, Terpentin,  Sublimat,  u.  s.  w.  bei  Fleckputzern,  Schrift- 
setzern, Spiegelbelegern,  Hutmachern,  kiu-z  bei  den  verschie- 
denen Gewerben  und  Hantierungen  sich  vorfindet.  Je  nachdem 
diese  Schädlichkeiten  an  einer  oder  der  anderen  bestimmten 
Stelle  der  Hand,  oder  gleichmässig  auf  alle  Partien  derselben 
einwirken,  wird  die  Intensität,  Ausbreitung  und  Gestaltung 
des  Eczems  sich  ebenfalls  ändern,  so  dass  aus  diesen  Erschei- 
nungen sogar  ein  richtiger  Schliiss  auf  die  Beschäftigung  des 
Kranken  gemacht  werden  kann. 

Diese  Gewerbe-Eczeme  stellen  sich  meist  in  mehr  weniger 
scharf  begrenzten  Scheiben  von  verdickter,  rother,  mit  schwie- 
iiger  Epidermis,  Pusteln  oder  Krusten  besetzter  Haut  dar. 

Die  Fingernägel  erkranken  unter  solchen  Umständen 
alle  oder  theilweise,  indem  sie  trocken,  brüchig,  gefurcht,  rissig 
werden  und  sich  abbröckelu.  Ueberdies  verändern  sich  die 
Fingernägel  in  der  gedachten  Weise  auch  ohne  dass  die  Hand 
der  Sitz  des  Eczems  wäre,  auf  sympathischem  Wege,  so  oft  an 
irgend  einer  anderen  Körperstelle,  z.  B.  auch  nur  am  Scrotum 
sich  ein  jahrelang  persistirendes  Eczem  vorfindet. 

Eine  interessante  Form  des  nicht  arteficiellen  Eczema 
palmae  manus,  auch  zumeist  bei  weiblichen  Individuen ,  mani- 
festirt  sich  durch  die  Bildung  einer  schmutzig  gelbbraunen, 
trockenen  ,  schwieligen  ,  im  Uebrigen  glatten  Epidermis- Ver- 
dickung der  Flachhand  und  der  Beugefläche  der  Finger.  Nur 
das  zeitweilige  Jucken  und  die  Erscheinung  von  miliären,  gries- 
kornähnlichen  Bläschen  während  des  Kratzens,  oder  unter  dem 
Einfluss  von  Kaliseifen  gibt  das  Leiden  als  Eczem  zu  erkennen. 
Auch  bullöses  und  pustulöses  Eczem  kommt  in  chronischem 


^{,2  Vierundzwanzigste  Vorlesung. 

Bestände,  d.i.  mit  continiiirliclien  NachscHiben  an  den  Händen 

clilorotischer  Personen  vor.  ^  t  tt  4. 

Praktisch  sehr  wiclitig  ist  das  vorwiegend  anf  die  Unter- 
schenkel beschränkte  chronische  Eczem,  welches  in  der 
Pathologie,  namentlich  der  früheren  Zeit,   sehr  merkwürdige 

Deutungen  erfahren  hat. 

Man  hat  nämlich   dasselbe  als  eine  Art  nothwendigei 
Derivation  bezüglich  entfernt  liegender,  snpponirter  oder  wirk- 
lich vorhandener ,   pathologischer  Veränderungen  ,       B-  M^"' 
struationsanomalien,  Hämorrhoiden,  Leberaffectionen,  Herzleiden 
nnd.  die  mit   dem  Eczem  verbundene   seröse  Ausschwitzung 
unter  dem  Namen  des  Fluxus  salinus,  des  Salzflusses,  als  heil- 
sam und  vielleicht  sogar  für  andere  Ausscheidungen    wie  der 
Nieren,  der  Menses ,   yicarirende  Secretion       i^ad^t^t.  I)eni 
entsprechend  wurde  auch  vor  deren  Heilung,  als  nicht  rathhch 
oder  gefährlich,  gewarnt. 

iine  unbefangene  Beobachtung  lehrt,  dass  das  Eczem  an 
den  Unterschenkeln  wesentlich  dieselben  Erscheinungen  dar- 
bietet wie  jedes  anders  localisirte.  Nur  insoferne,  wie  dies 
aus  d;r  Aetiologie  hervorgehen  wird,_  bestimmte  örtliche  Ge- 
websveränderungen vorhanden  zu  sein  pflegen  welche  die 
eigentliche  Ursache  der  Äff ection  abgeben,  oder  dasselbe  unter- 
halten, wieVarices,  Hämorrhagien,  aus  solchen  hervorgegangene 
Geschwüre  und  Narben,  Pachydermia  glabra ,  tuberosa  * 
verrucosa,  gestaltet  sich  das  Bild  des  Eczema  cruris  different 

von  anderweitigem  Eczem.  „    ,  -r. 

Den  Weiften  Grad  der  Erkrankung  stellt  Jcema 
ehronicum  universale  dar,  tei  welehem  vom  Scheitel  bi 
„Zehe  die  Haut  rotlr,  verdiekt,  da  sctapp.g  m«!  <•"• 
Xend  oder  mit  Krusten  bedeekt  erscheint  und  ein  aus  all  den 
"eSdertenloealisirtenFormenznsammengeset.tes,kaleidosk^^^^ 

a  Les  KrankheitsMd  sieh  vorfindet.  Die  Kopfliaare  smd  .m 
AusfaUen  begriffen,  die  Nägel  degenerirt,  die  Augenhder  eetro- 
tisS  die  Kranken  frösteln,  kratzen  sich  unauthorhch  und 
Cht  eine  unleidliche  Existenz.  Auch  solche  Zustande  smd 
■u  -iVoT.  wnfprn  deren  Ursache  zu  beseitigen  ist. 

Sh  »nrnoel  zwei  besonderer  Formen  des  Eezems  ge- 
denken Zunächst  der  als  Impetigo  faciei  contagiosa 
?Tl™irFox),  oder  parasitaria  (mihi)  bekannten,  welche 
Sh  durch  aci  e  Ernp  ion  von  Stecknadelkopf-  bis  linsengrossen. 


Eczem, 


423 


oberfläclilicli  sitzenden  Blasen  im  Bereiche  des  Gesiclites  cliarak- 
terisirt.  Dieselben  erscheinen  disseminirt  und  vertrocknen  sehr 
rasch  zw  gnmmiartigen  Borken ,  unter  welchen  sodann  Ueber- 
häutnng  erfolgt.  Intensive  Schwellung  der  Submaxillardrüsen 
begleitet  die  Eruption.  Wie  Tilbuey  Fox  ,  so  habe  auch  ich 
wiederholt  mehrere  Personen,  hauptsäcldich  aber  die  Kinder 
derselben  Eamilie,  davon  befallen  gesehen.  Daher  die  Ver- 
muthnng,  dass  diese  Krankheit  contagiös  sei,  welche  Annahme 
noch  dadurch  bestätigt  schien,  dass  ich  zwischen  der  Epidermis 
der  Blasendecken  einen,  später  auch  von  GtEber  gefundenen, 
Pilz  nachwies.  Dennoch  glauben  Geber  und  Lang  ,  dass  es 
sich  hier  um  eine  Form  des  Herpes  tonsurans  vesiculosus 
handle.  Ich  will  für  gewisse  Fälle  die  Statthaftigkeit  einer 
solchen  Antfassung  zugeben ,  besonders  wo  einzelne  Blasen, 
peripher  fortschreitend,  Kreise  formiren.  Nebenbei  ist  es  mir 
aber  axich  zweifellos  geworden,  dass  in  den  meisten  Fällen  von 
Impetigo  faciei  die  Eruption  mit  der  Gegenwart  von  spärlichen 
Kopfläusen  und  Nissen  zusammenhängt.  Ich  vermag  also  heute 
weniger  als  früher  mich  über  die  Bedeutung  des  Processes  zu 
entscheiden.  Impetigo  faciei  verläuft  spontan  binnen  2 — 6 
"Wochen,  rascher  unter  Behandlung  mit  Zinksalbe. 

Eczema  marginatum  (Hebra)  ist  ebenfalls  ein  eigen- 
artiges Eczem.    Es  charakterisirt  sich  durch  kreuzer-,  flach- 
handgrosse  und  noch  grössere  Kreise  und  Kreissegmente,  welche 
peripher  ans  rothen  Knötchen,   Bläschen  und  Börkchen  sich 
zusammensetzen,  eine  dunkel  pigmentirte,  zerkratzte  Area  ein- 
schliessen  und  von  einzelnen  Knötchencentren  durch  peripheres 
Fortschreiten  sich  entwickeln.    Ihr  gewöhnlichster  Sitz  sind 
die  Scrotal-  und  Schenkelflächen  und  die  Falten  der  Hänge- 
brust, doch  finden  sie  sich  auch  zerstreut  am  Körper.  Nament- 
lich von  den  Genitalfalten  aus  breiten  sich  die  Eczemkreise 
weit  über  den  Oberschenkel,   die  Nates  und  die  Sacralgegend 
aus.   Die  Maceration  durch  Schweiss  (Intertrigo),  sowie  durch 
Kaltwassercuren,  nasse  Leibbinden,  ist  eine  zweifellose  Gelegen- 
heitsursache der  Affection.    Seit  Köbner's,  Pick's  und  meinen 
Nachweisen  ist  die  Gegenwart  von  Pilzen  in  den  Epidermis- 
stratis  bei  Eczema  marginatum  für  Niemanden  ein  Zweifel, 
wohl  aber,  ob  dasselbe  mit  Herpes  tonsurans  zu  identificiren 
sei.   Von  diesem  unterscheidet  es  sich  durch  seinen  hartnäcki- 
gen Bestand,  durch  15 — 20  Jahre  und  darüber,  das  intensive 


^24  Vierundzwanzigste  Vorlesung. 

Jucken,  die  geringe  Ansteckungsfäliigkeit  ixnd  die  grosse  Nei- 
gung zur  örtKclien  ßecidive.  Ich  komme  übrigens  auf  dieses 
Eczem  nocli  bei  Herpes  tonsurans  zu  sprechen. 

Das  zum  Symptomencomplex  der  Scabies  (Krätze)  ge- 
höri"-e  Eczem  werde  ich  an  einer  anderen  Stelle  abhandeln. 


Zur   Diagnose  des   Eczems  bedarf  es  im  Allgemeinen 
keiner  anderen  Behelfe,  als  der  durch  die  geschilderten  Symp- 
tome gebotenen.    Man  vergesse  nur  nicht,   dass  neben  den 
vorfindlichen  Morphen  auch  der  eigenthümliche  Verlauf,  die 
"Wandelbarkeit  der  Erscheinungen,  von  der  Haut  mit  abzulesen 
ist;  dass  durch  die  Betrachtung  und  Vergleichung  aller  kran- 
ken Hautstellen  das  Einheitliche  des  Processes  am  besten  er- 
schlossen werden  kann;  und  dass  schliesslich  das  Eczem  unter 
allen  Umständen  in  einem  entzündlichen  A^organge  besteht,  so 
dass  im  Gegensatze  von  neoplastischen  Infiltrationen  (Lupus, 
Syphilis)  die  Höthe  jedesmal  imter  dem  Fingerdrucke  schwin- 
det und  auch  alle  anderen  Merkmale  der  Entzündung  zu  con- 
statiren  sind. 

Nach  dem  Verlaufe  z.  B.  ist  es  ermöglicht,  das  figurirte 
Eczema  papulosum  des  Stammes  (häufig  bei  Kindern)  von  Liehen 
scrophulosorum  und  ruber  zu  unterscheiden,  dabei 
letzteren  die  Knötchen  stationär,  bei  ersterem  rasch  wandel- 
bar sind,  bald  abblassen  oder  zu  Bläschen  sich  steigern ;  durch 
die  anatomische  Verschiedenheit  zugleich  die  Knötchen  des 
kleinpapulösen  Syphilides,  welche  überdies  unter 
Fingerdruck  nicht  abblassen,  da  sie  in  einem  dichten  Infiltrate 
bestehen. 

Das  Eczema  vesiculosum  wird  nicht  leicht  mit  Herpes 
verwechselt  werden,  da  bei  diesem  die  Bläschen  gruppirt,  bei 
jenem  dicht  gedrängt  und  ohne  regelmässige  Anordnung  stehen. 

Was  das  Eczema  acutum  crustosum  et  impetigiuosum 
anbelangt ,  wird  man  nur  die  Krusten  zu  entfernen  brauchen, 
xxm  sich  den  Anblick  der  rothen,  nässenden  Hautfläche  des 
Eczema  rubriun  madidans  zu  verschaffen  und  vor  einer  Ver- 
wechslung mit  anderen  Krusten  bildenden  Processen  (ulceröse 

Formen)  zu  schützen. 

Welche  Unterschiede  circumscriptes  Schuppeneczein  gegen- 
über von  Psoriasis  und  Pityriasis  rubra  erkennen  lässt, 
habe  ich  bei  letzteren  Krankheitsformen  angedeutet.  Schwie- 


Eczem.  425 

rig-er  fällt  die  Unterscheidung  bei  Eczema  ckronicum  univer- 
sale, und  die  Orientirung  wird  nur  in  dem  Masse  leichter,  als 
nässende  Flächen  eruirbar  sind.  Bei  scheibenförmigem  und  derb 
infiltrirtem  Eczem  beschränkter  Hautstellen,  namentlich  des 
Handrückens  und  der  Elachhand,  ist  das  Abreiben  mittelst 
eoncentrirter  Ealilösuug  deshalb  sogar  ein  guter  Behelf  gegen- 
über von  s^qjhilitischen  Plaques  und  Psoriasis,  indem  beim 
Eczem  sofort  nässende  Pünktchen  und  Bläschen  zum  Vorschein 
kommen. 

Zum  Unterschiede  von  diffuser  Psoriasis  palmar is  et 
plantaris  (syphilitica)  ist  das  chronische  Eczem  derElachhand 
und  Fusssohle  unregelmässig  schuppig  und  am  Rande  theils 
wie  verwaschen,  theils,  wo  es  scharf  abgesetzt  ist,  von  normal 
blasser  oder  hj^Derämischer  Haut  begrenzt.  Auch  mit  Ichthyo- 
sis ist  hier  Verwechslung  möglich.  Ueberhaupt  sind  die  hier 
localisii'ten  Eczeme  am  schwierigsten  zu  diagnosticiren  und  oft 
erst  durch  die  Beobachtung  des  Verlaufes,  oder  die  Wirkung 
der  Medicamente  zu  dilferenziren. 

Bei  Eczema  squamosum  capillitii  sind  die  Erscheinungen 
gegenüber  von  Psoriasis,  Seborrhoe,  Lupus  erythe- 
matosus abzuwägen,  wie  dies  schon  unter  jenen  CaxDiteln 
besprochen  wiu-de. 

Endlich  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  in  sehr  vielen 
Fällen  mit  der  Diagnose  Eczem  noch  nicht  der  ganze  Charak- 
ter der  vorliegenden  Hautkrankheit  erschöpft  ist,  wenn  nämlich 
dasselbe  nur  eine  Complication ,  oder  Folge  einer  anderen 
Hantkrankheit  ist,  z.  B.  von  Scabies,  Prurigo,  nässenden 
Papeln  am  Scrotum  und  an  den  weiblichen  Genitalien, 
weshalb  es  neben  der  Diagnose  Eczem  auch  jedesmal  noth- 
wendig  oder  wünschenswerth  ist,  die  Quelle  oder  den  ursächlichen 
Charakter  des  Eczems  zu  präcificiren.  Dies  führt  uns  zur 
Actio logie  dieser  vielgestaltigen  Krankheit,  mit  der  wir 
uns  nächstens  beschäftigen  wollen. 


Fünfuiidzwanzigste  Vorlesung. 


E  c  z  e  m. 

(Fortsetzung.)    Ursachen,  Prognose,  Therapie. 

Den  Ursachen  des  Eczems  überliatTpt ,  wie  des  im  ein- 
zelnen Falle  nachzugehen,  liat  nicht  allein  einen  theoretischen, 
sondern  auch  einen  praktischen  Werth  ,  welcher  hei  der  Vor- 
hersage und  Behandlung  zur  vollen  Geltung  kommt. 

Wir  müssen  die  Eczeme  ätiologisch  iinterscheiden  als 
1  idiopathische  und  2.  symptomatische. 

Als  idiopathische  Eczeme   sind  jene  aufzufassen, 
welche  durch  die  Haut  reizende  äussere  Schädlichkeiten  hervor- 
gerufen werden  und  demnach  auch  als  artefi  cielleEczeme 
.  zu  gelten  haben.    Demnächst  auch  solche,  welche  als  directe 
Folgen  gewisser  örtlicher  Veränderungen  an  der  Haut  seihst 

entstehen.  .  , 

Die  arteficiellen  Eczeme  spielen  eine  grosse  Kolle  m  aer 
Praxis,  denn  oft  verschuldet .  dieselben  der  Arzt  selber.  Sie 
verdanken  ihre  Entstehung  derselben  Reihe  von  ^chemisch, 
dynamisch,  oder  mechanisch  reizenden  Agentien,  welche  unter 
Umständen  nur  Erythem  veranlassen,  indem  bei  intensiverer 
Einwirkung  derselben,  oder  bei  grösserer  Reizbarkeit  der  Haut 

ihr  Effect  eben  Eczem  ist. 

Als  solche  Schädlichkeiten  sind  anzuführen:  Oleum  Oro- 
tonis  Tiglii,  Tartarus  emeticus  in  wässeriger  Lösung  oder  als 
Un-uentum  Autenriethi,  Canthariden,  Mezereum  Oleum  und 
Farina  seminum  sinapis  (Senfteig),  Meerrettig  Kalilauge,  Sub- 
limatlösung, Schwefelleber  und  Schwefel  salbe.  Dass  durch 
len  in  wohlmeinendster  Absicht  applicirten  Senfteig  univer- 


Eczem. 


427 


selles  acutes  Eczem  ,  mit  mehrmonatlicher  oder  ancli  mehrjäh- 
riger Andaner  der  Erkrankung,  verschuldet  werden  kann, 
scheinen  nicht  alle  Aerzte  zu  wissen.  Ungnentmn  hydrargyri 
veranlasst  oft  ein  papulo-pustnlöses  Eczem  (Eczema  mercuriale) 
an  behaarten  Stellen,  oder  anch  Eczema  vesiciilosum,  ma- 
didans ,  das  sich  also  nicht  von  den  anderen  arteficiellen 
Eczemen  unterscheidet.  Am  heftigsten  wirkt  wohl  Tinctnra 
Arnicae,  bekanntlich  das  medicinisch  unnützeste  Ding  und 
wahrscheinlich  darum  gegen  alle  Contusionen  und  frische  Wun- 
den so  oft  applicirt,  welche  bei  einiger  Concentration  beinahe 
auf  jeder  Haut  kolossales  Eczem  mit  erbsen-  bis  bohnengrossen, 
confluir enden  Blasen  hervorruft.  Ferner  sind  anzuführen  die 
Harz  und  Terpentin  enthaltenden  Pflaster,  Emplastrum  diachyli 
compositum  (adhaesivum),  E.  ad  rupturas. 

Hieher  reihen  sich  die  arteficiellen  Eczem e  in  Folge  der  in 
gewerblicher  Ausübung  mit  der  Haut  oft  in  Contact  gebrachten 
Mineralsäuren,  Pflanzensäfte,  Harze,  Terpentin,  bei  Anstreichern, 
Buchdruckern;  von  "Wasser,  Lauge,  Seife  bei  Kellnern,  "Wä- 
scherinen (Eczema  lotricum) ;  von  pulverigen  Substanzen  bei 
Gewiirzkrämern,  Müllern  und  Bäckern  (^Bäcker-,  Gewürzkrämer- 
„Krätze"),  Maurern,  Feld-  und  Erdarbeitern;  die  Eczeme 
(„kritischen  Ausschläge")  in  Folge  von  Kaltwassercuren  u.  v.  a. 

Als  durch  dynamische  Einflüsse  entstanden  wäre  zu 
erwähnen  Eczema  solare,  meist  papiilös ,  und  Eczema 
caloricum  (von  Feiierwärme) ,  das  oft  grossblasig  erscheint; 
kalte,  trockene  "Winterluft  provocirt  Eczema  squamosum. 

"Wichtig  sind  die  durch  Schweiss  hervorgerufenen,  papu- 
lösen  (Eczema  Sudamen)  und  erythematösen  (Eczema  Inter- 
trigo) Eczeme,  zu  welchen  auch  die  unter  Kautschuk- 
gewandung entstehenden  gehören. 

Mechanische  Einwirkungen,  Druck  und  Reibung,  machen 
wohl  selten  originär  Eczem,  aber  sehr  häufig  und  in  der  lästig- 
sten "Weise ,  wenn  die  Haut  durch  irgend  eine  der  früher  er- 
wähnten Schädlichkeiten  eczematös  erkrankt  war.  Da  kann 
der  Druck  von  der  Hutkrämpe,  vom  Strumpfband,  das  Reiben 
der  Manchette ,  des  Kragens  etc.  genügen ,  um  sofort  einen 
frischen  Eczemausbruch  zu  veranlassen. 

In  dem  Sinne  ist,  wie  Hebea  zuerst  aufmerksam  gemacht, 
das  Kratzen  als  solches  selbst  ein  Eczem  hervorrufendes 
Agens,  indem  durch  Reizung  der  Follikel,  der  Papillen,  es  zu 


^28  Fünfuadzwanaigsto  A'^orlusung. 

Hyperämie  in  Form  von  Strichen  und  Striemen  und  7a\  dis- 
seminirten  oder  aggregirten  Exsudationsformen  des  Eczema 
kommt.  Daher  ist  jedes  bestehende  Eczem,  vermöge  des  damit 
verbundenen  Kratzens,  selber  die  Quelle  neuerlichen  Eczems, 
und  daher  findet  sich  solches  jederzeit  bei  allen  juckenden 
Hautkrankheiten,  Scabies,  Prurigo,  Urticaria,  Ichthyosis,  Pem- 
phigus pruriginosus,  Pruritus  cutaneus. 

An  diese  reiht  sich  als  in  der  Haut  selbst  gelegenes 
Moment  der  Eczemerkrankung  die  V  ar  i  c  o  s  i  t  ä  t  an  den  Unter- 
extremitäten. Varices  veranlassen  zunächst  Jucken;  in  Folge 
des  Kratzens  kommt  es  zu  einzelnen  Knötchen  iTud  Excoria- 
tionen;  binnen  Monaten  und  Jahren  zu  zeitweiligen  Hämor- 
rhagien,  Krustenbildung,  Eiterabschluss  und  so  fort  zur  Steige- 
rung des  Eczems  nach  seinen  verschiedenen  Formen. 

°  Symptomatische  Eczeme  sind  jene,  welche  als  Folge, 
als  Reflex  eines  krankhaften  Zustandes  des  Organismus,  semer 
Ernährung,  Constitution  der  Blut-  und  Säftemasse,  oder  eines 
Organsystemes  —  die  Haut  ausgeschlossen  —  betrachtet  werden 
dürfen.    So  findet  sich  chronisches  und  häufig  recidivirendes 
Eczem  der  Hände ,  des  Kopfes  und  auch  an  anderen  Körper- 
stellen, speciell  bei  Personen,  welche  an  chronischer  Dyspepsie 
leiden '(auch  in  Folge  von  Malariaeachexie '?  Poor)  ,  Diabetes, 
Albuminurie,  besonders  häufig  aber  bei  weiblichen  Individuen, 
welche   mit   Dysmenorrhoe  und  Uterinalaffectionen  behaftet, 
oder  überhaupt  chlorotisch,  anämisch  sind.  Es  zeigt  sich,  dass 
die  eczematöse  Erkrankung  mit  der  Besserung  und  der  Steige- 
runa-  jener  Uebel  ebenfalls  regelmässig  ab-  und  zunimmt 

"  Auch  in  rein  neuropathischem  Sinne  entsteht  unter  solchen 
Umständen  Eczem,  z.  B.  bei  manchen  Frauen  wähi;Bnd  einer 
jeden  Gravidität,  oder  umgekehrt,  regelmässig  nach,  Beendi- 
gung der  Lactation. 

Was  das  Alter  anbelangt,  so  findet  sich  allerdings  bei 
Kindern  sehr  häufig  Eczem,  im  Gesicht,  als  Crusta  lactea  bekannt, 
bei  chronischen  Affectionen  der  Augen  und  Olireii,  am  übrigen 
Körner  oft  nachweisbar  durch  den  Einfluss  von  Schweiss  oder  zu 
heissen  Bädern  hervorgerufen,  während  bei  Erwachsenen  und 
älteren  Personen  wieder  in  anderen  Umständen  beruhende  Eczeme 
z  B  das  von  Varices,  häufiger  sind.  Aber  es  scheint  sonst 
weniger  das  Alter ,  als  die  individuelle  Reizbarkeit  der  Haut 
in  der  Aetiologie  des  Eczems  die  Hauptrolle  zu  spielen. 


Eczem. 


429 


Das  Gesclileclit  anlangend,  dürften  männliche  und 
weibliche  Lidividuen  so  ziemlich  ein  gleiches  Contingent  für 
Eczem  liefern,  obgleich  unter  den  Spitalskranken  die  männ- 
lichen zwei  Drittel,  die  weiblichen  ein  Drittel  der  Behandelten 
ausmachen. 

Im  Uebrigen  kennen  wir  keine  irgendwie  zu  bezeichnende 
Dyscrasie,  weder  Ehachitismns  noch  Scrophiüose,  Tnbercxilose, 
welche  direct  als  Ursache  des  Eczems  beschuldigt  werden 
könnte,  sondern  höchstens  in  dem  Sinne,  wie  die  Anämie  und 
Chlorose  überhaupt,  indem  diese  Zustände  eine  derartige  Reiz- 
barkeit des  Hautorgans  setzen ,  dass  dasselbe  nunmehr  durch 
Einflüsse  (Hitze,  Wasser  etc.)  eczematös  krank  wird,  welche 
dasselbe  Individuum  wieder  ganz  gut  verträgt,  sobald  dessen 
Anämie  behoben  ist. 

Weder  Contagiosität  noch  Heredität  ist  dem  Eczem  als 
solchem  zuzusprechen;  doch  stimme  ich  darin  mit  Veiel  über- 
ein, dass  eine  Heredität  der  Disposition  zu  Eczem  in  manchen 
Eamilien  angenommen  werden  darf. 


Die  Prognose  bei  Eczem  ist  insoferne  günstig,  als 
dieses  niemals  mit  Gefahr  für  das  Leben  verbunden  ist  und 
jederzeit  vollständig  heilen  kann.  Bezüglich  dessen  jedoch,  ob 
ein  acutes  Eczem  als  solches  typisch  ablaufen  oder  chronisch 
werden  würde,  oder,  ob  nach  Heilung  eines  chronischen  Eczems 
Recidiven  zu  befürchten  seien,  welche  Ausdehnung  und  Dauer 
selbst  ein  einzelner  Eczemausbruch  nehmen  werde  u.  m.  dgl. 
—  bezüglich  all' 'dieser  Momente  wird  die  Prognose  sehr  ver- 
schieden sein,  je  nach  der  Ursache  des  Eczems,  der  Irritabilität 
der  Haut,  dem  zweckmässigen  Verhalten  und  dem  Berufe  des 
Kranken ,  inwieferne  dieser  Schädlichkeiten  zu  vermeiden  in 
der  Lage  ist  oder  nicht,  und  endlich  in  nicht  geringstem  Grade 
je  nach  der  mehr  minder  zweckentsprechenden  Behandlung. 


Die  Therapie  des  Eczems  ist  vielleicht  das  wichtigste 
Capitel  in  der  praktischen  Dermatologie.  Bei  keiner  Haut- 
krankheit liegt  es  so  sehr ,  wie  beim  Eczem ,  in  der  Hand 
des  Arztes,  durch  die  Wahl  des  Mittels,  der  Zeit  und  Methode 
seiner  Application,  das  Zuviel  oder  Zuwenig  im  Thun  und 
Lassen,  den  Gang  des  Processes  im  günstigen  oder  ungünstigen 


Fünfundzwanzigste  Vorlesung. 

Sinne  zu  beeinflussen;  und  nirgends  macht  sich  die  Wichtigkeit 
jener  therapeutischen  Allgemeinregeln,  welche  ich  im  Früheren 
(pag.  9L)  aufgeführt  habe,  so  geltend,  wie  in  der  Behandlung 
des  Eczems.    Indem  ich  auf  jene  nochmals  hinweise ,  will  ich 
nur  dreierlei  allgemeine  Indicationen  für  die  Therapie  des  Ec- 
zems hervorheben:   1.   Dass  man  an  jeder  kranken  Stelle 
den  Grad  der  entzündlichen  Veränderung,  ob  zu-  oder  abneh- 
mend, acut  oder  chronisch,  genau  beurtheile.    2.  Dass  man 
wisse,  welche  Veränderung  das  anzuwendende  Medicament  be- 
wirken soll,  und  3.  dass  man  den  Effect  des  angewendeten 
Verfahrens  jeden  Moment  controlire. 

Ein  principieller  Unterschied  besteht  zwischen  der  Be- 
handlung des  acuten  und  der  des  chronischen  Eczems.  Jenes 
wird  im  AUgemeinen  durch  die  Entzündung  mindernde  und 
verhütende,  dieses  durch  reizende  und  entzündungerregende 
Mittel  und  Methoden  bekämpft.  Dies  wird  in  dem  nun  zu 
besprechenden  Detail  noch  deutlicher  zum  Ausdruck  gelangen, 
zunächst  der 

Behandlung  des  acuten  Eczems. 
In  dem  Entwicldungsstadium  des  acuten  Eczems  besteht 
die  wichtigste  Aufgabe   der  Therapie  in  der  Hintanhaltung 
alles  dessen,   was  die  Entzündung  und  das  Jucken  steigern 
könnte;  also  Vermeidung  von  Druck  und  Reibung  ^er  Leib- 
wäsche, von  Hitze,  Schweiss,  Benetzung.    Demnach  sind  Wa- 
schungen und  Bäder  zu  untersagen.    Die  Anfangs- 
formen des  acuten  Eczems,  E.  Intertrigo  und  E.  papulosiun 
können  durch  derart  zweckmässiges  Verhalten  rasch  zur  In- 
volution gebracht  werden.  Ein  wichtiges  Mittel  zur  Abhaltimg 
des  Schweisses  und  der  Irritation  der  von  Intertrigo  besetzten 
Hautfalten  ist  Streupulver  (Poudre).    Als  solches  kann  jedes 
beliebia-e  indifferente  Pulver  dienen:  Semen  lycopodu,  Aniyium 
tritici,  Oryzae,  Pulvis  Aluminis  plumosi,  d.  i.  Talcum  venetum 
pulerisatiun    Federweiss) ,    oder  Pulv.  babtistae  (Tuffstein  , 
einfach,  gemischt,  oder  noch  mit  Zusatz  von  Cervissa  Oxyd. 
zTncT    Magist.  Bismuthi,   Bicarb.  sodae.    Durch  Zusatz  von 
P  üv  rad.  Ireos  florent.  gibt  man  dem  Poudre  etwas  Parfüm, 
während  ätherisches  Oel  hiezu  nicht  geeignet  ist;  etwa  nach 
Z  Fo  mel:    Rp.  Amyli  oryzae  100.    Pulv.  alumu.  plumos 
20  Flor  Zinci,  Pulv.  rad.  Ireos  florent.  aa  5.  Oder  Rp.  Oxyd. 


Eczem. 


431 


Zinci,  Mag.  Bismutli.  aa  5.  Cerussae  2-50,  Piilv.  talci  venet. 
50,  Sig.  Poudre. 

Auf  freie  Hautstellen  wird  das  Streupulver  mittelst  Charpie- 
ballens  oder  Poudrequaste  aufgestreut,  in  intertriginöse  Hautfal- 
ten müssen  dagegen  in  Poudre  getauchte  Plumasseaux  eingelegt 
werden ,  welche  die  Hautflächen  sorgfältig  auseinanderhalten. 
Namentlich  bei  Kindern  muss  dies  genau  geschehen.  Die  Poudre- 
einlageu  werden  so  oft  gewechselt,  als  sie  warm  imd  feucht 
werden. 

Bei  Eczema  papulosum  ist  oft  das  Jucken  sehr  heftig 
und  demnach  zu  bekämpfen,  weil  das  unvermeidliche  Kratzen 
den  Zustand  rasch  verschlimmern  könnte.  Eintupfen  mit  Spir. 
xini  gallicus ,  dem  etwas  Acid.  carbolicum  (1  :  200)  zugesetzt 
wird,  z.  B.  ßp.  Acid.  carbol.  (oder  salicyl.)  1,  Spir.  vin.  gall. 
150,  Spir.  lavandul.,  Spir.  Colon,  aa  25,  Grlycerrhin  2*50,  worauf 
sogleich  Poudre  kommt ,  erweisen  sich  kühlend  und  Jucken 
mindernd.  Einpinselnng  mit  Tinctura  Rusci  (ßp.  Olei  ßusci 
50 ,  Aether.  sulfur. ;  Spir.  vin.  rectif.  aa  75 ,  filtrat.  adde : 
Olei  lavandulae  2)  wirkt  noch  günstiger. 

Hat  sich  ein  Eczema  vesiculosum,  madidans,  im- 
petiginosum  entwickelt,  so  wird  während  des  Stadiums  der 
Acnität  unter  allen  Umständen  eine  indifferente  Beliandlung 
platzgreifen,  neben  der  sorgfältigen  Verhütung  der  schon 
genannten  SchädKchkeiten. 

Bei  der  intensivsten  Erkrankung,  das  ist,  im  Ealle  über 
den  grössten  Theil  des  Körpers  acute  Eczemeruptionen  in 
den  verschiedenen  Stadien  sich  vorfinden,  der  Kranke  auch 
fiebert ,  wird  derselbe  am  besten  entkleidet ,  sogar  seiner 
Leibwäsche  entledigt  und  einfach  mit  einem  Laken  im  Bett 
zugedeckt,  nachdem  sowohl  das  Bettlaken,  als  sein  ganzer 
Körper  allenthalben  mit  Amylum  oder  einem  beliebigen  Streu- 
pulver sehr  reichlich  bestreut  und  solches  namentlich  zwischen 
die  Hautfalten  der  Gelenke ,  Grenitalien  etc.  eingelegt  worden. 
Das  Einpudern  wird  fleissig  erneuert.  Fiebert  der  Kranke,  wird 
die  Diät  darnach  eingerichtet,  innerlich  ein  Acidum  gereicht. 

Ueber  nässenden  Stellen  zusammenbackende  Krusten  wer- 
den diirch  Druck  mit  dem  Poudre-Ballen  gesprengt,  damit  der 
abgesperrte  Eiter  hervortrete. 

Nur  bei  sehr  intensiver  Entzündung  der  Haut  und  hefti- 
gem Schmerz-  und  Spannungsgefühl  wird  man  zur  Application 


Fünfundzwanzigsto  Vorlesung. 

von  Kaltwasser-Emliülliingen  schreiten,  die  aber  alsdann  auch 
durch  fleissiges  "Wechseln  in  der  niedrigen  Temperatur  erhalten 
werden  müssen.  Im  AUgemeinen  jedoch  wird  die  Behandlung 
mittelst  Strenpnlver  die  beste  sein. 

An  behaarten  Stellen  lässt  man,  ohne  weiter  einzugreifen, 
den  Process  bis  zum  Abfallen  der  Krusten  und  zum  Stadium 
des  Eczema  squamosum  sich  zurückbüden.  An  nicht  behaarten 
Hautpartien  hann  man  in  Stadio  Decrementi  die  Krusten  durch 
Eett  ablösen  und  durch  Bedecken  der  noch  nässenden  Flachen 
mittelst  geeigneter  Salbe  und  Druckverband  den  Verlauf  ab- 
kürzen.   Ambesten  eignet  sich  hiezu  das  Unguent.  Dia- 
chyli  oder  das  Ungu.  Vaselini  plumbicum.   (Rp.  Empl 
Diachyl.  simpl.  20,  Vaselini  80,  Hquef.  misc.)  Die  Salbe  wd 
dick  auf  Leinwand  gestrichen,  worauf  diese,  in  passenden  Stucken 
zugeschnitten,  aufgelegt  und  mittelst  ElaneUbinden  (für  «  Gesxcht, 
Elanelllarve)  befestigt  wird.    Statt  einschnürender  Bandchen 
bedient  man  sich  der  Sicherheitsnadeln  als  Verbandschluss. 
Der  Salbenbelag  wird  täglich  ein-  bis  zweimal  erneuert,  nach- 
dem jedesmal  die  macerirten  Krusten  und  Epidermismassen 
von  der  Eczemfläche  weggewischt  worden.    Zuweüen  schwillt 
die  Haut  unter  Ung.  DiachyH  acut  an,  dann  verträgt  sie  vie  - 
leicht besser  Zinksalbe  oder  ein  anderes  Fett ,  oft  aber  auch 
keinerlei  solches,   dann  muss  eben        Behandlung  mittelst 
kalten  Umschlägen,  Plumbum  aceticum  (10  ad  500  Aqu  lont.) 
oder  Amylum  zu  Ende  geführt  werden,  d.  h.  bis  zum  Stadium 
des  Eczema  squamosum. 

Von  da  all,  kann  nun  em  verschiedener  Weg  emgescUagen 
werden.  Der  bequemste  ist,  die  rauhe  setappende  Flache 
tädich  mehreremals  mittelst  Fetten  geschmeidig  zu  machen 
und  darauf  Poudre  zu  streuen,  um  auch  die  Eöthe  zu  verdecken 
rchminhen).  Dazu  eignen  sich  Ungu.  emoUiens.  Slycento- 
Crtoe  (AmylipurilO,  Glycerrhin.  40,  coqu.  misc),  Salben 
vrPraectit'alb.  (1:40),  Zinc.  oxyd  ;  M^g.  Bismuth  :  4M. 
das  Unguent.  Wilsoni  (Benzoes  pulv  o,  ^xung.  poic.  IW, 
digere,  cola  adde:  Zinci  oxydat.  26,  M,sc,  f.  ungu.),  pures 

^''"'i:  TttZ:^"-^,—^  -gleich  iucht,  auch 
manche  di  angeführten  Mittel  die  Haut  wieder  reize,  so  r  . 


Eczem. 


433 


bei  diesen  Mitteln  beharren  mtiss,  es  doch  am  besten,  in  diesem 
Stadinm  T  h  e  e  r  anziiwenden. 

"Wir  bedienen  nns  der  bei  Psoriasis  erwähnten  Theer- 
sorten.  Doch  ist  hier  grosse  Vorsicht  nothwendig.  Zunächst 
darf  bei  Eczem  —  im  Gegensatz  zu  Psoriasis  —  niemals  der 
Theer  auf  nässende  Stellen  applicirt  werden.  Aber  auch  die 
nach  Versiegen  des  Nässens  überhäutete  und  noch  lebhaft 
rothe  Haut  wird  durch  Theer  sehr  leicht  frisch  entzündet  und 
acut  nässend,  namentlich  an  Stellen,  die  mit  gegenüberliegenden 
Hautfalten  in  Contact  stehen  \md  sich  erwärmen  (Genitalfalten, 
Hängebrust) ;  und  man  kann  nach  einmaligem  Eiutheeren  die 
unangenehme  Ueberraschung  haben ,  dass  der  Process  mit 
Schwellung  und  Nässen  nun  von  vorn  beginnt.  Um  diesem 
sehr  misslichen  Zufall  vorzubeugen,  ist  es  rathsam,  die  ersten 
Tage  auf  die  eingetheerten  Flächen  wieder  die  Salbenflecke  zu 
legen.  Erst  wenn  man  nach  mehreren  Tagen  die  Epidermis 
sich  bräunen  und  die  Hyperämie  abnehmen  sieht,  die  Haut 
kühl  bleibt,  kann  der  Theer  allein  aufgepinselt  bleiben.  Auch 
dann  ist  es  gut,  durch  Aufstreuen  von  Poudre  den  Contact 
nachbarlicher  Hautflächen  hintanzuhalten. 

In  dem  Maasse  als  die  Epidermisregeneration  mit  dem 
fortschi^eitenden  Abblassen  der  Haut  zögernder  wird,  bleibt 
die  theerimprägnirte  Epidermis  haften  und  erscheint  die  Fläche 
gleichmässig  braun.  Man  wartet  nun  die  Abstossimg  der 
braunen  Schichte  ruhig  ab,  worauf  die  Stelle  weiss  und  glatt 
erscheint,  oder  allenfalls  noch  schülfernd,  und  sodann  mit  den 
früher  erwähnten  indifi'erenten  Salben  geschmeidig  gemacht 
werden  kann. 

Bei  der  Behandlung  des  chronischen  Eczems 
gelte  als  erste  Indication  die  methodische  Erweichung  und 
Entfernung  nicht  nur  der  etwa  auflagernden  Krusten,  sondern 
auch  der  im  Allgemeinen  verdickten,  trockenen,  bisweilen 
schwieligen  Epidermismassen. 

In  zweiter  Linie  hat  die  Therapie  darauf  gerichtet  zu 
.  sein ,  dass  die  chronische  Hyperämie ,  welche  die  anatomische 
Grundlage  der  Hyperplasie  der  Epidermis ,  der  zeitweiligen 
Exacerbationen  zur  Knötchen-  und  Bläschenbildung  und  zum 
Nässen  abgibt,  behoben  werde.  In  Einem  wird  auch  die  Be- 
handlung die  Ilesqrption  chronischer  Infiltrate,  des  Oedems  der 
Haut,  und  die  Beseitigung  des  Juckens  bewirken. 

Kaposi,  Hantkrankheiten.  28 


Fünfundzwanzigsto  Vorlesung. 

Da    man    es    liier   nicht    mit    acuter    Hyperämie  zu 
tliun  liat,  so  wird  man  mitunter   aucli   ganz   energisch  wir- 
kende   Mittel    und    häufig    auch   solche  anwenden  können, 
durch  welche  thatsächlich  eine  acute  Entzündung  geringeren 
oder  höheren  Grades,  ja  zuweilen  geradezu  der  Zustand  des 
acuten  Eczems  veranlasst  wird;  weil  erfahrungsgemass  m  der 
lehhaften  Blut-  und  Säftebewegung,   welche  mit  der  acuten 
Entzündung  vergeseUschaftet  ist,    dicke  Epidermkschwielen 
rascher  abgestossen  werden  und  alte  entzündliche  Infiltrate  des 
Coriums  wie  anderer  Gewebe  ,  leichter  zur  Resorption  gelan- 
gen   Von  der  mehr  weniger  fachkundigen  Ausführung  dieser 
Principien  und  der  Kunst  nach  Ort  und  Gelegenheit  das  eine 
oder  das  andere  Zweckmässigere  zu  wählen,  hängt  der  Erfolg  ab. 

Was  nun  jene  die  Epidermis  und  Krusten  erweichenden 
Mittel  anbelangt,  so  sind  sie  die  bekannten  Fette,  darunter 
besonders  der  Leberthran,  sodann  das  Wasser. 

Die  Oele  müssen  wiederholt  des  Tages  und  m  grossen 
Mengen  aufgegossen  und  eingerieben  werden,  damit  die  Krusten 
und  Epidermisschuppen  zerbröckeln  und  erweichen.  Zugleich 
wird  man  die  betrefPenden  Körpersteüen  mit  Wollstolfen  um- 
Millen ,  welche  das  Verbleiben  des  Fettes  auf  den  Hautstellen 
begünstigen.  Die  festen  Fette.  Salben  werden  ain  besten 
erweichend  wirken,  wenn  sie,  dick  auf  Leinwand  oder  Woll- 
lappen gestrichen,  auf  die  eczematösen  Hautstellen  genau 
adaptirt  und  mit  FlaneU  iiiedergebunden  werden. 

Das  Wasser  kann  in  Form  von  Umschlagen  oder  Pfimss- 
^iTz'schen  Einhüllungen,  Dampf-,  Douche-  und  Wannenbadern 
benützt  werden.    Sehr  wirksam  sind   die   schon  erwähnten 
Kautschuk-EinhüUungen,  welche  in  Form  von  ganzen  Kleidungs- 
stücken, Hauben,  Handschuhen,   Jacken,   Beinkleidern  und 
Strümofen    oder  durch  Adaptiren  von  Kautschukbinden  und 
lell^n  dJr  eczematösen  HauUen  mittelst  Kautschukflecken 
oder  Larven  (Besniek)  in  Gebrauch  kommen.    Bei  der  luitei 
Kautschuk,   lowie  durch  Wasser  stattfindenden  Mac^.  i.n 
wird  häufig  nebenbei  an  den  gesunden  HautsteUen  neuerliches 

Eczem  provocirt.  .  ,  , 

Zur  Maceration  und  zur  Entfernung  der  schon  erweichten 
Krankheitsproducte  kommen  noch  zeitweilig  Seifenwaschungen 
^it  Sapo  viridis,  Glycerinseife ,  Spir.  sapon.  kalinus  zur 
"Verwendung. 


Ecssein. 


435 


Indifferente  Thermalbäder  wirken  nur  als  Macerations- 
mittel ;  solche,  die  Schwefel  enthalten,  nur  in  gewissen  Eczem- 
fornien  heilsam,  und  auch  da  nur  bei  anhaltendem  Gebrauche. 

Ueberaus  schwielige  Stellen,  welche  durch  die  erwähnten 
.Mittel  nicht  erweicht,  mmd  und  glatt  werden,  müssen  mittelst 
concentrirter  Essig-  oder  Salzsäure  abgerieben  werden,  oder 
weichen  der  Application  von  Schmierseife,  welche,  auf  Flanell 
o-estrichen,  12 — 24  Stunden  aufgelegt  wird;  oder  am  besten 
der  Aetzung  mittelst  einer  Lösung  von  Kali  caustic.  5,  ad 
Aqu.  dest.  10.  Die  Letztere  macht  jede  eczematöse  Stelle  wund 
und  wirkt  geradezu  auf  Eczem,.wie  ein  chemisches  Eeagens. 

In  Bezug  auf  die  Methodik  in  der  Therapie  des  chro- 
nischen Eczems  gilt  nun  Folgendes.  Man  beginnt  mit  der 
macerirenden  Behandlung  und  setzt  diese,  d.  i.  die  Application 
von  Oel ,  Salben ,  Kautschuk ,  die  abwechselnden  Waschungen 
mittelst  Seife,  Aetzungen  mit  Kali,  Bäder  etc.,  so  lange  con- 
sequent  fort,  durch  Tage  und  Wochen,  bis  die  eczematöse 
Haut  geschmeidig  und  glatt  ist  und  durch  energische  Seifen- 
wasehung  nicht  mehr  wund  wird,  und  auch  keine  nässenden 
Punkte  auf  derselben  zum  Vorschein  kommen.  Alsdann  ist  die 
Haut  in  der  Regel  auch  schon  ganz  gesund.  Oder  aber  die- 
selbe ist  noch  hyperämisch  (Eczema  squamosum).  Alsdann 
wird  Theer  applicirt  und  in  der  beim  acuten  Eczem  beschrie- 
benen Weise  die  Behandlung  zu  Ende  geführt. 

Eczema  squamosum  ohne  erhebliche  Epidermisverdickung 
kann  von  A'ornherein  mit  Theereinpinselungen  behandelt  werden. 
Der  Theer  wird  mittelst  Borstenpinsels  in  sehr  dünner  Schichte, 
aber  energisch  eingerieben.  Dadurch  wird  aueh  das  Jucken 
am  schnellsten  behoben.  Ist  die  Oberhaut  wesentlich  verdickt, 
so  kann  man  eine  Mischung  von  Oleum  oliv,  oder  Ol.  jecor. 
aseUi  mit  Ol.  Rusci  oder  fagi  (1  :  1  oder  1:2)  in  der  ersten 
Zeit  verwenden.  Die  modificirte  WiLKmsoN'sche  Salbe  (Schwefel, 
Theer,  Seife  und  Fett  enthaltend)  in  einem  Cyclus  von  8 — 12- 
maliger  Eiapinselung  wirkt  auf  alte  Eczemstellen  in  jeder  Be- 
ziehung in  kurzer  Zeit  sehr  günstig.  Auf  geringfügig  erkrankte 
Hautstellen  können  Einpinselungen  von  Tinctura  ßusci,  Wa- 
schungen mit  fester  Theerseife,  flüssiger  Theerseife  (Olei  Rusci 
20,  Spir.  sapon.  kaiin.  50,  G-lycerin  10),  Einschmieren  von 
Theersalbe  (Olei  fagi  10,  Glycerin  5,  Ungu.  emoll.  50,  Bals. 
peruv.  2-.50),   Carbolsalbe   (l  :  50),   Zink-,  Präcipitatsalben 

28* 


43ß  Pünfundzwanzigste  Vorlesung. 

Kali-Creme  genügen.  Letzteres  wird  nach  seinem  Kali- Gehalt 
mit  Nr.  I,  II,  m,  IV  unterschieden.  (Rp.  Glycerin  40, 
Olei  Rosar.  Olei  flor.  aiirant.  aa.  gutt.  2,  Kali  carhon.  solnt.  2,b 
(Nr.  I),  5  (Nr.  II),  10  (Nr.  III),  20  (Nr.  IV). 

Nachdem  ich  die  allgemeinen  Principien  der  Behandlung 
des  chronischen  Eczems  und  die  zur  Verwendung  geeigneten 
Mittel  und  Methoden  so  ausführlich  als  thunlich  dargelegt 
habe ,  will  ich  noch  bezüglich  der  Therapie  der  speciell  locali- 
sirten  Eczeme  einige  Anleitungen  geben. 

Bei  Eczema  capillitii  werden  die  Krusten  mittelst 
Olivenöl,  Leberthran,  Carbolöl  (Acid.  carbol.  1,  Olei  oliv.  100, 
Bals.  peruv.  2),  oder  Kautschukhaube  erweicht.  Letztere  wird 
mittelst  Elanellbinde,  nie  mittelst  Elastiks  chnur  nieder- 
gedrückt.   Die  erweichten  Massen  werden  täglich,  oder  jeden 
3  _4.  Tag  mit  Spir.  sapon.  kaiin.  abgewaschen.    Dass  die 
Haare  bei  Erauen  reichlich   ausgefallen   sein   und  bei  der 
Manipulation  mit  entfernt  werden  können ,   ist  den  Kranken 
vorauszusagen.  Doch  stellt  sich  später  wieder  meist  der  Haar- 
wuchs ein.    Bei  Erauen   die  Haare  kurz   zu   schneiden  ist 
überflüssig.    Vom  Stadium  des  Eczema  squamosum  ab  werden 
Einpinselungen  mit  Tinctura  ßusci,  später  mit  Carbol-Alkohol 
txnd  Pomaden  von  Praecip.  alb.  oder  Zink,  oder  Ungu.  Altheae 
vorgenommen.    Kalte  Douchen  und  kalte  Umschläge  süid  bei 
stark  entzündeter  Kopfhaut  sehr  zu  empfehlen. 

Bei  Eczema  faciei  impetiginosum  müssen  die  mace- 
rirenden  Salbenflecke  genau  adaptirt  und  für  jeden  Gesichtstheil, 
Nase,  Stirne,  Ohren,  Lippen  besonders  ziigeschnitten ,  in  den 
Eurchen  mittelst  Charpiewieken  und  als  Ganzes  mittelst  Elanell- 
larve niedergedrückt  werden.  In  die  Nasenlöcher  kommen  Tam- 
pons, die  in  Glycerin,  Oel,  Ungu.  emoU.  oder  AehnHches  {Aqn. 
fontis,  Glyceriniaa.lO,Sulf.Zinci015)  getunkt  worden.  Hart- 
näckige Rhagaden  an  der  Nasenschleimhaut  werden  mit  Lapis 
geätzt.    Gegen  Eczem  der  Augenlidränder  ist  eine  Salbe  von 
Praecipit.  rubri  0-15,  Ungu.  emoU.  10  zweckmässig.    Die  Re- 
sorption des  Lippeninfiltrates  wird  durch  Druck  mittelst  Salbe 
und  Elanellstreifen,  oder  Emplastrum  Minii  adustum  befördert. 
Eindet  sich  nirgends  mehr  Nässen,  dann  kann  Theer,  Zink- 
oder Praecipitatsalbe,  Unguent.  "Wilsoni ,  Vaseline,  Glycerni- 
Creme  etc.  .zur  Verwendung  kommen.    Die  Rhagaden  m  den 
Ohrenfurchen  widerstehen  am  längsten. 


Eczem. 


437 


Chronisches  Eczem  des  Lipp en säume s  weicht  oft  erst 
einer  wiederholten  Aetzung  mittelst  concentrirter  Kalilösung. 
Dasselbe  gilt  für  das  Eczem  der  Mamma  und  Brustwarze, 
deren  Haut  erst  nach  der  Behandlung  mit  Schmierseifenum- 
schlag,  Aetzkalilösung ,  SublimatcoUodium  (0,50  ^.Subl.  ad  50 
Collod.),  Essigsäure  sich  rascher  erweicht.  Die  Brustwarze 
verträgt  diese  Einwirkungen,  so  wie  Theer,  sehr  gut.  Bei 
Schwangeren  habe  ich  nie  Abortus  in  Eolge  solcher  Behand- 
lung gesehen. 

Eczema  chronicum  scroti  wird  nach  denselben  Prin- 
cipien  behandelt.  Hier  ist  nur  die  Schwierigkeit  für  die  Adaptiruag 
von  erweichenden  Mitteln,  Ungu.  DiachyH,  Ungu.  Vaselini  plumb., 
Kautschuk-Suspensorium  etc.  grösser.  Bei  altem  Eczem  kommt 
man  selten  ohne  Aetzung  der  einen  oder  anderen  Stelle  aus.  Es 
gibt  im  Verlaufe  sehr  schmerzhafte  Momente  für  den  Kranken, 
und  nervöse  Zufälle  zu  der  Zeit ,  wo  die  Scrotalliaut  in  toto 
wund  ist,  sind  nicht  selten.  Die  täglich  zweimal  vorzunehmen- 
den und  nothwendigen  Seifenwaschungen  werden  im  Sitzbade 
vorgenommen.  Theer  konxmt  erst  zur  Verwendung,  wenn  auf 
Kalilösung  nirgends  mehr  Nässen  eintritt.  Unter  6 — 12  "Wochen 
ist  ein  altes  Scrotaleczem  schwerlich  zu  heilen.  Auch  nach 
erfolgter  Grenesung  muss  der  Patient  durch  das  Tragen  eines 
Suspensoriums  und  Einpudern  den  Einfluss  des  Schweisses  vom 
Scrotum  abhalten. 

In  gleicher  Weise  wird  das  Eczema  perinaei  et  ani 
behandelt.  Das  Unguent.  Diachyli,  oder,  wenn  dieses  zu  sehr 
brennt,  Ungu.  simplex,  oder  Borsalbe,  oder  Kautschukflecke, 
kurz,  was  eben  zur  Maceration  und  zur  Deckung  der  wunden 
Flächen  verwendet  wird,  muss  mittelst  Flanell,  T-Binde  und 
Suspensorium  gut  niedergedrückt  werden. 

In  das  rhagadische  Rectum  applicirt  man  Suppositorien 
von  Butyr.  de  Cacao  1,50;  Oxyd.  Zinci  0,15;  oder  mit  Zusatz 
von  Extr.  opii  aquos  0,02,  oder  Extr.  Bellad.  0,02  und  kalte 
Einspritzungen. 

Das  Eczem  der  Hände  und  Einger  ist  bequem 
mittelst  Kautschukhandschuhen  und  Fingerlingen,  eventuell 
mit  systematischen  Salben-Einhüllungen  und  Seifenwaschiuigen 
zu  behandeln,  so  lange  eben  wunde  Stellen,  Pusteln,  Rhagaden 
zugegen  sind.  In  hartnäckigen  Formen,  namentlich  bei  schwie- 
liger Verdickung  der  Flachhand  und  Finger  und  tiefem  Sitz 


_^gg  Fünfundzwanzigste  Vorlesung. 

der  Bläsclien  sind  Handbäder  von  Kali  caiasticum  5  ,  ad  500, 
A(iu.  font.  oder  Sublimat  (5:500)  zu  empfehlen,  die  einmal 
des  Tages  durcli  10  Minuten  genommen  werden.  Unmittelbar 
darauf  werden  die  Hände  mit  Wasser  abgespiÜt,  getrocknet 
und  wieder  mit  Kautschuk  oder  Salbe  bedeckt.  Beschränkte 
schwielige   Eczeme   der  Flachhand  können    neben  Aetzung 
mittelst  Essig-  oder  Citronensäure ,   dtirch  Belegen  mittelst 
Goldschlägerhäutchen  (Peau  divine)  oder  Traumaticm  (Kaut- 
schuk in  Chloroform  gelöst)  erweicht  werden.  Wucherungen 
am  Nagelfalz  werden  abgetragen  oder  mit  Lapis  geatzt.  _  Die 
Schlussbehandlung  mittelst  Theer,  oder  der  erwähnten  weichen 
Salben  bleibt  auch  hier  dieselbe  wie  bei  den  anderen  Formen. 

Bei  Eczema  umbilici  werden  Tampons  mit  fealben 
oder  Bleiessig,  oder  blossem  Poudre  eingelegt.  Bleiben  Rothe 
und  Jucken  hartnäckig,  wird  eingetheert. 

Sehr  beschränkte  EczemsteUen  des  Stammes,  der  Extre- 
mitäten heilen  manchmal  nach  Betupfen  mittelst  Sublimat- 
lösuno-  (1  ad  100  Alkohol  oder  CoUodium). 

Die  Behandlung  des  Eczems  der  G-elenksbe  agen 
geschieht  nach  dem  allgemeinen  Schema  Das  Eczem  der 
ichselhöhle  ist  oft  mit  Entzündung  und  Vereiterung  c  ei 
Achsel-Lymphdrüsen  complicirt,  welche  entsprechend  zu  be- 

'"^'t  welcher  Weise  bei  universellem  Eczema  chro- 
nicum vorzugehen  sei,  muss  der  Arzt  in  jedem  speciellen 
EaUe  ermessen  weil  die  Mittel  und  Wege  verschieden  sein 
Iten  Ii  der  Intensität  der  ganzen  Erkrankui^  dem 

Ueb  wiegen  der  einen  oder  anderen  Form  und  den  Yerhalt- 
Sss  n  de!  Kranken,  ob  derselbe  ausgehen  muss  oder  ganz  der 
Pflege  Sch  hingibt.  So  wird  einmal  EinhüUuiig;  des  ganzen 
K^fer s  inKatitschiikgewand,  ein  andermal  Einpinseln  _  mit 
Theer-Leberthran,  oder  mit  Unguent.  Wilkmsoni  zweckmässig 
sin  oder  es  wei'den  die  verschiedenen  Körperstelleii  verschie- 
den behandelt  werden  müssen,  die  einen  getheert,  die  ander^^^^^^ 
xnit  Ungu.  Diachyli  belegt,  die  dritten  gepudert,  die  Meiten 
geätzt  u.  s.  f.,  secundum  ingenium  doctorum.  _ 

Wie  Sie  gesehen  haben,   versprechen  wir  uns  .on  dei 
.weckmälsigen  Anwendung  örtlicher  Mittel  m  jedem  Falle 
iche  e  HeiLg  des  Eczems,  nicht  nur  wo  dasselbe  durch  ort- 
i  he    der  äusLe  Ursachen ■  bedingt  ist,  sondern  auch  da,  wo 


Eczeni. 


439 


wir  dasselbe  durch  nachweisliche  oder  supponirte  Erkranktingen 
des  Organismus,  z.  B.  Chlorose,  Indigestionen,  chronischen 
Katarrh  der  Lungenspitzen,  Dysmenorrhoe  etc.  bedingt  glauben. 

Bei  derartigen  Kranken  legen  wir  aber  zugleich  grossen 
Werth  auf  eine  zweckentsprechende  innere  Medication, 
durch  welche  die  dem  Eczem  zu  Grrunde  liegende  Erkrankung 
des  Gesammtorganismus  und  damit  die  Disposition  zu  Recidiven 
beseitigt  werden  kann. 

In  dieser  Absicht  geben  wir  scrophulösen  Kindern  Leber- 
thran  innerlich  ;  chlorotischen,  dysmenorrhoischen  Frauen  Eisen, 
Eisen  mit  Arsen,  Solut.  Eowleri.  Empfehlenswerth  ist  die 
Mixtura  ferro-vinoso-arsenicaKs  nach  Er.  Wilson  (Liquor,  ar- 
senic.  chlorid.  (Pharm,  brit.)  ,  Syr.  simpl.  aa.  10,  Vini  ferri  60, 
Af[u.  foenic.  80)  täglich  1  EsslöfFel  voü  zu  nehmen ;  oder  Solut. 
arsen.  Fowleri  5,  Tinct.  martis  pomat. ;  Tinct.  Rhei  Darelli 
aa.  20,  Aq.  Menthae  140,  täglich  1—2  EsslötFel  voll  zu  nehmen. 
Ferners  Amaricantia ,  bei  chronischem  Lungenkatarrh  oder 
Dyspepsie,  Thse  von  Sumitates  Millefolii,  Chenopodium,  Liehen 
islandicus,  Milch-  und  Molkencuren;  schwach  alkalische  Mine- 
ralwässer, Grleichenberg,  Marienbad ;' eisenhaltige,  wie  Franzens- 
bad ,  Spaa ,  Pyrmont ,  Schwalbach ;  im  Sommer  der  Aufenthalt 
in  guter  Land-  und  Gebirgsluft  imd  eine  im  Allgemeinen 
kräftigende  Diätetik.  So  ist  bei  derartigen  Personen  der 
Genuss  alkoholischer  Getränke,  starker,  gekochter  Weine  und 
guten  Bieres  geradezu  anzurathen. 

Unter  keinen  Umständen  hingegen  haben  wir  bei  Eczem 
überhaupt  irgend  etwas  gegen  den  Genuss  scharfer,  gesalzener, 
gewürzter  Speisen,  von  Käse,  Caviar  etc.  einzuwenden,  da 
solche  weder  das  Eczem,  noch  das  Jucken  steigern,  noch  die 
gefürchtete,  aber  nicht  existirende  „Blutschärfe"  erzeugen. 


Seclisundzwanzigste  Vorlesung. 


Prurigo. 

Charakteristik,    Prurigo    agria    und    Prurigo  mitis. 

Nach  älterem  Beispiele  gebraticlieii  nocli  ^^ele  Aerzte  der 
Neuzeit  den  Namen  Prurigo  als  Synonym  von  Pruritus,  Haut- 
jucken, indem  sie  ganz  differente,  tlieils  mit,  theils  olme  Knöt- 
clieneruption  einliergehende  Krankheitsformen  der  Haut  als 
Prurigo  anführen,  wofern  denselben  nur  das  Symptom  des 
Juckens  zukommt.    So  Prurigo  pedicularis,  senilis,  localis. 

Eine  solch'  nnterschiedlose  Verwendung  dieses  Krank- 
heitsnamens ist  jedoch  nicht  mehr  statthaft,  seit  Hebra  den- 
selben für  einen  Krankheitsprocess  in  Anspruch  genommen  hat, 
der  sich  durch  sehr  prägnante  Charaktere  vor  allen  anderen 
juckenden  Hautkrankheiten  und  als  Uebel  eigener  Art  zu  er- 
kennen gibt. 

Prurigo  (Juckblätterchen)  charakterisirt  sich  als 
eine  in  frühester  Kindheit  erscheinende  und  meist  das  ganze 
Leben  hindurch  bestehende  Krankheit,  bei  welcher  in  chro- 
nisch sich  wiederholenden  Eruptionen  hirsekorn- 
bis  stecknadelkopfgrosse,  blasse,  blassrothe, 
derbe,  sehr  heftig  juckende  Epidermisknötchen 
auf  dem  Körper  zerstreut  ,  aber  doch  vorwiegend  auf  die 
Streckseiten  der  Extremitäten  localisirt  erscheinen, 
die  Haut  der  Grelenksbeugen  jedoch  regelmässig  von  denselben 
frei  bleibt. 

Die  Symptome  der  Prurigo  ergänzen  sich  noch  weiters 
durch  jene  Erscheinungen,  welche  als  Folgen  der  erwähnten 


Prurigo. 


441 


Eruptionen  auftreten,  so  wie  noch  tlurcli  die  Eigenthümlicli- 
keiten  der  Entwicklung  und  des  Verlaufes. 

Die  Erscheinungen  der  Prurigo  sind  an  dem  neugeborenen 
Kinde  nicht  vorhanden.  Ihre  Entwicklung  beginnt  erst  im 
Verlaufe  des  8. — 12.  Lebensmonates,  u.  z.  vorerst  nicht  unter 
dem  später  vorfindlichen  charakteristischen  Bilde,  sondern  unter 
den  Sjanptomen  einer  Urticaria,  welche  bis  in's  zweite 
Lebensjahr  hinein  mit  dem  ihr  eigenthiimlichen  Kommen  und 
Verschwinden  der  Quaddeln,  Jucken,  Schlaflosigkeit,  Excoria- 
tionen  anhält.  Erst  gegen  Ende  des  1.  oder  Beginn  des  2. 
Lebensjahres  tauchen  nebst  den  Quaddeln  auch  Knötchen  auf, 
und  prägt  sich  die  vorwiegende  Localisation  an  der  Vorder- 
fläche der  Unter-  und  Oberschenkel,  dem  Krenz  und  Gresässe 
nnd  der  Streckseite  der  Ob  er  extr  emitäten  kenntlich  aus.  Die 
Knötchen  sind  wenig  vorragend,  oft  nur  mittelst  Tastens  zu 
finden,  blass  oder  roth,  jucken  sehr  heftig,  treten  beim  Kratzen 
grösser  hervor  nnd  werden  hiebei  verletzt.  Das  Tröpfchen 
austretenden  Serums  nnd  Blutes  trocknet  bald  zu  einem  brau- 
nen Börkchen  ein,  welches  die  Spitze  des  Knötchens  krönt 
tmd  noch  haftet ,  nachdem  dieses  selbst  durch  Resorption  seines 
Exsudatrestes  eingesunken  ist. 

Nun  gesellen  sich  auch  die  weiteren  durch  das  intensive 
Kratzen  veranlassten  Symptome,  Excoriationen  in  Form  von 
Striemen  nnd  Blutbörkchen,  Pusteln  und  tiefgreifende  Substanz- 
verinste, streifenförmige  und  diffuse  braune  Pigmentirnng, 
Abgerissensein  der  Lantigohaare ,  Oedem  und  Verdickung  der 
Unterschenkel,  Schwellung  der  Lymphdrüsen  im  Leistenbuge 
und  Eczemerscheinungen  aller  Gerade  hinzu. 

Mit  dem  Ende  des  2.  oder  Anfang  des  3.  Lebensjahres 
ist  das  Krankheitsbild  der  Prurigo  in  typischer  Form  fertig. 

An  dem  vollständig  entkleideten  Kranken  fällt  beim  ersten 
Anblick  auf,  dass  die  krankhaften  Veränderungen,  Efflores- 
cenzen,  Pigmentation ,  Excoriationen  etc.  im  höchsten  Grade 
die  Streckseiten  der  Extremitäten  betrefi'en,  u.  z.  vom  Oberarm 
zum  Unterschenkel  in  steigender  Scala ,  so  dass  an  jenem  die 
Haut  am  wenigsten,  am  Unterschenkel  am  intensivsten  afi'icirt 
erscheint. 

Da  finden  sich  die  meisten  Knötchen  ,  grossentheils  zer- 
kratzt und  mit  je  einem  kleinen  Blutbörkchen  besetzt,  nebst 
zahlreichen  Pusteln  und  Excoriationen.  Die  Oberhaut  ist  dunkel- 


'    Sechsundzwanzigste  Vorlesung. 

braun  pigmentirt  und  scbülfert  unter  dem  kratzenden  Fingernagel 
feinmelilig  ab.    Mit  der  Flacbhand  über  die  Haut  vom  Ober- 
schenkel nach  abwärts  streichend,  bekommt  man  die  dexitliehe 
Empfindung  ihrer  in  derselben  Richtung  gradatim  zunehmenden 
Eaiihigkeit,   Trockenheit  und  Verdickung.    Die  Lmxen  und 
Furchen  über  dem  Knie  sind  mächtig  entwickelt.  Eine  Haut- 
falte der  vorderen  Oberschenkelfläche  gefasst,   erweist  sich 
abnorm  mächtig.    Am  Unterschenkel  kann  die  Cutis  m  inten- 
siven Fällen  sogar  kaum  in  eine  Falte  gehoben  werden,  so 
dick  und  stramm  ist  sie.    Die  Lanugohaare  sind  durch  das 
Kratzen  ungleich  abgerissen. 

In  geringerem  Grade  setzen  sich  die  Veränderungen  auch 
auf  den  Fussrücken  fort.  Am  Stamme  finden  sich  oft  viele 
Knötchen  und  Excoriationen  zerstreut,  weniger  noch  auf  den 
Wangen,  am  Halse  und  auf  der  Stirne;  hier  entwickelt  sich 

meist  schuppiges  Eczem.  -,  -,    -c^n  i 

Dagegen  ist  die  Haut  der  Kniebeuge  und  des  Ellenbuges, 
der  Achselhöhle  und  des  Leistenbuges  stets  weiss,  glatt,  ge- 
schmeidig, transspirirend  und  frei  von  Prurigoknötchen.  Das 
im  Schenkelbug  vorspringende  Packet  knollig  vergrosser  er 
Lymphdrüsen  vollendet  das  charakteristische  Krankheitsbild. 

Nach  den  bisherigen  Erfahrungen  besteht  nun  die  Krank- 
heit von  da  ab  bis  in  das  reife  Mannesalter  und  selbst  bis  m 
die  Greisenjahre  mit  voUständiger  Beibehaltung  des  ursprung- 
then  Typus.  Man  kann  ein  dreijähriges  Kmd  mi  Prurigo 
neben  ein  fünfzigjähriges  pruriginöses  Individuum  hniste  len 
und  wird  das  Krankheitsbild  des  ersteren  als  die  veijungte 
Copie  desjenigen  bei  dem  letzteren  ansehen  müssen. 

Wohl  aber  ändert  sich  während  des  lebenslangen  Ver- 
laufes wiederholt  der  Zustand  rücksichtlich  seiner  Intensität 
und  der  begleitenden  Symptome.    So  vermindert  sich  in_  der 
Regel   die  Eruption  und  das  Jucken  während  der  heissen 
Sommermonate,   ja  stellt  sich  sogar  etwas  T-nsspiration  m 
Bereiche  der  pruriginösen  Haut  ein  und  verschlimmeit  sich  die 
P  Sgo  im  Winter.    Anhaltende  Pflege  der  Haut  hat  einen 
unverkennbar  mitigirenden  Einfluss  auf  den  Grad  der_  Erkran- 
kung   Umgekehrt  steigern  sich  die  Symptome  bei  gänzlichem 
Unterlassen  der  Behandlung  und  namentlich  auch  die  Folgen 
und  Complicationen  der  exsudativen  Vorgänge  und  der  mecha- 
nischen Insulte.    Zu  jenen  zählen  die  Pigmentirung ,  welche 


Prurigo. 


443 


bis  zum  Scliwarzbraim  gedeihen  kann  (Melasma)  iincT  die  Ver- 
dickung der  Hant,  welche  am  Unterschenkel  endlich  stramm, 
fast  narbenartig  und  nicht  faltbar,  glatt  oder  warzig-höckerig 
wird.  Weiters,  als  Complication,  Eczema  crnstosnm,  welches 
zumeist  die  pruriginösen  Stellen  deckt,  aber,  wie  bei  allen 
juckenden  Hautkrankheiten,  auch  an  den  bei  Prurigo  sonst 
gesunden  Hautstellen  der  Gelenksbeugen  und  des  Gesichtes, 
sowie  am  behaarten  Kopfe  sich  etabliren  kann  ,  dessen  Haare 
wie  bestäubt ,  glanzlos  ,  dünn  werden  und  ausfallen.  Endlich 
Lymphangioitides  und,  selten,  auch  Vereiterung  der  Leisten- 
drüsen. 

■  Praktisch  wichtig  ist  es,  die  in  Rede  stehende  Krankheit 
nach  zwei  Graden  zu  unterscheiden. 

Die  eine,  schwerere  Form,  Prurigo  agria  s.  ferox 
(Hebea),  habe  ich  in  der  vorigen  Schilderung  vorgeführt. 

Die  andere  Form,  Prurigo  mitis,  stimmt  mit  jener 
im  Typus  vollkommen  überein,  erscheint  aber  als  milder,  ent- 
weder indem  überhaupt  die  Menge  und  Häufigkeit  der  Knöt- 
chen und  die  Intensität  des  Juckens,  und  daher  auch  der 
Folge-  und  Complicationszustände  viel  geringer,  oft  sehr  un- 
erheblich sind;  oder  indem  nur  die  Unterextremitäten,  aus- 
nahmsweise sogar  nur  die  Arme  davon  betroffen  sind  (Prurigo 
partialis). 

Dabei  verhält  sich  die  Sache  nicht  so,  als  wenn  Priirigo 
mitis  eines  dreijährigen  Kindes  mit  den  Jahren  zur  Prurigo 
agria  sich  steigerte.  Vielmehr  ist  der  Intensitätscharakter  der 
Krankheit  schon  ursprünglich  gegeben  und  dann  bleibend,  so 
dass  ein  fünfjähriges  Kind  mit  Prurigo  agria  schon  viel  hoch- 
gradigere Veränderungen  seiner  Unterschenkelhaat  darbietet, 
als  ein  40jäliriges  Individuum,  das  jedoch  nur  mit  Prurigo 
mitis  behaftet  ist. 

Für  die  Prognose  der  Prurigo  ist  diese  Unterscheidung 
von  besonderem  Werthe.  Denn  für  die  schwerere  Form  der 
Prurigo  und  auch  der  mässigen  bei  Erwachsenen  gilt  Hebra's 
einstiger  Aussprach,  dass  sie  unheilbar  sei,  immer  noch. 
Nur  im  ersten  Kindesalter  kann  Prurigo  mitis  durch  überaus 
sorgfältige  und  consequente  Pflege  vollständig  geheilt  und 
auch  Prurigo  agria  selbst  in  späteren  Jahren  wenigstens  so 
weit  gebessert  und  in  Besserung  erhalten  werden,  dass  der 
Kranke  von  derselben  sich  zeitweilig  frei  fühlt. 


444 


Sechsundzwanzigste  Vorlesung. 


Sich  selbst  überlassen,  bildet  die  Prurigo  ein  scliweres 
tuid  für  das  physische  und  moralische  Leben  des  Betroffenen 
einflussreiches  Uebel.    Abgesehen  davon,  dass  die  örtlichen 
Vorgänge  durch  Säfteverhist,  nervöse  Abspanniang,  Schlaflosig- 
keit u.  s.  w.  den  somatischen  Zustand  des  Kranken  deterio- 
riren,  Pruriginöse  meist  fahl,  schlecht  genährt  sind,  ist  der 
ganze  Lebenslauf  des  so  hart  Betroffenen  von  der  Wiege  an 
übel  vorgezeichnet.  Als  Kind  die  Mühe  und  Sorge  der  Pfleger, 
in  der  Aneignung  brauchbarer  Schul-  und  Erwerbskenntnisse 
durch  das  Befinden   oft  gehemmt,   von  Schul-   und  Zimmer- 
genossen wegen  des  fortwährenden  Kratzens  gemieden,  wird  der 
Pruriginöse   meist  unfähig  zur  Erwerbung  einer  dauernden 
praktischen  Lebensstellung.  Nur  Wohlhabenden  ist  es  gegönnt, 
durch  sorgfältige  Pflege  den  Fehler  des  Schicksals  so  weit  zu 
corrigiren,   dass  sie  der  gesellschaftlichen  Vehme  entgehen. 
Für  das  eheliche  Leben  macht  die  Krankheit  zwar  nicht  un- 
tauglich, aber  nicht  sehr  passend,  —  für  den  Militärdienst  „un- 
tauglich". 

Die  Diagnose  der  Prurigo  ist  in  Berücksichtigung  der 
so  prononcirten  Krankheitserscheinungen  kaum  zu  verfehlen. 
Das  Bild  der  braunen,  mit  Knötchen  und  punktförmigen  Börk- 
chen  besetzten,  zerkratzten,  verdickten,  trockenen  Haut  und 
der  Zunahme  der  Veränderungen  nach  den  Unterschenkeln  zu, 
in  Verbindung  mit  der  Drüsenschwellung  im  Schenkelbug  und 
der  schönen,  weissen,  excoriationsfreien  Haut  im  Schenkel- 
leistendreieck und  in  der  Kniekehle  ist  so  charakteristisch,  dass 
es  mit  nichts  Anderem  verwechselt  werden  kann. 

Schwer  diagnosticirbar  ist  das  Uebel  zur  Zeit  der  ersten 
Eruption,  wenn  vorwiegend  Urticaria  vorhanden  ist.  Weiters 
kann  Prurigo  übersehen  werden,  wenn  die  Eczemerscheinungen 
so  mächtig  entwickelt  sind,  dass  die  auflagernden  Krusten  die 
Prurigoerscheinungen  decken  und  auch  von  Prurigo  verschonte 
Hautstellen,  wie  die  Gelenksbeugen,  eczematös  erkrankt  sind. 

Bei  Ichthyosis  nitida  findet  man  auch  genau  an  den 
der  Prurigo  entsprechenden  Localisationen,  also  an  der  Streck- 
seite der  Extremitäten ,  die  Haut  trocken,  ihre  Epidermis 
schülfernd,  und  die  Haut  der  Gelenksbeugen  normal.  Aber 
es  fehlen  die  anderen  für  Prurigo  charakteristischen  Erschei- 
nungen ,  Knötchen ,  Pigmentation  und  Verdickmig  der  Haut, 
obgleich  massiges  Eczem  auch  da  sich  findet. 


Prurigo. 


445 


Bei  allen  mit  intensivem  Jucken  verbundenen,  besonders 
clu'onischen  Hautkranklieiten,  Scabies,  Excoriationen  in  Folge 
von  Pediculi  vestimentorum ,  Urticaria  chronica,  Pruritus  cu- 
taneus,  senilis  kommt  es  zu  Pigmentationen,  Knötcken,  Pusteln 
imd  EczemerscLeinungen.  Diese  zeigen  aber  niemals  die  ty- 
piscke  Localisation  u.nd  sind  überdies  vermöge  der  besonderen 
Charaktere,  welche  jenen  Processen  zukommen ,  auf  diese ,  als 
ihre  Ursache,  zurückzuführen. 

"Wenn  man  die  ßesultate  der  anatomischen  Unter- 
suchungen in  Betracht  zieht,  welche  Simon,  Hebra,  Derby, 
Neumann,  G-ay  und  ich  selbst  vorgenommen,  und  hofft  darin 
für  die  Eigenthümlichkeiten  der  Prurigoerscheinungen  eine  Er- 
klärung zu  finden,  so  sieht  man  sich  in  seinen  Erwartungen 
vollkommen  getäuscht.  Es  hat  sich  eben  nichts  anderes  er- 
geben ,  als  im  Bereiche  der  Knötchen  eine  massige  Zelleninfil- 
tration der  Papillen  und  seröse  Imbibition  derselben ,  sowie 
des  ßete  Malpighü,  gerade  so,  wie  bei  den  Knötchen  des  Ec- 
zema papulosum;  an  Stellen  dagegen,  welche  viele  Jahre  der 
Sitz  -einer  intensiven  Prurigo  gewesen  sind ,  Erscheinungen, 
wie  sie  bei  jeder  chronischen  Dermatitis,  also  auch  bei  chroni- 
schem Eczem  vorkommen,  Verdickung,  Proliferation  in  den 
Reteschichten,  zerstreute  Pigmentablagerung  im  Coriiim,  reich- 
lichere Zelleneinlagerung  im  letzteren,  namentlich  um  die  Gre- 
fässe,  hie  und  da  Erweiterung  der  Lymphräume,  sowie  ein- 
zelner Schweissdrüsen  durchProliferationihrerZellenauskleidung, 
stellenweise  Ausbuchtung  der  Follikel  in  Folge  von  zapfen- 
förmigem  Auswachsen  der  Wurzelscheiden,  Verdickung  der 
M.  arrectores;  in  veralteten  Formen  atrophische  Degeneration 
der  Follikel  und  Talgdrüsen.  Auf  keinen  Fall  sind  diese 
Befunde  geeignet ,  weder  das  intensive  Jucken  noch  die  eigen- 
thümliche  Localisation  des  Processes,  noch  diesen  letzteren 
selber  zu  erklären, 

Dass  die  von  den  einzelnen  Knötchen  veranlasste  Juck- 
empfindung von  dem  Reize  herrührt,  welchen  das  plötzlich,  auf- 
tauchende, wenn  auch  minimale  Serumquantum  der  einzelnen 
Efflorescenz  auf  die  Papillarnerven  ausübt  (Hebra)  ,  ist  wahr- 
scheinlich. Aber  es  bleibt  immerhin  unerklärt,  weshalb  bedeu- 
tendere oder  ähnlieh  circumscripte  Exsudationen,  wie  bei  Herpes 
oder  Erythema  papulatum  nicht  so  heftig  jucken  ;  weshalb  diese 
Knötchen  so  hartnäckig  sich  erneuern  und  sich  so  eigenthümlich 


Seclisundzwanzigste  Vorlesung. 

localisiren.  Als  eine  reine  Neurose,  wie  Pruritus  cutaneus,  dürfen 
wir  Prurigo  nicht  ansehen,  da  wir  sichtbare  Veränderungen  an 
der  Haut  vor  uns  haben,  welche  die  Krankheitserscheinungen 
vollständig  decken  und  das  Wesen  des  Processes  ausmachen. 
Denn  es  ist  sicher,  dass  alle  Erscheinungen  mit  der  Zu-  und 
Abnahme  der  Knötchenproruption  gleichen  Schritt  halten. 

Was  die  Ursache  der  Prurigo  anbelangt,  so  sind  wir 
höchstens  in  der  Lage,  gewisse  allgemeine  Verhältnisse  angeben 
zu  können,  unter  welchen  Prurigo  häufiger  vorzukommen  pflegt. 
Es  ist  z  B.  zweifellos,  dass  unter  den  ärmeren  Volksclassen 
Prurigo  ungleich  häufiger  sich  findet,  als  in  den  wohlhaben- 
deren Familien;  aber  es  ist  nicht  zu  verschweigen,  dass  man 
auch  bei   den  Kindern   der   aUerbesten  GeseUschaftsclassen 

Prurigo  antrifi't.  ^  ^. 

Weiters  sind  es  häufig  schwächliche,  schlecht  genährte, 
physisch  vernachlässigte,  auch  scrophulöse,  einen  vorgewölbten 
Unterleib  zeigende  Kinder,  bei  welchen  sich  Prurigo  entwickelt; 
doch  trifft  man  dieselbe  oft  genug  auch  bei  prächtig  genährten 
Kindern,  und  darf  nicht  vergessen,  dass  die  Prurigo  selber  bei 
einiger  Dauer   die  betreffenden  Kinder  ungemein  herunter- 

^™^Was  das  Geschlecht  anbelangt,  so  scheüit  das  Uebel 
bei  männlichen  Individuen  häufiger  als  bei  weiblichen. 

In  manchen  Fällen  kann  eine  hereditäre  Anlage  als 
Ursache  der  Prurigo  angesehen  werden,  schon  mit  Kucksicht 
auf  den  Umstand,  dass  dieselbe  jedesmal  im  Verlauf  des  ersten 
oder  zweiten  Lebensjahres  beginnt.  Demgemäss  findet  man 
auch  nicht  selten  mehrere  Geschwister  derselben  Familie  mr^ 
dem  Uebel  behaftet.  Es  ist  gewiss  sehi'  viel  Kichtiges^  an 
der  Bemerkung  Hebba's,  dass  tuberciüöse,  rmi,  nach  meinei 
Erfahrung,  zur  Zeit  ihrer  Gravidität  mit  ^^^^^^i^^^^^f 
nischen  Lngenspitzenkatarrh  behaftete,  anamische  Muttex 
Kinder  zur  Welt  bringen,  welche  Prurigo  l^«^«^ 

Die  Krankheit  ist    nicht    durch  ausserliche  Momen  e 

hervorzurufen  und  ebensowenig  ^^^^^S^^'-^f'J!^}''.^^ 
gleich  Hebe.,  aus  der  grossen  Zahl  beobachteter^ Falle  ken 
inhaltspunkt;  dafür  gewinnen   können,   dass  Prurigo  ^on 
Eltern  auf  die  Nachkommenschaft  vererbbar  wäre. 

Li  der  Behandlung  der  Prurigo  leisten  Schwefel, 
Theer  und  Seife  wohl  das  Meiste  zur  directen  Bekämpfung  des 


Prurigo. 


447 


Juckens  und  der  Knötcheneruptionen.  Schwefel  kommt  in  Form 
der  Schwefelseife,  Schwefelsandseife,  Kali-  oder  Kalkschwefel- 
leber-Lösung  oder  Scliwefelthermen  zur  Verwendung.  Theer 
wird  pvir  oder  mit  Olivenöl,  Lebertliran  gemischt ,  namentlich 
gegen  Jucken  verwendet.  Ne.bstdem  kommen  noch  die  bekann- 
ten, indifferenten  Salben  und  Fette,  sowie  Bäder  in  der  mannig- 
fachsten Combination  in  Grebranch,  theils  gegen  die  eigentlichen 
Prurigo-Erscheinnngen,  theils  gegen  das  begleitende  Eczem. 

Die  Methode  der  Behandlung  wird  der  Intensität  des 
Falles  angepasst  werden,  müd  und  einfach,  oder  energisch 
und  complicirt. 

Bei  Beginn  der  Prurigoerscheinungen  und  bei  leichten 
Formen,  wo  vorwiegend  Urticaria  und  wenig  Prurigoknötchen 
da  sind,  genügt  es,  den  Kranken  allabendlich  mit  Schwefel- 
seife oder  Schwefeltheerseife  tüchtig  zu  waschen,  oder  auch 
mit  Seifenschaum  bedeckt  durch  eine  Stunde  im  Bade  zu  belassen 
luid  hierauf  mit  Leberthran,  Oel  luid  Theer,  einfachem  Fett 
ein  zuschmieren . 

Bei  intensiverer  Prurigo  ist  Solut.  Ylemingkx  in  protra- 
hirten  Bädern  zu  verwenden,  derart,  wie  bei  Psoriasis  bespro- 
chen worden. 

Ein  Cyclus  von  10 — 12maliger  Einreibung  des  Ungu. 
"Wilkinsoni  bewirkt  bei  Prurigo  agria  eine  erhebliche  Besserung 
und  namentKch  sofort  Aufhören  des  Juckens  und  guten  Schlaf. 
Auch  Einhüllung  in  Kautschukgewand  ist  von  gutem  Effecte. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  auch  anderweitige,  gegen 
massiges  Jucken,  trockene  Epidermis,  nässendes  Eczem  indicirte 
Mittel ,  wie  Carbol- ,  Salicylsäure  1  :  200 ,  Alkohol ,  Zink- 
salben, Unguentum  diachyli,  Borsalbe  (Acid.  boracici,  Cerae 
alb.  aa.  10,  Paraphin.  20,  Olei  olivar.  60)  etc.,  nach  Umständen 
allgemein,  oder  auf  einzelne  Hautstellen  applicirt  werden 
müssen. 

"Was  die  natürlichen  Schwefelthermen  anbelangt,  so  sind 
dieselben  wie  die  künstlichen  Schwefelbäder  gegen  Prurigo  ausser- 
ordentlich vortheilhaft ,  nur  müssen  sie  nicht  so  flüchtig  ge- 
nommen werden,  wie  dies  gewöhnlich  in  Curorten  der  Fall. 

Bäder  mit  Sublimat  5, — 10,  auf  ein  ganzes  Bad,  von  Alaun, 
Soda  1000 — 2000  Grrm.  pro  balneo,  Cortex  Quercus,  können  zeit- 
weilig mit  Vortheil  verwendet  werden,  sind  jedoch  im  Allge- 
meinen in  ihrer  Wirkimg  nicht  verlässlich. 


^^g  Sechsundzwanzigste  Vorlesung. 

Die  örtliclien  Behandlungsmetlioden  werden  in  der  einen 
oder  anderen  Weise  so  lange  fortgesetzt,  bis  die  Haut  sich 
glatt,  geschmeidig  anfülilt,  kein  Jucken,  keine  neuen  Knötchen- 
eruptionen  vorhanden  sind.  Alsdann  wird  man  in  einer  massi- 
geren Form  jeden  zweiten,  später  jeden  dritten  Tag  die  Behand- 
lung vornehmen  und  nur  in  den  Tällen,  wo  nach  monatelanger 
Pflege  und  Beobachtung  die  Haut  sich  gut  verhält,  die  Cur 
ganz  unterbrechen,  dieselbe  aber  so  oft  neuerdings  aufnehmen, 
als  die  Prurigo  recrudescift. 

Von  den  innerlichen  Medicamenten  haben  wir  bei 
Prurigo  nicht  viel  zu  erwarten.  Ich  habe  in  einigen  Fällen 
durch  den  innerlichen  Gi-ebrauch  von  Carbolsäure  1 , — 1,5  de  die 
in  Pillenform  ein  unzweifelhaftes  Nachlassen  der  Prurigo- 
erscheinungen  beobacktet. 

Arsenik  hat  sich  gegen  Prurigo  unwirksam  erwiesen; 
dagegen  ist  der  innerliche  Grebrauch  von  Leberthran  bei  pruri- 
ginösen Individuen,  welche  schlecht  genährt,  von  fahler  Haut- 
farbe, von  scrophulösem  Habitus  sind,  wohl  sehr  zweckmässig. 


Siebemmdzwanzigste  Vorlesung. 


Acne  disaeminata.  Acne  vulgaris.  Acne  arteficialis.  Theer-,  Jod-,  Bronnacne. 

Acne  rosacea. 

3.  Folliculitides ,  Acneformen.  Finnenaus- 
schläge. 

Die  hielier  gehörigen  Kranklaeitsformen ,  Acne  disse- 
minata, Acne  rosacea  und  Acne  Mentagra  s.  Syco- 
sis, bilden  vermöge  gewisser  üb  er  einstimmen  der  Momente,  als 
da  sind,  die  Localisation  im  GresicMe,  die  Betbeiligung  der 
Hantdrüsen  n.  m.  a.,  eine  natürliche  Krankheitsgruppe,  unter- 
scheiden sich  aber  doch  durch  viele  Eigenschaften  als  geson- 
derte Processe. 

Acne  disseminata. 

Dieselbe  besteht  in  der  Bildung  von  stecknadelkopf- 
bis  erbsengrossen  und  grösseren,  rothen,  koni- 
schen oder  halbkugeligen,  schmerzhaften  Knoten, 
welche  entweder  an  der  Spitze  einen  schwarzen 
Comedokopf,  oder  eine  Pustel  tragen,  oder  in 
ihrem  Innern  Eiter  beherbergen. 

Bei  angebrachtem  Druck  tritt  der  Inhalt  des  Knotens, 
der  Mitesser,  Eiter  und  rahmartiges  Eett,  zu  Tage,  dem  reich- 
lich Blut  folgt. 

Es  ist  nicht  schwer  zu.  erkennen,  dass  jeder  solcher  Kno- 
ten je  einer  Talgdrüse  und  deren  nächster  Umgebung  entspricht 
und  aus  Entzündung  hervorgegangen  ist.    Die  geschüderten 

K  a  p  0  .s  i .  Hautkrankheiten.  29 


Siebenundzwanzigste  Vorlesung. 

Knoten  finden  sicli  im  Bereiche  des  G-esicMes,  des  Sternums 
und  auf  dem  Rücken .  viel  seltener  an  anderen  Körperstellen, 
namentlicli  an  den  Extremitäten  und  dann  durch  besondere 
Umstände  veranlasst,  während  Flachhand  und  Fusssohle  bei- 
nahe niemals  derartige  Erscheinungen  darbieten. 

Dem  besonderen  Symptomen-Complex  nach  unterscheidet 
man  Acne  vulgaris  (Fuchs),  die  gewöhnliche  Finne 
(Varus,  Jonthus).    Ihr  Standort  sind  Stirne,  Wangen,  Nase, 
Ohrmuscheln,  Nacken,  Sternum  und  Rücken,  zuweilen  auch  der 
Augenlidrand  und  Conjunctiva  (Aelt).    Ihre  Formen  sind  die 
Eingangs  erwähnten:  Knötchen  mit  einem  central  stehenden 
Comedo   —  Acne  punctata,  oder  mit  eitrigem  Inhalt  — 
Acne  pustulosa;   oder  rothe,  derbe,  schmerzhhafte  Knoten 
—  Acne  indurata;  disseminirt  —  Acaie  disseminata,  oder 
weizenkornähnlich ,  länglich  aneinandergereiht  —  Acne  hor- 
deolaris.  Stets  finden  sich  zugleich  zahlreiche  Comedonen  und 
ist  die  Haut  von  Fettglanz  überzogen  (Seborrhoea  oleosa). 

Während  des  chronischen,  durch  viele  Monate  oder  meh- 
rere Jahre  sich  erstreckenden  Verlaufes  ändern  sich  zwar 
stetig  die  örtlichen  Erscheinungen,  aber  bewahrt  doch  der 
Process  in  toto  wesentlich  den  gleichen  Charakter.  Immerfort 
treten  neuerlich  entzündliche  Knoten,  Pusteln,  Comedonen  auf 
während  die  ältesten  Abscesse  platzen  oder  vertrocknen  und 
an  ihrer  Stelle  seichte  Narben  oder  vorübergehende  Pigment- 
flecke  zurücklassen. 

Man  findet  dieselben  von  einzelnen  wenigen,  bis  zu  vielen 
Hundert  in  verschiedensten  Entwicklungsstadien  bei  einem  uiid 
dem  andern  Kranken.  Darnach  ist  auch  der  Grad  der  zeit- 
weiligen oder  dauernden  Belästigung  und  EntsteUung  und  die 
Intensität  der  Krankheit  überhaupt  verschieden.  Bei  dicht- 
gedrängter Acne  ist  das  Gesicht  unförmlich  gedunsen,  von 
rothen,  fluctuirenden  und  derben  Knoten,  Comedonen,  Narben 
in  hohem  Grade  entstellt. 

Zu  den  gewöhnlichen  örtlichen  Vorkommnissen  gesellen 
sich  noch  hinzu  erbsen-  bis  haselnussgrosse ,  aus  cyst^nartiger 
Erweiterung  der  in  der  Wandung  verdickten  Talgdrüsen  her- 
vorgegangene Geschwülste,  welche  nach  ihrer  Eröffnung  einen 
schleimig-zähen,  fettig-ranzigen  Inhalt  entleeren  —  Molluscum 
atheromatosum.  Manche  derselben  bleiben  oft  jahrelang  be- 
stehen und  schrumpfen  nach  Eindickung  ihres  Inhaltes  zu 


Acne. 


451 


Fia:.  25. 


harten,  kugeligen,  incystirten  Körpern  ein.  Ferners  bilden 
sich  an  vielen  Stellen  perifoUiculäre  Abscesse,  deren  Eiter  die 
eio-entlichen  Drüsen-Abscesse  umspült.  Endlich  kommt  es  zu 
hämorrhagischer  Unterwühlung  und  zottiger  Zerreissung  der 
von  grossen  Acnepusteln  besetzten  Hautstellen ,  wonach  ge- 
strickte und  überbrückende  Narben  zurückbleiben. 

Der  anatomische  Sitz  der  Entzündung   ist  das  die 
Talo-drüsen  imd  HaarfoUUiel  und  deren  gemeinschaftlichen 
AusÄhrungsgang  umgebende  Cutisgewebe  (G.  Simon,  VmcHOW, 
Hebr  ^-Kaposi,  Biesiadecki).  Die  Veränderungen  desselben  ent- 
sprechen dem  Grade  nach  den  jeweiligen  klinischen  Erschei- 
nuna-en,  wie  aus  einer  von  Biesiadecki  und  mir  gemeinschaft- 
lichen Arbeit  hervorgeht.    Bei  Acne  punctata  shid  die  den 
Comedo  umgrenzenden  Papillen  und  oberen  Coriumschichten 
von  strotzenden  Blutgefässen,  Serum  und  Exsudatzellen  in  den 
erweiterten  Maschenräumen  durchsetzt.    Bei  Acne  pustulosa 
findet  sich  eitriges  Exsudat  im  Ausführungsgang  ,  bei  grösseren 
Knoten  und  Pusteln  weitgreifende 
Entzündung  in  dem  den  Drüsen- 
körper und  Follikel  umgebenden 
Gewebe,  Blut-  und  Eiteransamm- 
lung in  der  Drüsenhöhle,  im  Haar- 
follikel Loswühlung  der  Wurzel- 
scheiden und  eitriger  Zerfall  ihrer 
Epithelzellen.    Mit  zunehmender 
Intensität  des  örtlichen  Processes  . 
geht  die  Talgdrüse  in  der  Eiterung 
ganz  verloren,  während  der  Haar- 
balg noch   erhalten   sein  kann, 
was  gegenüber  von  Sycosis  sehr 
bezeichnend    ist.      Denn    es    ist  Verticalsclinitt  durch  eine  Acnepustel. 
sicher,  dass  die  Talgdrüsen,  resp.  ™  Epu™,^e^nt^^^^^^^ 
die  AnomaHe  der  Se-  und  Ex- Fom.ei^nm^^^^^^^^^ 
cretion  aus  derselben,  den  Aus-  .^«--^f  ^l^^Ä 

o-nno-qTnmkf  undGrund  für  die  Detritus;  d  zur  Drüse  gehöriger  Haar- 
gangspuniix    unu  vriuiiu  fouikel  söWef  getroffen  (sohwaclie  Vergr.) 

Entzündung  abgibt.     In  grossen 

Acne-Abscessen  geht  allerdings  auch  der  Haarfollikel  selbst 
mit  zu  Grunde  und  man  findet  nur  eine  grosse  Eiterhöhle, 
zuweilen  mit  einem  einlagernden  Haare  ,  begrenzt  von  hoch- 
gradig vascularisirter  und  entzündlich  infiltrlrte]-  Cutis.  Dass 

29 


452 


SiebenundzTvanzigste  Vorlesung. 


in  letzteren  Fällen  nur  Narbenbildnng  und  Follicular-Verödung 
den  örtliclien  Vorgang  abschliessen  kann ,  ist  klar ,  während 
von  Acne  punctata  und  oberflächliclier  Acne  pustulosa  noch 
Restitutio  ad  integrum  möglich  ist. 

Die  nächste  Ursache  der  Acne  ist  durch  die  Reizung 
der  G-ewebe  von  Seite  der  im  Ausführungsgange  oder  in  der 
Talgdrüse  stagnirenden  Secrete  gegeben  (Virchow)  und  kann 
demnach  eine  mechanische  Excretionsbehinderung  sein,  wie  bei 
der  Verstopfung  der  Follikelmündung  durch  Theer  bei  der 
sogleich  zu  besprechenden  Theeracne,  oder  eine  functionelle 
Störung,  indem  das  Secret  chemisch  alterirt,  oder  zu  massen- 
haft wird.    Letzteres  scheint  für  Acne  vulgaris  zu  gelten, 
denn  diese  beginnt  vorwiegend  zur  Pubertätszeit,  wo  mit 
der  lebhafteren  Entwicklung  der  Körperhaare  auch  die  Function 
der  Talgdrüsen  sich  steigert,  u.  z.  bei  männlichen  und  brünetten, 
mit  Seborrhoea  oleosa  behafteten  Personen  häufiger,   als  bei 
weiblichen  und  blonden.    Chronische  Dyspepsie  und  Chlorose 
scheinen   zu   Acne  zu   disponiren.    Dass    auch  der  Genuss 
scharfer,  gesalzener,  pikanter  Speisen,  Käse,  ferners  die  Ent- 
haltsamkeit in  sexuellen  Genüssen  als  Ursache  der  Acne  be- 
schuldigt wird,   ist  zwar  landläufig,   aber  ganz  unbegründet. 
Gewöhnlich  versiegt  die  Erkrankung  allmälig  zur  Zeit  der 
vollendeten  Mannbarkeit,  bei  weiblichen  Personen  schon  um  die 
20er  Jahre,  bei  Männern  später.    Ausnahmsweise  besteht  die- 
selbe auch  bis  in  die  40er  Jahre. 

Die  Diagnose  der  Acne  vulgaris  ist  durch  den  geschil- 
derten Symptomen-Complex ,  die  gleichzeitige  Gegenwart  von 
Comedonen ,  Knoten  und  Pusteln  verschiedensten  Entwick- 
lungsgrades, sowie  die  entzündlichen  Charaktere  an  denselben 
im  Allgemeinen  sehr  leicht.  Bisweüen  mag  Variola  des  Ge- 
sichtes für  Acne  genommen  werden  (pag.  258),  sowie  irrthiim- 
lich  auch  ein  pustulöses  Syphilid. 

Als  Acne  varioliformis  bezeichnen  wir  eine  eigen- 
thümliche  Acne,  welche  zumeist  an  der  Haargrenze  der  Stirne 
(Acne  frontalis)  und  des  Nackens  in  gruppenf örmig 
gestellten,  flachen  Knötchen  und  Pusteln  sich  etablirt,  in  dis- 
seniinirten  einzelnen  Efflorescenzen  auch  im  Bereiche  des  Ca- 
pillitium.  Die  Krankheitsform  ist  nicht  zu  verwechseln  mit 
Acne  varioliformis  von  Bazin,  welche  mit  unserem  Molluscum 
verrucosum  (pag.  166)  gleichbedeutend  ist. 


Acne. 

« 


453 


Uebei'  dem  Centrum  der  linsengrossen ,  flachen,  derben, 
brannrotlien  Knötchen  bildet  sich  eine  schlappe  Pustel,  welche 
bald  zu  einer  xmtev  das  Niveau  einsinkenden  Borke  vertrocknet, 
nach  deren  Abfallen  eine  narbige  Depression  zurückbleibt.  Das 
Bild  erinnert  lebhaft  an  Variolenefflorescenzen  (daher  der  Name), 
sowie  andei'erseits  vermöge  der  Anordnung  in  Grruppen,  der 
dunkeln  Färbung  und  der  centralen  Depression  die  Aehnlich- 
keit  mit  Syphilis  corymbosa  gross  ist.  Der  Process  dauert 
durch  hartnäckige  "Wiederkehr  solcher  Eruptionen  Jahre  hin- 
durch, lieber  seine  Ursache  sind  wir  vollständig  im  Unklaren. 

Acne  cachecticorum  (Hebra.)  kommt  bei  herabgekom- 
menen, marastischen  und  scrophulösen  Individuen,  daher  auch 
oft  in  Combinationen  mit  Liehen  scrophulosorum  vor,  weniger 
im  Gesicht,  reichlich  am  Stamm  und  an  den  unteren  Extremi- 
täten. Sie  besteht  in  der  Bildung  von  Stecknadelkopf-  bis 
linsengrossen,  flachen,  schlappen,  livid  rothen  Knötchen  und 
Pusteln,  welche  syphilitischen  Efflorescenzen  sehr  ähnlich  sind. 
Sie  unterscheiden  sich  von  diesen  hauptsächlich  durch  den 
Mangel  eines  derben  Infiltrates  und  dadurch,  dass  sie  niemals 
zu  charakteristischen  Geschwüren,  höchstens  zu  schlappen, 
hämorrhagisch  durchwühlten,  oberflächlichen  Gewebslockerungen 
Veranlassung  geben. 

Ihre  Ursache  liegt  in  der  Depression  der  Körperernährung, 
welche  hier  zu  einer  Combination  von  Talffdrüsenerkrankuns: 
mit  hämorrhagischem  Exsudat  in  die  Gewebe ,  oft  auch  zu 
Scorbut  führt.  Einmal  sah  ich  Acne  cachecticorum  bei  einem 
wohlgenährten  und  gut  situirten  Menschen  im  Gefolge  von 
psychischer  Depression.  Sie  schwindet  nach  Besserung  der 
ursächlichen  Zustände,  kann  aber  jahrelang  bestehen. 

Hieran  reihen  sich  Acneformen,  welche  in  Folge  von 
Reizung  der  Talgdrüsen  durch  gewisse  Arzneistofi'e  künstlich 
hervorgerufen  werden ,  u.  z.  entweder ,  indem  die  schädlichen 
Substanzen  von  aussen  in  die  Drüsenmündungen  gelangen,  wie 
Theer  —  Acne  picealis  —  oder  von  innen  her,  indem  die- 
selben, in  die  Blutbahn  gelangt,  durch  die  Drüsen  ausgeschie- 
den werden,  wie  zuweilen  Theer,  dann  Jod  und  Brom  —  Jod- 
und  Bromacne. 

Von  Theeracne,  Acne  picealis,  Acne  ex  usu  picis. 
haben  wir  schon  bei  Gelegenheit  der  Psoriasisbehandlung 
mittelst  Theer  gesprochen  (pag.  386).  Es  entstehen  zahlreiche 


I 


Siebenundzwanzigste  Vorlesung. 

Stecknadelkopf-,  schrotkorn-  bis  erbsengrosse,  rothbraune  Knöt-  ; 
eben  derenCentrumdurcb  einen  schwarzenPunkt, 
das  die  Follikelmündung  verstopfende  Tbeerpartikelchen  cba- 
rakteristiscb  gezeichnet  ist;  nebstdem  auch  bis  baselnuss- 
grosse,  derbe  Knoten,  Abscesse,  Furnnkel  und  schwarze  Come- 
donen  Ihr  hauptsäcblicbster  Sitz  smd  die  mit  Haarfollikeln 
reich  besetzten  Streckseiten  der  Unter extr emitaten. 

Nebst  Theer  veranlassen  auch  Theerproducte  mancher  Art, 
Resineon,  Benzin,  Kreosot,  Acne,  u.  z.  mögen  dieselben  direct 
eingerieben  worden  sein ,  oder  in  geschlossenen  Eaumen  fem 
veitheilt  die  Atmosphäre  erfüllen  und  die  Haut  d,rect  reizen 
Ider  indem  sie  eingeathmet  und  dann  durch  die  Haut  aus- 
:^o^n  werden.'Es  ist  wiederholt  in  Theerdestillat-Fabriken 
und  in  Spinnereien,  wo  die  Spindelachsen  mit  solchen  Oelen 
beschmiert  waren,   bei  den  Arbeitern  endemisch  Theeracne 

'^^'t^L'^^e  auch  die  Acne  in  Folge  von  Chrysarobin- 

'-^'ul^::  ^olge  des  innerlichen  (Gebrauches 

von  Jodkalium  und  Jodnatrium,  manchmal  schon  -ch  einer 
.erino-en  Dosis,  zuerst  im  Bereiche  des  Gesichtes  und  oft  m 
Verbindung  mit  anderen  Erscheinungen  des  Jodismus.  Die 
Stm  sind  konisch,  mit  lebhaft  rother  Basis,  -snah— 
hämorrhagisch  (Fo.™  u.  A.) ,  oder  von  «-em  Blasen^^^^^^^ 
umo-eben  (T.  Fox).    Die  Form  unterscheidet  sich  von  A.  viügaris 
dZh  c  as  acute  Auftreten,  die  gleichzeitige  Anwesenheit  Wer 
gleichartiger  Acnepusteln  und  das  Fehlen  der  e-m  c W  chen 
Verlaufe  angehörigen  Pigmente  und  Narben.   Ab^™^^  ^^f 
Jod  im  Inhalt  der  Pusteln  bei  Jodacne  nachgewiesen,  bie 

TJatrium  zur  Keimtniss  der  Aerzte  gelangt.  (Voisra,  m 
IZZ,  u.  A.)    Bei  derselbe,  -^^^f^^'^^^^^^^^^ 

unter  Fiebersymptomen,  zwar  auch  Idemere  und  f  o«^«  1"'°  ™ 
nd  Pusteln,  wie  bei  der  gewShnlicbe..  Aene,  g'-^-; 
ancb    bei  imnulirtem  Genüsse  der  Bromin-aparate,  kreuze 
Zler-rosse.  .Inrch  dichtes  Aneinandergedrängtsem  vieler  Acne 
pusten  gebildete  Infiltrate,  welche,  nicht  unaM.ch  s  ph  - 
Tchen  Plaques,  über  das  Hautniveau  l-2L.men  empouagu, 


Acne. 


455 


und  nach  Entleerung  der  einzelnen  Pusteln  sicli  wie  ein  Honig- 
wabennest ansehen,  oder  zu  unreinen  Geschwüren  zerJdüften; 
ferners  thaler-  bis  flachhandgTOSse ,  dunkelbraunrothe ,  diffuse, 
harte  Infiltrationen,  welche  in  der  Folge  im  Centrum  einsinken 
und  um  so  mehr  syphilitischen  Knoten  ähnlich  sehen;  endlich 
warzige  und  kolbige  Excrescenzen  auf  infiltrirter  Basis.  Diese 
Productionen  können  bei  unausgesetztem  Bromgebrauch  viele 

Monate,   1  2  Jahre,  fortlaufend  sich  erneuern  und,  wie  ich 

bei  einem  an  Chorea  leidenden  Mädchen  gesehen,  über  den 
o-rössten  'Theil  des  Körpers  sich  etabliren.  Sie  schwinden 
stellenweise  mit  brauner  Pigmentirung ,  an  anderen  Orten  mit 
Hinterlassung  von  Narben.  Wie  Neumänn's  Untersuchungen 
gelehrt ,  handelt  es  sich  hier  um  tief  greifende  entzündliche  In- 
filtration der  Cutis,  Zerstörung  und  Degeneration  der  Drüsen 
und  Follikel. 

Die  Veranlassung  derselben  ist  sicherlich  der  ßeiz,  welchen 
das  durch  die  Haut,  resp.  durch  die  Talgdrüsen  sich  ausschei- 
dende Brom  auf  diese  ausübt,  dessen  Gegenwart  im  Pustel- 
inhalte P.  Gutmann  chemisch  nachgewiesen  hat. 

Die  Prognose  auch  dieser  arteficiellen  Acneform  ist  in- 
soferne  günstig,  als  dieselbe  nach  Beseitigung  ihrer  specieUBn 
Ursache  sich  spontan  verliert.  Arg  ist  jedoch  die  narbige 
Veränderung  an  Stelle  der  tiefen  Infiltrate  der  Bromacne. 

Die  Behandlung  der  Acne  vulgaris  ist  bei  entspre- 
chender Methodik  stets  von  Erfolg  gekrönt. 

Vor  AUem  müssen  die  vorhandenen  sichtbaren  und  mit 
dem  tastenden  Einger  herausfindlichen  Drüsen-  und  subcutanen 
Abscesse  mittelst  Spitzbistouris  der  Reihe  nach  eröffnet  und 
ihres  Inhaltes  befreit  werden.  Man  muss  dabei  oft  sehr  tief 
mit  der  Messerspitze  eindringen  und  braucht  manchmal  10  bis 
14  Sitzungen,  bis  das  Gros  der  Abscesse  entleert  ist.  Die 
Blutung  bei  den  Operationen  ist  bedeutend,  aber  durch 
Charpie-Compression  zu  stillen.  Nach  jeder  Sitzung  können 
kalte  Umschläge  applicirt  werden.  Hämorrhagische  ,  schlappe 
Infiltrate  werden  ausgelöffelt,  Hautfransen  und  Eetzen  mit  der 
Scheere  abgetragen. 

Erst  wenn  nach  10—14  Tagen  durch  derartig  fortgesetzte 
Eingriffe  die  fluctuirenden  Knoten  beseitigt,  die  Gedunsenheit 
der  Haut  geschwunden  sind  und  nur  noch  kleinere  Knoten 
und  Pusteln  vorliegen,  beginnt  jene  Behandlung,  welche  aucli 


^gg  Sieljemindzwanzigste  Vorlesung. 

sonst  Tbei  Acne  massigen  Grades  sofort  begonnen  werden 
kann.    Sie  besteht  wesentlick  in  Folgendem:    Erstens  meclia- 
niscbes  Auspressen  von  Comedonen  mittelst  des  Comedonen- 
quetscbers  und  Eröffnung  axiftaucliender  Abscesse.  Zweitens 
regelmässig  zu  wiederbolende  energische  Wascliungen  mittelst 
Seifen,  Toilett-,  feste  oder  flüssige  Glycerinseife ,  Sclimier- 
seife,  Spirit.  sapon.  kalinus,   Scbwefelsandseife ,  Jodscbwefel- 
seife,  in  Verbindung  mit  Dampf-  und  Doucbebädern.  Drittens 
die  metbodiscbe  Application  von  solchen  Mitteln,  welche  unter 
massiger  Reaction  eine  rasche  Abstossung  der  Epidermis,  also 
auch  der  Auskleidungszellen  der  Talgdrüsen  bewirken,  dadurch 
diese  von  ihrem  Inhalt  entlasten  und  zur  Contraction  (Erhö- 
hung ihres  geschwächten  Tonus)  veranlassen.  Zu  dem  Zwecke 
dienen  Schwefelpasten,  Jodtinctur  und  Jodglycerin,  Emplastrum 
hydrargyri.  Viertens  müssen  noch  Deckmittel,  Salben,  Wässer, 
Poudres  zu  kosmetischem  Zwecke  angewendet  werden. 

Für  die  Methodik  der  Behandlung  bei  einem  ambulanten 
Ki-anken  wäre  etwa  folgendes  Schema  passend: 

Abends  Abwaschen  der  Gesichts-  und  Rückenhaut  mittelst 
einer  der  obengenannten  Seifen,  dabei  energisches  Erottiren 
und  Pressen  der  Haut ,   damit  die  Mitesser  auch  mechanisch 
entfernt  werden.    Hierauf  Abdouchen  und  Abtrocknen.  Nun 
wird  eine  Schwefelpaste  mittelst  Borstenpinsels  eingerieben 
und  über  Nacht  liegen  belassen,  z.  B.  Lact.  sulf.  10,  Spir. 
vin.  gallic.  50,   Spir.  lavand.  10,  Glycerin.  1-50;   oder:  Sulf. 
citrini  10,  Spir.  sapon.  kaiin.  20,  Spir.  lavand.  60,  Bals.  peruv. 
1-50,  Spir.  camphor.  1,  Olei  bergamott.  gutt.  quinque;  oder 
Lact.  sulf.  10,  Kali  carb.  5,   Spir.  sapon.  kaiin.  20,  Glycerin. 
50,  Olei  Caryoph.,  Olei  Menthae,  Olei  ror.  mar.  aa.  1.  Sig. 
Paste,  gut  aufgeschüttelt  einzupinseln.    Statt  solcher  Pasten 
kann  auch  blosser  Seifenschaum  oder  Schaum  von  Schwefel- 
seifen eingerieben  werden.  Solut.  Vlemingkx  wirkt  auf  zarter 
Haut  ätzend  und  ist  nur  gegen  die  Acne  des  Rückens  an- 
zuwenden.   Lait  siciHen,  Kummerfeld 'sches  Wasser  sind  ahn- 
lich zusammengesetzte  Schwefelemulsionen.    Durch  Auflegen 
von  Flanell  nach  der   Einpinselung   wird   die  Reizmrkmig 
dieser   Mittel   erhöht.     Des   Morgens   wird    die  applicirte 
Paste  abgewaschen  und  nun  Decksalbe,   Deckwasser,  kurz 
eine  Schminke  auf  die  rauhe  und  geröthete  Haut  gebracht, 
etwa    Ungu.    Wilsoni,    oder  Rp.  Zinci  oxydat.  20,  Ungu. 


Acne. 


457 


emoll.  100 ,  Olei  Resedae  2,  Olei  Eosar.  gutt.  5 ;  oder  Magist. 
Bismuth.,  Oxyd.  Zinci  aa.  5,  Ungu.  emoll.  50,  Olei  Napliae 
gutt.  qiiatuor;  oder  Coldcream  50,  Ox^^d.  Zinci  5,  G-lycerin. 
piu-.  1-50,  Tinct.  Benzoes  1.  Die  Salben  werden  in  dünner 
Schichte  bis  zum  Verschwinden  eingerieben,  woraiif  Pouder 
gestreut  und  leicht  abgestreift  wird.  Als  Streupulver  eignen 
sich  die  schon  bekannten.  Blei-  und  quecksilberhaltige 
Salben  und  Pouder  sind  bei  Schwefelbehandlung  und  bei 
reicher  Fettsecretion  überhaupt  gegenangezeigt,  weil  Schwefel- 
blei und  Schwefelquecksilber  braune  Flecke  auf  der  Haut 
machen.  Auch  Sublimat-Lösung  (O'l  :  150  Flüssigkeit)  ist  des- 
halb weniger  zu  empfehlen.  Neben  den  schon  bekannten  Streu- 
pulvern empfiehlt  sich  auch,  das  sogenannte  Damenpulver :  Up. 
Pulv.  lapid.  baptistae,  talci  venetae,  amyli  oryzae  aa.  30,  Zinci 
oxydat.  10,  Olei  Neroli  gutt.  duas,  Olei  Rosar.  guttas  quatuor ; 
sowie  Eau  de  princesse  (Hebra),  als  flüssige,  weisse  Schminke : 
ßp.  Bismuth.  carb.  basici  10,  Talci  veneti  piilv.  20,  Aqu, 
Rosarum  70,  Spir.  Colon.  3  —  dessen  feuchter  Bodensatz  ein- 
zupinsebi. 

Jodtinctur  oder  Jodglycerin  (Rp.  Jodi  puri  Kali  hydro- 
jodici  aa.  5,  Glycerin.  10)  werden  zweimal  täglich,  im  Ganzen 
6 — 12mal  eingepinselt.  —  Nach  Abstossung  des  braunen 
Schorfes  ist  die  Haut  gewöhnlich  roth  und  schuppig  und  wird 
dieselbe  nun  ausschliesslich  mit  den  Schminkmitteln  behandelt, 
bis  wieder  ein  neuer  Cyclus  der  irritirenden  Behandlung 
mittels  Schwefel,  Jod,  Sublimat,  platzgreifen  kann.  Je  nach 
der  Intensität  des  Falles  wird  man  nach  4— SmaHger  Wieder- 
holung des  Cyclus  binnen  6 — 12  Wochen  die  Heilung  voll- 
enden können. 

Gegen  gleichzeitig  vorhandene  Chlorose,  Dyspepsie  werden 
die  geeigneten  innerlichen  Mittel  verabfolgt. 

Theer-,  Jod-  und  Bromacne  erheischen  eine  symptomatische 
Behandlung,  Application  von  Kälte  bei  intensiver  Entzündung, 
Blei-,  Zink -Salben,  Gerate  bei  geschwürigem  Zerfall  oder 
Nässen  des  Bromexanthems.  Derbe  Infiltrate  und.  Excrescenzen 
des  letzteren  habe  ich  unter  Empl.  hydrargyri  sich  rasch 
rückbilden  gesehen.  Ebenso  kann  Letzteres  neben  Präcipitat- 
salbe  (5:50)  und  Seifengeistwaschung  als  besonders  wirksam 
gegen  Acne  varioliformis  empfohlen  werden. 


458 


Siebehundzwanzigste  Vorlesung. 


Acne  rosacea. 

Man  versteht  iinter  Acnerosacea  (Grutta  rosea ,  Couperose, 
Kupferhandel)  Kupferfinne  eine  auf  die  nictt  behaarten 
Stellen  des  Gesichtes,  speciell  Nase,  Wangen,  Glabella  und 
Kinn  beschränkte  und  bisweilen  über  die  seitliche  Halsgegend 
sich  ausbreitende,  chronische  Erkrankung,  welche  durch  die 
Bildung  lebhaft-  bis  dunkelrother,  gleichmässiger 
oder  von  deutlichen  Grefässzweigen  durchzogener, 
unter  dem  Einger  erblassender  Flecken,  sowie 
rother,  weich  elastischer  Knöt  chen  und  Knoten, 
oder  selbst  grösserer  Höcker  un  d  Aus  wüchse  sich 
auszeichnet. 

.  "Wir  unterscheiden  in  dieser  Krankheit  drei  Grade.  Der 
erste  Grad  besteht  in  einer  meist  gleichmässigen ,  diffusen 
Röthung  der  Nasenspitze  und  ihrer  nächsten  Umgebung. 
Die  Kranken  glauben  irrthümlich,  sie  hätten  sich  die  Nase 
erfroren.    Doch    ist    dieselbe    gar    nicht    schmerzhaft.  Bei 
manchen  Kranken  erscheint  die  ßöthe  über  beide  Wangen, 
Ohren',  das  Kinn  diffus  verbreitet.   Bei  längerer  Dauer  finden 
sich  jederzeit  auch  neugebildete  geschlängelte  Gefässe.  Bei 
grellen  Temperatursunterschieden,  wie  im  Winter,  auch  nach 
Tische,  bei  Echauffement,  werden  diese  Röthungen  in  der 
Tinte  dunkler  und  erregen  sie  Hitzegefühl  und  Brennen.  In 
diesem  Grade  kann  der  Process  viele  Monate,  auch  Jahre  be- 
stehen und  dann  complet  schwinden;  oder  derselbe  entwickelt 
sich  zu  den  höheren  Graden. 

Im  zweiten  Grade  der  Acne  rosacea  entstehen  aUmälig 
auf  erythematösen  SteUen  Unsen-  bis  erbsengrosse ,  lebhaft 
rothe,  derb  elastische,  nicht  schmerzhafte  Knoten,  welche  ent- 
weder isolirt,  oder  in  dichten  Haufen  zusammengedrängt  stehen 
und  an  ihrer  Oberfläche  mit  Gefässverschlängelungen  gezeichnet 
sind.  Sie  finden  sich  auf  der  häutigen  Nase,  am  Kinn,  auf 
der  Glabella  und  den  Wangen. 

Der  dritte  oder  höchste  Grad  der  Acne  rosacea  wird 
von  dem  als  exquisiter  „Kupferhandel"  bekannten  Zustand 
der  Nase  gebüdet,  bei  welchem  auf  derselben  rundliche  und 
unregelmässig  gestaltete,  neben-  und  übereinander  sich  aufthür- 
mende,  manchmal  auch  überhängende,  geschwulstartige,  lappige 


Acno. 


459 


Axiswüclise  von  weicli  elastischer  Consistenz  entstehen,  deren 
allo-enieine  Decke  reichlich  von  feinen  bis  rabenkieldicken  Ge- 
fässen  durchzogen,  von  Couiedonen  und  Acnepusteln  besetzt 
erscheint  —  die  sogenannte  Pfnndnase.  Sie  kann  colossale 
Dimensionen  erreichen,  die  Lappen  können  bis  auf  die  Ober- 
lippe herabhängen  und  die  abenteuerlichste  Gestalt  annehmen. 

Eine  andere  Form  entwickelt  sich  als  gleichmässige  Hyper- 
trophie der  häiTtigen  Nase ,  welche  verbreitert  und  mit  rüssel- 
artig verlängerter,  wulstiger  Spitze  hervorragt. 

°  Sowohl  die  geschilderten  Ideineren  Knötchen  des  zweiten 
Grades,  als  wie  die  lappigen  und  geschwulstartigen  Neubil- 
dungen der  Kupfernase  bestehen  aus  neugebildetem,  gallert- 
artigem Bindegewebe,  welches  wohl  einer  Organisation  zu 
festem  bleibenden  Bindegewebe  fähig  ist,  aber  ebensogut  auch 
zur  Schrumpfung  tind  Resorption  gelangen  kann.  Doch  gilt 
Letzteres  nur  für  die  jüngeren  Productionen.  Nebstdem  ist 
Ausdehnung  und  Hypertrophie  der  Talgdrüsen  (Biesiadecki), 
die  Ausdehnung  der  bestehenden  und  die  Neubildung  von 
oberflächKch  lagernden  Gefässen  in  der  Haut,  von  Teleangi- 
ectasien,  ja  auch  Erweiterung  der  aufsteigenden  Corium- 
gefässe  und  deren  Zweige,  als  die  wesenthiche  an  at  o  m  i  s  ch  e 
Grundlage  der  Acne  rosacea  anzusehen. 

Die  Diagnose  des  Uebels  unterliegt  in  der  Regel  keiner 
Schwierigkeit,  auch  wenn  Acne  vulgaris  gleichzeitig  vorhan- 
den ist. 

Acne  rosacea  mittleren  Grades  kann  mit  Lupus  oder 
knotigem  Syphilid  verwechselt  werden.  Die  Acneknoten  werden 
durch  ihren  ausserordentlichen  Gefässreichthtim ,  ihre  weiche 
Beschaffenheit  und  Comprimirbarkeit,  sowie  durch  das  Fehlen 
von  narbiger  und  ulceröser  Involution  von  Syphilis  unter- 
schieden werden  können. 

Rhinophyma,  Acne  rosacea  dritten  Grades,  muss  gegen- 
über von  Carcinoni  und  Rhinosclerom  differencirt  werden. 

Die  Ursachen  der  Acne  rosacea  sind  sehr  mannigfach. 
Der  erste  und  zweite  Grad  derselben  entwickelt  sich  häufig 
bei  weiblichen  Lidividuen,  und  zwar  sowohl  zur  Zeit  der  Puber- 
tät als  in  den  klimakterischen  Jahren,  seltener  in  dem  mittleren 
Lebensalter,  aber  nachweislich  in  Beziehung  zu  gewissen  Stö- 
rungen und  Functionen  der  Sexualsphäre.  Bei  jüngeren  Indi- 
viduen sind  Chlorose,  Dysmennorrhoe,  Sterilität,  bei  vorgerück- 


460 


Siebenundzwanzigste  Vorlesung. 


teren  der  physiologisclie  Voi'gang  der  sexuellen  Involution  als 
Ursache  anzusehen.  Bei  Manchen  ist  jede  Gravidität  mit 
Acne-Entwicklung  in  Verbindung.  Ausnahmsweise  kommt  die- 
selbe auch  bei  sexuell  ganz  gesunden  Frauen  vor. 

Chronische  Dyspepsie  scheint  bei  vielen  Personen  beiderlei 
Geschlechtes  zu  Acne  rosacea  zu  disponiren. 

Ein  allgemein  bekanntes  ätiologisches  Moment  der  Krank- 
heit aller,  und  besonders  auch  des  höchsten  Grades  von  Acne 
rosacea  ist  der  übermässige ,  gewohnheitsmässige  Genuss  von 
Alcoholicis.  Bei  Weintrinkern  sieht  man  meist  lebhaft 
rothe  Knoten,  bei  Biertrinkern  mehr  cyanotisches  ßhinophyma, 
bei  Branntweintrinkern  vorwiegend  dunkelblaue  und  glatte  Na- 
senhaut neben  sonst  geschmeidiger,  panniculusr eicher  Haut. 

Merkwürdig  ist  das  Auftreten  von  Acne  rosacea  bei 
Personen ,  die  jahrelang  in  excessiver  Weise  Kaltwassercuren 
machen. 

Endlich  beobachtet  man  den  Zustand  bei  allen  Personen, 
die  dauernd  viel  in  der  freien  Luft,  Wind  und  Wetter  sich 
aufhalten,  bei  Kutschern,  Ligenieuren,  Höckerinnen,  Matrosen, 
Maurern  it.  s.  f. 

Physiologisch  ist  der  Process  auf  einen  paretischen  Zu- 
stand der  feinsten  Hautgefässe  an  den  periphersten  Körper- 
stellen zurückzuführen,  mit  welchem  eine  trägere  Circulation 
an  jenen  Punkten  verbunden  ist.  Daher  alle  jene  Momente 
mit  als  Ursache  der  Acne  rosacea  gelegentlich  sich  geltend 
machen,  welche  auch  zu  Perniones,  Kälte  imd  Schweiss  an 
Händen  und  Füssen  Veranlassung  geben. 

Die  Prognose  bei  Acne  rosacea  ersten  und  zweiten  Gra- 
des ist  um  so  günstiger,  je  leichter  auch  die  sie  bedingende 
Ursache  zu  beseitigen  ist,  weil  damit  auch  jene  spontan  sich 
rückbilden  kann  und  Recidiven  ausbleiben.  Bei  Rhinophyma 
ist  solches  nicht  zu  erwarten. 

Die  Behandlung  der  Acne  rosacea  ersten  und  zweiten 
Grades  muss  sowohl  gegen  die  Ursache  derselben,  als  gegen 
die  örtliche  Veränderung  gerichtet  sein.  Li  ersterer  Beziehung 
empfehlen  sich,  nach  sorgfältiger  Feststellung  der  ätiologischen 
Momente,  alle  jene  Mittel,  welche  die  gefundene  Genitalaffection, 
oder  die  Chlorose,  Dyspepsie  etc.  zu  beseitigen  geeignet  erscheinen, 
als  locale  gynäkologische  Eingriffe,  ferners  Amaricantia,  Ferru- 
ginosa,  Eisen- Arsen,   Trink-  und  Badecuren  in  Marienbad, 


Acne. 


461 


Franzensbad,  Kissingen,  Milch-  nnd  Molkencnren,  leichte  Hydro- 
therapie, Mnssbäder  (Vöslan),  Seebäder,  Sommeraufenthalt  im 
Gebirge,  kräftigende  Diät;  zum  Getränke  bei  Chlorotischen 
starke  Weine  und  gutes  Bier;  bei  DysjDepsie  Alkalien  (Ep. 
Bicarb.  Sodae,  Phosphat.  Sodae,  Magnes.  carb.  aa.  10 ,  Sacch. 
albi ,  Elaeosacch.  Macidis  aa.  15 ,  Sig.  3mal  täglich  1  KafFeel. 
voll  in  Wasser  zu  nehmen)  Giesshübler,  Selters'  Wasser  u.  s.  w. 

Acne  rosacea  geringen  Grades  verliert  sich  unter  Besse- 
rung jener  allgemeinen  AfPectionen. 

Die  örtliche  Behandlung  hat  zum  Zwecke  die  dif- 
fuse ßöthung,  die  telektatischen  Gefässe  und  Knoten  rascher 
verschwinden  zu  machen  und  die  Verunzierung  des  Teints  zu 
cachiren.    Die  Abflachung    der   rothen  Acneknoten  gelingt 
recht  gut  durch  Application  eines  gut  klebenden  Emplastr. 
hydrargyri ,    oder   durch   die   bei   der   Therapie    der  Acne 
vulgaris     angegebenen     methodischen     Einpinselungen  von 
Schwefelpasten  ,  Jodtinctur ,  J odglycerin.   Letztere  Mischung 
wird  8 — 12mal  binnen  3 — 4  Tagen  auf  die  Haut  gepinselt, 
welche   darauf  mit   Gutta  -  Perchapapier  belegt   wird.  Die 
Schwefelpasten  itnd   graues   Pflaster  mögen  auch   nur  des 
Nachts  angewendet  werden.    Tagsüber,  sowie  jedesmal,  wenn 
durch   eine  der  irritir enden  Methoden   die  Haut   roth  und 
schuppig  geworden,  kommen  die  ebenfalls  aufgezählten  Schmink- 
salben und  Poudre  zur  Application,  nebst  manchen  anderen 
Cosmeticis,   die  wir  noch  an  einer  anderen  Stelle  anführen 
werden.   Bei  intensiven,  difPusen  Röthungen,  Telangiektasien 
und  grösseren   derben  Knoten  müssen   methodische  Scarifi- 
cationen  in  wiederholten  Sitzungen  vorgenommen  werden,  um 
die  Gefässe  zur  Verödung  zu  bringen.    Entweder  führt  man 
viele  seichte,  parallele  Schnitte  mittelst  eines  feinen  Scalpells, 
oder  stichelt  mit  der  Stichelnadel,  oder  zerreisst  die  Gefässchen 
durch  Schaben  mit  dem  scharfen  Löffel.    Zur  Operation  des 
Sticheins  hat  Th.  Veiel  ein  Instrument  angegeben,    das  aus 
6  parallel  gestellten  und  in  einen  Grifi"  eingepassten ,  mittels 
Schraube  verstellbaren,  Lanzetten  besteht.   Aehnlich,  nur  aus 
kurzen,  fixirten  Klingen  zusammengesetzt,  istSQUiRE's  „Multiple 
Scarificator".    Ich  ziehe  zur  Scarificirung  ein  feines  Scalpell 
vor  und  zur  Stichelung  die  von  Hebra  angegebene  Stichel- 
nadel (Fig.  26),   eine  starke,  zweischneidige  lanzettförmige 
Nadel,  deren  2  j\Iillimeter  lange  Klinge  am  Kücken  mit  einer 


Siebenundzwanzigste  Vorlesung. 

Gräte  und  an,  der  Basis  mit  einer  Leiste  (Abaptiston)  ver- 
sehen ist.    Mit  derselben  führt  man  in  die  telektatische  Haut 

Fig.  26. 


rasch  hintereinander  zahlreiche  Stiche  dicht  mid  parallel  zu 
einander  Die  oft  bedeutende  Blutung  wii'd  durch  Compression 
Xlst  Charpie  oder  BKHKs'scher  Woüe  gestillt  _  Dxe  Appl. 
Tttn  von  Lapisl--g  oder  Eisenchlorid  anf  d.e  eroffne  en 
vasculisirten  Flächen  ist  nicht  -thhch.  Nach  dem  Schaben 
ist  die  Operationsfläche  mit  Gewebsdetritus  bedecU,  weichet 
bald  missfärbig  wird,  aber  unter  kalten  Umschlagen  oder 
einfacher  Salbe  binnen  wenigen  Tagen  abgestossen  wu^.  Die 
Wundüäche  erscheint  schön  überhäutet.  Die  -^^Ywochen 
griffe  müssen  nach  dem  Grade  der  Acne  rosacea  durch  Wochen 
oder  Monate  wiederholt  vorgenommen  werden. 

Die  Entstellung  der  Acne  rosacea  dritten  Grades  ist  nur 
durch  Excision  und  kunstgerechte  Abkappung  mittels  Messers, 
oder  Abschnüren  der  prominirenden  Knoten  methodo  chxrurgica 
zu  beheben.  Man  muss  auf  starke  Blutung  aus  den  groben 
Yenen  gefasst  sein  und  derselben  in  geeigneter  Weise  begegnen. 


\ 


Aclitundzwanzigste  Vorlesung. 

Sycosis,  Bedeutung ,  Pathologie  und  Tlaerapie.    Sycosis  parasitaria.  — 
Infipetigo,  Eetl-iyma.  Imioetigo  herpetiformis. 

Sycosis. 

AcneMentagra,  Folliculitis  barbae  (Köbner),  Bartfinne , 
ist  eine  an  den  mit  dicken  Haaren  besetzten  Hant- 
stellen sieb  entwickelnde  cbroniscbe  Krankheit, 
bei  welcber  entzündliche,  an  ihrer  Spitze  je  von 
einem  Haare  durchbohrte  Knötchen,  Knoten  und 
Pusteln,  nebstdem  ausgebreitete  entzündliche 
Infiltrate  mit  Eiterung  und  Krustung  und  bis- 
weilen papilläre,  drusige  Excrescenzen  gebildet 
werden. 

Ihre  häufigste  Localisation  ist  der  Barttheil  des  Gresich- 
tes ,  also  "Wangen ,  Kinn  und  Oberlippe ,  seltener  die  Augen- 
brauen ,  der  Bereich  der  Vibrissae  der  Nasenschleimhaut ,  der 
behaarte  Theil  der  Achselhöhlen ,  des  Möns  veneris  und  der 
behaarte  Kopf. 

Bei  Sycosis  faciei  entstehen  an  einer  oder  an  ver- 
schiedenen Partien  einer  oder  beider  Wangen  zugleich  einzelne 
rothe,  entzündliche,  schmerzhafte-  Knoten  und  Piisteln,  welche 
je  von  einem  Haare  durchbohrt  sind.  "Wird  dieses  mittelst 
Pincette  ausgezogen ,  so  erscheint  dessen  Wurzelscheide  ver- 
.  dickt,  glasig  aufgequollen  ,  eitrig  imbibirt.  Nicht  selten  tritt 
aus  dem  so  eröffneten  Follikel  ein  Eitertröpfchen  aus.  Zur 
Sycosis  wird  nun  dieser  Process  durch  den  "Verlauf,  indem 
einzelne  der  vereiternden  Knoten  sich  eröffnen,  mit  Borken 
bedecken  und  narbige  Zerstörung  zurücklassen,   während  in 


j^Q^  Aclitundzwanzigste  Vorlesung. 

der  Nachbarscliaft  neue  Knoten  mit  demselben  Verlaufe  auf- 
tauchen und  diese  Vorgänge  cbroniscb  sich  erneuern. 

Derart  breitet  sich  der  Process  in  mehrjähriger  Dauer 
über  Wangen,  Kinn,  Oberüppen  aiis.    Die  Wange  erscheint 
ungleichmässig  geschwellt,  verdickt,  höckerig,  da  und  dort 
mit  Krusten  belegt,  mit  zerstreuten  oder  dicht  gedrängten 
Pusteln  besetzt,  oder  roth,  schuppend,  oder  nässend.  Im  Krank- 
heitsfelde sind  die  meisten  Haare  gelockert  und  leicht  auszu- 
ziehen.   Die  vielen  narbigen  Stellen  und  der  wie  ausgenagte 
Bart  erhöhen  noch  die  durch  die  erwähnten  Knoten,  Pusteln, 
Krusten  gegebene  Entstellung,   Schmerzhaftigkeit  und  Belästi- 
gung.   Dazu  gesellen  sich  bisweilen  grössere  Abscesse  und 
Blutschwäre,  und  als  besondere  EigenthLimlichkeit  kreuzer-  bis 
thalergrosse  Plaques  von  2— 4  Mm.  hervorragenden,  rothen, 
nässenden  und  leicht  blutenden,   papiUären,   drusigen  Aus- 
wüchsen, deren  viscides  Secret  zu  dicken  Krusten  vertrocknet. 
Solche  finden  sich  an  der  Lippen-  oder  Kimigrube,   oder  an 
den  Kinnwinkeln,  selten  an  den  Wangen.    Die  Haare  smd 

auch  hier  gelockert.  .   -,    -p   i  •• 

Der  Verlauf  der  Sycosis  ist  äusserst  chronisch.  J^s  können 
10-15  Jahre  darüber  vergehen,  bevor  der  Process  sich  über 
beide  Wangen  und  in  das  Bereich  der  Schläfehaare  ausge- 
breitet hat.    Doch  gibt  es  auch  FäUe  mit  beschleunigterem 

^^""^^tle  gleichen  Symptome  bietet  im  Wesentlichen  die  anders 

localisirte  Sycosis  dar. 

An  den  Augenbrauen  ist  der  Process  isolii%  odei  in 
Verbindung  mit  Blepharadenitis  und  Sycosis  des  übngeii  (xe- 
Ihtes.  Sycosis  der  Nasenschleimhaut  -t  gewoh^^^^^ 
mit  gleicher  Affection  der  Oberlippe  vergesellschaftet.  In  der 
Achselhöhle  und  amSchamberg,  sowie  am  behaarten 
Kopf  e  geht  Sycosis  meist  aus  eczematöser  Entzündung  hervor. 
Doch  findet  sich  auch  Sycosis  capiUitii  mit  ^^^--1^^-^^^;;; 
Heuernden  Knoten-  und  Pusteleruptionen  und  schmerzhaftei 
S^Son  der  Cutis,  in  seltenen  EäUen  als  idiopathische  Er- 

^"'tlf  muss  hier  einer  eigenthümlichen  Krankheit.form  des 
behaarten  Kopfes  gedenken,  welche  ich  als  Dermatxtxs  pa- 
miliaris  capillitii  beschrieben  habe.  Bei  dei selben  eit 
stehen   stecknadelkopfgrosse,   anfangs  isolirte,   spater  dicht 


Sycosis. 


465 


o-edrängte  Knoten,  welche  zu  narben ähnlichen  Plaques  ver- 
schmelzen, auf  denen  die  Haare  büschelförmig  zusammenge- 
drängt erscheinen,  während  andere  Stellen  ganz  kahl  sich 
ansehen.  Die  Haare  werden  sehr  schwer  ausgezogen,  reissen 
dabei  ab  und  zeigen  sich  geschlängelt  und  atroiDhisch.  Da  und 
dort  kommt  eine  kleine  Pustel  vor. 

Der  Process  begiimt  in  der  Eegel  an  der  Nackenhaar- 
grenze und  schreitet  am  Hinterhaupt  empor  bis  gegen  den 
Scheitel.  Einmal  habe  ich  denselben  auf  letztere  Stelle 
allein  beschränkt  gesehen.  Im  Bereiche  des  behaarten 
Hinterhauptes  bilden  sich  nun  2—3  Cm.  hohe,  papillomartige, 
stinkendes  Secret  liefernde,  mit  Borken  bedeckte,  leicht  blutende 
Vegetationen,  welche  da  und  dort  durch  intercurrirende  Ab- 
scessbildung  zum  Theil  zerfallen  und  unterwühlt  werden.  Diese 

Fis.  27. 


■/-■ 


Dermatitis  papillaris  capillitii.  Senkrecliter  Durclisclmitt. 

a  hypertrophische  Epidermis  über  den  dendritisch  aiisgewachsenen  _Papmen  c  ; 
b  enorm  erweiterte  Gefässe;  d  dichte  Zelleneinlagerang  (entzündliche  Inültiation) 
des  Corium.  (Schwache  Vergr.) 

30 

Kaposi,  Hautkrankheiten. 


46G 


AcMundz-wanzigste  Vorlesung. 


b...J' 


Aus  dem  entzündeten  Corium  bei  D. 
papillaris  (Fig.  27  d). 

c  Randzellen,  b  einfach  und  mehrfach  ver- 
ästigte Zellen,  a  solche  zu  Fasern  angereiht. 


Fig-  28.  Bildtingen  ,  welclie  aus  enonn 

gef ässreichen ,   papillären  Ex- 
crescenzen  bestehen  und  mikro- 
skopisch-anatomiscli  ganz  ana- 
log   wie    Granulationen  sich 
verhalten,  schrumpfen  im  Ver- 
^  laufe   von  Jahren,  indem  sie 
zu  sclerotischem  Bindegewebe 
sich   umwandeln   (Fig.   28  a), 
^    mit  dem  Resultate  ausgebrei- 
teter Atrophisirung  der  Haar- 
follikel und  Kahlheit ,  während 
an  anderen  Stellen  die  noch 
bestehenden    Haare  büschel- 
förmig zusammengedrängt  und 
eingezwängt  bestehen. 

Der  Process  ist  von  Alibekt 
als  Plan  ruboid  beschrieben 
lind  abgebildet  und  mit  Syphilis  identificirt  worden,  während 
Eayer  denselben  als  Sycosis  capillitii  bezeichnet.  Die  gleiche 
Auffassung  hegt  auch  Hebra,  welcher  diese  Form  als  Sycosis 
fromboesiaformis  bezeichnet.  Ich  glaxibe  nachgewiesen  zu  haben, 
dass,  abgesehen  davon,  dass  der  Process  mit  Syphilis  nichts 
zu  thun  hat ,  derselbe  nicht  aus  Follicularpusteln  hervorgeht, 
also  keine  Sycosis  ist,  sondern  ein  idiopathischer  Entzündungs- 
process. 

Sycosis  parasitaria  (Bazin)  ,  in  der  äusseren  Er- 
scheinung der  gewöhnlichen  Sycosis  ähnlich,  aber  durch  die 
acute  Entwicklung  von  champignonähnlichen ,  drusigen  ,  zer- 
klüftenden  Wucherungen  im  Bereiche  der  Wangen  (Köbnee, 
Kaposi,  Lewin  u.  A.)  oder  auch  des  behaarten  Kopfes  (Auspitz, 
Lang)  ausgezeichnet,  oft  mit  rothen,  schuppenden  Kreisen  ver- 
geseUschaftet,  ist  durch  einen,  dem  Herpes  tonsurans  entspre- 
chenden Pilz  bedingt  und  wird  mit  letzterer  Krankheit  zu- 
gleich noch  besprochen  werden. 

Nach  den  geschilderten  Symptomen  ist  die  Sycosis  nicht 
schwer  zu  diagnosticiren.  Die  entzündliche  Lifiltration 
und  Pustelbildung,  mit  der  Lockerung  der  Haare  und  Schwel- 
lung der  Haarwurzelscheiden,  die  Charaktere  des  chronischen 
Verlaufes    welche  namentlich  aus  dem  Nebeneinandersein  xow 


Sycosis. 


467 


frischen  imd  in  Involtition  begriffenen  oder  vernarbenden 
Pnsteln,  Narben  und  verödeten  Bartstellen  sich,  kennzeichnet, 
verrathen  die  Krankheit  zur  Genüge;  da  aber  auch  Lupus  • 
und  knotig  ulcer Öse  Syphilis  der  Wangen  und  Lippen 
und  der  Nasenschleimhaut  mit  Krustenbildung  und  Narben,  ja 
axich  mit  papillären  Wucherungen  einhergehen,  wird  man  in 
zweifelhaften  Fällen  auf  die  Charaktere  der  letzteren  Bedacht 
nehmen  müssen.  Bei  Lupus  geben  die  wie  eingesprengten  und 
unter  dem  Fingerdrucke  nicht  schwindenden  Primärknötchen, 
bei  Syphilis  das  scharf  begrenzte,  derbe  Randinfiltrat ,  oder 
ein  charakteristisches,  schmerzhaftes  Greschwür  die  Unterschei- 
dungs-Merkmale. 

Sycosis  gestattet  eine  günstige  Prognose,  da  die  Krank- 
heit heilbar  ist  und  selbst  bei  unbehindertem  Bestände 
ausser  der  örtlichen  Störung  keine  Nachtheile  mit  sich  bringt. 
Spontanes  Erlöschen  des  Processes  erfolgt  nur  sehr  spät,  nach 
Jahren  luid  nach  ausgebreiteter  Follicular  -  Verödung.  Am 
schwersten  heilbar  ist  Sycosis  der  Nasenschleimhaut  und  des 
Capillitium. 

Als  Ursache  der  gewöhnlichen  Sycosis  kann  in  manchen 
Fällen  örtliches  Eczem  gelten,  indem  mit  der  lang  andauernden 
oder  sich  steigernden  Entzündung  Folliculitis  eintritt.  Dies 
gilt  namentlich  für  Sycosis  der  Nasenschleimhaut  und  der 
Oberlippe,  die  im  chronischen  Schnupfen  ihre  Quelle  hat,  für 
Sycosis  des  behaarten  Koj)fes,  der  Achselhöhlen  und  der  Scham- 
o-eo-end.  Allein  zumeist  entsteht  Sycosis  des  Bartes  idio- 
pathisch,  ohne  jede  nachweisbare  Ursache.  Daher  hat  man 
auch  da  allerlei  supponirte  Dj^scrasien ,  Erkältung ,  besondere 
Nahrungseinflüsse,  das  ßasiren  mit  stumpfem  Messer  und  vieles 
Andere  in's  Feld  geführt,  doch  ohne  jede  Grewähr. 

Die  Entstehung  durch  Contagion  ist  für  Mentagra 
seit  Plinius  behauptet  worden,  nach  dessen  Erzählung  die 
Krankheit  aus  Aegypten  nach  Rom  verschleppt  und  dort  durch 
Küssen  epidemisch  verbreitet  worden  ist.  Es  ist  aber  mehr 
als  wahrscheinlich,  dass  jene  Mentagra  oder  Ficositas  die  Be- 
deutung von  syphilitischen  Feigwarzen,  Plaques  muqueuses, 
hatte,  wodann  ihre  Contagiosität  allerdings  begreiflich  wäre. 

Indessen  hat  dies  mehr  historisches  Interesse.  Sycosis 
im  Sinne  von  Celsus  und  der  Neuzeit,  wie  sie  seit  Bateman 
verstanden  wird,  galt  doch  im  Allgemeinen  für  nicht  ansteckend. 

30* 


468 


Achtundz-wanzigste  Vorlesung. 


Erst  seit  G-ruby  (1842)  von  einem  Pilz  bei  Mentagra  berich- 
tete und  Bazin  die  Existenz  einer  Sycosis  parasitaria 
feststellte  ,  ist  die  Contagiositätsfrage  wieder  lebendig  gewor- 
den. KöBNEE,  hat  sie  ganz  richtig  dahin  entschieden,  dass  die 
Contagiosität  nur  für  jene  specielle  Form,  die  eigentlich  dem 
Herpes  tonsurans  angehört,  gelte  —  Sycosis  parasitaria  — 
nicht  aber  für  die  vulgäre  Sycosis  oder  Folliculitis 
barb  a  e. 

Diese  entsteht  zumeist  idiopathisch  und  vielleicht  veran- 
lasst durch  gewisse  anatomische  Verhältnisse. 

"Wie  schon  Gr.  Simon  und  Wertheim  gezeigt,  stellt  jeder 
Sycosisknoten  einen  Abscess  des  Haarfollikels  dar.  Zieht  man 
das  Haar  heraus,  so  ist  die  Wurzelscheide  eitrig  aufgec|uoUen 
und  es  tritt  ein  Eitertropfen  aus  der  Höhle.    Das  interfoUi- 
culäre  Gewebe,  Cutis  und  Papillen,  zeigen  selbstverständlich 
den  Zustand  entzündlicher  Infiltration  und  letztere  wachsen 
gelegentlich  papillär  aus.  Die  Anregung  zur  Entzündung  mag 
vielleicht  mit  einer  energischen  Reproduction  der  Haare  zu- 
sammenhängen, indem  das  am  Follikelgrunde  neu  gebildete 
Haar  neben  dem  alten  sich  vordrängt  und  die  Wandung  me- 
chanisch reizt.    In  der  That  trifft  man  da  häufig  zwei  Haare 
in  demselben  Follikel  und  Sycosis  häufig .  bei  sehr  dichtem 
Bartstande.    Wertheim  leitet  die  Irritation  daher,   dass  der 
Querdurchmesser  des  Haares  relativ  zu  gross  wäre  zu  dem 
seiner  Haartasche. 

In  der  diffusen  Infiltration  kommt  es  auch  zu  Abscedirung 
der  Cutis  und  der  Talgdrüsen. 

Bei  Sycosis  parasitaria  ist  ein  dem  Trichophyton  ton- 
surans Malmsten  entsprechender  Pilz  mikroskopisch  zwischen 
den  Elementen  der  ausgezogenen  Haare  und  ihrer  Wurzel- 
scheiden nachzuweisen. 

In  der  Behandlung  der  Sycosis  müssen  Patient  und  Arzt 
sich  einer  gleichen  Exactheit  und  Consequenz  in  der  Ausführung 
der  nothwendigen  Massnahmen  befleissen.  ^Yo  diese  Bedingung 
erfüllt  wird,  kann  eine  ausgebreitete,  seit  vielen  Jahren  be- 
standene Bartfinne  binnen  3—6—12  Wochen  gänzlich  geheilt 
werden,  während  im  Gegentheil  der  Erfolg  vergeblich  erwar- 
tet wird.  _ 

Nvir  ganz  massig  entwickelte  Sycosis  des  Bartes 
kann  mit  Erhaltung  des  letzteren  geheilt  werden,  indem  man 


Sycosis. 


469 


die  wenigen  Pusteln  eröffnet ,  die  kranken  Härclien  auszieht 
und  die  Stelle  fleissig  mit  einfachen  Salben  besckmiert,  bis  die 
excoriirten  Punkte  verkeilt  sind. 

Bei  grösserer  Verbreitung  und  langem  Bestände  des 
Processes  muss  der  Bart  abgenommen  werden.  Derselbe  wird 
zunächst  kurz  geschoren.  Sodann  legt  man  TJngu.  Diachyli 
auf  Leinwand  gestrichen  und  mit  Flanell  niedergebunden,  oder 
Kaiitschukleinwand  auf  die  "Wangen,  Oberlippe,  um  die 
IvriTsten  zu  erweichen.  Nach  12 — 24  Stunden  können 
sie  mittelst  Seife  abgewaschen  werden  und  nun  wird  ra- 
sirt.  Das  Rasiren  kann  von  geschickter  Hand  und  mit  einem 
guten  Messer  ohne  Schmarz  für  den  Kranken  ausgeführt  werden. 

Jetzt  liegt  die  kranke  Haiitfläche,  diffus  geröthet,  infil- 
trirt,  mit  zahlreichen  Pustehi  besetzt,  stellenweise  nässend  oder 
blutend,  bei  Berührung  massig  schmerzhaft,  frei  zu  Tage. 
Und  nun  wird  als  dritte  nothwendige  Operation  die  von  "Wert- 
HEiM  zuerst  empfohlene  Epilation  vorgenommen,  durch 
welche  die  kranken  Haare  entfernt  und  der  Austritt  des  Eiters 
aus  den  Follikebi  ermöglicht  wird.  Der  Kranke  wird  in  gute 
BeleiTchtung  gesetzt.  Der  gegenübersitzende  oder  stehende 
Arzt  spannt  sich  mit  den  Fingern  der  linken  Hand  die  zur 
Epüation  bestimmte  Hautstelle  ziu^echt,  fasst  mit  der  rechten 
Hand  die  Cilienpincette  mit  Daumen,  Zeige-  und  Mittel- 
finger, wie  eine  Schreibfeder,  und  zieht  Härchen  für  Härchen 
aus  in  ihrer  natürlichen  Richtung.  Dabei  stützt  er  die  Hand 
mittelst  des  kleinen  Fingers  auf  imd  legt  jedes  ausgezogene 
Haar  unmittelbar  auf  die  Haut  nieder,  ohne  die  Hand  zu  ent- 
fernen. Dadiirch  hat  der  Operateur  den  Vortheil,  die  Zug- 
richtung beizubehalten  und  rasch  hintereinander  20 — 30  Haare 
auszuziehen.  Nachdem  Blut  und  Eiter  abgetupft  worden  und 
dem  Kranken  eine  kurze  Pause  gegönnt  worden,  setzt  man  die 
Epilation  fort.  Am  ersten  Tage  begnügt  man  sich  mit  eruer 
kurzen  Sitzung,  da  manche  Kranke,  des  Eingriffes  ungewohnt, 
nervös  erregt,  selbst  ohnmächtig  werden.  Die  nächsten  Tage 
geht  es  schon  ohne  Anstand.  Denn  der  Schmerz  beim  kunst- 
gerechten Epiliren  ist  nur  sehr  gering,  weil  ja  die  Haare  ge- 
lockert sind.  Nach  der  Epilation  wird  die  Stelle  .abgewaschen, 
wenn  starke  Entzündung  zugegen ,  mit  kalten  Umschlägen 
durch  1 — 2  Stunden  und  sodann  wieder  mit  Ungu.  Diachyli, 
oder  Ungu.  Vaselin.  plumb.  belegt. 


^-jQ'.  Achtundzwanzigste  Vorlesung. 

Diese  Manipulationen  werden  nun  täglicli  regelmässig 
fortgesetzt:  Waschen  mittelst  Seife  und  Seifengeist,  ßasiren, 
Epiliren  und  Belegen  mit  erweicliender  Salbe.  Mit  dem  Epi- 
liren  geht  man  regelmässig  vorwärts  von  einer  Randpartie 
her ,  nicht  bald  da ,  bald  dort.  Denn  die  gut  epilirte  Stelle 
sieht  sich  schon  den  nächsten  Tag  besser  an,  flacher,  weicher, 
blässer,  mit  weniger  Pusteln  besetzt,  so  dass  der  Patient  zu 
dem  Verfahren  Vertrauen  bekommt. 

Derart  vorgehend  kann  man  bei  Sycosis  beider  Wangen 
binnen  2— 3  Wochen  mit  der  allgemeinen  Epilirung  fertig  sein 
und  hat  nur  noch  zerstreute  NachschübHnge  zu  berücksichtigen. 
Ist  die  Haut  überall  weich ,  kommen  nirgends  mehr  Pusteln, 
sitzen  die  Haare,  die  stets  nachwachsen,  fest,  dann  ist 
die  Sycosis  geheüt.  Es  braucht  jetzt  nur  noch  der  Anwendung 
einfach  emoUiirender  und  deckender  Salben  und  Poudre,  wie 
nach  Heilung  der  Acne. 

Doch  muss  der  Bart  mindestens  ein  Jahr  hindurch  regel- 
mässig rasirt  werden;  denn  die  Sycosis  stellt  sich  meist  mit 
dem  Bartwuchs  wieder  ein.  Erst  nach  Jahresfrist  pflegt  der 
Versuch,  den  Bart  stehen  zu  lassen,  zu  gelingen. 

In  vielen  Fällen  sind  neben  der  angeführten  regelmässigen 
Behandlung  noch  andere  Eingrifi-e  nothwendig.  Einzelne  derb 
infiltrirte  SteUen  müssen  gestichelt  oder  scarificirt  werden, 
worauf  sie  erst  abflachen  und  abblassen;  gelockerte,  reichKch 
blutende  Hautstellen  müssen  mit  dem  scharfen  Löffel  aus- 
gekratzt, grössere  Abscesse  eröffnet  werden.  Bei  hartnäckiger 
Wiederholung  zahlreicher  Pustelausbrüche,  oder  Bestand  der 
diffusen  Derbheit  der  Haut  empfiehlt  sich  das  Einpinseln  von 
Schwefelpaste  wie  bei  Acne,  oder  von  Waschung  mit  Jod- 
schwefelseife (Zeissl),   oder  die  Erregung  einer  acuten  Ent- 
zündung durch  Auflegen  von  Schmierseife  durch  12  Stunden, 
oder    Einpinseln    von    Tinctura    jodina,     oder  Jodglycerin 
oder  Eintupfen  von  Sublimatlösung  O'öO ,    ad  100  Aqu.  dest., 
worauf  wieder  die  oben  geschilderte  durchschnittliche  Behand- 
Kmgsweise  mittelst  Salben  und  Epiliren  Platz  greift. 

Die  erwähnten  Vegetationen  werden  durch  Aetzen  mit 
Essio-säure,  Paste  von  Acid.  acet.  10,  Lact.  sulf.  2-50,  oder 
eine  Salbe  von  Cupri  acetici  0-30,  Ungu.  simpl.  10,  oder  Ein- 
tupfen mit  Acid.  muriat.  concentr.  und  Auflegen  von  Calomel- 
pulver  entfernt. 


Impetigo,  Ecthyma. 


471 


Bei  Sycosis  vibrissanim  müssen  ebenfalls  die  Pusteln  er- 
öffnet, die  Haare  ausgezogen  und  in  die  Nasenlöcher  emol- 
liirende  Salben,  wie  bei  Eczem  dieser  Partie,  eingelegt  nnd 
rbagadiscbe  Stellen  geätzt  werden. 

Bei  Sycosis  Capillitii  versnebt  man  die  ßebandlnng  wie 
bei  Eczem  des  behaarten  Kopfes,  Erweichung  der  Pusteln 
durch  Fett,  Kantschukhanbe,  Waschung  mit  Seifengeist,  Donchen 
nnd  niu'  wenn  dies  nicht  zum  Ziele  führt,  muss  rasirt  nnd 
epilirt  werden.  (Man  deckt  tagsüber  die  mit  Salbe  oder 
Kautschnkleinwand  belegte  Kopfhaut  mittelst  Perrücke.) 

Analog  wird  Sycosis  der  Axigenbrauen,  Achselhöhle  und 
Schamgegend  behandelt. 

Gegen  Dermatitis  papillaris  Capillitii  hat  sich 
nur  Empl.  hydrargyri  von  einiger  Wirkung  erwiesen.  Das 
Gros  der  Gebilde  muss  mit  Scheere  und  Messer  abgetragen 
werden.  Die  copiöse  parenchymatöse  Blutung  wird  durch 
einfache  Charpietamponade  oder  gleichzeitige  Application  von 
Lapislösung  (1  :  1)  gestillt. 

Bei  Sycosis  parasitaria  erweist  sich  neben  der 
Epilation  der  kranken  Haare  das  Eintupfen  mit  Sublimat- 
lösung oder  Auflegen  von  Essigsäure-Schwefelpaste  heilsam. 

An  die  hiemit  abschliessende  Besprechung  der  Acneformen 
lind  Sycosis  fügen  sich  naturgemäss  einige  kurze  Bemerkungen 
an,  die  ich  über 

Pustelausschläge 

zu  machen  für  nothwendig  erachte.  Es  werden  nämlich  seit 
WiLLAN  von  vielen  Autoren  systematisch  Impetigo,  Ec- 
thyma, Psydracion,  Phlyzacion,  theils  in  der  Bedeutung  von 
einzelnen  Pusteln,  theils  von  ausgebreiteten  Erkrankungen  der 
Haut  verwendet,  bei  welchen  zahlreiche  Pusteln  vorkommen 
(Impetigo  sparsa,  figurata  u.  A.) ,  namentlich  aber,  wenn  die- 
selben auf  den  Unterextremitäten  localisirt  sind. 

Hkbea  hat  in  seinem  grossen  reformatorischen  Eifer 
gründlich  dargethan,  wie  verwirrend  nnd  ungerechtfertigt  eine 
solche  specificirende  Auffassimg  der  Pusteleruptionen  ist. 

Eür  uns  wird  es  genügen,  daran  zu  erinnern,  dass 
Pusteln,  d.  i.  eitrigen  Inhalt  bergende  Epidermisbläschen  und 
Blasen  (Phlyzacion,  Impetigo)  und  derbere,  eitrig  schmelzende 
Knoten  (Ecthyma)  überall  da  vorkommen,  wo  diffuse  oder 


^•^2  Aclitundzwanzigste  Vorlesung. 

circiimscripte  acute  Entzüudung  und  Exsudation  im  obersten 
Corium  und  in  der  Papillarschiclite  vorkommt;  demnach  idio- 
pathisch bei  der  traumatischen,   calorischen  und  venösen 
Hautentzündung,  in  Folge  von  Kratzen  bei  Eczem ,  Prurigo, 
Scabies,  nach  Einreiben  von  Unguent.  Antenriethi  mercuriale, 
bei  manchen  in  der  Haut  selbst  gelegenen  Momenten  zur  Ent- 
zündung, wie  bei  Acne,  Sycosis ;  s  y  m  p  t  o  m  a  t  i  s  c  h  bei  Variola, 
Rotz,  Syphilis,  metastatischeu  Vorgängen.  Es  stellen  also  bei 
aüen  diesen  Processen  die  auftauchenden  Pusteln  nur  Theil- 
erscheinungen  dieser  vor  und  örtlich  eine  bis  zur  Eiterung  ge- 
diehene  Steigerung  der    Entzündung.    Wir  haben  also  gar 
nichts  dagegen,  wenn  man  zur  gegenseitigen  Verständigung 
über  den  momentanen  Chara^iter  einer  Eruption,  wenn  dieselbe 
in  der  Gegenwart  von  Pusteln  sich  ausprägt ,  die  Namen  Im- 
petigo und  Ecthyma  beibehält.    Allein  es  gehört  dazu  die 
Bezeichnung  des  Grundprocesses  oder  der  Gelegenheitsursache, 
z.  B.  Ecthvmapusteln  an  den  Unterextremitäten  in  Eolge  von 
Prurigo  oder  Kleiderläusen,  oder  Impetigo  in  Folge  von  Eczem, 
oder  von  Kopfläusen.    Als  selbstständige  Krankheitsprocesse 
sind  aber  die  als  solche  ausgegebenen  Impetigo  und  Ecthyma 
nicht  zu  betrachten.    Nur  eine  Form  ist  besonders  anzu- 
führen, die  von  Hebra  als 

Impetigo  herpetiformis 

bezeichnet  worden  ist. 

Dieselbe  ist  bisher  an  der  hiesigen  Klinilc  m  8  Italien 
beobachtet  worden ,  von  denen  ich  5  gesehen  habe.  Alle  be- 
trafen schwangere  Frauen  und  waren  m  den  letzten 
Monaten  der  Gravidität  aufgetreten. 

Es  entwickeln  sich  im  Schenkel-Leistenbug,  am  Nabel, 
an  den  Brüsten,  Achselhöhlen,  später  auch  an  vielen  anderen 
KörpersteUen,  dicht  gedrängt,  gruppirt,  stecknadelkopfgrosse, 
mit  opakem,  später  grüngelbem  Inhalte  erfüllte  Epidernndal- 
erhebungen,  Pusteln.  Dieselben  trocknen  zu  einer  schmutzig- 
braunen  Borke  ein,  während  unmittelbar  rings  um  diese  in 
einfachem  bis  zwei-  und  dreifachem  Kreise  neue  solche  perl- 
ähnliche Pusteln  erscheinen,  durch  deren  Eintrocknen  die  cen- 
trale Kruste  vergrössert  wird.  So  breitet  sich  der  Process 
von  einzelnen  Ausgangspunkten,  nach  dem  Typis  des  circi- 
nären  Herpes,  über  grosse  Strecken  und  zur  Conflueiiz  mit 
nachbarlichen  Herden  aus.  Unter  den  sich  ablösenden  Borken 


Impetigo  lioi'petiformis. 


473 


ersclieint  die  Haut  rotli  und  mit  neuer  Epidermis  bedeckt,  oder 
epidermislos,  nässend,  wie  bei  Eczem,  infiltrirt  und  glatt,  oder 
papillär,  aber  nie  ulcerirt.  Endlich,  nacb  3 — 4  Monaten,  ist  fast 
die  ganze  Hautoberfläclie  von  der  Erkrankung  befallen,  grössten- 
tlieils  geschwellt,  heiss,  mit  Krusten  bedeckte,  eingerissene 
oder  excoriirte  Eläcken  zeigend,  die  noch  da  und  dort  von  den 
Pustelkreisen  umsäumt  smd.  Auch  die  Scbleimbaut  der  Zunge 
zeigte  in  einem  Falle  circumscripte ,  graue,  im  Centrum  de- 
primirte  Plaques.  Continuirlich.  remittirendes  Eieber,  mit  inter- 
currirenden,  die  neuen  Eruptionen  ankündigenden  Schüttelfrösten 
und  hoher  Temperatur,  trockener  Zunge  begleiten  die  Krank- 
heit, welche  in  6  Eällen  zum  Tode  geführt  hat.  Nur  eine 
Erau  ist  davon  genesen,  obgleich  das  Uebel  sogar  nach  mehre- 
ren Wochen  recidiv  sich  eingestellt  hatte. 

Die  intercurrirende  Entbindung  hat  weder  in  diesem 
Ealle  den  Krankheitsverlauf  und  die  schliessliche  Genesung, 
noch  in  den  anderen  Eällen  den  letalen  Ausgang  alterirt. 
(Eine  Kranke  war  nur  einmal  im  Ambulatorium  erschienen.)  Bei 
der  Sectioai  hat  sich  nur  in  einem  Falle  Endometritis  und 
Peritonitis,  in  den  anderen  Fällen  nichts  Aufklärendes  vor- 
gefunden. 

Mit  Rücksicht  auf  das  ausschliessliche  Vorkommen  bei 
schwangeren  Frauen  müssen  wir  doch  die  Ursache  der  Impe- 
tigo herpetiformis  in  den  Zustand  des  Uteras  verlegen  und 
den  Process  analog  auffassen,  wie  andere  von  Uterinalzuständen 
angeregte  Hautaffectionen,  z.  B.  Pemphigus  hystericus. 

In  dieser  Beziehung  ist  der  Fall,  den  C.  Heitzmann  mit- 
getheilt  hat,  interessant,  nach  dem  bei  einer  in  den  klimakte- 
rischen Jahren  befindlichen  Frau  Impetigo  herpetiformis  Hebea 
abgelaufen  war  und  nun  ein  rasch  tödtlich  verlaufender  Pem- 
phigus sich  entwickelt  hatte.  Für  die  Deutung  der  Krankheit 
als  metastatische  Pustulosis  (Neumaot)  liegt  vor  der  Hand  ntu- 
ein  Befund  vor.  Auspitz  hat  die  Form  als  Herpes  vegetans 
beschrieben. 

Die  Therapie  bestand  bei  allen  Fällen  in  kühlenden  und 
antiphlogistischen  Applicationen,  Amylum,  kalten  Einhüllungen, 
später  Soda-  und  einfachen  coutinu.irlichen  Bädern ,  einfachen 
Salben,  Carbol-,  Grypstheerverbänden  neben  den  gegen  das  Fieber 
und  das  allgemeine  ErgrifFensein  des  Organismus  gerichteten 
Mitteln. 


Neunundzwanzigste  Vorlesung. 


4.  B  1  a.  s  e  n  a  u  s  s  c  h  1  ä  g  e. 

Pemphigus. 

Begriffsbestimmung  des  Pemphigus.  Allgemeine  Unterscheidung  in  P.  vul- 
garis und  foliaceus.  Allgemeine  Symptomatologie.  Speoielle  Pemphigus- 
formen und  deren  Pathologie,  Anatomie,  Diagnose,  Prognose,  Therapie. 

PemxDhigus  chronicus,  Blasenaussclilag,  cliarak- 
terisirt  sich,  durch  die  in  ehr  onischer  Daner  sich  wieder- 
holende Eruption  von  Blasen  der  allgemeinen 
Decke  und  der  angrenzenden  Schleimhaut. 

Wir  berücksichtigen  also  hier  nicht  die  schon  früher 
(pag.  333)  als  P.  acutus  besprochene  Krankheitsform.  Denn 
zum  Charakter  des  Pemphigus  (Sauvages),  P.  chronicus  (Wich- 
mann),  Pompholix  (Willan)  gehört  im  Sinne  Hebea's  neben 
der  bullösen  Form  der  Efflorescenzen  auch  der  chronische  Ver- 
lauf, derart,  dass  die  Blasen  in  continuirlichen  oder  periodisch 
sich  wiederholenden  Ausbrüchen  erscheinen. 

Die  überaus  grosse  Unterschiedlichkeit  der  Symptome  des 
Pemphigus  hat  zur  AufsteUung  zahlreicher  Arten  desselben 
geführt,  von  denen  z.  B.  H.  Martius  nicht  weniger  als  97 
anführt. 

Hält  man  sich  an  das  für  den  Process  wesentlichste 
Symptom,  die  Erscheinung  von  B 1  a  s  e  n  auf  der  allgemeinen 
Decke,  so  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  alle  PemphigusfäUe, 
sie  mögen  sonst  wie  immer  noch  sich  individuell  markiren, 
nach  der  Erscheinungs-  und  Verlaufsweise  der  Blasen  sich  m 
zwei  Kategorien  unterscheiden  lassen.    Bei  der  einen  machen 


Pempliigus. 


475 


die  einzelnen  Blasen  einen  typischen  Entwicklungs-  nnd  ßück- 
bildnngsgang  durch,  welcher  damit  endet,  dass  an  ihrer  Basis 
vollständiger  Ersatz  der  Epidermis ,  Ueberhäutung ,  erfolgt. 
Diese  Formen  hebt  Hebea  als  Pemphigus  vulgaris  hervor. 
In  anderen  EäUen  findet  eine  solche  Verheilung  nicht  statt. 
Die  Oberhaut  wird  vielmehr  von  der  ursprünglich  ergriffenen 
Stelle  aus  fortschreitend  losgehoben,  so  dass  das  Corium 
streckenweise  roth  und  nässend  blossliegt.  Diese  Formen 
repräsentiren  den  Pemphigus  foliaceus  (Cazenave). 

Pemphigus  vulgaris 

kennzeichnet  sich  durch  gut  ausgebildete,  prall  gefüllte  Blasen. 
In  den  häufigst  zu  beobachtenden  Fällen  gestaltet  sich  der 
Process  annähernd  folgendermassen. 

Die  Erkrankung  wird  durch  fieberhafte  Erscheinungen 
eingeleitet:  Schüttelfrost,  erhöhte  Hauttemperatur  und  Puls- 
frequenz, Ueblichkeit,  Erbrechen  u.  s.  w.  Das  Fieber  begleitet 
auch  die  weiteren  Eruptionen  mit  continuirlich  remittirendem, 
manchmal  regelmässig  intermittirendem  Typus,  fällt  allmälig 
mit  dem  Nachlass  der  Blasenausbrüche  und  steigt  plötzlich 
vor  jeder  neuen  reichlicheren  Eruption. 

Auf  der  allgemeinen  Decke  erscheinen  in  den  meisten 
Fällen  lebhaft  rothe  Flecke ,  auch  einzelne  Qua'ddeln ,  welche 
sich  zu  den  bekannten  Formen  des  Erythema  annulare ,  gyra- 
tum,  figuratum,  urticatum  entwickeln  und  während  der  ganzen 
Dauer  der  Blaseneruptionen  an  den  verschiedensten  Stellen 
des  Körpers  wiederholt  oder  continuirlich  sich  erneuern. 

Die  Blasen  erheben  sich  theils  über  einzelnen  solchen 
Erythemflecken  und  Quaddeln,  theils  auf  vorher  scheinbar  nicht 
veränderter  Haut.  Ihre  Grösse  variirt  von  der  eines  Schrotkorns, 
einer  Erbse,  Haselnuss  bis  zu  der  eines  Hühnereies  und  darüber 
und  eben  so  verschieden  ist  ihre  Menge,  von  einzelnen  wenigen 
bis  zu  50,  100  und  'darüber  gleichzeitig  vorhandenen.  Sie  sind 
unbestimmt  localisirt,  unregelmässig  zerstreut  (P.  disseminatus) 
öder  stellenweise  dicht  gedrängt  (P.  confertus,  P.  en  grouppes, 
Eayer),  in  seltenen  FäUen  um  je  eine  centralstehende  ältere 
Blase  zu  3 — 5  gestellt  (P.  c ircin atus),  wodann  sie  nach  Ver- 
heilung der  mittleren  Blase  Kreise  bilden  und  in  weiterer 
Folge  Schlangenlinien  von  Blasen  (P.  gyratus,  serpiginosus). 


476 


Neunundzwanzigsto  Vorlesung. 


Jede  einzelne  Blase  besteht  in  ursprüngliclier  Grösse, 
oder  nimmt  durch  Einbeziehung  nachbarlicher  Blasen  oder 
eigenes  "Wachsthum  an  Umfang  zu  und  macht  einen  typischen 
Verlauf  durch.  Ihr  klarer,  wasserheller  oder  weingelber,  manch- 
mal etwas  hämorrhagisch  gefärbter  (P.  haemorrhagicus)  In- 
halt wird  bald  lymphid,  nach  1 — 2  Tagen  eitrig  trübe,  die  Blasen- 
decke vertrocknet  als  solche  oder,  nachdem  sie  geborsten,  mit 
dem  Exsudate  und  Blut  zu  einer  Borke.  Nach  deren  Abfallen 
erscheint  die  Hautstelle  in  einer  der  Basis  der  Blase  ent- 
sprechenden Scheibenform  mit  junger  Epidermis  überkleidet, 
blauroth,  später  für  einige  "Wochen  braun  pigmentirt. 

Der  Process  dauert  nun  in  der  angegebenen  Weise  an, 
indem  Steigerung  des  Eiebers,  der  Erythem-  und  Blasen- 
ausbrüche mit  ßemissionen  sich  ablösen.  Wo  die  Blasen  und 
Borken  dichter  gedrängt  sind  und  unter  den  letzteren  Exsudat 
abgesperrt  geworden ,  ist  die  Haut  über  grössere  Strecken 
heiss,  ödematös,  schmerzhaft,  von  Lymphangioitis  gezeichnet 
und  diese  mit  Adenitis  complicirt.  An  subjectiven  Er- 
scheinungen sind  zu  erwähnen:  mässiges  Brennen  und  Jucken 
an  Stelle  der  Blasen,  Schmerz  und  Spannung  an  dicht  mit 
Blasen  und  Borken  besetzten  oder  durch  Losreissen  dieser  ex- 
coriirten  Partien,  Schlaflosigkeit,  Mangel  an  Esslust,  Durst 
während  der  Exacerbationsstadien.  Die  Kranken  kommen  durch 
letztere  Zustände,  das  Eieber  und  den  directen  Kräfteverlust 
bedeutend  herunter. 

Nach  2— Bmonatlicher  Dauer  ist  der  Process  beendet. 
Das  Eieber  hat  aufgehört,  es  kommen  nur  einzelne,  bald  gar 
keine  neuen  Blasen,  Schlaf  und  Esslust  stellen  sich  wieder  ein 
und  die  Kranken  erholen  sich  rasch.  Der  Betroffene  kann  nun 
sein  Lebelang  gesund  bleiben.  Meist  folgen  aber  in  Zwischen- 
räumen von  Monaten  oder  einem  Jahre  mehrere  neue  Er- 
krankungsperioden, mit  denen  die  Krankheit  endet.  Oder  die 
Eruptionsperioden  schliessen  später  eng  aneinander  und  werden 
zum  continuirlichen  Pemphigus  (P.  diutinus). 

Die  eben  geschilderte  Eorm  des  Pemphigus  bezeichnet 
Hebra  als  P.  vulg.  benignus.  Er  entspricht  dem  P.  idio- 
pathicuB  dispersus  infantum  (nach  Schuller),  P.  benignus 
autorum. 

Es  gibt  aber  noch  viel  gutartigere  Verlaufsweisen  des 
Pemphigus.  Entweder  indem  bei  kurzer  Dauer  und  lieberlosem 


Pempliigus. 


477 


Verlaufe  (P.  apyreticus)  der  einzelnen  Eruptionsperioden  immer 
nur  wenige  Blasen  erscheinen ;  oder,  wo  zwar  Adele  J ahre,  oft 
das  ganze  Leben  Hndurcli  Blasen  kommen  (P.  dintinus),  aber 
docb  nie  mehr  als  eine  einzige  (P.  solitarins),  oder  vereinzelte 
o-leicbzeitig  zugegen  sind.  Auch  der  höchst  seltene  P.  loc  alis 
wäre  hieher  zu  rechnen,  bei  welchem  nur  auf  einer  beschränkten 
Hautstelle,  gewöhnlich  der  Finger,  Zehen  und  der  Nase  auf 
diffus  blaurother,  kühler  Haut  einzelne  Blasen  erscheinen. 

Den  benignen  Pemphigusformen  gegenüber  steht  der 
P.  vulgaris  ma  lignus,  dessen  gefährlicher  Charakter  auch 
wieder  durch  verschiedene  Momente  ausgedrückt  sein  kann: 
eine  überaus  grosse  Menge  und  continuirlich  nachschiebender 
Blasen  (P.  diutinus  Willan;  P.  permanente  et  continue), 
anhaltendes  Fieber,  rasche  Hinfälligkeit  des  Kranken,  (P. 
cachecticus  infantum,  Schuller);  oder  durch  den  Ueber- 
gang  des  P.  vulgaris  in  den  P.  foliaceus,  indem  an  Stelle  der 
abgehobenen  Blasendecken  das  Corium  roth  entblösst  verbleibt, 
oder  mit  graugelbem  croupösem  Exsudate  sich  belegt,  ohne  oder 
mit  gleichzeitiger  derber  Infiltration  der  Ciitis  und  Detritus 
ähnlichem  Zerfalle  ihrer  oberen  Schichten  —  P.  diphtheri- 
ticus;  endlich  Formen,  bei  welchen  auf  der  blossgelegten 
Hautfläche  der  Achselhöhle,  des  Schenkelbuges,  manchmal  auch 
an  anderen  Körperstellen,  drusige,  viscides,  bald  ranzig 
riechendes  Secret  absondernde  und  theilweise  nekrosirende 
fiingoide  Wucherungen  in  üppiger  "Weise  sich  entwickeln  (Hebra, 
ich),  die  entweder  lange  stationär  bleiben,  oder  rasch  serpiginös 
sich  ausbreiten  (Nedmann).  Alle  diese  Formen  können  wohl 
auch  in  Genesung  enden,  führen  aber  doch  meist  zum  Tode. 

Auch  Pemphigus  pruriginosus  gehört  zu  den  üblen 
Formen.  Das  heftige  Jucken,  welches  denselben  auszeichnet, 
bildet  nicht  nur  eine  subjectiv  sehr  belästigende,  durch  Störung 
des  Schlafes  und  nervöse  Alteration  den  Kranken  erschöpfende 
Erscheinung,  sondern  begründet  auch  ein  von  den  gewöhnlichen 
ganz  abweichendes  Krankheitsbild.  Es  kommt  nämlich  höchst 
selten  zur  Formation  von  Blasen,  weil  die  Kranken  sofort  die 
Urticaria-Quaddeln,  auf  welchen  diese  sich  zu  erheben  anschicken, 
zerkratzen.  Dagegen  finden  sich  alle  Symptome,  welche  bei 
jahrelang  andauerndem  Jucken  und  Kratzen  (Priiritus  cutaneus, 
Prurigo)  sich  sonst  vorfinden:  Excoriationen ,  schuppiges  und 
crustöses  Eczem,  braune  Pigmentirung  in  Form  von  Strichen 


478 


Neunundawanzigste  Vorlesung. 


und  JFlecken,  Trockenheit  der  Haut  und  all'  dies  ganz  unregel- 
mässig über  den  Körper  zerstreut. 

Pemphigus  foliaceus 

kennzeichnet  doli  neben  schlappen  Blasen,  an  deren  abhängigen 
Theilen  der  spärliche,  bald  trübe  werdende  Inhalt  sich  an- 
sammelt, dadurch,  dass  an  der  Basis  der  Blasen  keine  Ueber- 
häutmig  erfolgt.    Dies  rührt  zunächst  daher,  dass  von  der 
lU'sprünglichen  Blasengrenze  aus  die  Loswühlung  der  Epidermis- 
decke  peripher  fortschreitet,  welche  sich  in  Falten,  ähnlich  den 
Blättern  eines   „Butterteiges"  ,   zusammenschiebt  („Patisserie 
feuilletee",  daher  die  Bezeichnung  „foliaceus"  von  Cazenave). 
So  wird  das  Corium  sehr  bald  über  flachhandgrosse  und  aus- 
gebreitete Strecken  blossgelegt.    Dasselbe  erscheint,  wie  bei 
Eczema  rubrum,  roth,  nässend,  das  dünne  Secret  trocknet  da 
und  dort  zu  dünnen,  firnissähnlichen,  leicht  einreissenden  Krusten 
ein.    Es  bilden  sich  zwar  immer  auch  an  einzelnen  Stellen 
junge    Epidermisdecken ,    diese    werden    aber   bald  wieder 
mechanisch  oder  durch  neue  Exsudation  abgehoben.  Binnen 
vielen  Monaten  oder  Jahren  hat  der  Process  den  ganzen  Körper 
occupirt.    Nirgends  ist  dann  eine  Blase  zu  sehen,   da  die 
Epidermis  nicht  dick  genug  ist ,  um  sich  vorzuwölben.  Sie 
reisst  sofort  ein.  Die  allgemeine  Decke  ist  von  unregelmässigen, 
aus  kleinen  Bogensegmenten  sich  zusammensetzenden  Rissen 
durchzogen,  während  die  Zwischenfelder  theils  mit  Krusten 
belegt,  theils  nässend,  oder  braunroth  trocken,  oder  perganient- 
artig  erscheinen.    Die  Kopfhaare  sind  dünn,  grösstentheüs 
ausgefallen,   die  Augenlider  sind  ektropisch,   das  Lidividuum 
abgemagert,  die  Nägel  dünn,  brüchig.  Das  Liegen  und  Wenden 
des  Kranken  ist  mit  grossen  Schmerzen,  Losreissen  der  losen 
Blasendecken  und  Krusten  verbunden  und  das  subjective  Be- 
finden meist  sehr  übel.  Die  Fieberbewegung  ist  sehr  variabel, 
anfangs  kaum  merklich  oder  intermittirend,  im  späteren  Stadium 
continuirlich. 

P.  foliaceus  ist  jedenfalls  die  bedenklichste  Form  der 
Krankheit.  Derselbe  endet  fast  immer  letal,  wenn  wir  auch 
Dank  der  vorgeschrittenen  Therapeutik  in  den  letzten  Jahi'en 
in  mehreren  Fällen  theils  Heilung,  theils  wesentliche  Ver- 
längerung des  Lebens  erzielen  konnten. 

Diese  Form  erscheint  entweder  von  vornherein  als  solche, 


Pemphigus. 


479 


oder  entwickelt  sich  nach  vieljähriger  Dauer  des  P.  vulgaris 
aus  diesem,  wenn  die  Eruptionen  continuirlich  und  das  Indi- 
viduum cachectisch  geworden.  Aus  P.  circinatus  geht  oft 
P.  foliaceus  hervor,  weil  die  hart  an  der  Grenze  der  centralen 
Blasen  sich  formirende  neueEpidermisloshebung  die  Regeneration 
der  Epidermis  im  Centrum  anatomisch  erschwert. 

Auch  auf  der  Schleimhaut  der  Mund-  und  Rachen- 
höhle und  des  Kehlkopfes  kommen  Blasen  zur  Entwicklung, 
u.  zw.  sowohl  bei  P.  vulgaris  als  foliaceus.  Ihre  Epitheldecke 
wird  bald  macerirt,  grau  getrübt  und  abgestossen  und 
hinterlässt  scharf  begrenzte,  lebhaft  rothe  oder  graubelegte 
Scheiben.  So  lange  dieselben  nur  vereinzelt  ersclieinen  und 
rasch  überhäuten,  belästigen  sie  nur  durch  die  vorübergehende 
Schmerzhaftigkeit.  Beim  Sitze  am  Kehldeckel  bedingen  sie 
Suffocations-Gefahr.  Höchst  bedenklich  wird  der  Zustand,  wenn 
die  Blasen  auch  hier,  wie  bei  P.  foliaceus  der  aUgemeüien  Decke 
verlaufen,  wobei  über  dem  Isthmus  faucium,  der  hinteren  Rachen- 
wand ,  den  Kehldeckel  das  Epithel  diffus  abgehoben  und  die 
Mucosa  wie  gefirnisst,  braunroth  und  trocken  erscheint,  die 
Kranken  weder  Speisen  noch  Getränke  über  die  starre  Schleim- 
haiit  zu  befördern  vermögen,  auch  das  Athmen  beeinträchtigt, 
die  Stimme  bis  zur  Aphonie  abgeschwächt  wird ;  denn  dadurch 
wird  die  Gefahr  des  Lebensendes  ausserordentlich  beschleunigt. 

Auch  an  der  Conjunctiva  bulbi  sind  Blasen  bei  Pemphigus 

beobachtet  worden. 

Pemphigus  der  Schleimhaut  kommt  zuweilen  gesondert, 
oder  als  Vorläufer  des  Pemphigus  der  allgemeinen  Decke,  in 
der  Regel  jedoch  nur  in  Gesellschaft  mit  letzterem  vor. 

Anatomisch  unterscheiden  sich  die  Blasen  bei  Pem- 
phigus von  denen  bei  Herpes,  Eczem  u.  s.  w.  vermöge  ihres 
höchst  oberflächlichen  Sitzes.  Ihre  Decke  wii'd  von  den  obersten 
HornzeUenlagen  gebildet,  ikre  Basis  von  einem  massig  längs- 
fächerigen Rete,  dessen  spärlich  aufsteigende  Balken  bei 
stärkerer  Füllung  der  Blase  sehr  bald  abgerissen  werden,  so 
dass  später  die  Blase  fast  rein  einkämmerig  erscheint.  An  der 
unteren  Fläche  der  Blasendecke  hängen  oft  die  aus  den  Follikel- 
mündungen ausgelösten  Epidermisfortsätze  als  conische  An- 
hänge. Die  der  Blase  entsprechenden  Papillen  sind  serös 
imbibirt,  von  weiten  Räumen  durchzogen  (Haight).  Nach  diesen 
anatomischen  Verhältnissen  geht  also  bei  Pemphigus  stets  nur 


^gQ  Neunundzwanzigste  Vorlesung. 

die  oberste  Epidermislage  verloren  und  kann  dalier  auch  bei  noch 
so  langer  Dauer  und  grosser  Ausbreitung  des  Processes  örtlich 
kein  Substanzverlust  und  keine  Narbe  entstehen,   sondern  es 
folgt  vollständige  Restitution  mit  vorübergehender  stärkerer 
Pigmentirung.   Doch  bleiben  Narben  nach  P.  leprosus  zurück 
und  hat  solche  einmal  Steinee  auch  bei  P.  vulgaris  gesehen. 
Baerensprung,  Hebra  iTnd  ich  haben  einigemal  an  den  Händen, 
Armen,  ich  auch  am  Stamme,  nach  Verheilung  der  Pemphigus- 
blasen  Hunderte  von  zierlich  gruppirten,  periweissen  Milium- 
körnchen  gesehen,  die  erst  nach  Wochen  und  Monaten  sich 
auslösten.    Bei  P.  foliaceus  und  cachecticus  habe  ich  gegen 
das  Lebensende    auf   dem  Unterleibe   dicht  gedrängt  zahl- 
reiche Furunkel,  an  anderen  Stellen  tiefgreifende  Verschwärung 
beobachtet. 

Grosse  Aufmerksamkeit  hat  man  seit  lange  dem  anatomisch- 
chemischen Verhalten  des  ß  1  a  s  e  n  i  n  h  al  t  e  s  zugewendet,  immer 
in  der  stillen  Hoffnung,  in  demselben  eine  Materia  peccans  zu 
finden,  deren  Gegenwart  im  Kreislauf  als  nächste  Ursache  der 
gesam'mten  Krankheit  angesehen  werden  könnte  imd  deren  Elimi- 
nation durch  die  Capillaren  der  Haut  örtlich  unter  gleichzeitigem 
massigem  Exsudataustritt  und  Blasenbildung  erfolgte.  Aber 
nicht  einmal  über  die  Reaction  der  Blasenflüssigkeit,  geschweige 
denn  über  die  einzelnen  chemischen  Bestandtheile  derselben 
finden  sich  übereinstimmende  Angaben.    Gewiss  müssen  diese 
schon  verschieden  ausfallen ,  je  nachdem  frischer ,  klarer  oder 
bereits  trübe  gewordener  Blaseninhalt  untersucht  wird.  Die 
Meisten  stimmen  doch  darin  Überein,  dass  der  Blaseninhalt 
wesentlich  die  Eigenschaften  des  Blutserums  darbietet,  neutrale 
oder  schwach  alkalische  Reaction,  Ausfallen  von  mollecularem 
Eiweiss  beim  Kochen,  zuweilen  hiebei  ein  membranöser  Nieder- 
schlag, in  der  heUen  Flüssigkeit  spärliche  Formelemente ,  un 
getrübten  mehr  Eiterkörperchen,  oft  auch  rothe  Blutkörperchen 
(G  SmoN  Wedl  u.  A.).  Saure  Reaction,  von  freier  Essigsam-e 
herrührend,  gibt  Heineich  an.    Von  älteren  Untersucheru  hat 
Feanz  Simon  und  Raysky  neben  Eiweiss,  phosphorsauren  Salzen, 
milchsaurem  Natron,  Chlorsalzen  und  Cholesterin  weder  Essig- 
säure noch  Harnstoff,  Dr.  Heinrich  freie  Essigsäui-e  angegeben ; 

FOLWAEEZNY,    SCHAUENSTEIN    Leuciu  Uud   Tvrosm;  bCHNEIDER 

nichts  von  anderweitigem  Blaseninhalt  Auffälliges  getunden. 
Malmsten  führt  an  Harnsäurekrystalle.  Bambeegee  und  neuer- 


Peiiipliigiis. 


481 


Hell  C.  Beyerlein  haben  freies  Ammoniak  im  Blaseninlialt 
nachgewiesen ;  E.  Ludwig  kein  solches ,  noch  Lencin  oder 
Tyrosin,  dagegen  wenig  Harnstoff  neben  Paraglobnlin ,  nnd 
Sernm-Albnmin  (NeuiMANn). 

Eben  so  verschieden  sind  die  Resultate  der  Harn- 
imtersnchungen  selbst  bei  ein  nnd  demselben  Kranken 
ausgefallen.  Raysky,  Heller,  Hillier  haben  einigemale  erheb- 
liche Verminderung  des  Harnstoffes  constatirt.  Die  Prüfung 
des  Blutes  Pemphigöser  (Kaysey  ,  v.  Bamberger)  hat  nichts 
erheblich  Abnormes  ergeben.  Vieles  von  den  Befunden,  wie  die 
Verminderung  der  Blutkörperchen  (Bamberger),  ist  sicher  auf 
Rechnung  der  im  Verlaufe  des  Pemphigus  sich  geltend  machenden. 
Anämie  und  Ernährungsabnahme  zu  stellen,  gerade  so,  wie  die- 
durchschnittlichen  Befunde  bei  der  Obduction.  So  gibt  Hebra 
an :  Anämie  der  Musculatur ,  Schlaffheit  der  Lungen  und  des 
Herzens,  seröse  Durchfeuchtung  des  Grehirns,  aUgemeine  Anämie.. 
Auch  die  gelegentlich  gefundene  amyloide  Degeneration  der 
Leber  und  Milz  (Hertz)  ist  als  Ausdruck  der  Cachexie  anzu- 
sehen. Als  Resultat  in  einzelnen  Eällen  eingetretener  Com- 
plication  und  nächster  Todesursache  wären  anzuführen :  Pneu- 
monie ,  Tuberculose ,  Eolliculärschwärung  des  Darmes ,  acuter 
Morb.  Brigthii. 

Haben  alle  diese  Eunde  die  innere  Bedeutung  der  Krank- 
heit nicht  klarzulegen  vermocht,  so  konnten  sie  auch  nicht, 
viel  Positives  ergeben  bezüglich  der 

Ursachen  des  Pemphigus.  Schon  die  relative  Seltenheit 
der  Krankheit  und  die  geringe  Uebereinstimmung  der  ein- 
zelnen Krankheitsfälle  untereinander,  ist  ungünstig  für  die 
Eruirung  diirchwegs  giltiger  ätiologischer  Momente.  Liner- 
halb  der  13  Jahre,  vom  Jahre  1865 — 1877,  sind  auf  der 
hiesigen  Hautkranken- Abtheilung  103  Pemphiguskranke  (79  M. 
+  24  W.)  behandelt  worden ,  bei  einem  Summarkranken- 
stande  von  30.362  Hautkranken  und  278.952  Kranken  des 
Spitales  überhaupt.  Von  allgemeinen  ursächlichen  Momenten,, 
als  Nationalität ,  Beschäftigung ,  Lebensweise ,  Jahreszeit, 
klimatische  Verhältnisse  u.  s.  w.  hat  sich  nichts  Massgebendes 
gewinnen  lassen.  Das  weibliche  Greschlecht  zählt  unter 
unseren  Eällen  mit  einem  Drittel  der  Männer.  Das  Alter 
scheint  von  wesentlich  disponirendem  Einflüsse,  da  bei  Säug- 
lingen und  Neugebornen  Pemphigus  viel  häufiger  vorkommt  als. 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  31 


^g2  Neunundzwanzigste  Vorlesung. 

bei  Erwaclasenen ;   nacli  Hebra  und  Steiner  1  :  700  Spitals- 
krankeii  und  vorwiegend  gegen  den  2.  Lebensmonat. 

Contagiosität  hat  man  bisher  weder  klinisch  noch 
experimentell  bei  Pemphigus  nachweisen  können.  Heredität 
der  Disposition  konnte  selten,  aber  unzweifelhaft  constatirt 
werden,  wie  bei  einem  22jährigen  Manne  auf  der  hiesigen 
Klinik ,  der  seit  seiner  ersten  Jugend  an  Pemphigus  litt  und 
angab,  dass  seine  Mutter,  Schwester,  der  Bruder  seiner  Mutter 
und  die  eine  Hälfte  seiner  Kinder  an  der  Krankheit  litten. 
Die  Vorstellung,  dass  chemische  oder  mechanische  Störungen 
der  Harnsecretion  den  Pemphigus  veranlassten,  indem 
die  im  Blute  zurückgehaltenen  ExcretionsstofFe  von  der  Haut 
als  dem  vicariirenden  Organe  der  Nieren  ausgeschieden  würden 
und  da  durch  Eeizung  die  Pemphigusblasen  hervorriefen  (P.  ab 
infarctibus  renum  et  ab  calculosis)  ist  schon  gegen  Ende  des 
vorigen  Jahrhunderts  von  Braune  und  später  wiederholt  aus- 
gesprochen worden.    Auch  hat  diese  Idee  einigermassen  eine 
Stütze  darin  gefunden,  dass  einigemale  Harnstoff,  Harnsäure 
und  freies  Ammoniak  im  Blaseninhalte  gefunden  wurde,  sowie 
durch  das  Zusammentreffen  von  Nierenerkrankungen  mit  Pem- 
phigus.   So  hat  Steiner  mit  solchem  periodische  Hämaturie 
gesehen  und  jüngst  Bbyerlein  bei  einem  9jährigen  Knaben 
nach  Ablauf  von  Scarlatina  unter  Zeichen  von  acutem  Morb. 
Brightü.  und  von  Urämie  allgemeinen  Ausbruch  von  Blasen 
beobachtet,  deren  Inhalt  von  freiem  Ammoniak  alkaHsch  reagirte. 
Doch  ist,  wie  erwähnt,  in  der  Mehrzahl  der  FäUe  solches 
weder  im  Blaseninhalte,  noch  je  im  Blute  (Bamberger)  gefunden 
worden. 

Zweifellos  ist  manchmal  der  Pemphigus  von  hysterischeu 
Zuständen  herzuleiten  —  P.  hystericus,  sofern  diese  in 
AnomaHen  der  weiblichen  Sexualfunctionen  beruhen.  Bei  ein- 
zelnen Erauen  ist  die  Krankheit  regelmässig  mit  jeder  Con- 
ception  erschienen  und  mit  dem  Ende  der  Schwangerschaft 
geschwunden  (Hebra);  und  in  einem  Falle  von  Köbner  zwei- 
mal kurz  nach  der  Entbindung  aufgetreten  (Herpes  gestationis, 
BuLKLEY),  Analoga  der  mit  solchen  Zuständen  beobachteten 
Urticaria 'chronica.  Im  Verlaufe  von  Pyämie  und  nach  Variola 
hat  Steiner  Pemphigusausbruch  gesehen. 

Bei  Lepra  haben  Boeck  und  Danielssen  Pemphigus  mit 
NarbenbUdung  an  Stelle  der  Blasen  beobachtet  _  P.  1  e  p  r  o  s  u  s 


Pemphigus. 


483 


—  bei  Einen  in  Form  von  einzelnen  Blasen,  die  auf  anästhe- 
tischen Hiutstellen  auf  Druck  oder  auch  spontan  plötzlich 
entstanden  (Epinjdvtis  ?  der  Alten),  bei  Anderen  Jahre  hindurch 
als  Prodromen  der  eigentlichen  leprösen  Erkrankung. 

Syphilis  als  Ursache  des  Pemphigus  ist  bekannt  — 
P.  syphiliticus.  Dieser  erscheint  als  Symptom  hereditärer 
Lues  entweder  angeboren,  oder  3 — 6  Wochen  nach  der  Greburt. 
An  Stelle  der  Blasen  ist  die  Haut  geschwürig.  Bei  erwachsenen 
Syphilitischen  kommt  es  nur  selten  über  ulcerirenden  Knoten 
zur  Bildung  von  Blasen  und  dem  Schema  des  P.  syphiliticus. 

Einmal  habe  ich  mit  Hebra  bei  einem  seit  Kindheit 
an  Prurigo  leidenden  22jährigen  Manne  Pemphigus  vulgaris 
der  Haut  und  Schleimhaut  mit  schweren  Symptomen  durch 
etwa  ein  Jahr  verlaufen  sehen.  Die  charakteristischen  Er- 
scheinungen der  Prurigo  waren  während  des  Pemphigus  ge- 
schwimden  und  nach  Ablauf  desselben  wieder  gekommen. 

Die  letztaufgezählten  Formen  von  Pemphigus  können  mit 
Rücksicht  auf  die  eruirbare  Ursache  als  P.  symptomaticus 
bezeichnet  werden,  gegenüber  den  bei'weitem  häufigeren  Fällen 
des  P.  idiopathicus,  welche  noch  ihrer  ursächlichen  Er- 
klärung harren. 

Zur  Diagnose  des  Pemphigus  gelangt  man  durch  Fest- 
stellung der  für  die  einzelnen  Formen  der  Krankheit  früher 
geschilderten  wesentlichen  Symptome,  die  also  bei  P.  vulgaris 
anders  geartet  sind  als  bei  P.  foliaceus,  P.  syphiliticus  oder 
P.  pruriginosus.  Wenn  neben  vielen  Blasen  auch  Krusten  und 
Pigmentflecke  verschiedenen  Alters  und  in  den  Blasen  ent- 
sprechende Formen  zugegen  sind,  aus  welchen  die  chronische 
Wiederkehr  der  Erscheinungen  erschlossen  werden  kann,  ist 
die  Diagnose  wolil  am  leichtesten  zu  machen.  Doch  ist  auch 
hier  Täuschung  möglich,  da  das  Bild  auch  bis  zu  gewissem 
Grade  künstlich,  durch  täglich  bald  da,  bald  dort  applicirte 
blasenziehende  Mittel,  Canthariden,  Mezereum,  hervorgerufen 
werden  kann  (simulirter  P.),  wie  dies  Greisteskranken,  Spitals- 
Simulanten  bisweilen  gelungen  ist.  Jeder  Pemphigus  ist  in  der 
ersten  acuten  Eruptionsperiode,  bei  dem  Abgange  der  Sj^mptome 
des  chronischen  Verlaufes,  nur  mit  Vorbehalt  zu  diagnosticiren, 
da  Verwechslung  mit  Urticaria  buUosa,  Erythema  bullosum, 
Herpes  Iris  und  circinatus,  Impetigo  faciei  möglich  ist.  Eben 
so  muss  man  bei  weit  vorgeschrittenen,  ausgebreiteten  Formen 

31* 


4g4  Neumindzwanzigste  Vorlesung. 

\md  universellem  P.  foliaceus  die  Täuschung  gegenüber  von 
Eczema  rubrum  (E.  pempliygodes) ,  Pityriasis  rubra,  Scabies; 
bei  P.  pruriginosus  rücksicbtlicli  Pruritus  cutaneus,  Prurigo, 
Urticaria  chronica  vermeiden  —  und  überbaupt  alle  jene  Krank- 
beitsformen  znv  Differentialdiagnose  in's  Auge  fassen,  bei 
welchen  gelegentlich  Blasen  entstehen  können,  wie  über  gan- 
gränöser (P.  gangraenosus ?)  oder  anästhetischer  Haut;  oder 
wo  Krustenbildung  und  Epidermisloslösung  in  chronischer  Folge 
sich  wiederholen  können. 

Die  Prognose  hängt  zum  Theile  von  der  speciellen  Eorm 
der  Krankheit   ab.     P.  vulgaris   gestattet  im  Allgemeinen 
eine  günstige,  P.  foliaceus  und  pruriginosus  eine  zweifelhafte 
oder  sofort  ungünstige  Vorhersage,  da  letztere  Formen  gewöhn- 
lich in  continuirlichem  Verlaufe  zum  Tode  führen.  Im  speciellen 
Falle  ist  aber  auch  bei  P.  vulgaris  keinerlei  Anhaltspunkt 
für  die  Beurtheilung  des  weiteren  Verlaufes  gegeben  und  daher 
die  Vorhersage  nur  mit  grosser  Vorsicht  und  nur  für  die 
nächste   Zeit  zu  stellen.    Hiebei  muss  aber  der  gesammte 
Symptomencomplex  erwogen  werden.    Allgemein  können  Fälle 
mit  prall  gefüllten  und  nicht  zu  zahlreichen,  in  zögernder 
Weise  erscheinenden  Blasen  (P.  benignus,  P.  hystericus,  P. 
solitarius)  und  fieberlosem  Verlaufe  bei  gut  genährten,  jüngeren 
Individuen  und  Säuglingen  zeitlich  günstig  angesehen  werden, 
'  während  solche  mit  reichlichen  und  continuii-lichen  Nachschüben 
von  vielleicht  gar  matschen  Blasen,  bei  gleichzeitig  anhal- 
tendem Fieber,  KräfteverfaU  und  Marasmus  des  Betroffenen 
ungünstig  zu  beurtheilen  sind. 

Für  die  Behandlung  des  Pemphigus  gilt  noch  heute  das 
Urtheil  Jos.  Fkank's  in  vollem  Masse,  der  da  sagt,  dass  ihn 
bei  dieser  Krankheit  aUe  möglichen  internen  Mittel,  Diuretica, 
Drastica,  Diaphoretica,  Amaricantia,  Epispastica,  Derivantia, 
Antipsorica  und  sogenannte  Specifica  in  Stich  gelassen.  "Wir 
besitzen  gegen  keinerlei  Form,  weder  des  symptomatischen 
noch  des  idiopathischen  Pemphigus,  ein  specifisches  oder  direotes 
Heilverfahren  und  es  haben  auch  die  in  den  letzten  Jahrzelmten 
versuchten  und  empfohlenen  innerKchen  Mittel,  Arsen  (Hutchin- 
son), Karlsbader  Thermen  (Oppolzer),  Acida  (Rayer),  Schwefel- 
und  Salpetersäure-Limonaden,  welche  namentlich  Bamberger 
der  Absicht  das  zuweilen  im  Blute  nachgewiesene  Aiiimoniak 
neutralisiren,    empfohlen  hat,    nichts   gefruchtet,  ^sur 


m 
zu 


Pemphigus. 


485 


inwiefern  bei  den  ersteren  ein  ursäcliliclies  Moment  angenommen 
oder  erwiesen  sein  kann  (pathologische  Zustände  der  weiblichen 
Sexualorgane)  mag  ein  entsprechendes  Verfahren  Platz  greifen, 
sonst  sind  wir  auf  die  symptomatische  Local-  und  Allgemein- 
therapie beschränkt.  In  der  ersten  Zeit  des  Ausbruches  und 
bei  Gegenwart  disseminirter  Blasen  begnüge  man  sich  mit  der 
Inspersion  von  Streupulvern.  Wo  die  Blasen  dicht  gedrängt 
stehen,  steche  man  sie  an,  um  das  Gefühl  der  Spannung  zu 
beheben.  Mit  Krusten  belegte  imd  streckenweise  der  Epidermis 
beraubte  Stellen  sollen  mit  indifferenten  Salben,  wie  bei  Eczem, 
belegt  werden.  Kalte  Umschläge,  allgemeine  nasse  Einhüllungen 
eignen  sich  bei  stark  entzündeter  Haut,  hohem  Fieber  und 
ausgebreiteter  Eruption.  Das  continuirliche  Bad  ist  ein  un- 
schätzbares Deckmittel  bei  P.  foliaceus  und  hilft  am  besten 
die  Schmerzen  zu  lindern,  die  Eieberbewegungen  zu  mitigiren 
und  durch  Eückkehr  des  Schlafes  und  der  Esslust  den  Kranken 
über  die  Eruptionsperiode  hinwegzubringen,  der  er  sonst  viel- 
leicht vorzeitig  erliegen  würde.  "Wir  haben  derart  einen  Kranken 
über  4  Jahre  erhalten,  der,  kürzere  Zeiträume  nicht  gerechnet, 
einmal  8  Monate  Tag  und  Nacht  zu  seinem  höchsten  Gewinne 
im  Bade  verlebt  hat.  Protrahirte  Theerbäder  sind  sehr  vortheil- 
haft  und  manchmal  geradezu  heilsam  gegen  P.  pruriginosus. 
Alaun-,  Sublimat-  imd  Schwefelbäder  sind  gegen  P.  vulgaris 
empfehlenswerth. 

Gegen  die  begleitenden  Eiebererscheimingen  und  zufälligen 
Complicationen  sind  die  denselben  entsprechenden  innerlichen 
Mittel,  Chinin,  Acida,  Ferrum,  Amara,  Opiate,  Chloralhjdrat 
etc.  nach  Anforderung  des  specieUen  Falles  zu  verwenden. 


Y.  Olasse. 


Haemorrhagiae  cutaneae. 

Durch  Blutavistritt  bedingte  Krankheitsfomen  der  Haut. 

Dreissigste  Vorlesung. 

Bedeutung  und  anatomische  Bedingungen,  klinische  Formen  der 
Haemorrhagiae  eutaneae ,  Vorgang  bei  ihrer  Involution.  Idiopathische 
und  symptomatische  Formen.  Contusion,  Verletzung,  Purpura  senilis, 
P.  variolosa  ,  rheumatica  ,  simplex,  haemorrhagica.  Scorbut.  Hämophilie. 

Hämatidrosis. 

"Wiederliolt  ist  im  Verlaufe  der  bisherigen  Darstellung 
von  cutanen  Hämorrhagien  die  Eede  gewesen,  wie  bei  Be- 
sprechung der  Blattern,  des  Zoster,  des  Erythema  nodosum. 
Bei  diesen,  so  wie  bei  manchen  anderen  Processen,  stellen  die 
Blutergüsse  in  die  Haut  mehr  oder  weniger  bedeutungsvolle 
CompHcationen  vor;  bei  anderen  bilden  sie  jedoch  die  wesent- 
lichste oder  ausschliessliche  Krankheitserscheinung. 

Wie  der  Name  besagt,  handelt  es  sich  bei  der  Haemor- 
rhagia  cuitanea  um  freien  Austritt  von  Blut  aus  den  Capillaren 
und  feinsten  Gefässen  der  Haut.  Oft  kann  eine  Zerreissung 
(Rhexis)  der  Grefässwand  angenommen  oder  erwiesen  werden, 
womit  für  den  Blutaustritt  (Extravasat)  der  Weg  offen  ist. 
In  anderen  Fällen  jedoch  scheint  der  Durchtritt  von  rothen 
Blutkörperchen  bei  unverletzter  Grefässwand  stattzufinden, 
deren  Permeabilität  für  einzelne  Körperchen  Strickee  schon 
vor  Jahren  und  für  ganze  Zellhaufen  erst  jüngst  demonstrirt 
hat  (Diapedesis).  Oder  es  mag  nur  blutig  gefärbtes  Serum  in 


Hämorrhiagien. 


487 


die  Grewebe  diffuncliren,  was  eine  cliemisclie  Decomposition  des 
Blutes  innerhalb  der  Grefässe,  Trennung  des  Hämatins  von  den 
rotben  Blutkörpereben,  voraussetzt. 

Jene  Läsion  kann  erfolgen  dnrcb  mecbaniscbe  Einwirkung 
von  aussen  (Stoss,  Quetschung,  Stieb),  oder  indem  die  Gefäss- 
wandung  dem  inneren  Blutdruck  nicht  "Widerstand  zu  leisten 
vermag.  £ei  allgemein  erhöhtem  Blutdruck,  wie  in  der  Fieber- 
hitze, bei  gewissen  Herzfehlern  ist  das  nicht  der  Fall,  wohl 
aber,  wenn  in  beschränkten  Hautregionen  durch  behinderten 
Rückflnss  des  Blutes  der  Druck  auf  die  Gefässwände  sich 
steigert,  z.  B.  im  heftigen  Hustenanfall,  im  Paroxysmus  der 
Epilepsie  im  Bereiche  der  Kopfhautcapillaren ,  an  den  Unter- 
extremitäten bei  Varicosität.    Die  gleiche  Veranlassung  Hegt 
in  der  relativen  Erhöhung  des  Blutdruckes  durch  Verminderung 
der  Widerstandskraft  der  Capillarwandungen.    So  wenn  die 
stützende  Decke  der  PapiUengefässe ,  die  Epidermis,  abgängig 
ist,  wie  bei  der  Blasenbikkxng ;  oder  wenn  die  Gefässwandung  in 
der  Ernährung  gelitten  hat;  wie  örtlich  in  Entzündungsherden, 
oder  bei  allgemeiner  Ernährungsdepression  an  den  abhängigen 
Körperpartien.    Hieher  gehört   auch  die  Bliitung   in  Folge 
Herabsetzung  des  den  Körper  umgebenden  Luftdruckes  beim 
Ersteigen  hoher  Berge,  wobei  auch  der  durch  die  gesteigerte 
Herzaction   erhöhte  Blutdruck   die  Hämorrhagie  begünstigt 
(Blutung  aus  der  Nasenschleimhaut,  Lunge,  Conjunctiva,  den 
Fingerspitzen);    die  beim   Aufstieg  in    dünne  Luftregionen 
mittels  Ballons ;  die  diirch  örtliche  Druckverminderung  mittelst 
Schröpfkopfes  entstehende  Blutung  u.  Ae. 

Der  Blutaustritt  erfolgt  entweder  zwischen  die  Epidermis- 
schichten,  oder  in  die  Gewebsmaschen  der  Papillen  und  der 
Lederhaiit ,  seltener  in  die  Drüsenhöhlen,  und  in's  Unterhaut- 
zellgewebe. Dabei  werden  die  Gewebselemente  entweder  nur 
auseinander  gedrängt  oder,  bei  massenhafter  Extravasation, 
auch  theilweise  von  einander  gerissen.  Ztuneist  erscheinen  die 
Hämorrhagien  der  Haut  in  getrennt  stehenden  und  ziemlich 
scharf  begrenzten  Flecken  und  Streifen  von  verschiedener 
Grösse  und  Form,  als  1.  Petechien,  das  sind  punktförmige 
bis  fingernagelgrosse ,  lebhaft-  bis  lividrothe,  im  Niveau  der 
Haut  liegende,  oder  wenig  vorspringende,  zackig  begrenzte 
Flecke,  welche  unter  dem  Fingerdrucke  nicht  schwin- 
den, 2.Vibices,  streifenförmige  und  S.Ecchymosen,  thaler- 


488 


Dreissigste  Vorlesung. 


bis  flachliandgrosse  solche ,  unter  dem  Eingerdrucke  nicht 
erblassende  Verfärbungen.  Seltener  bilden  dieselben  kleine,  den 
rollikelmündungen  entsprechende  Knötchen  —  Liehen  hae- 
morrhagicus —  oder  geschwulstartige,  derbe  oder  fluctuirende 
Beulen,  Ecchymoma;  endlich  subepidermidale  Blutansamm- 
lungen in  Form  von  hämorrhagischen  Blasen.  Am 
seltensten  findet  freier  Blutaustritt  bei  unverletzter  Oberhaut 
aus  den  Schweissdrüsen  oder  Haarfollikeln  statt  (Hämatidrosis). 

Die  hämorrhagischen  Flecke  bestehen  in  ihrer  ursprüng- 
lichen Form  und  Grrösse  so  lange,  bis  das  ergossene  Blut  seine 
physiologische  Umwandlung  durchgemacht  hat  ixnd  zur  Re- 
sorption gelangt  ist.  Sie  sind  deshalb  auch  an  der  Leiche  zu 
sehen.  Aenderungen  an  denselben  kommen  nur  durch  neuen 
nachbarlichen  Bluterguss  zu  Stande.  Die  Flecke  invohdren  sich 
unter  bestimmten  Farbenveränderungen,  ohne  Schuppung  ihrer 
Oberfläche,  binnen  eines  der  ausgetretenen  Blutmenge  adäquaten 
Zeitraumes.  Hiebei  ändert  sich  die  im  Momente  ihres  Ent- 
stehens lebhaft  rothe  Farbe  rasch  in  Blauroth,  später  Gelblich- 
grün  und  Braun  um,  welch'  letzteres  am  längsten  persistirt. 

Diese  Involutionserscheinungen  hängen  mit  den  Ver- 
änderungen zusammen,  welche  das  aus  den  Gefässen  in  die 
umgebenden  Gewebe  ausgetretene  Blut,  speciell  das  Hämatin 
erfährt.  Dieses  trennt  sich  entweder  von  den  rothen  Blut- 
körperchen des  Extravasates  und  tritt  färbend  in  die  um- 
gebenden Flüssigkeiten,  Fibringerinnsel  und  Gewebselemente 
ein.  Nach  Auflösung,  Resorption  jener  bleibt  das  Hämatin  in 
Form  von  punktförmig  zerstreuten,  oder  zu  Klümpchen  aggre- 
girten,  orangegelb  bis  rostbraunen  Körnchen  zurück  (G.  Simon), 
während  die  extravasirten  Blutkörperchen  durch  Zerfall  und 
Aufsaugiing  verschwinden.  Oder  die  rothen  Blutkörperchen 
behalten  ihr  Hämatin  und  verschrumpfen  zu  solchen  Körnchen- 
haufen. Oder  endlich,  es  scheidet  sich  Hämatoidin  in 
Gestalt  von  schön  gelbrothen  bis  rubinrothen,  rhombischen 
Säulen  und  Tafeln  aus  (Viechow).  Bei  geringer  Menge  und 
oberflächlicher  Lage  der  Hämorrhagie  können  solche  Pigmente 
später  spurlos  schwinden.  Nach  tiefer  im  Corium  stattgehabter 
und  ausgebreiteter  Hämorrhagie  bleibt  manchmal  dauernd  braime 
Pigmentirung  zurück.  Hat  sich  das  Extravasat  in  eüier  grösseren, 
durch  Aufwühlung  entstandenen  Höhle  angesammelt,  so  trennt 
sich  zunächst  das  Blutserum  von  dem  Fibringerinnsel.  Dieses 


Hämorrhagien. 


489 


schrumpft  allmälig  unter  Verschwinden  des  Serums  und  Ab- 
gabe der  eingeschlossenen  Blutkörperchen  an  die  Umgebung 
und  schwindet  durch  einfache  Auflösung  (Langhans).  Endlich 
werden  sehr  umfangreiche  Extravasate  cj^stenartig  eingekapselt. 

Ihrer  G-elegenheitsursache  nach  sind  die  Hämorrhagien 
der  Haut  idiopathische  oder  Symptom  ati  sehe.  Ausser- 
dem hat  sich  die  Unterscheidung  der  durch  traumatische 
Einwirkung  entstandenen  Hämorrhagien  von  den  spontan  auf- 
tretenden eingebürgert,  indem  letztere  allgemein  als  Purpura 
bezeichnet  werden;  doch  wird  diese  Begriffsbestimmung  nicht 
immer  streng  eingehalten. 

Die  idi  opathischen  Hämorrhagien  verdanken  ihre 
Entstehung  der  Einwirkung  von  Traumen  auf  die  Haut, 
durch  welche  die  Grewebe  und  Gefässe  der  letzteren  mechanisch 
zerrissen  werden,  oder  sie  werden  durch  örtliche  und  in  der 
Haut  selbst  gelegene  Circulationshindernisse  veranlasst. 
Zur  el'steren  Art  zählt  die  Quetschung,  C  o  n  t  u  s  i  o,  welche 
unter  lebhafter  Schmerzempfindung  durch  heftigen  Druck  einer 
Hautstelle  gegen  einen  harten  Körper,  Stoss ,  Einklemmen, 
hervorgerufen  wird.  Der  Mannigfaltigkeit  der  einwirkenden 
Schädlichkeiten  entspricht  die  grosse  Variabilität  ihrer  Zahl, 
Stellung,  Intensität.  Dort,  wo  die  Cutis  der  einwirkenden 
Schädlichkeit  auszuweichen  am  meisten  gehindert  ist,  über 
Knochenvorsprüngen,  findet  sich  die  Quetschung  am  häufigsten. 
Der  Bkiterguss  erfolgt  nach  Einklemmung  oft  aus  dem  Papillar- 
körper  in  die  Epidermisschichten ,  sub  forma  einer  hämorrha- 
gischen Blase,  welche  bald  platzt,  oder  dieselbe  trocknet  mit  dem 
flüssigen  Inhalte  zu  einer  rostbraunen,  krümeligen  Masse  ein, 
die  binnen  1 — 3  Wochen  exfoliirt  wird.  Bei  stärkerer  Contusion 
erhebt  sich  die  Haut  als  lebhaft  rothe ,  derbe ,  schmerzhafte 
Beule,  welche  binnen  1 — 2  Tagen  einsinkt  und  unter  den 
bekannten  Farbenveränderungen  schwindet.  Das  Blut  ist  hier 
diffus  ergossen ,  infiltrirt.  Bei  hochgradiger  Contusion 
sammelt  sich  das  Blut  in  einer  grösseren,  durch  Loswülilung 
entstandenen  Höhle,  Blutbeule ,  Ecchymoma,  an.  Auch  da 
kann  in  der  früher  besprochenen  "Weise  allmälige  ßesorj^tion 
des  Ergusses  erfolgen.  Oder  es  entsteht  acute,  schmerzhafte 
Entzündung  des  umgebenden  Grewebes  und  ein  A  b  s  c  e  s  s,  mit 
dessen  Eröffnung  der  hämorrhagische  Inhalt,  wie  die  mechanisch 
abgetrennten   und  nekrosirten   Gewebstrümmer  ausgestossen 


^gQ  Dreissigste  Vorlesung. 

werden.  Seltener  bildet  sich  unter  Nachlass  der  anfänglichen 
Schmerzhaftigkeit ,  unter  lentescirendem  Verlaufe,  eine  unter 
dem  Einger  auf  ihrer  Höhe  fluctuirende,  gegen  den  Rand  hin 
crepitirende  Geschwulst.  Man  fühlt  einen  derben  Wall  um  den 
hämorrhagischen  Inhalt,  dessen  Resorption  umsomehr  erschwert 
wird,  je  mehr  sich  eine  fibröse,  cystenartige,  nachträglich  selber 
Flüssigkeit  secernirende  Umgrenzungswand  ausbildet.  Eine 
derartige  hämorrhagische  Cyste  kann  dauernd  zurück- 
bleiben. 

Die  Contusionen  unterscheiden  sich  in  ihi'em  Ansehen 
durchaus  nicht  von  gewissen  spontan  entstandenen  Hämor- 
rhagien.    Ihre  Diagnose  ist  in  forensischer  Rücksicht  oft 
nothwendig   (Scheby-BüCh)    und  muss  sich   stützen   auf  die 
Congruenz  der  hämorrhagischen  Elecke  mit  den  supponirten 
Schädlichkeiten,  Werkzeugen,  durch  welche,  und  der  Zeit,  zu 
welcher  dieselben  hervorgerufen  sein  sollen.  Die  SteUung  der- 
selben  an   den   zumeist  hervorragenden  Körpertheileh,  die 
anamnestische  Feststellung  der  Schmerz empfindung  im  Momente 
ihrer  Entstehung  führen  mit  zur  Diagnose.    Die  spontan  ent- 
standenen Hämorrhagien  der  Purpura  unterscheiden  sich  noch 
dagegen  durch  ihr  gleichzeitiges  Vorkommen  an  SteUen,  welche 
Trlumen  nur  schwer  zugänglich  sind  (Beugeflächen)  und  durch 
die  Gegenwart  sehr  kleiner  petechialer    Flecke    neben  den 
ecchymomartigen.  Erythema  nodosum,  s.  contusiforme,  welches 
die  letztere  Bezeichnung  wegen  der   Aehnlichkeit  mit  Con- 
tusionsknoten  führt,  kennzeichnet  sich  gegen  diese  durch  die 
vorwiegende   Localisation    an  den    Unterschenkeln  und  die 
Hyperämie  über  den  frischen  Knoten. 

Die  Prognose  der  Contusionen  ist  im  AUgemeinen 
günstig  und  richtet  sich  bezüglich  des  Verlaufes  und  der  Dauer 
nach  der  Intensität  und  dem  Umfange  der  einzelnen  Quetschungen. 
Mit  Ausnahme  der  mit  Entzündung  sich  complicirenden  er- 
heischen die  Quetschungen  keine  Behandlung.  Das  yolks- 
thümliche  Verfahren,  frische  Contusionsbeulen  sofort  mittelst 
Fingers  oder  einer  Münze  platt  zu  drücken,  ist  ganz  rationell, 
weil  hiedurch  der  Erguss  auf  eine  grössere  Fläche  zertheilt 
nnd  dessen  Resorption  erleichtert  wird. 

In  Folge  von  V  e  r  1  e  t  z  u  n  g  mittels  feiner  Stechwerkzeuge, 
Rüssel  von  Insecten  ,  Nadeln,  entstehen  Hämorrhagien  in  der 
Haut    indem  das  Blut  durch  den  engen  oder  bald  sich  ver- 


Hämorrhagien. 


491 


legenden  Sticlicanal  nicht  nacli  aussen  abfliessen  kann.  Bei 
Insecten-  oder  Blutegelstichen  concurrirt  noch  der  Saugact  des 
Rüssels.  Am  häufigsten  begegnen  wir  der  als  Flohstiche, 
Purpura  pulicosa,  bekannten  Form.  Dieselben  sind  punkt- 
förmig bis  stecknadelkopfgross  und  unmittelbar  nach  ihrer 
Entstehung  von  je  einem  doppelt  so  grossen  rothen  Injections- 
hof  umgeben.  Erst  wenn  dieser  nach  kurzer  Zeit  abgeblasst 
und  geschwunden  ist,  bleibt  der  centrale  hämorrhagische  Punkt 
kenntlich  zurück.  Nach  dem  Aufenthalt  auf  einer  flohreichen 
Lagerstätte  kann  die  Haut  mit  Flohstichen  besät  sein  tmd 
Purpura  simplex  vortäuschen.  Die  Grleichmässigkeit  der  Punkte, 
ihr  Gredrängtsein  an  den  Stellen,  wo  die  Falten  der  Leibwäsche 
enger  an  den  Körper  anliegen  und  die  etwaige  Gregenwart 
einzelner  Halones  können  die  Diagnose  sichern.  Da  auch 
bei  der  orientalischen  Pest  ähnliche  Petechien  vorkommen,  so 
haben  die  Flohstiche  letzthin  in  diiferentialdiagnostischer  Be- 
ziehung eine  gewisse  Berühmtheit  erlangt. 

Unter  dem  Einflüsse  örtlicher  Circulationsstörung, 
durch  welche  in  einem  bestimmten  Capillargefässbezirke  der 
Blutdru.ck  abnorm  erhöht  wird,  entstehen  öfters  Blutungen, 
um  so  leichter,  je  mehr  gleichzeitig  das  Stützgewebe  der 
Papillargefässe  gelockert,  die  Ej)idermis  dünn  oder  abgehoben 
ist,  imd  um  so  häiTfiger,  je  dauernder  jene  Ursache  der 
Circulationsstörung  ist.  Hieher  gehören  die  örtlichen  Blutungen 
bei  acuten  Entzündungs-  und  Exsudationsprocessen  in  Folge 
von  Stauung  in  den  Capillaren.  bei  Herpes,  Eczem,  aus  granu- 
lirenden  Wundflächen  und  die  häufig  sich  wiederholenden 
Hämorrhagien  an  den  Unterschenkeln  in  Folge  von  Varicosität 
der  Venen.  Sie  treten  um  so  sicherer  auf,  je  mehr  das  Indi- 
viduum durch  vieles  Stehen  und  Grehen  zu  stärkerer  Füllung 
der  Venen  Veranlassung  gibt,  oder  wenn  wegen  vorgerückten 
Alters  oder  nach  schweren  Krankheiten,  Wochenbett,  das 
Stützgewebe  bei  demselben  schlapp  geworden.  Willan  scheint 
mit  seiner  Purpura  senilis  diese  Form  gemeint  zu  haben. 
So  lange  die  Oberhaut  noch  unversehrt  und  die  Cutis  elastisch 
genug  ist,  haben  die  häufigen  Ecchymosirungen  keine  weiteren 
Folgen  als  braunfleckige  Pigmentirung.  Wenn  jedoch  im  Ver- 
laufe der  Jahre  die  Haut  des  Unterschenkels  durch  complicirende 
Entzündung,  Ulceration  und  Narbenbildung  ihre  Elasticität 
und  Beweglichkeit  grösstentheils  eingebüsst  hat,  führen  die 


492 


Dreissigste  Vorlesung. 


Hämorrliagien  leicht  zu  Zerwühluiig  und  Nekrosirung  des  be- 
troffenen Gewebes  und  zu  schwer  heilbaren  Geschwüren. 

Auf  die  plötzliche  Aenderung  der  Circulations Verhältnisse 
ist  wohl  auch  jene  Purpura  zurückzuführen,  welche  ich  an 
Neugeborenen  bald  nach  der  Geburt  in  Form  flohstichähnlicher, 
zahlreicher  Petechien  entstehen  gesehen.  Auf  mikroskopischen 
Durchschnitten  solcher  Haut  fanden  sich  die  Blutaustritte  in 
der  oberen  Coriumschichte ,  zugleich  die  tiefen  Gefässe  von 
rothen  Blutkörperchen  infarcirt  —  P.  neonatorum. 

All'  die  geschilderten  Formen  von  Hämorrhagien  bedürfen 
im  Allgemeinen  keine  eigentliche  Behandlung,  da  sie  ja  ihre 
physiologische  Rückbildung  durchmachen.  Gegen  complicirende 
Entzündung  und  Schmer zhaftigkeit  ist  die  Application  von  Kälte, 
bei  Hämorrhagien  der  Unterschenkel  die  horizontale  Lagerung  das 
Zweckmässigste.  Bei  Varicosität  wird  ein  contiiiuirlich  zu  tragen- 
der Druckverband  der  übermässigen  Füllung  der  Hautcapillaren 
und  der  Wiederholung  der  Ecchymosen  am  besten  entgegenwirken. 

Die  symptomatischen  Hämorrhagien  geben  sich 
kund  als  Theilerscheinung  eines  krankhaften  Zustandes  des 
Gesammtorganismus ,  der  Blut-  und  Säftemasse,  der  Gefäss- 
innervation  oder  der  Erkrankung  eines  inneren  Organes.  In 
solchem  Sinne  erscheint  die  tödtlich  verlaufende  Purpura 
V  a  r  i  0  losa,  deren  Grund  theils  in  der  durch  die  specifische 
Blutintoxication  bewirkten  chemischen  Decomposition  des  Blutes, 
theils  in  der  durch  letztere  veranlassten  Alteration  des  Gefäss- 
nerven-Centrums  liegt.  Ihre  Symptome  habe  ich  im  Zusammen- 
halte mit  den  Blattern  (pag.  235)  geschüdert.  Gleiche  Be- 
deutung haben  die  bei  der  orientalischen  Pesterkrankuug ,  bei 
Einimpfung  von  Schlangengift,  acuter  Septikämie  auftretenden 
Petechien  nnd  lividen  Flecke  der  Haut. 

Hieran  reihen  sich  die  Beobachtungen  von  zumeist  auf 
die  Unterschenkel  localisirten  Hämorrhagien  bei  marastischen, 
mit  Tuberculose,  Krebs,  Darmaffectionen  (Henoch)  behafteten 
Personen  (Purpura  cachectica  et  nervosa).  Endlich  auch  das 
Auftreten  von  P.  nach  Gebrauch  von  Jod  (Jodisme  petechial, 
FoußNiEE,  Auspitz),  nach  Einathmen  von  Benzoedämpfen  (T.Fox), 
im  Ergotismus  (Laillee). 

Andere  Purpuraformen  haben  einen  mehr  selbststandigen 
Typus  und  eigenthümlichen  Symptomen-Complex.  Vor  Allem 
die  (pao-  2R7)  erwähnte,  dem  Erythema  multiforme  verwandte 


Häraorrliagien. 


493 


Purpura    rhenmatica,    Peliosis  rhenmatica, 
(Schönlein),  Eheumatokelis  (Fuchs).  Unter  leichten,  selten  inten- 
siveren Fiebersymptomen,  oder  auch  nur  Mattigkeit,  Appetit- 
mangel, gestörtem  Schlaf,  körperlicher  und  geistiger  Depression 
(Lewin)  stellen  sich  ziehende  Schmerzen  in  den  Gelenken  der 
Kniee  und  Füsse  ein,  mit  oder  ohne  nachweisbare  Schwellung 
imd  Exsudation  in  dieselben.  Nach  wenigen  Tagen  erscheinen 
pxmktförmige,  linsengrosse  und  einzelne  grössere,  lebhaft  rothe 
und  bald  livid  sich  färbende,  unter  dem  Finger  nicht  schwindende, 
flache  Flecke  —  Hämorrhagien  —  auf  der  Haut  der  Unter- 
schenkel, weniger  zahlreich  an  den  Oberschenkeln,  über  dem 
Gesässe,  am  Unterleib,  zuweilen  auch  auf  den  Vorderarmen.  In 
leichten  Fällen  weichen  die  Gelenksschmerzen  mit  dem  Er- 
scheinen der  Blutaustritte  und  schwinden  diese  binnen  10—14 
Tao-en.    Meist  wiederholen  sich  solche  noch  in  zwei  bis  drei 
Nachschüben  binnen  3—6  Wochen  unter  gleichzeitiger  Exacer- 
bation der  Gelenks afPectionen  und  des  Fiebers,  und  die  Krank- 
keit ist  damit  zu  Ende.  In  einzelnen  Fällen  kann  dieselbe  aber 
durch  Wiederholung  der  Ausbrüche  auf  3—6  Monate  sich  hin- 
dehnen, ja  selbst  mehrere  Jahre  andauern.    Als  besondere 
Complicatiouen  habe   ich  periodisch  wiederkehrende  Nieren- 
blutungen während  der  Krankheitsdauer  beobachtet.  Bei  einem 
Kranken  sind  solche  durch  6  Monate  den  Hämorrhagien  auf 
der  Haut  vorangegangen,  und  bei  einer  Frau  meiner  Behand- 
lung hat  wechselnde  Albuminurie  die  durch  mehrere  Jahre 
währende  Purpura  begleitet.    Bei  einem  Mädchen  ist  durch 
hämorrhagische  Zerwühlung  und  Gangrän  des  Velum  und  der 
Kehlkopfschleimhaut  letaler  Ausgang  erfolgt.  Schwere  Compli- 
cationen  durch  hämorrhagische  imd    anderweitige  Affectionen 
innerer  Organe  haben  auch  Henoch,  Bohn  ,  Lbwin  u.  A.  mit- 
getheilt. 

Von  diesen  und  den  vereinzelten  Fällen  überaus  langer 
Dauer  abgesehen,  ist  die  Prognose  der  Purpura  rhenmatica 
günstig.  Doch  kann  in  keinem  Falle  über  die  Dauer  des  Pro- 
cesses  etwas  Bestimmtes  vorhergesagt  werden.  Die  Diagnose 
ist  nicht  schwer ,  wenn  man  die  Hämorrhagien  und  ihre  eigen- 
thümliche  Localisation  in  Verbindung  mit  den  rheumatoiden 
Schmerzen  würdigt. 

Ueber  die  Ursache  der  Peliosis  rhenmatica  wissen  wir 
nicht  mehr,  als  über  die  des  Erythema  multiforme.  Wie  dieses 


Dreissigste  Vorlesung. 

findet  sicli  auch  die  P.  rheumatica  liäufiger  bei  jugendlichen 
und  weiblichen  Personen  und  in  typischer  Wiederkehr  und 
Häufigkeit  in  den  Frühlings-  und  Herbstmonaten.  Es  bleibt 
aber  vollständig  Tinklar,  welches  Moment  vom  G-efässnerven- 
centrum  aus  die  Innervation  der  peripheren  G-efässe  derart 
alterirt  (Angioneurose),  dass  deren  "Wand  für  das  Blut  so 
urplötzlich  und  doch  vorübergehend  permeabel  wird. 

Die  Therapie  beschränkt  sich  auf  schmerzstillende 
örtliche  Applicationen  (Kälte,  Opiatsalben  und  Pflaster),  hori- 
zontale Lagerung  und  Euhe  der  Extremitäten,  obgleich  auch 
das  Liegen  im  Bette  nicht  zu  verhindern  vermag,  dass  neue 
Hämorrhagien  erscheinen.  Bei  hartnäckiger  Wiederkehr  der 
Blutungen  dürften  innerlich  Elixir  acid.  Halleri  1,50,  Syr.  rub. 
idaei  40,00  pro  potu,  oder  Ferrum  sesquichloret.  (0,50,  ad  150,00 
Aqu.  cinnamomi) ;  Extract.  secal.  cornut.  (0,1  pro  dosi  in  Pillen- 
form) ;  Ergotin  (0,05)  refracta  dosi  innerlich,  letzteres  auch  in 
hypodermatischen  Lijectionen  (Ergotin  1,00,  Aqu.  dest.  10,00, 
[eine  klare  rubinrothe  Lösung]  zu  V2  Spritze  jeden  zweiten 
Tag)  verwendet  werden. 

Als  Purpura  simplex  wird  eine  Krankheitsform  an- 
geführt, bei  welcher  unter  mässigen  Fiebererscheinungen  und 
allgemeiner  Abgeschlagenheit,  oder  auch  ohne  jede  merkliche 
Störung  des  Allgemeinbefindens  in  ganz  unregelmässiger  Weise 
an  den  verschiedensten  Körperstellen,  später  allerdings  vor- 
wiegend an  den  Unterextremitäten  und  Händen,  flecken-  und 
streifenförmige  Hämorrhagien  oder  auch  quaddelartige  Er- 
hebungen mit  hämorrhagischer  Verfärbung  —  Purpura 
urticans,  Willah  —  entstehen.  Der  Process  hat  einen  un- 
bestimmten und  im  Allgemeinen  flüchtigen,  auf  10—14  Tage 
beschränkten  Verlauf. 

Purpura  papulosa  (Hebea),  Liehen  lividus  (Willan) 
stellt  hämorrhagische,  hervorragende  Knötchen  vor,  welche 
einzelnen  Follikeln  entsprechend  von  je  einem  Haare  diirch- 
bohrt  sind.  Ihr  häufigster  Standort  ist  die  Haut  der  Unter- 
schenkel bei  kachektischen,  scrophulösen  Individuen,  bei  welchen 
alle  Entzündungsproducte  an  den  abhängigen  Körperstellen, 
Eczem,  Psoriasis,  Variola,  leicht  von  Blutaustritt  durchsetzt 
werden. 

Purpura  haemorrhagica,  Morbus  maculosus 
Werlhofii,  Blutfleckenkrankheit,  Landscorbut,  wird  zunächst 


Hämorrhagien. 


495 


als  eiii  hämorrhagischer  Process  betrachtet,  der  nach  seiner 
Intensität  zwischen  P.  simplex  und  Scorbut  die  Mitte  hält. 
Derselbe  wird  meist  dnrch  allgemeine  Depressionserscheinungen 
und  Fiebererregung  eingeleitet.    Auf  der  allgemeinen  Decke, 
die  Gesichtshaut  meist  ausgenommen,  treten  linsen-  bis  über- 
flachhandgrosse  hämorrhagische  Flecke  auf,  und  es  erscheinen 
auch  solche  auf  leichte  Insulte,  die  die  Haut  treffen.  Charak- 
teristisch ist  das  gleichzeitige  Auftreten  von  freien  Blutungen 
aus  der  Nasen-,  Mund-  imd  Rachenschleimhaut,  von  punkt- 
förmigen   Ecchjonosirungen    derselben,    Darm-   und  Nieren- 
blntungen.  Hämoptoe,  mit  welchen  Zuständen  auch  hochgradiges 
Fieber^  (P.   febrilis?   Willan)  ,    Ohnmacht-    und  CoUaps- 
Erscheinungen  und  schneller  Tod  sicli  einstellen  können.  Die 
meisten  FäUe  verlaufen  günstig,  aber  äusserst  träge,  binnen 
3_G  Monaten.    Obgleich  zuweilen  schlechte  Ernährung  der 
Individuen  als  Ursache  der  P.  haemorrhagica  angenommen 
werden  darf,  güt  dies  doch  nicht  allgemein,  da  der  Process 
oft  bei  früher  gesunden  und  kräftigen  Personen  auftritt.  Der- 
selbe kommt  meist  sporadisch,    selten  in   endemischer  Ver- 
breitung vor. 

Als  Scorbut  wird  die  Purpru^a  bezeichnet,  wenn  früh- 
zeitig gleichmässige  Auflockerung,  hämorrhagische  Loswühlung 
und  schmutzig-grauer  Beleg  des  Zahnfleisches,    mit  fötivem 
Gerüche  aus  dem  Munde,  erscheint  und  die  Hämorrhagien  der 
Haut  nicht  nur  umfangreicher  als  bei  Purpura  hämorrhagica 
lind  simplex  sich  gestalten,  sondern  auch  das  subcutane  Binde- 
gewebe, die  Muskeln  rmd  Fascien  betreffen.  Es  bilden  sich  da 
stellenweise  ecchymomartige ,   schmerzhafte,  derbe  oder  fluc- 
tuirende  Ergüsse,  welche  zu  Gangrän,  Blosslegung  der  Knochen, 
Geschwüren  mit  bkitig  suffundirter  Basis  fähren.    Die  Com- 
plication  von  Seite  der  inneren  Organe  ist  da  noch  beträcht- 
licher. Doch  gibt  es  leichte  Erkrankungsfälle  mit  den  charak- 
teristischen Erscheinungen  des  Scorbut  (Auflockerung  des  Zahn- 
fleisches) gegenüber  von  schweren  FäUen  der  P.  haemorrhagica. 
.  Scorbut  kommt   durchwegs   nur   als   Folge   schlechter  oder 
ungenügender  Ernährung,  Mangel  an  Fleischkost,  Kochsalz, 
frischer  Luft,  Bewegung  vor,  bei  Seefahrern,  Sträflingen  u.  s.  w. 
Nach  UsKOw  soU  Entziüidung  der  tieferen  Gefässe  der  Schleim- 
haut örtliche  Circulationshindernisse  in  dem  Zahnfleische  und 
daher  Blutung  setzen. 


496 


Dreissigste  Vorlesung. 


In  all'  den  znletzt  erwähnten  Kranklieitsformen  wird  die 
Prognose  nm  so  günstiger  sein  können,  je  weniger  rasch  und 
häufig  die  Hämorrhagien  auftreten,  je  oberflächlicher  sie  sitzen, 
je  weniger  die  allgemeine  Ernährung  gelitten  und  Fieber  vor- 
handen ist.  So  lange  die  Ernährung  gut  von  Statten  geht,  kann 
man  das  Beste  hoffen.  Das  G-egentheil  und  alle  Symptome,  die 
auf  solches  hinausgehen,  sind  ein  schlechtes  Zeichen. 

Die  Behandlung  kann  in  all'  den  Fällen  nicht  zur 
Aufgabe  haben,  die  schon  gebildeten  Hämorrhagien  zu  beein- 
flussen, die  ja  spontan  sich  involviren.  Neben  den  schon 
erwähnten  Haemostaticis  wird  roborirende  Kost,  der  Aufenthalt 
in  guter  sauerstoff'reicher  Luft,  wohl  den  Haiiptbehelf  abgeben 
müssen. 

Hämophilie  (Bluterkrankheit)  charakterisirt  sich  durch 
die  Leichtigkeit ,  mit  welcher  auf  geringe  mechanische  .Ver- 
anlassung, Stoss  oder  geringe  Verletzungen,  bedeutende  Ecchj^- 
mosen  und  freie,  sehr  schwer  stillbare  Blutungen  auftreten. 
Eine  solche  Disposition  findet  sich  bei  einzelnen  Personen  und 
in  manchen  Familien  erblich  und  vorwiegend  bei  Kindern  und 
jugendlichen  Individuen. 

Hämatidros  is,  das  kein  eigentliches  „BM schwitzen" 
bedeutet,  sondern  das  gelegentliche,  spontane  Hervorquellen 
oder  Hervorsickern  arteriellen  Blutes  aus  den  Schweissdrüsen, 
ist  bereits  erwähnt  worden  (pag.  140). 

Die  betrofi'enen  Stellen  waren  meist  die  Augenlider, 
Wangen,  der  Handrücken,  die  innere  Oberschenkelfläche. 
Messedaglia  und  Lombeoso,  welche  die  Erscheinung  an  einem 
mit  diversen  Neurosen  behafteten  Kranken  beobachteten  und 
daher  Gefässlähmung  als  Ursache  der  spontanen  Blutung 
annahmen  (Haematidrosis  paralytica),  haben  Belladonna  innerlich 
gegen  den  Zustand  erprobt. 


YI.  Classe. 

Hypertrophiae. 

In  Massenzunahme  bestehende  Hautkrankheiten. 

Einunddreissigste  Vorlesung. 

Allgemeines  über  Hypertrophie.  Anatomische  und  klinische  Sonderung 
nach  der  Betheiligung  des  Pigmentes,  der  Epidermis  und  der  Papillen  und 
der  Cutis  als  Ganzen.  Pigmenthypertrophie.  Anatomischer  Sitz.  Naevus, 
Lentigo,  Ephelis,  Chloasma,  Morb.  Addisoni,  Melasma.  —  Anhang:  Icterus, 
Argyria  ,  Tätowirung.  —  Keratosen :  Schwiele ,  Leichdorn ,  Hauthorn  — 
Papillome:  "Warzenmäler,  Warzen. 

Unter  Hypertrophie  begreifen  wir  jene  Krankheits- 
zustände  der  Haut,  welche  sich -als  das  physiologische  Mass 
übersteigende  Massenzunahme  des  Organs  oder  einzelner 
Theile  desselben  darstellen.  Dieselbe  setzt  eine  übermässige 
Anbildung  der  normalen  Grewebselemente  durch  örtlich  abnorm 
gesteigerte  Ernährung  voraus  —  Hyperplasie.  Die  Massen- 
zunahme beruht  zum  Theile  auf  Vergrösserung  der  einzelnen 
Gewebselemente  (wahre  oder  elementare  Hypertrophie),  zum 
Theile  aber  auch  auf  Vermehrung  derselben  (numerische  oder 
quantitative  Hypertrophie).  Sie  ist  demnach  in  dieser  Rück- 
sieht  zugleich  Neoplasie,  wobei  den  physiologischen  analoge 
Elemente  neu  formirt  werden  —  Homoeoplasie.  Aber 
auch  Letzteres  ist  nicht  durchwegs  der  Fall,  indem  zwar 
bis  zu  einem  gewissen  Gerade  der  Hypertrophie  das  Organ 
und  seine  Elemente  nach  Beschaffenheit  und  Eunction  im 
Rahmen  des  Physiologischen  sich  erhalten,   aber  bei  einem 

Kaposi,  Hautkrankheiten. 


498 


Eiluinddreissigste  Vorlesung. 


Uebermass  der  Hypertrophie  Textur  und  Function  des  Or- 
ganes  oder  seiner  Elemente  wesentlich  vom  Normalen  abweichen 
können. 

Die  Hypertrophie  der  allgemeinen  Decke  betrifft  entweder 
ausschliesslich,  oder  vorwaltend  eine  Art  ihrer  anatomischen 
Formelemente,  Pigment,  Epidermis,  Papillen,  Drüsen,  oder  zu- 
gleich mehrere  oder  alle  Bestandtheile  derselben.  Darnach  ist 
auch  ihr  klinischer  Ausdruck  ein  verschiedener.  Wir  wollen 
tms  heute  mit  den  Erscheinungen  der  Hypertrophie  des 
Pigmentes,  der  Epidermis  und  des  Papillarkörpers  beschäftigen. 

Pigmenthypertrophie. 

Dieselbe  erscheint  als  eine  im  Vergleiche  zu  ihrem  nor- 
malen Colorit  intensivere  (dunklere)  Färbung  der  allgemeinen 
Decke,  in  Grestalt  von  punktförmigen,  linsen-  bis  flachhand- 
grossen  und  noch  umfangreicheren,   scharf  begrenzten,  ver- 
schieden braun  bis  schwarzgrauen  Flecken,  oder  diffusen  solchen 
Tingirungen,  welche  unter  dem  Fingerdrucke  nicht  schwinden. 
Die  normal  en  Pigmentverhältnisse  nachßace,  Indi- 
vidualität   und   Topographie    der  Haut    kommen    dabei  in 
Rechnung.    Die  eigene  Färbung  der  Haut  ist  durch  Pigment 
bedingt,  welches  in  Form  von  gelbbraunen  Körnchen  in  und 
zwischen  den  Zellen  der  untersten  Reteschichten  abgelagert  ist. 
Bei  der  hellgefärbten  kaukasischen  ßace  sind  diese  Körnchen 
spärlich,  bei  Brünetten  doch  reichlicher,  bei  Blonden  in  geringerer 
Menge  eingelagert,  im  Allgemeinen  jedoch  an  gewissen  Haut- 
regionen, im  Warzenhof,  an  den  Grenitalien,  dichter  gedrängt, 
welche  daher  dunkler  gefärbt  erscheinen.  Bei  den  Negern  und 
-dunklen  Eacen  überhaupt  ist  das  Pigment  des  ßete  dichter 
gesät,  aber  in  den  einzelnen  Körnchen  auch  nicht  schwarz. 
(Neger  werden  mit  weisser  Haut  geboren ;  erst  von  der  sechsten 
Lebenswoche  ab  erscheint  die  Hautpigmentirung  in  rascher 
■Entwicklung.)    So  beriiht  denn  auch  die  pathologische 
Pigmentirung  nur  auf  einer  Vermehrung  und  dichtereu 
Einlagerung  von  Pigmentkörnern  in  den  Retezellen. 

Alles  Hautpigment  stammt  in  letzter  Linie  vom  Blute, 
aus  den  G-efässen  der  Papillen,  obgleich  wir  über  den  ^Veg 
nicht  näher  unterrichtet  sind,  den  dasselbe  von  da  in  die 
Schleimschichte  nimmt.    Eine  eingehendere  Betrachtung  dieses 


Pigmentliypertroplüe. 


499 


Momentes  müsste  aiicli  auf  die  Erörterung  der  Ernährung  und 
Regeneration  der  Epidermis  ausgedehnt  werden,  was  uns  hier 
zu  weit  führen  würde.  Genug ,  dass  jene  Thatsache  hervor- 
gehoben wird,  denn  sie  lehrt  auch,  weshalb  jeder  stärkere  und 
dauernde  Affluxus  in  den  Papillargefässen,  wie  bei  acuter  und 
chronischer  Hyperämie  und  Entzündung,  imd  congestionären 
Neubildungen,  reicheren  Pigmentaustritt  in  die  Schleimschichte 
und  dunklere  Pigmentirung  der  Haut  veranlassen.  Nebenbei 
•wird  da  auch  Pigment  in  die  Papillen  und  in's  Corium  selbst, 
längs  der  G-efässe  abgelagert. 

Die  vorkommenden  pathologischen  Pigmentirnngen  der 
Haut  sind  entweder  angeboren  oder  erworben. 

Die  angeborenen  Pigmentflecke  werden  als  P i g m e n t- 
m  ä  1  e  r,  N  a  e  v  i  (N.  materni) ,  bezeichnet.  Sie  sind  blass-  bis 
dunkelbraun  und  schwarz.  Man  unterscheidet  N.  spilus,  das 
Pigmentmaal  mit  glatter,  geschmeidiger  Oberfläche,  olme  ander- 
weitige Veränderung  der  Haut ;  N.  verrucosus,  dasselbe  mit 
warzig-höckeriger  Oberfläche  und  häufig  mit  dicken,  borsten- 
artigen, dunkelgefärbten  Haaren  besetzt  —  N.  pilosus;  N. 
molluscif ormis  s.  lipomatodes,  mit  wulstartiger  Ver- 
dickung oder  gar  geschwulstartiger  Vortreibung  des  Pigment- 
maales.  In  letzteren  Gebilden  findet  sich  eine  vom  TJnterhaut- 
zellgewebe  in's  Corium  reichende,  auf  dem  Durchschnitt  gelblich- 
weisse ,  gallertweiche  Grewebseinlagerung  —  junges ,  zellen- 
reiches und  zartfibrilläres  Bindegewebe. 

Naevi  pigmentosi  kommen  in  thaler-. ,  flachhandgrosser 
und  ganze  Körperregionen  occupirender  Ausdehnung  und  in 
den  abenteuerlichsten  Umgrenz angen  vor,  durch  welche  sie  oft 
mit  einem  Thiere  (Maus),  Fell  und  Aehnlichem  in  Vergleich  und 
mit  dem  landläufigen  „Versehen"  der  Schwangeren  in  Beziehung 
gebracht  werden.  Bei  grösserer  Ausdehnung  derselben  ist  meist 
eine  Congruenz  ihrer  Richtung  mit  dem  Verlaufe  der  cutanen 
Nerven  nicht  zu  verkennen ,  indem  das  Maal  bald ,  gleich  dem 
•Zoster,  halbseitig  und  den  Intercostalnerven ,  oder  den  Haut- 
nerven der  Extremitäten  parallel  verläuft,  oder  mit  scharfer 
Begrenzung  in  der  Nabelhöhe,  Becken  und  Oberschenkelgegend 
gleich  einer  Schwimmhose  umgibt  (Hebra's  Eall),  dem  Plexus 
lumbalis  und  sacralis  entsprechend  —  Nerven-Nävi  (Th. 
Simon  ;  Baerensprüng,  N.  unius  lateris).  Ihre  Entstehung  mag 
.unter  allen  Umständen  durch  trophische  Nerveneinflüsse  bedingt 

32* 


F)QQ  Einunddreissigste  Vorlesung. 

.sein.  Naturgescliichtlicli  sind  sie  der  Scheckenbildung  bei  Thieren 
analog.  (Hebra). 

Die  Pigmentmäler  involviren  sich  nur  höchst  selten  nach 
der  Gebnrt.  Die  meisten  vergrössern  sich  im  Gegentheil  noch 
etwas  und  bestehen  das  ganze  Leben  hindurch  unverändert, 
oder  zeigen  nur  unter  Umständen  (Gravidität)  dunklere  Pigmen- 
tirung. 

Die  erworbenen  Pigmentflecke,  Chloasmata  im 
Allgemeinen  genannt,  sind  idiopathischen  oder  sympto- 
matischen Ursprungs. 

Unter  den  idiopathischen  Pigmentflecken  stellen 

Lentigo,  Linsenflecke,  und  Ephelis,  Sommersprossen,  spon- 
tane Formationen  vor.  Lentigines  sind  gleichmässig  gelb-  bis 
schwarzbraune,  Stecknadelkopf-  bis  über  linsengrosse,  scheiben- 
förmige, scharfbegrenzte  Flecke,  welche  zu  einzelnen  oder  vielen 
innerhalb  des  2.-6.  Lebensjahres  zerstreut  am  Körper  auf- 
tauchen und  bis  in  das  hohe  Alter  bestehen.  DieEpheliden 
sind  im  AUgemeinen  etwas  kleiner  als  jene,  blassbraun,  un- 
regelmässig,   zackig  und  ungleich  tingirt,    sprenkelig.  Ihr 
häufigster  Standort  sind  die  Nase,  die  angrenzende  Gesichts- 
haiit  und  die  Stirne,  doch  sind  sie  auf  zarter  und  heUer  Haut 
(Rothhaariger)  auch  reichlich  über  das  übrige  Gesicht,  Hals, 
Brust,  Linenflächen  der  Extremitäten,  Nates  und  Penis  gesät, 
ein  Umstand,  der  genügend  beweist,  dass  die  „Sonnensprossen" 
vom  Einfluss  der  Sonne  unabhängig  entstehen.  Sie  erscheinen 
erst  um  das  6.-8.  Lebensjahr ,  erblassen  während  des  Winters, 
um  mit  dem  Frühling  sich  dunkler  zu  färben,  und  verschwinden 
gänzlich  im  vorgerückten  Lebensalter. 

Hieran  reihen  sich  jene  Pigmentationen,  welche  von  meist 
temporärer  Dauer,  oft  auch  persistirend,  nach  örtHchen  Ent- 
zündungs-,  Exsudationsprocessen,  Eczem,  Psoriasis,  Pemphigus 
und  nach  Hämorrhagien  zurückbleiben. 

Andere  Pigmentflecke  sind  arteficiell  hervorgerufen 
durch  örtliche  Einflüsse,  welche  intensive  und  häufige  Hyper- 
ämisirung  der  Papülargefässe  und  als  deren  Folge  dunklere 

Pigmentirung  setzen.  _ 

Der  Entstehungsursache  nach  unterscheiden  wir  die- 
selben als:  ,     ,        n     •  1  TT 

Chloasma  traumaticum,  durch  mechanische  Hypei- 

ämisirung  der  Haut  entstanden.  Hieher  gehört  die  dunkle  Ver- 


Pigraentliypei'trophie. 


501 


färbung  der  Haut  an  Stellen,  welche  dauernd  gedrüclvt  worden, 
wie  über  der  Taille  von  Tragbändern,  Riemen,  am  Kreuz  von 
Braclierien  und  als  besonders  wicbtig  die  Pigmentirungen  in 
Folge  des  Kratzens.  Die  Letzteren  geboren  mit  zu  den 
Symptomen  aller  juckenden  Hautkrankbeiten,  Scabies,  Prurigo, 
Eezem,  Urticaria  und  erscheinen  in  Form  von  braunen  Streifen 
oder  diffusen  Verfärbungsflächen  von  gelbbrauner  bis  säpiabrauner 
und  schwarzer  Tinte  (Melasma).  Je  häufiger  ein  und  dieselbe 
Hautregion  durch  Kratzen  hyperämisirt  oder  gar  durch  die 
Fingernägel  verletzt  worden,  so  dass  auch  zugleich  Blutfarbstoff 
direct  zum  Austritt  gebracht  worden,  desto  mehr  verbreitet 
und  dunkel,  bis  zur  melanotischen  Färbung,  präsentirt  sich  die 
Pigmentirung.  Sie  ist  also  intensiver  bei  den  chronischen  Uebeln, 
Primgo,  Pemphigus  pruriginosus,  als  bei  Urticaria,  Scabies  und 
besonders  dunlvel  bei  langwährender  Pediculosis.  Hier  erscheint 
oft  die  Haut  grösstentheils,  besonders  über  dem  Kreuzbein  und 
Nacken,  bis  grauschwarz.  Aber  es  ist  kein  Grund,  diese  Form 
als  Melanosis,  Melasma  cutis,  Melanoderma,  wie  eine  be- 
sondere Krankheit  hinzustellen ,  ebensowenig  wie  die  Pity- 
riasis nigra  der  Autoren,  welche  entsteht,  wenn  die  dunkel 
pigmentirte  Haut  zugleich  in  Folge  von  Eczem,  oder  Cachexie 
der  Betroffenen  kleiig  schilfert.  Da  zugleich  die  Localisation 
solcher  Kratzpigmente  mit  den  vom  Jucken  und  Kratzen 
betroffenen  Stellen  übereinstimmt ,  bei  Pediculosis  vorwaltend 
Nacken  und  Kreuzbeingegend,  bei  Prurigo  die  Streckseiten 
der  Unterextremitäten  occupirt,  bei  allgemeinem  Jucken  auch 
allgemein  und  zerstreut  sich  findet ;  da  ferner  in  der  Intensitäts- 
scala  der  Färbung  auch  die  Reihenfolge  und  das  relative  Alter 
.der  Excoriationen  gegeben  ist,  so  wird  es  klar,  dass  die  Kratz - 
pigmentationen,  richtig  gedeutet,  einen  wesentlichen  Behelf  zur 
objectiven  Diagnostik  abgeben. 

Chloasma  caloricum  heisst  die  braune  Verfärbung, 
welche  Gesicht,  Nacken,  Brust,  Arme  und  Hände,  alle  Haut- 
stellen erwerben,  wenn  sie  der  warmen  Sonne  und  freien 
bewegten  Luft  exponirt  sind  —  das  sogenannte  „Abbrennen". 
Es  stellt  sich  oft  schon  nach  einem  mehrstündigem  Marsche  in 
der  Sonne  ein,  wie  bei  Touristen  und  Städtern  überhaupt. 
Bleichsüchtige  Personen  brennen  weniger  leicht  ab,  als  gesunde. 
Aber  auch  dauernde  Einwirkung  rauher  und  kalter  bewegter 
Luft  hat  denselben  EfPect,  weshalb  dieses  Chloasma  bei  allen 


EirranddreiBsigste  Vorlesung. 

viel  im  Freien  sich  bewegenden  Personen  erscheint,  bei  Jägern, 
Soldaten  nach  dem  Feldzug,  Matrosen,  Kutschern,  Maurern 
u.  s.  w.  Die  Pigmente  dieser  und  der  früher  genannten  Ursache 
verlieren  sich  wieder,  wenn  die  Individuen  durch  einige  Zeit 
jenen  Einflüssen  fern  bleiben. 

Chloasmatoxicum  entsteht  durch  Einwirkung  gewisser 
specifisch  reizender  Substanzen,  Sinapismus,  Cantharidenpflaster, 
Cortex  Mezerei  (Seidelbast),  deren  Anwendung  von  den  Aerzten 
noch  immer  beliebt  wird.  Diese  Pigmente  bestehen  aber  zu- 
weilen das  ganze  Leben  hindurch,  ein  Umstand,  dessen  Kenntmss 
den  Arzt  gewiss  abhalten  wird,  ein  Vesicans  auf  der  Büste 
oder  im  Gesichte  eines  Kranken  zu  appliciren,  wenn  er  es 
schon  nicht  über  sich  vermag,  auf  solche  Heilmittel  überhaupt 

zu  verzichten.  •  i     i  r, 

Chloasma  symptomaticum,  findet  sich  als  be- 
gleitendes oder  Folgesymptom  mancher  Erkrankungen  innerer 
Organe  oder  des  Gesammtorganismus  in  Form  von  beschrankt 
localisirten  Flecken,  oder  diffus  und   allgemein  verbreiteter 
dunkler  Hautfärbung.  Die  häufigste  und  bekannteste  Form  ist 
das  Chloasma  uterinum,  wegen  der  Aehnlichkeit  m  der 
Farbe  der  Leber  auch  Chi.  hepaticum  (Alibert)  „Leberfleck" 
genannt  Es  occupirt  zuweilen  nur  einzelne  Stellen,  ein  ander- 
mal die  ganze  Fläche  der  Stirne  bis  zur  Haargrenze  als  gelb- 
braune bis  dunkelbraune,  gleichmässige  oder  unregelmässig 
streifige  Färbung.  Nebstdem  findet  es  sich  an  den  Augeiüidern, 
der  Nachbarschaft  der  Augenwinkel,  auf  den  Wangen,  der 
Oberlippe,  am  Kinn,  in  Streifenform.  Es  ist  ein  häufiges  Vor- 
kommniss  bei  sterilen  oder  unverheirateten  Frauen  (Viragines) 
und  bei  solchen,    die  an  diversen  Unregelmässigkeiten  der 
Sexualsphäre,  Dysmenorrhoe,  Deviation,  Neoplasmen  des  Uterus, 
OvarialafPectionen,  Hysterie  leiden,  bei  manchen  Frauen  auch 
während  der  Gravidität.    Jenseits  der  klimakterischen  Jahre 
schwindet  auch  das  Chloasma.  Mit  den  Vorgängen  m  Uterus 
hängt  auch  die  während  der  Gravidität  auftretende  dunklere 
Pigmentirung  im  Warzenhof  und  in  der  Linea  alba  zusanimen. 

Chloasma  cachecticorum  haben  wir  bei  mit  Liehen 
scrophulosorum  behafteten  Burschen  ganz  in  der  Form  des 
Chi.  uterinum  im  Gesicht  localisirt  gesehen.  Sonst  bezeichnen 
wir  so  die  allgemeine  dunkle  Missfärbung  der  Haut,  welche 
Z  marastischen  Personen  nach  Malaria,  bei  Potatores,  seniler 


Pigmenti!  jpei'tropliie. 


503 


Atrophie,  in  der  Krebscachexie  sich  einstellt.  Als  Morb. 
A  (1  cl  i  s  0  n  i,  Teinte  broncee,  hat  man  nach  ursprünglichen  Mit- 
theihxngen  von  Addison  eine  besondere  Krankheit  aufgestellt, 
bei  welcher  eine  dnnkle,  broncebranne  Färbung  der  Haut  mit 
Degeneration  der  Nebennieren  zusammenhängen  soll.  Grenauere 
Studien  (u.  A.  Avebbeck)  haben  ergeben,  dass  ein  solcher 
Connex  nicht  erweisbar  ist  und  dass  als  Addison'sche  Krankheit 
imponirende  Pignientirungen  der  Haut  auf  Marasmus  ver- 
schiedenster Quelle  (Tuberculose,  Malaria)  zurückzuführen  sind. 
Hieher  gehören  auch  die  Dyschromasien  bei  Pellagra,  Sclero- 
derma,  Xeroderma  und  Lepra.  Eine  als  „Pigmentsyphilis"  in 
der  jüngsten  Zeit  geltend  gemachte  Krankheitsform  ist  mir 
nicht  vorgekommen  und  scheint  mir  auch  nicht  haltbar. 

Die  Diagnose  des  Chloasma  und  der  Pigmentflecke  im 
Allgemeinen  ist  nicht  schwierig.  Die  Erscheinung  der  Farbe, 
ihr  Bestand  unter  dem  Eingerdruck,  ihr  tiefer  Sitz,  die  Unmög- 
lichkeit sie  durch  leichtes  Kratzen  abzulösen  und  das  Fehlen 
von  sonstiger  Gewebsveränderung ,  wie  Rötha ,  Schuppung, 
schützen  vor  Verwechslung  desselben  mit  ähnlichen  Vorkomm- 
nissen ,  z.  B.  des  Chloasma  mit  den  braunen  Flecken  der 
Pityriasis  versicolor.  Die  specielle  Diagnose  der  Pigmentation 
nach  ihrer  Bedeutung  und  Ursache,  so  wie  deren  Prognose, 
ob  dauernd  oder  vorübergehend,  geht  aus  der  Würdigung  der 
im  Früheren  geschilderten  Symptomatologie  hervor. 

Von  den  eigentlichen  Pigmentosen  ganz  verschieden  sind 
jene  Dyschromasien  der  Haut,  welche  durch  Einlagerung 
von  Farbstoffen  in  die  Cutis  selbst  (nicht  in  die  Epidermis) 
entstehen,  theils  solcher,  die  im  Körper  gebildet  worden,  theils 
von  aussen  eingeführter  Stoffe.  Es  sind: 

Die  ikterische  Färbung  der  Haut.  Sie  beruht  auf 
Ablagerung  des  Gallenfarbstoffes  in  alle  Schichten  der  Cutis 
und  erscheint  als  citronengelbe  bis  graugelbe  (Ilvterus  niger), 
diffuse  Tingirung.  Dauer,  Intensität,  Heilbarkeit  des  Zustaudes 
hängen  von  dem  Grundübel  ab.  Das  begleitende  Jucken  ist 
oft  höchst  intensiv  und  schwer  zu  bekämpfen. 

Argyria,  schiefergraue,  bronceartige  (daher  auch  „Teinte 
broncee) ,  blaugrau  schimmernde  Verfärbung  der  Haut  (und 
Schleimhaut),  welche  auf  Ablagerung  von  Silberkörnchen  in  die 
Cutis  beruht  und  bei  Personen  beobachtet  worden  ist,  die  längere 
Zeit  hindurch  Silbersalpeter  innerlich,  z.  B.  gegen  Epilepsie, 


Einunddreissigste  Vorlesung. 

Dysenterie  genommen  hatten.   Seit  den  durcli  Zöllnkr  '  179;')) 
veröflPentlicliten  Mittli eilungen  über  die  Krankheit  ist  eine  be- 
trächtliche Zahl  solcher  Fälle  bekannt  geworden.  Einigemal 
ist  auch  nach  Aetzungen  des  Rachens  mit  Lapis,  vielleicht  in 
Folge  Verschluckens  (Duguet)  Argyrie  aufgetreten,  so  wie 
örtHche  Silberfärbung  an  der  Conjunctiva  nach  Lapisätzungen. 
Es  ist  immerhin  merkwürdig,  dass  bei  den  zahllosen  Aetzungen 
der  Haut  mittels  Lapis ,  wie  solche  z.  B.  gegen  Lupus  vor- 
genommen werden,  noch  nie  Argyrie,  auch  nicht  local,  beobachtet 
worden  ist.    Aus  welcher  Art  chemischer  Verbindung  (lösliches 
Silber-Albuminat?),  nach  deren  Resorption  sich  die  Silberkörner 
niederschlagen,   ist  noch  nicht  erwiesen.    Der  Emfluss  des 
Lichtes  ist   sicher  belanglos  für  die  Reduction,  da  die  Ab- 
lagerung auch  in  die  inneren  Organe  erfolgt.  Genaue  anatomische 
Untersuchungen  (von  Fromman,  Riemer,  Neumann  u.  A.)  haben 
ergeben,  dass  die  Silberkörner  nicht  in  die  Epidermis,  sondern 
in'^s  Bindegewebe  der  Haut  abgelagert  werden ,  und  zwar  in 
dichtester  Anordnung  in  die  an  das  Rete  und  die  Drüsen- 
auskleidungszellen stossenden  Grenzschichten.    Auch  in  den 
inneren  Organen  beherbergt  überall  das  Bindegewebe  das  aus- 
geschiedene Silber  (Weichselbadm).    Der  Zustand  ist  dauernd 
und  unheilbar,  gerade  so  wie  die  Hautfärbung  durch 

T  ä  1 0  w  i  r  e  n,  das  bei  uns  Arbeiter,  Matrosen,  an  den  Armen, 
manche  Südseeinsulaner,   Birmanen,  an  ausgebreiteten  Haut- 
regionen und  in  abenteuerlichen  Figuren  und  Linien  vollführen, 
wie  bei  dem  von  mir  beschriebenen  und  in  Hebra's  Atlas  ab- 
gebildeten, über  den  ganzen  Körper  „Tätowirten  von  Birma". 
Das  Verfahren  besteht  darin,  dass  mittels  einfacher  Nadel, 
oder  einem  Nadelbündel,  die  Haut  in  entsprechender  Figur 
blutig  gestochen  wird,  worauf  sofort  färbende  Substanzen, 
Kohlenpulver,   Schiesspulver   (blau),    Zinnober   (roth) ,  yxon 
Chirurgen  nach  Cheiloplastik  angewendet)  oder  Pflanzenfarb- 
stoffe, wie  Lidigo,  eingerieben  werden,  die  in  dem  Cutis- 
gewebe  liegen  bleiben  und  da  abgekapselt  werden.  Analog 
ist  die  graue  Färbiuig  durch  eingesprengtes  Schiesspulver  ent- 

stande^i.^  Behandlung  der  spontan  sich  rückbildenden 
Pigmentationen  ist  unnöthig,  sie  wird  aber  öfters  beansprucht 
rücksichtlich  der  persistirenden  Pigmentosen,  besonders  Epheliden 
und  Chloasma  uterinum. 


Pigmentliypertrophie. 


5U5 


Die  Aufgabe  der  Therapie  bestellt  hier  in  der  Entferninig 
jener  tiefsten  Reteschichten,  in  welchen  das  überreiche  Pigment 
eingelagert  ist.  Olenm  Sinapis,  Canthariden,  Mezerenm,  Schwefel- 
säure eignen  sich  aber  hiezu  nicht,  weil  nach  ihrer  Einwirkung 
im  neu  sich  bildenden  Rete,  wie  erwähnt  worden,  sich  gerade 
Pigmenthyperpia  sie  einstellt,  Wohl  aber  empfehlen  sich  Salz- 
und  Essigsäure ,  Borax ,  Kali ,  Natron  (Seifen) ,  Jodtinctur, 
Schwefelpasten  und  vorzüglich  Sublimat.  Will  man  rasche 
Wirkung,  so  wird  z.  B.  bei  zahlreichen  Sommersprossen 
oder  Chloasma  uterinum  des  Gesichtes  dieses  mit  genau  an 
einander  passenden  Leinwandstücken  gleichmässig  belegt,  und 
während  der  Kranke  horizontal  lagert,  werden  die  Läppchen 
mit  einer  Sublimatlösung  (Merc.  subl.  corros.  0,50,  Aqu.  dest. 
oder  Alcohol.  50)  betupft  und  derart  durch  4  Stunden  feucht 
erhalten.  Unter  heftigem  Brennen  und  Spannungsgefühl  erhebt 
sich  die  Epidermis  zu  einer  Blase,  welche  am  xmteren  Rande 
angestochen  wird  und  dann  collabirt.  Unter  Einpoudern  fällt  die 
Epidermiskruste  binnen  8  Tagen  ab  und  die  neugebildete  Haut- 
decke ist  weiss,  pigmentlos.  Das  Grleiche  kann  gegen  Naevus 
und  Lentigo  erfolgreich  sein.  Aehnlich  wirken  Jodtinctur 
und  Jodglycerin,  Schwefelpasten  (vid.  pag.  456),  in  einem  Cyclus 
von  6 — 12  Einpinselungen  oder  Schmierseife,  auf  Flanell  ge- 
strichen, durch  12 — -24  Stunden  aufgelegt,  nach  welchen  Appli- 
cationen  die  Epidermis  in  toto  verschorft  und  mit  dem  Pigment- 
gehalt sich  ablöst. 

Langsam  schwinden  die  Pigmente  unter  Röthung  und 
Schülferung  der  Epidermis  bei  täglich  wiederholter  Waschung 
mit  Spirit.  sapon.  kalinus,  Einpinselung  von  verdünnter  Essig- 
oder Salzsäure,  oder  anderen  leicht  irritirenden  Substanzen, 
z.  B.  Rp.  Emuls.  amygdal.  100,  Tinct.  Benzoes  5,  Sublimat.  0,05  ; 
oder  Verathrin.  0,1,  Aqu.  Naphae  50;  oder  Aqu.  Cosmetica 
orientalis  (Aqu.  dest.  6  Liter,  Sublimat.  35,  x4.1bum  ovor.  Nr.  24, 
Succi  citri  fruct.  Nr.  8,  Sacoh.  alb.  300)  5  ad  100,  Aqu.  fragor. ; 
oder  eine  Salbe,  welche  auf  Leinwand  gestrichen  über  Nacht 
aufgelegt  wird,  nach  der  Formel:  Praecipit.  alb.,  Borac.  venet. 
aa.  5,  Ungu.  emoll.  50,  Olei  rosar. ,  Olei  naphae  aa.  gutt.  5 ; 
oder:  Acid.  salicyl.  2,  Ungu.  emoll.  40;  oder:  Acid.  boracici, 
Cerae  alb.  aa.  5,  Paraphini  10,  Olei  amygd.  30.  Auch  Pyi'ogallus- 
und  Chrysarobinsalbe  (pag.  387)  wirken  pigmentzerstörend; 
doch  steht  ihrer  Anwendbarkeit  im  Gesichte,   deren  eigene 


506 


Einunddreissigste  Vorlesung. 


FärbwirkiTiig  im  Wege.  Ist  die  Haut  rotli  und  schuppig  geworden, 
so  werden  Schminksalben  und  Poudre  appliclrt,  deren  ich  schon 
früher  gedachte  und  hier  noch  einige  anfüge,  mit  der  Bemerkung, 
dass  Zusammentreffen  von  schwefel-,  blei-  und  quecksilber- 
haltigen Mitteln  vermieden  werden  muss.   Weisses  Schmink- 
pulver :  Rp.  Bismuth.  carb.  basici  10,  Tale,  venet.  pulv.  20,  Baryt, 
sulf.  praecipit.  30,  Olei  rosar.  gutt.  duas.  Flüssige  Schminke: 
Bismuth.  carb.  basici  10,  Talci  venet.  p.  20,  Aqu.  rosar.  70, 
Spir.  Colon.  30;  von  welcher,  eben  so,  wie  von  Eau  de  prin- 
cesse  (Hebra),  der  weisse  Bodensatz  aufgepinselt  und  wenn 
trocken,  abgewischt  wird.  Schminksalbe:  Bismuth.  chlor,  praecip. 
5;  Baryt,  sulf.  praec.  10;  Cerae  alb.  3;-,  Olei  amygd.  r.  pr.  7. 

Naevi  pigmentosi  können  auch  durch  Abschaben  mittels 
scharfen  Löffels  beseitigt  werden.  All'  die  genannten  Flecke, 
Sommersprossen,  Lentigo,  kehren  jedoch  meist  wieder;  nur 
Chloasma  schwindet  dauernd,  wenn  auch  dessen  Ursache  (Sexual- 
affection)  beseitigt  wird.  Das  Tätowiren  der  Pigmentmale  hat 
keinen  Zweck,  da  ein  dem  Licarnat  der  Haut  entsprechendes 
Färbemittel  noch  nicht  gefunden  wurde.  Sherwell  gibt  an, 
durch  Eintauchen  der  Tätowirungsnadeln  in  25''/oige  Chrom- 
säure- oder  öO^/oige  Carbollösung  Erfolg  gehabt  zu  haben. 
Bei  Naevus  pilosus  müssen  noch  die  Haare  ausgezogen  werden ; 
N.  verrucosus  et  lipamotodes  können  nur  durch  eingreifende 
Aetzung  oder  Excision  beseitigt  werden. 


Epidermis-  und  Papillar-Hypertrophie. 

Man   kann    strenge    genommen    die  Hypertrophie  der 
Epidermis  nicht  von  jener  der  Papülen  gesondert  darstellen, 
da  thatsächlich  beide  in  der  Regel  mit  einander  combinirt  sind. 
Der  physiologische  Vorgang  der  Regeneration  des  Epithels  ist 
zwar  noch  lange  nicht  in  allen  Punkten  klargestellt;  aber  so 
viel  ist  doch  sicher,  dass  das  Materiale  zum  Aufbau  der  neuen 
Epidermiszellen  und  zur  Ernährung  des  ganzen  Zellenlagers 
von  den  PapiUen,  beziehungsweise  von  den  Gefässen  derselben, 
geliefert  wird.  In  pathologischen  Vorkommnissen  vermehrt  sich 
zweifellos  das  Epithellager  aus  sich  selbst  durch  Zell-  und 
Kerntheüung   der  Stachelzellen  (Fig.  29).    Allein   auch  da 
participiren  die  Papillen  an  dem  Wucherungsprocess  nicht  nur 
durch  reichere  Plasmazufuhr,  sondern  auch  durch  den  Beitrag 


Keratosen. 


507 


von  Runclzellen  und  Spindelzellen  (Wandei-körperchen),  welche 
aus  den  Papillen  in  die  Schleimscliichte  gelangen  (Biesiadecki, 
Pagexstechee),  wie  in  Fig.  18  zu  sehen.  Aber  es  entspricht 
auch  regelmässig  einem  hypertrophischen  JRete  ein  vergrösserter 
und  histologisch  veränderter  Papillarkörper.  Unter  gewissen 
Verhältnissen  überwiegt  allerdings  die  Hypertrophie  der  Epi- 
dermis in  auifälliger  "Weise,  und  zwar  dann,  wenn  zugleich  ein 
vorzeitiger  Verhornungsprocess  sich  geltend  macht,  wodurch  das 
eigentliche  Epidermislager  eine  grosse  Mächtigkeit  erlangt. 
Fasst  man  die  einschlägigen,  durch  ein  übermächtiges  Epidermis- 
lager auffälligen  Formen,  nach  dem  Vorgange  von  Lebert,  als 
Keratosen  zusammen,  so  kann  man  füglich  diese  in  solche 
ohne  und  mit  Papillar-Hypertrophie  unterscheiden. 

Keratosen   ohne  Papillar-Hypertrophie  —  reine 

Keratosen. 

Schwielen.  Callositas,  Tyloma,  Tylosis,  das  sind  um- 
schriebene, flächenhafte  Verdickungen  der  Oberhaut,  von 
schmutzig-weisser  bis  gelbbrauner  Farbe,  hornartigem  Ansehen, 
derber,  trockener,  zäher  oder  brüchiger  Beschaffenheit,  an 
welchen  die  normalen  Linien  und  Furchen  der  Haut  weniger 
kenntlich  und  die  Tastempfindung  vermindert  ist. 

Von  der  Haut  abgelöst  stellt  die  Schwiele  eine  durch- 
scheinende, gelblich-weisse,  nach  unten  flach-concave,  oder  auch 
an  der  unteren,  wie  an  der  oberen  Fläche  mässig  convexe,  auf 
dem  Durchschnitte  homogene  Platte  vor ,  welche  in  der  Mitte  am 
mächtigsten,  bis  2—5  Millimeter  dick,  ist  und  gegen  den  Rand 
hin  sich  verschmächtigt.  Sie  besteht  aus  parallel  zur  Haut- 
oberfläche übereinander  geschichteten  Hornzellen,  deren  tiefere 
Lagen  noch  den  Kern  deutlich  erkennen  lassen. 

Ausdehnung,  Form  und  Localisation  der  Schwielen  ent- 
sprechen ihrer  speciellen  Ursache.  Diese  ist  in  den  meisten 
Fällen  eine  äussere  —  arteficielle  Schwielen,  mid  zwar 
entweder  häufig  wiederholter  Druck  gegen  eine  Hautstelle ,  die 
durch  einen  unterlagernden  Knochenvorsprung  einen  Gegendruck 
zu  erfahren  hat ;  oder  die  wiederholte  Einwirkung  von  Lauge, 
Mineralsäuren,  chemisch  reizenden  Substanzen  überhaupt. 
Die  Druckschwielen  finden  sich  vorwiegend  an  der  Fusssohle, 
der  Ferse,  veranlasst  durch  derbe  BeschuhxTng;  weiters  an 


508  Einunddreissigste  Vorlesung. 

den  Einwirkungsstellen  von  Bruchbändern,  Miedern,  Gurten 
und  am  häufigsten  in  der  Flachhand,  als  sogenannte  Gewerbe- 
schwielen.   Sie  entsprechen  hier  nach  Ausdehnung  und  Locali- 
sation  dem  hantirten  Werkzeuge  und  kommen  daher  vor:  bei 
Tischlern,  vom  Hobeln,  an  der  Daumen-Zeigefinger-Falte;  bei 
Schustern  an  der  Flachhand  und  den  Beugen  der  Fingergelenke, 
wo  sie  noch  durch  den  oft  durchgezogenen  „Draht"  querrissig 
sind ;  über  dem  rechten  Oberschenkel  vom  Lederklopfen ;  über 
den  Sitzknorren  vom  Sitzen  auf  hölzernem  Dreifuss ;  bei  Hut- 
machern am  Ballen  des  Daumens,  herrührend  vom  Walgen; 
bei  Schneidern  in  der  rechten  Flachhand ,  vom  Plätteisen,  nebst 
zerstochenen  Schwielen  an  der  Spitze  des  linken  Zeigefingers; 
bei  Musikern,  vom  Druck  gegen  die  Saiten,  an  den  Fingerspitzen 
der  linken  Hand.  Schwielen  von  Lauge  veranlasst  finden  sich 
in  der  Vola  manus  bei  Küchenmägden,  von  Mineralsäuren  bei 
Metallarbeitern,  Vergoldern,  bei  Feuerarbeitern  u.  s.  w.  Es 
ist  also  gar  nicht  schwer,  aus  der  Localisation  der  Schwielen 
die  Berufsbeschäftiguug  ihrer  Träger  zu  erkennen. 

Die  Schwielen  bieten  zwar  den  Vortheil,  dass  sie  die 
unterliegende  Haut  gegen  den  Lasult  des  drückenden  Gegen- 
standes, Werkzeuges,  schützen,  aber  sie  setzen  andererseits  die 
normale  Tastempfindung  örtlich  auf  ein  Minimum  herab,  so 
dass  z.  B.  die  schwieligen  Finger  für  ferneres  Tasten  und 
Hantiren  ganz  untauglich  werden.  Bei  grösserer  Ausdehnung 
über  die  Flachhand  wird  überdies  die  Streckung  der  Finger 
gan?  unmöglich.  Endlich  belästigen  sie  hier  durch  schmerzhafte, 
oft  tief  bis  in's  Corium  reichende  Einrisse.  Die  von  Schwielen 
bedeckten  Hautpartien  sind  selber  dauernd  hyperämisch  und 
zu  Entzündung  disponirt,  und  Exantheme ,  Variola,  Psoriasis, 
Scabies  machen  hier  intensivere  Ausbrüche. 

Wird  die  veranlassende  Schädlichkeit  durch  längere  Zeit 
ferngehalten,  so  ver schmächtigen  und  verlieren  sich  die  Schwielen 
allmälig.  Man  kann  darnach  den  Grad  des  Arbeitsfleisses  von 
der  H^nd  des  Handwerkers  ablesen.  Oefters  auch  entsteht 
unter  der  Schwiele  eine  wegen  der  Spannung  der  Decke  höchst 
schmerzhafte  Entzündung  und  Eiterung  des  Coriums,  durch 
welche  die  Schwiele  abgehoben  wird.  Es  ist  rathsam,  unter 
solchen  Umständen  frühzeitig  einzuschneiden,  um  der  Gefahr 
von  Lymphangioitis,  Erysipel  und  tiefgreifender  Gewebsnekrose 
vorzubeugen. 


Keratosea. 


509 


Auch  s  0  n  t  a  n  e  Entwicklung  von  Tylosis  kann  man  zu- 
weilen beobachten ,  so  an  der  Eichel  oder  an  der  Flachhand 
und  über  dem  Rücken  der  Finger  bei  Personen,  welche  keinerlei 
drückende  Werkzeuge  hantiren,  bei  Beamten ,  Damen.  Solche 
Sehwielen  habe  ich  binnen  wenigen  Monaten  entstehen ,  sich 
ausbreiten  und  nach  3 — 4jährigem  Bestände  wieder  spontan 
schwinden  gesehen. 

Die  Diagnose  der  Tylosis  ist  nicht  schwer,  wenn  die 
Schwiele  durchwegs  glatt  erscheint,  an  den  Rändern  allmälig 
gegen  die  Umgebung  sich  verKert  und  nach  Form  und  Oert- 
lichkeit  ihre  äussere  Ursache  deutlich  verräth.  Bei  rissiger 
Beschaffenheit  und  scharfer  Begrenzung  ist  die  Schwiele  der 
Flachhand  und  Fusssohle  nicht  so  leicht  zu  erkennen  gegen- 
über von  Eczem,  Psoriasis,  Scabies  crustosa,  Liehen  ruber, 
Ichthyosis  dieser  Haiitstellen  und  Psoriasis  palmaris  und  plantaris 
(syphilitica).  Unter  solchen  Umständen  ist  es  nothwendig,  nicht 
nur  örtlich  alle  den  genannten  Processen  eigenthümlichen 
Charaktere  zu  eruiren  oder  auszuschliessen ,  sondern  auch  aus 
dem  Verhalten  der  übrigen  Haut  Behelfe  herbeizuholen,  an 
welchen  die  Symptome  jener  Krankheitsformen  gleichzeitig  und 
in  deutlicherer  Weise  sich  vorfinden. 

Hühnerauge,  Clavus,  Leichdorn,  ist  eine  der  Schwiele 
analoge  Hornhautverdickung,  welche  jedoch  nicht  platt  auf 
dem  Rete  aufliegt,  sondern  mittels  eines  central  stehenden, 
conischen  Zapfens  ihrer  unteren  Fläche  in  die  Haut  eingekeilt 
erscheint.  Das  Hühnerauge  sammt  seinem  Zapfen  besteht  durch- 
wegs aus  übereinander  geschichteten  Hornzellen,  zwischen  denen 
sich  öfters  Reste  von  Hämorrhagien  vorfinden. 

Zumeist  durch  Druck  von  Seite  der  Beschuhung  entstanden, 
trifFt  man  die  Hühneraugen  über  den  Kjiöcheln  und  Seiten- 
flächen der  Zehen  und  anderen  Vorsprüngen  der  Fussknochen. 
Bei  Pression  von  aussen  wird  der  Conus  des  Hühnerauges  gegen 
die  Haut  gepresst,  was  bekanntlich  heftigen  Schmerz  ver- 
ursacht. Unter  dem  andrängenden  Zapfen  wird  mit  der  Zeit 
die  unterliegende  Cutis  sammt  Papillen  atrophisch,  ja  kömien 
die  Maschen  des  Coriums  auseinandergedrängt,  von  dem  Hühner- 
auge durchbrochen  werden,  während  die  angrenzende  Haut 
sammt  Papillen  entzündlich  infiltrirt  und  hypertrophisirt  er- 
scheint (Rokitansky), 


r^iQ  Einunddreissigste  Vorlesung. 

In  spontaner  Weise  entwickeln  sich  manclimal  auf  der 
FJaehhand  und  Fusssohle  einzelne,  ja,  wie  wir  einigemal  gesehen, 
zahlreiche  Hühneraugen ,  so  dass  ihre  Oberflächengrenzen  an- 
einanderstossend  eine  gleichmässig  ausgebreitete  Schwiele 
foriniren.  Das  Gehen  und  Hantiren  wird  da  höchlichst  behindert, 
stechende,  brennende  Schmerzen  strahlen  von  den  Füssen  bis 
über  die  Kniee  nach  aufwärts  und  führen  oft  zur  irrthümlichen 
Diagnose  G-icht,  während  eine  genaue  Besichtigung  die  Gegen- 
wart der  Hühneraugen  darthut. 

Die  Therapie  der  Schwielen  und  Leichdorne  besteht  in 
deren  Erweichimg  und  Auslösung.  Ersteres  wird  angestrebt 
durch  warme  Bäder,  örtliche  Fomentation,  durch  Kataplasmen, 
Einhüllung  mittels  impermeabler  Stoffe,  Kautschukleinwand, 
Traumaticin  ^Kautschuk  in  Cliloroform  gelöst),  Umschläge  von 
Sapo  viridis,  Aetzen  mittels  Kalüösung  (1:2),  Essigsäure, 
Citronensäure ,  Emplastrum  domesticum  (lithargyri  adustum), 
Empl.  hydrargyri.  Die  Auslösung  wird  mittels  Messers  und 
Scheere  vorgenommen,  wonach  etwa  blutende  Gefässe  hyper- 
trophischer Papillen  auch  geätzt  werden  können.  Schutzringe 
aus  Leder,  Kautschuk,  Watte  haben  nur  einen  prophylaktischen 

Werth.  .       ^         -  , 

Hauthorn,  C  o  r  n  u  c  u  t  a  n  e  u  m,  stellt  einen  Auswuchs  der 
Haut  vor,  welcher  nach  Form,  Farbe  und  Consistenz  die  grösste 
Aehnlichkeit  mit  einem  Thierhorn  darbietet.    Solcher  Gebilde 
hat  man  von  mannigfacher  Form  und  Grösse  beobachtet :  stiel- 
rund,  conisch  zugespitzt,  mit  einem  breiten  Kopf  versehen, 
seitlich  zusammengepresst,  längs-  und  quergerilft,  schart  kantig, 
von  wenige  Millimeter  bis  25  Ctm.  lang,  hakenförmig  oder 
widderhornartig  gekrümmt.  Sie  sitzen  mit  einer  verbreiterten 
Basis  auf  der  Hautfläche,  oder  in  eine  scharfumrandete  Grube 
der  Haut  eingebettet  und  kommen  vereinzelt  oder  zu  mehreren, 
manchmal  sogar  in  zahlreichen  Exemplaren ,  wie  m  Baetge  s 
Fall   an  einem  Individuum  vor,  an  der  Kopfhaut,  dem  Augen- 
lide '  den  Ohrmuscheln,  auf  der  Nasenspitze,  der  Lippe,  aiif  der 
Eichel  (Hebra,  Pick),  auf  Stamm  und  Extremitäten,  Beuge- 
und  Streckseiten.    Sie  entwickeln  sich  manchmal  binnen  sehr 
kurzer  Zeit  und  bestehen  viele  Jahre  hindurch,  fallen  gelegentlich 
ab  und  erneuern  sich  an  Ort  und  Stelle  wieder.    Hie  und  da 
.eht  aus  dem  Hauthorn  ein  Epithelialkrebs  hervor.  Aeltere 
Untersucher  (G.  Simon)  haben  an  dem  Hauthorn  Ruiden-  und 


Keratosen. 


511 


Marksubstanz  und  ein  besonderes  rühriges,  von  Grefassen 
gebildetes  Gefüge  (Vxrchow)  finden  wollen.  Thatsächlich  ist, 
dass  von  der  Cutis  aus  eine  Gruppe  hypertrophischer  Papillen 
mit  erweiterten  Gefässen  bald  massig,  bald  sehr  hoch  in  die 
Masse  des  Hauthorns  hineinragt,  diese  selbst  aber  aus  mit  ein- 
ander der  Länge  nach  verkitteten  Epidermissäulen  besteht,  welche 
je  über  den  einzelnen  Papillengruppen  sich  aufgebaut  haben. 
Darnach  ist  aiach  die  Ansicht  auf  Querschnitten  verschieden,  je 
nachdem  weiter  unten  die  Papillen  mit  getroffen  worden,  oder, 
weiter  oben,  solche  fehlen  (Heschl's  Tall).  Die  einzelnen  Säulchen 
zeigen  oft  eine  concentrische,  den  Cancroidkörperchen  ähnliche 
Anordnung  der  Epidermiszellen  oder,  durch  Vertrocknung  der 
Elemente,  celluläres  Gefüge.  Hebt  man  das  Horn  ab ,  so  zeigt 
dessen  Basis  oft  Vertiefungen,  in  welche  die  hypertrophischen 
Papillengruppen  eingepasst  waren.  Es  ist  sicher,  dass  das 
Hauthorn  sich  über  präexistenten  hyperplastischen  Papillen 
entwickelt,  wie  in  Pick's  Eall  über  Condylomen.  Auch  wenn 
das  Hauthorn  in  einer  Grube  sitzt ,  wie  in  einem  erweiterten 
Eollikel,  oder  gar  nachweisbar  in  einer  Atherom-Höhle,  bilden 
dessen  Basis  papilläre  Auswüchse  (RraDFLEiscH),  obgleich  alls- 
dann  auch  die  Epidermidalauskleidungen  der  Drüsen  und  Haar- 
taschen mit  zur  Epidermisaufthürmung  beitragen.  So  habe  ich 
auf  der  Bauchwand  bei  einem  jtingen  Manne  solche  Auswüchse 
in  grosser  Menge  gesehen  und  entfernt,  die  binnen  wenigen 
Wochen  aus  einem  Atherom  entstanden  waren. 

Die  Hauthörner  sind  also  wesentlich  cumulirte  oder 
agglutinirte  Warzen  und  nicht  ihre  Entstehung,  nur  ihr  Ansehen 
hat  etwas  Abenteuerliches.  Lebert,  Hessberg,  Bergh,  Wilson, 
LozES  haben  den  Gegenstand  ausführlich  abgehandelt. 

Das  Cornu  cutaneum  wird  durch  einfaches  Abheben,  und 
Aetzen  der  paj)illären  Basis  beseitigt.  Bei  Gegenwart  einer 
Atheromwandung  muss  auch  diese  ausgeätzt ,  herausgeschält 
oder  einfach  herausgequetscht  werden. 

Die  Hauthörner  bilden  den  deutlichen  üebergang  zu  den 
Warzen  oder 

Keratosen  mit  Papillar-Hypertrophie. 

Warze,  Verruca,  heisst  jeder  der  vulgären  Bedeutung  des 
Wortes  entsprechender,  rundlich  höckeriger,  drusiger  Auswuchs 


,-,12  Einunddreissigste  Vorlesung. 

der  Haut.  Viele  "Warzen  sind  angeboren  —  V.  congenita  — 
erscheinen  aber  meist  erst  im  Verlaufe  der  späteren  Lebensmonate. 
Eine  solche  ist  gewöhnlicli  zugleich  dunkel  pigmentirt  und  mit 
Haaren  besetzt,   also  ein  Naevus  verrucosus  et  pigmentosus, 
von  verschiedenster  Grestalt,  Grösse,  Localisation,  oft  nach  dem 
Schema  des  Nervenverlaufes  —  Papilloma  neuroticum  —  und 
bestehen  entweder  das  ganze  Leben  hindurch,  oder  verschwinden 
auch  allmälig.     Die  meisten  Warzen  bilden  sich  erst  im  Ver- 
laufe der  späteren  Jahre  —  V.  acquisita  —  und  sind  entweder 
dauernd  —  V.  perstans  —  oder  hinfällig  —  V.  caduca.  Die 
häufigste  Form  ist  die  der  gemeinen  Warzen,  V.  vulgares, 
welche  Stecknadelkopf-  bis  erbsengrosse,  flach-erhabene  (V.  plana) 
oder  halbkugelige,  derbe,  wenig  empfindliche,  gelblich-weisse 
Hervorragungen  der  Haut,  mit  glatter  (V.  glabra),  drusiger, 
(Acrothymion) ,  zerklüfteter  oder  büschelförmiger  Oberfläche 
darstellen.    Sie  tauchen  in  langsamer  oder  rascher,  subacuter 
Weise,  zu  einzelnen,  oft  sehr  vielen  auf  den  Händen,  Füssen, 
am  Ohr,  im  Gesichte,  am  behaarten  Kopfe  meist  jugendlicher 
Personen  auf,  bestehen  monate-  und  jahrelang  und  verschwinden 
wieder  spontan.  Einzelne  persistiren  jahrelang  oder  zeitlebens. 
Ihre  Entstehungsursache  ist  unbekannt.    Der  volksthümliche 
Glaiibe  an  ihre  Ansteckungsfähigkeit  ist  ganz  unbegründet. 

Verruca  senilis  erscl^eint  als  linsen-  bis kreuzergrosse 
flache,  feindrusige,  schmutzig-braune  Auflagerung  am  Stamme, 
im  Gesichte,  an  den  Armen  alter  Personen.  Dieselbe  kann 
leicht  mit  dem  Nagel  weggekratzt  werden  iind  hinterlässt  einen 
blutenden,  mässig  hypertrophischen  Papillarkörper.  _ 

Spitze  Warzen,  Condylomata  acuminata,  Feig- 
warzen,  sind  fadenförmige,  zerklüftete,  oder  brombeerartig- 
drusige,  gehäufte  Auswüchse,  welche  auf  sonst  normaler,  nicht 
infiltrirter  Haut  aufsitzen,  und  der  specifischen  Reizung  der 
letzteren  durch  das  Trippersecret  ihre  Entstehung  verdanken. 
Sie  sind  weich,  succulent,  lebhaft  roth  und  nässend,  bei  ihrem 
Sitze  auf  Schleimhautpartien  und  da ,  wo  ihre.  Oberfläche  der 
Maceration  unterliegt,   wie   am   Scheideneingang,    auf  dem 
inneren  Vorhautblatt;   oder  trocken,  hart,  wenn  die  sie  be- 
deckende Epidermis  zu  verhornen  Gelegenheit  liat.  In  üppigster 
Wucherung  besetzen  sie  oft  dicht  gedrängt  die  Kranzfurche, 
Eichel  und  Vorhaut,  bei  Weibern  den  Scheideneingang,  die 
äusseren  Genitalflächen,  die  Mucosa  vaginae  et  portionis  vagi- 


Keratosen.  518 

nalis,  Perinaeiim  \md  die  Sclileimliaut  des  Rectum  bis  zum 
inneren  Spliincter. 

Obgleicli  die  spitzen  Condylome  zweifellos  durcli  Reizung 
der  Haut  und  Sclileimliaut  mittels  blennorrbagisclien  Secretes 
entstehen  und  durcli  Contact  nacbbarlicbe  Hautstellen  zu  gleiclier 


Fig.  29. 


Senkrechter  Durclisclinitt  eines  Zapfens  von  Cond,  acuminatuni. 

«  Papille  mit  Gefässschlinge,  c  Hornsohiolite  der  Epidermis,  d  Retescliiolite 
mit  vielea  proliferirenden,  zweikernigen  Stachelzelleu,  und  in  der  Höhe  b  mit 
Kundzellen  untermengt,  die  von  der  Zelleninfiltration  der  Papille  stammen 
mögen  (Wanderzellen).  Starke  Vergrösserung. 

K  apo  si ,  Hautkrankheiten.  33 


FjI^  Einunddreissigste  Vorlesung. 

Wucherung  veranlassen,  ist  docli  ihre  directe  (d.  h.  von 
Blennorrhoe  losgelöste)  Uebertragbarkeit  auf  andere  Personen 
bisher  nicht  gelungen ,  da  Kranz's  Experimente  der  directen 
Contagion  kaum  gelungen  sind  und  Zeissl's  Angabe  von  An- 
steckung per  Coitum  wohl  die  gleichzeitige  Uebertragung  der 
Blennorrhoe  nicht  ausschliesst. 

Die  anatomischen  Verhältnisse  bei  all'  diesen  Formen 
der  Warzen  sind  wesentlich  dieselben:  einfach  oder  verästigt 
ausgewachsene  Gefässschlingen,  welche  die  entsprechend  ver- 
grösserten  und  geformten  Papillen  grösstentheils  ausfiÜlen  und, 
auf  den  letzteren  aufsitzend,   ein  mächtig  entwickeltes  und 
proliferirendes  Rete  mucosum  (Fig.  29).  Ueber  diesem  thurmt 
sich  noch  bei  den  trockenen  Warzen  eine  starke  Hornzellen- 
decke auf.    In  den  Papülen  und  im  angrenzenden  Corium  ist 
eine  der  Lebhaftigkeit  der  Vegetation  entsprechende,  also  bei 
spitzen  Condylomen  ziemlich  beträchtliche  Zelleninfiltration  zu 
finden    welche  hier  bei  langer  Dauer  auch  zu  Bildung  von 
sclerot'ischem  Gewebe  führt.    Daher  erscheint  die  Basis  alter 
Condylome  meist  als  narbig-derbes  Bindegewebe. 

Anders  sind  die  als  V.  filiformes,  pendulae  zu 
bezeichnenden  Warzen  constituirt,  welche  als  fadenförmige  oder 
gestielt-kolbige,  weiche,  glatte,  mit  normaler  Epidermisdecke 
versehene  Anhängsel  an  der  zarten  Haut  des  Halses,  des 
Augenlides,  der  weiblichen  Brust,  oft  in  vielen  Exemplaren 
erscheinen  und  persistiren.  Diese  V.  mollusciformes  be- 
stehen aus  einem  von  der  Tiefe  die  Haut  vor  sich  herUiehtenden 
Bindegewebsauswuchse,  welcher  im  Stiel  ein  Gefass  fuhrt.  Der- 
selbe stellt  demnach  ein  kleines  Fibroma  molluscum  vor. 

AVelche  Bedeutung  das  Molluscum  verrucosum 
(s.  contagiosum,  Condyloma  subcutaneum  etc.)  habe,  ist  schon 
früher  (pag.  165)  auseinandergesetzt  worden. 

Die  Warzen  sind  operativ  zu  entfernen,  durch  Auslöffeln, 
Abtragen  mittels  Scheere ,  Abbinden,  Aetzen  mittels  Ferr. 
sesquiclüoretum,  rauchender  Salpetersäure,  Essigsäure ,  bolut. 
Plenckii  (ßp.  Suhl,  corros.;  Aluminis;  Cerussae:  Camphorae; 
Spirit  villi;  Aceti  viiii  aa.  5,00).  Die  spitzen  Warzen  der 
Schleimhaut  können  auch  durch  Plumb.  acet.  basicum,  Pulv. 
frond.  Sabinae,  Alum.  ustum  zum  Schrumpfen  gebracht  werden. 


Zweiunddreissigste  Vorlesung. 


Eine  diireli  ihren  speciellen  Symptomencomplex  eigen- 
tliümliclie  Stellung  unter  den  Keratosen  nimmt  die  als 

Ichthyosis,  Fischschuppenkrankheit, 

bekannte  Krankheitsform  ein. 

Iclitkyosis  charakterisirt  sich  als  eine  in 
frühester  Kindheit  sich  entwickelnde  und  meist 
das  ganze  Leben  hindurch  bestehende  Affection, 
bei  welcher  die  Haut  rauh  und  im  Allgemeinen 
trocken,  und  mit  dünnen  Schüppchen  und  Blättchen, 
oder  dicken  Platten  von  Epidermis,  oder  hornigen 
Warzen  besetzt  erscheint. 

Der  niedrige  Grad  der  Krankheit  —  Ichthyosis 
s  i  m  p  1  e  X  —  zeigt  ein  typisches  Grepräge  und  verschiedene 
Intensitätsabstufungen.  Jenes  bezieht  sich  vor  Allem  auf  die 
eigenthümliche  Localisation,  welche  mit  der  bei  Prurigo  hervor- 
gehobenen vollständig  übereinstimmt,  indem  vorwiegend  die 
Streckseiten  der  Extremitäten  von  der  Krankheit  befallen 
sind,  u.  zw.  mit  vom  Oberarme  zum  Unterschenkel  sich 
steigernder  Intensität ,  während  die  Haut  der  Kniekehle ,  des 
Schenkelbuges,  der  Ellenbeuge  vind  Achselhöhle  vollkommen 
normal  beschaffen,  geschmeidig  und  transpirirend  sich  erweist. 

Bei  der  leichtesten  Form  sind  die  Streckseiten  der  Ober- 
arme und  des  Oberschenkels  von  stecknadelkopfgrossen,  blass- 
rothen  Knötchen  besetzt,  welche  in  der  Mitte  ein  Schuppen- 
hübelchen tragen,  nach  dessen  "Wegkratzen  ein  zusammengerolltes 

.33* 


j^^^j  Zweiunddreissigste  Vorlesung. 

Härchen  zum  Vorscliein  kommt.  Diese  Knötchen  verleihen  der 
Haut  ein  raiih-holperiges  Anfälüen  und  Ansehen  und  stellen  die 
als  L  i  c  h  e  n  p  i  1  a  r  i  s  bekannte  AfFection  vor.  Ein  Geringes  von 
diesem  findet  sich  an  der  Aussenseite  des  Oberarmes  und  Ober- 
schenkels zwar  bei  jedem  Menschen,  namentlich  zur  Pubertäts- 
zeit, wenn  die  Lanugohaare  etwas  energischer  zu  spriessen 
beginnen.  Bei  Ichthyosis  besteht  aber  L.  pilaris  von  Kindheit 
ab  constant  und  occupirt  derselbe  oft  nebst  den  Extremitäten 
auch  den  ganzen  Stamm,  so  dass  das  Bild  einer  stabilen  Cutis 
anserina  zugegen  ist.    Was  T.  Eox  nach  einem  beobachteten 
Falle  als  „Cacotrophia  foUiculorum"  bezeichnet  und  abgebüdet 
hat,   scheint  mit  dem  übereinzustimmen. 

Häufiger  ist  jene  Form,  bei  welcher  die  Hautoberfiäche 
der  Extremitäten  durch  linsen-  bis  pfenniggrosse,  schmutzig- 
weisse  bis  graiüiche,  polygonale  Epidermisblättchen  bedeckt 
ist  welche  in  der  Mitte  festsitzen,  oder  deUig  vertieft 
(I  'scutelata,  Schönlein),  an  den  Rändern  aufgehoben  und 
glimmerartig  durchscheinend  sind  und  neben  scharfer  Ausprä- 
gung der  Linien  und  Furchen  der  Haut  dieser  ein  markant  ge- 
feldertes  Ansehen  verleihen  -  L  nacree  (Alibekt),  nitida. 

Eine  weitere  Steigerung  des  Processes  stellt  die  J^orm 
derl  serpentinavor,  bei  welcher  die  genannten  Hautflachen 
und  auch  die  des  Unterleibes  und  Rückens  graugrün,  schmutzig, 
wie  seit  lange  ungebadet,  mit  dickeren  Epidermisschuppen 
besetzt  erscheinen,  während  über  _ den  Knieen  und  EUbogen 
trockene,  warzige  Erhabenheiten  sitzen. 

^n  all'  den  SteUen  ist  die  Haut  rauh,  trocken,  nicht 
transpirirend;  das  Darüberfahren  mit  der  Flachhand  ver- 
ursacht ein  rauhes  Geräusch;  unter  dem  kratzenden  Fingeriiagel 
blättert  sich  weisser  Epidermisstaub  ab.  Aber  eme  aufiallige 
Desciuamation,  etwa  wie  bei  Psoriasis,  ist  bei  Ichthyosis  nicht 
zu  temerk^n.^^^  ^^^^^^  ^^^^^^^^.^^^ 

faUs  fleckenweise  schmutziggrau,  trocken  und  «^M^P^S'J^^^ 
behaarte  Kopf  kleiig  (Pityriasis),  mit  dünnen ,  spröden  Haaxen 
besetzt    Die  Nägel  sind  öfters  stichelig  und  bruchig. 

Flachhand  und  Fusssohle  sind  in  der  Regel  verschont, 
doch  gibt  es  Fälle ,  in  welchen  diese  eb^ifalls  o^^-^^^^ 
.lieh  von  schwieliger  Epidermis  und    hornigen  E-ci^— 
das  ganze  Leben  Mndurch  besetzt  sind  -  L  localis.  Ebenso 


Ichtliyosis. 


517 


pflegen  dieselben  beim  höchsten  Grade  der  Kranklieit  mit  be- 
fallen zu  sein. 

Dieser  höchste  Grad  des  Hebels  wird  als  Ichthy  o  sis 
hystrix  s.  Hystricismns  bezeichnet. 

Bei  demselben  finden  sich  neben  den  Erscheinungen  der 
I.  Simplex  auch  dicke ,  diffuse  und  plattenförmige ,  nagelkopf- 
ähnliche Schwielen  an  der  Flachhand  und  Fusssohle,  ausserdem 
aber,  als  charakteristisch,  hornige  Warzen  in  grosser  Menge 
und  dichter  Anordnung,  oft  in  dem  Nervenverlaufe  entspre- 
chender Richtung,  so  dass  man  sehr  geneigt  sein  könnte,  das 
Ganze  als  ein  viele  Körperstellen  betreffendes  neiTTotisehes 
Papillom  anzusehen,  umsomehr  als  auch  Pigmentosen  den 
Zustand  begleiten.  An  einem  Kranken  haben  wir  den  Körper 
von  der  Stirne  zur  Symphyse,  vom  Scheitel  bis  zum  Steissbein, 
durch  eine  vordere  und  hintere  braune  Pigmentlinie  median 
abgetheilt  und  solche  Streifen  längs  der  Nn.  cutanei  der  Ex- 
tremitäten ziehen  gesehen,  alle  seitlich  von  papillären,  bis 
1  Ctm.  hohen  Warzen  begleitet.  In  dem  Falle  von  Hebea"s 
Atlas  laufen  die  Warzen  gleich  einem  Zoster  in  der  Richtung 
der  Intercostalnerven. 

Der  Verlauf  der  Ichthyosis  bietet  sehr  wenig  Ab- 
wechslung in  den  Symptomen.  Bei  I.  hystrix  können  zufällig, 
oder  unter  örtlichen  Exsudationsvorgängen,  die  mächtigen 
Epidermisschuppen  abfallen;  ja  es  wird  berichtet,  dass  durch 
allgemeine  Abschälung  eine  Art  „Mauserung"  stattfindet: 
allein  die  Schuppen  restituiren  sich  wieder.  Li  einem  Falle 
hat  Hebra  nach  schwerer  Variola  eine  solche  Decrustation 
und  dauernde  Heilung  gesehen.  Bei  den  Formen  der  I.  simplex 
bekommt  man  zwar  ebenfalls  den  Eindruck  eines  höchst  trägen 
Stoffwechsels ,  allein  es  ändert  sich  doch  zeitweilig  das 
Krankheitsbild  durch  das  Auftreten  von  Eczem  an  den 
ichthyotischen ,  wie  auch  an  den  sonst  gesunden  Hautstellen, 
zu  dessen  Entstehung  das  Kratzen  Veranlassung  gibt,  da 
I.  simplex  stets  von  ziemlich  belästigendem  Jucken  be- 
gleitet ist. 

Durch  anatomische  und  chemische  Untersuchungen 
der  ichthyotischen  Haut  und  ihrer  Secretions-  (Epidermis-) 
Producte  haben  viele  Forscher  das  Räthsel  dieser  Krankheit 
zu  lösen  versucht,  doch  bisher  ohne  Erfolg.  Obgleich  Hyper- 
trophie der  Epidermis  und  Papillen   frühzeitig  (Rokitaksky, 


f^j^g  Zweiunddreissigste  Vorlesung. 

Baerensprung ,  Gr.  Simon)  constatirt  wurde,  so  hat  man  doch 
auch  eine  verzögerte  Ahstossiing  der  verhornten  Zellen  zugleich 
für  die  Bildung  der  mächtigen  Ichthyosiskrusten  verantwortlich 
gemacht,  und  deren  Ursache  in  einer  festeren  Verklebung  der 
Epidermiszellen  durch  ein  alterirtes  Drüsensecret  (Büchner), 
oder  durch  fettige  Degeneration  (Schabel)  oder  aparte  chemische 
Bestandtheile  (Schlossberger ,  Franz  Simon,  Marchand)  der 
Epidermis  sehen  wollen. 

Die  Verhältnisse  bei  I.  hystrix  sind  nicht  andere  als  bei 
alten  Warzen  :  enorm  verlängerte  PapiUen  ,  über  welchen  die 
Hornschichte  zu  mächtigen  Kegeln  emporgethürmt  ist.  Die 
eigenthümliche,  zwiebelschalenartige  Fügung  der  letzteren,  die 
verschiedene  Färbimg  einzelner  Schichten,  die  Bildung  von 
Schrumpf ungsräumen  innerhalb  derselben,  das  Alles  ist  ledig- 
lich Folge  des  langen  Liegenbleibens  jener  Epidermismassen. 


Fig.  30. 


Iclithyosis. 


519 


Erweiterte  Gefässe  und  massige  Zelleninfiltration  in  den  Papillen 
und  im  Corium,  nebst  Sclerosirung  des  Bindegewebes  ergänzen 
das  anatomische  Bild  (Fig.  30),  während  die  Drüsen  und  Haar- 
follrkel  streckenweise  normal  sind,  an  anderen  Stellen  eine 
Fortsetzung  des  excessiven  Verhornungsprocesses  auf  die  Haar- 
wurzelsclieiden  aufweisen.  Bei  I.  nitida  und  serpentina  wird  zwar 
auch  Aehnliches  angegeben.  Ich  habe  aber  an  Hautstücken  vom 
Unterschenkel  solcher,  durch  dünne  Schuppenblättehen  charak- 
terisirter  Ichthyosis  weder  Hypertrophie  der  Papillen,  noch  der 
Epidermis  nachweisen  können,  wohl  aber  an  Stellen,  die,  z.  B. 
über  dem  Knie,  mächtigere  Schuppen  tragen,  oder  gar  warzig 
erscheinen.  Daneben  ist  überall  ärmliche  Entwicldung  des 
Panniculus  adiposus  zu  constatiren.  Was  mir  aber  sowohl  bei 
I.  Simplex  als  bei  I.  hystrix  aufiFäUig  schien,  das  ist  der  plötz- 
liche Uebergang  der  ßetezellen  in  die  Hornschichte  und  ein 
Uebermass  von  Eättsubstanz  zwischen  jenen.  Dadurch  scheint 
mir  einerseits  die  relative  Schmächtigkeit  der  Schleimschichte 
gegenüber  der  mächtigeren  Hornschichte,  und  andererseits 
das  lange  Verharren  der  Hornzellen  in  loco  bedingt  zu  sein. 
Dieses  Verhältniss  springt  noch  mehr  in's  Auge  bei  I.  hystrix. 
Denn  während  bei  anderen  PapiUar-Keratosen  einer  mächtigen 
Hornschichte  ein  noch  mächtigeres  und  lebhaft  proliferirendes 
Rete  entspricht,  wie  (in  Eig.  29)  bei  spitzen  Warzen,  sieht  man 
bei  I.  hystrix  (Eig.  30)  ein  colossales  Hornlager  über  einem 
schmächtigen,  saftarmen,  träge  vegetirenden ,  fast  atrophi- 
schen Rete. 

Die  Ursache  der  Ichthyosis  scheint  also  in  einer  ört- 
lichen Vegetations- Anomalie  der  Cutis,  besonders  der  Epidermis- 
und  Fettsubstanz  zu  liegen.  Dieselbe  ist  angeboren  und 
hereditär.  Doch  kommen  die  Erscheinungen  der  Ichthyosis 
erst  im  Verlatife  des  zweiten  Lebensjahres  zur  Entwicklung, 
niemals  findet  man  dieselben  schon  an  dem  Neugebornen. 

Was  als  I.  congenita  früher  beschrieben  wurde,  bezieht 
sich  auf  eine  diu^ch  seborrhoische  Massen  gebildete  Incrustation 
(Cutis  testacea)  mancher  Neugeborener,  ist  ein  heilbarer  und 
vorübergehender  Zustand  und  heisst  besser  I.  sebacea  (s. 
pag.  149). 

Die  Heredität  der  Ichthyosis  ist  m  vielen  Fällen 
erweisbar.  Entweder  bekommen  alle  Kinder  eines  ichthyotischen 
Elterntheiles  die  Krankheit,  oder  nur  einzelne ,  manchmal  im 


520 


Zweiunddi'oissigste  Vorlesung. 


correspondirenden,  oder  im  gegentheiligen  Gesdilechte.  So 
kannten  wir  eine  ichtliyotisclie  Mutter,  deren  fünf  Söhne  alle- 
sammt  das  TJebel  zeigten,  während  die  drei  Töchter  ichthyosis- 
frei  waren.  Manchmal  tiberspringt  auch  die  Krankheit  eine 
Greneration,  um  in  der  nächsten,  oder  einer  Seitendescendenz 
aufzutauchen.  Zuweilen  ist  allerdings  die  Ererbung  nicht  nach- 
weisbar. Eine  gewisse  Berühmtheit  hat  die  Familie  Lambert 
(Vater  und  zwei  Söhne)  erlangt,  welche,  mit  I.  hystrix  behaftet, 
im  vorigen  Jahrhunderte  viele  Jahre  hindurch  als  „ Krusten 
oder  „Stachelschweinmenschen"  (porcupinemen)  eine  öffentliche 
Sehenswürdigkeit  abgaben  und  von  Ludavig  und  Tilesius  be- 
schrieben und  abgebildet  worden  sind. 

Greschlecht,  Stand,  Lebensweise,  Ungunst  der  physischen 
Pflege  im  frühesten  Kindesalter  und  andere  allgemeine  Momente 
scheinen  keinen  ätiologischen  Grrund  für  I.  abzugeben. 

Man  hat  neben  der  hier  besprochenen  idiopathischen 
auch  eine  consecutive  Ichthyosis  angenommen,  als  Bezeich- 
nung fürEpidermidal-  und  Papillarhypertropliie  undPachydermie, 
welche  in  Folge  von  chronischen  Hautentzündungen,  Neoplasien, 
namentlich  an  den  Unterschenkeln  auftreten,  und  Esoff  hat 
sogar  die  anatomische  Untersuchung  einer  derart  afficirten 
Hautpartie  ohneweiters  auf  Ichthyosis  bezogen.  Ich  glaube, 
dass  man  besser  thut  diese  Formen  zur  Elephantiasis  Arabum 
zu  rechnen  und  den  Begriff  der  Ichthyosis  in  dem  besprochenen 
Sinne,  als  einer  angeborenen  und  idiopathischen,  tj^'pisch  locali- 
sirten  und  beständigen  Affection  festzuhalten. 

Leichtere  Grade  von  I.  simplex  können  bei  sorgfältiger 
und  jahrelang  fortgesetzter  Hautpflege  gemildert  oder  beseitigt 
werden.  Bei  intensiverer  Erkrankung  werden  complicirendes 
Eczem  und  zeitweilige  Steigerung  der  Trockenheit  und  Schülfe- 
rung  der  Haut  immer  erneuerte  Hilfeleistung  nothwendig  machen. 
I.  hystrix  ist  selbstverständlich  unheilbar  und  die  Prognose 
also  bei  I.  im  Allgemeinen  nicht  günstig.  Auch  der  Umstand 
der  möglichen  Vererbung  dürfte,  namentlich  als  facultatives 
Ehehinderniss,  gelegentlich  hervorgehoben  werden  müssen. 

Zur  Behandlung  der  I.  eignen  sich  alle  jene  Mittel 
und  Verfahrungsweisen ,  welche  eine  rasche  Erweichung  und 
Abstossung  der  Epidermisschuppen  iind  Schwielen  bewirken 
und  in  der  allgemeinen  Therapie,  sowie  zur  Behandlung  von 
Psoriasis,  Prurigo,  Eczema  scpamosum  und  Tj-losis  empfohlen 


Hypertrophie  der  Haare. 


521 


worden  sind :  cyclisclie  Innnctionen  mittels  Schmierseife, 
AVii-KiNSOx'scher  Salbe,  Lebertliran  nnd  anderen  Fetten,  ferners 
Bäder,  Seifenwaschungen,  Ivautschuk-EinMillungen.  Ist  durch 
derartige  Verfahren  die  ichthyotische  Haut  glatt  und  geschmeidig 
geworden,  so  strebt  man  du.rch  fleissiges  Baden  und  Einschmieren 
von  blanden  Fetten,  Vaseline,  Axungia,  Coldcream,  Glycerin, 
Una-u.  Grlvcerini  etc.  die  Haiit  in  solchem  Zustande  zu  erhalten. 
Medicamentöse  Zuthaten  wie  Crotonöl  (5  ad  200,  nach  Wilson), 
Citronensäure  und  manches  andere  Empfohlene  haben  keine 
specifische  Wirkung,  ebenso  wie  alle  bisher  versuchten  inneren 
Medicationen,  Arsen,  Aqua  picea,  sich  fruchtlos  erwiesen  haben. 

Mächtigere  ichthyotische  Schwielen  können  noch  besonders 
durch  Application  von  Schmierseifen  -  Umschlägen ,  Aetzung 
mittels  concentrirter  Kalilösung  (1 :  2),  Essigsäure,  Auflegen  von 
Empl.  hydrargyri  erweicht,  oder  mittels  Schablöffels  abgetragen 
werden,  während  papillomatöse  Auswüchse  nach  den  bei  den 
Papillomen  überhaupt  besprochenen  Methoden  beseitigt  werden 
müssen.  Selbstverständlich  wird  man  bei  I.  hystrix  nur  rück- 
sichtKch  besonders  aiiffäUig  situirter  Excrescenzen  einen  Eingriff 
vornehmen,  da  eine  Beseitigung  aller  hypertrophisclien  Grebilde 
ja  praktisch  unausführbar  ist. 

Zur  Grruppe  der  Keratosen  ist  ergänzungsweise  noch  an- 
zufügen die  Hypertrophie  der  Haare  luid  Nägel. 

Hypertrophie  der  Haare. 

Hypertrichosis,  Hirsiities,  Polytrichie,  Trichauxis, 
erscheint  als  ein  mit  Rücksicht  auf  das  individiTclle  Alter  ruid 
Geschlecht,  sowie  auf  die  besondere  Localisation  abnorm 
gesteigerter  Haarwuchs.  Selbstverständlich  handelt  es 
sich  hier  nicht  um  Neuentwickelung  von  Haaren,  sondern  nur 
um  übermässiges  Wachsthum  der  bereits  vorhandenen  und 
physiologisch  vorgebildeten  Haare. 

Uebermässige  Behaarung  ist  entweder  angeboren,  oder 
entwickelt  sich  erst  im  Verlaufe  des  extrauterinen  Lebens 
— Hirsuties  adnata  et  acquisita.  Viele  Kinder  bringen 
ungewöhnlich  lange  Kopf-  oder  Körperhaare  (Lanugo)  zur  Welt, 
die  aber  später  ausfallen,  selten  aber  auch  persistiren.  Eine 
Monstrosität  stellt  die  Hirsuties  universalis  (Dasytes)  vor, 
wobei  Gesicht  und  Körper  mit  mehrere  Centimeter  langen, 
weichen,  blonden  bis  braunen  Lanugohaaren  bedeckt  ist.  Wir 


522 


Zweiunddreissigste  Vorlesung. 


haben  niclit  nötliig  auf  alte  Erzählungen  und  Mythen  über  das 
„Versehen"  zxxrückzngreifen,  um  uns  solche  Fälle  zu  vergegen- 
wärtigen. Im  Jahre  1873  hat  sich  ein  solches  Paar,  Vater 
und  Sohn  aus  ßussland ,  öffentlich  producirt,  und  im  hiesigen 
klinischen  Hörsaal  hängen  die  lebensgrossen  Porträts  von  Vater, 
Sohn  und  Tochter  (Bürgermeisterfamilie  aus  Nürnberg,  aus  dem 
15.  Jahrhundert),  die  mit  H.  universalis  behaftet  waren. 

H.  acquisita  ist  meist  auf  kleinere  Hautflächen  be- 
schränkt. Hieher  gehört  der  Haarwuchs  auf  Pigmentmälern 
(Naevi  pilosi),die  seltene  Monstrosität  des  vollen  männlichen  Bart- 
wuchses bei  Frauen,  und  die  häufigere  Anomalie  des  Spriessens 
von  dicken,  bürstenartigen  Haaren  auf  der  Oberlippe  und  am 
Kinn  von  weiblichen  Personen,  seltener  bei  jiagendlichen 
und  sexuell  normal  functionirenden ,  häufiger  bei  sterüen  oder 
jenseits  des  Klimax  stehenden.  Doch  hat  z.  B.  die  Frau  mit  dem 
prächtigen  Vollbarte,  welche  Duheing  abgebildet  hat,  mehrere 

Kinder  geboren. 

Endlich  wäre  noch  eine  übermässige  Entwicklung  der 
Kopf-  und  Barthaare  überhaupt  hierher  zu  zählen.  Ich  habe 
eine  mittelgrosse  junge  Dame  gekannt,  deren  hellblondes  üppiges 
Kopfhaar  bis  aiif  den  Boden  herabwaUte  und  besitze  das  Porträt 
eines  Bergmannes,  dessen  Bart  4'  lang  bis  zur  Erde  hing 
und  von  dessen  Besitzer  zusammengefaltet  imd  m  den  Brust- 
latz gesteckt  getragen  wurde. 

Anatomisch  unterscheiden  sich  die  als  übermässig  dicht, 
massig,  lang  erscheinenden  Haare  der  Hypertrichosis  nicht 
von  normalen  Haaren. 

Für  manche  Formen  der  Hypertrichosis  kann  eine  plausible 
Ursache  angenommen  werden,  so  für  die  Hirsuties  universalis 
adnata  Heredität,  wie  die  obigen  Beispiele  zeigen;  für  die 
H.  faciei  bei  Frauen  manchmal  sexuelle  Functionsstörungen, 
obgleich  in  anderen  Fällen  solche  sicher  fehlten.  Durch  örtlich 
gesteigerte  oder  alterirte  Ernährung  kann  das  übermässige 
Spriessen  der  Haare  erklärt  werden,  welches  an  durch  Can- 
thariden,  Ungu.  cinereum,  irritirten  Hautstellen,  oder  auf  ge- 
lähmten Extremitäten  zuweilen  beobachtet  worden  ist. 

Die  Behandlung  der  entstellenden  HjTiertrichosis  wird 
in  der  Regel  nur  bei  gewissen  Formen  derselben  verlangt. 
Hirsuties  adnata  universalis  ist  einer  Therapie  kaum  zugänglich. 
Auch  fallen  ja  in  den  meisten  Fällen  die  Haare  bald  aus,  lun 


Hypertrophie  der  Haare. 


Ö23 


normallangem  Lanugo  Platz  zu  maclien ,  nnd  perslstirt  jenei' 
Zustand  nur  liöclist  ausnahmsweise.  Am  häufigsten  wird  die 
Hilfeleistung  in  Anspruch  genommen  gegen  die  dicken,  borstigen 
Haare  von  frei  situirten  Warzen  und  Pigmentmälern  und  den 
abnormen  Bartwuchs  bei  weiblichen  Individuen. 

Die  ersteren  werden  am  besten  zugleich  mit  der  Eadical- 
exstirpartion  der  Naevi  entfernt.  "Wofern  aber  diese  belassen 
werden  und  es  sich  blos  um  Beseitigung  des  entstellenden  Haar- 
wuchses hier,  oder  auf  sonst  normaler  Haut  des  Glesichtes,  der 
Hände  etc.  handelt,  muss  man  nach  Umständen  verschiedene 
Methoden  einschlagen.  Das  Palliativverfahren  des  fleissigen 
Rasirens  mit  dem  Messer  erfüllt  den  Zweck  unvollständig ,  da 
die  aus  den  Follikelwandungen  lugenden  Haarstiimpfe  ein  weib- 
liches Antlitz  fast  eben  so  entstellen  würden,  wie  die  langen 
Haare.  Besser  ist  das  Ausätzen  der  Haare  mittels  einer  Paste, 
welche  bei  den  Orientalen  und  den  orthodoxen  Juden  zur 
periodischen  Entfernung  des  Bartnachwuchses  in  habitueller  Ver- 
wendung steht.  Operment  (Schwefelarsen,  Aiu-ipigment)  und 
II  n  gelöschter  Kalk  werden  mit  Wasser  zu  einem  Brei  ver- 
rührt und  aufgekocht;  dieser  wird  sodann  mittels  Spatels  auf 
die  behaarte  Hantstelle  aufgetragen ,  etwa  zehn  Minuten ,  bis 
zum  Eintrocknen,  liegen  gelassen  und  dann  rasch  mittels  stumpfen 
Messers  weggeschabt.  Die  Haut  wird  dann  mit  lauwarmem 
Wasser  abgewaschen,  mit  weissen  Schminken  beschmiert  und 
eingepudert.  Schwefelcalcinmpaste,  welche  durch  Ein- 
leiten von  Hyrothiongas  in  Kalkhydrat  gewonnen  wird,  wirkt 
noch  rascher. 

Da  diese  Pasten  bis  in  den  Follikel  hinein  den  Haarschaft 
ausätzen ,  so  sieht  die  so  behandelte  Haut  glatt  aus  \mi 
erscheint  der  Nachwuchs  erst  nach  2 — 3  Wochen,  nach  welchem 
Intervall  die  Application  wiederholt  wird.  Bei  geringer  Zahl 
der  Haare  ist  die  Epilation  wohl  am  räthlichsten,  die  selbst- 
verständlich ebenfalls  periodisch  wiederholt  werden  muss.  Als 
radicale  Curmethode  ist  das  Einstechen  von  durch 
Feuer  oder  galvanisch  glühend  gemachten,  oder  in  ätzende 
Flüssigkeiten,  Carbolsäure,  Chromsäure,  getauchten  Nadeln  in 
die  einzelnen  Haarfollikel  empfohlen  worden.  Es  ist  klar,  dass 
das  Vordringen  bis  zur  Haarpapille,  mit  deren  Zerstörung  ja 
allein  der  Effect  erzielt  wäre,  bei  der  schiefen  und  gar  nicht 
berechenbaren  Richtung  der  einzelnen  Follikel  höchst  proble- 


524 


Zweinntldreissigsto  Vorlesung. 


matiscli  ist  tind  diese  Methoden  auch  ausserdem  kaum  empfelilens- 
werth  sind,  da  sie  Narben  setzen.  Auch  Acuinmctur  in  Verbin- 
dung mit  massig  starkem  constantem  Strom,  der  durch  Elektrolyse 
wirken  sollte,  ist  angerathen  worden.  Von  all'  diesen  Methoden 
hat  BuLKLEY  das  einfache  Einstechen  einer  dreikantigen  Nadel 
behalten  und  empfohlen,  welche,  indem  das  betreffende  Haar 
mittels  Pincette  angezogen  und  so  der  Follikel  angespannt 
wird,  in  diesen  eingestochen  und  einigemal  um  ihre  Axe  rotirt 
werden  soll.  Bei  Eleiss  und  Aufmerksamkeit  ist  ein  theil- 
weiser  Erfolg  vielleicht  davon  zu  erwarten. 

Vor  Abschluss  dieses,  der  Hypertrophie  der  Haare  ge- 
widmeten Capitels  dürfte  es  nicht  unzweckmässig  sein,  noch 
des  als  „Weichselzopf",  „Plica  polonica",  in  der  Literatur 
bekannten  Zustandes  zu  gedenken.    Sachlich  bedeutet  derselbe 
eine  V  e  r  f  i  1  z  u  n  g  d  e  r  H  a  a  r  e,  welche  zumeist  die  des  Kopfes, 
seltener  des  Bartes  oder  der  Schamgegend  betrifft.    Man  hat 
aber  lange  Zeit  hindurch  der  Plica  auch  eine  nosologische 
Bedeutung   zugeschrieben,  namentlich  rücksichtlich  der  Gre- 
genden,  wo  dieselbe,  wie  in  Polen  und  Russland,  in  zahlreichen 
Fällen,  im  Posen'schen  z.  B.  noch  im  Jahre  1842  über  5000, 
also  quasi  „endemisch"  sich  vorfand!    Da  man  gesehen,  dass 
solche  Plicae  bei  lange  Zeit  das  Bett  hütenden  Schwerkranken 
sich  einstellten,  so  war  man  rasch  dabei,  dieselben  als  Meta- 
stasen innerer  Erkrankungen  anzusehen,  und  folgerichtig,  wenn 
der  AVeichselzopf,  der  im  Inneren  des  Körpers  sub  forma  von 
Eclampsie,  Epilepsie,  Eheumatismus  etc.  wüthete,  nach  aussen 
sich  abzulagern  zögerte,  denselben  sogar  künstlich  zu  erzeugen, 
indem  man  die  Haare  mittels  Pech,  Honig  verfilzte  und  die 
weitere  Entwicklung   der  Plica  durch  das  Unterlassen  des 
Kämmens  begünstigte.     Ja,   auch   das   „Zurücktreten"  des 
Weichselzopfes   musste   man    nun  fürchten  und  daher  vor 
dessen  „Erkältung",  noch  mehr  vor  dessen  Heilung  warnen. 
Das  „Abwachsen"  und  „Abfallen"  des  Weichselzopfes,  „Blu- 
tung"   und  „Schmerzhaftigkeit"   bei  dessen  Durchschneidung, 
wurden  als  Beweis  seines  organischen  Lebens  angeführt,  während 
ein  von  Günsbueg  der  Plica  zugeschriebener  Pilz  und  ihre 
Classification  in  männliche  und  weibliche ,  einfache  und  com- 
plicirte  (Alibert)  ihre   wissenschaftliche    Existenz  stützen 
sollten.    Die  literarischen   Kämpfe,    welche    noch    in  den 


Hypei'tropliie  der  Nägel. 


525 


Fünfziger  Jaliren  Beschorneb  ,  Hamburger,  Hebra  u.  A. 
gegen  den  Aberglauben  der  Plica-Krankheit  führten ,  sind  heute 
überflüssig  geworden.  Wir  wissen,  dass  die  Verfilzung  der 
Haare  nur  dann  entstellt,  wenn  diese  nicht  gekämmt  werden, 
und  so  finden  sich  derartige  Fälle  bei  uns  und  überall  an 
Personen,  die  aus  Nachlässigkeit,  oder  wegen  schmerzhafter 
AiFection  der  Kopfhaut  (Eczema  idiopathicum  et  e  pedictilis, 
Ulcera  syphilitica)  das  Kämmen  unterlassen,  besonders  wenn 
Geschwürssecrete  und  Exsudate  cUe  Verldebuug  der  Haare 
begünstigen.  Die  Endemien  von  Plica  sind  erloschen,  seit  die 
betreff'enden  Bevölkerungen  durch  Aiifklärung,  oder  behördliche 
Einflussnahme,  ihre  Weichselzöpfe  mittels  Scheere  imd  Kamm 
auszm-otten  veranlasst  worden  und  die  jüngere  Generation  des 
Kammes  sich  regelmässig  bedient.  Die  sporadisch  sich  dar- 
bietenden Pälle  von  Weichselzopf  werden  nach  der  Methode 
des  Eczema  Capilitii  (pag.  417)  behandelt.  Nachdem  die  auf- 
lagernden Krusten  mittels  gewöhnlichen,  oder  läusetödtenden 
Oelen  (Petroleum,  Bals.  peruv.)  erweicht  und  durch  Seifen- 
waschung abgelöst  worden,  schlichtet  man  mittels  Einger  und 
Kamm  die  verwirrten  Haare,  von  ihrer  Spitze  gegen  den 
Haarboden  vorschreitend ,  ohne  grosse  Mühe  und  damit  ist 
die  Plica  behoben. 


Hypertrophie  der  Nägel. 

Die  über  dieNorm  gehende  Zunahme  desNagels 
anMasse  und  Umfang  bezeichnet  man  als  dessen  Hyp  e  r- 
tr  0 p hi  e.  Beide  diese  Zustände  treffen  nicht  immer  zusammen ; 
wohl  aber  ist  durch  dieselben  Veränderung  in  der  Structur, 
Farbe,  Consistenz  und  Form  des  Nagels  in  der  ßegel  mit 
bedingt. 

Der  hypertrophische  Nagel  erscheint  übermässig  lang 
und  überragt  dann  die  Fingerspitze  um  ein  Mehrfaches 
seiner  Normallänge;  dabei  behält  er  die  normale  Breite, 
Richtung  und  Beschaffenheit;  oder  er  ist  im  überragenden 
Theüe  dünn,  glasartig,  brüchig;  oder  verbreitert,  verdickt, 
käsig  trübe,  höckerig,  einfach  krallenförmig  oder  mehrfach, 
widderhornartig,  gekrümmt  (Onychogryphosis).  Ein  ander- 
mal ist  der  Nagel  nicht  verlängert,  aber  bei  sonst  normaler  Be- 
schaffenheit verbreitert,  so  dass  dessen  Ränder  in  den  Nagel- 


526 


Zweiunddreissigste  Vorlesung. 


falz  einschneiden,  diesen  zu  schmerzhafter  Blutung,  Entzündiuig. 
Eiterung,  üppiger  Grranulation  bringen  (Paronychia).  Oder 
endlich  der  Nagel  erscheint  unförmlich  verdickt,  bucklig, 
höckerig,  stachelig  aufgetrieben,  dabei  hart  oder  brüchig,  an 
der  Obei-fläche  von  Längs-  und  Querfurchen  und  Gruben  besetzt, 
rauh  (AsjDeritas  unguium) ,  am  vorderen  Rande  aufgetrieben 
und  compact,  oder  grobzellig  und  vom  Nagelbette  aufgestülpt. 

Die  geschilderte  Veränderung  betrifft  entweder  nur  ein- 
zelne Finger-  oder  Zehen -Nägel  und  letztere  Adel  häufiger, 
oder  allesammt. 

Anatomisch  erweist  nur  der  zugleich  degenerirte  hyper- 
trophische Nagel  eine  von  der  Norm  abweichende  Anordnung 
und  BeschaflFenheit  der  Hornzellen.     Dazu  kommt  bei  den 
excessiven  und  chronischen  Formen  der  Nagelhypertrophie  ein 
Auswachsen  der  Papülen  der  Matrix,  welche  als  gefässreiche 
Pulpe  von  da  bis  auf  mehrere  Millimeter  Länge,  bis  über  die 
Mitte  des  Nagelbettes,  in  den  Nagelkörper  hineinreichen,  so 
dass  man  beim  Durchschneiden  des  Nagels  in  solcher  Höhe  auf 
blutende  Papillen  trifft.    Bei  den  acuten  und  vorübergehenden 
Formen  der  Nagel-Hypertrophie  und  Entartung  dagegen  findet 
sich  blos  hyperämische  oder  entzündliche  Schwellung  der  Pa- 
pillen, oder  auch  gar  keine  erkennbare  Alteration.    Das  Nagel- 
bett ist  manchmal  scheinbar  nicht  verändert  oder  es  sind  dessen 
Leisten  ebenfalls  hypertrophirt,  mit  zahlreichen  Papillen  besetzt 
(ViKCHOw) ,  wodann  von  hier  ebenfalls  eine  hyperplastische 
Epidermismasse  j)roducirt  wird,  welche  von  unten  her  die 
Nagelmasse  verdickt  oder  den  Nagelkörper  aufhebt.  Diese 
Veränderungen  stehen  im  directen  Verhältnisse  zvir  speciellen 
Ursache  der  Nagelhypertrophie.   Einzelnen  Fällen  mag  eine 
angeborene  Anlage  zu  Grrunde  liegen.    Das  Unterlassen  des 
periodischen  Abschneidens  der  Nägel  führt  nur  zuweilen  zu 
deren  Hypertrophie;    häufiger    dauernd  wiederholter  Driick 
auf  die  Zehen,  namentlich  die  randständigen  grossen  \md  kleinen 
Zehen,  eine  Schädlichkeit,  die  an  anderen  Hautstellen  eine  ana- 
loge Bildung,   Schwielen  und   Papillär  -  Hypertrophie  veran- 
lasst;   ferners   alle    jene   chronischen    Processe    der  Haut, 
welche  an  anderen  Stellen  Zellen -Lifiltration  des  Papillar- 
stratums  und  Epidermis  -  Hyperplasie  setzen,  als  chronisches 
Eczem,  Psoriasis,  Liehen  ruber,  Elephantiasis  Arabum,  Lepra, 
SjTphilis  und  Ichthyosis.    Bei  Letzterer  triffi  man  oft  grypho- 


Hypertrophie  der  Nägel. 


527 


tische  Entartung  der  Nägel.  Bei  SypMis  Lescliränkt  sicli  die 
Veränderung  oft  auf  einen  Tlieil  des  Nagels,  entsprechend  einer 
nur  einen  Tlieil  der  Matrix  -  Papillen  infiltrirenden  Papel  und 
ist  jene  bleibend,  wenn  ein  Theil  der  Papillen  durch 
Schrumpfung  oder  Ulceration  zu  Grunde  gegangen  ist.  Eezem, 
Psoriasis,  Liehen  ruber  führen  Entartung  aller  Nägel  herbei, 
auch  wenn  jene  Processe  nicht  direct  die  Finger  betreffen, 
also  in  reflectorischer  Wirtog.  Auch  manche  allgemeine 
Zustände  des  Organismus  scheinen  zu  Trübung,  Eurchung, 
Abbröckelung  der  Nägel  Veranlassung  zu  geben,  wie  nach 
HüTcamsoN die  sj^jhilitischeDyathese  —  Onychia  syphilitica 
—  die  aber  nichts  Anderes  zu  sein  scheint,  als  die  in  Folge  von 
Chlorose  oder  acuten  fieberhaften  Zuständen  (Vogel)  auftre- 
tende Onychie  (Psoriasis  unguium,  Anderson)  und  ihr  Analogen 
in  der  mit  allgemeiner  Ernährungs  -  Depression  verbundenen 
Fettschüppchenbildung  anderer  Körperstellen  (Pityriasis  ta- 
bescentium,  Seborrhoea  Capillitii)  findet. 

Die  Prognose  der  besprochenen  Nägelentartung  hängt 
von  deren  speciellen  Ursache  und  von  der  Eliminirbarkeit  der 
Letzteren  ab.  Am  zweifelhaftesten  ist  sie  bei  der  von  allge- 
meinen Zuständen  abhängigen  Form,  günstiger  bei  den  durch 
örtliche  Vorgänge  und  chronische  Exantheme  herrührenden. 

Die  Behandlung  hat  nur  bei  gewissen  Formen  Erfolg  auf- 
zuweisen.   Gryphotische  und  einfach  verlängerte  Nägel  werden 
mittels  Scheere  abgetragen,  oder  mit  der  Knochenzange  abge- 
kneipt ;   hiebei  etwa  durchschnittene  Papillarauswüchse  werden 
geätzt.    Gegen  durch  syphilitische  örtliche  Infiltration  bedingte 
Onychie  erweist  sich  das  Belegen  mittels  Empl.  hydrargyri 
schnell  heUsam.    Die  mit  Eczem,  Psoriasis,  Liehen  ruber  ver- 
gesellschaftete Asperitas  unguium  wird  durch  all'  jene  Mittel 
günstig  beeinflusst,  welche  auch  gegen  jene  Uebel  wirksam 
sind ,  wie   Theer ,  Unguent.  Diachyli,  Kali-  und  Sublimat- 
Umschläge,  Kautschuk-Fingerlinge,  iadem  mit  dem  Gesunden 
der  Papillen  der  Matrix  auch  die  Nagelbüdung  normal  wird. 
Selbstverständlich  kann  die  Besserung  sich  nur  auf  den  neu- 
gebildeten,  von  der  Matrix  aus  sich  vorschiebenden  Nagel,  nicht 
auf  den  schon  bestehenden  und  entarteten  beziehen.    Da  aber 
das  Wachsthum  des  Nagels  sehr  träge  vor  sich  geht  und  dessen 
Substituirung  durch  einen  neuen  Nagel  erst  binnen  vielen 
Monaten  zu  Stande  kommt,  so  wird  auch  die  Besserung  des 


028 


Zweiunddreissigste  Vorlesung. 


Uebels  erst  spät  walirnelambar ,  oft  erst  lange  nachdem  das 
Grundübel  beseitigt  worden. 

In  gleichem  Sinne  und  in  gleich  zögernder  "Weise  wirkt 
der  innerliche  Grebrauch  von  Arsen  und  Eisen  in  den  hiezu 
geeigneten  Fällen  (Chlorose,  Psoriasis,  Liehen). 

Gregen  das  sclimerzhafte  Einwachsen  des  Nagels,  welches 
Manche  durch  das  gewaltsame  Ausreissen,  oder  das  Aus- 
schneiden des  Nagels  beseitigen  wollen,  ist  ein  ganz  unschmerz- 
haftes Verfahren  anzurathen.  Ein  Bäuschchen  geordneter 
Charpie,  von  der  Länge  des  Nagelfalzes,  wird  mittels  Meissel- 
sonde,  Faden  für  Faden,  zwischen  Falz  und  Nagelrand  ein- 
geschoben ,  worauf  durch  in  ßingtouren  angelegtes  Empl. 
saponat.  die  Einlage  befestigt  und  der  Falz  vom  Nagel  ab- 
gezogen wird.  Der  Verband  wird  täglich  einmal  erneuert, 
was  die  folgendenmale,  bei  Erweiterung  der  Falzfurche,  schon 
sehr  ber[uem  geschehen  kann.  Der  geschwürige  Rand  verheilt 
derart  bald ,  oder  nachdem  die  vorhandenen  Wucherungen 
durch  Scheere  oder  Aetzung  beseitigt  worden. 


Dreiunddreissigste  Vorlesung. 


Bindegewebshypertrophien.     Diffuse:    Seleroderma    (Anhang:  Solepema 
neonatorum)  und  Elephantiasis  Arabum.  —  Elephantiasis  telangiektodes 
et  neurotieunn.  Cireumseripte :  Papilloma  (Framboesia). 

Die  als  Hypertrophie  des  Bindegewebes  der 
Haut  sich  darstellenden  Krankheitsformen  erscheinen  entweder 
als  diffuse  und  mehr  flächenhafte  Verdickungen  der  Cutis  — 
Seleroderma  und  Elephantiasis  Arabum  —  oder  in 
Gestalt  umschriebener  tind  prominirender  Geschwülste  — 
Papilloma  (Framboesia). 

Diffuse  Bindegewebshypertrophien. 
Seleroderma, 

S  c  1  e  r  e  m  a  a  d  ii  1  a  t  o  r  u  m  ,  ist  die  Bezeichnung, 
unter  welcher  Thirial  im  Jahre  1845  die  nun  zu  be- 
sprechende, höchst  eigenthümliche  und  vor  ihm  nur  von 
CüKCio  (1752)  und  Henke  (1809)  unverkennbar,  aber  namenlos 
beschriebene  HautafPection  vorgeführt  hat.  Später  tauchten 
für  dieselbe  noch  die  Namen  Seleroderma,  Scleroma,  Chorio- 
nitis,  Sclerostenosis  cutanea  (Forget),  Cutis  tensa  chronica 
(Fuchs),  „Keloid  von  Addison",  Elephantiasis  sclerosa  (Ras- 
mcssen),  cicatrisirendes  Haiitsclerem  (Wernicke),  Sclerosis  telae 
cellulosae  et  adiposae  (Wilson)  ti.  A.  auf.  Es  dürfte  jedoch 
gerathen  sein,  die  Bezeichnung  Seleroderma  (sc.  adultorum) 
festzuhalten,  gegenüber  dem  anknüpfend  zu  besprechenden 
Sclerema  neonatorum. 

Von  der  im  Ganzen  seltenen  Sclerodermie  liegt  in  der 
Literatur  eine  genügend  reiche  Casuistik  vor,  die  gegenwärtig 
bis  an  70  Fälle  hinanreichen  dürfte,  darunter  fünf  meiner 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  34 


ggQ  Dreiunddreissigste  "Vorlesung. 

eigenen  Beobaclitung.  Dennoch  ist  unsere  Kenntniss  über 
diese  Krankheit  kaum  weiter  gelangt,  als  bis  zu  einer  ziemlicb 
exacten  äusseren  Symptomatik. 

Scleroderma,  Sclerema  adulto rum  ist  eine  ehr o- 
nisch  verlaufende  Erkrankung  und  charakterisirt  sich  durch 
spontan,  ohne  Entzündungserscheinungen  oder  merkliche 
Alteration  des  Gresammtorganismus  auftretende,  diffuse, 
brettartige  Härte,  Starrheit  und  relative  Verkürzung 
einzelner  beschränkter,  oder  sehr  ausgebreiteter  Hautpartien. 

Die  AiFection  befällt  in  unregelmässiger  Weise  die  ver- 
schiedensten Hautstellen,  vorwaltend  der  oberen  Körperhälfte, 
seltener  die  Unterextremitäten  und  beschränkt  sich  entweder 
auf  kleinere  Hautbezirke  ,  zwischen  welchen  die  übrige  Haut 
vollständig  normal  bleibt,  oder  ist  über  grosse  Hautstrecken, 
den  Rücken,  die  Gliedmassen,  das  Gesicht,  diffus  ausgebreitet. 
Je  nach  diesen  Verhältnissen  der  Localisation,  Ausdehnung, 
sowie  des  Stadiums,  in  welchem  sich  der  örtliche  Process  und 
die  Gesammterkrankung  befinden,   präsentirt  sich  auch  der 
individuelle  Eall  der  Sclerodermie  unter  einer  bald  mehr  all- 
gemein zutrefi'enden,  bald  origineller  gestalteten  Form. 

Das  prägnanteste  Symptom  liefert  die  S  der  ose  der 
Haut.    Sie  erscheint  in  Form  von  thaler-,  flachhandgrossen 
und  grösseren,  unregelmässigen  Flecken,  bandartigen,  stramm 
angezogenen,   eingesenkten   oder  leistenartig  vorspringenden 
Streifen,  oder  als  diffuse  und  gleichmässige  Verdichtung  der 
ganzen  Decke.    Die    sclerosirte   Hautpartie    springt  mässig 
vor,  oder  ist  flach,  oder  etwas  eingesunken,  an  der  Oberfläche 
glatt,  oder  mit  gerunzelter,  dünnschuppiger  Epidermis  bekleidet, 
speckartig  glänzend,  oder  matt,  fahlweiss,  wachsartig,  oder 
wie  Alabaster,  oder  rosa-  bis  braunroth,  manchmal  mit  Sommer- 
sprossen ähnlichen,  von  weissen,  piginehtlosen  und  etwas  ein- 
gesunkenen Punkten   und  Strichen  untermischten,   gelb-  bis 
dunkelbraunen  Pigmentflecken  besetzt,  oder  difius  dunkelbraun 
bis  bronzebraun  gefärbt.    Unter  dem  Drucke  des  Fmgers  ent- 
steht an  der  sclerosirten  Haut  keine  dauernde  Einsenkung  und 
fühlt  sich  dieselbe  bretthart ,  starr ,  kühl  an ,  wie  an  ^  einem 
gefrorenen  Leichnam.  Sie  kann  kaum,  oder  gar  nicht  in  eine 
Falte  gehoben  oder  über  ihrer  Unterlage,  Fascien,  Muskeln. 
Periost,  verschoben  werden ,  so  dass  sie  an  die  letzteren  kurz 
angelöthet,  mit  ihnen  eins  zu  sein  scheint.    Zugleich  ist  sie 


Scloroderma. 


531 


verkürzt,  für  den  von  ihr  umliüllten  Inhalt  zu  enge  geworden. 
Ueber  die  Beuge  der  Arm-  und  Fingergelenke  laufend  fixirt 
die  Sclerose  diese  in  halber  Beugung  und  wird  die  Haut  der 
Streckseiten  passiv  gespannt.  Ist  das  Gresicht  befallen,  er- 
scheinen dessen  Züge  wie  erstarrt,  ganz  und  gar  unbeweglich, 
unfähig  des  geringsten  Mienenspieles.  "Weder  Schmerz  noch 
Freude  vermag  das  „versteinerte"  Antlitz  zu  verändern,  als 
wär'  es  in  Marmor  gehauen.  Durch  die  Verkürzung  der  un- 
beweglich-starren Haut  ist  zugleich  die  Nase  verschmächtigt, 
der  Mund  verkleinert  und  nur  unvollkommen  zu  öifnen. 
Str-'ifenförmige  sclerotische  Hautstellen  senken  sich  manch- 
mal ,  wie  von  einem  subciitanen  strammen  Band  ange- 
zogen,  tief  unter  das  Hautniveau,  oder  springen  auch' 
mit  einem  Rande  leistenförmig  vor.  Derartig  streicht 
öfters  die  Sclerose  über  die  Mamma,  deren  Wölbung  in  zwei 
Hälften  theilend,  oder  die  Warze  nabeiförmig  einziehend. 
Die  Temperatur  der  sclerosirten  Hautstellen  ist  normal, 
manchmal  massig  erhöht,  in  der  Regel  jedoch  um  ein  Greringes, 
bis  zu  IV2*')  niedriger  als  an  der  normalen  Haut.  Druck  wird 
ziemlich  schmerzhaft  empfimden ,  während  subjectiv  selten 
■  Schmerz  oder  Brennen,  meist  nur  Spannungsgefühl  und  Jucken, 
oder  tief  (in  den  Knochen  sitzende)  Schmerzen  wahrgenommen 
werden.  Die  Tastempfindung  ist  meist  normal,  selten  etwas 
abgestumpft.  Die  Schweisssecretion  an  den  verhärteten  Haut- 
stellen ist  nur  einigemal  unbedeutend  alterirt,  die  Talgsecretion 
normal  gefanden  worden.  Ebenso  hindert  die  Sclerodermie 
auch  in  anderer  Rücksicht  zunächst  nicht  die  Nutritions-  und 
Functionsfähigkeit  der  von  ihr  befallenen  Cutis,  so  dass  die- 
selbe z.  B.  auf  chemische  und  mechanische  Reize  in  Entzündiing 
und  Verschwärung  gera,then  kann  und  von  Erysipel,  Acne, 
Variola,  Zostereruption  betroffen  gesehen  worden  ist. 

Auch  die  Schleimhaut  der  Zunge,  des  Zahnfleisches, 
des  weichen  Gaumens ,  Pharynx  war  in  einzelnen  Fällen 
(Arnixg,  Sedgwick,  PAGaE),  je  einmal  auch  die  Scheide  mit- 
sammt  der  Vaginalportion  (Heller)  und  die  Kehlkopfauskleidung 
der  Sitz  von  harten,  bandartigen,  retrahirten  Streifen. 

Die  Entwicklung  der  Sclerodermie  erfolgt  meist  in 
der  vorher  örtlich  gar  nicht  alterirten  Haut  ziemlich  acut  mii 
unvermerkt  binnen  wenigen  Tagen.  Zufällige  Berührung,  oder 
das  Gefühl  von  Spannung  macht  die  Kranken  erst  auf  die 

34* 


532 


Dveiunddreissigste  Vorlesung. 


Veränderung  aufmerksam.  Niclit  selten  aucli  geht  der  Ver- 
härtung an  manchen  Stellen  ödematöse,  teigige  Infiltration 
oder  lebhafte  Injectionsröthe  durch  einige  Tage  voraus.  Mit 
der  charakteristischen  Sclerosirung  der  Hautstelle  hat  der 
Process  örtlich  seinen  Höhepunkt  erreicht.  Der  sclerotische 
Plaque  oder  Streifen  kann  nunmehr  durch  verschieden  lange 
Zeit  stationär  bleiben,  oder  nach  der  Nachbarschaft  sich  ver- 
grössern,  was  bisweilen,  namentlich  bei  den  scharf  begrenzten 
Flecken,  unter  Voranschreiten  eines  rosenrothen  Injections- 
hofes  erfolgt. 

Der  weitere  Verlauf  kann  sich  nunmehr  in  zweifacher 
Weise  gestalten.  Entweder  schwindet  die  Sclerose  vollständig 
und  erlangt  die  Hautstelle  ihre  frühere  Beschaffenheit,  Ge- 
schmeidigkeit und  Beweglichkeit,  u.  z.  mag  dies  an  einzelnen 
Partien  schon  nach  wenigen  Tagen,   an  anderen  erst  nach 
vielen  Monaten  erfolgen;   damit  ist  allerdings  nicht  auch  ein 
Erlöschen   der  Gresammterkrauknng   gegeben,   da  im  Gegen- 
theil  zumeist  gleichzeitig  andere  Hautstellen,  oder  auch  bereits 
einmal  genesene  wieder  neuerdings  von  dem  Processe  befallen 
werden.  Oder  die  anfangs  derbe,  hart  und  dick  sich  anfühlende 
sclerotische  Haut  wird  atrophisch,  dünn,  pergamentartig, 
narbig  weiss  oder  roth  glänzend,  unregelmässig  pigment-ge- 
sprenkelt,  auf's  höchste  verkürzt,  gespannt  und  fixirt ;  auch 
das  unterliegende  Fettpolster,  ja  auch  die  Muskeln  schwinden 
unter  ihrem  Drucke,  so  dass  die  atrophische  Haut  fast  direct 
dem  Knochen  angelöthet  zu  sein  scheint.    Es  kommt  in  ihr 
oft  zu  Verschwärung ,  namentlich  über  den  Streckseiten  der 
Gelenke.  Dieser  Zustand  darf  demnach  nicht,  wie  dies  früher 
versucht  worden,   als   eine  besondere  Form  (cicatrisirendes 
Hautsclerem,  Werotckb),  gegenüber  dem  früher  geschilderten 
und  als  Sclerema  elevatum  sich  darstellenden  aufgefasst  werden, 
sondern  nur  als  Endstadium  (Stadium  atrophicum)  des  mit 
erhabener  Verdickung  (Stadium  elevatum)  beginnenden  Processes 
der  Sclerodermie.    Vom  atrophischen  Stadium  ist  eine  Rück- 
kehr zur  Norm  nicht  mehr  möglich. 

Verlauf  und  Ausgang  der  Krankheit  hängen 
von  dem  geschüderten  Verlaufe  des  örtlichen  Processes  ab. 
Mehrere  Jahre  hindurch  kann  die  Sclerodermie  mit  abwechseln- 
der LocaUsation  bestehen  und,  wie  dies  in  wenigen  Fällen 
beobachtet  worden,  heilen,  indem  die  Haut  wieder  normal 


Sclorodema. 


533 


wurde  und  keine  neue  Sclerose  auftrat.  In  den  meisten  Fällen 
aber  nehmen  sowohl  die  Sclerosirungsherde,  auch  bei  anfäng- 
lichem Schwanken,  an  Zahl  und  Ausdehnung  zu  und  den  Aus- 
gang in  Schrumpfung.  Damit  wird  auch  der  Process  nicht 
nur  für  die  Haut ,  sondern  für  den  Gi-esammtorganismus  bedenk- 
lich. Obgleich  das  Allgemeinbefinden  weder  im  Beginne, 
noch  auch  innerhalb  der  ersten  Jahre  der  Erkrankung  beein- 
trächtigt zu  sein  scheint,  die  Kranken  gut  genährt  und  in 
keiner  wichtigen  Function  gestört  sind,  so  schleicht  doch 
allmälig  unter  Gremüthsverstimmung ,  Schlaflosigkeit,  rheu- 
matischen und  neuralgischen  Schmerzen  ein  Zustand  von 
allgemeiner  Ernährungsdepression  oder  ausgesprochenem  Ma- 
rasmus herbei.  Ein  typisches  Bild  dieser  späteren  Stadien 
zu  entwerfen,  gestattet  das  bisherige  Beobachtungsmaterial 
noch  nicht.  Der  tödtliche  Ausgang,  welcher  in  etwa  einem 
Dutzend  Fällen  bisher  beobachtet  worden  ist  (Förster,  Köhler, 
GiNTRAE,  Auspitz,  Arning,  Rasmussen,  Stein,  Walter,  Rossbach, 
Heller,  Mader-Chiari),  erfolgte  unter  den  mannigfachsten, 
wie  es  scheint,  individuellen  und  nicht  mit  dem  Processe  in 
der  Haut  direct  zusammenhängenden  Complicationen ,  als: 
Morb.  Brightii,  Emphysem,  Bronchiektasie,  Lungentuberciilose, 
Pneumonie,  Vitium  cordis,  Anämie. 

Die  anatomische  Veränderung,  welche  der  so  ganz 
eigenartig  sich  präsentirenden  Sclerodermie  zu  Grunde  liegt, 
zu  eruiren,  ist  bisher  nicht  gelungen,  obgleich  sowohl  todte, 
als  vom  Lebenden  exscindirte  Haiit  wiederholt  und  zum  Theile 
von  hervorragenden  Histologen  untersucht  worden  ist.  Ueber- 
einstimmend  constatiren  alle  Ilntersucher  eine  Verdichtung 
und  Verdickung  des  Bindegewebsfilzes  der  Cutis,  neben  Ver- 
mehrung der  elastischen  Fasern,  auf  Kosten  der  Unterhaut- 
zellschichte und  der  atrophisirenden  Fettläppchen,  so  dass 
das  homogen  beschaffene,  derbfaserige  und  engmaschige  Cutis- 
gewebe  bis  dicht  an  die  Fascie  oder  Periost  reicht  und  ohne 
lockere  Zwischenschichte  diesen  anhängt.  Nebstdem  vsdrd 
Pigmentreichthum  im  Rete  und  im  Corium,  Ektasie  der 
Schweissdrüsen,  Hypertrophie  der  organischen  Muskelfasern 
(Neumanx,  Rossbach)  angegeben,  welche  Veränderungen  jedoch 
mehr  von  consecutiver  BedeiTtung  zu  sein  scheinen.  Wesent- 
licher dürfte  vielleicht  sein  die  Verengerung  der  Gefässe, 
welche  theils  durch  dicht  anliegende  Parallelzüge  von  sclero- 


534- 


Dreiunddreissigste  Vorleaung. 


sirten  Bindegewebsfasern,  theils  durch  Lymplizellen-Lagen 
comprimirt  zu  sein  sclieinen ,  die  streckenweise  die  Gefässe 
in  melirfaclier  Breite  der  letzteren  scheidenartig  umgeben 
(Rasmussen,  Kaposi).  Allein  ich  vermag  dennoch  nicht,  wie 
Chiari  meint,  den  Zustand  als  einen  aus  Entzündung  hervor- 
gegangenen anzusehen ,  da  sowohl  klinisch ,  als  histologisch 
alle  Merkmale  derselben  fehlen,  in  letzterer  Beziehung  nament- 
lich constatirt  werden  muss ,  dass  auch  in  frischen  Sclerosis- 
herden  weder  Ausdehnung  der  Grefässe ,  noch  ödematöse  Er- 
weiterung der  Gewebsmaschen  sich  vorgefunden  hat.  Ver- 
ödung der  Follikel  und  Drüsen  stellt  sich  erst  im  Stadium 
atrophicum  ein. 

So  ist  denn  rücksichtlich  der  Ursache  nicht  einmal 
der  die  Haut  selbst  betreffenden  Veränderung,  geschweige 
denn  des  Gesammtprocesses  der  Sclerodermie  eine  Aufklärung 
durch  die  anatomischen  Untersuchungen  bisher  gewonnen 
worden.  Nur  in  Heller's  Eall  mochte  das  Vorkommniss  einer 
Verödung  des  Ductus  thoracicus  die  Annahme  gestatten,  dass 
eine  Rückstauung  und  Stagnirung  der  Lymphe  in  der  Cutis 
und  als  deren  Folge  die  Hypertrophie  zu  Stande  kam.  Obgleich 
auch  ich  vor  Jahren  ein  stellenweises  Stagniren  der  Lymphe 
in  den  Gewebsräumen  der  Cutis  als  Grundlage  der  örtlichen 
Veränderving  anzunehmen  geneigt  war,  so  glaube  ich  doch  nicht, 
dass  ein  mechanisches  Hinderniss  in  einem  Lymph-Sammelgefässe 
dafür  beschuldigt  werden  kann,  da  die  Sclerodermie  nicht  dem 
Sammelgebiet  eines  Lymphgefässes  entsprechend,  sondern  ganz 
nnregelmässig  localisirt  auftritt  und  andererseits  bei  exquisit 
mechanischer  Stauung  der  Lymphe  eine  andere  Art  von  Hyper- 
trophie (Elephantiasis  Arabum),  aber  nicht  die  ganz  specifische 
Sclerodermie  sich  entwickelt.  Man  darf  daher  wohl  eine  vom 
Centrainervensystem  influencirte  trophische  Störung  als  ent- 
fernte Ursache  der  Krankheit  annehmen,  obgleich  eine  solche 
materiell  noch  nicht  erwiesen  werden  konnte.  Damit  stimmte 
vielleicht  auch  die  Angabe  Einzelner,  dass  die  Krankheit 
wenige  Tage  nach  einer  heftigen  Gemüthsbewegung ,  grossem 
Schrecken,  aufgetreten  sei.  In  anderen  Fällen  wird  voraus- 
gegangenes und  recidivirendes  Erj'-sipel,  oder  Rheumatismus 
angegeben ;  in  der  Mehrzahl  jedoch  fehlt  es  an  jeder  plausiblen 
ätiologischen  Grundlage.  Das  weibliche  Geschlecht  parti- 
cipirt  zu  drei  Vierttheilen  an  der  vorliegenden  Summe  der 


Sclerema  neonatorum. 


535 


Sclerodermie-Fälle.  Dass  unter  solclien  Umständen,  xmä  da 
auch  Personen  mit  Herzfehlern,  Morb.  Briglitii,  Tuberkulose 
und  anderen  '  die  Ernährung  alterirenden  Complicationen  da- 
runter sich  befanden,  auch  Chloranämie  mit  unter  den  Ursachen 
aufgeführt  wird,  ist  begreiflich,  aber  nicht  aiifklärend,  da  bei 
den  Meisten,  wenigstens  in  den  ersten  Jahren,  die  Ernährung 
ganz  gut  zw  sein  scheint. 

Die  bisherigen  Fälle  betrafen  vorwaltend  Personen  mittleren 
Lebensalters,  doch  sind  auch  einzelne  Erkrankungen  an  älteren 
Individuen,  sowie  an  sechs-  und  zweijährigen  (Cedsb)  Kindern 
gesehen  worden. 

Die  Diagnose  der  Sclerodermie  fällt  nicht  schwer, 
wofern  das  Stadiiim  elevatum  zugegen  ist.  Auch  der  minder 
Erfahrene  wird,  sobald  er  beim  Anfühlen  der  Haut  den  Ein- 
druck erhält,  als  wenn  er  einen  gefrorenen  Cadaver  unter  den 
Händen  hätte,  sofort  an  Scleroderma  denken.  Das  (wahre) 
K  e  1 0  i  d  fühlt  sich  nie  so  starr  und  unbeweglich  an 
und  erscheint  auch  nie  in  diffuser  Ausbreitung.  Im  atro- 
phischen Stadiiim  dagegen,  sowie  wenn  nur  ein  einzelner 
Herd  zugegen,  kann  die  Unterscheidung  gegenüber  gewissen 
Formen  der  Lepra  (Morphaea  atrophica  et  lardacea  Wilson  und 
Pigment-Lepra) ,  sowie  Xeroderma  mihi ,  ihre  Schwierigkeit 
haben. 

Die  Prognose  der  Sclerodermie  ist  nicht  günstig,  da 
die  meisten  EäUe  unbestimmt  lange  dauern  und  in's  Stadium 
der  Atrophie  gelangen,  von  wo  eine  Rückkehr  zur  Norm  nicht 
mehr  möglich  ist.  Es  scheint  sogar  durchwegs  Marasmus 
und  direct,  oder  durch  eine  in  diesem  begründete  Complication, 
das  lethale  Ende  der  endliche  Ausgang  der  Krankheit  zu  sein. 
So  lange  aber  nur  das  Stadium  Scleroseos  zugegen,  kann  immer- 
hin die  Hoffnung  auf  Genesung  aufrecht  gehalten  werden. 

Die  Therapie,  obgleich  in  keiner  Beziehung  verläss- 
lich, kann  doch  in  diesem  Stadium  und  in  einzelnen  Fällen 
Erspriessliches  leisten,  wofern  sie  darauf  gerichtet  ist,  die 
allgemeine  Ernährung  xind  den  Stoffumsatz  anzuregen.  Es 
empfehlen  sich  innerlich  Roborantia,  Eisen,  Chinin,  Amara, 
Leberthran,  Arsen,  nebstdem  Wannen-,  Dampf-,  Moor-,  Eisen-  und 
Soolbäder,  im  Sommer  Milch-  und  Trinkkuren,  Aufenthalt  im 
Gebirge,  See-  und  Flussbäder.  Oertlich  können  noch  milde  Fette, 
Salben  von  Cuprum  oxydat.,  Glycerin,  Vaseline  eingerieben  und 


536  Dreiunddreissigste  Vorlesung. 


mit  methodisclier  Massage  verbunden  werden.  Inunctionen 
mittelst  Ungu.  cinereum  und  Jodkali  innerlich  haben  sich 
unwirksam  erwiesen.  Dagegen  wollen  Einige  von  der  An- 
wendung des  Constanten  Stromes  günstige  Einwirkung  erfahren 
haben. 

"Wesentlich  verschieden  vom  Scleroderma  adultorum,  ob- 
gleich demselben  doch  auch  sehr  ähnlich,  ist  die  Affection, 
welche  als 

Sclerema  neonatorum 

(Chaussiek),  Algidite  progressive  (Hervieux),  Induratio 
telae  cellularis  neonatorum,  Z ellge w eb sverhär- 
tung  der  Neugeborenen  vieler  Autoren  bekannt  ist.  Sie 
befällt  meist  Kinder  der  ersten  Lebensmonate ,  seltener  eiu- 
bis  zweijährige  und  beginnt  mit  Erkalten,  Oedem  und  Härte 
der  Eüsse  und  Unterschenkel ;  die  Haut  ist  da  gespannt, 
glänzend  weiss  oder  roth  schimmernd ,  manchmal  schmutzig 
gelbbraun ,  kachektisch  und  hart  anzufühlen ,  aber  mittelst 
Fingers  grubig  eindrückbar  (Oedem).  Binnen  Stunden,  ein  bis  zwei 
Tagen  breitet  sich  die  Veränderung  unter  denselben  Erschei- 
nungen über  Unterleib,  Stamm,  Oberextremitäten  imd  Gesicht 
aus,  indem  auch  da  die  Haut  resistent,  kühl  und  unbeweglich 
wird,  während  die  früher  ergriffenen  Unterextremitäten  unter 
Schwinden  des  Oedems  schmächtiger  und  härter ,  gerunzelt, 
wie  mumificirt  werden.  Die  Temperatur  der  Haut  wie  der 
inneren  Organe  sinkt  stetig  um  2 — 3°  C.  täglich.  Das  Gesicht, 
dessen  Decke  starr,  nach  dem  überwiegenden  Muskelzuge  fixirt 
zu  sein  scheint,  sieht  gerunzelt,  greisenhaft  aus;  die  Starr- 
heit der  MundöfPnung  macht  das  Saugen  und  die  Nahrungs- 
aufnahme unmöglich.  Derart  ergriffene  Kinder  liegen  unbe- 
weglich da,  wie  halb  erfroren  und  geben  nur  durch  geringe 
Bewegung  der  weniger  erkrankten  Körpertheile  imd  durch 
schwaches  Wimmern  ein  Lebenszeichen  von  sich.  Unter  fort- 
schreitender Temperatursabnahme,  oder  indem  zugleich  Com- 
plicationen  in  anderen  Organen  auftreten,  sterben  die  Kranken 
binnen  2 — 10  Tagen.  Selten  verzögert  sich  der  lethale  Aus- 
gang um  ein  Beträchtliches.  Noch  seltener  hebt  sich  wieder 
die  Temperatur  an  den  schon  erkalteten  Körperpartien  und 
schwinden  Oedem  und  Sclerem,  wodann  allmälig  Erholung 
und  vollständige  Genesung  sich  einstellt. 


Elephantiasis  Arabum. 


537 


Die  nächste  Ursaclie  der  Scleremersclieiniingen  liegt 
in  einer  Verlangsamnng  der  Capillar-Circulation  in  den  peri- 
pheren Körpertheilen.  Die  entferntere  Ursache  für  dieselbe 
o-eben  alle  iene  Zustände  ab,  welche  die  Herzaction  schwächen 
oder  die  Wärmepro duction  hemmen.  Daher  tritt  das  Uebel 
auf  bei  mit  Herzfehlern  behafteten  oder  durch  Pleuro- 
pneumonie, chronischen  Katarrh  des  Respirations-  und  Ver- 
dauungstractes,  Diarrhoen,  Follicularverschwärung  des  Darmes 
geschwächten ,  bei  in  Folge  schlechter  Pflege ,  hereditärer 
Syphilis,  oder  von  Haus  aus  lebensschwachen  Kindern. 

Anatomisch  haben  M-^ir,  gleich  Förster,  Virchow  u.  A. 
ausser  ödematöser  Durchtränkung  des  Cutisgewebes  und 
derber,  steariiiähnlicher  Beschaffenheit  des  Panniculus,  keine 
auffällige  anatomische  Veränderung ,  namentlich ,  im  Gregen- 
satze  zum  Scleroderma ,  keine  nennenswerthe  Zelleninfiltration 
oder  Bindegewebshypertrophie  beim  Sclerema  neonatorum  ge- 
funden, während  Löschner  Verbreiterung  des  Corium  und 
herdweises  Auftreten  von  zellenreichem,  embryonalem  Binde- 
gewebe angibt.  Stauung  in  den  peripheren  Lymphbahnen  und 
Lymphangioitis  (Pastorella.)  dürften  eher  consecutive  Zustände 
darstellen. 

Die  Therapie  hat  zur  Aiifgabe,  durch  künstliches  Er- 
wärmen, Frottiren  des  Körpers  und  durch  geeignete  Nahrungs- 
zufuhr und  Stimulantia  die  gesunkene  Körperwärme  und 
Lebenskraft  zu  heben,  eventuell  durch  Besiegung  der  Compli- 
cationen  die  Herzaction  und  die  Capillarcirculation  der  Haut 
neu  zu  beleben.  Die  Besserung  gibt  sich  durch  kräftigere 
Herzaction  und  Temperatursteigerung  in  der  Haut  kund,  unter 
welcher  in  kurzer  Zeit  auch  das  Sclerem  schwindet.  Alsdann 
ist  auch  Genesung  zu  hoffen. 

Ungleich  häufiger  und  in  ihrer  Entstehungsweise  ver- 
ständlicher ist  jene  diffuse  Bindegewebshypertrophie  der  Haut, 
"welche  die  als 

Elephantiasis  Arabum 

s.  Pachydermia  (Füchs)  bekannte  Krankheit  darstellt. 

Man  versteht  unter  Elephantiasis  Arabum  eine 
auf  einzelne  K örp  er r  egion en  beschränkte,  in  Folge 
örtlicher  Circulationsstörungen,  chronisch  wieder- 
kehrender Grefäss-  und  Lymphgef ässentzündung, 


538 


Dreiunddveissigste  Vorlesung. 


Rotlilanf  lind  persistir ender  Oedeme  auftretende 
Hypertrophie  der  Cntis  sammt  Unterhautzellg  e- 
w  e  b  e  und  die  in  weiterer  Betlieiligung  aucli  der  unterliegenden 
Gebilde  sicbeinstellendeMassenverdickung  und  Volums- 
zunahme  des  betroffenen  Körpertlieiles. 

Der  Name  Elephantiasis  ist  von  den  Araber-Uebersetzern 
(daher  El.  Ar  ab  um)  homonjnn  mit  der  arabischen  Original- 
bezeichnung, dal-fil,  (Elephantenfuss)  eines  pachydermatischen 
Beines  geschaffen  worden.  Mit  dieser  Bemerkung  soll  dem  nahe 
liegenden  Irrthume  begegnet  werden,  als  handelte  es  sich  um 
eine  in  Arabien  heimische  Krankheit ;  denn  El.  Arabum  findet 
sich  allerdings  in  gewissen  Formen  ungleich  häufiger,  ja  nahezu 
endemisch  in  manchen  tropischen  und  subtropischen  Gegenden, 
in  Aegypten,  an  den  Mittelmeerküsten,  Arabien,  der  Westküste 
Afrika's ,  Brasilien ,  auf  den  Antillen ,  den  Sundainseln ,  den 
Küsten-  und  Inselländern  der  südlichen  Meere  überhaupt.  Die 
Krankheit  kommt  aber  in  vereinzelten  Exemplaren  in  allen 
Ländern  vmd  Himmelsstrichen  und  in  gewissen  Formen  sogar 
bei  uns  ziemlich  oft  zur  Beobachtung. 

Der  häufigste  Sitz  der  Affection  ist  die  Unterextremität 
(selten  beide),  u.  zw.  meist  auf  Unterschenkel  und  Fuss  be- 
schränkt, seltener  auch  auf  den  Oberschenkel  bis  zur  Backen- 
falte, oder  gar  auf  eine  Hinterbacke  sich  erstreckend.  Demnächst 
betrifft  dieselbe  zu  öfterst  die  Haut  des  Penis  und  Scrotums,  der 
grossen  und  kleinen  Labien  mitsammt  der  Clitoris ,  wälrrend  die 
Oberextremität  nur  selten ,  Wangen ,  Ohren,  Rücken  und  andere 
Körpertheile  nur  ausnahmsweise  an  Pachydermie  erkranken. 

In  den  beiden  Localisationsformen,  der  Unterextremität 
und  der  Genitalien,  sind  die  Symptome  der  Krankheit  in 
typischer  Weise  ausgeprägt. 

El.  Arabum  cruris  entwickelt  sich  in  der  Regel  in 
chronischer  Weise  unter  zeitweilig,  paroxysmenweise,  oder  in 
unregelmässigen  Intervallen  sich  erneuernden  Entzündungs- 
erscheinungen, welche  in  der  ersten  Zeit  die  einzigen  Krankheits- 
symptome darstellen.  Ohne,  oder  auf  örtliche  Veranlassung  tritt 
am  Unterschenkel  diffuses  Erysipel,  oder  tiefer  greifende  Der- 
'matitis,  oder  auch  nur  streifenförmige  Röthung  und  Schmerz- 
haftigkeit,  Lymphangioitis ,  Phlebitis,  Schmerz,  Spannung, 
Schwellung  der  Haut  unter  Fieberbegleitung  auf.  Kurze  Zeit 
nach  Ablauf  des  Entzündungsanfalles  erneuert  sich  derselbe 


Elephantiasis  Arabuni. 


539 


spontan  oder  durch  örtliche  Momente  veranlasst.  Nach  jedem 
solchen  Anfalle  bleibt  ein  geringes  Oedem  der  Haut  zurück, 
welches  in  dem  Masse  deutlicher  wird  und  bereits  den  Umfang 
des  Unterschenkels  vergrössert,  als  binnen  Monaten,  1 — 2  Jahren 
die  Entzündungen  häufiger  aufeinander  folgen.  Die  Hautober- 
fläche scheint  bis  auf  grössere  Spannung  und  weiss  oder  roth 
schimmerndes  Ansehen  nicht  verändert.  Mit  der  Fingerspitze 
kann  man  leicht  eine  das  Oedem  des  Unterhautzellgewebes  ver- 
rathende  Griibe  eindrücken.  Allein  zugleich  lässt  sich  eine 
Massenzunahme  und  Härte  desselben  und  beim  Versuche,  eine 
Falte  zu  heben,  constatiren,  dass  die  Haut  dicker,  derber  und 
strammer  angelöthet  geworden  ist. 

Im  weiteren  Verlaufe  schwellen  die  Leistendrüsen  zu 
grossen,  derben  Knollen  an.  Ja  nach  Einigen  soll  die  Schwel- 
lung und  Verhärtung  der  Leistendrüsen  sogar  den  Erscheinungen 
an  dem  Unterschenkel  vorangehen  und  wird  auch  die  AlFection 
als  Drüsenkrankheit  von  Barbados  (Hendy  und  Rollo) 
bezeichnet.  Binnen  5 — 10  Jahren  wird  die  Unterextremität  enorm 
voluminös  und  verunstaltet,  indem  inzwischen  die  Hypertrophie 
nebst  Haut-  und  Unterhautzellgewebe  auch  die  unterliegenden 
Weichgebilde  nebst  Knochen  ergriffen  hat. 

Der  Unterschenkel  ist  auf  das  Zwei-  oder  Dreifache  seines 
früheren  Volumens  verdickt  und  stellt  einen  plumpen  Cylinder 
von  monströsem  Umfang  und  Ansehen  dar,  der  in  gerader  Flucht, 
mit  Ausgleichung  der  Knöchelgruben,  in  den  polsterartig  auf- 
getriebenen Fussrücken  übergeht  und  einem Elephantenfuss 
wohl  vergleichbar  ist.  (Elephantopus ,  Barbados-,  Cochinbein, 
Roosbeen  von  Surinam.)  Eine  tiefe  Furche  über  dem  Sprung- 
gelenke, in  welcher  ranziges  Hautsecret  nebst  Epidermistrüm- 
mern  sich  anhäufen,  scheidet  die  Schenkel-  und  Fiissverdickung 
von  einander.  Der  Fuss  ist  zugleich  verbreitert,  ebenso  wie  die 
Zehen,  deren  elephantiatische  Haut  nicht  selten  bis  auf  seichte, 
ihre  gegenseitige  Grenze  andeutende  Furchen,  in  einander  ver- 
schmolzen ist.  Die  allgemeine  Decke  der  so  monströs 
verdickten  Gliedmasse  ist  trocken ,  nicht  transspirirend ,  prall 
gespannt ,  matt  glänzend  oder  fahl ,  streckenweise  schmutzig- 
braun (El.  fusca,  s.  nigra),  von  Pigment  oder  auflagernden 
seborrhoischen  Epidermismassen.  Die  Oberhaut  selbst  ist 
streckenweise  dünn,  pergamentartig,  rissig  und  blätterig,  an 
anderen  Stellen  gefeldert,  dick  und  schmutzig-braun,  wie  bei 


540 


Dreiunddreissigste  Vorlesung. 


Iclitliyosis  serpentina,  oder  zu  dicken  Schwielen  oder  kornartigen 
Kegeln  aufgelagert ,  wie  bei  IcMliyosis  hystrix.  Im  Uebrigen  ist 
die  elephantiatiscbe  Haut  glatt  (El.  glabra) ,  an  anderen  Stellen 
höckerig  (El.  tuberosa)  oder  mit  zahlreichen  faden-  und  brom- 
beerartigen,  trockenen  oder  nässenden  Warzen  besetzt  (El.  verru- 
cosa s.  papillaris).   Nebstdem  finden  sich  nach  Umständen  Ex- 
coriationen,  flache  oder  tief  greifende,  von  callösen  Rändern 
besetzte,  im  Grrunde  necrosirende  oder  dünnes  Secret  absondernde 
Geschwüre,  oder  streckenweise  nässendes  und  crustöses  Eczem. 
Auch  ist  in  Fällen  von  Pachydermie,  bei  welchen  der  Process 
dilFus,   oder  in  Form  von  streifenförmigen  Verhärtungen  vom 
Unterschenkel  über  die  innere  Oberschenkelfläche  bis  zu  den 
Leistendrüsen,  oder  bis  auf  die  Nates  ausgedehnt  erschien,  zeit- 
weilig spontane  Berstung  der  Haut,  oder  eines  als  Strang  fühl- 
baren Lymphgefässes ,  und  aus  demselben  tropfenweises  Aus- 
sickern von  Lymphe  (wahre  Lymphorrhoe)  beobachtet  worden. 
Das  Anfühlen  der  Extremität  ist  sehr  hart,  die  Haut  kann  nicht 
in  eine  Falte  gehoben  und  ebensowenig  ein  Muskel  durch  Greifen 
isolirt  werden  und  man  bekommt  den  Eindruck,  als  wenn  Haut, 
Fascien,  Muskeln  mitsammt  in  eine  derbe  Masse  verschmolzen 
seien.  Der  Knochen  der  Tibia  ist  ebenfalls  bedeutend  verdickt 
im  Mittelstück  oder  auch  an  den  Gelenksenden  (Paedarthrocace 
von  Malabar)  und  fühlt  sich  glatt  an  oder  mit  spitzen  oder 
stumpfen,  harten,  von  der  Innenfläche  und  der  vorderen  Kante 
hervorgetriebenen,  in  die  sclerotische  Masse  hineindrängenden 
Höckern  besetzt.    Ausnahmsweise  kommt  es  unter  gewissen 
Complicationen  zu  Caries  oder  Necrose  und  bei  gewissen  Formen 
der  El.  der  oberen  Extremität  zu  Druck-Atrophie  des  Knochens. 

Snbjectiv  belästigt  El.  cruris  nur  durch  die  Functions- 
behinderung,  welche  nicht  nur  in  dem  absoluten  Gewichte  der 
Gliedmasse  und  der  Starrheit  der  Haut,  sondern  auch  in  der 
gleichzeitigen  Entartung  der  Muskeln  begründet  ist.  Schmerzen 
stellen  sich  nur  während  der  Entzündungsvorgänge  und  in  Folge 
von  Complicationen  ein. 

Die  meisten  und  gerade  die  excessiven  Fälle  von  El.  der 
Unterextremität  sind  einseitig ;  gewisse  Formen  betreff'en  auch 
beide  Beine. 

Die  Oberextremität  wird  nur  selten  (in  Folge  von 
syphilitischer  oder  lupöser  Entzündiing)  von  El.  Arabum  befallen 
und  dann  in  sehr  abenteuerlicher  Weise  verunstaltet. 


Elephantiasis  Arabum. 


541 


Elephantiasis    genitalium  (i.   e.    Scroti,  penis, 
labiorum  pndendorum  et  clitoridis)  kommt  in  unserem  Himmels- 
striclie   nur   sporadiscli   imd  in  massigem   Grade,   in  zahl- 
reichen und  excessiven  Formen  dagegen  in  den  schon  früher 
erwähnten  tropischen"  und  subtropischen  Gegenden  vor,  wie 
Peuner,   Rigler,    Reyee  u.  A.  berichten.     Am  colossalsten 
gedeiht '  wohl  die  El.   scroti ,   durch  welche  der  Hodensack 
zu  einem  bis  zum  Knie  oder  gar  zum  Boden  hinabreichenden, 
bis  zu  120  Pfond   schweren,    „fleischigen",  beuteiförmigen 
Klumpen  heranwächst  (Hernia  carnosa,  Prosper  Alpin,  Larrey, 
Sarcocele  m.  Aut.) ,   der  stielförmig  von  der  Inguinalgegend 
ausgeht  und  Penis  sammt  Hoden  in  sich  verbirgt.  Eine  seichte, 
trichterförmige  Rinne  in  der  Penishöhe  kennzeichnet  an  der 
Geschwulst   die    Fixirungsstelle    des  inneren  Vorhautblattes 
an  das  Frenulum  und  den  Weg,  den  der  Harn  aus  der  Harn- 
röhre nimmt.  Nur  bezüglich  der  Entwicklung  der  El.  penis 
gibt  Pruner  an,   die  vorangehenden  Anfälle  von  Rothlauf 
beobachtet  zu  haben ,  während  bezüglich  der  El.  scroti  solche 
Beobachtimgen    fehlen.     Der   Process  beginnt  mit  der  Bil- 
dung eines    derbteigigen  Knollens   am   Grunde    des  Hoden- 
sackes, der,  indem  er  heranwächst  und  verhärtet,  die  Nachbar- 
haut von  allen  Seiten,  vom  Penis,  Bauch,  Oberschenkeln  heran- 
zieht und  in  den  Tumor  aufnimmt,  so  dass  speciell  der  Penis, 
indem  dessen  Bedeckung  ab-  und  vorgezogen  wird,  gänzlich, 
bis  auf  die  früher  erwähnte  Praeputio-Urethral-Rinne ,  in  der 
Geschwulst  verschwindet.    Diese  selbst  ist  an  der  Oberfläche 
gerunzelt,  gefurcht,  da  und  dort  nässend  oder  mit  "Warzen 
besetzt  und  fühlt  sich  derb-knollig ,  stellenweise  hart ,  oder  im 
Gegentheile  weich  oder  sulzig-elastisch  an.    Es  soll  da  öfters 
zur  Bildung  von  Blasen  kommen,  nach  deren  Berstung  oder 
zufälliger  Verletzung  stunden-  oder  tagelang  wahre  Lymphe, 
d.  i.  an  der  Luft  gerinnende  und  Lymphzellen  ausscheidende 
Flüssigkeit  aussickert  —  wahre  Lymphorrhoe. 

Die  Elephantiasis  pudendorum  muliebrium  bildet  nicht 
ganz  so  colossale,  aber  doch  auch  zuweilen  bis  zu  den  Knieen 
herabreichende,  genau  so  beschaifene ,  gestielte  Geschwülste 
der  grossen  und  kleinen  Lippen  und  der  Vorhaut  der  Clitoris. 

Nur  sporadisch  trifft  man  auch  Elephantiasis  der  Ohr- 
muscheln und  der  angrenzenden  Wangen-  und  Kopfbedeckung, 
der  oberen  Augenlider,  als  dicke,  beuteiförmige  Anhänge,  breit 


542 


Dreiunddreissigßte  Vorlesung. 


oder  gestielt  lierabhängend,  oder,  wie  ich  nach  chronisch  reci- 
divirendem  Gesichts-Erysipel  gesehen,  als  monströse  Vergrös- 
serung  und  Verdickung  der  Ohrmuscheln  und  geschwulstartige 
Auftreibung  und  Härte  der  Wangen  und  Lippen. 

Noch  seltener  ist  die  elephantiatische  Verdickung  anderer 
Hautregionen  und  da  jedesmal  so  sehr  vom  geschilderten  Typus 
abweichend,  dass  auch  eine  andere  Auffassung  solcher  Vor- 
kommnisse statthaft  wäre.  Manche  einschlägige  Fälle  sind 
wohl  treffender  als  M  o  1 1  u  s  c  u  m  f  i  b  r  o  s  u  m  anzusehen.  Andere 
stellen  beutel-  oder  geschwulstartige  Verdickungen  der  Haut 
vor,  welche  aus  angeborenen  Bindegewebs-  oder  Grefässmäleru 
durch  fortschreitendes  Wachsthum  hervorgegangen  sind.  Letz- 
tere Art  Geschwülste,  welche  wegen  ihres  ßeichthums  an  blut- 
strotzenden Gefässen  mit  dem  Namen  El.  telangiektodes 
(VmCHOw)  charakteristisch  bezeichnet  werden  können,  haben 
Rokitansky,  Vikchow,  Hecker,  Czerny  beschrieben.  Ein  Fall, 
den  ich  von  meiner  Süidentenzeit  her  durch  viele  Jahre  beob- 
achtet habe,  ist  wiederholt  das  Object  operativer  Eingriffe  durch 
Schuh,  Salzer  u.  A.  gewesen.  Am  linken  Arm  eines  jungen 
Mannes  war  aus  geringen  Anfängen  eine  solche  beuteiförmige 
Geschwulst  herangewachsen,  die  wie  ein  Blutschwamm  unter 
der  Hand  comprimirt  werden  konnte,  um  sich  sofort  turgescirend 
wieder  zu  füllen,  und  unter  der  Muskeln  und  Knochen  atrophirten. 
Hier  (gleich  wie  in  Czerny's  Eall)  waren  gleichzeitig  und  schon 
vom  Beginne  an,  schmerzhafte  Neurome  in's  schwammige 
Gewebe  des  Tumors  eingebettet,  weshalb  auch  der  Name  Ele- 
phantiasis neuromatosum  (P.  Bruns)  dafür  passen  würde.  Es 
sind  dies  also  pathologische  Bildungen ,  die  durch  Entstehungs-, 
Verlaufsweise  und  selbst  anatomische  Bedeutung  von  Elephan- 
tiasis Arabum  nicht  unwesentlich  abweichen,  aber  doch  hier 
erwähnt  werden ,  weil  sie  zumeist  imter  solchem  Namen  vor- 
geführt worden  sind. 

Die  anatomische  Untersuchung  der  elephantia tischen 
Hypertrophie  gewährt  ziemlich  klare  Einsicht  in  die  ihr  zu 
Grunde  .liegenden  Vorgänge.  Schneidet  man  eine  in  vorge- 
schrittenem Grade  elephantiatische  Extremität  ein,  so  kreischt 
das  Messer  und  erscheint  das  gesammte  subcutane  Gewebe  bis 
auf  den  Knochen  als  eine  beinahe  homogene ,  gelblich-weisse, 
fibröse  oder  speckige  (lardace)  Masse,  in  welcher  die  anatomisch 
verschiedenen  Gebilde,  Muskeln,  Nerven,  Gefässe  nur  schwer 


Elephantiasis  Arabnm. 


543 


erkennbar  sind.  Bei  Druck  entleert  sick  aus  der  Scknittfläclie 
eine  Menge  klarer,  gelblicb-weisser  Lympke.   Die  Cutis  selbst 
ersckeint  etwas  verdicktet,  aber  von  ziemlick  normaler  Dicke, 
dagegen  ist  die  Sckickte  des  Unterkautzellgewebes  auf  das  Mekr- 
facke  des  Normalen  verbreitert  und  bei  näkerer  Untersuckung 
ungleickmässig  besckaffen.    Einzelne  Stellen  sind  derb,  weiss- 
glänzend  und  dicktfaserig,  fast  scirrkös  (El.  dura  s.  scirrkosa), 
andere  weick,  sulzig  vorquellend  (El.  mollis  s.  gelatinosa)  und 
von  seknig  glänzenden  Faserbalken  begrenzt.  Dazwiscken  finden 
Sick  derart  begrenzte  Loculamente,  die  flüssige  Lympke  ent- 
kalten.    In  gleicker  Weise  verdickt  und  verdicktet  erweisen 
sick  die  Fascien,  das  intermusculäre  Bindegewebe,  Gefäss-  und 
Kervensckeiden ,  die  Nerven  selbst  aber  nur  selten  degenerirt. 
Die  Knocken  sind  verdickt,  sclerosirt  und  glatt  oder  mit  Osteo- 
pbyten  besetzt,  selten  stellenweise  usurirt,  versckmäcktigt  oder 
nekrotisck  oder  cariös. 

Bei  der  mikroskopiscken  Prüfung  findet  man  die  Cutis, 
bis  auf  Verdicktung  ikrer  Faserung  und  Pigmentreicktkum  der- 
selben und  der  Epidermis,  nur  dort  erkeblick  verändert,  wo 
warzige  Bildungen  aus  derselben  kervorgegangen  sind,  u.  z 
in  gleicker  Weise,  wie  bei  Icktkyosis  simplex  und  kystrix  oder 
bei  der  Warzenbildu.ng.    Die  scirrkösen  Massen  des  Unterkaut- 
zellgewebes besteken  aus  einem  dickten  Filze  saft-  und  zellen- 
armer Bindegewebszüge,  die  weicken  aus  jungem,  saftreickem, 
viele  Riuid-  und  verästigte  Zellen  (Bindegewebskörpercken)  ein- 
sckaltendem  Bindegewebe.  Die  Drüsen  der  Haut  sind  strecken- 
weise erkalten  oder  auseinandergedrängt,  gleick den  Fettläppeken, 
oder  atropkisirt,  das  Sckweissdrüsen-Endotkel  glasig  gequollen 
(Gay),  die  Muskeln  entfärbt,  fettig  entartet.  Die  Arterien  und 
Yenen,  letztere  auck  streckenweise  tkrombosirt,  grossentkeils 
erweitert,  sind  von  verdickter  Adventitia  umscklossen;  die 
Lympkgefässe  jedock  durckwegs ,   sowie  die  interstitiellen 
Lympki'äume  bis  an  die  äusserste  Spitze  der  Papillen  erweitert 
(Teichmaxx)  und  von  Lympke  erfLillt,  stellenweise  zu  von  En- 
dotkel  ausgekleideten  (Czerny)  Ampullen  ausgesackt. 

Analog  ist  der  Befand  bei  El.  scroti,  zu  welckem  für  El. 
telangiektodes  nock  besondere  Merkmale,  als  Ektasie  und  Neu- 
bildung von  Blutgefässen  und  dickbalkigen  Bluträumen,  sowie 
(in  mancken  Fällen)  Neurome  (Czerny)  zu  fügen  wären. 

Betracktet  man  den  Entwicklungsgang  der  El.  Arabnm  im 


544 


Dreinnildreissigste  Vorlesung. 


Vergleiclie  zu  den  Ergebnissen  der  anatomisclien  Untersuchung, 
so  fällt  es  vmscliwer  einzusehen,  dass  das  im  Grefolge  der  chroni- 
schen Entzündungsanfälle  sich  erneuernde  und  stagnirende  Oedem 
die  Grundlage  für  die  Bindegewebshypertrophie  und  in  weiterer 
Folge  für  die  Massenverdickung  des  Körpertheiles  und  die  anderen 
Gewebsveränderungen  abgibt.  Allein  nicht  jede  Art  Oedem  führt 
in  gleicher  Weise  und  Raschheit  zu  Hypertrophie  des  Binde- 
gewebes. Seröses  Oedem ,  wie  das  durch  Stauung  in  den  klein- 
sten Venen  oder  grösseren  Venenstämmen,  oder  durch  zu  spärliche 
Nierenausscheidung  bedingte ,  taugen  gewiss  nicht  dazu.  In  der 
letzten  Zeit  sind  von  Cohnheim,  Ranvier,  Lassar,  Sotnitschewsky 
u.  A.  in  der  Richtung  lehrreiche  Versuche  angestellt  worden,  die 
zwar  nicht  durchwegs  klare  Resultate  zu  Tage  gefördert  haben, 
aber  doch  den  Unterschied  niarkiren,  welcher  zwischen  der 
Durchtränkung  des  Gewebes  mittels  entzündlichem  (unter  Ent- 
zündung aus  den  Gefässen  exsudirtem)  und  der  mittels  mechanisch 
aus  normalen  Gefässen  ausgetretener  Stauungsflüssigkeit  besteht. 
Hier  handelt  es  sich  um  ein  sogenannt  lymphatisches  (Virchow) 
Oedem,  d.  i.  eine  an  weissen  Blutkörperchen  reichhaltige  Flüs- 
sigkeit, welche  in  den  Gewebsiiiterstitien  sich  aufstaut.  Eine 
solche  führt  nach  mikroskopischen  Nachweisen  (^Young)  direct 
zu  Neubildung  von  Bindegewebe,  indem  die  farblosen  Zellen 
proliferirend  auswachsen  und  sich  vielfach  ästig  und  faserig 
verbinden  und  indirect,  indem  die  abundante  Nahrungsflüssig- 
keit auch  die  normalen  (fixen)  Bindegewebselemente  zur  Hyper- 
plasie anregen  mag. 

Die  bekannten  Ursachen  der  El.  Ai'abum  erläutern 
diese  Verhältnisse  nur  noch  weiter,  indem  die  Affection  überall 
da  aufzutreten  pflegt,  wo  die  örtlichen  Verhältnisse  recidivirende 
Entzündung  und  Stagnation  entzündlicher  Oedeme  begünstigen, 
als,  für  die  Unterextremität :  chronisches  Eczem,  Fussgeschwüre, 
Narben,  Ivnochencallus,  chronische  Neubildungen,  wie  Sj^philis 
gummatosa  und  exquisit  Lupus,  narbige  Constriction  der  Leisten- 
drüsen ,  wahrscheinlich  auch  schrumpfende  Exsudate  und  Tu- 
moren innerhalb  des  Beckens,  da  ich  nach  Puerperien  bei  jungen 
Frauen  in  kurzer  Zeit  entstandene  hochgradige  El.  cruris  beob- 
achtet habe.  Schwierig  dagegen  ist  eine  Ursache  ausfindig 
zu  machen  für  die  im  Orient  und  in  den  Tropen,  oder  auch 
bei  uns  sporadisch  vorkommenden  Fälle  von  El.  genitalium. 
Da  muss  allerdings  eine  ßacen-  oder  individuelle,  oder  durch 


Elephantiasis  Arabnni.  54o 

die  klimatisclieu  Verhältnisse  bedingte  Disposition  über  unsere 
Unkenntniss  hinweghelfen.  Der  Eall  von  El.  telangiektodes 
von  Hkcker  und  Czeeny  war  in  drei  Generationen  einer  Familie, 
also  erblich  aufgetreten.  Doch  war  dies,  wie  früher  erwähnt, 
nicht  die  gewöhnliche  Form  von  El.  Arabum.  Manion  beschuldigt 
für  einen'^Fall  von  El.  scroti  eine  durch  Filaria  sanguinis  in 
den  Blutgefässen  veranlasste  Stauung. 

Zur  Diao-nose  der  El.  Arabum  dürfte  das  Festhalten 
des  früher  aufgestellten  strengeren  Krankheitsbegriftes  und  der 
geschüderten  Symptome  hinreichen.  Die  Prognose  ist  nur 
während  der  ersten  Stadien  der  Affection  relativ  günstig  ,  so 
lana-e  nur  erst  Oedem  vorhanden  und  der  Kranke  in  der  Lage 
ode?  die  Therapie  im  Stande  ist,  die  Entzündung  erregenden 
Momente  fernzuhalten.  Nur  das  Oedem,  nicht  aber  das  fertig 
gebüdete  hypertrophische  Bindegewebe  kann  noch  zum  Schwinden 

gebracht  werden. 

Bei  der  Beh  andlung  haben  die  allgemeinen  Massnahmen 
in  dem  Sinne  zu  erfolgen.  Bei  El.  cruris  müssen  vor  Allem 
die  .etwa  vorhandenen  Entzündungserscheinungen,  und  so  ott 
sie  neuerdings  sich  einstellen,  nach  den  aUgemeinen  Regeln 
bekämpft  werden.  Horizontale  Lagerung  der  Extremität  wahrend 
der  örtlichen   Temperaturssteigerung  und  Schmerzhaftigkeit, 
AppHcation  von  Kälte ,  später  von  warmen ,  sogenannt  „ver- 
theilenden" Fomentationen  und  lauwarme  Bäder  sind  da  am 
zweckmässigsten.    Complicirende  Geschwüre,  Eczem,  warzige 
Auswüchse  werden  mit  den  bekannten  Mitteln  (Salben,  Ver- 
bandwässer, Aetzmittel)  besorgt,   auflagernde  Schuppen  und 
Krusten  erweicht  und  abgelöst  und  die  Kranken  angehalten. 
Alles   zu  vermeiden,   was   neuerdings   Entzündung  erregen 
und  das  Oedem  steigern  könnte.    Die  nächste  Aufgabe  be- 
steht in   dem   Streben,    durch  Resorption   des  ödematosen 
Infiltrates  eine  Volumsabnahme  der  Extremität  zu  bewirken. 
Methodische  Einreibungen  von  Ungu.  cinereum,  Ungu.  Juniperi, 
in  Verbindung  mit  fleissigen  lauwarmen  Fomentationen  und 
Bädern  und  horizontaler  Lagerung  des  Beines  mindern  oft  m 
wenigen  Tagen  wesentlich  die  Härte  und  den  Umfang  der  Giied- 
masse.  Ein  Weiteres  leistet  dann  ein  Druckverband,  der  jedoch 
nur  angelegt  werden  kann,  wofern  keine  acuten  Entzündungs- 
erscheinungen zugegen  sind.    Eine  Flanell-  oder  Kautschuk- 
binde, besser  noch,  nach  Hebra,  eine  Calicotbinde,  die  vorher 

Kaposi,  Hantkrankheiten. 


546 


Dreiimddreissigste  Vorlesung. 


in  "Wasser  getaucht  worden,  wird  von  den  Zelien  nach  aiif'wärts 
bis  über  die  elephantia tische  Partie  hinauf  in  möglichst  ebenen 
Touren  stramm  angelegt  und  da  unter  derselben  der  Umfang 
des  Gliedes  rascli  abnimmt,  in  den  ersten  Tagen  2 — 3mal  er- 
neuert. Nach  möglichster  Verdrängung  und  Resorption  des 
Oedems  bleibt  nur  noch  jenes  Volumsübermass  zurück,  das  auf 
Rechnung  der  Bindegewebshypertrophie  zu  setzen  ist.  Man 
hat  nun  vielfach  durch  Verminderung  der  Blutzufuhr  diese  zu 
beschränken  versucht,  durch  methodische  Compression  der  Art. 
femoralis  oder  (seit  Caknochan,  1851)  Unterbindung  dieser  und 
selbst  der  Art.  iliaca.  Abgeselien  von  den  Fällen,  welche  hiebei 
an  Grangrän  und  Pyämie  zu  Grrunde  gingen,  ist  auch  in  den 
anderen  mu^  so  viel  Besserung  eingetreten,  als  die  nach  solchen 
Operationen  nothwendig  durch  mehrere  Wochen  fortgesetzte 
horizontale  Lagerung  an  und  für  sich ,  i.  e.  durch  Oedem- 
verminderung  bewirkt  haben  mochte.  Unter  solchen  Umständen 
möchte  man  bei  hochgradiger  Elephant.  cruris  beinahe  für 
die  Amputation  plaidiren,  durch  welche  das  Individuum  auf 
einmal  von  der  unbrauchbaren  und  behindernden  Gliedmasse 
befreit  und  in  die  Lage  gesetzt  würde,  einen  bequemen  Stelz- 
fu.ss  zu  gebrauchen.  Leider  ist  auch  dieses  Resultat  nicht 
sicher,  da  bisher  die  meisten  Kranken  an  den  Folgen  der  Am- 
putation gestorben  sind. 

Elephantiasis  der  Genitalien  und  aiiderer  Regionen  ist 
nur  mittels  Operation  zu  beseitigen  und  es  sind  seit  Gaetani- 
Bey  die  Methoden  der  Operation  für  El.  scroti  derart  vervoll- 
kommnet worden,  dass  selbst  die  colossalsten  Geschwülste  mit 
Erfolg  beseitigt  werden  können.  Die  Excision  hat  mit  der 
Vorsicht  zu  geschehen,  dass  für  Penis  und  Testikel  genügend 
grosse  Decklappen  zurückbleiben. 

Circumscripte  Bindegewebsliypertrophien. 

Die  aus  umschriebener  Bindegewebshyper- 
trophie der  Haut  hervorgehenden  Krankheitsformen  er- 
scheinen als  rothe,  warzige,  einfach  oder  zusanuuengesetzt 
lappige  ,  blumenkohlartige  ,  massig  und  bi^  zu  mehrere 
Centimeter  emporragende,  stellenweise  trockene,  meist  ein 
dünnes,  klebriges  und  bald  übelriechendes  Secret  absondernde, 
wenig  empfindliche  Auswüchse  der  Haut,  welche  beschränkte 
Stellen  oder  grosse  Flächen  occupiren   und  nach  äusserem 


Papilloma.  547 

Ansehen  und  anatomischem  Bau  in's  Colossale  vergrösserte 
Papillen  vorstellen  —  Papillome.  Ihr  anatomisches 
Gefüo-e  entspricht  also  vollständig  dem  für  die  einfachen 
xmd  '^zusammengesetzten  Warzen  (Fig.  29),  die  papillären 
Auswüchse  bei  Ichthyosis  hystrix  (Fig.  30)  uild  Dermatitis 
papillaris  capiUitii  (Fig.  27)  geltenden  Schema:  einfache 
oder  dendritisch  verzweigte  Bindegewebskegel ,  deren  Axe  in 
Stamm  und  Aesten  von  einem  mächtig  erweiterten  und  ent- 
sprechend verzweigten  Capillargefässe  durchsetzt,  während 
deren  Oberfläche  von  einem  proliferirenden  Eete  bedeckt  wird. 
Bei  lebhafter  Wucherung  der  Gebilde  wird  deren  Epidermis, 
unvollkommen  verhornt,  als  schmutziger  Detritus  oder  durch 
Bläschenbildung  abgehoben  und  abgestossen,  alsdann  liegt  das 
Rete,  stark  nässend,  abwechselnd  incrustirt,  zu  Tage  miä  ist 
der  Bingewebsstock  saft-  und  zellenreich.  Bei  den  stationären 
Formen  bildet  sich  eine  mächtige  Hornschichte,  wie  bei  Ichthyosis 
hystrix  ,  xmd.  ist  das  Bindegewebe  des  Gerüstes  grobfaserig, 
engmaschig  und  zeUenarm,  bisweilen  sogar  scirrhös. 

Von  den  angebornen  und  als  Naevi  p  apillomato  si 
zu  geltenden  Formen  abgesehen,  gehören  diese  anatomisch  con- 
gruenten  Formationen  klinisch  sehr  difiFerenten  Processen  an. 
Einer  derselben  ist  von  Sauvages  (1786)  als  Framboesla  in  die 
Pathologie  eingeführt  worden,  worunter  eine  angeblich  in  West- 
afrika und  Westindien  heimische  (dort  „Plan",  hier  „Yaws"  ge- 
nannte) Krankheit  verstanden  wurde,  welche  diirch  die  Entwick- 
lung von  maulbeer-  oder  himbeer artigen,  nässenden  Auswüchsen 
sich  charakterisirte  und  nach  Einigen  syphilitischen,  nach  An- 
deren idiopathischen  Ursprunges  sein  sollte.  Alibert  hat  für  Fram- 
boesla den  Namen  Mykosis  (framboesioides  et  syphiloides  — 
daneben  noch  fungoides)  und  später  Plan  substituirt  und  die 
Aifection  zur  Syphilis  gerechnet.  Spätere  Erfahrungen  haben 
aber  ergeben,  das  Framboesia  geradeso  als  Sammelbegriff  für 
sehr  differente,  theüs  syphüitische,  theüs  anderweitige,  allerdings 
meist  mit  papUlären  Bildungen  vergesellschaftete  chronische 
Infiltrations-  und  Ulcerationsprocesse  der  Haut  missbraucht 
worden  war,  wie  die  Namen  „Sivvens"  für  in  Schottland,  „Ra- 
desyge"  in  Norwegen,  „Falcadina"  in  Istrien  u.  m.  A. 
angeblich  endemische  Krankheitsformen,  welche  für  die  fach- 
kundigen Aerzte  sich  sofort  als  gar  nicht  fremdartig,  sondern 
der  Syphilis,  Scrophulose,  dem  Lupus  und  anderen  bekannten 

;-55* 


548 


Dreiunddreissigste  Vorlesung. 


Processen  aiigehörig  erwiesen  liaben.  Indem  somit  die  patlio- 
logisclien  Objecte  für  jene  Namen  abhanden  gekommen  waren, 
mnssten  aticli  diese  selbst  aus  der  Pathologie  scliwinden.  Um 
bezüglicli  der  Framboesie  ein  concretes  Beispiel  anzuführen, 
so  hat  Alibert  als  Prototyp  des  „Pian  ruboid" ,  demnach  in 
der  nach  diesem  Autor  allgemein  angenommenen  Bedeutung 
von  Framboesie  und  Syphilis,  jene  interessante  Krankheitsform 
des  Nackens  und  Hinterhauptes  beschrieben  und  abgebildet, 
welche  nach  meinen  Beobachtungen  und  mikroskopischen  Unter- 
suchungen (s.  pag.  464)  einen  idiopathischen,  nicht  syphi- 
litischen ,  chronischen ,  zu  Papillombildung  und  später  zu 
scirrhöser  Bindegewebshypertrophie  fübrenden  Entzündungs- 
process  darstellt. 

In  der  Mehrzahl  der  einschlägigen  Fälle  handelt  es  sich 
um  secundäre  Formationen ,  um  exuberirendes  Auswachsen 
der  Hautpapillen,  oder  (auf  eiternden  Wundflächen)  der  Grranu- 
lationen  über  einer  cbronisch  entzündlich,  oder  neoplastisch 
infiltrirten,  oder  eiternden  Haiitstelle.    Hieher  gehören  die  bei 
Sycosis,  Eczem  und  ulceröser  Syphilis  des  behaarten  Kopfes, 
über  cariösen  Knochen,    auf  und  neben   chronischen  Fuss- 
geschwüren üppig  wachsenden  Wucherungen  und  als  häufigste, 
die  auf  Lupus  und  ulcerirenden  Syphiliden  sich,  erhebenden 
und  diese  selbst  oft  überdauernden,  warzig-drusigen Excrescenzen. 
Es  ist  daher  sachgemäss,  solche  Formen  nach  dem  G-rund- 
processe ,  allenfalls  mit  Beifügung  eines  die  Complication  be- 
zeichnenden Adjectivs,  zu  benennen ,  als :  Lupus  papillaris  s. 
framboesioides,  Syphilis  vegetans  s.  framboesioides.  Manchmal 
bleiben  nacb  Erlöschen  des  Grrundprocesses  die  papillären  Aus- 
wüchse als  derbbindegewebige ,   öfters  von  interstitieller  Ent- 
zündung und  AbscessbildiTng  heimgesuchte  Greschwülste  zurück. 
Diese  mögen  dann  allerdings  für  die  Diagnose  bisweilen  eine 
Verlegenheit  bilden,  über  welche  aber  die  Aufstellung  eines 
umschreibenden  Krankheitsnamens  („entzündliches  Hautpapil- 
lom",  RosER,  Weil)  nicht  hinaushilft.    Doch  kann  man  auch 
da  noch  zumeist  die  ursprüngliche  Quelle  (Caries,  Lupus. 
Syphilis)  aus  Nebenumständen  erschliessen ,   oder  zweifellos 
eruiren,  wie  jüngst  an  einer  auf  v.  Dumreicher's  Klinik  beob- 
achteten, die  Nates  occupirenden,  drusigen  Greschwulst,  in  deren 
Nachbarschaft  spärliche,  aber  unverkennbare  Lupusknötcheu 
demonstrirt  werden  konnten. 


Papillonia. 


549 


Es  sind  aber  einzelne  Fälle  über  den  Körper  zerstrevit, 
luid  obne   ariffindlicbe  Ursacbe  aufgetretener,  beerscbwamm- 
ähnlicber  Auswüchse  von  Bazin,  Köbner,  Wegscheidee,  L. 
:Meyer  und  zweimal  an  der  HEBBA'schen  Klinik  beobachtet 
worden,  deren  nosologische  Bedeutung  noch  unaiifgeklärt  ist. 
Bei  den  von  uns  beobachteten  Kranken  entwickelten  sich  die 
Wucherungen  sehr  rapid  an  den  verschiedensten  KörpersteUen, 
vorwiegend  an  den  Gelenksbeugen,  nachdem  vorher  die  Haut 
etwas  geröthet,  nässend  oder  mit  Bläschen  besetzt  worden  war, 
und  haben  die  Vegetationen  von  den  einzelnen  Herden  aus  sich 
peripher  ausgebreitet,  im  ersten  Falle  bei  gleichzeitiger  Invo- 
lution der  centralen  Partien,  im  zweiten  bei  Persistenz  auch 
der  ursprünglichen  Proruption.    Einzelne  der  bekannt  gewor- 
denen FäUe  dürften  in  die  Kategorie  der  in  den  letzten  Jahren 
uns  vorgekommenen  allgemeinen  Sarcomatosis  gehören,  während 
bei  anderen  das  unbegrenzte  Wachsthum  solcher  fungöser  Vege- 
tationen und  das  Ausbleiben  ihrer  Ueberhäutung  vielleicht  als 
Ausdruck  eines  meist  tödtlichen  Marasmus  genommen  werden 
könnte.    Wenigstens  entspräche  diese  Auffassung    auch  der 
Erfahrung,  dass  all'  die  letztgenannten  Formen,  zu  denen  auch 
z.  B.  Pemphigus  vegetans  crouposus  (pag.  477)  zu  zählen  wäre, 
stets  imgünstig  verlaufen;  dass  keinerlei  allgemeines  oder  ört- 
liches Verfahren  die  ßecrudescenz  und  Vermehrung  der  Wuche- 
rungen zu  verhindern  vermag  und  die  Kranken  um  so  rascher 
zu  Grunde  gehen,  je  üppiger  und  zahlreicher  die  warzigen 
Büdungen  aufschiessen ,  und  je  weniger  es  über  denselben  zu 
einer  stabilen  Epidermisbildung  kommt. 

Die  früher  erwähnten  consecutiven  Papillomformen  dagegen 
haben  nur  eine  ihrer  QueUe  und  Ausdehnung  entsprechende 
örtliche  Bedeutung.  Wofern  sie  nicht  mit  dem  Grundprocesse 
(Syphilis,  Lupus  etc.)  und  auf  die  gegen  letztere  wirksamen 
Heüverfahren ,  z.  B.  Empl.  hydrargyri,  antisyphiUtische  All- 
gemeincuren,  sich  involviren,  können  dieselben  nach  den  für 
die  Behandlung  der  Warzen  geltenden  Methoden  (Aetzeu, 
SchablöfEel,  Exstirpation)  beseitigt  werden. 


YII.  0 lasse. 

Atrophiae, 

In  Gewebsschwund  besteherde  Hautkrankheiten. 

Yi er un d  dreis si g ste  Yorlesimg. 

Allgemeines  über  Atrophie.  Pigmentatrophie,  der  Epidermis, 
angeboren:  Albinismus;  erworben:  Vitiligo.  Pigmentmangel  der  H  aa  r  e, 
angeboren,  erworben,  Canities  praematura,  senilis.  Atrophie  der 
Haare:  Alopecia,  adnata,  aequisita  ,  idiopathiea  et  symptomatiea, 
Specielle  Formen:    AI.  senilis,    AI.  praematura;    AI.  areata,  AI.  neurotica. 

Atrophie,  einfacher  oder  degenerativer  Gewebsschwund, 
und  die  im  Resultate  ihr  gleichbedeutende  mangelnde  oder 
mangelhafte  Anbildiing  einzelner  Cntiselemente  ergeben 
pathologische  Zustände,  welche  zum  Theile  einen  geraden 
Gegensatz  der  Hypertrophien,  znm  Theile  jedoch  ganz  eigen- 
artige Krankheitsformen  darstellen.  Gleich  der  Hj'pertrophie 
betrilFt  auch  die  Atrophie  entweder  ausschliesslich,  oder  vor- 
waltend einzelne  Elemente  der  Haut,  Pigment,  Haare,  Nägel, 
oder  den  Bindegewebsstock  der  Cutis  mitsammt  den  Gefässen 
und  Drüsen.  Darnach  theilen  wir  die  hieher  gehörigen  Krank- 
heitsformen in  die  Gruppen :  Pigmentatrophie ,  Atrophie  der 
Haare,  Atrophie  der  Nägel  luid  eigentliche  Hautatrophie. 

Pigmentatrophie, 

Achromatia,  Leucopathia,  bedeutet  den  Abgang  der 
den  Horngebilden  der  Haut,  d.  i.  der  Schleimschicht  und  den 
Haaren  normalmässig  zukommenden  gelb-,  dunkelbraunen  bis 
schwarzen  Färbung,  welche  Gebilde  alsdann  weiss  und  grau 
entfärbt  erscheinen.  Beide  Zustände  treffen  zuweilen  zusammen, 
kommen  aber  meist  getrennt  vor. 


Albinismus.  VitUigo. 


551. 


Pigmentmangel  der  Epidermis 

beilingt  glänzend-  oder  mattweises  Ansehen  der  Haut  — 
Lencodernia,  Achromatia  —  und  rosiges  Durchsclieinen  der 
ßlutinjection.  Der  Ziistand  ist  entweder  angeboren  — 
Albinismus,  oder  erworben  —  Vitiiigo. 

Lencodernia  congeniale  ist  entweder  über  die  ganze 
allgemeine  Decke  verbreitet  —  Albinismns  universalis, 
oder  nur  auf  einzelne  HautsteUen  beschränkt  -  Albinismus 
partialis.     Der  er  st  er  e  bildet  die  Eigentkümlickkeit  der 
sogenannten  Albinos  (Kakerlaken,  Dondos),  bei  welchen  nebst 
der  Haut  auch  die  Haare ,  Iris  und  Chorioidea  des  Pigmentes 
ermangeln,   daher  nebst   der  hellweissen   oder  rosig  durch- 
scheinenden, meist  zarten  Haut  auch  die  Haare  gelb-  bis  flachs- 
weiss,  zugleich  seidenartig,  Iris  und  PupiUe  dagegen  (in  Folge 
Reflexion  des  Lichtes)  roth  erscheinen  und  hochgradige  Licht- 
scheu nebst  Nystagmus  zugegen  sind.    Man   kennt  nicht  die 
Ursache  dieser  Bildungshemmung,  die  das  ganze  Leben  hin- 
durch unverändert   fortbesteht.    Wir   wissen,    dass  normal 
pigmentii'te  Eltern  Albinos  zeugen  können ;   dagegen  fehlt  es 
an  Erfahrungen  darüber ,  ob  von  Albinos-  Eltern  die  Anomalie 
sich  auf  die  Nachkommen  vererbt.  Unter  den  Negerracen  (bei 
welchen  nach  Beigel  manchmal  Halberbleichen  der  dunklen 
Färbung  —  Semi- Albinismus  —  vorkommt)  findet  sich  Albinis- 
mus häufiger  als  bei  den  hellgefärbten  Eacen,  wie  denn  jene 
überhaupt  für  Pigment- Alienationen  mehr  Disposition  zeigen, 

so  z.  B.  auch  für 

AI b  i n  i s  m  u  s  p  a  r  t  i  a  1  i  s ,  d  er  ein  Analogen  der  Schecken- 
bildung bei  Thi  eren  vorstellt,  indem  von  Geburt  an  einzelne  Haut- 
stellen, meist  des  behaarten  Kopfes,  der  Grenitalien,  in  Form  von 
Flecken  oder  Streifen  weiss,  pigmentlos  erscheinen  und  bleiben. 
Die  derart  scheckigen  Neger  werden  gjs  Elster-Neger,  negres 
mouclietes,  negres  pies,  piedes  negro,  bezeichnet.    Nicht  selten 
bleiben  auch  die  im  Bereiche  solcher  Flecke  wachsenden  Haare 
weiss  (Poliosis).    Meist  nnregelmässig  situirt ,  sind  doch  auch 
die   albinotischen  Flecke  und  Streifen  zuweilen  symmetrisch 
angeordnet,  oder  dem  peripheren  Nervenverlaufe  entsprechend  , 
genau  wie  manche  Pigment-  und  Warzenmäler ;  ja  sie  begleiten 
oft  solche,  so  dass  weisse  und  dunkle  Streifen  nebeneinander 


552 


Vierunddreisisigste  Vorlesung. 


laufen.  Ueberhaupt  gelit  Pigmentatrophie  mit  Pigmenthyper- 
tropliie  gewissermassen  complementär  häufig  nebeneinander. 

Albinismus  partialis  ist  wie  A.  universalis  meist  stationär, 
ändert  sich  jedoch  in  manchen  Fällen  durch  Fortsehreiten  des 
Pigmentschwundes  und  erweist  sich  zuweilen  erblich. 

Leucoderma  acquisitum  entsteht  entweder  idio- 
pathisch oder  consecutiv  und  symptomatisch.    Die  idio- 
pathische Form,  Vitiligo,  Achroma  Vitiligo,  kommt  eben- 
falls bei  Negern  häufiger  vor,  ist  aber  doch  unter  der  kaukasi- 
schen Race  nicht  selten.  Ohne  bekannte  Ursache,  ohne  jegliche 
örtliche  Empfindungs-  oder  merkliche  Ernährungsstörung  ent- 
stehen an  einer  oder  mehreren  Stellen  des  Körpers  pfenuig- 
bis  kreuzergrosse ,  blasse  (pigmentlose)  Scheiben ,  während  die 
unmittelbar  angrenzende  Haut  sich  dunkelbraun  färbt.  Es  ist, 
als  wäre  der  Farbstoff  von  jenen  Centren  nach  der  Peripherie 
geschoben  worden.  Auch  die  Haare  erbleichen  zumeist  inner- 
halb der  weiss  gewordenen  Flecke.  Binnen  Monaten  und  Jahren 
schreitet  die  Entfärbung  stetig  und  in  der  gleichen  Weise  vor, 
indem  die  weissen  Stellen  zu  grossen  runden  oder  ovalen, 
convex  begrenzten  Scheiben  werden,  während  die  dunkelgefärbte 
Nachbarschaft  mit  concaven  Rändern  jene  einschliesst.  Für 
das  Auge  kehrt   sich  mit  der  Zeit  die  Contrastwirkung  um. 
Während  Anfangs  die  kleinen  weissen  Scheiben  mitten  auf  der 
normal-  und  dunkelgefärbten  Haut  höchst  auifällig  sind,  das 
Gresicht  z.  B.  scheckig,  die  Finger  weiss  und  braun  geringelt 
erscheinen  lassen,  sind  es  später,  wenn  einmal  die  Entfär- 
bungsflächen sehr  ausgedehnt  geworden ,  die  dunkelpigmentirten 
Zwischenstellen,  die  mehr  auffallen,  so  dass  der  Unerfahrene 
die  weissen  Stellen  für  normal  gefärbt  und  die  dunkeln  für 
die  afficirten  zu  halten  geneigt  wäre.  Nach  dem,  was  ich  an 
einem  56jährigen  Manne  erfahren,  kann  der  Process  nach 
vielen  Jahrzehnten  endlich  fast  über  den  ganzen  Körper  sich 
erstrecken ,  da  bei  dem  genannten  Kranken  bis  auf  wenige 
schmale  dunkle  Pigmentstreifen  an  den  periphersten  Körper- 
theilen  die  ganze  übrige  Haut  entfärbt  war. 

Die  leucopathische  Haut  ist  im  Uebrigeji  nicht  im  mindesten 
verändert ,  glatt ,  geschmeidig ,  normal  functionirend  und 
empfindend. 

Die  Diagnose  der  Vitiligo  ist  nach  ihren  aufTälligen 
Symptomen  leicht   zu  machen.     AVenn    dieselbe   in  Lepra- 


Pigment.atrophio.  Yitiligo. 


553 


Gegenden  zuweilen  mit  Lepra  verwechselt  wird,  so  liegt  dies 
tlieils  in  dem  Umstände ,  dass  ancli  bei  dieser  Krankheit  weisse 
und  dunkle  Verfäi-bungen  vorkommen,  theils  in  dem  alten 
Vorurtheile,  dass  man  das  „Zaraath"  der  Bibel,  bei  welchem 
„die  Hantstelle  weiss  und  das  Haar  in  derselben  weiss  gewor- 
den", bis  lange  für  Lepra  verstanden  hat.  Das  hier  in  Rede 
stehende  Uebel  gestattet  zwar  keine  günstige  Prognose,  in- 
soferne  dasselbe  unheilbar  und  unbeschränkbar  ist,  allein  es 
hat  auch  andererseits  bis  auf  die  in  ihm  liegende  Verunschönung 
nicht  den  geringsten  Einfluss  auf  das  Gresammtbefinden  oder 
die  übrigen  Functionen  der  Haut.  Die  anatomische  Ver- 
änderung bei  Vitiligo  besteht  einzig  und  allein  in  dem  Mangel 
der  Pigmentkörnereinlagerung  der  tiefen  ßetez eilen,  entsprechend 
den  entfärbten  Flecken,  während  an  den  complementären  dunkel- 
gefärbten Hautstellen  im  Gegentheil  das  ßete  reicheren  Pig- 
mentgehalt aufweist.  Als  Ursache  der  Vitiligo  ist  in  manchen 
Fällen  allgemeine  Innervationsstörung,  z.  B.  nach 
erschöpfenden  Krankheiten,  geltend  gemacht  worden.  Ueber- 
wiegend  jedoch  sind  die  Betroffenen  gesunde  Lidividuen  mitt- 
leren Lebensalters  und  es  ist  geradezu  für  die  meisten  Fälle 
der  Vitiligo  migrans  keine  plausible  Ursache  erdenkbar.  Häufig 
dürften  wohl  örtliche  Momente  die  veranlassende  Ursache 
abgeben.  Als  solche  möchte  ich  jede  Art  von  Verschiebung  in 
der  normalen  Vertheilung  des  Pigmentes ,  und  jede  Art  An- 
regung zu  lebhafterem  Umsatz  desselben  ansehen.  Da  kommt 
es  entweder  sofort,  oder  auf  dem  Umwege  der  Pigmenthyper- 
trophie zu  Pigmentschwund.  So  nimmt  bekanntlich  Vitiligo 
häufig  ihre  Entstehung  von  Pigmentmälern  und  entstehen  fix 
bleibende,  oder  später  fortschreitende  Decolorationen  iinter  dem 
Drucke  von  Bandagen,  oder  ausgehend  von  Brand-  und  Ge- 
schwürsnarben. In  letzteren  Fällen  geräth  eben  das  Pigment  in 
den  dem  Rückbildungsprocess  der  Narben  eigenthümlichen 
Resorptionsstrom ,  dem  auch  andere  Gewebselemente  (InfiJtra- 
tionszellen ,  Bindegewebskörperchen)  zufallen. 

Li  die  letzterwähnte  ursächliche  Kategorie  gehören  die 
concomitirenden  und  consecutiven  Vitiligoformen ,  welche 
sich  aus  entfärbten  und  pigmentirten  Flecken  kaleidoskopartig 
zusammensetzen,  bei  Xeroderma,  Sclei'o derma ,  Lepra,  sowie 
die  Entfärbungen ,  welche  nach  Resorj)tion  von  entzündlichen 
und  neoplastischen  Infiltraten  und  deren  Pigmentresten  zurück- 


Vierunddreissigste  Vorlesung. 

zubleiben  pflegen,  nach  Furunkeln,  Variola,  Lupus,  syplii- 
litischen  Papeln,  den  sogenannten  Scbwangerscliaftsnarben 
u.  s.  w.  Räthselliat't  bleibt  es  aber  immerhin,  weshalb  auch 
in  solchen  Fällen  zuweilen  die  Pigmentatrophie  fortschreitet, 
oder  gar  auch  andere  Hautstellen  befällt.  Dass  aber  an  den 
von  den  letztgenannten  Processen  betroffenen  Hautstellen  in 
der  Ausdehnung  der  örtlichen  Läsion  fixe  Decoloration  ein- 
tritt ,  ist  begreiflich ,  da  ja  mit  der  Atrophie  der  Papillen  auch 
das  pigmentproducirende  Gebilde  verloren  gegangen  ist. 

Die  directe  Behandlung  der  Leucopathien ,  welcher 
Art  immer,  hat  sich  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  erfolglos 
erwiesen.  Wir  können  zwar  durch  gewisse  Hautreize,  wie  durch 
Canthariden,  auf  den  Vitiligo-Flecken  stärkere  Pigmentirung 
veranlassen,  aber  diese  entspricht  nicht  dem  normalen  Haut- 
colorit  und  verschwindet  auch  bei  Vitiligo  neuerdings.  Dagegen 
vermögen  wir  das  scheckige  Ansehen  der  Haut,  die  Contrast- 
Erscheinung  der  hellen  und  dunkeln  Flecke,  dadurch  zu  besei- 
tigen, dass  wir  die  pigmentirten  Stellen,  also  die  eigentlich 
gesunden,  behandeln,  indem  wir  sie  durch  die  gegen  Pigment- 
flecke (pag.  505)  angeführten  Mittel  entfärben.  Ein  solches 
Verfahren  kann  für  die  Frühstadien  der  Vitiligo  des  Gesichtes 
und  der  Hände  und  Achroma  partiale  erwünscht  sein.^ 

Innerliche  Mittel,  Arsen,  Eisen,  beeinflussen  nicht  im 
Geringsten  den  Process  der  Vitiligo. 

Atrophie  des  Haarpigmentes 

kommt  als  Ergrauen  der  Haare,  Canities,  Poliosis, 
zum  Ausdruck.  Die  Haare  erscheinen  g  r  a  u-  bis  s  i  1  b  e  r  w  e  i  s  s. 
Angeboren  kommt  der  Zustand,  allgemein  und  partiell,  ent- 
sprechend dem  Albinismus  vor ;  doch  findet  man  auch  von 
Geburt  ab  partieUe  Poliosis,  ein  Büschel  hellweisser  oder  grauer 
Haare  mitten  im  dunkel  gefärbten  Kopfhaare,  ohne  gleich- 
zeitige Entfärbung  des  betrefi'enden  Hautfeldes. 

Im  extrauterinen  Leben  erworben  erscheint  abnormer 
Weise  das  frühzeitige  Ergrauen  —  Canities  prae- 
matura —  Kopf-  und.  Barthaar  allgemein  betreffend,  oder 
als  partielle  Poliosis  in  Folge  individueller  oder,  in  manchen 
Fällen  erblicher  Disposition,  oder  nach  intensiven  physischen  und 
moralischen  Leiden,  selten  auch  an  den  nach  dem  Effluvium  m 


Pigmeutatrophie.  Ergrauen. 


555 


Folge  von  Typhus,  Erysipel  u.  A.  wiedererzeugten  Haare. 
Das  frühzeitige  Ergrauen  schwindet  in  seltenen  Eällen  durch 
Nachwuchs  von  pigmentirten  Haaren.  Meist  ist  dasselbe  blei- 
bend, gerade  so  wie  das  phy  siologis  che  Altersergrauen 
—  Canities  senilis  —  bei  welchem  in  der  Regel  die  grauen 
Haare  zuerst  an  der  Schläfegegend,  erst  später  auch  an  anderen 
Stellen  des  Kopf-  und  Barthaares  sich  zeigen,  bis  dann  all- 
mälig,  d.  i.  binnen  mehrerer  Jahre,  zum  grössten  Theil,  oder 
allesammt  die  Haare  der  genannten  Regionen,  sowie  auch  des 
Körpers  erbleicht  sind. 

Die  anatomische  Grundlage  all'  der  genannten  Formen 
der  Haarbleichung  ist  dieselbe.  Die  normale  Pigmentirung  der 
Haare  beruht  bekanntlich  auf  der  Einlagerung  von  dunkel- 
bis  gelbbraunen  Pigmentkörnern  in  und  zwischen  die  Zellen 
der  Haarrinde  und  die  Farbennuance,  schwarz,  braun,  blond, 
roth,  hängt  von  der  Menge  (Dichtigkeit)  und  Vertheilung  dieses 
Pigmentes  ab.  Die  Matrix  für  die  PigmentbeschafFung  des 
Haares  bildet  dessen  Papille,  geradeso  wie  für  das  Pigment 
der  Epidermis  die  Papillen  der  Haut,  und  die  Constanz  der 
Färbung  jedes  einzelnen  Haares  beruht  darauf,  dass  dessen 
Papille  stetig  Pigment  neu  erzeiige.  Dadurch  gewinnen  zunächst 
die  jungen  Zellen  der  Haarzwiebel  Pigmentgehalt  und  dieselben 
führen  diesen  mit  sich,  indem  sie  im  Wachsthum  des  Haares 
vorgeschoben  und  zu  Haarrindensubstanz  sich  anreihen  und 
verhornen.  Bei  den  angeborenen  Formen  der  Poliosis  fehlt  eben 
den  Haarpapillen  (bei  Albinismus  zugleich  auch  den  Haut- 
papillen)  von  Haus  aus  die  pigmentbildende  Function  und  bei 
dem  späteren  Ergrauen  sind  die  Haarpapillen  dieser  Eigen- 
schaft plötzlich  (bei  Vitüigo),  oder  allmälig  verlustig  geworden, 
sei  es  in  Folge  einer  allgemeinen  Ernährungs-  oder  Inner- 
vationsdepression  (wie  nach  Krankheit,  Gram,  intensiver  Arbeit), 
oder  einer  örtlichen  Zerstörung  der  Papillen  (wie  im  Bereiche 
von  Narben),  oder  des  senilen  Gewebsschwundes.  Das  Ergrauen 
besteht  also  nicht  in  einem  Erbleichen  des  schon  fertigen 
und  pigmentirten  Haarschaftes,  sondern  in  dem  Nachspriessen 
eines  zunächst  pigmentarmen,  und  allmälig" eines  pigmentlosen 
lind  alsdann  grauen  Haarstückes.  Werthebi  hat  neuerlich 
diese  Verhältnisse  genauer  studirt.  Beim  Altersergrauen  findet 
man  stets  Haare,  deren  Spitzentheil  noch  dunkel  und  deren 
Basaltheil  schon  pigmentarm  erscheint. 


55(^  Vierunddreissigste  Vorlesung. 

Ja  aus  einzelnen  Follikeln  spriessen  vor  dem  gänzlichen 
Ergrauen  braun-  uüd  graugeringelte  Haare,  ein  Beweis,  dass 
deren  Papillen  vor  der  gänzlichen  Sistirung  ihrer  Pigment- 
production  dieser  schubweise  wieder  fähig  gewesen  sind.  Da 
also  die  eiiizelnen  Haare  nur  in  ihrem  nachgeschobenen  Theile, 
demnach  auch  nur  in  der  Zeitproportion  ihres  physiologischen 
Nachwachsens,  d.  i.  binnen  Wochen  ergrauen ,  so  können  auch 
die  Erzählungen  von  „plötzlichem",  „über  Nacht"  entstandenem 
Ergrauen,  das  man  an  Schiffbrüchigen,  zum  Tode  Verurtheilten 
u.  A.  gesehen  haben  will,  nur  auf  unrichtiger  Beobachtung 
beruhen.  Denn  es  ist  physiologisch  undenkbar,  dass  die  in  den 
ausgewachsenen  Haaren  befindlichen  Pigmentkömer  plötzlich 
verschwinden  und  die  Behauptung,  dass  unter  Einfluss  von 
Schreck,  Todesfurcht  etc.  in  dem  fertigen  Haare  sich  G-ase 
entwickeln,  eben  so  wenig  stichhältig  wie  die,  dass  solche  Gras- 
oder Luftblasen  das  Pigment  verdecken;  denn  auch  viele  der 
normalgefärbten  Haare  enthalten  Luft. 

Die  Behandlung  des  Ergrauens  der  Haare  kann  nicht 
den  Zweck  verfolgen,  die  Haarpapillen  zu  neuerlicher  Pigment- 
erzeugung zu  vermögen,  sondern  nur  den  Ausfall  an  Farbstoff 
durch  künstliche  Färbung  der  Haare  zu  decken.  Obgleich 
dieser  Aufgabe  die  professionelle  Kosmetik  sich  längst  bemächtigt 
hat,  ist  es  doch  für  den  Arzt  zweckmässig,  die  von  ihr  ge- 
brauchten Haarfärbemittelzu  kennen.  Das  gebräuchlichste 
derselben  ist  Silbersalpeter,  dessen  Lösung  je  nach  seinem 
Concentrationsgrade  die  Haare  in  verschiedener  Nuance  braun 
bis  schwarz  färbt,  indem  das  Silberoxyd  unter  dem  Einflüsse 
des  Lichtes  reducirt  wird.  Vor  dessen  Application  werden  die 
Haare  mittels  Seifenwaschung  gut  entfettet.  Die  Schwarzfärbung 
der  mit  Silberlösung  unvermeidlich  benetzten  Haut  verbittet 
man   durch   sofortiges  Waschen   derselben  mittels  Kochsalz- 
lösung oder  Cyankali.  Viel  in  Gebrauch  sind  combinirte  Apph- 
cationen  von  Silber-  oder  Bleisalzlösung,  auch  Eisensalz  mit 
Schwefelleber.    Man  bürstet  die  eine  Lösung  auf  die  Haare 
lind  nach  deren  Eintrocknen  die  zweite.    Durch  richtige  Com- 
bination  der  Menge  und  Concentration  der  Flüssigkeiten  erzielt 
man  bei  gehöriger  Technik   das   gewünschte  HeUbraun  bis 
Schwarz  oder  Gelbroth.    Verschieden  nuancirte  bis  glänzend 
schwarze  Färbung  der  Haare  lässt  sich  nach  Dr.  J.  E.  Pol..k  s 
Demonstration  durch  die  bei  den  Persern  in  Gebrauch  stehende 


Atrophie  der  Haare.  Alopecia. 


557 


Henna  indica  (Papillionacee)  erzielen,  indem  deren  Pulver  mit 
AVasser  zu  einer  Paste  gerieben  auf  die  Haare  gebracht  wird, 
worauf  dann  Indigopulver  ebenso  unter  halbstündiger  Einwir- 
kung von  Wasserdampf  aufgestrichen  wird.  Selbstverständlich 
müssen  alle  Haarfäi-beraittel  ebenso  oft  neu  aufgetragen  werden, 
als  die  Haare  grau  nachschieben.  Ich  gebe  hier  einige  Pormeln : 
(/)  Zum  Schwarz  färben:  ßp.  Agent,  nitr.  1;  Ammon. 
carb.  1,50;  Ungu.  emoU.  30;  Rp.  Argent.  nitr.  1,25;  Aquae 
dest.  60 ;  Liqu.  hydrarg.  nitr.  oxyd. ;  Spirit.  Resedae  ^  5 ; 
Rp.  Argent.  nitr.  5.  Plumb.  acet.  1  ;  Aqu.  Rosar.  100 ; 
Aqu.  Coloniensis  1.  Zu  combinirter  Anwendung:  Rp.  Argent. 
nitrici  fusi  5 ;  Aqu.  dest.  50 ;  Sig.  N.  I.  Acid.  pyrogallici  3 ; 
Aqu.  dest.  40  ;  Spir.  vini  rectif .  1 0 ;  Sig.  N.  II. ;  oder  Argent. 
niti;.  fusi  8 ;  Aqu.  dest.  70 ;  Sig.  N.  I.  Hepat.  sulf.  8 ,  Aqu. 
dest.  70  N.  II.  h)  Zum  Braunfärben:  Acid.  pyrogall.  1 ;  Aqu. 
Rosar.  40,  Spir.  Colon.  2.  Populär  ist  auch  das  Einreiben  der 
Haare  mit  „Schwefelbalsam"  (Schwefel  mit  Eidotteröl  abge- 
rührt), worauf  „Essigbrühe"  (Essig-Eiseurost)  eingewaschen  wird. 
Durch  alle  fetten  Oele :  Oleum  nucum  juglandis,  Ol.  Macis,  Ol. 
Cassiae  etc.  bekommen  die  Haare  eine  dunklere  Eärbung  und 
sie  können  pn.r  oder  als  Pomade  empfohlen  werden ;  z.  B.  Olei 
ovorum;  Medull.  ossium  bovis  "aa  20,  Lact.  ferril,50;  Ol.  Cassiae 
aeth.  1.  Sig.  Haarfärbemittel.  (PfafF.)  Einen  Nachtheil  für  die 
Gesundheit,  wofern  nicht  ihre  ungeschickte  Anwendung  Eczem 
erzeugt,  haben  die  metallischen  Haarfärbemittel  ebenso  wenig 
wie  die  vegetabilischen. 

Atrophie  der  Haare 

begreift  jede  Art  krankhafter  Störung  in  dem  typi- 
schen "Wachs  thiim  der  Haare.  Eine  solche  kann  in  einer 
Alteration  des  gesammten  „Haarwuchses",  oder  in  einer 
Structurveränderungder  einzelnenHaare  zum  Aus- 
drucke gelangen. 

Mangelhaften  Haarwuchs,  welcher  Ursache  und 
Form  immer,  bezeichnen  wir  als 

Alopecia. 

Celsus  hat  so  jegliche  Form  von  Kahl h  ei  t  oder 
Kahlwerden  im  Bereiche  des  Capillitium  und  des  Bartes  ge- 
nannt.   Die  Kahlheit,  Calvities,  stellt  aber  zumeist  nur 


558 


Viarunddreissigste  Voi'lesung. 


das  Endresultat  eines  combinirten  Processes  vor,  des  abnorm 
reicbl  loben  Haarausfalles  (Effluvium  s.  Defl avium,  s.  Lapus 
pilorum  Psilosis),  mit  dem  ein  insufficienter  Nacbwuchs  der 
Haare  Hand  in  Hand  gebt,  so  dass  unter  solcben  Umständeji 
aucb  diese  patbologiscben  Erscbeiiiungen  mit  in  den  Begriff 
der  Alopecie  atifgenommen  werden  müssen.   Diese  umfassende 
Bedeutung  der  Alopecie  scbeint  zutreffender,  als  die  bescbränk- 
tere  ,  welcbe  mancbe  Autoren  derselben  gegeben ,  indem  man 
nur  das  zerstreute  Ausfallen  der  Bart-  und  Ivopfbaare  darunter 
versteben  wollte  und  für  andere  Formen  der  KabDieit  nocb 
besondere  Bezeicbnungen  aufstellte,  als :  Pbalacrosis  s.  Calvities 
für  Kablbeit  des  Vorderkopfes;  OpHasis  (Celsus)  für  einen 
quer  über  den  Scbeitel  zu  beiden  Obren  laufenden  baarlosen 
Streifen;  Opistopbalacrosis  für  Kablbeit  des  Hinterbaupie^, 
Hemipbalacrosis   für  balbseitige  Kablbeit;  Anapbalantiasis. 
Verlust  der  Augenbrauen ;  Alopecia  areata  s.  Area  Jonstoni,  m 
Scbeibenform  auftretenden  Haarverlust;  Madesis  s.  Madarosis 
(Rar-,  Scbütter-)  Dünnerwerden  der  Haare. 

In  Berücksicbtigung  der  wesentlicbsten  Symptome ,  der 
begleitenden  und  ursäcblicben  Momente,  dürfte  die  folgende 
Erntbeilung  für  die  mannigfacben  Formen  der  Alopecie 

sieb  empfeblen : 

Alopecia  adnata,  angeborener  mangelhafter  Haar- 
wucbs,  als  spärlicbe  oder  gänzlicb  mangelnde  Bebaarung  - 
Oligotricbia  et  Atricbia  —  u.  zw.  partialis  oder  uni- 
versalis. Der  Zustand  ist  selten  bleibend,  meist  spriessen  die 
Haare  verspätet  nacb.  Diese  A.  stellt  also  eine  Bildungs- 
bemmung  vor  und  ist  oft  mit  zögernder  Zalimmg  vergesell- 
scbaftet. 

Alopecia  acquisita,  im  Verlaufe  des  extrauterinen 
Lebens  entstandener  Haarverkist,  erscbeüit  als  Alters-Haar- 
scbwund  —  A.  senilis,  und  frübzeitiges  Kablwerden  - 

A.  praematura.  .  ,  j 

Alopecia  senilis  beginnt  mit  dem  vorruckenden 
Lebensalter.  Meist  scbwinden  zuerst  die  Haare  von  der  Stirn- 
grenze des  Capillitium,  so  dass  in  demselben  Maasse  die  Stirne 
o-eo-en  den  Scbeitel  sieb  verlängert  (Greisen-Stirne).  Ist  mit 
Ei^reicbung  des  Greisenalters  die  Kablbeit  fertig  gedieben,  so 
erstreckt  sieb  dieselbe  auf  einen  Bezirk,  der  von  der  oberen 
Stirngrenze  bis  über  den.  Wirbel  und  seitlicb  bis  etwa  zur 


1 


Alopecia  areata. 


559 


Mitte  der  Selieitelwandbeine  reicht,  wälirend  Hinterhaupt  und 
seitliche  Schcädel-  und  Schläfegegend  den  Haarwuchs  behalten. 
Die  kahle  Haut  erscheint  glatt,  gespannt,  glänzend  (daher 
„Glatze"),  oft  fettig,  verdüimt.  Die  Follikelmündungen  sind 
in  den  späteren  Jahren  schwer  erkennbar ,  da  und  dort  von 
einem  Wollhärchen  besetzt.  A,  senilis  betrifft  imgleich  häufiger 
männliche  als  weibliche  Personen.  Dem  Ausfallen  der  Haare 
geht  meist  Ergrauen  voraus,  doch  ist  Letzteres  sicher  nicht 
die  Ursache  des  Ausfallens.  Bart-  und  Schamhaare  werden  vom 
Altersschwund  nur  in  geringem  Grade  befallen. 

Die  verminderte  Anbildung,  welche  im  Greisenalter  auch 
in  anderen  Systemen  sich  geltend  macht,  mag  auch  für 
A.  senilis  die  nächste  Ursache  abgeben ,  wobei  doch  be- 
merkenswerth ,  dass  Alterskahlheit  bei  weiblichen  Personen 
seltener  vorkömmt. 

Die  anatomischen  Verhältnisse  der  kahlen  Haut 
sind  nicht  derart,  dass  sie  als  directe  Veranlassung  des  Haar- 
ausfalles, und  vielleicht  mit  eben  so  viel  Recht  als  Consequenz 
desselben  angesehen  werden  könnten.  Die  Erscheinungen  der 
Atrophie  finden  sich  nämlich  nicht  an  kurz  vorher  kahl 
gewordenen,  sondern  nur  an  den  schon  jahrelang  des  Haar- 
wuchses verlustigen  Stellen.  Auf  mikroskopischen  Schnitten 
zeigen  sich  die  Talgdrüsen  streckenweise  geschrumpft,  an 
anderen  Partien  erweitert ,  die  Haartaschen  von  Epithelial- 
schollen,  den  degenerirten  Haarwurzelscheiden,  erfüllt,  die  oft 
eia  dünnes  Härchen  einschliessen,  ia  vielen  Follikeln  die  Papille 
geschwunden,  ebenso  wie  die  Fettläppchen,  das  Corium  ver- 
dünnt, die  Büidegewebsbündel  verschmächtigt ,  deren  Fasern 
stellenweise  glasige  oder  colloide  Entartung,  Fettkörnchen- 
trübung zeigend ,  nebstdem  herdweise  körnige  Pigmentein- 
streuung. 

Alopecia  praematura,  das  frühzeitige  Kahlwerden, 
erscheint  idiopathisch  oder  symptomatisch. 

A.  praematura  idiopathica  charakterisirt  sich  als 
ohne  nachweisliche  Erkrankung  des  Haares  oder  der  Follikel, 
oder  des  Haarbodens  (der  Cutis)  auftretendes  Kahlwerden. 
Solches  kann  man  unter  verschiedenen  Verhältnissen  beobachten. 
Doch  mangelt  diesen  Formen  von  Alopecie  jene  Beständigkeit, 
Avelche  zur  Construirung  eines  typischen  Krankheitsbüdes  noth- 
wendig  wäre,  mit  Ausnahme  einer  einzigen  Form,  der 


560 


Vierunddreissigsto  Vorlesung. 


Alopecia  tireata. 

Sau  VAGES  führt  zuerst  unter  diesem  Namen  und  dem 
Synonym  Area   Jonstoni,   eine  Form   der   Alopecia  an, 
bei  welcher  die  Haare  in  Form  von  Scheiben  (per  areas 
tantum)  verloren  gehen.    Celsus  hat  dies  Kahlheitsbild  unter 
seinem  Capitel  „de  areis"  nicht  begrifien  und  wahrscheinlich 
gar  nicht  gekannt.  Der  bei  den  Autoren  beliebte  Name  Area 
Celsi  für  das  in  Rede  stehende  Uebel  hat  daher  keine  Be- 
rechtigung.   WiLLAN  dagegen  hat  dasselbe  als  Porrigo  de- 
calvans s.  B  a  1  d  r  i  n  g  w  0  r  m  gut  beschrieben  und  abgebildet 
und  von  der  Porrigo  scutulata  s.  Common  ringworm 
unterschieden,   obgleich  beide  kahle    Scheiben   setzen.  Bei 
ersterer  jedoch  entstehen  kahle  glatte  Hautscheiben  durch  ein- 
faches Ausfallen  der  Haare;  bei  der  letzteren  ist  die  Haut- 
stelle mit  Bläschen,  Pusteln  und  Schuppen  bedeckt  und  brechen 
die  Haare  kurz  ab.  Später  sind  beide  Processe  und  ihre  Namen 
vielfach  miteinander  verwechselt  worden,  besonders  seit  man 
die  mycotische  Natur  der  Porrigo   scutulata  Willan's,  d.  i. 
des  Herpes  tonsurans  Cazbnave  s.  Tinea  tondens  Mahox  kennen 
gelernt  und  Grubt  und  Andere  auch  bei  Porrigo  decalvans 
Willah  s.  Alopecia  areata  einen  Püz  nachgewiesen  zu  haben 
meinten.   Durch  die  späteren  Namen  Tinea  Pellada ,  PeUade. 
Vitiligo  (!  Cazenave)  für  die  letztere  Form  suchte  man  den 
derart  entstandenen  Verwirrungen  auszuweichen.  Es  ist  rath- 
sam,  die  ursprüngliche  Bezeichnung  Alopecia  areata  ein  für 
allemal  beizubehalten. 

Der  Process  beginnt  an  einer,  oft  auch  gleichzeitig  oder 
in  kurzer  Aufeinanderfolge  an  mehi^eren  Stellen  des  behaarten 
Kopfes  oder  des  Bartes,  seltener  der  Achsel-  oder  fechani- 
behaarung,  indem  innerhalb  einer  kleinen  Area  die  Haare  alle- 
sammt  unvermerkt  ausfallen.  Die  Haare  der  angrenzenden  Zone 
sind  so  gelockert,  dass  sie  dem  leichtesten  Zug  folgen  und 
auch  spontan  binnen  wenigen  Tagen  verloren  gehen.  Derart 
vergrössern  sich  die  kahlen  Scheiben ,  innerhalb  welcher  die 
Kopfhaut  glatt ,  weiss ,  manchmal  massig  geröthet  ohne 
Schüppchen  oderEfflorescenzen,  von  normaler  Temperatur  und 
Empfindung  erscheint.  Zuweilen  ist  ^^.^^^^^^^ 
Gegentheil  Gefühlsdepression  angegeben  worden.  Wedei  Sclimeiz 


Alcfjjecia  areata. 


5()1 


noch  Jucken  begleiten  den  Zustand.  Durcli  stetige  Ausbreitung 
des  Effluviums  und  Aufeinandertreffen  nachbarlicher  kahler 
Areae  wird  endlich  binnen  6 — 12  Monaten  der  grösste  Theil 
der  Schädeldecke  haarlos.  Doch  sistirt  der  Process  in  der 
Eegel  nach  Monaten ,  wenn  auch  nicht  überall  gleichzeitig, 
indem  zunächst  die  Grenzhaare  festsitzend  bleiben ,  sodann 
innerhalb  der  kahlen  Area  erst  dünne,  pigmentlose,  später 
stärkere,  pigmenthaltige  Haare  spriessen.  So  erfolgt  endlich 
überall  neuer  Haarwuchs ,  wenn  auch  manchmal  erst  nach 
1 — 2  Jahren  tmd  darüber,  und  um  so  später,  wenn  der  Process 
successive  verschiedene  Stellen,  oder  gar  die  in  Heilung  be- 
griffenen neuerdings  erfasst  hat. 

In  einzelnen  unglücklichen  Fällen  begrenzt  sich  die  Krank- 
heit nicht.  Es  fallen  alle  Kopf-  und  Barthaare,  Augenbrauen 
imd  Wimpern,  die  starken  wie  die  Wollhaare  des  Stammes  und 
der  Extremitäten  aus  —  die  Haut  ist  allenthalben  aalglatt. 
Auch  da  kann  noch  nach  Jahren  Restitution  eintreten,  doch 
erscheint  der  Wiederersatz  in  manchen  dieser  excessiven  Fälle 
nicht  mehr. 

Die  Diagnose  der  AI.  areata  wird  nur  selten  erschwert 
gegenüber  von  Herpes  tonsurans.  Die  Prognose  ist  im  All- 
gemeinen insoferne  nicht  ungünstig,  als  in  der  Regel  mit  der 
Zeit  die  Haare  wieder  kommen  und  das  Gegentheil  nur  aus- 
nahmsweise eintrifft. 

In  die  anatomischen  Veränderungen ,  welche  der  AI. 
areata  zu  Grunde  liegen  mögen ,  Einsicht  zu  gewinnen ,  ist 
bisher  nicht  gelungen.  Die  Gegenwart  von  Pilzen  (Gkuby's 
Miscrosporon  Audouini  und  Andere)  ist  wiederholt  behauptet, 
aber  nie  erwiesen  worden  und  vorderhand  in  Abrede  zu  stellen. 
Die  ausfallenden  Haare  scheinen  im  Wurzeltheile  verschmächtigt 
und  über  dem  Bulbus  abgebrochen.  Eine  knotige  Auftreibimg 
des  Haares  an  jener  Stelle  ist  von  Rindfleisch  allein  angegeben 
und  für  jenes  Abbrechen  theoretisch  verwerthet  worden. 

Wir  werden  bei  dem  sichtbaren  Mangel  an  örtlichen  Ge- 
websveränderungen, und  da  wir  auch  keinerlei  anderes  iirsäch- 
liches  Moment  der  Krankheit  kennen,  zu  der  Annahme  gedrängt, 
dass  der  AI.  areata  eine  Trophoneurose  zu  Grunde  liegt ,  deren 
entfernte  Ursache  vollkommen  dunkel  ist ,  da  die  betreffenden 
Personen  keinerlei  anderweitige  Ernährungs-  und  Functions- 
störung  erfahren.    Die  Affection  tritt  bei  jugendlichen  und 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  36 


rjß2  Vierunddi-eissigste  Vorlesung. 

erwachsenen  Personen  beiderlei  G-eschlechtes  in  gleichen  Pro- 
portionen auf  und  muss  als  nicht  ansteckend  gelten. 

Die  Therapie  ist  gegen  das  Uebel  ohnmächtig:  sie 
vermag  dasselbe  weder  abzukürzen  noch  dessen  Ausbruch  au 
einer  neuen  Stelle  zu  verhüten.  Gebräuchlich  sind  irritirende 
alkoholisch  -  ätherische  Flüssigkeiten,  versetzt  mit  geringen 
Mengen  von  Acid.  carbol.,  Tint.  Aconiti,  Cantharidum,  Capsici, 
Verathrin,  Oleum  Macis ,  nebst  allgemein  roborirender  Diät 
und  Medication,  daneben  auch  Elektricität.  Das  Ausziehen  der 
schon  gelockerten  Haare  ist  räthlich.  Die  Zeit  wirkt  offenbar 
mehr,  oder  besser  Alles. 

In  directer  Beziehung  zu  Erkrankungen  des  Nerven- 
s  3^  s„t  e  m  s  ist  Alopecie  beobachtet  worden,  die  also  auch  als 
idiopathisch  bezeichnet  werden  müsste;  Fälle,  in  welchen  die 
Haare  entsprechend  dem  peripheren  Verbreitungsbezii-ke  eines 
sensitiven  Nerven  ausfallen,  nachdem  dessen  Function,  sei  es 
in  Folge  eines  Traumas,  oder  spontaner  Erkrankung,  oder  durch 
Veränderungen  der  Nerven-Centra  gestört  worden  war.  So 
beobachteten  Ravaton  neben  rechtsseitiger  Amaurose,  Romberg 
neben  unilateraler  Facialislähmung  correspondirendes  Ausfallen 
der  Haare,  Coopee  Todd  nach  Gehirnerschütterung  und  einmal 
nach  BHtzschlag  Verlust  der  Haare  (und  Nägel). 

Zu  den  neurotischen,  idiopathischen  Formen  wäre  noch 
zu  zählen  das  auf  erbKcher  Anlage  beruhende  und  in  manchen 
Familien  heimische  Früh-Kahlwerden ;  ferners  der  unter  deui 
Einfluss  von  deprimirenden  psychischen  Affecten,  Gram  uiid 
Sorge,  oder  von  sehr  intensiver  geistiger  Thätigkeit  sich  em- 
steilende vorzeitige  Haarverlust.  Von  Feedet  ist  der  FaU 
eines  17jährigen  Mädchens  mitgetheilt  worden,  bei  welchem 
nach  überstandener  plötzUcher  Lebensgefahr  binnen  wenigen 
Tagen  aUe,  auch  die  Körperhaare,  ausfielen,  ohne  noch  nach 
zwei  Jahren  sich  zu  ersetzen. 


Fünfunddreissigste  Vorlesung. 


Atrophien  (Fortsetzung).  Alopecia  praematura  sym  p  t  o  m  a  t  i  ca  :  AI. 
furfuracea.  Haarwechsel.  Atrophia  pilorum  propria,  Triehorhexis  nftdosa. 
Atrophie  der  Nägel.  Atrophia  e  u.  t  i  s  propria  ,  idiopathiea  (Xeroderma, 
Striae  atrophicae,  Atrophia  senilis)  et  symptomatiea  (Sehwangerseliafts- 
narben).  Quantitative  und  degenerative  Atrophie. 

Alopecia  praematura  sj^mptomatica  begreift 
jene  rormen  des  rasclieii  Haarverlustes  und  KaUwerdens, 
welchen  eine  Substantive  Erkrankung  der  Haut,  namentlick 
der  Haarfollikel  und  Talgdrüsen  zu  Grunde  liegt.  Aus- 
dehnung, Dauer,  Intensität,  Heilbarkeit  der  so  entstandenen 
Alopecie  stehen  in  directem  Verhältnisse  zu  jenen  der  speciellen 
Ursache.  Auf  einzelne  Follikel  oder  Follikelgruppen  beschränkt, 
und  dauernd  erscheint  der  Haarverlust  da,  wo  jene  in  Folge 
von  Eiterung  oder  Narbenbildung  zu  Grrunde  gegangen  sind, 
so  bei  Acne ,  Sycosis,  Variola,  ulceröser  Syphilis,  Lupus,  oder 
wo  nebst  den  Cutispapillen  auch  die  Haarpapillen  in  Folge 
dichter  Zelleninfiltration  atrophisch  werden,  so  entsprechend 
den  Knötchen  des  kleinpapiilösen  Syphilides,  des  Liehen  ruber, 
bei  Lupus  erythematodes;  endlich  bei  Favus  und  Herpes  ton- 
surans, bei  welch'  letzteren  der  mechanische  Druck  luid  der 
Vegetations-Einfluss  der  diesen  Processen  eigenthümlichen  Pilz- 
massen nebst  den  begleitenden  entzündlichen  Erscheinungen  zu 
Lockerung  und  Ausfallen  der  Haare,  und  später  zu  Atrophie 
der  Haarpapillen  und  Verödung  der  Follikel  führen. 

In  grösserer  Ausdehnung,  selbst  im  ganzen  Bereich  des 
behaarten  Kopfes,  tritt  Effluvium  Capillorum  auf  in  Folge 
von  diffusen,  acuten  Entzündungsprocessen,  durch 
welche  copiöse  Exsudation,  wie  in  die  Eeteschichten,  so  auch 
in  die  Epithelialschichten  der  Wurzelscheiden  und  somit  Loeke- 

36* 


rj(j_j.  Fünfunddreissigste  Vorlesung. 

rung,  Zerfall,  Ausstossung  der  letzteren  und  wahrsdieinlioli 
gleichzeitig  ancli  eine  analoge  Störung  im  succulenten  AVurzel- 
theile  der  Haare  gesetzt  wird.  Dies  ist  der  Fall  bei  acutem 
Eczem  und  bei  Erysipel  des  Capillitium,  nach  welchen 
Processen  oft  alle  Haare  verloren  gehen.  Doch  findet  hier  meist 

Wiederersatz  statt. 

Chronische  Exsu  da  tivproce  SS  eder  Haut,  chroni- 
sches Eczem,  Psoriasis,  Liehen  ruber,  eben  so 
Seborrhoe  bedingen  jene  Form  des  Haarverlustes  ,  welche 
wegen  der  jene  Processe  charakterisirenden  Abkleiung  (Defur- 
furatio,  Pityriasis)  der  Epidermis  als 

Alopecia  furfuracea  s.  pityrodes  (Pincus)  bezeichnet 
wird,  Ihr  häufigster  Typus  ist  die  durch  Seborrhoe  bedingte 
Form.  Dieselbe  kann  sub acut  auftreten  und  ist  dann  weniger 
ungünstig.  Dies  ist  der  Fall  nach  Variola ,  Typhus ,  dem 
Puerperium,  erschöpfenden  Blutverlusten.  Es  stellt  sich  Seborrhoe 
und  Effluvium  Capillorum  ein  und  in  der  Pegel  nach  mehreren 
Monaten  Wiederersatz  der  Haare.  Möglicherweise  concurrirt 
hier  noch  die  allgemeine  Ernährungs-Depression. 

Ungünstiger  ist  die  allmälig  sich  entwickelnde  Alopecia 
furfuracea,  deren  Grundlage  chronische  Seborrhoe  ist. 
Anfänglich,  d.  h.  durch  1—2  Jahre,  machen  sich  blos  die 
Symptome  der  letzteren  bemerkbar  (siehe  pag.  145),  reichliche 
feinkleiige  Schuppung  am  Kopfe,  später  folgen  erst  Efflu- 
vium und  sodann  Kahlheit.  Beim  Kämmen  und  spontan  faUen 
aufFaUend  viele  Haare  aus,  binnen  Jahren  wird  der  Haarwuchs 
gelichtet,  es  kommen  nur  kürzere  und  schmächtige  Haare  und 
endlich  ist  in  der  Regel  die  Stirn  -  Scheitel  -  Region  bleibend 
kahl.  Der  innere  Vorgang  des  Processes  begreift  sich,  wemi 
man  den  physiologischen  Vorgang  des  Haarwachs- 
thums berücksichtigt. 

Jedes  einzelne  Haar  hat  eine  gewisse  „typische",  im  All- 
gemeinen allerdings  verschiedene  Lebensdauer,  nach  deren  Ende 
es  ausfällt.  An  dessen  Stelle  bildet  sich  im  alten  FolHkel  ein 
neues  Haar.  Der  Vorgang  begreift  den  typischen  Haar- 
wechsel, welcher  bei  vielen  Thieren  in  regelmässigen  Zeit- 
perioden jährlich  sich  voUzieht,  am  Kopfhaare  des  Menschen 
jedoch  continuirlich  vor  sich  geht,  aUerdings  mit  bedeutenden 
Intensitäts-Schwankungen,  welche  theils  von  allgemeinen  Zu- 
ständen des  Organismus,  theils  von  örtlichen  Processen  ab- 


Alopecia  fiu-fiiracea.  Haaiweclisel. 


565 


häugen.  Die  feineren  anatomischen  Veränderungen,  welche  den 
typischen  Haarwechsel,  d.  i.  die  Ab-  xmd  Aiisstossung  des 
reifen  und  die  Erzeugung  des  jungen  Haares  begleiten ,  sind 
durch  eingehende  Studien  von  Heusinger  ,  Köllikek  ,  Langer, 
Steinlin,  Wertheim,  Götte,  Stieda,  Unna,  Esokf,  v.  Ebner 
n.  A.  erläutert  worden ,  bedürfen  aber  noch  in  manchen  wesent- 
lichen Punkten  weiterer  Prüfung.    Sicher  scheint,  dass  das 
einzelne  Haar,  zu  typischer  Reife  gelangt,  nicht  weiter  wächst, 
indem  über  der  Haarpapille  die  Neubildung  von  Epidermis- 
zellen  aufhört.    Sind  nun  die  letztproducirten  Zellen  verhornt, 
so  bilden  sie  zwischen  der  Haarzwiebel  und  der  Haarpapille 
eine  für  den  Ernährungssaft  nndurchdringliche  Scheidewand 
und  das  Haar  wird  so  von  der  Papille  abgetrennt.    Die  Ab- 
trennung betrifft  den  Haarschaft  mitsammt  der  inneren  Wurzel- 
seheide, welche  auf  dem  Wege  des  Hinaufrückens  häufig  nach 
oben  umgestülpt  wird,  nebst  dem  Haarzwiebel,  bis  auf  eine 
einzige  die  Papille  bekleidende   Zellenlage   (v.  Ebner),  die 
-Basalzellen ,   und  die  äussere  Wurzelscheide   ebenfalls  bis  auf 
eine  den  Grund  des  Haarbalges  und  den  Papille  nhals  in  con- 
tinuo  bekleidende  Lage.    Jetzt  wird,  wahrscheinlich  weil  bei 
der  Turgescenzverminderung  der  den  Grund   des  Haarbalges 
erfüllenden  Zellenmassen  auch  der  innere  Druck  sich  vermindert 
hat,  durch   den  nnn  überwiegenden  Druck   des  den  Follikel 
ximgebenden  Gewebes  die  Wandung  des  Haarbalges  nach  innen 
und  die  Masse  der  abgestossenen  Zellen  der  äusseren  Wurzel- 
scheide zwischen  Haarwurzel  und  Papille  geschoben,  und  dadurch 
das  Haar  total  abgehoben  und  in  die  Höhe  gedrängt.  Das  untere 
Ende  der  Haarwurzel ,  welches  correspondirend  der  von  ihm 
iimschlossen  gewesenen  Papille  fjtüher  concav  war ,  bildet  nun 
mit  der  angedrängten  Zellenmasse  der  äusseren  Wurzelscheide 
einen  nach  unten  gerichteten,  scheinbar  faserigen  und  besenartig 
zerklüftenden  Kegel  (Fig.  31,1).  Etwas  unterhalb  der  Talgdrüsen- 
Einmündungssteile ,  oder  in  der  Höhe  der  Anheftung  des  Ar- 
rector  pili  bleibt  das  abgestossene  Haar  vorderhand  liegen. 
Zugleich  verengt  und  verkürzt  sich  der  Grund  des  HaarbaJges, 
indem  die  Glashaut   oft  faltig  hinein  (v.  Ebnee)  und  sammt 
dem  Körper  der  Papille  in  die  Höhe  gedrängt  wird.  Aeussere 
und  mittlere  (wahrscheinlicli  musculäre)  Haarbalgscheide  da- 
gegen bleiben,  da  sie  mit  der  Umgebung  fester  verwachsen  sind, 
in  ihrer  früheren  Tiefe,  so  dass  zwischen  ihnen  und  dem  empor- 


566 


Fünfimddreissigste  Vorlesung. 


Flg.  31. 


Dui'cliscbnitt  eines  im  Haarweclisel 
begrüfenen  Haarbalges 
(nacli  V.  Ebner). 

a  äussere  und  mittlere  HaarbalKScheide  ; 
ö  Glashaut :  c  Haarpapille  mit  Gefass- 
snhlinge :  d  äussere  ;  c  iunore  Wurzel- 
scheide (in  Henley'sohe  und  Huxley'sclie 
Schichte  gesondert) :  /Cuticula  der  letz- 
teren ;  q  Cuticula  des  Haares ;  Ii  j  un  g  e  s 
(markloses)  Haar;  /  Kegelspitze  der 
neuen  Haaranlage ;  /.  Haarkolben  des  ah- 
eestosseuen  Haares  mit  k  den  Resten  der 
ibgestossenen  äusseren  Wurzelscheide. 


gedrängten  Körper  der  Papille 
der  Papillenhals  sicli  delint  und 
eine  Formation  entstellt,  welche 
Wertheim    als   Haarkeleh  oder 
Haarstengel  darstellt.  Nacli  einer 
Weile  beginnt  unter  lebliafter  Er- 
nährung   (Zelleninfiltration)  der 
Papille  über   dieser  die  Bildung 
eines  neuen  Epitbelkegels ,  wel- 
cher die  Papille  wieder  in  die 
frühere  Tiefe  drängt  und  zunächst 
im  äusseren,   der  Randzone  der 
Papille  entsprechenden,  Theile  in 
die  beiden  Schichten  (ÜENLEY'sche 
und    HuxLEY'sche)    der  inneren 
Wurzelscheide   sich  difi'erenzirt, 
und  nachdem  er  nahe  bis  an  das 
abgestossene  Haar  emporgewach- 
sen ,  entsteht  im  mittleren  Theile, 
d.  i.  von  den  Scheitelzellen  der 
Papille,  ein  dünnes,  pigmentirtes, 
und    zunächst    markloses  Haar 
und  producirt  sich  von  ihrer  im 
Fundus  zurückgebliebenen  Zell- 
lage aus  auch  wieder  die  äussere 
Wurzelscheide.  Nach  dieser  Dar- 
stellung   (Langer,    v.  Ebner) 
entsteht  das  neue  Haar  auf  Grund 
der  alten  Papille,  während  Andere 
meinen,    dass  diese  vollständig 
atrophire  imd  neben  dieser  für 
das  neue  Haar  auch  eine  neue 
Papille  innerhalb  des  wuchernden 
Rete  wie  in    der  embryonalen 
sich  entwickele 
knüpfen    an  das 
Follikel  weilenden 


Haarbildung 
Auffassungen 
aber  noch  im 


(Steinlin,  Stieda).  Andere 
Schicksal  des  abgestossenen, 

GöTTE  betrachtet  dasselbe,  oder  eigentlich  den  Haarkolben 
(Fig.  ;-U ,  1)  als  ein,  entfernt  von  der  Papille,  aus  der  Wucherung  der 


Alopecia  furfuracea.  Haarwechsel. 


Eindenzellen  entstandenes  „Sclialthaar",  welches  interimistiscli 
entsteht,  während  von  der  Papille  das  bleibende  Haar  nach- 
schiebt. Unna  dagegen  nennt  es  „Beethaar",  indem  er  meint, 
dass  das  ausgefallene  Haar  an  der  Stelle,  wo  es  liegen  geblieben, 
am  Kolbenende ,  durch  eine  Wucherung  der  umgebenden 
äusseren  Wurzelscheide  („Haarbeet")  noch  eine  Zeit  lang  fort- 
wächst, bis  das  neue  Papillenhaar  („Secundärhaar")  an  das- 
selbe gelangt.  Ein  Grleiches  meinten  Esoff  und  Schülin  ,  nur 
soll  nach  diesen  an  der  Stelle  des  Haarbeetes  auch  eine  neue 
Papille  sammt  Haartasche  sich  bilden.  Nebst  diesen  Punkten 
sind  auch  die  Funde  von  mehreren,  Papillen-  und  papillenlosen 
Haaren  (Werthedi  u.  A.)  innerhalb  eines  Follikels  und  das 
A^erhältniss  des  neuen  Papillenhaares  zu  den  Wurzelscheiden 
der  abgestossenen  und  der  angenommenen  Schalthaare  noch 
sehr  controvers. 

Je  länger  nu.n  die  typische  Lebensdauer  eines  Haares  ist, 
desto  dicker  und  länger  wird  es ;  je  kürzer  dessen  Lebensdauer, 
desto  schmächtiger  geräth  dasselbe.  (Entsprechend  rückt  auch 
bei  strotzendem  Haarwuchs  die  Papille  mehr  in  die  Tiefe, 
während  bei  dünnen  und  kurzlebigen  Haaren  der  Follikel  seicht 
bleibt  und  die  Papille  hoch  steht  (v.  Ebner). 

Die  Stetigkeit  des  Haarwuchses ,  d.  h.  der  Menge  (Dichtig- 
keit) und  Länge  der  Haare  liegt  also  in  der  Constanz  des 
Verhältnisses  der  typischen  Lebensdauer  und  des  typischen 
Nachwuchses  der  einzelnen  Haare.  Bei  Seborrhoea  chronica 
wird  aber  eben  dieses  Verhältniss  in  jeder  Beziehung  zu  Un- 
gunsten gestört.  Die  einzelnen  Haare  büssen  an  typischer 
Lebensdauer  ein,  sriid  also  kürzer  und  dünner  und  fallen  früher 
aus.  Nach  Pincus  beträgt  der  tägliche  Haarverlust  ad  minimum 
zwischen  13—17,  ad  maximum  62—203  Haare.  Pincus  findet 
jenes  Yerhältniss  schon  zu  einer  Periode ,  wo  das  Effluvium 
noch  nicht  auffällig  gesteigert  ist,  darin  ausgedrückt ,  dass  das 
quantitative  Verhältniss  der  „Spitzenhaare"  (der  kurzlebigen 
Haare)  zum  Gresammtaiisfall  wesentlich  gesteigert  ist. 

Aber  auch  die  Reproduction  des  Haares,  der  Nach- 
wuchs ,  wird  qualitativ  und  quantitativ  durch  den  sebor- 
rhoischen Process  ungenügender  sich  gestalten ,  je  länger 
dieser  anhält.  Talgdrüsen  und  Haarbalg  werden  von  dem- 
selben Grefäss-  und  Nervennetze  (Arnstein)  umsponnen  und 
leiden   gerne   unter   derselben   Ernährungsstörung.    Wie  in 


Füufunddreissigste  Vorlesung. 


den  Talgdrüsen  rascli  und  für  den  physiologischen  Zweck 
unvollkommen  (chronisch  alterirte)  Epidermis  producirt  und  ab- 
gelöst wird  ,  so  werden  auch  die  in  Continuität  mit  'den  Drüsen- 
zellen stehenden  Haarwurzelscheiden  gelockert,  abgestossen 
und  ebenso  die  von  der  Haarpapille  gebildeten,  welche  zum 
Aufbau  des  Haares  bestimmt  sind,  und  dieses  gedeiht  unvoll- 
kommen, d.  i.  es  wird  nur  ein  schmächtiges  Lanugohärchen, 
oder  nur  eine  lockere  Epidermissäule  gebildet ,  die  in  der  Haar- 
tasche verbleibt.  Damit  fällt  auch  schliesslich  die  Papille  der 
Atrophie  und  der  Follikel  der  Verödung  anheim,  und  entsteht 
endlich  streckenweise  bleibende  Kahlheit. 

Derart  schleicht  bei  den  meisten  Männern  vorzeitige 
Kahlheit  heran  als  A lop e cia  f ur f ur a c ea.  Bei  weiblichen 
Personen  ist  jene  Seborrhoe  häufiger,  aber  mehr  subacut. 
Deshalb  findet  sich  hier  in  öfterer  Wiederholung  Effluvium, 
aber  auch  wieder  Restitution  und  nur  viel  seltener  Kahlheit. 

Anatomisch  zeigen  die  ausfallenden  Haare  nichts  Ab- 
normes. Sie  erscheinen  im  Wurzeltheil  abgebrochen,  oft  zer- 
fasert, schmächtig.  Die  kahle  Haut  verändert  sich  mit  der 
Zeit  wie  bei  AI.  senilis.  Die  Prognose  ist  besser  bei  den 
acuten  und  subacuten  Formen  der  AI.  furfuracea  und  inner- 
halb der  ersten  Jahre  ,  ungünstig  in  der  späteren  Zeit. 

Die  Ursachen  solcher  zu  AI.  führenden  Seborrhoe  des 
behaarten  Kopfes  sind  zum  Theile  schon  erwähnt  worden. 
Spontane,  oder  in  Folge  von  schwächenden,  acuten  und  chroni- 
schen Krankheiten  eingetretene  Anämie,  Chlorose  bei  Frauen, 
chronischer  Gastricismus  und  Anämie  bei  Männern,  phthisische 
und  Krebscachexie  sind  im  Allgemeinen  die  entfernte  Ursache. 

Insoferne  auch  die  syphilitische  Diathese  im  späteren 
Verlaufe  Seborrhoe  und  Alopecie  herbeiführt,  mag  diese  als 
AI.  syphilitica  bezeichnet  werden.  Zuweilen  betrifft  die 
mit  Seborrhoe  einhergehende  i^lopecie  zugleich,  oder  ausschliess- 
lich die  Augenbrauen  oder  die  Barthaare. 

Die  Behandlung  der  AI.  furfuracea  hat  vor  Allem 
gegen  die  sie  bedingende  Seborrhoe  gerichtet  zu  werden.  Nachdem 
die  auflagernden  Schuppenmassen  mittels  Oel  erweicht  und 
durch  Seifenwaschung  entfernt  worden  sind,  wird  die  Kopf- 
haut täglich  1— 2mal  mittels  Alcohol  eingepinselt,  welchem 
Acid.  carbolicum  oder  Acid.  salicyl.  (1:200),  Veratriu 
(0,50:200),   Tinct.  Benzoes  (1:200),  Bals.  peruvian..  Aeth. 


Atrophia  pilonim  propria. 


5G9 


sulfiir.,  Aeth.  Petrolei  zugesetzt  worden,  dabei  wöchentlich 
1 — 2mal  mittels  Spir.  sapon.  Kaiin.  gewaschen ,  fleissig  kalt 
gedoucht.  Bei  congestionärem  Znstande  der  Hant  empfehlen 
sich  Einpinselnngen  von  Tinct.  Rusci,  oder  Schwefel- Alkohol- 
pasten. Wegen  der  unter  solcher  Behandlung  sich  ergebenden 
Trockenheit  der  Hant  müssen  mit  Tannin,  Cliinin,  Canthariden- 
tinctur,  Capsicum,  Veratrin ,  ätherischem  Oele ,  Praecip.  alb. 
^-ersetzte  Pomaden  eingerieben  werden.  Von  solchen  sind  be- 
sonders beliebt  die  sogenannte  Tanno-Chinin-Pomade  und 
das  populäre  TJngu.  gemmarum  (Harz)  populi.  Zur  Yer- 
schreibung  eignen  sich  einfachere  Formeln,  z.  B. :  Praecipit. 
alb.  0,50,  Ungu.  emoll.  50,  Tinct.  Benzoes  1 ;  Olei  Rosar.  gutt.  5  ; 
oder  die  DcpuYTREN'sche  Pomade:  Medull.  ossium  75;  Extr. 
Chinae  frigid,  par.  10 ;  Tinct.  Canth. ;  Succi  citri  aa.  5 ;  Olei 
de  Cedro :  bergam.  aa.  gutt.  10.  Neuerlich  ist  (von  Schmtz) 
Pilocarpium  muriat.  (subcutan)  als  den  Haarwuchs  beförderndes 
■Mittel  angerühmt  worden. 

Das  Kurzschneiden  der  Haare  zur  vermeintlichen  Stärkung 
des  Haarbodens  hat  nicht  den  gewünschten  Erfolg,  und  ist  also 
weiblichen  Kranken  zu  widerrathen. 

Neben  der  örtlichen  Behandlung  muss  eine  gegen  die  ent- 
ferntere Ursache,  Seborrhoe,  Chlorose,  Anämie,  chronischen 
Grastricismus,  gerichtete  medicamentöse  und  diätetische  Therapie 
angewendet  werden,  als:  Eerrnginosa,  Amara,  Arsen,  Milch-, 
Molken-,  Bade-  und  Tririkciiren ,  Fluss-  und  Seebäder,  Sommer- 
aufenthalt im  Gebirge. 

Der  Erfolg  ist  stets  erst  nach  mehrmonatlicher  zweck- 
mässiger Behandlung  zu  erwarten. 

Als  Atrophia  pilorum  propria  kann  man  die  den  Haar- 
schaft selbst  betreffende  destructive  Veränderung  bezeichnen. 
Eine  solche  kommt  consecutiv  vor,  in  Folge  der  schon 
besprochenen  Erkrankungen  seines  Follikels ,  und  in  mehr 
directer  Weise,  durch  die  bei  Favus  und  Herpes  tonsurans 
seine  Elemente  auseinander  wühlenden  Pilzelemente.  Die  Haare 
werden  glanzlos ,  spröde ,  brechen  (bei  H.  tons.)  über  ihrer 
Austrittsstelle  ab.  Auch  die  bei  Phthisikern  und  Fieberkranken 
zu  beobachtende  Trockenheit  und  Glanzlosigkeit  der  Haare 
mag  hieher  gezählt  werden. 

Eine  idiopathische  Form  der  eigenen  Atrophie  der 
Haare  stellt  deren  Selbstzerklüftung  vor.  Man  trifft  häufig  die 


570 


Filnfunddreissigste  Vorlesung. 


langen  (niclit  von  der  Scheere  getroffenen  Haare ,  also  meist 
bei  Frauen)  von  der  Spitze  ab  in  zwei  und  mehrere  Fasern 
zerspalten.  Der  Zustand  mag  die  Folge  beschränkter  Trocken- 
heit sein,  da  im  Uebrigen  Stärke  und  Wachstimm  der  Haare 
dabei  intact  bleiben.  Duhking  hat  jüngst  eine  besondere  Form 
der  Längsspaltung   der  Haare  beobachtet,   bei  welcher  die 
Deliiscenz  vom  Bulbus  nach  aufwärts  stattfand.    Häufiger  ist 
die    von  Wilks   und  Beigel   zuerst  beschriebene,  und  von 
mir  Trichorhexis  nodosa  benannte  Form  von  Auftreibung 
und   Bersten  der  Haare,  das  ich  ziemlich  oft  am  Bart-  und 
Schnurbart,  selten  am  Kopfhaare  gesehen  habe.  In  einem  be- 
schränkten Bezirk,  oder  überall  erscheinen  die  Haare  mit  ein 
und  mehreren  kugeligen,  oder  spindelförmigen  (W.  Gr.  SMn'H) 
Anschwellungen ,  die  auf  verschiedene  Distanz  am  Haarschaft 
stehen ,  als  sässen  Nisse  daran ,    oder  den  ganzen  Haarschaft 
rosenkranzähnlich  erscheinen  lassen.  Daneben  finden  sich  Haar- 
stümpfchen,    die    in   einer    mattglänzenden   kugeligen  Auf- 
treibung enden  und  sind  viele  solcher  zugegen,  so  hat  es  den 
Anschein,  als  wären  die  Haare  da  angebrannt.  Zupft  man  an  den 
Haaren,  so  brechen  sie  sofort  in  der  Mitte  einer  vorhandenen 
knotigen  Auftreibung  ab,  deren  untere  Hälfte  am  Stumpfe  bleibt. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  lehrt,  dass  jedem  Knoten  ent- 
sprechend die  Haarrinde  aufgetrieben  und  zerklüftet  ist,  und 
dass  jeder  endständige  Knoten  die  untere,  besenartig  zerfaserte 
Hälfte    eines   solchen   entzweigebrochenen  Knotens  vorstellt, 
während  die  internodulären  Stücke  des  Haarschaftes  normal 
und  nur  der  Markraum  streckenweise  verbreitert  scheuit.  Im 
Uebrigen  sitzen  die  Haarwurzeln  sehr  fest.    Schavimmer  gibt 
an,  dass  auch  diese  verschmächtigt  und  somit  die  ursprüng- 
liche Ernährung  der  Haare  geschwächt  sei.  Aber  das  erklärt 
noch  immer  nicht ,  weshalb  die  Haare  an  einzelnen  Stellen  sich 
auftreiben  und  abbrechen.    Die  AfPection  ist  sehr  entstellend 
und  äusserst  hartnäckig.    Oertliche  Medicamente  (Schwefel-, 
Seifen-,  Theer-  und  andere  Applikationen)  haben  sich  kaum, 
das  Abrasiren  nur  in  einzelnen  Fällen  wirksam  erwiesen. 

Atrophie  der  Nägel. 

Onychatrophia  erscheint  oft  angeboren,  als  Maugel 
oder  mangelhafte  Bildung  der  Nägel  an  einzebien  verkümmert 
entwickelten  Fingern  und  Zehen,  und  allgemein  meist  zugleich 


Onychatropliia.  Atropliia  cutis  propria. 


571 


mit  Felilen  der  Haare.  Erworben  kommt  der  Zustand  unter 
dem  gleichen  Bilde  von  Entartung,  Verunstaltung,  Missfärbung, 
ßiffig-,  Rissigsein  (Scabrities),  Brücbigkeit,  dünner,  weicher  Be- 
sehaffenheit  vor,  wie  die  Hypertrophie  und  auch  unter  den 
o'leichen,  örtlichen  oder  allgemeinen  Einflüssen,  weshalb  ich  auf 
das  bei  Onychauxis  (pag.  525)  darüber  Gesagte  verweisen  darf. 

Atrophia  cutis  propria, 

die  eigentliche  Hautatrophie,  wird  als  Massenver- 
minderung der  allgemeinen  Decke,  oder  Abnahme  ihrer 
biologisch-chemischen  Qualitäten  wahrgenommen  und 
es  ist  begreiflich,  dass  beide,  die  quantitative  und  quali- 
tative Atrophie,  weil  sich  gegenseitig  bedingend,  sehr  oft 
vergesellschaftet  angetroffen  werden.  Entweder  spontan  oder 
consecutiv  entstanden,  erscheint  die  Atrophie  einmal  diffus, 
über  grosse  Hautstellen,  ein  andermal  auf  kleine  Punkte, 
Striche  oder  Flecke  beschränkt. 

Als  idiopathische  diffusue  Formen  sind  anzu.- 
füliren:  Xeroderma  xmi  Atrophia  senilis. 

Xeroderma,  Pergamenthaut,  habe  ich  (zum  Thelle 
in  Uebereinstimmung  mit  dem  Schöpfer  dieses  Namens, 
Er.  Wilson)  eine  idiopathische  diffuse  Atrophie  der  Haut 
genannt,  welche  in  zweierlei  Typen  vorkommt. 

Die  eine  charakterisirt  sich  durch  ein  Krankheitsbild, 
welches  wir  an  vier  Mädchen  und  nach  uns  auch  Glax,  Geber, 
Taylor  und  Duhring  ebenfalls  an  jungen  (7— 18jährigen;)  weib- 
lichen Personen  gesehen  haben. 

Gesicht,  Ohren,  Hals  und  Nacken,  Schultern  imd  Brust 
bis  zur  Höhe  der   dritten  ßippe,   Arme   und  Eücken  der 
Hände,  einigemal  auch  Unterschenkel  und  Fussrücken  erschie- 
nen von  kleineren  und  grösseren,  sommersprossenähnlichen, 
gelbbraunen  Flecken  gesprenkelt,   zwischen  welchen  wieder 
blatternarbenähnliche,  weissglänzende,  seichte  Grübchen  sich 
befanden,  oder  die  Haut  normal  gefärbt  schien.   Zahlreich  ein- 
gestreute punktförmige   und  grössere,   auch   lineare  Gefäss- 
ektasien  erhöhten  durch  ihr  Roth  das  buntscheckige  Ausehen 
der  so  betroffenen  Haut.  Ihre  Epidermis  schien  dünn,  stellen- 
weise glatt,  über  anderen  Strecken  in  dünnen  Lamellen  sich 
abhebend  oder  fein  gefurcht,  rissig,  gerunzelt,  pergament- 
ähnlich vertrocknet,  die  Cutis  selbst  dem  Gefühle  nach 


572 


Fiinfunddreissigste  Vorlesung. 


schmächtig ,  zugleich  aber  schwer  faltbar,  an  die  Unterlage 
strammer  angezogen,  wie  in  sieh  geschrumpft,  fettarm.  Die 
allgemeine  Decke  des  übrigen  Körpers  war  üppig,  fettreich, 
in  jeder  Beziehung  normal  beschaffen.  So  viel  aus  den  Mit- 
theilvmgen,  und  aiis  einer  längeren  Beobachtung  über  Ent- 
wicklung und  Verlauf  der  Affection  erschlossen  werden 
konnte,  war  dieselbe  jedesmal  in  der  frühesten  Kindheit  ent- 
standen und  stetig  vorgeschritten,  in  der  Art,  dass  zuerst 
•kleine  Gefässausdehmmgen  und  Pigraentflecken  entstanden,  dann 
die  Grefässchen  bis  auf  kleine  Reste  verödeten  und  entsprechend 
pigmentlose,  weissglänzende  atrophische  Grübchen,  und  später 
diffuse  Schrumpfung  der  Haut  entstand,  über  welcher  dann 
die  Oberhaut  sich  runzelig  furchte  oder  lamellös  abhob. 

In  fortschreitender  Schrumpfung  der  Haut  kommt  es  zu 
complicirendem  Eczem ,  seichten  Rhagaden  und  Greschwüren, 
Verengerung  der  Mund-  und  Nasenöffnung  und  Ectropium  der 
unteren  Augenlider ,  als  dessen  Folge  wir  zuweilen  Xerosis 
der  Cornea  gesehen  haben.  Ebenfalls  in  zwei  Fällen  hat  sich 
binnen  wenigen  Monaten  an  zerstreuten  Stellen  des  Gresichtes 
Sarco-Carcinom  und  später  auch  solches  der  inneren  Organe 
und  letaler  Ausgang  eingestellt.  Wenn  GtKber  die  geschilderte 
Krankheitsform,  wohl  nur  mit  Rücksicht  auf  ihr  Früherscheinen, 
als  eine  Art  Naevus  auffasst,  so  unterscheidet  sich  doch  die- 
selbe von  den  in  der  Regel  stationär  bleibenden  Naevis  sehr 
wesentlich  durch  das  stetige  und  rasche  Fortschreiten, 
und  die  contin uirliche  Umwan dlung  des  Gewebes, 
die  Geber  selbst,  meinem  ehemaligen  Ausspruch  conform,  in 
einer  genauen  anatomischen  Untersuchung  beleuchtet.  Nach 
dieser  scheint  der  Process  mit  Wucherung  des  Bindegewebes 
der  Papillen-  und  des  Gefäss-Endothels  zu  beginnen,  welcher 
dann  Schrumpfung  der  ersteren  und  theilweise  Verödung  der 
Gefässe,  und  consecutiv  unregelmässige  Pigmentanhäufung  nebst 
Auswachsen  der  Retezapfen  in  die  Tiefe ,  Ectasie  der  Drüsen 
und  Degeneration  ihres  Epithels  folgt.  Diese  Verschiebung  in 
den  Wachsthumsverhältnissen  der  epitheloiden  Gebilde  mag 
auch  zu  der  bei  so  jugendlichen  Individuen  gewiss  auffälligen 
Entwicklung  von  Carcinom  und  Sarcom  den  Anstoss  geben. 

Ueber  die  Ursache  des  Xeroderma  ist  uns  nichts 
bekannt.  Zweimal  haben  wir  dasselbe  an  je  zwei  Geschwi- 
stern angetroffen.  Trotz  mancher  Aehnlichkeit  mit  Scleroderma 


Xeroderma.  Seuile  Atrophie  der  flaut. 


573 


uhCl  Lepra,  scheint  dessen  Diagnose  nicht  schwierig,  da 
nach  meiner  ersten  Schilderung  die  späteren  Talle  sofort 
erkannt  worden  sind.  Die.  Prognose  ist  ungünstig,  nament- 
lich mit  Rücksicht  auf  die  Tendenz  zur  Krebs-Entwicklung  auf 
(Irund  der  Pigment-Evolution.  Die  Therapie  muss  sich  darauf 
beschränken,  die  subjectiven  Erscheinungen  der  Spannung, 
Trockenheit,  der  Schmerzhaftigkeit  an  den  Rhagaden,  Exco- 
riationen  und  Geschwürchen  zu  mitigiren  und  die  böseren 
( 'omplicationen  zu  bekämpfen. 

Einen  stationär  en  Zustand  stellt  der  zweite  Typus 
von  Xerodermie  vor,  den  ich  wiederholt  gesehen  habe.  Bei 
demselben  erscheint  die  Haut  von  der  Mitte  des  Oberschenkels 
bis  auf  die  Eusssohlen ,  seltener  auch  vom  Oberarm  bis  auf 
die  Elachhand  auffällig  weiss  (pigmentarm),  stellenweise  ge- 
spannt und  schwer  faltbar,  blass,  ihre  Epidermis  äusserst 
verdünnt,  mattglänzend,  gerunzelt,  wie  Goldschlägerhäutchen, 
in  dünnen  glänzenden  Blättchen  sich  abhebend.  Die  Empfind- 
lichkeit der  Fingerspitzen,  der  Elachhand  und  der  Fusssohlen 
ist  wegen  des  ungenügenden  Epidermisschutzes  und  der  Haut- 
spannung sehr  gross ,  so  dass  das  Hantiren  und  Gehen  höchst 
beschwerlich  wird.  Der  Zustand  besteht  stationär  von  der 
frühesten  Kindheit  an.  Durch  dies  und  die  beschriebenen  Merk- 
male unterscheidet  sich  derselbe  leicht  von  Scleroderma  atro- 
phicum ;  durch  die  Verdünnung  der  Hautgebilde  von  Ichthyosis. 
Der  Therapie  fällt  die  Aufgabe  zu ,  durch  indifferente 
Salben  und  Pflaster  die  Trockenheit  und  Spannung  der  Ober- 
haut zu  mitigiren  und  die  Fusssohlen  gegen  den  Druck  beim 
Gehen  zu  schützen. 

Die  senile  Atrophie  der  Haut  veranlasst  die  als 
„greisenhaft"  bekannte  Aenderung  in  Ansehen  und  Beschaffen- 
heit der  allgemeinen  Decke.  Die  Haut  der  Greise  erscheint 
fahl-  bis  dunkelbraun,  trocken,  mit  vielen  Runzeln  besetzt, 
schilfernd  (Pityriasis  tabescentium) ,  auf  Stamm ,  Hals  und 
Oberarmen  oft  mit  zahlreichen,  zerstreut  stehenden ,  linsen-  bis 
kreuzergrossen,  flachen,  warzenähnlichen,  schmutzig-gelbbraunen 
Auflagerungen  (s.  pag.  512)  besetzt,  welche  mit  dem  Fingernagel 
leicht  zerbröckelt  und  abgelöst  werden  können.  Ihre  Basis  bildet 
entweder  glatte  Haut,  oder  eine  leicht  blutende,  drusig  empor- 
gewucherte  Papillengruppe ;  oder  sie  stellen  die  Ausbreitung  eines 
aus  einer  erweiterten  Talgdrüsenmündung  hervorgetretenen  Epi- 


574 


Fiinfunddreissigste  Vorlesung. 


dermiszapfens  vor,  und  bestehen  aus  einem  Agglomerat  fett- 
körnchenliältiger  Epidermiszellen.  Die  Greisenhaut  ist  zugleich 
meist  wegen  Verminderung  des  Fettpolsters  lose  angeheftet,  in 
weite  Falten  erliebbar. 

Die  geschilderte  BeschaiFenheit  der  (xreisenhaut  ist  der 
Gresammtausdruck  einer  Siimme  von  anatomischen  Verände- 
rungen ,  welche  die  meisten  Gebilde  der  Haut  im  senilen  Eück- 
bildungsprocesse  betreffen  und  im  Wesentlichen  mit  denen  der 
retrograden  Metamorphose  auch  anderer  Organe  und  Systeme 
übereinstimmen.    Dieselben  können  unterschieden  werden  als 
1.   Vertrocknung,   Induration    (Paget)    oder  einfache 
Atrophie  (ViRCHOWj ,  deren  Merkmal  die  Saftarmuth  und 
Verdichtung  des  Gewebes,  und  deren  Folge,  neben  sparsamer 
Anbildung  neuer  Gewebselemente,  die  Verschrumpfung  und  Ver- 
schmächtigung   der  Theile  ist.    Die  Epidermisschichte  ist  ver- 
schmälert und  läuft  ohne  deutliche  Zapfen  in  sanfter  Wellenflucht 
über   die   abgeflachten  Papillen.    Das  schmale   Corium  zeigt 
verschmächtigte,  kleine,  verschrumpfte  Bindegewebskörperchen 
nebst  Pigmentkörner  einschliessenden  Faserbündeln,  die  schmalen 
Gewebsspalten  enthalten  spärliche  und  zellenarme  Flüssigkeit, 
die  Gefässe  sind  zum  Theil  verödet  (Köliker)   oder  abnorm 
erweitert  (Neümann)  ,  mit  Pigmentschollen  erfüllt.    In  vielen 
Haarfollikeln  die  Papille  geschrumpft,  das  Haar  fehlend  oder 
lanugoartig,   die  Zellen  der  äusseren  Wurzelscheide  verhornt 
und   den  Follikel  stellenweise  ausbuchtend;  viele  Talgdrüsen 
erweitert ,  namentlich  in  einzelnen  Acinis  und  da  mit  schollig- 
krümeliger Epidermismasse  erfüllt ;  die  Fettzellen  sind  schlapp 
oder  fehlen  streckenweise,   so  dass  an  ihrer  Stelle  nur  die 
rhombischen  Netze  der  Bindegewebsbalken  zu  finden  sind. 

Die  zweite  Art  der  senilen  Atrophie  ist  vorwiegend 
degenerativen  Charakters,  indem  die  Elemente  der  Cutis 
organisch  metamorphosirt  werden,  derart,  dass  ihre  vege- 
tativen und  functionellen  Eigenschaften  Einbusse  erleiden. 
Namentlich  erscheinen  die  Bindegewebsfasern  von  Körnchen  ge- 
trübt ,  oder  im  Contour  verscliwommen,  in  eine  mehr  homogene, 
zähe  oder  auch  brüchige  Masse  verwandelt,  Zustände,  welche 
als  glasartige  Verquellung,  amyloide,  colloide, 
hyaloide,  wachsartige,  speckige,  fettige  Dege- 
neration bekannt  sind  (Rokitansky,  Virchow,  Weber). 

P  a  r  t  i  e  1 1  e  i  d  i  0  p  a  t  h  i  s  c  h  e  A  t  r  0  p  h  i  e  der  Haut  findet 


Atrophie  der  Haut. 


sicli  in  Form  von  mehrere  Centimeter  langen  und  2 — 5  Milli- 
meter breiten  ,  weissen ,  narbenähnlichen  Streifen  oder  finger- 
nagel-  bis  thalergrossen  solchen  Flecken  —  Striae  etmacnlae 
atrophicae  cutis  —  welche  sowohl  bei  erwachsenen  männ- 
lichen als  weiblichen  Personen  über  dem  G-esässe ,  den  Trochan- 
teren ,  dem  vorderen  Beckenrande  ,  dem  Oberschenkel,  oberhalb 
der  Kniescheibe,  seltener  am  Stamm,  Hals,  Oberarm  unvermerkt 
entstehen  und  persistiren.  Die  atrophischen  Flecke  stehen  meist 
isolirt,  die  Streifen  zu  zweien  und  mehreren  in  parallel  ge- 
schlängelten Linien  und   zur  Längsachse   des  Körpers  unter 
verschiedenem  Winkel   (je  nach   der  Spaltungsrichtung  der 
betreffenden  Hautregion).  Schon  der  zufühlende  Finger  bekommt 
den  Eindruck,   dass  an  den  genannten  Streifen  und  Flecken 
die  Substanz   der  Haut  verdünnt  und  vertieft  ist.    Bei  der 
mikroskopischen  Untersuchung  ergibt  sich ,  wie  nament- 
lich Langer's  Präparate  schön  demonstriren ,  dass  die  Faser- 
bündel  streckenweise    auseinandergedrängt  und   die    in  die 
Znsammensetzung    der    Papillen    eingehenden  Bindegewebs- 
schlingen  in  die  Länge  gezogen  sind,    so  dass  die  Papillen 
fast  ganz  verstrichen  scheinen.    Im  Bereiche  der  atrophischen 
Stellen  finden  sich  nur  spärliche  Grefässe ,   Drüsen  und  Fett- 
läppchen.   Als   Ursache   der   atrophischen  Streifen  macht 
B.  S.  ScHULTZE,  ^äelleicht  mit  Recht,  die  Dehnung  der  Haut 
bei  raschem  Wachstlium  des  Beckens  und  der  Extremitäten 
geltend,   denn  er  hatte  die  AfFection  in  36 "/o  bei  weiblichen 
(nicht  schwanger  gewesenen)  und  in  ß^/o  bei  männlichen  Individuen 
gefunden.  Er.  Wilson  beruft  sich  auf  einzelne  FäUe,  in  welcheh 
nach   einem   Trauma-   oder  Nerveneinfluss   (dem  N.  frontalis 
und  naso-alaris  entsprechend)  „linear  atrophy"  entstanden  war. 

Die  consecutiven  Atrophien  der  Haut  erweisen  sich 
als  Folgen  eines  traumatischen  oder  pathologischen  Processes 
und  erscheinen  ebenfalls  entweder  als  einfache  oder  als 
degenerative  Atrophie.  Zur  ersteren  gehört  die  Druck- 
atrophie, bedingt  diirch  von  der  Tiefe  her  die  Haut  vor 
sich  her  wölbende  G-eschwülste.  Dauert  der  Druck  an,  so  führt 
er  an  der  zumeist  gezerrten  Stelle  zu  vollständigem  Gewebs- 
schwund,  Zerreissung  oder  Entzündung  imd  Brand.  Ist  die 
Extension  vorübergehend,  wie  nach  Ascites,  Anasarca,  so  ent- 
stehen den  idiopathische  Striae  atrophicae  gleiche  atrophische 
Flecke  und  Streifen.   Bei  Erstgeschwängerten  erscheinen  bei 


Fiinfunddreissigste  Vorlesung. 


der  durch  den  wachsenden  Uterus  bewirkten  Ausdehnung  der 
Bauchhaut  (oft  unter  höchst  lästigem  J  u  c  k  e  n)  zunächst  blau- 
rothe  hämorrhagische  Flecke,  nach  deren  Erblassen  erst  später 
we issnarbig  glänzende  Flecke  und  Streifen  zurückbleiben  —  die 
sogenannten  Schwangerschaftsnarben.  Dass  es  sich  hier 
nicht  um  Narben ,  sondern  um  Distension  der  Bindegewebs- 
maschen  und  consecutive  Abflachung  der  Papillen  handelt, 
womit  zugleich  ein  Auseinanderrücken  dieser  wie  der  Drüsen 
stattfindet,  hat  Langer  sehr  klar  dargelegt.. 

Bekannt  ist  ferners  die  partielle  Atrophie  des  Coriums 
in  Folge  äusseren  Druckes ,  xintev  Hühneraugen,  Favusborken. 

Endlich  gehören  hieher  die  narbenähnlichen,  punkt-  und 
fieckenweisen  Vertiefungen  der  Haut ,  welche  an  Stelle  von 
resorbirten  entzündlichen  und  neoplatischen  Infiltraten  des 
Coriums  zurückbleiben,  nach  syphilitischen  Papeln,  Lupus 
und  Lepra,  Liehen  ruber.  In  Folge  der  Elasticität  der  inter- 
stitiellen gesunden  Hauttheile  schwinden  mit  der  Zeit  derart 
entstandene  atrophische  Grübchen  bis  zur  Undeutlichkeit. 

Die  degenerative  symptomatische  Atrophie  involvirt 
die  gleichen  Grewebsalterationen ,  welche  schon  bei  der  idio- 
pathischen Form ,  der  senilen  Atrophie,  besprochen  wurde.  Sie 
tritt  zumeist  im  Grefolge  von  chronischen  Entzündungs- 
tind  Neubildungsvorgängen  der  allgemeinen  Decke,  und  dem- 
gemäss  auch  diflPus  auf,  nach  chronischem  Eczem,  Pemphigus, 
chronischer  Dermatitis,  Pityriasis  rubra,  Fussgeschwüren,  in 
der  Schanker-Sclerose.  Bei  all'  diesen  Processen  gehen  die  G-e- 
webselemente  der  Haut  durch  Druck  von  Seiten  der  infiltrirenden 
Massen,  Obliteration  von  Gefässen,  oder  Uebergreifen  der  retro- 
graden Metamorphose,  welchem  jene  Infiltrate  selber  unterliegen, 
Umwandlungen  von  der  besprochenen  Art  ein,  als  fettige, 
speckige,  wachsartige,  hyaloide  Entartung,  glasartige  Ver- 
quellung. Auch  hier  zeigen  die  Bindegewebsfasern  und  Gefässe 
die  auffallendste  Degeneration  und  scheint  im  Allgemeinen  die 
letztere  mit  der  Erkrankung  der  Gefässwandung  (Endarteriitis, 
Endothel-Entartung,  adventitielle  Infiltration)  sich  einzuleiten. 


YIII.  und  IX.  Olasse. 

Neoplasmata. 
Sechs uncldreissigste  Vorlesung. 

Neubildungen,  Allgemeines.  Eintheilung.  Gutartige  Neubildungen: 
Bindegewebsneubildungen:  Keloid,  Narbe  (Vorgang  bei  der 
Narbenbildung).  Mo  1  luseunri  fibrosum.  Xanthoma,  Fibroma,  Lipoma, 

Neuroma, 

Meine  Herren!   Die  Neubildungen  der  Haut  sind 
zum  Theile  eben  so  gut  Gregenstand  der  chirurgisclien  Disciplin, 
wie  der  Dermatologie ,  insoferne  dieselben  sieb  niebt  immer 
anatomiscb   mit    der    Haut  begrenzen,   und   ein  sogenannt 
chirurgiscbes   Eingreifen  erbeiscben.     Dem  regen  Interesse, 
welcbes   in   Folge    der    angedeuteten    Verbältnisse   die  ge- 
nannte ,  und  in  den  letzten  Jabren  so   sebr  vorgescbrittene 
Scbwesterwissenscbaft  dem  in  Rede  stehenden  patbologiscben 
G-ebiete  widmet,  verdankt  aucb  die  Dermatologie  selber  erheb- 
liche Förderung.   Es  kann  an  dieser  Stelle  nicht  unsere  Auf- 
gabe sein,  in  gleich  eingebender  Weise  den  Begriff  der 
Xeubildting   zu  erörtern,  wie  dies  von  der  allgemeinen 
Pathologie  und  pathologischen  Anatomie  mit  Recht  verlangt 
wird  und  geschiebt.  Aus  beiden  diesen  Doctrinen  sind  Ihnen  die 
"Wandinngen  bekannt,  welche  —  von  der  langst  überwundenen 
ontologischen  Auffassung  der  Greschwülste  abgesehen  —  die 
Vorstellung  von  dem  Neoplasma  selbst  innerhalb  der  Zeitperiode 
erfahren  hat,  da  man  aus  dem  histologischen  Verhältnisse  des 
pathologischen  Productes  zu  dem  einbettenden  Gewebe  dessen 
Charakter  neuer  Bildung  zu  erkennen  versuchte.  Gerade 
in  dem  Masse,  als  man  —  im  Ausbau   der  VmCHOw'schen 
Lehre  von  der  in  Tbeilung  (Proliferation)  der  Bindegewebs- 

Kaposi.  Hautkrankheiten.  37 


g-jg  Sechsunddreissigste  Vorlesung. 

körperclien  bestehenden   Neubildung  —   durch  patbologiscb- 
und  experimentell-bistologische  Studien   zu    der  Erkenntniss 
gelangt  ist,  dass  jede  Art  Grewebselemente ,   Epi-   und  Endo- 
tbelien,    Muskel-,    Knocken-   und   Knorpelzellen,  vielleicht 
auch  die  Intercellularsubstanz ,  einer  Proliferation   aus  sich 
selbst,  einer  wahren  Neubildung  fähig  sind,  und  dass  solche 
Neubildung  auch  bei  der  Entzündung,  z.  B.  im  Epithel  beim 
Katarrh  vor  sich  geht,  —  durch  all'  diese  Erkenntniss  hat 
sich   für  die   pathologische  Histologie   die  ehedem  gezogene 
G-renze  zwischen  Entzündung,  Hyper-  und  Neoplasie  mehr  als 
jemals  früher  verwischt.   Und  so  musste  sich  denn  die  Ueber- 
zeugung  Bahn  brechen,  dass  die  Neubildung  nur  mehr 
als  klinischer  Begriff  festzuhalten  ist,  als  Bezeichnung 
für  eine  pathologische  Formation,  welche  durch  eine  Summe 
von  Eigenschaften,  als  „äussere  Umrisse,  innere  Gestaltung 
und  Vegetation"  (Rokitansky),  Standort,  Verhältniss  zu  dem 
umgebenden  Gewebe  und  zu  dem  Paradigma  des  betroffenen 
Organes  und  Gebildes   als  etwas  fremdartig  Eingeschaltetes 
erscheint,  mögen  im'  Uebrigen  ihre  Elemente  denen  des  Mutter- 
bodens ähnlich  (Homöoplasie)  oder  fremdartig  (Heteroplasie) 
sein.  Und  es  ist  nur  eine  weitere  und  gerechtfertigte  Consequenz, 
wenn  wir  in  Berücksichtigung  ihres  klinischen  Verhaltens  die 
Neubüdungen  in  gutartige   (Vni.  Gl.)   und  bösartige 
(IX.  Gl.)  praktisch  unter  abtheilen,  indem  wir  zu  der  ersteren 
jene  Neoplasmen  zählen,  die  zwar  jahrelang  bestehen  können, 
aber  in  der  Eegel  örtlich  nicht  oder  nicht  bedeutend  destructiv 
wirken  und  namentlich  den  Gesammtorganismus  nicht  schädlich 
beeinflussen;  als  bösartig  dagegen  solche  ansehen,  die  neben 
örtlich  verheerender  Wirkung  auch  einen,  deletären  Einfluss 
auf  die  Gesammtconstitution  ausüben. 

VIII.  Classe. 

Gutartige  Neubildungen. 

Die  gutartigen  Neubildungen  unterscheiden  wir 
nach  ihrem  vorwiegenden  histologischen  Merkmale  in  a  Gruppen  : 

1.  Bindegewebsneubildungen:  Keloid,  Narbe, 
Molluscum  fibrosum,  Xanthoma.  (Anhangweise:  Fi- 
brome, Lipome,  Neurome). 

2.  Gefässneubildungen:  Angioma,  Lymph- 
angiom a. 


Keloid. 


575) 


3.  Celluläre  Neubilclilrigen:  Rhinosclerorh. 
Lupus  erythematodes,  Lupus  vulgaris  (Scrophulose, 
Tuberculose). 

Keloid, 

(der  Knollen  krebs,  Fdchs)  heisst  seit  Alibert  eine  narben- 
ähnliche, spontan,  ohne  Entzündungserscheinungen,  in  der 
Substanz  der  Cutis  sich  entwickelnde  und  nur  mit  dieser 
zusammen  verschiebbare  ,  platten-,  streifen-  oder 
knollenförmige  Greschwulst,  die  ohne  weitere  Metamor- 
phose fortbesteht,  oder,  in  seltenen  Fällen,  spontan  schwindet. 

Seiner  Formverschiedenheit  nach  präsentirt  sich  das  Keloid 
als  ein  flacherhabener,  wie  in  die  Haut  eingeschobener,  scharf 
begrenzter,  über  die  Umgebung  2—4  Mm.  vorspringender, 
derbelastischer,  einer  hypertrophischen  Narbe  sehr  ähnlicher 
Wulst,  von  leisten-,  gritfelförmiger  Gestalt,  oval,  cylindrisch, 
biscuitförmig  oder  wie  eine  dicke  Platte;  seltener  in  Gestalt 
eines  rundlichen  I^nollens.  Dasselbe  ist  immer  nur  mit  der 
Hallt  selbst  verschiebbar.  Manchmal  ragt  die  mittlere  Partie 
mehr  hervor,  während  der  E,and  abfällt  und  nach  zwei  ent- 
gegengesetzten Seiten  strahlenförmige,  an  Krebsscheeren 
erinnernde  Ausläufer  zeigt.  Daher  der  von  Alibert  der  Ge- 
schwulst gegebene  Name  von  y^n'kh  =  Scheere.  Das  Keloid  ist 
weiss  oder  rothglänzend,  an  der  Oberfläche  glatt,  mit  dünner, 
runzeliger  Epidermis  bedeckt,  kahl  oder  mit  wenigen  Härchen 
besetzt,  derb  elastisch  und  bei  Druck,  manchmal  auch  spontan 
schmerzhaft. 

Es  findet  sich  einzeln,  oder  zu  zweien  bis  zu  sehr 
^^elen,  20  und  darüber,  zumeist  über  dem  Sternum,  wodann 
sie  in  zwei  bis  mehreren  parallelen  Strichen  angeordnet  zu 
sein  pflegen,  über  der  Mamma,  an  den  Ohrläppchen,  im  Gesicht, 
an  den  Genitalien  u.  s.  w. 

lieber  die  Entwicklung  des  Keloids  hat  man  wenig 
positive  Erfahrung.  Man  weiss,  dass  dasselbe,  einmal  entstanden, 
noch  eine  Zeit  hindurch  bis  auf  ein  gewisses  Mass  sich  ver- 
grössern  kann.  Alsdann  verändert  es  sich ,  wie  es  scheint, 
gar  nicht  mehr,  besteht  entweder  das  ganze  Leben,  oder  involvirt 
sich  in  seltenen  Fällen  complet.  Namentlich  findet  kerne 
Ulceration,  höchstens  oberflächliche  Excoriation  statt. 

AVas  die  directe  V  er  anla ss u  ng  für  die  Entstehung  des 
Keloids  anbelangt,  so  ist  dieselbe  zum  Theil  nur  muthmasslich. 

37* 


580 


SechsunJdreissigste  Vorlesung. 


Man  findet  dasselbe  bei  Personen  jeden  Alters  und  Geschlechtes. 
Es  ist  aber  sicher,  dass  örtliche  sehr  unbedeutende  Verletzungen 
und  Reize  bei  manchen  Personen  Veranlassung  zur  Entstehung 
von  Keloid  abgeben,  so  dass  man  bei  solchen,  ja,  wie  man 
annehmen  darf,  bei  ganzen  Familien  und  einzelnen  äthiopischen 
Racen  eine  besondere  Disposition  in  dem  Sinne  voraussetzen 
kann,  dass  auf  der  Haut  nach  geringen  Verletzungen  oder 
Reizen  Keloide  entstehen  (v.  Tschudi).  So  kommen  bei  uns 
Keloide  rnn  den  für  die  Ohrringe  gesetzten  Stichcanal  der  Ohr- 
läppchen, um  Blutegelbisse,  um  Acnepusteln  vor,  und  ich  habe 
ein  faustgrosses  Keloid  eines  Negers  untersucht,  der  am  ganzen 
Körper  mit  Greschwülsten  verschiedener  Grösse  besät  gewesen 
sein  soll. 

Da  wir  das  Keloid  als  eine  spontan  entstandene  Geschwiüst 
definirt  haben  und  nun  hören,  dass  dasselbe  nach  Verletzungen 
zu  entstehen  plegt,  so  wirft  sich  gewiss  der  Gedanke  auf,  wie 
er  schon  von  manchen  Chirvirgen  zum  Ausdruck  gekommen 
ist,  dass  das  Keloid  keine  eigenartige  Geschwulst,  sondern  im 
Wesentlichen  nichts  Anderes  sei,  als  eine  hypertrophische  Narbe. 
Dagegen  haben   Andere   ausser    dem    spontan  entstandenen 
wahren  Keloid  ein  falsches  Keloid  in  die  Literatur  ein- 
geführt, als  welches  von  Substanzverlusten  (durch  Verbrennung, 
Syphilis  etc.)  herrührende  Narben,  wofern  dieselben  knollig, 
geschwulstartig  gerathen  waren,  gelten  sollten.  (Narbenkeloid, 
DiEBEEa;    syphUitisches  Keloid,    Wilks;    warzige  Narben- 
geschwulst, Hawkin's  Keloid);    schliesslich  kennen  wir  noch 
Addison's Keloid,  welches  mit  Scleroderma  (pag.  529)  identisch  ist. 

Die  anatomische  Untersuchung,  welcher  ausser 
Warren  dem  Aelteren,  Alibert,  Follin,  Schuh,  Rokitansky, 
Wedl,  Lebert,  ViRCHOW  u.  A.,  besonders  eingehend  Langhans 
tmd  Warren  der  Jüngere,  das  spontane  Keloid,  ich  überdies 
noch  das  Narbenkeloid  unterzogen,  lehrt,  dass  es  dreierlei  ein- 
ander ähnliche  Geschwulstformen  gibt:  1.  das  (wahre)  Keloid, 
2.  die  hypertrophische  Narbe  und  3.  das  Narbenkeloid. 

Im  Keloid  erkennt  man  in  feinen  Schnitten  schon  mit  der 
Loupe  eine  weissHche,  dichtfaserige  Gewebsmasse  mit  zur  Längs- 
achse der  Geschwulst  und  zur  Hautoberfläche  paralleler  Faserung 
derart  in's  Corium  eingeschoben,  dass  über  und  unter  ihr  noch 
normale  Schichten  des  letzteren  und  namentlich  Papillen 
undRetezapfen  complet  erhalten  sich  unter  dem  Mikroskope 


Keloid. 


5«r 


erweisen.  Stellenweise  werden  jene  horizontalen  Fäserbündel 
von  schief  aufsteigenden  durchsetzt  (Langhans).  Kerne  und 
kernhaltige  Spindelzellen  sind  innerhalb  des  Keloidkörpers  nur 
wenige  und  um  die  von  den  dichten  Faserbiüideln  scheidenartig 
umgebenen  und  comprimirten  Grefässe,  reichlieh  dagegen  in  den 
jüngeren  Theilen  des  Keloids,  um  die  Grefässe  der  Ausläufer 
zu  sehen;  so  dass  es  den  Anschein  hat,  als  wenn  die  Binde- 
gewebsfasern des  Keloids  eben  aus  solchen  die  Grefässe  ein- 
scheidenden Spindelzellen  hervorgingen.  Die  Anwesenheit  der 
Papillen  und  ßetezapfen  lehrt  ganz  besonders,  dass  das  Keloid. 
im  Gregensatze  zur  Narbe,  in  einem  vorher  unversehrten  Corium 
entsteht  und  kein  Ersatzgebilde  eines  Substanzverlustes  ist. 

Fig.  32. 


Durchschnitt  eines   (nach  Verletzung  mittels  Glasscherben   am    Halse  eines 

Mannes  enl stand enen)  Narben-Keloids. 
1—2  Narbe,  die  Epidermis  a  streicht  oline  Retezapfen  über  das  papillenlose  Narben- 
gewebe b  dessen  Bündel  locker  und  dnrch  einen  Fortsatz  b"  mit  den  tiefen  Narben- 
bnndelnö  in  Verbindung  stehen.  Zwischen?)  und  ö'  eingeschoben  das  dicht  und  parallel 
zur  Oberflache  gefaserte  Keloid  fc.  das  nach  2-3  und  1—4  in  die  von  der  Verletzung 
nirht  getroffene,  mit  Papillen  und  Retezapfen  c  c'  versehene  Haut  sich  fortsetzt. 
Darm  Haartaschen  /  und  Talgdrüsen  /(  erhalten;  einzelne  Follikel  in  schiefe  Richtung 

gcdiängt  (<2). 

Bei  der  hypertrophischen  Narbe  dagegen  findet 
mau  keine  einzige  Papille,  weil  ja  die  Entstellung  der 
Narbe  den  Verlust  der  obersten  Coriumschichte  durch  Eiterung, 


gg2  Sechsunddreissigste  Vorlesung. 

Excison  etc.  zur  Voraussetzung  hat.  Die  hypertrophische  Narbe 
greift  nie  über  die  Grundarea  des  vorausgegangenen  Substanz- 
verlustes auf  die  angrenzende,  unversehrt  gebHebene  Haut  über 
und  erhebt  sich  nur  innerhalb  der  durch  den  vorausgegangenen 
üefect  vorgezeichneten  Basis  über  das  Niveau  empor.  Ueberdies 
bilden  die  Bindegewebsfasern  der  Narbe  ein  viel  lockereres  und 
unregelmässigeres  Gefüge,  das  in  jüngeren  Narben  mehr  zellen- 
reich und  wenig  gefasert,  später  mehr  starrfaserig  und  zellen- 
arm sich  erweist. 

Endlich  findet  man  in  dem  Narbenkeloid  (J^ig.  32) 
in  der  Mitte  die  Papillen  abgängig,  unter  einer  dünnen  Epidermis- 
schichte  die  unregelmässigen  Bindegewebsgeflechte  der  Narbe, 
ringsum  dieselbe  dagegen  das  Keloid  mit  den  zierlich  ange- 
ordneten dichten  Faserzügen  und  den  PapiUen  an  der  Oberflache. 
Wir  haben  hier  also  unverkennbar  eine  Combination  von  Narbe 
mit  Keloid. 

Wie  aus  den  geschilderten  Verhältnissen  zu  entnehmen, 
kann  demnach  das  Keloid  von  der  hypertrophischen  Narbe  nur 
durch  die  mikroskopische  Untersuchung  unterschieden  werden 
und  ist  daher  die  praktische  Diagnose  ausserordentUch  er- 
Schwert.  Je  mehr  an  der  Oberfläche  die  normale  BeschafPenheit 
der  Haut,  der  Papillen  und  Follikel  kenntlich  ist,  desto  sicherer 
hat  man  ein  Keloid,  und  nicht   eine  hypertrophische  Narbe 
vor  sich.  Ueberdies  wird  das  Auftreten  an  gewissen  Korper- 
o-egenden,  z.  B.  über  dem  Sternum,  und  in  mehreren  Streifen, 
eher  für  Keloid  sprechen.    Von  Scleroderma  ist  Keloid  leicht 
zu  unterscheiden,  schwieriger  jedoch,  beim  Sitze  auf  der  Lippe, 
gegenüber  von  Rhinosclerom. 

Die  Prognose  des  Keloids  ist  nicht  günstig,  denn  eine 
spontane  Involution  erfolgt  nur  ausserordentlich  selten  und 
zur  Heilung  des  Keloids  besitzen  wir  keine  Mittel.  Durch 
Aetzung  oder  Excision  entfernt,  recidivirt  dasselbe  regelmassig 
wieder,  in  Folge  dessen  man  zu  einem  derartigen  Eingriff  nur 
unter  gehöriger  Reserve  sich  entschliessen  wird. 

Emplastrum  hydrargyri,  Einpinselungen  mit  Jod,  Jod- 
o-lycerin  können  versuchweise  angewendet  werden,  um  eventueU 
die  Resorpticui  zu  bewirken,  die,  so  lange  noch  das  Bindegewebe 
von  iüngerer  Beschafl-enheit  ist,  wohl  erdenkbar  wäre. 

Viel  mehr  als  die  Entstellung  sind  es  die  bisweilen  unaus- 
stehlichen Schmerzen,  die  manchmal  paroxysmenweise  oder 


Narbe. 


583 


typisch  auftreten  und  als  Brennen  oder  Stechen  sich  fühlbar 
machen,  gegen  welche  die  Kranken  Hilfe  suchen.  Man  wird 
Emplastrum  de  Vigo ,  de  Meliloto  mit  Opiumpulver  bestreut, 
Kälte,  Chloroform,  subcutane  Injectionen  von  Morphin,  bei 
tj'pischem  Auftreten  Chinin  mit  Arsen  versuchen. 

Narbe, 

—  Cicatrix  —  der Hautheisst  eine  Neubildung,  welche 
an  der  Stelle  eines  Substanzverlustes  der  all- 
gemeinen Decke  entstanden  ist  and  denselben 
bleibend  ersetzt.  Sie  unterscheidet  sich  durch  weiss-  oder 
rothglänzende,  glatte,  bisweilen  auch  zari  gerunzelte  oder  dünn- 
schilferige  und  trockene  Beschaffenheit  ihrer  Oberfläche  und 
derbe  Consistenz  von  der  sie  allseitig  begrenzenden  normalen 
Haut.  An  der  Narbe  fehlen  die  der  normalen  Haut  eigenthüm- 
liche  Furchung  und  Linienzeichnung,  Poren  und  Haare,  Pigment, 
Talg-  und  Schweissdrüsen.  Sie  liegt  im  Niveau  der  iimgeben- 
den  Haut  —  normale  oder  flache  Narbe;  oder  etwas  tiefer 

—  atrophische  Narbe;  oder  überragt  die  Umgebung  — 
hyp  ertrophische  Narbe.  Im  letzteren  Falle  erscheint  die- 
selbe als  strichförmiger ,  cylindrischer ,  knolliger  "Wulst,  als 
leisten-  und  faltenförmige  Ueberdachung  der  Haut  oder  einer 
im  Uebrigen  flachen  Narbe,  oder  als  gestrickt-,  netz-,  stern- 
förmig sich  kreuzende  und  combinirende  Wülste.  Endlich  ist 
die  Narbe  einmal  mit  der  Haut  verschiebbar  —  freie,  oder 
bewegliche  Narbe;  oder  an  die  Unterlage,  Fascien,  Knochen 
festgelöthet,  flach  oder  eingezogen  —  fixe  Narbe. 

Die  Entstehung  der  Narbe  hat  zur  nothwendigen  Vor- 
aussetzung, dass  ein  bindegewebiger  Antheil  der  Haiit,  das 
Corium,  oder  wenigstens  die  Papillarschichte  zerstört  worden 
sei.  Man  kann  diesbezüglich,  nicht  ohne  praktischen  Werth, 
ohneweiters  die  Hautkrankheiten  allesammt  in  zwei  grosse 
Gruppen  theilen,  in  solche  ohne  und  mit  Narbenbüdung. 
Alle  jene  Processe,  welche  in  mit  Resolution  endigender  Ent- 
zündung bestehen,  oder  höchstens  zur  Abstossung  der  Epidermis 
führen :  Eczem,  Erysipel ,  Dermatitis  superficialis,  Pemphigus, 
Herpes  Zoster,  leichte  Variola  gehören  zur  ersten  Kategorie. 
Ausnahmsweise  kann  zwar  auch  bei  diesen  Formen  eine  Narbe 
entstehen ,  aber  nur  in  Folge  von  örtlichen  Zufälligkeiten, 
welche  eine  Zerstörung  des  Bindegewebes  setzen,  z.  B.  furun- 


534  Sechsunddreissigste  Vorlesung. 

culöse  oder  durch  Kratzen  bewirkte  Gewebszerstörung  bei  Eczem, 
liämorrbagisclie  Zerwühlung  der  obersten  Coriumscliicbten 
bei  Zoster.  Zur  zweiten  Art  geboren  neben  den  durch 
mechanische  (Kratzen,  Zerquetschung)  und  chemisch-dyna- 
mische Einflüsse  (Verbrennung,  Erfrierung,  Aetzung)  gesetzten 
Zerstörungen  des  Gewebes  alle  jene  Krankheitsformen,  die 
durch  ihre  Natur  massige  Necrobiose  (Gangrän)  oder  eitrige 
Schmelzung  veranlassen:  Lupus,  gummöse'  Syphilis,  Scrophulose, 
Dermatitis  suppurativa. 

Der  Vorgang  bei  der  Narbenbildung  ist  durch  die 
klinische  Beobachtung ,  wie  durch  das  Experiment  (Billroth, 

0.  Webee,  Thieesch,  Ziegler  u.  A.)  in  den  wesentlichsten 
Punkten  aufgehellt.  Derselbe  stellt  sich  in  zwei  Phasen  vor, 

1.  der  Bildung  vonFleischwärzchen  —  Granulationen 
und  2.  der  Epidermisbildung  oder  Ueberhäutung 
(„Benarbung"),  welche  beide  wieder  normal  oder  abnorm 
sich  gestalten  können. 

Sobald  der  durch  irgend  welchen  der  früher  erwähnten 
Einflüsse  (Causticum,  mechanische  Zerstörung,  entzündliche 
Eiterung,  Gangrän)  abgestorbene  Gewebstheil  von  dem  ge- 
sunden Gewebe  sich  abgegrenzt  hat,  beginnt  von  dem  letzteren, 
unter  den  Erscheinungen  der  entzündlichen  Infiltration  und 
Eiterung,  die  G  r  a  n  u  1  a  t  i  o  n  s  b  i  1  d  u  n  g ;  und  haben  die  necro- 
tischen  Massen  sich  abgelöst,  so  liegt  eine  granulirende  und 
eiternde  Wunde  zu  Tage.  Die  Granulationen  erscheinen  lebhaft 
roth,  anfangs  grobkörnig  und  derb,  später  feindrusig,  sammt- 
artig  und  gegen  Berührung  empfindend,  aber  nicht  schmerzhaft. 

Histologisch  unterscheidet  man  in  den  Granulationen  eine 
obere,  gefässlose,  aus  Eiter  bestehende,  „pyogene",  und  eine 
untere,  gefässreiche,  „plasmatische  Schichte"  (Thiersch).  Nach 
den  gegenwärtig  herrschenden  Vorstellungen  stammen  die  Form-, 
elemente  des  Eiters  theils  aus  dem  Granulationsgewebe  (Wander- 
körperchen)  und  aus  dessen  Blutgefässen  (weisse  Butkörperchen), 
theils  von  der  Proliferation  (Zerfall)  der  zu  oberst  gelegenen 
Gewebselemente.  Die  (untere)  Hauptmasse  der  Gramüationen 
stellt  junges  Bindegewebe  dar ,  welches  neben  einem  grossen 
Antheil  von  eingewanderten  Blutkörperchen  (Cohnhem)  aus 
den  unter  Hyperämie  und  reichlicherer  Plasmazufuhr  productiv 
gewordenen  Elementen  des  alten  Nachbargewebes,  Anschwellung 
und  Theihuig  der  Bindegewebskörperchen  und  anderer  Form- 


Narbe. 


585 


elemeute  (s.  pag.  177)  lier vorgegangen  und  als  sogenanntes 
..Granulationsgewebe"  (VmcHOw)  für  viele  Arten  von  Neubil- 
tUmo-  typisch  ist.  Es  besteht  aus  einer  feinkörnigen,  oder  zart- 
o-enetzten  oder  faserigen  Intercellularsubstanz,  in  welche  ovale, 
o-rosskernige  und  spindelförmige  Zellen  in  grosser  Menge  ein- 
o-elao-ert  sind,  und  aus  neugebildeten  Gefässen,  welche  diesem 
Gewebe  Richtung  und  Stütze,  und  durch  oberflächliche  Gefäss- 
schlingenbildtmg  warzige,  papilläre  Form  geben.  Die  neuen 
Gefässe  stammen  ebenfalls  theils  direct  von  den  alten,  indem 
deren  Wandung  sich  ausbuchtet,  oder  in  Form  von  soliden, 
später  hohl  \Yerdenden  Kolben  auswächst  (Jos.  Meyek,  0.  Weber)  ; 
theils  entstehen  sie  selbstständig  aus  aneinandergereihten  und 
zu  einem  mit  Kernen  besetzten  Rohre  verschmelzenden  Zellen 
(Rokitansky)  ;  oder  indem  einfache  intercelkiläre  Räume  mit 
den  präformirten  Blutgefässen  in  Communication  treten  (Webee, 
Lehmann);  oder  endlich  durch  endogene  Bildung  von  Bkit- 
körperchen  in  Zellen  und  Hohlräumen,  gewissermassen  eine 
Wiederholung  des  embryonalen  Vorganges  (Rokitansky,  Weber, 
Billroth,  Stricker,  E.  Klein). 

Das  Granulationsgewebe  geht  allmälig  von  den  tiefsten 
Schichten  her  in  (Narben-)  Bindegewebe  über,  indem  unter 
Verminderung  der  Hyperämie  die  Einwanderung  und  Prolifera- 
tion von  Zellen  weniger  lebhaft  wird,  ein  Theil  der  letzteren 
an  Stabilität  gewinnt,  durch  Aneinanderlagerung  (Rollet)  und 
Aussenden,  vielleicht  auch  Spaltung  von  Fortsätzen  zu  Binde- 
gewebsfibrillen  mit  polar  einlagernden  Bindegewebskörperchen 
sich  umgestaltet  und  die  Intercellularsubstanz  sich  chemisch 
imd  morphologisch  entsprechend  umwandelt.  Mit  der  fort- 
schi-eitenden  Organisation  rücken  die  Fasern  aneinander,  ver- 
schmächtigen sich  die  intercellulären  und  interfibrillären  Räume, 
schrumpfen  auch  die  Fasern  in  sich  und  ziehen  sie  die  Nachbar- 
haut heran,  wodurch  auch  die  Area  der  Wunde  sich  verkleinert. 

Hat  die  Granulation  im  Emporwachsen  das  Niveau  der 
angrenzenden  Haut  erreicht,  so  beginnt  die  zweite  Phase 
des  Processes,  die  Ueb  erhäutung,  durch  Bildung  einer 
neuen  Epidermisdecke. 

Unter  Abnahme  der  Hyperämie  sistirt  das  weitere  Wachs- 
thum der  Fleischwärzchen  zunächst  am  Wundrande,  und  von 
diesem  schiebt  sich  ein  dümies  Häutchen  vor,  welches  den  in 
Folge  des  Durchschimmerns  der  Gefässe  bläulich-rotheu  Ueber- 


586 


Sechsunddreissigste  Vorlesung. 


häutiingssaum  darstellt.  Von  allen  Seiten  nach  deraWundcentruin 
stetig  vorückend,  und  im  älteren  Theile  in  Folge  Cumnlirung 
der  Epidermisschicliten  erblassend,  trifft  derselbe  endlich  mit 
den  gegenüberstehenden  zusammen  und  damit  ist  die  Wunde 
überhäutet,  die  Benarbung  vollendet. 

Dass  die  neue  Epidermis  von  den  randständigen  alten 
Epidermiszellen  erzeugt  wird,  scheint  durch  klinische  Beobach- 
tung fast  eiitschieden.   Denn  regelmässig  nimmt  der  TJeber- 
häutungssaum  vom  Rande  seinen  Ausgang  und  wenn  unter 
Umständen,    z.   B.   nach   Verbrennung,    auch   inmitten  des 
Grranulationsfeldes  isolirte  Epidermisinseln  auftreten,  so  mögen 
auch  diese  von   alter   Epidermis  herstammen ,   nämlich  von 
der  Epidermisauskleidung  restlicher  Talg-  und  Schweissdrüsen- 
stücke.  Die  Annahme,  dass  Epidermis  wieder  nur  aus  Epidermis 
hervorgehe,  entspricht  nicht  nur  dem  embryologischen  Schema, 
sondern  auch  den  Resultaten  specieller  Untersuchungen,  indem 
Heiberg  im  Epithel  der  Cornea  gesetzte  Verluste  in  der  Weise 
sich  ersetzen  sah,  dass  die  randständigen  Epithelien  Fortsätze 
trieben ,  die  als  neue  Zellen   sich  abschnürten,  ferners  Lott 
für  die  physiologische  Regeneration  der  Epidermis  ebenfalls 
Abschnürung  von  Sprossen  der  basalen  (s.  g.  Fuss-)  Zellen 
des  Rete  demonstrirt  und  bei  pathologischer  Epithelproliferation 
(s.  Fig.  29)  gleichfalls  Theilungs Vorgänge  der  präexisteuten 
Zellen  die  Hauptrolle  spielt.   Nebstdem  mögen  auch  Wander- 
zellen zum  Theil  zu  Epidermis  sich  gestalten  (Biesiadecki, 
Pagenstecher).  G-anz  isolirt  steht  die  Ansicht  von  J.  Arxold, 
nach  welcher  das  neue  Epithel  durch  Differenzirung  eines  von 
den  Randepithelien  producirten Plasmaergusses,  quasi  authochton 

sich  bilden  soll. 

Anomal  gestaltet  sich  die  Narbenbildung,  indem  ent- 
weder die  Grranu.lationen  zögernd,  oder  in  schlechter  Qualität 
sich  bilden,  wodann  sie  glatt,  wenig  warzig,  trocken  oder 
hydropisch,  oder  hämorrhagisch  beschaffen  sind,  und  wiederholt 
zerfallen;  oder  wenn  sie  über  das  Normalniveau  wuchern  (Caro 
luxurians).  Solche  Fleischwärzchen  sind  zugleich  entweder 
abnorm  stumpffühlig,  oder  höchst  empfindlich ;  oder  aber  es  ver- 
zögert sich  abnorm  die  Epidermisbildung. 

Die  Ursachen  solcher  Hindernisse  der  Vernarb  nng  sind 
entweder  constit\itionell :  Anämie,  Scorbut,  Hydrops,  oder 
liegen  in  örtlichen  Momenten,  mechanischen  Insulten,  Druck, 


Narbe. 


587 


Zerrung;  endlicK  aucli  in  dem  grossen  Umfange  der  Wunde, 
indem  die  peripher  schon  fertig  gestellte  Narbe  durch  Schrumpfung 
die  zuführenden  Gefässe  comprimirt  und  die  genügende  Ernäh- 
rung der  centralen  Theile  hindert. 

Die  fertige  Narbe  besteht  nach  dem  Gesagten  aus  einem 
unregelmässigen,  gefäss-  und  nervenreichen  Bindegewebsfilze. 
HaarfoUikel,  Talg-  und  Schweissdrüssen,  sowie  Papillen  fehlen. 
Es  mangeln  daher  auch  die  den  letzteren  entsprechenden. 
Eetezapfen  und  die  aus  mehreren  Lagen  polyedrischer  Rete- 
zellen  und  einer  dünnen  Hornzellenlage  bestehende  Oberhaut 
streicht  in  gerader  Flucht  über  die  Oberfläche  des  Bindegewebs- 
stockes  hinweg.  Junge  Narben  sind  pigmentirt,  succulent  und 
zellenreich  und  führen  noch  viele  Blutgefässe:  daher  lebhaft 
roth,  bei  Kälte  und  mechanischer  Stauung  leicht  zu  Hämorrhagie, 
Loswühlung  der  Oberhaut  und  Zerfall  geneigt.  Mit  vorschreiten- 
dem Alter  werden  sie  kürzer,  trocken,  hart  und  weiss.  Dem- 
gemäss  zeigen  sie  auf  Durchschnitten  viele  verödete,  mit  Pigment- 
körnern gefüllte  G-ef ässstränge ,  sclerotisches  Bindegewebe  mit 
wenigen  und  kleinen  Büidegewebskörperchen  und  engen  Maschen- 
räumen. 

Da  jede  Narbe  einen  Substanzverlust,  wie  ein  Guss  die 
Form ,  ausfüllt ,  so  entspricht  zwar  im  Allgemeinen  Form  und 
Umfang  derselben  auch  dem  vorausgegangenen  Defecte;  aber 
ihre  specielle  Gesammtgestaltung  ist  das  Resultat  einer  Summe 
von  Momenten,  gewissermassen  ihrer  Geschichte.    So  werden 
z.  B.  die  Narben  bei  serpiginös  -  geschwürigem  Syphilid  der 
Grenze  des  letzteren  gemäss  im  Centrum  den  Charakter  der 
älteren  tragen,  weiss  und  derb,  an  der  Peripherie  jünger,  roth, 
pigmentirt,  zugleich  bogenförmig  begrenzt  erscheinen.  Aber 
Solches  gilt  nur  im  Allgemeinen  und  die  Ansicht ,  als  gäbe  es 
charakteristische  Narben,  ist  im  speciellen  Falle  nicht 
haltbar.  Denn  von  Zoster  herrührende  Narben  können  genau  denen 
von  Syphilis  gleichen  und  die  gestrickten  Narben  nach  Ver- 
brennung oder  einem  gangränösen  Bubo  sehen  genau  so^  aus, 
wie  die  nach  Schwefelsäure-Aetzung.  Nur  unter  Berücksichti- 
gung aller  Nebenumstände  ist  ein  Wahrscheinlichkeits-Rück- 
schluss  gestattet,  um  so  mehr,  als  auch  andere  als  die  nächsten 
ursächlichen  Momente  für  die  besondere  Gestaltung  der  Narbe 
massgebend  werden  können.    So  z.  B.  gerathen  alle  Narben 
schlecht,  die  in  ihrem  Aufbau  oft  gestört  worden  sind,  sie 


588 


Secbsunddreissigste  Vorlesung. 


werden  uneben,  gestrickt,  knollig.  Schwefelsäure- Aetzung  Hinter- 
lüsst  meist  unschöne  Narben,  Bei  manchen  Individuen  hyper- 
trophiren  noch  nachträglich  die  schon  fertigen  Narben.  Endlich 
ist  aucli  die  Behandlung  während  der  Narbenbildung  auf  die 
Qualität  des  Endproductes  von  grossem  Einfluss. 

Die  Folgen  der  Narben  bestehen  neben  der  in  ihrem 
Objecte  gelegenen  Verunschönung  der  Haut  in  der  durch  ihre 
Schrumpfung  bewirkten  Verzerrung  der  Nachbarhaut  und,  je 
nach  dem  Standorte ,  Fixirung  und  Contractur  der  Grelenke, 
Ectropiu.m  der  Augenlider,  Verengerung  der  Eingangspforten  in 
die  Körperhöhlen,  Verwachsung  von  Hautfalten  der  Finger, 
Seitwärtszerrung  des  Kopfes  beim  Sitze  am  Halse  u.  s.  w.,  sowie 
wegen  ihrer  geringen  Elasticität,  in  mannigfacher  Behinderung 
der  Bewegung  und  Brauchbarkeit  der  betroflFenen  Theile.  Ausser- 
dem belästigen  sie  oft  durch  spontane  Schmerzhaftigkeit,  Jucken, 
Stechen ,  sowie  durch  ihre  langandauernde  Vulnerabilität  und 
Neigung  zur  Entzündving. 

Die  Aufgabe  der  Therapie  besteht  in  der  Erzieluug 
schöner ,  d.  i.  flacher ,  dünner  und  beweglicher  Narben  und  hat 
mit  dem  Auftreten  der  Granulationen  zu  beginnen.  Bei  nor- 
malem Vorgange  des  Processes  mag  jedwede  der  üblichen  und 
gangbaren  chirurgischen  Verfahrungsweisen  am  Platze  sein. 
Bei  abnormer  Gestaltung  sind  nach  Umständen  alle  jene  Cau- 
telen  zur  Verhütung  von  Verwachsungen,  Anregung  oder  Be- 
schränkung der  Fleischwärzchen-  und  Epidermis-Bildung  an- 
zuwenden (häufige  Aetzung  mit  Lapis,  Salben  von  Ciiprum 
acet.,  Nitr.  argenti,  Druckverband,  Kali-,  Kupfer-Lösung  u.  A.), 
welche  im  Capitel  über  Verbrennungen  (s.  pag.  349 — 350) 
ausführlich  angegeben  worden  sind.  Bei  grossen  "Wundflächen, 
bei  welchen  die  mittelständigen  Partien  zu  überhäuten  zögern, 
ist  noch  ausserdem  die  von  Keverdin  eingeführte  und  seither 
vielbewährte  Methode  der  Transplantation  zu  emj)fehlen. 
Nach  derselben  schneidet  man  von  einer  gesunden  Hautstelle 
desselben,  oder  eines  anderen  Individiums  mittels  Scheere  ober- 
flächliche Stückchen  aus,  welche  in  5—10  Mm.  kleine  Theile 
zerschnitten  auf  die  bereits  granulirende  Wunde  in  mässiger 
Distanz  von  einander  gelegt,  mittels  Heftpflaster  niedergedrückt 
werden.  Nach  5—6  Tagen  wird  dieses  entfernt.  Manche 
Stückchen  scheinen  nun  verschrumpft  und  abgefallen,  einige  aber 
sitzen  fest,  indem  Corium  und  Gefässchen  derselben  mit  den 


Mollnscuni  fibrosum. 


589 


Elementen  der  Granulationen  verwachsen  sind  (AjfABiLi's  und 
Jacexko's  Untersuchungen).  Auch  diese  verlieren  ihre  alte  Epir 
dermis  zum  Theile,  produciren  aber  schon  am  10. — 12.  Tage 
bläuliche  Epidermisinseln  ,  die  alsbald  ringsum  auf  nachbarliche 
zuwachsen  und  so  die  centrale  Ueberhäutung  ermöglichen. 

Die  durch  die  Narbenschrumpfung  veranlassten  Ver- 
zerrungen ,  Verengerungen  von  Höhleneingängen ,  Fixirung  von 
Gelenken  etc.  werden  durch  einfache  oder  mit  Plastik  verbundene 
Excision,  oder  forcirte  Streckung  der  Narbe  bekämpft.  Hyper- 
trophische, entstellende  Narben  können  ausserdem  noch  mittels 
flachgeführter  Schnitte  abgetragen  werden,  worauf  die  blutende 
Fläche  mit  Lapis  geätzt  und  die  neue  Ueberhäutung  sorgfältig 
überwacht  wird.  Erweichend  und  allmälig  abflachend  wirken 
gegen  callöse ,  starre  Narben  Bähungen  mittels  protrahirter 
warmer  ,  künstlicher  Bäder  oder  Thermen ,  Druck  mittels  Heft- 
pflaster oder  Empl.  hydrargyri ;  endlich  die  künstliche  Erregung 
von  Entzündung  im  Narbengewebe,  durch  welche  die  fixen 
Gewebselemente  wieder  zu  lebhafterer  Vegetation,  Metamorphose 
und  auf  neu  eröifneten  Blut-  und  Lymphbahnen  zur  Resorption 
gebracht  werden.  Hiezu  dienen  wiederholte  Aetzungen  mittels 
concentrirter  Lapislösung,  oder  methodische  Einpinselungen  von 
Jodglycerin. 

Neuralgische  Afi'ectionen  der  Narben  werden  in  gleicher 
"Weise  mittels  emoUiirender  oder  narkotisirender  Applicationen 
bekämpft,  wie  die  analogen  Zustände  des  Keloids,  oder  erheischen 
ihre  oder  des  zuführenden  Nerven  Excision. 

Molluscum  fibrosum, 

M.  Simplex  s.  pendiüum  ("Willan);  M.  non  contagiosum 
(Batejian);  Fibroma  moUuscum  (VmCHOw),  bildet  breit  oder 
gestielt  aufsitzende,  von  normaler  Haut  be- 
deckte, meist  deutlich  begrenzte  Geschwülste 
von  gleichmässig  teigig-weicher  oder  mehr  derber  Consistenz. 
Ihr  Umfang  variirt  von  einer  erbsen-  bis  bohnengrossen, 
mittels  Tasten  unter  der  Haut  eben  fühlbaren  Verdickung 
oder  Vorwölbung,  bis  zu  Geschwülsten  von  Nuss-,  Faust-  und 
Kindskopfgrösse ,  welche  entweder  breit  aufsitzen  oder  die 
mit  ihnen  dicht  oder  lose  verwachsene  allgemeine  Decke  vor 


590 


Sechsunddreissigste  Vorlesung. 


sicli  beuteiförmig  herstülpen  und  als  bim-,  kolben-,  wammen- 
oder  beutelförmige ,  gestielte  Anhänge  der  Haut  erscheinen. 

Heber  den  kleineren  G-escbwülsten  ist  die  Haut  blass, 
■über  den  grösseren  blaurotb ,  von  ausgedehnten  Gefässen 
durchzogen  und  da  auch  in  der  Regel  gespannt,  follikelarm. 
Doch  sind  öfters  die  Talgdrüsen  mit  Sebumpfröpfen  erfüllt 
und  erweitert.  In  das  Innere  der  Greschwulst  führt  jedoch  keine 
OefFnung.  Sie  fühlen  sich  gewöhnlich  gleichmässig  derbteigig  an, 
manchmal  etwas  fester,  oder  sind  lappig,  mit  derberen  und 
weicheren  Partien.  Manchmal,  namentlich  bei  den  kleineren 
und  älteren,  glaubt  man  eine  blosse  Hautfalte  zwischen  den 
Fingern  zu  fühlen,  ohne  Inhalt,  doch  ist  ein  solcher  vorhanden, 
welcher  sich  nach  dem  subcutanen  Bindegewebe  strangförmig 
fortsetzt. 

Ihre  Menge  ist  in  der  Regel  beträchtlich,  manchmal  bis 
hundert  in  den  verschiedensten  Entwicklungstadien,  im  Bereiche 
des  Gesichtes,  des  behaarten  Kopfes,  am  Stamme,  den  Augen- 
lidern, an  den  Genitalien,  ad  nates  u.  s.  w.  Die  erste  vom 
Jahre  1793  stammende  Beschreibung  eines  solchen  Falles  durch 
Ludwig  und  Tilesius  ist  noch  heute  typisch. 

Sie  belästigen  nicht  nur  als  eine  entstellende  Geschwulst 
durch  ihre  Zahl  und  Grösse,  sondern  auch  je  nach  ihrer  Loca- 
lisation  als  mechanisches  Hinderniss  der  Gelenksfunction ,  des 
Sehens,  (indem  das  obere  Augenlid  als  dicker  Lappen  herab- 
hängend das  Auge  verdeckt) ;  bei  grossem  Umfange  durch  Span- 
nung der  Haut,  gelegentliche  Entzündung  und  Gangrän. 

Nach  der  im  Wesentlichen  übereinstimmenden  Darstel- 
lung von  Rokitansky,  Wedl,  Virchow  u.  A.  besteht  das  Mollus- 
cum fibrosura  aus  gallertartigem,  mit  fortschreitendem  Alter  der 
Geschwulst  zu  fibrösem  sich  umgestaltenden  Bindegewebe. 

Nur  über  den  Ausgangspunkt  dieser  Neubildung  sind  die 
Meinungen  getheilt.  Nach  Rokitansky  geht  dieselbe  von  den 
tieferen  Maschenräuraen  des  Coriums  aus;  nach  Fagge  und 
HowsE  von  der  Bindegewebswand  der  Haartasche ;  nach  Virchoav 
von  der  Blndegewebsurarahmung  der  Fettläppchen,  welcher  An- 
sicht auch  ich  mich  anschliesse.  Von  da  aus  emporwachsend  wölbt 
das  Gebilde  die  Haut  vor  sich  her  und  wächst  es  zu  knolligen, 
lappigen  und  hängenden  Geschwülsten  heran.  Am  Scheitel  der 
Geschwulst  besteht  eine  innigere  Verbindung  zwischen  ihr 
und  der  Haut,  indem  Fasern  der  ersteren  in  diejenigen  des 


Molluscum  flbrosuni; 


591 


Coriums  übergelien.  Im  Uebrigen  ist  die  Verbindung  zwischen 
beiden  lose  und  daher  die  Greschwulst  ziemlich  leicht  aus- 
schälbai*. 

Bei  den  grösseren  und  älteren  Knoten  besteht  die  innere 
Partie  aus  jüngerem ,  gallertartigem,  der  periphere  Theil  mehr 
aus  faserigem  Bindegewebe,  stimmt  demnach  im  histologischen 
Charakter  mit  Elephant.  Arabum  überein.  In  dem  Stiel  befinden 
sich  ein  oder  mehrere  grössere  Gefässe ,  ebenso  wie  in  dem 
iederzeit  vorhandenen  derben,  knotigen  Ende,  welches  xmtev 
der  Haut  liegt,  das  ist  der  Partie,  von  wo  die  G-eschwulst 
ihren  Ausgang  genommen  hat.  Drüsen  und  Follikel  der  die 
Geschwulst  bedeckenden  Haut  sind  im  Verhältnisse  der  er- 
littenen Spannung  theils  normal ,  theils  verzerrt ,  geschrumpft, 
deo-enerirt.  Oft  auch  finden  sich  zahlreiche  Comedonen  und  Balg- 
geschwülste  (Molluscum  contagiosum  Batemax)  auf  und  zwischen 
den  G-eschwülsten  des  Molluscum  fibrosum. 

Einzelne  Geschwülste  involviren  sich  spontan ;  alsdann 
bleibt  ein  scheinbar  leerer  beuteiförmiger  Anhang  zurück. 
Dieser  enthält  aber  immer  noch  einen  Theil  des  Molluscum, 
wie  aus  der  Unmöglichkeit  die  Falten  auseinander  zu  ziehen 
\mi  dem  nach  der  Tiefe  zu  verfolgenden  Knotenstrang  zu  er- 
kennen. 

Die  meisten  Geschwülste  persistiren  zu  verschiedener 
Grösse  angelangt.  Der  Beginn  des  Processes  ist  in  allen  bisher 
beobachteten  Fällen  aiif  die  früheste  Kindheit  zui'ückgeführt 
worden.  In  Ermangelung  jedweder  plausiblen  Ur  s ach e  wurde 
eine  hereditäre  Anlage,  nach  Viechow  eine  Art  „Süchtigkeit" 
(„Molluscosis"  Bebgh)  dem  Uebel  zu  Grunde  gelegt,  welche 
in  einem  bekannt  gewordenen  Falle  (Viechow)  durch  Auf- 
treten des  Molluscum  in  drei  Generationen  sich  manifestirt 
liat.  Eine  constitutionelle  Anlage  nimmt  auch  Hebra  an, 
indem  er  die  Thatsache  betont,  dass  alle  mit  Mollusciim  fibrosum 
behafteten  Kranken  physisch  und  geistig  verkümmert  gefunden 
werden. 

Die  geschilderten  Eigenschaften,  die  Multiplicität  luid  der 
Verlauf  charakterisiren  das  Molluscum  fibrosum  zur  Genüge, 
um  dessen  Diagnose  gegenüber  der  als  Moll,  sebaceum  v. 
contagiosum  (pag.  164)  bekannten  Talgdrüsengeschwulst,  sowie 
gegenüber  von  multiplen  Fibromen,  Lipomen,  einzelnen  mollusci- 
forraen  "Warzen  festzuhalten. 


592 


Sechsunddreissigste  Vorlesung. 


Die  Prognose  für  M.  fibrosum  ist  nicht  günstig,  da 
wir  keine  Mittel  besitzen,  um  diese  Greschwülste  zur  Rück- 
bildung zu  bringen.  Obgleicb  das  Allgemeinbefinden  nicht  nach- 
weislich von  der  Neubildung  beeinflusst  zu  werden  scheint, 
indem  wir  bei  ziemlich  vorgerückten  Individuen  die  Krankheit 
gesehen  haben,  ist  doch  zu  bemerken,  dass  bei  einzelnen  mit 
der  Zeit  zum  Tode  führender  Marasmus,  oder  Tuberculose  sich 
eingestellt  hat. 

Therapeutisch  kann  nur  soviel  geleistet  werden,  da s.s 
man  nach  den  Regeln  der  Chirurgie  einzelne,  durch  ihre  Loca- 
lisation  und  Grösse  belästigende  Tumoren  exstirpirt,  exscindirt, 
galvanokaustisch  oder  mittels  elastischer  Ligatur  abschlingt. 

Xanthoma, 

Xanthelasma  (Wilson),  Vitiligoidea  (Addison  und  Gull) 
heissen  stroh-,  citronen-  bis  schwefelgelbe  oder 
gelblichweisse,  inderRegel  scharf  umschriebene, 
flache,  wie  eine  blosse  Verfärbung  sich  darstel- 
lende Flecke  oder  Knötchen  der  Haut,  deren  häufigste 
Localisation  an  den  Augenlidern  ist. 

Schon  im  Jahre  1815  von  Rater  als  „pläques  jaunätres 
despaupieres"  beschrieben  iind  abgebildet,  sind  diese  Vorkomm- 
nisse doch  erst  von  Addison  und  Güll  1851  unter  dem  Namen 
Vitiligoidea  eingehender  erörtert  worden,  für  welchen 
wenig  passenden  Titel  später  Ee.  Wilson  den  bezeichnenderen 
Xanthelasma  oder  Xanthoma  vorgeschlagen  hat. 

Erst  in  der  Folge  hat  man  auch  anderswo  denselben  Aufmerk- 
samkeit zugewendet ;  doch  sind  noch  immer  die  interessantesten 
Mittheilungen  darüber  aus  England  gekommen,  von  Pavy,  Fagge, 
Smith,  Wilson,  A.  W.  Foot,  obgleich  auch  in  Deutschland  von 
Hebra,  Jany,  Cohn,  Waldeyer,  Geisler,  Virchoav,  Geber,  Smox, 
mir,  in  Frankreich  von  Besnier,  Hillairet,  Cha^ibard  und  vielen 
Anderen,  namentlich  Oculisten  über  diesen  Gegenstand  Ver- 
öffentlichungen stattgefunden  haben. 

Nach  der  ursprünglichen  Angabe  von  Addison  und  Gull 
muss  man  auch  heutzutage  das  Xanthom  in  zwei  Formen  unter- 
scheiden: 1.  X.  planum,  2.  X.  tuberosum. 

Das  fleckenförmige  Xanthom,  X.  planum,  bildet 
kleine  bis  fingernagelgrosse  und  noch  grössere,  .strohgelbe  bis 


Xanthoma. 


593 


citronengelbe  oder  mit  welkem  Laub  gleicligefärbte  Flecke  der 
Haut.  Sie  sind  entweder  gleicbmässig ,  oder  aus  einzelnen 
Fleckchen  zusammengesetzt ,  flacb  oder  an  den  Rändern  etwas 
vorspringend.  An  ihrer  Stelle  ist  die  Haut  vollständig  glatt, 
weich,  nicht  schilfernd,  nicht  juckend,  selten  wird  etwas 
Brennen  oder  Schmerz  empfunden.  Zwischen  den  Fingern  gefasst, 
geben  sie  nicht  das  Gefühl,  als  wenn  irgend  etwas  Fremdartiges 
in  der  Haut  wäre.  Die  Falte  fühlt  sich  ganz  wie  an  einer 
normalen  Haut  an.  Sie  finden  sich  zumeist  an  den  Augenlidern, 
an  einem  oder  an  allen ,  meist  ziemlich  symmetrisch  und  näher 
dem  inneren  Augenwinkel ,  seltener  an  den  angrenzenden 
Wangenpartien  und  noch  seltener  an  der  Haut  der  Nase,  Ohr- 
muschel lind  an  der  seitlichen  "Wangen-,  Hals-  und  Nacken- 
gegend. Auch  auf  der  Schleimhaut  des  Mundes,  des  Gaumens, 
der  Wangen ,  am  Zahnfleisch  hat  man  diese  Vorkommnisse 
beobachtet. 

Das  knötchenförmige  Xanthom,  X.  tuberosum, 
erscheint  in  Form  von  hirsekorn-,  miliumartigen  oder  weizenkorn- 
ähnlichen,  weiss-  oder  gelblichweissen,  isolirten  oder  zu  Plaques 
zusammengedrängten  Knötchen,  welche  kaum  oder  selbst  bis 
4  Mm.  über  das  Hautniveau  emporragen ,  an  ihrer  Oberfläche 
mit  glatter  Epidermis  bedeckt,  in  der  Haut  quasi  eingeschoben 
und  eine  kaum  bemerkbar  stärkere  Consistenz,  als  die  normale 
Haut  darbieten.  Diese  kommen  seltener  an  den  Augenlidern, 
häufiger  an  den  Wangen ,  namentlich  aber  an  den  Streck-  und 
Beugeseiten  der  kleinen  Gelenke,  der  Finger  und  Zehen,  sowie 
an  der  Flachhand  und  Fusssohle ,  selbst  am  behaarten  Kopf 
und  am  Penis  vor,  ebenso  an  den  früher  genannten  Partien 
der  Schleimhaut,  sowie  an  den  Labien. 

Beide  Formen  sind  als  zusammengehörige  Bildungen  zu 
betrachten  ,  weil  sie  an  demselben  Individuum  gemischt  vor- 
zukommen pflegen.  Das  Xanthom  entsteht  da  und  dort  als 
fleckenartiges  und  entwickelt  sich  am  Rande  zu  knötchenartigem. 
So  viel  man  bisher  beobachtet,  metamorphosirt  sich  dasselbe 
nicht,  sondern  besteht  es  ohne  weitere  Veränderungen.  Das 
knötchenförmige  complicirt  sich  manclunal  mit  harten  Ablage- 
rungen in  den  Sehnen  der  Fingerstrecker.  Selbstverständlich 
belästigt  die  tuberöse  Form  mehr  als  die  Fleckenform. 

lieber  die  Ursache  dieser  merkwürdigen  pathologischen 
Bildung  kann  nichts  Bestimmtes  ausgesagt  werden.    Man  hat 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  38 


rjC)4  Sechsunddreissigste  Vorlesung. 

<jft  versucht  eine   Beziehung  derselben  mit  Leberaffectionen 
geltend  zu  machen,  weil  in  mehr  als  der  Hälfte  der  bekannt 
^•ewordenen  Fälle  theils  vor  der  Erkrankung,  theils  im  Verlaufe 
derselben  Icterus  constatirt  und  beobachtet  worden  ist.  So  war 
in  den  von  mir  zusammengestellten  27  Fällen  15mal  Icterus 
ilagewesen.    Allein  weder  die  anatomischen  Verhältnisse  des 
Xanthoma,    noch  die  Erklärungsversuche    von  Fagge  und 
MuECHisoN  machen  die  Beziehung  eines  Icterus  zum  Xanthom 
erklärlich,   abgesehen  davon,   dass  bei   einer   grossen  Zahl 
Icterus  überhaupt  nicht  vorgekommen  ist. 

Anatomisch  stellt   sich   sowohl   das  Flecken-  als 
Knötchenxanthom  nach  den  Untersuchungen  von  Pavy,  welchem 
Fagge  ,  Murchison  ,  Smith  ,  Waldeyee  ,  Virchow  und  ich  zu- 
stimmen, als  Bindegewebsneubüdung  mit  Einlagerung  von  Fett 
und  fettiger  Degeneration  dar,  während,  wie  früher  Hebra, 
so  später  Geber  und  Simon  dasselbe  als  den  Ausdruck  einer 
Hypertrophie  der  Talgdrüsen,  also   wesentlich  identisch  mit 
Milium  darstellen  und  daher  auch  glauben,  dass  man  zweierlei 
Formen  unterscheiden  solle,  das  eine,  das  bindegewebiger  Natur, 
als  Fibroma  lipo mato des,  und  das  andere,  aus  Drüsen- 
aegeneration  hervorgegangene,  als  Vitiligoidea. 

Es  geschehen  sicher  Verwechslungen  des  Xanthom  mit 
Miliumkörnchen,  welche,  in  dichten  Haufen  zusammengedrängt, 
wie  ein  Xanthom '  erscheinen  können.  In  unserem  Ambiüatorium 
A-om  Jahre  1878  haben  wir  einen  solchen  Fall  an  einem  Mädchen 
beobachtet,  bei  welchem  vom  inneren  Augenwinkel  der  linken 
Seite  über  das  untere  Augenlid,  die  Wange  bis  zum  Kieferwinkel, 
in  zwei  länglichen  ovalen  Plaques  zusammengedrängt  solche 
Miliumkörnchen  lagerten.  Diese  konnten  aber  alle  nach  blossem 
Einritzen  ihrer  Decke  herausgedrückt  werden.    Bei  Xanthom 
ist  dergleichen  nicht  möglich.    Wenn  man  da  einschneidet ,  so 
erscheint  die  Schnittfläche  mehr  weniger  gleichmässig  gelb. 
Man  kann  aber  ausser  etwas  Blut  und  Serum  absolut  nichts 
von  der  Schnittfläche  herausquetschen,  was  wie  Fett  oder  Fett- 
zellen aussieht;  es  ist  eben  das  Gewebe  selbst  verfettet  und 
•daher  gelb.    Diese  Verhältnisse  geben  auch  den  diagnostischen 
Unterschied  zwischen  Milium  und  Xanthom. 

Die  Diagnose  desselben  ist  auf  Grund  der  früher  ge- 
schüderten  und  sehr  augenfäUigen  Charaktere  sehr  leicht  zu 
machen.    In  prognostischer  Beziehung  ist  hervorzuheben, 


Xanthoma. 


595 


ilass  das  Xaiitliom  zeitlebens  fortbesteht,  ohne  sich  merklicli 
zu  ändern  und  in  übler  Weise  zu  entarten,  dass  aber  auch 
eine  spontane  Rückbildung  desselben  nicht  zu  erwarten  steht. 

Eine  andere  Heilung  des  Xanthom  als  durch  Excision 
oder  Ausschaben  mittels  scharfen  Löffels  ist  nicht  möglich. 


Hier  wäre  der  geeignete  Platz,  auch  der  als  isolirte  oder 
multiple  Geschwülste  der  Haut  und  des  subcutanen  Zell- 
gewebes vorkommenden,  in  das  Grebiet  der  speciellen  Chirurgie 
gehörigen  Fibrome,  Lipome  lind  Neurome  zu  erwähnen. 
Die  letzteren  sind,  soweit  die  bisher  bekannt  gewordenen 
Fälle,  auch  der  interessante  von  Dühring  mitgetheilte,  lehren, 
wesentlich  bindegewebiger  Zusammensetzung  (Fibrome)  und 
mit  den  Nerven  in  verschiedener  Beziehung,  der  Nervenscheide 
anhängend,  die  Nervenfasern  auseinanderdrängend  oder  in  gar 
nicht  eruirbarem  Zusammenhange  (Hautknötchen  bei  Dohring)  ; 
nur  in  einzelnen  Fällen  ist  wirkliche  Neubildung  von  Nerven 
imd  Nervenplexus  demonstrirt  worden  (Biesiadecki,  Czerxy), 
vorwiegend  in  Combination  mit  Elephantiasis  oder  Naevis. 
Sie  charakterisiren  sich  klinisch  durch  äusserste  Schmerzhaftig- 
keit  gegen  Druck,  sowie  spontane  paroxysmenartige  Neuralgien. 


38* 


Siebenunddreissi gste  Vorlesung. 

Angiomata. 

Blutgefäss-  und  Lymphgefäss-Neubildungen. 

Grefäss-Neubildungen  ixmfassen  solclie  patliologisclie 
Bildungen  der  Hant ,  welclie  ganz,  oder  ilirer  Haupt- 
masse nach,  ans  bleibend  erweiterten  und  nengebil- 
detenGrefässen  bestehen.  Dieselben  müssen  unterschieden 
werden  in  Blut-  und  Lymphgefäss-Neubildungen. 

Blutgef  äs  s-Neubildungen,  eigentliche  Angiome. 
verrathen  schon  durch  die  klinische  Beschaffenheit  ihre  ana- 
tomische Zusammensetzung,  indem  sie  üi  der  Farbe  und  Con- 
figuration  von  mit  Blut  injicirten  Blutgefässen  erscheinen  und 
unter  dem  Fingerdruck  momentan  verschwinden.  Ausserhall» 
dieser  allgemeinen  Eigenschaften  bieten  die  Angiome  sehr  viele 
Mannigfaltigkeiten  dar,  nach  deren  meritorischer  Geltung  die- 
selben unterschieden  werden  können,  als  1.  Telangiektasis. 
2.  Naevus  vascularis,  3.  Angio-Elephantiasis  und 
4.  Tumor  cavernosus. 

Telangiektasien  (jzlo:,  äyytov,  £x.Ta(ji:)  sind  während 
des  extrauterinen  Lebens  entstandene  Erweiterungen  und  Neu- 
bildungen von  capillären  und  feinsten  Hautgefässen  und  er- 
scheinen als  hellroth-  bis  dunkelviolette,  mohnkorngrosse  und 
grössere,  unter  dem  Fingerdrucke  erblassende  Flecke  oder 
Knötchen  oder  Grefäss-Grezweige ,  oder  als  diffuse,  von  Geiass- 
ästchen  durchzogene  Röthung  oder  Marmorirung  der  obersten 
Hautschichten. 

Die  Abwesenheit  von  Temperaturserhöhung ,  Schmerz 
und  Schwellung  und  die  Persistenz  der  Röthe  und  Gefäss- 
Verästelung  hilft  leicht  die  Verwechslung  mit  hyperämischer 


Angioiue. 


597 


und  entzündlicher  Rothe  zu  vermeiden.  Die  Telangiektasien 
entstehen  idiopathisch,  selten  im  Kindesalter,  in  der  Regel 
in  der  mittleren  Lebensperiode  und  mehren  sich  mit  dem  vor- 
schreitenden Alter.  Die  zarte  Haut  der  Augenlider,  Nasen- 
flügel, "Wangen,  Ohren  und  Hals  sind  ihr  häufigster  Stand- 
ort ,  selten  der  Handrücken  und  andere  Körperstellen ,  an  denen 
ihre  Anwesenheit  wenig  beachtet  wird.  Auf  den  Lippensaum 
und  die  Mundschleimhaut  übergreifend  kommen  beerenartig 
turgescirende  Gefässknötchen  vor,  welche  bei  Verletzung 
heftig  bluten.  Bei  einem  50jährigen  Manne  habe  ich  spontan 
entstandene  und  über  den  grössten  Theil  des  Körpers  ver- 
breitete telektatische  Marmorirung,  bei  einem  18jährigen 
Mädchen  solche  auf  die  Füsse  beschränkt  gesehen. 

Consecutiv  entstehen  Telangiektasien  in  und  um  Narbeu, 
durch  welche  ein  Theil  der  Capillaren  verödet  worden,  indem 
die  restlichen  Capillarrohre  sich  ausdehnen,  und  solche  besetzen 
oft  dauernd  die  Hautstellen,  welche  von  dem  eigentlichen 
Krankheitsprocess,  z.  B.  Lupus  erythematosus,  Lupus  etc.  be- 
freit sein  mögen;  ferners  die  über  Geschwülsten  durch  Druck 
und  Zerrung  sich  ergebenden  Gef  ässektasien.  Symptomatisch 
sind  die  der  Acne  rosacea  angehörigen  Telangiektasien  im  Be- 
reiche des  Gesichtes ,  sowie  die  durch  centrale  Circulations- 
hindernisse  (endothoracische  Geschwülste,  Pleuritis,  Herzfehler) 
bedingten  peripheren  Cyanosen, 

Der  Verlauf  der  Telangiektasien  ist  wenig  wechselvoll, 
indem  einzelne  Aestchen  verschwinden,  andere  auftauchen. 

Na  e  v  u  s  V  a  s  c  ul  ar  i  s,  Gefässmal,  ist  eine  ange- 
borene, oder  in  den  ersten  Lebensmonaten  entstandene 
abnorme  Vascularisation  der  allgemeinen  Decke,  von  eben- 
falls verschiedener  Gestalt  und  Intensität.  Derselbe  ersclieint 
als  diffuser  Fleck,  wie  von  in  die  Haut  ergossener  Tinte,  von 
hell-  bis  bläulich-rother  oder  bleigrauer  Farbe,  ohne  oder  mit 
leichter  Turgescenz  der  Haut  —  N  a  e  v u  s  f  1  a  m m  e u  s,  F  eii  er- 
ma  1,  täche  de  feu,  Naevus  simples,  Angioma  simplex  (Viechow)  ; 
_oder  in  Form  von  erbsengrossen  oder  grössere  Hautflächen 
occupirenden  \md  dann  flacherhabenen,  prominirenden ,  ge- 
sehwulstartigen  ,  turgescirenden ,  manchmal  sogar  pulsirenden 
Geschwülsten  von  glatter  oder  höckeriger  Oberfläche  —  Angioma 
prominens ,  Naevus  tuberosus,  Angioma  cavernosum  (Virchow), 
Fungus    haematodes  Autor. ,    venöse    Telangiektase  (Schüh) 


gC|3  Siebejiunddreissigstc  Vorlesung. 

erectile  Gefässgescliwulst  (Dupuytren),   Aneurysma  spongio- 
sum  etc.   Sie  alle  haben  die  Eigenschaft,  unter  Compression  . 
lind  so  lange  diese  anhält,   zu  erblassen.  An  der  Oberfläche 
scheinbar   scharf  begrenzt ,  setzen  sich   diese  Naevi  in  der 
Tiefe  mittels  feiner  Ausläufer  in   die  Umgebung  fort.  Ihr 
häufigster  Standort  ist  die  Region  des  Kopfes,  der  seltenere, 
Stamm  und  Extremitäten,  sowie  Grenltalien.  Sie  finden  sich  zu 
eins  oder  vielen  und  sind  oft  örtlich  mit  Pigment-  oder  Warzen- 
mal combinirt  oder  mit  solchen  identisch  —  Angioma  pig- 
mentosum et  verrucosum.  Die  im  Gesichte  localisirten  Augiome 
turgesciren  unter  blutstauenden  Momenten  (Husten,  Schreiend 
und  erblassen  unter  gegentheiligen  Verhältnissen  (Ohnmacht) 
oft  bis  zur  Unkenntlichkeit. 

Der  Verlauf  der  Gefässmäler   ist  sehr  verschieden. 
Die  meisten  wachsen  innerhalb  der  ersten  Lebensmonate  oder 
Jahre  bis  zu  einem  gewissen  Umfange  heran  und  persistiren  das 
ganze  Leben  hindurch,  oder  verändern  sich  erst  im  höheren  Alter 
in  retrogradem  oder  excedirendem  Sinne.  Andere  verschwinden 
spontan  durch  allmälige  Obliteration  der  Gefässe  binnen  der 
ersten  Lebensjahre  mit  Hinterlassung  weiss-gläuzender,  narben- 
ähnlicher oder  pigmentirter  Flecke.    Dies  gilt  namentlich  von 
deiri   diffusen  Naevus   flammeus   und   dem  flachen  Angioma 
Simplex.    Grössere  und  turgescirende  Gefässgeschwülste  (Ge- 
fässschwamm,  Fungus  haematodes,  venöse  Telangiektasie  (Schuh) 
dagegen  pflegen  rasch,   oder  nachdem    sie   mehrere  Jahre 
stationär  schienen ,  nach  der  Fläche  und  Tiefe  sich  auszubreiten 
(tardive  Angiome,  Virchow),  wobei  sie  auf  die  angrenzende 
Schleimhaut  der  Wange,  Zunge,  Conjunctiva  etc.  und  in  die 
unterliegenden  Gewebe  ,  Fettläppchen ,  Muskeln ,  Nervenscheiden 
und  Knochen  unter  Usurirung  und  Verdrängung  derselben  vor- 
dringen. Bei  solch'  excessivem  AVachsthum  ändern  sie  auch  ihren 
anatomischen  und  klinischen  Charakter  in  verschiedenem  Sinne. 
Sie  entwickeln  sich  zu  massigen  und  ausgedehnten  Geschwülsten, 
welche  z.  B.  eine  ganze  Oberextremität,  den  Oberschenkel,  den 
Rücken  occupiren,   und  stellen   einmal   derbe,  körnige  und 
knotige,  ein  andermal  weiche,  schwammartig  comprimirbare 
und  rasch  anschwellende,   auch  spontan  bei  abhängiger  Lage 
sich  strotzend  füllende,  bei  Elevation  coUabirende  Tumoren 
von  meist  lappigem  Gefüge  (lappiger  Gefässschwamm  (Roki- 
tansky, Schuh)  vor,  unter  deren  Druck  und  die  Gewebe  verdran- 


Angioine. 


599 


gendem  Wachsthiim  Muskeln  und  Nerven  degeneriren  und  die 
Knochen  atrophisiren.  In  manchen  Tällen  bilden  schmerzliafte 
Neurome  einen  wesentlichen  Antheil  oder  gar  den  Ausgangs- 
punkt (Heckkr,  Czerny)  derselben.  Sie  entwickeln  sich  nicht 
selten  vom  subcutanen  Gewebe  aus,  ausgehend  von  der  Fett- 
läppchenschichte, von  da  erst  allmälig  in  die  Cutis  übergehend, 
und  repräsentiren  die  als  A  n  g  i  o  - E 1  e  p  h  a  n  t  i  a  s  i  s  (VmcHOw), 
Angioma  elephantiaticum  s.  lipomatodes  s.  neuro ti cum 
bekannte  Form  der  Gefässgeschwulst. 

Die  anatomischen  Verhältnisse   der  Angiome  sind  je 
nach  ihrer  besonderen  Form  theils  sehr  einfach,  theils  wieder 
höchst  complicirt  und  haben  im  Verlaufe  der  Jahre  je  nach 
dem  wechselnden  Stande  der  pathologischen  Histologie  sehr 
imterschiedliche  Deutung  erfahren.  Indem  ich  diesbezüglich  auf 
die  bekannten  Arbeiten  von  Rokitansky,  Schuh,  Wedl,  Virchow, 
BiLLEOTH  und  die  Lehrbücher  über  pathologische  Anatomie 
verweise,   will  ich  mich  hier  auf  wenige  Bemerkungen  be- 
schränken.   Die  flachen  und  einfachen  Angiome  haben  ihren 
Sitz  in  der  Papillär-  und  oberen  Ccriumschichte  und  mögen 
vielleicht  je  nach  ihrem  vorwaltenden  Hell-  oder  Dunkelroth  mehr 
arterielle  oder  venöse  Gefässe  in  sich   schliessen.    Bei  den 
grösseren  und  tiefer  greifenden  Angiomen  sind  diese  Gefäss- 
unterschiede  gar  nicht  haltbar.    Ferner  handelt  es  sich  aller- 
dings,  sowohl  in  den  einfachen,  wie  in  den  complicirten  An- 
giomen um  ausgewachsene  alte,  und  neugebildete  Gefässe,  nebst 
mannigfacher  Ausbuchtung,  Schlängelung  derselben  und  Com- 
mnnication  untereinander;  aber  auch  bei  den  einfachsten  findet 
schon  eine  Bindegewebsneubildung  an  imd  um  die  Adven- 
titia  statt.  Diese  bildet  nun  die  wesentlichste  Grundlage  für  die 
histologischen  Complicationen.    Am  geringsten  erscheint  die 
Wucherung  und  das  Auswachsen  der  Gefässe  beim  Naevus 
flammeus.    Eine  weitere  Entwicklung  stellt  jene  Form  dar, 
bei  welcher  primäre  und  secundäre  Ausbuchtungen  und  viel- 
fach durcheinander  sich  schlingende  und  zu  Knäueln  aufgerollte 
Gefässgebilde  entstehen.  Das  kleinlappige  Gefüge  solcher  An- 
giome  entsteht   nach  Bu.lroth's  Darstellung,   indem  die  so 
eigenthümlich  abgegrenzten  Gefässgebiete  der  Schweissdrüsen, 
Haartaschen,  Talgdrüsen  und  Fettläppchen  alle  für  sich  erkrankt 
sind.    Während  in  all'   diesen  die  Gefässknäuel  das  Haupt- 
constituens  ausmachen,  tritt  in  der  lappigen  Gefässgeschwnlst 


600 


Siebeuunddreissigste  Vorlesung. 


ZU  den  enorm  erweiterten  und  vielfach  mit  einander  communi- 
cirenden  Blutgefässen,  deren  Convolut  auf  Durchschnitten  das 
Bild  einer  siebförmigen  Durchlöcherung  des  Grewebes  dax-bietet, 
eine  excessive  Wucherung  von  jungem,  gallertartigem  Binde- 
gewebe ,  ausnahmsweise  auch  von  Neuromen  und  Fettläppchen, 
nach  welchen  Vorkommnissen  hernach  die  Geschwulst  als 
Angioma  elephantiaticum  oder  Elephantiasis  angiomatosa, 
Ang,  lipomatodes,  neuroticum  bezeichnet  wird. 

Der  eigentliche  Tumor  cavernosus  unterscheidet  sich 
von  all'  den  genannten  Gefässgeschwülsten  durch  ein  ihn  all- 
seitig begrenzendes  ,  derbes  Bindegewebsgerüste  ,  welches  dem 
der  Schwellkörper  ähnlich  nach  dem  Inneren  der  Greschwulst 
primäre  und  secundäre  Septa  aussendet,  wodurch  sie  in  viele 
kleinere  und  grössere  Fächer  und  Hohlräume  abgetheilt  wird. 
Die  Räume  führen  Blut  und  stehen  theils  mit  grossen  Gefässen 
des  Tumors ,  theils  mit  solchen  der  Umgebung  in  Communi- 
cation.  Einige  (Rokitansky,  Fleisohl,)  meinen,  dass  der  Tumor 
cavernosus  von  der  "Wandung  alter  Cutisgefässe  auswächst, 
Andere  (Vibchow)  halten  ihn  für  eine  unabhängig  von  den  Ge- 
fässen  entstandene  Geschwulst,  die  erst  nachträglich  mit  jenen 
in  Communication  tritt,  während  Rindfleisch  denselben  auf  eine 
Neubildung  vom  Bindegewebe  zurückführt,  welches,  längs  der  Ge- 
fässe  entstanden,  schrumpft  und  consecutiv  die  letzteren  dilatirt. 

lieber  die  E  n  t  s  t  e  h  u  n  g  s  u  r  s  a  c  h  e  der  Naevi  vasculares 
sind  wir ,  bis  auf  die  wenigen ,  welche  auf  fötale  Zustände 
zurückgeführt  werden  können  (Vibchow),  vollständig  in  Un- 
kenntniss.  Dass  bezüglich  derselben,  wie  der  anderen  Naevi, 
in  früherer  Zeit  dem  „Versehen  der  Schwangeren"  eine  grosse 
RoUe  zugeschrieben  wurde,  ist  bekannt.  Bei  weiblichen  Indi- 
viduen finden  sich  Naevi  vasculosi  häufiger  als  bei  männlichen. 

Die  Gefässmäler  bilden  durch  die  in  ihrer  Gegenwart 
gelegene  Entstellung  und  die  Gefahr  ihres  unbegrenzten  'Wachs- 
thums ein  im  Allgemeinen  ernsteres  Uebel.  Die  turgescirenden 
Naevi  können  überdies  durch  leichte  Verletzbarkeit,  die  umfang- 
reicheren cavernösen  Angiome  durch  lancinirende,  neuralgische 
Schmerzen ,  Complication  mit  Entzündung  und  Gangrän  lästig 
oder  gefährlich  werden.  Letztere  Zufälle  können  aber  auch  Aus- 
eiterung oder  Schrumpfung  und  Verödung  des  Naevus  bewirken. 

In  der  Vorhersage  bezüglich  der  Bedeutung  und  des 
Verlaufes  der  Naevi  ist  grosse  Vorsicht  geboten.  Flache, 


Lymphangioma  tuberosum. 


601 


fleckenartige  Mäler  sind  im  Allgemeinen  günstiger  als  tuberöse 
und  schwellende.  Doch  fehlt  es  an  Merkmalen  darüber,  ob 
ein  Gefässmal  stationär  bleiben  oder  spontan  schwinden  ,  oder 
im  Gegentheil  jene  excessive  Entwicklung  nehmen  werde,  die 
wir  früher  geschildei"t  haben.  Da  aber  die  ersteren  Möglich- 
keiten innerhalb  der  ersten  Lebensmonate  und  Jahre  immerhin 
vorliegen,  so  ist  die  Beobachtung  des  Verlaufes  für  die  Prognose 
imd  das  Verhalten  in  therapeutischer  Rücksicht  massgebend. 
Bei  stationär  scheinenden  Naevis  kann  man  ruhig  zuwarten, 
liei  unverkennbar  um  sich  greifenden  soll  man  möglichst  früh 
denselben  entgegentreten. 

Die  Mittel  und  Wege  der  Therapie  müssen  dem  Grade 
und  Umfange  des  Angioma  entsprechend  gewählt  werden. 
Telangiektasien  werden  in  der  "Weise  zerstört,  wie  dies  bei 
Acne  rosacea  (vid.  pag.  467)  ausführlich  besprochen  wurde. 
Flache  Feuermäler ,  sowie  warzige  und  pigmentirte  und  kleine 
Gefässtumoren  können  überdies  mittels  scharfen  Löffels  aus- 
gekratzt werden.  Andere  Heilverfahren  gegen  turgescirende 
Angiome  bezwecken  die  allmälige  oder  rasche  Coagulation  des 
Gefässinhaltes  und  consecutive  Verödung  der  Gefässe,  als  ört- 
liche Compression  und  Kälteapplication,  Unterbindung  einzelner 
grösserer  zuführender  Gefässe,  Einspritzung  von  Ferrum  sesqui- 
chloretum,  Manganchlorür,  Cantharidin  und  Aehnlichen,  (doch 
kommt  es  da  zuweilen  zu  brandiger  Verschorfung ,  auch  tödt- 
lieherPyämie) ;  ferners  Galvano-Acupunctur.  Durch  Erregung  von 
Entzündung  verschrumpfend,  oder  durch  Eiterung  oder  Aetzung 
zerstörend,  empfehlen  sich  für  kleinere  Naevi  fungosi  die  Ein- 
impfung von  Vaccine-Lymphe  —  ein  Eingriff,  der  oft  vom 
besten  Erfolg  gekrönt  ist ;  Aetzung  mittels  Kali  und  andere 
Caustica,  unter  denen  rauchende  Salpetersäure  sich  am  besten 
bewährt ;  das  Auflegen  eines  Brechweinsteinpflasters  (Tart. 
stibiati  0,75,  Empl.  adhaesivi  5,  Keieg  ,  Zeissl),  Sublimat- 
Collodium  u.  v.  A. ;  endlich  noch  die  Elimination  mittels  Ab- 
binden bei  gestielten  Geschwülsten,  Umstechen  und  Abbinden 
mittels  elastischer  Ligatur  (Dittel)  und  Excision,  bei  grossen 
Tumoren  der  Extremitäten  Amputation  der  letzteren. 

Lymphangioma  tuberosum  multiplex 

sei  als  ein  von  uns  nur  einmal  gesehenes  Gebilde  hier  erwähnt, 
welches  sich  in  Gestalt  von  vielen  Hundert  linsengrossen  und 


QQ2  Siebeuunddreissigste  Vorlesung. 

kleineren,  tlieils  rundliclien  ,  tlieils  länglichen,  nicht  juckenden, 
braunrothen,  massig  derben,  in  der  Cutis  selbst  sitzenden  und 
nur  mit  dieser  verschiebbaren  Knötchen  von  glatter  Ober- 
fläche über  Stamm  und  Halsgegend  einer  32jährigen  Frau  vor- 
fand, bei  derselben  seit  Kindheit  bestanden  hatte  und  erst  in 
der  letzten  Zeit  sich  vermehrt  haben  soll. 

Die  grösste  Aehnlichkeit  hatte  die  Formation  mit  syphi- 
litischen Papeln,  jedoch  war  nirgends  eine  Erscheinung  von 
Rückbüdung,  Schuppung  oder  Depression  wahrzunehmen. 

Ein  solches  Knötchen ,  das  ich  excindirt  hatte ,  zeigte  auf 
dem  Durchschnitte  unter  dem  Mikroskope  zahlreiche  runde  und 
rundliche  Löcher  und  längliche  scharfbegrenzte  Spalten  (Fig.  .^j3,  I), 
welche  bei  stärkerer  Vergrösserung  (Fig.  P>?>,  II)  sich  als  mit 


Fig.  33. 


..a 


.6 


Senkrecliter  Durclisclinitt  durch  ein  liuöt- 
clien  des  Lympliaugioma  tuberös. 

a  Epidermis  und  PapillarscWcbte,  b  Cutis 
(siebförmig  durchlbchert). 


Eine  Partie  desselben  aus  dem  Corium- 

antlieil  bei  starker  Vergrössei-ung. 
a  längs-,  a'  schief-,  !)  quergetrolTeiies  Lymph- 
gefäsIcUen  mit  kernbaltiger  yerdick  e  ■  Wan- 
duDg  Tind  scliöner/Endotliel-Bekleidung. 


Endothel  ausgekleidete  und  in  ihrer  Wandung  verdickte,  enorm 
erweiterte,  feinste  Lymphgefässe  zu  erkennen  gaben;  daher 
der  von  Hebra,  Biesiadecki  und  mir  gewählte  Namen  Lymp  i- 
angioma  (multiplex  tuberosum).  Unterschiede  von  d^^^^^^^^ 
cavernöse  Lymphgeschwülste  von  manchen  Autoren  (Br^i^HO  h) 
beschrieben.!  Formen  (Makrochilie),  bet  -eichen  d.e  neoplasü- 
schen  und  dilatirten  Lymphgefässe  vom  subcutanen  Gewebe 
aus  in  die  Cutis  hinüberwucherten,  occupiren  dieselben  in 
unserem  Falle  die  obere  Cutis  allein. 


Aclitunddreissigste  Vorlesung. 


Rhinosclerom.    Lupus  erythematosus. 

Rhinoscleroma, 

Dies  der  Name  einer  von  Hebra  nnd  mir  im  Jahre  1870 
zuerst  beschriebenen  und  seitdem  in  einer  grösseren  Anzahl 
Fällen  von  uns,  und  zum  Theil  auch  von  Anderen  beobachteten 
Neubildung,  welche  wegen  ihrer  destructiven  Tendenz  von 
grosser  praktischer  Wichtigheit  ist. 

Wie  der  Name  schon  besagt,  betrilft  das  Grebilde  regel- 
mässig die  Nase  und  deren  nächste  Umgebung,  nebstdem  die 
nachbarliche  Schleimhaut.  Dasselbe  erscheint  in  Gestalt  von 
flachen  oder  etwas  erhabenen,  scharf  begrenzten,  isolirten  oder 
untereinander  verschmolzenen,  gegen  Druck  schmerzhaften  und 
dabei  sehr  harten  und  elastischen  Platten,  Wülsten  oder 
Knoten  der  Haut  oder  der  Schleimhaut,  und  zwar  der  Nasen- 
scheidewand, der  Nasenflügel  und  der  angrenzenden  Partie 
der  Oberlippe ;  vom  freien  Rande  einzelner  solcher  Platten  her 
kann  man  mit  dem  Finger  unter  dieselben  fahren  und  sie  von 
der  Unterlage  abheben.  Der  Cutis  sind  sie  vollständig  in- 
filtrirt  und  daher  nur  mit  dieser  selbst  beweglich. 

Ihre  Oberfläche  zeigt  entweder  normale  Hautfarbe  oder 
ist  heU-  bis  dunkelbraunroth ,  von  einzelnen  Gefässen  durch- 
zogen, glänzend,  haar-  und  follikellos,  wie  ein  Keloid  oder 
eine  hypertrophische  Narbe,  mit  glatter  oder  fein  runzeliger 
Epidermisdecke,  da  und  dort  eingerissen.  Die  umgebende  Haut 
zeigt  nicht  die  geringsten  anomalen  Erscheinungen,  speciell  nicht 
Entzündung,  Schwellung,  Oedem  etc. 


604 


Achtunddreissigste  Vorlesung. 


Die  Entwicklung  beginnt  regelmässig  entweder  an  einem 
Nasenflügel  oder  an  der  Nasenscbeidewand.  Zunächst  entstellt 
oline  alle  begleitende  Entzündungsersclieinungen  Verdickung  und 
Härte  des  Septum  cutaneum  oder  eines  oder  beider  Nasen- 
flügel.   Nach  Monaten  erscheinen  die  Nasenflügel  wie  nach 
aussen  getrieben,  so  dass  der  Nasencontour  wie  bei  einer  Stumpf- 
nase breit  gequetscht  erscheint.  Greift  man  an,  so  bekommt  man 
die  Empfindung,  als  wenn  die  häutigen  Nasengebilde  in  Gyps 
gegossen  wären,  so  starr  und  unbeweglich  sind  sie,  und  es 
gelingt  nicht  sie  durch  Druck  an  einander  zu  bringen.  Durch 
fortschreitende  Verdickung   wachsen  die  Gebilde   auch  nach 
innen  und  aufeinander  zu,  so  dass  der  Naseneingang  verengt 
und  endlich  vollständig  verlegt  wird.    In  der  Regel  schreitet 
inzwischen  die  harte  Infiltration  mit  scharfem  Rande  auf  die 
Oberlippe  oder  um  die  Mundspalte  ringsum  (Billroth's  Eall) 
vor,  die  letzte  bis  auf's  höchste  verengend;  später  auch  auf's 
Zahnfleisch  und  den  Zahnfächer,  ohne  in  diesen  selbst  einzu- 
dringen.  Noch  häufiger  setzt  sich  dieselbe  nach  hinten  längs 
der  Nasenhöhle  auf  die  Choanen,    den  Nasengang  ganz  ver- 
legend ,  und  auf  das  Velum  fort.  Nur  einmal  sahen  wir  auch 
gleichzeitig  mit  einer  Auftreibung  über  dem  linken  Scheitel- 
wandbein die  Wangenpartie   über  dem  Oberkiefer  zu  harten 
Wülsten  aufgetrieben ,    so  dass  der  Nasenrücken  im  Vergleich 
zu  diesen  wie  eingequetscht  erschien. 

Während  eines  solchen  auf  viele  J ahre  sich  erstreckenden 
Verlaufes  kommt  es  niemals  zu  Ulceration  oder  zu  irgend 
einer  der  retrograden  Metamorphose  von  Neubildungen  ange- 
hörigen  Veränderung,  höchstens  stellenweise  zu  flacher  Excorm- 
tion,  sehr  selten  zu  weicherer  Consistenz.  Wird  ein  Stück 
herausgeschnitten,  wobei  man  sich  wundern  muss ,  mit  welcher 
Leichtigkeit  das  Messer  in  die  so  starre  Masse  eindringt,  so 
kommt  es  auch  nicht  zur  Eiterung  oder  zum  Zerfall  der  zurück- 
gebliebenen Partie,  sondern  die  wunde  Fläche  bedeckt  sich  als- 
bald mit  einer  dünnen  Kruste  und  überhätitet  in  kurzer  Zeit. 
Dagegen  regenerirt  sich  das  Gebüde  sehr  rasch  wieder  an  der 
Stelle,  wo  es  zum  Theil  entfernt  worden,  meist  auch  wo  es 
gänzlich  exstirpirt  worden  war. 

Auf  die  Schleimhaut  der  Mundhöhle,  des  Zahnfleisches, 
des  harten  Gaumens  überwuchert  das  Gebilde  in  der  Regel 
erst  in  späterer  Zeit.    Das  Zahnfleisch  erscheint  wiüstig  auf- 


Eliiuosclerom. 


605 


o-etrieben ,  wobei  die  Zähne  gelockert  werden  und  ausfallen 
und  die  Zahnfticlier  atrophisiren.  Im  Bereiche  des  Velum,  der 
Umrandung  der  Choanen ,  der  Gaumenbögen  erscheint  dasselbe 
jedoch  schon  frühzeitig,  ja  manchmal  sogar  primär,  ohne 
oder  vor  Erkrankung  der  häutigen  Nase. 

Der  Graiiraenbogen  präsentirt  sich  als  ein  narbig  glänzen- 
der, anfangs  noch  schleimhautähnlich  gefärbter,  später  weiss- 
lich  schimmernder,  fast  starrer  Strang,  der  im  Laufe  der  Zeit 
bis  zum  vollständigen  Verschwinden  des  Gaumensegels,  unter 
den  abenteuerlichsten,  wie  so  oft  nur  bei  Syphilis  zu  beobach- 
tenden Gestaltungen  und  Verwachsungen  mit  der  hinteren 
Rachenwand  verschrumpft.  Es  kommt  dabei  auch  zu  linsen- 
bis  pfenniggrossen  ,  aber  jederzeit  flachen  Erosionen  des  Velum, 
die  wie  syphilitische  Geschwüre  sich  ansehen,  aber  nicht  schmerz- 
haft sind,  keinen  Entzündungs-  und  Infiltrationsdamm  zeigen 
und  nie  zu  tiefen  Geschwüren  sich  umwandeln.  Wieso  es  dennoch 
manchmal  auch  zur  Durchlöcherung  des  Gaumensegels  kommt, 
vermag  ich  heute  noch  nicht  anzugeben. 

Einigemal  haben  wir  auch  die  Ausbreitung  des  Processes 
auf  die  Epiglottis  und  die  Schleimhaut  des  Kehlkopfes  be- 
obachtet mit  Fixirung  der  starren  Epiglottis,  Stenosis  Glottidis, 
einmal  mit  Aphonie,  öfteren  Suifocationserscheinungen  und  epi- 
leptoiden  Anfällen. 

An  s  u  b  j  e  c  t  i  V  e  n  Erscheinungen  ist,  abgesehen  von  der 
Entstellung  im  Gesichte ,  der  Schmerzhaftigkeit  bei  Druck  und 
der  durch  den  Verschluss  des  Naseneinganges  veranlassten 
ausserordentlichen  Behinderung  des  Athmens ,  den  Functions- 
behinderungen  in  Folge  von  Verengerung  der  Mundspalte,  des 
Kehlkopfeingauges,  nichts  zu  bemerken.  Auf  das  Allgemein- 
befinden hat  die  AfPection  während  eines  jahrelangen  Be- 
standes offenbar  keinen  Einfluss.  Als  durcli  Verlegung  des 
Thränen-Nasenganges  bedingte  Complication  tritt  zuweilen 
Dakryocystitis  auf. 

In  diagnostischer  Beziehung  ist  zu  erwähnen,  dass 
das  Rhinosclerom,  wie  früher  immer ,  so  auch  jetzt  noch,  wegen 
der  Localisation  an  den  Nasengebilden,  sehr  oft  mit  syphiliti- 
schem Gumma  verwechselt  wird.  Die  geschilderten  Verände- 
rungen im  Bereiche  der  Rachen  -  Gaumenschleimhaut  können 
einen  solchen  Irrthum  nur  unterstützen. 

Wenn  man  die  ausserordentliche  Härte   des  Gebildes, 


606 


Achtunddreissigste  Vorlesung. 


welclie  Hebra  niclit  unrecht  mit  der  des  Elfenbeins  verglichen 
hat,  berücksichtigt,  weiters  das  vollständige  Ausbleiben  von 
Erweichung  und  Ulceration ,  die  typische  Localisation  und  Ver- 
laufsweise, die  Indifferenz  gegen  Insulte,  Excision,  und  jede 
Art  von  antisyphüitischer ,  örtlicher  oder  allgemeiner  Medi- 
cation,  so  muss  Jedem  die  Eigenart  des  Gebildes  und  dessen 
Differenz  von  Syphilis  zur  Ueberzeugung  werden. 

Viel  leichter  möchte  ich  eine  Verwechslung  einzelner 
Formen  von  Rhinosclerom  mitKeloid,  oder  Rhinophyma,  oder 
dem  knotigen  (infiltrirten)  Epitheliom  für  möglich  halten ;  dies 
alles  selbstverständlich  nur  bei  einer  beschränkten  Entwicklung 
des  Rhinosclerom.  Sobald  dasselbe  in  der  früher  geschilderten 
grösseren  Ausdehnung  sich  präsentirt,  ist  der  Charakter  in 
grösster  Deutlichkeit  ausgeprägt. 

Anatomisch  habe  ich  zuerst  ^■ 
eine  kleinzellige,  dichte  Infiltration  des  "g'^'  " 
Coriums  und  der  Papillen  als  wesent-  l  ^ 
Hohes   Constituens   des  Rhinosclerom  „; 
demonstrirt  und  gemeint,  dass  dasselbe  j  ^ 

am  nächsten  dem  kleinzelligen  Sarcom  -^^fel.' 
zu  stellen  wäre.   Gebee  und  nach  ihm 
Mikulicz  haben  den  gleichen  anatomi- 
schen Befund  als  eine  chronische  Ent- 
zündung gedeutet,  indem  sie  fanden, 
dass  in   vorgeschrittenen  Fällen   ein  4äti 
Theil  der  Rundzellen  sich  in  Spindel-  SenlirecMer  Dui-chschuitt  des 
Zellen  und  Bindegewebe    umwandelt,  g^S|^--,irseuF^^^ 
welches  später  schrumpft,  während  ein  Stadium, 
anderer  Theil  der  Rundzellen  zur  Re-  »Ep^^Ss,  .Re^^^^ 
Sorption  kommt.  Auch  Billroth,  der  in  |™liif  irrnndtonVIn^ 
einer  geschrumpften  Partie  des  Ge-     gen  Gelassen  durchsetzt, 
webes  auf  neu  gebildeten  wahren  Knochen  traf,   ist  dieser 
Ansicht.    Ich  ziehe  es  vor,  das  Rhinosclerom,  da  es  unter 
dem  klinischen  Bilde  und   nach   der   unbegrenzten   und  die 
Gewebe  consumirenden  Wachsthumtendenz  der  Neubildungen 
verläuft,   als  solche  anzusehen,  und  möchte  immerhin  es  den 
Sarcomen  anreihen,  welche  manchmal  zu  Bindegewebsorgani- 
sation  und  selbst  Verknöcherung  gelangen  und  im  besonderen 
Typus  auch  an  speciellen  Körperstellen  vorzukommen  pflegen 

(RiNDFLErSCH), 


h 


Rhiuoaclei'oiH. 


607 


lieber  die  Ursache  dieser  merkwürdigen  Erkrankung 
kann  icli  nur  so  viel  angeben ,  dass  dieselbe  niclit  Constitutionen 
zu  sein  scheint.    Mehrere  Collegen  haben  in  einer  mündlichen 
Discussion ,  MncuLicz  auch  in  seiner  Publication  die  Meinung- 
ausgesprochen  ,    dass    dieselbe   vielleicht   mit  Syphilis ,  etwa 
mit  hereditärer  zusammenhänge.     Ich  habe   nicht   den  ge- 
ringsten Anhaltspunkt  für  eine  solche  Annahme ,  weder  in  der 
Entwicklung  und  dem  Verlaufe  des  Processes ,  noch  in  den 
individuellen  Verhältnissen  der  betroffenen  Kranken,  und  einen 
sehr  triftigen  Gegengrund  noch  in  dem  von  allen  Seiten  be- 
stätigten Umstände  ,  dass  das  Rhinosclerom  weder  auf  örtliche, 
.  noch  allgemein  antisyphilitische  Behandlung  im  allergeringsten 
sich  verändert.    Ich  habe  bis  jetzt  dasselbe  vielleicht  etwa  in 
25  Fällen  gesehen,  so  ziemlich  gleich  bei  Männern  iind  Frauen 
in  dem  mittleren  Lebensalter  zwischen  15  und  40  Jahren,  bei 
Personen   der   verschiedensten  Stände,   vorwiegend  aus  den 
hiesigen  Landen ,  und  bei  welchen  sonst  keinerlei  specifische 
Dyscrasie,  Scrophulose,    Tuberculose  u.  s.  w.  nachzuweisen 
war.    Auch  ist  das  Gresammtbefinden  während  des  Bestandes 
des  Uebels  nicht  im  mindesten  alterirt  gewesen. 

Die  Prognose  dieses  Neugebildes  ist  ungünstig,  da 
dasselbe  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  imbegrenzt  wächst, 
selbst  nach  wiederholter  Exstirpation  recidivirt,  und  wenn 
auch  nicht  Marasmus  erzeugt ,  so  doch  durch  die  erwähnten  Func- 
tionsstörnngen  und  SulFocationsanfälle  das  Leben  gefährdet. 

Eine  znr  Heilung  führende  Behandlungsmethode  ist  bis 
jetzt  für  Rhinosclerom  nicht  gefunden.  SpecieU  hat  sich  jedwede 
örtKche  und  allgemeine  antisyphilitische  Therapie  als  ganz 
unwirksam  dagegen  erwiesen. 

Das  Einzige,  was  bei  dieser  Krankheit  geleistet  werden 
kann ,  ist  die  Exstirpation  eines  Theiles  oder  des  ganzen  Ge- 
bildes, namentlich  dort,  wo  dasselbe  functionsbehindernd  ge- 
worden ist.  Man  wird  demnach  bei  Beengung  des  Naseneinganges 
zunächst  durch  Einführen  von  Darmsaiten ,  Laminaria  ,^  Press- 
schwamm eine  Erweiterung  zu  bewirken  versuchen ,  bei  etwas 
höher  gediehenen  FäUen  nach  Bedarf  ganze  Stücke  ausschneiden 
oder  mit  Kali  causticum  herausätzen,  Verfahrungsweisen ,  die 
von  Zeit  zu  Zeit  zu  wiederholen  sind,  da  das  Gebilde  rasch 
nachwächst. 


608 


Achtunddreissigste  Vorlesung. 


Lupus  erythematosus, 

eine  nacli  Cazenave  (1851)  so  genannte  Erkrankungsform ,  ist 
schon  vor  diesem  Autor  von  Hebka  (1 845)  als  „Seborrhoea  con- 
gestiva"  vorgeführt  worden.  Wahrscheinlich  haben  auch  Biett 
unter  „Erytheme  centrifuge"  oder  „Lupus  qui  detruit  en  surface" 
(1828),  Thomson-Parkes  (1850)  tinter  „Lupus  superficialis"  den- 
selben Process  verstanden. 

Die  durch  Cazenave  und  Hebra  zu  einem  schier  ab- 
geschlossenen Bilde  gestaltete  Symptomatologie  nach  manchen 
wichtigen  Richtungen  zu  erweitern,  haben  mich  neuerliche 
Erfahrungen  vermocht  (1869,  1872),  während  in  einer  Reihe 
histologischer  Untersuchungen  (von  Neumann,  Geddings,  Geber, 
mir,  Stroganow,  Thin,  Jamieson  u.  A.)  der  innere  Vorgang  der 
Erkrankung  einigermassen  aufgehellt  worden  ist. 

Den  Beginn  des  Processes  charakterisirten  jederzeit  ein 
oder  mehrere  Stecknadelkopf-  bis  linsengrosse ,  rothe ,  etwaig 
erhabene  Flecken,  deren  jeder  einzelne  im  Centrum  dellig  ver- 
tieft, oder  narbig  glänzend,  oder  mit  einem  dünnen,  festhaf- 
tenden Schüppchen  versehen  ist.  Das  centrale  Schüppchen  mit 
dem  rothen  erhabenen  Saum  gibt  ein  charakteristisches  Bild 
und  stellt  eine  Art  P  r  i  m  ä  r  e  f  f  1  o  r  e  s  c  e  n  z  des  Lupu;^ 
erythematosus  dar. 

Aus  diesen  geht  nun  eine  z  weif  ache  Eorm  der  Krank- 
heit hervor. 

1.  L.  erythem.  discoides.  Diese  entwickelt  sich  im  Ver- 
laufe von  vielen  Monaten,  1—2  Jahren  zur  charakteristischen 
Scheibenform  dadurch,  dass  der  rothe  erhabene  Rand 
peripher  fortschreitet,  während  vom  Centrum  aus  die  Haut 
deprimirt,  narbig  glänzend  oder  mit  festhaftenden  trockenen 
Schüppchen  bedeckt  erscheint.  Der  Rand  pflegt  da  noch  über- 
dies mit  zahlreichen  schwarzen  Comedonenpunkten,  oder  mit 
grossen,  klaffenden  Drüsenmündungen  besetzt  zu  sein. 

Es  entstehen  so  linsen-,  pfennig-,  thaler-  bis  flachhand- 
grosse  Scheiben.  In  dieser  Eorm  treffen  wir  den  Lupus 
erythematosus  zumeist  auf  den  "Wangen  und  dem  Nasenrücken, 
in  welcher  Combination  das  Bild  dem  eines  Schmetterlings 
gleicht  (Hebra),  ausserdem  an  der  Nasenspitze,  an  den  Nasen- 
flügeln, den  Augenlidern,  Ohrmuschebi,  den  Lippen  und  dem 
Lippenroth,  dem  behaarten  Kopf,  hier  auch  jedesmal  mit  Haar- 


Lupus  erythematosus. 


609 


Verlust  in  ihrem  Bereiche,  auch  an  der  Beugefläche  der  Pinger 
und  Zehen,  sowie  an  allen  Stellen  des  Gesichtes.  Die  Scheiben 
sind  unregelmässig  angeordnet,  discret,  oder  combiniren  sich  auch 
zu  Kreisbögen  und  serpiginösen  Linien. 

Jede  einzelne  Scheibe  vergrössert  sich  bis  zu  einem  ge- 
wissen Umfang,  persistirt  hernach  ziemlich  unverändert  durch 
viele  Monate  oder  Jahre  und  verschwindet  sodann  durch  Ab- 
blassen und  Abflachen  des  Randes ;  nur  dass  die  dünne  Narbe 
der  Area  selbstverständlich  nicht  ausgeglichen  werden  kann. 
Inzwischen  tritt  an  einer  nachbarlichen  Stelle  eine  neue  Lupus- 
scheibe aiTf ,  und  so  kann  der  Process  durch  die  lange  Verlaufs- 
dauer sowohl  der  einzelnen  Scheiben,  als  das  Auftauchen 
frischer,  viele,  15 — 20  Jahre  persistiren.  Mit  Ausnahme 
selten  vorkommender  Complicationen ,  mit  Adenitis  submaxil- 
laris,  Parotisschwellung  und  noch  seltener  mit  Erysipel,  befinden 
sich  die  Kranken  während  der  Zeit  im  Allgemeinen  wohl  und 
besteht  die  nachtheilige  Wirkung  der  Krankheit  blos  in  der 
Entstellung,  sowie  in  dem  bleibenden  Haarverlust  im  Bereiche 
des  Bartes  und  des  behaarten  Kopfes. 

2.  Lupus  erythematosus  disseminatus  s.  aggrega- 
tus  geht  ebenfalls  aus  den  erwähnten  Primärefflorescenzen 
hervor,  indem  die  früher  geschilderten  und  charakteristischen 
Primärefflorescenzen  von  vornherein  in  grösserer  Anzahl  im 
Bereiche  des  Gesichtes,  der  Wangen  und  auch  an  anderen 
Orten  auftreten  und  eine  Ausbreitung  der  Erkrankung  nur 
durch  Vermehrung  dieser  Efflorescenzen ,  nicht  durch  Ver- 
grösserung  der  einzelnen  stattfindet.  Es  bilden  sich  einzelne 
Flecke  manchmal  ziemlich  rasch  zurück ,  während  andere, 
ohne  an  Umfang  zuzunehmen,  monatelang  persistiren  können. 
Unterdess  tauchen  erneuert  viele  solche  und  in  unregelmässiger 
Anordnung  auf  und  besetzen  sie  auf  diese  Weise  sehr  aus- 
gedehnte Hautflächen. 

In  dieser  Gestalt  findet  sich  die  Eruption  nicht  mir  im 
Bereiche  des  Gesichtes,  des  behaarten  Kopfes,  der  Lippen, 
Ohrmuscheln,  des  Gehörganges ,  sondern  dicht  gesäet  auch  am 
Stamme,  an  den  oberen  Extremitäten,  den  Fingern  an 
Flachhand  und  Handrücken ,  den  Zehen ,  in  seltenen  FäUen 
beinahe  universell.  Eine  solche  Ausbreitung  gewinnt  der 
Process  lentweder  allmälig  und  unvermerkt,  zuweilen  aber 
unter  einer    acuten    fieberhaften  Eruption,  welche 

K  aj)  osi ,  Hantkrankheiten.  39 


^jlQ  Aclitunddroissigste  Vorlesung. 

mit  näclitlichen  bohrenden  Knockensclimerzen ,   mit  Schmerzen 
imd    Exsudation    in    die    Gelenke    und    nächtlichen  Kopf- 
schmerzen verbunden  ist.   In  einer  Reihe  von  Fällen  haben 
wir   erysipelartige  intensive  Schwellung  des  Gesichtes 
gesehen,  welche  jedoch  nicht  über  diesen  Bereich  hinaus  sich 
ausgebreitet  hat  und  daher  von  mir  als  „Ery sipelas  perstans 
faciei"  bezeichnet  wurde,  mit  gleichzeitigem  typhusähnlichen  Zu- 
stande, über  40"  Temperatur,  Coma,  Sopor,  lederartig  trockener 
Zunge  und  bei  der  Hälfte  der  so  beobachteten  Fälle  mit  letalem 
Ausgang. 

Gleichzeitig  haben  wir  mehrere  Male  an  fielen  Punkten 
der  Haut  viele  hundert  hämorrhagische  oder  wasserhelle,  flache 
Bläschen  gesehen,  wie  bei  Herpes  Iris,  welche  alsbald  zu 
Krusten  vertrockneten  und  nach  Abfallen  der  letzteren  charak- 
teristische,  im  Centrum  deprimirte,  Lupus  erythematosus- 
Efflorescenzen  hinterliessen. 

Solche  acute  Eruptionen  sind  also  eine  Eigenthümlichkeit 
der  disseminirten  Form  des  L.  erythematosus.  Nur  selten 
gesellt  sich  eine  solche  auch  zu  einer  bestehenden  Scheiben- 
form. Aber  dann  erfolgt  dieselbe  ebenfalls  in  Gestalt  der 
disseminirten  Flecke. 

Beide  Formen  kommen  demnach  häufig  gemischt  vor,  ent- 
weder von  vorneherein  oder  im  späteren  Verlaufe. 

Die  Schleimhaut  des  harten  Gaumens  und  der  Wangen 
habe  ich  in  drei  Fällen  von  L.  erythematosus  des  Gesichtes 
von  einer  analogen  Veränderung  betroffen  gesehen :  in  grösseren 
Plaques  von  punkt-  und  linsengrossen,  seichten,  rothen  oder 
grau  belegten  Excoriationen  und  bläulich-weissen  Xarbenflecken 
besetzt,  —  eine  Affection,  die  sich  ebenso  hartnäckig  erwies, 
wie  die  an  der  Haut. 

Der  Verlauf  des  Lupus  erythematosiv?  ist  unter  allen 
Umständen  ein  äusserst  schleppender,  indem  sowohl  die  einzelnen 
Flecke  und  Scheiben  viele  Monate  und  Jahre  bestehen,  als  auch 
-die  Krankheit  als  solche  10-15-20  Jahre  hindurch  sich  zu 

■erhalten  pflegt. 

Der   Ausgang  ist   demnach   örtlich   immer  narbige 
Veränderung  der  Haut,  so  dass  z.  B.  auch  nach  L  erytli 
dissemmatus  das  Gesicht  wie  mit  Blatternarben  besäet  das 
Oapillitium  an  vielen  Stellen  der  Haare  verlustig  sein  kann, 
wogegen  auch  viele  Flecke  spurlos  verschwinden. 


Lupus  erythematosus. 


611 


Die  Prognose  kann  insoferne  günstig  genannt  werden, 
als  Lixpus  erythematosus  das  Leben  nicht  direct  bedroht  und 
der  Organismus  in  den  meisten  Fällen  gar  nicht  weiter  in 
Mitleidenschaft  gezogen  wird.  Dies  gilt  namentlich  für  die 
Scheibenform.  Dagegen  ist  bei  der  disseminirten  Form,  und 
namentlich  wegen  der  möglichen  acuten  und  universellen  Aus- 
brüche ,  speciell  der  sie  begleitenden  Grehirnerscheinungen, 
Erysipelas  perstans  faciei ,  die  Prognose  weniger  günstig,  ja 
zweifelhaft,  da  wir  von  8  der  letzt  gearteten  Fälle  4  (unter 
Pneumonie)  letal  endigen  sahen. 

Auch  die  Hautalfection  als  solche  ist  in  der  disseminirten 
Form  zur  Behandlung  weniger  günstig,  weil  der  Krankheits- 
stellen  sehr  viele  gleichzeitig  vorhanden  sind  und  in  ganz 
unberechenbarer  Weise,  bald  da  bald  dort ,  neue  und  in  beträcht- 
licher Menge  auftreten  können. 

Mit  Rücksicht  auf  den  allgemeinen  Verlauf  und  die  in 
der  Regel  beschränktere  Localisation  ist  die  Scheibenform  die 
günstigere ,  wogegen  die  örtliche  Veränderung  der  Haut  durch 
die  narbige  Schrumpfung  bei  derselben  in  der  Regel  intensiver 
ausfällt.  Auch  das  Zurückbleiben  vieler  Telangiektasien  in  und 
um  die  Narben  bildet  eine  nachtheilige  Consequenz  des  Lupus 
erythematosus  beider  Formen. 

Die  anatomischen  Untersuchungen  von  Nedmann, 
GrEDDiNGS,  Geber,  TfflN,  Steoganow,  mir,  haben  ergeben,  dass  dem 
Lupus  erythematosus  eine  zu  D  egen  er  ation  und  Atrophie 
führendeEntzündung  der  Cutis  zu  Grunde  liegt,  so  dass 
der  Process  nicht  wegen  seiner  inneren  Bedeutung,  sondern 
nur  aus  praktischer  Connivenz  dem  Lupus  angereiht  wird. 
Dabei  hat  sich  als  unzweifelhaft  herausgestellt,  dass  nicht, 
wie  ursprünglich  geglaubt  wurde,  nur  die  Talgdrüsen  und 
deren  Umgebung,  sondern  auch  die  Schweissdrüsen  (ich,  Thix, 
s.  Fig.  8,  ab)  und  alle  Gebilde  und  Schichten  der  Haut  (Geber, 
Steogäxow)  bis  in's  Unterhautzellengewebe  Ausgangspunkt 
und  überhaupt  Sitz  der  Erkrankung  sein  können. 

So  beginnt  einmal  der  Process  in  den  oberen  Schichten 
und  im  Bereiche  der  die  Talgdrüsen  tind  ihren  Ausführungs- 
gang umspinnenden  Blutgefässe  (rothe,  erhabene  Flecke),  em 
andermal  in  der  Tiefe,  im  Gebiete  des  den  Schweissdrüsen 
(wie  bei  L.  eryth.  der  Flachhand)  und  Fettläppchen  ange- 
hörigen  Gefässnetzes   (derbe ,   ödematöse  Knoten)  und  breitet 

39* 


612 


Achtunddreissigste  Vorlesung. 


sich  die  Erkrankung  allmälig  auf  alle   Hautschichten  und 
Gebilde  aus. 

In  friscten  Herden  finden  sich  um  die  Hautfollikel  und 
Drüsen  Zellenanhäufungen,  neben  den  histologischen  Symiitomen 
der  Entzündung :  Ausdehnung  der  Gefässe ,  Wucherung  ihrer 
Wandelemente,   Oedem,  Zelleninfiltration  des  Bindegewebes, 
Proliferation  der  Bindegewebskörperchen  und  der  Infiltrations- 
zellen,  u.  zw.  entweder  in  der  Tiefe  des  Coriums  (Knoten), 
oder  in  den  oberflächlichen  Schichten  (rothe  Flecke)  als  deren 
Effect  sofort  Proliferation  der  DrüsenzeUen  (Seborrhoe),  Derb- 
heit, Schwellung  der  Haut,  Schuppung  der  Epidermis  sich 
bemerkbar  macht;   bei   acuter   Steigerung   der  Entzündung, 
Exsudation  von  Serum  und  blathaltigem  Fluidum  zwischen  die 
Schichten  der  Epidermis  (Blasenbildung)   und  Blutaustritt  in 
das  Corium  und  den  PapiUarkörper  (Hämorrhagie).    Oft  und 
an  vielen  Stellen  tritt  von  diesem  Stadium  Rückbildung  ein, 
Nachlass  der  Entzündungserscheinungen  und  Resorption  des 
Infiltrates,  wodann  die  Flecke  spurlos  schwinden.  In  der  Regel 
jedoch  kommt  es  bald  unter  Andauer  der  Entzündung  zu  de- 
generativer Veränderung  der  Gewebe.  Daher  findet  man  sehr 
bald  in  aUen  Herden  neben  geringen  Anläufen  zu  Granulations- 
gewebe (Gebee)  alsbald  fettkörnige  Trübung  des  Rete  ,  sowie 
der  EntzündungszeUen  vind  des  infiltrirten  Bindegewebes,  deren 
Folge  Resorption  und  Schrumpfung  ist.    Dieselben  Metamor- 
phosen der  Drüsenelemente  und  des  sie  umgebenden  Binde- 
gewebes führen  Verödung  der  Haarfollikel ,  der  Talg-  und 
Schweissdrüsen,  der  Fettzellen  herbei ;  neben  Schrumpfung  der 
einzelnen  Blutgefässe  bleiben  andere  ektatisch  zurück.  Damit 
wären  wir  bei  dem  Endresultat  des  Processes,  der  vollständigen 
narbigen  Atrophie  der  ergrifi'enen  Hautstelle  angelangt. 

Die  Diagnose  des  Lupus  erythematosus,  im  Ganzen 
durch  das  charakteristische  Gepräge  desselben  ziemlich  gesichert, 
kann  doch  manchen  Schwierigkeiten  begegnen.  Der  scheiben- 
förmige kann  mit  Herpes  tonsurans,  oder  mit  orbiculärem 
Syphilid  verwechselt  werden.  Gegenüber  dem  ersteren  ist  die 
narbige  Schrumpfung  im  Centrum  der  Scheibe  ein  sicheres  unter- 
scheidendes Merkmal ;  gegenüber  dem  letzteren  die  Erscheinung, 
dass  die  Randpartie  die  Symptome  der  Entzündung  (unter  dem 
Fingerdrucke  erblassende  Röthe  und  ödematöse  Infiltration) 
nachweist,  während  bei  Syphüis  sich  eine  harte,  glänzende 


Lupus  orytliematosus. 


613 


Eandinfiltration  präsentirt.  L.  erytliem.  disseminatus  kann 
in  seinen  ersten  Aiisbrüclien  Eczema  impetiginosum,  squamosum, 
Herpes  tonsurans  maculosus,  ja  Herpes  Iris  ähnlicli  sehen. 
Es  wird  aber  alsbald  die  Erscheinung  der  zentralen  narbigen 
Depression  der  Efflorescenzen  über  den  Zweifel  hinweghelfen. 
Mit  Lupus  vulgaris,  glaube  ich,  ist  eine  Verwechslung  nicht 
gut  möglich. 

lieber  die  Ursache  des  L.  erythem.  sind  wir  bis  zu 
einem  geringen  Theile  informirt.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass 
Seborrhoe  congestiva ,  mag  solche  spontan,  oder  nach  Erysipel, 
Variola ,  entstanden  sein ,  zu  Lupus  erythematosus  führt ,  also 
ein  niedriges  Stadium  desselben  vorstellt. 

Jm  Uebrigen  sind  die  muthmasslichen  ätiologischen  Mo- 
mente von  allgemeiner  Natur ,  theils  sind  sie  gar  nicht  bekannt. 

Die  meisten  Erkrankungen  kommen  bei  Personen  mittleren 
Lebensalters  vor ,  doch  habe  ich  solche  auch  bei  einem 
3jährigen  Kinde'gesehen,  nie  aber  an  alten  Lidividuen.  Weibliche 
Personen  bieten  zwei  Drittel  der  Erkrankungsfälle.  Ebenso 
ist  die  aggregirte  und  acute  Eruptionsform  bei  weiblichen 
Individuen  ungleich  häufiger  als  bei  Männern. 

Chlorose  ,  Anämie  ,  Dysmenorrhoe  ,  Seborrhoea  capillitii, 
manchmal  auch  Sterilität,  chronischer  Katarrh  der  Lungenspitzen 
und  beginnende  Lungentuberculose ,  Schwellung  der  Submaxil- 
lardrüsen ,  im  Allgemeinen  also  Symptome  der  Kakotrophie 
sind  bei  solchen  weiblichen  Kranken  oft  zu  constatiren.  Die 
von  der  Krankheit  betroffenen  männlichen  Personen  dagegen 
erscheinen  überwiegend  von  guter  allgemeiner  Gresundheit. 

Zur  „Therapie"  dieser  interessanten  und,  wie  gezeigt 
wurde,  durchaus  nicht  unbedeutenden  Krankheit  übergehend, 
muss  ich  noch  bemerken,  dass  in  der  Vorhersage  über  Dauer 
und  Erfolg  der  Behandlung  eine  gewisse  Vorsicht  geboten 
ist,  da  man  auf  allerlei  Ueberraschungen  gefasst  sein  muss. 
Denn  es  ereignet  sich  z.  B. ,  dass  ein  jahrealter ,  sehr  ver- 
breiteter Lupus  erythematosus  disseminatus  binnen  wenigen 
Wochen  complet  geheilt  wird,  während  eine  einzige  kleine 
Scheibe  unter  der  Behandlung  sich  fort  vergrössert  und  dadurch, 
sowie  durch  das  Auftauchen  neuer  Elecke  der  ganze  Process 
zu  einem  jahrelang  dauernden  sich  gestaltet.  Weiters  darf 
man  nicht  vergessen,  die  Kranken  wissen  zu  lassen,  dass  zwar 
viele  Flecke  (spontan  oder)  auf  Behandlung  ohne  Narbenspur 


Achtunddreissigste  Vorlesung. 

verschwinden,  an  den   meisten  Stellen  jedoch  flache,  zarte 
Narben  nebst  Telangiektasien  zurückbleiben. 

Was  mm  die  B  ehandlnngsmittel  nnd  Methoden 
selbst  anbelangt,  so  dürfen  sie  nur  derart  gewählt  werden, 
dass  durch  dieselben  die  Hatit  nicht  intensiver  zerstört  und 
verändert  werde,  als  dies  durch  den  Process  selbst  geschieht. 
Man  verwendet  demnach  immer  zuerst  mildere  und  oberfläch- 
lich wirkende  Mittel,  greift  erst,  wenn  diese  in  Stich  lassen, 
zu  ätzenden  Mitteln  und  kehrt  jedesmal  wieder  zu  den  leichter 
wirkenden  zurück ,  sobald  eine  gewisse  Besserung  erzielt  ist, 
welche  sich  durch  das  Abblassen  und  Abflachen  des  die  ein- 
zelne Scheibe  begrenzenden  Randes  kundgibt. 

Das  vorzüglichste  Mittel  ist  die  Waschung  mit  Seife, 
Spiritus  saponatus  kalinus ,  die  im  ganzen  Verlaufe  der  Be- 
handlung intercurrirend  mit  anderen  Behandlungen  angewendet 
werden  muss,  manchmal  aber  auch  ganz  allein  zum  Ziele 
führt.  Intensiver  wirkt  Schmierseife ,  welche  auf  Flanell  ge- 
strichen, auf  derb  infiltrirte  Lupusscheiben  aufgelegt  wird, 
oder  das  Aetzen  mittels  concentrirter  Kalilösung  ,1:2  Aqua 
destillata,  oder  Ammoniak,  Essigsäure,  Salzsäure. 

Wenn  es  gelungen  ist,  durch  irgend  eines  dieser  Mittel, 
indem  es  mittels  eines  harten  Pinsels  auf  den  Lupusrand 
gerieben  worden ,  diesen  gleichmässig  wund  zu  machen,  wonach 
etwas  Serum  und  Blut  aussickert ,  so  pflegt  schon  nach  wenigen 
Tagen  der , betrefl'ende  ßand  flach  und  blass  zu  sein,  und  es 
können  dann  einfache  Seifenwaschungen  die  Heüung  vollenden. 

Methodische  Einpinselungen  von  Schwefelpasten,  Theer, 
Jodschwefel,  Mischungen  aus  Schwefel ,  Theer-  und  Seifengeist, 
von  Jodtinctur  und  Jodglycerin  nach  den  Formeln  und  Methoden, 
wie  bei  Acne  (vide  pag.  455  und  pag.  461)  bewirken  jedesmal 
eine  reactive  Entzündung  und  SchweUung ,  welche  in  wenigen 
Tagen  abläuft  und  häufig  den  Zustand  so  bessert,  dass  man 
nun  mit  einfachen  Seifenwaschungen  vielleicht  ausreicht. 

Von  Carbol-,  Salicylsäureätzungen  habe  ich  nicht  viel 
Günstiges  gesehen;  ebensowenig  von  Unguentum  Rochardi, 
weisser  Präcipitatsalbe ,  während  die  tieferen  Aetzungen 
mittels  Schwefel-  und  Salpetersäure,  Chlorzink,  Chromsäure, 
überhaupt  nicht  empfolüen  werden  können.  Dagegen  haben 
wir  prachtvolle  Erfolge  von  der  Application  eines  gut  klebenden 
Emplastrum  hydrargyri  gesehen,  unter  welchem  sowohl  Lupus 


Lupus  erythematosus.  Gif) 

erythematosus  discoicTes,  als  weit  ausgebreiteter  Lupus  disse- 
minatus binnen  wenigen  Tagen  oder  Wocben  complet  zum 
Scbwinden  gebracht  wurde ,  und  namentlich  die  schmerzhaften 
Lupus-Stellen  der  Finger  sich  rasch  bessern. 

Chrysarobin-  und  Pyrogallussalbe  (pag.  388)  erweisen 
sich  ebenfalls  recht  wirksam,  während  Bedeckung  mittels 
Kautschuk  (-Handschuhen)  fast  nur  als  erweichendes  Mittel  sich 
empfiehlt. 

Das  Aiiskratzen  mittels  scharfen  Löffels ,  sowie  die 
Stichel ung  nach  der  von  Volkmann  angegebenen  Methode 
ist  oft  erfolgreich  und  namentlich  in  den  Fällen  von  tiefer 
Infiltration  und  G-efässektasien  angezeigt.  Bei  acutem  Ausbruch 
mit  den  Erscheinungen  entzündlicher,  schmerzhafter  Schwellung 
und  Knotenbildimg  in  der  Tiefe  habe  ich  durch  Application 
von  Eisbeuteln  öfters  spontane  Rückbildung  der  meisten  Flecke 
bewirkt.  Zu  gleichem  Zwecke  können  kalte  Douclieu,  kalte 
Bäder  empfohlen  werden. 

Dass  mit  all'  diesen  intercuiTirend  auch  indifferente 
Salben ,  Gerate  u.  s.  w.  besonders  nach  Aetzschorfung,  zur  An- 
wendung kommen  müssen,  ist  selbstverständlich. 

In  Anbetracht  der  grossen  Menge  hier  aufgezählter 
Mittel  und  Methoden  ist  zu  bemerken,  dass  dieselben  alle  im 
gegebenen  Falle  von  Erfolg  sein ,  oder  uns  in  Stich  lassen 
können,  und  dass  in  demselben  Falle  Mittel,  die  bereits  vor 
Monaten  sich  als  unwirksam  erwiesen  haben ,  bei  einer  neuer- 
Hchen  Anwendung  einen  prächtigen  Erfolg  zeigen ;  dass  man 
demnach  versuchsweise  immer  wieder  bald  die  einen,  bald  die 
anderen  hervorholen  muss. 

Von  den  innerlichen  Mitteln  sind  solche  zu 
empfehlen,  welche  im  Bedarfsfalle  den  allgemeinen  Ernährimgs- 
zustand,  bei  Chlorose,  Anämie,  zu  bessern  geeignet  sind:  Eisen, 
Leberthran,  allgemein  roborirende  Diät,  Aufenthalt  in  gesunder 
Gebirgsluft  im  Sommer,  Milch-,  Kaltwassercur,  kalte  Bäder  u.  s.  f. 

In  Bezug  auf  das  Hintanhalten  von  Recidiven  snid  wir 
voUständig  ohnmächtig.  Zum  Glück  bleiben  doch  viele  Fälle, 
einmal  geheilt,  auch  dauernd  gut. 


Neunimddreissigste  Vorlesung. 

Lupus  vulgaris:  Symptomatologie,  Prognose,  Aetiologie,  Diagnose. 

LfUpus. 

Lupus  vulgaris,  fressende  Fleclite  ,  Dartre  roiigeante, 
Esthiomene,  bedeutet  eine  nicht  ansteckende,  clironi- 
sclieKranklieit  der  Haut  und  angrenzendenSclileini- 
liaut,  welche  sich,  durch  rothe,  rothbraune,  tief 
in's  Corium  gebettete  Knötchen  charakterisirtund 
im  Involutionspro  cesse  der  letzteren  Schilferung, 
Geschwüre  und  narbige  Atrophie  der  Haut  ver- 
anlasst. 

Der  Name  Lupus  ist  schon  frühzeitig  aus  dem  Volks- 
munde in  die  medicinische  Terminologie  übergegangen,  zur 
Bezeichnung  von  sogenannten  „fressenden"  Greschwüren  („Xoli 
me  tangere",  „Tentigo  prava",  Herpes  esthiomenos"),  die  von 
ihrem  Rande  aus  auf  das  Nachbargewebe  weitergreifeii ,  ^vie 
Manardus'  Worte  ausdrücken:  quasi  lupus  famelicus  proximas 
sibi  carnes  exedit. 

Dann  kam  eine  Zeit,  wo  man  ausschliesslich  Geschwüre 
des  Unterschenkels  als  Lupus  verstanden  wissen  wollte ,  so 
dass  um  1610  Senertus  schreiben  konnte:  Lupum  vero  appellant, 
si  in  tibiis  et  cruribus  sit:  in  reliquis  vero  corporis  partibus, 
etsi  eiusdem  sit  pravitatis ,  lupum  absolute  nominari  non 
censent.  Bereits  hundert  Jahre  später  hebt  dagegen  Johannes 
DoLBUS  hervor,  dass  Viele  die  fressenden  Geschwüre  der  Nase 
als  Lupus  bezeichnen.  Aber  erst  seit  Ende  des  vorigen  Jahr- 
hunderts, seit  Willan-Bateman  ,  versteht  man  unter  Lupus 
vorwiegend  gewisse  Knotenbildungen  im  Bereiche  des  Gesichtes, 


Lupus. 


G17 


welche  allenfalls  auch  zu  (xeschwürsbildung  führen  können. 
.Seitdem  ist  mit  wenigen  Abweichungen  dieser  Name  auch  fest- 
gehalten und  namentlich  die  Symptomatologie  dieses  Processes 
durch  Rayer,  Biett,  Hebra  u.  A.  ziemlich  erschöpfend  klar- 
gestellt, dessen  Histologie  aber  durch  eine  Reihe  von  Forschern 
in  den  letzteren  Jahren  eingehender  studirt  worden. 

Die  Entwicklung  des  Lupus  erfolgt  immer  unter  Bil- 
dung von  hirsekom-,  stecknadelkopfgrossen,  tief  in's  Corium- 
gewebe  eingebetteten,  wie  eingesprengten,  lebhaft-  bis  braun- 
rothen  Knötchen,  welche  unter  dem  Fingerdruck  etwas  abblassen, 
aber  nicht  verschwinden  (Lupus  maculosus  mancher  Autoren) 
luid  in  diesem  Zustande  nicht  mit  dem  Finger  gefühlt  werden 
können ,  weil  sie  eben  gar  nicht  hervorragen.  Solche  Kjiötchen 
bilden  sich  während  des  ganzen  Bestandes  des  Lupus,  daher 
man  dieselben  als  dessen  Primär  efflorescenzen  be- 
zeichnen kann. 

Die  einzelnen  Lupvisknötchen  machen  nun  einen  ziemlich 
regelmässigen  Verlauf  durch ,  dessen  Erscheinungen  jene  ver- 
schiedenartigen EjL-ankheitsbilder  formiren ,  die  zur  Aufstellung- 
besonderer  Lupnsformen ,  als  Lupus  tumidus ,  exfoliatiws, 
exulcerans ,  hypertrophicus  ,  papillaris  ,  Veranlassung  gegeben 
haben.  Diese  stellen  aber  nur  verschiedene  Entwicklungs- 
stadien desselben  Processes  vor.  Die  einzelnen  Lupusknötchen 
wachsen  sehr  langsam,  im  Verlaufe  von  "Wochen  und  Mo- 
naten, zu  grösserem  Umfang  heran,  so  dass  sie  endlich 
auch  über  die  Hautob erfläche  etwas  hervorragen  rmd  nun 
auch  dem  Tastgefühl  zugänglich  und  von  mässig  derber  oder 
zäher  Consistenz  erscheinen.  Namentlich  aber  führt  die  Ver- 
sclimelzung  mehrerer  nachbarlicher  kleiner  Knötchen  zur 
Bildung  grösserer ,  erbsengrosser  und  umfangreicherer  Knoten 
—  Lupus  tumidus. 

Nachdem  die  Knötchen  und  Knoten  mehrere  Wochen  auf 
der  Höhe  ilu'es  Bestandes  verweilt  haben ,  beginnt  ihre  Rück- 
bildung, u.  zw.  auf  verschiedene  Weise.  Einmal  sinken  die 
einzelnen  Knötchen  ein,  indem  ihre  Elemente  durch  geeignete 
Umwandlung  (Fettmetamorphose)  zur  Resorption  gelangen, 
während  deren  früher  gespannt  gewesene,  glänzende  Epidermis 
sich  runzelt  und  abblättert  —  Lupus  exfoliativiis. 

Nach  vollendeter  Resorption  bleibt  an  der  Stelle  eine 
flache  Vertiefung  zurück,  an  welcher  die  Haut  narbig  ver- 


Q-j^g  Neimunddreissigste  Vorlesung. 

ändert  erscheint.  Oder  es  kommt  zugleich  mit  der  Exfoliation 
in  dem  gefässreichen  Grebilde  zu  oberflächlichem,  eiterigem  Zer- 
fall  \md  Geschwürsbildung  —  Lupus  exulcerans.  Letzteres 
betrifft  in  der  Regel  grössere  und  confluirende  Knoten. 

Die  Lupusgeschwüre  sind  rund,  rundlich,  von  flachen, 
gerötheten ,  schlappen  Rändern  begrenzt,  von  rothem  granu- 
lirendem,  leicht  blutendem  Grunde  und  nicht  oder  nur  sehr 
wenig  schmerzhaft.   Sie  secerniren  mässig  viel  Eiter,  welcher 
bei  dem  langsamen  Verlaufe ,  der  dem  Lupus  überhaupt  eigen- 
thümlich  ist ,  bisweilen  zu  mächtigen  Krusten  eintrocknet.  In- 
dem ein  Theü  des  Lupusknotens  durch  eitrigen  Zerfall,  ein 
anderer  durch  Resorption  schwindet ,  kommt  es  endlich  auch 
an  einer  solchen  Stelle,  unter  theUweisem  Ersatz  des  Substanz- 
verlustes mittels  Fleischwärzchen,  zur  Ueberhäutung  und  Nar- 
benbildung. 

Häufig  jedoch  wird  die  Granulationsbildung  vielfach  ge- 
stört durch  intercurrirende  Blutungen,  neuerlichen  GewebszerfaU 
in  Folge  consecutiver  Entzündung,  Nachschub  von  Lupus- 
knötchen  und  deren  Metamorphosen,  so  dass  die  Fleischwärzchen 
zu  grossen,  papiUären,  drusigen  Büdungen  sich  entwickeln,  ja 
zum  Theil  sogar  zu  dauernden,  warzigen,  hornigen  Excre- 
scenzen  gedeihen  -  Lupus  p  a  p  i  11  a  r  i  s ,  v  e  r  r  u  c  o  s  u  s. 

Wann  und  wo  immer,  als  frischer,  recidivirender  oder 
fortschreitender  Process,  stets  nimmt  der  Lupus  den  geschü- 
derten  Verlauf,  dass  dessen  Knötchen  nach  einigen  Wochen 
und  Monaten  bis  zur  Höhe  der  Entwicklung  angelangt,  alsdann 
exfoliiren  oder  exulceriren  und  narbige  Atrophie  der  Haut  oder 
Schleimhaut  hinterlassen. 

Eine  andere  Formverschiedenheit  geht  aus  der  Anord- 
nung des  Lupus  hervor.  So  lange  nämlich  die  Knötchen  zu 
einander  unregelmässig  gestellt  sind,  spricht  man  von  L.  dis- 
seminatus s.  discretus;  wenn  aber,  wie  bisweüen  von 
vorneherein  oder  regelmässig,  sobald  der  Lupus  über  eine 
grössere  Strecke  sich  ausbreitet,  die  neuen  Knötchen  an  der 
Peripherie  des  alten  Krankheitsherdes  auftauchen  und  da  m 
Kreisbogenlinien,  und  mit  nachbarlichen  zu  grösseren  Bogen- 
linien  sich  anreihen,  resultirt  die  Form  des  L.  serpiginosus. 

Nach  der  Tiefe  dringend,  kann  die  lupose  Lihltxa- 
tion  auch  in's  subcutane  Bindegevvebe  gf  jS-;^- 
in  die  Knorpel  der  Nasenflügel  und  Ohrmuschel.    Es  ist 


Lupus. 


619 


zwar  angegeben  worden ,  dass  der  Lupus  auch  durcli  die  Faseien 
auf  Muskeln,  Periost  und  Knochen  wuchern  kann;  ich  glaube 
jedoch,  dass  es  sich  hier  nur  um  complicirende  Entzündung 
mit  der  Bildung  eigenthümlicher ,  mit  denen  der  Scrophulose 
analoger  Entzündungsproducte  handelt. 

Interessant  ist  noch  die  von  0.  Weber,  Hebra,  Esmarch, 
Lang,  mir  u.  A.  gemachte  Beobachtung,  dass  auf  Lupus 
eine  sehr  deletäre  Form  von  Carcinom  entstehen  kann, 
dessen  histologische  Grundlage ,  wie  ich  gezeigt  habe ,  in  ge- 
wissen Vorkommnissen  des  Lupus  selbst  gegeben  ist. 

Auf  der  Schleimhaut  der  Nase,  des  Zahnfleisches, 
des  Gaumens ,  des  Yelum  und  des  Kehlkopfes  sind  die  frischen 
Lupusknötchen  selten  als  Stecknadelkopf-  bis  hirsekorngrosse, 
braunrothe ,  stellenweise  mit  silbergrauem  ,  sich  abblätterndem 
Epithel  belegte  oder  excoriirte,  leicht  blutende,  derbe  Promi- 
nenzen erkennbar.  Später  confluiren  sie  zu  grösseren  Plaques 
mit  rauher  Oberfläche,  mattgrauem  Epithelbelage  oder  tiefen 
schmerzhaften  Einrissen  oder  rothen ,  feinkörnigen ,  wunden 
Flächen.  Auch  hier  kommt  es  schKesslich  zu  narbiger 
Schrumpfung. 

Die  geschilderten  Symptome  der  Entwicklung  und  des 
Verlaufes  compliciren  sich  noch  mannigfach  durch  die  Verhält- 
nisse der  besonderen  Localisation,  deren  wichtigste  daher 
im  Besonderen  angeführt  werden  müssen. 

Lupus  der  Nase  ist  unter  allen  Localisationen  der 
Krankheit  die  häufigste,  mit  der  primären  Entwicklung  der 
Knötchen  auf  dem  Integument  der  Nasenflügel ,  von  wo  sie 
nach  und  nach  auch  über  den  Nasenrücken  bis  zuj  Nasenwurzel 
sich  verbreiten.  Im  Verlaufe  von  Jahren  verschrumpfen  die 
Nasenflügel  allmälig  von  den  Rändern  her ,  so  dass  der  häutige 
Nasentheil  narbig  verändert  und  verschmächtigt,  gleichmässig 
verjüngt ,  wie  abgegriflPen  ,  erscheint ;  oder  es  wird  auch  ein 
Theil  oder  endlich  der  ganze  häutige  Nasentheil  sammt  Knorpel 
im  Ulcerationsprocess  vollständig  consumirt.  Während  des 
letzteren  ist  die  Nase  zuweüen  scheinbar  vergrössert ,  in  Folge 
der  dicken  Masse  auflagernder  Krusten.  Erst  wenn  diese  ab- 
gelöst und  die  nun  zu  Tage  liegenden  drusigen  Excrescenzeu 
beseitigt  worden  sind,  erkennt  man,  dass  ein  grosser  Theil 
der  Nasenflügel  abgängig  ist. 

Auf  der  Nasenschleimhaut  entsteht  Lupus  meist 


620 


Neuminddreissigste  Vorlesung. 


durch Uebergreifen  von  der  Haut  aus,  oft  aber  aucli  p r i in ä r. 
Er  kann  da  jahrelang  durch  Ulceration  und  Krustenbildung 
das  Bild  eines  Eczema  chronicum  vortäuschen,  bis  er  durch 
die  Schrumpfung  und  Zerstörung,  Perforation  des  Septum,  oder 
durch  Weiterschreiten  auf  die  allgemeine  Bedeckung  sich  ver- 
räth.  Den  knöchernen  Nasentheil ,  sowie  den  Vomer  habe  ich 
noch  nie  durch  Lupus  zu  Grrunde  gehen  sehen. 

Sehr  häufig  findet  sich  Lupus  im  Bereiche  des  übrigen 
Gesichtes,  der  Wangen-Kiefergegend,  von  da  aixf  den  Hals 
übergreifend  luid  hier  alsdann  gewöhnlich  die  Gestalt  des 
Lupus  serpiginosus  annehmend,  den  Ohrmuscheln,  die  ganz 
verschrumpfen  oder  consumirt  werden  können,  dem  äusseren 
Gehörgang,  an  den  Mundlippen,  den  Augenlidern. 

Er  complicirt  sich  hier  gerne  mit  chronischer  Intumescenz 
und  Vereiterung  der  Submaxillardrüsen  und  Parotitis,  durch 
welche  das  Bild  der  Scrophulose  vorgetäuscht  wird.  Auf  der 
Bindehaut  der  Augenlider  und  von  da  auf  die  des  Bulbus 
und  die  Cornea  überwuchernd,  erscheint  Lupus  nur  selten 
primär  (Keumann),  meist  als  Fortsetzung  der  Wangen-Eruption. 
Die  Bindehaut  erscheint  mit  dunkel-rothbraunen,  trockenen,  grob- 
körnigen Höckerchen  besetzt,  wie  bei  Trachom,  an  manchen 
Stellen  glatt,  glänzend,  geschrumpft,  die  Cornea  mit  einer 
höckrigen,  pannusartigen ,  das  Sehvermögen  in  hohem  Grade 
beeinträchtigenden  Auflagerung. 

Auf  der  Stirne  und  dem  behaarten  Kopfe  findet  sich  Lupus 
selten  primär,   meist   als  Fortsetzung  eines  Nachbarherdes. 

Auf  der  Schleimhaut  der  Mund-ßachenhöhle  und 
des  Kehlkopfes  kommt  Lupus  ziemlich  häufig  vor  in  Fort- 
setzung der  Erkrankung  von  den  Lippen  her,  oft  auch  von 
dieser  getrennt ,  ja  zuweilen  primär ,  noch  vor  der  Localisation 
an  der  aUgemeinen  Decke.  Lockerung,  Wucherung,  Blutung  des 
Zahnfleisches  und  der  Schleimhaut  am  harten  Gaumen,  Aus- 
fallen der  Zähne,  graue  Trübung  des  Zungenepithels,  ulcerative 
und  durch  Schrumpfung  bedingte  Consumption  des  Gaiunen- 
seo-els  sind  die  Folgen  des  hier  localisirten  Lupus.  AmKehl- 
deckel,  auf  den  wahren  Stimmbändern  und  der  übrigen 
Kehlkopfauskleidung,  besonders  an  der  hinteren  Kehlkopf- 
wand sich  etablirend,  veranlasst  Lupus  Anfangs  Heiserkeit, 
später  unter  Schrumpfung,  ulceröser  Consumption  der  Ge- 
webe, chronischer  Entzündung  und  Bildung  von  papillären 


Lupus. 


621 


Excrescenzen ,  complicirender  Perichondritis  und  Chondritis 
larjTigea,  Stenose  und  alle  unter  solchen  Umständen  möglichen, 
vorübergellenden  oder  bleibenden  Functionsstörungen. 

Auf  dem  Stamm  kommt  Lupus  zu.weilen  in  sehr  grosser 
Ausbreitung  vor.  lieber  den  Nates  entwickelt  er  sich,  gerne 
zur  papillär-warzigen  Form. 

Penis  und  Scrotum  habe  ich  bei  einem  Jungen  als  aus- 
schliesslichen Sitz  des  Lupus  gesehen. 

Ober-  und  Unterextremitäten  sind  häufig  Sitz  des 
Lupus,  vorwiegend  serpiginöser  Form,  u.  zw.  sowohl  auf  der 
Streck-  und  Beugeseite  des  Schaftes,  wie  der  Grelenke,  oft  auch 
auf  der  Flachhand  und  Fusssohle. 

Im  Verlaufe  eines  mehrjährigen  Bestandes ,  also  etwa 
nm  das  15. — 25.  Lebensjahr  herum,  führt  der  Extremitäten- 
Lupus  ausser  der  durch  narbige  Schrumpfung  der  Haut  be- 
dingten Fixirung  und  Beschränkung  der  Gelenke  (Pseudo- 
Ankylose) zu  sehr  complicirten  Gewebsveränderungen  und 
Verunstaltungen  der  Gliedmassen. 

Im  Gefolge  der  häufig  sich  wiederholenden  und  steigern- 
den Entzündungserscheinungen ,  Dermatitis ,  Lymphangioitis, 
Erysipel ,  Phlebitis ,  welche  die  Neubildimg  von  Lupusknötchen, 
deren  Ulceration,  die  Eiterabsperrung  bedingen  und  begleiten, 
entstehen  längs  der  verdickten  Lymphgefässe  haselnuss-  bis 
nussgrosse,  alsbald  erweichende  und  zu  schlappen  Geschwüren 
zerfallende  Knoten;  oder  Periostitis,  Caries  und  Nekrose  ein- 
zelner Phalangen,  Metacarpo-  und  Metatarsalknochen  und  als 
weitere  Folge  dieser  Zustände  vdeder  Verstümmelung ,  Re- 
traction  einzelner  Finger  imd  die  unter  Elephantiasis 
Arabumconsecutiva  (pag.  539)  beschriebene  Deformität  der 
Hände ,  Unterschenkel  und  Füsse.  Die  defecte  Hand  erscheint 
zugleich  verdickt,  sowohl  in  der  Cutis  als  in  den  Knochen,  breit 
xmd  unförmlich,  mit  tatzenartig  von  einander  stehenden  Fingern. 

Am  meisten  aber  macht  sich  die  Veränderung  an  der 
Unterextremität  geltend.  Der  Unterschenkel  ist  stelzenartig 
verdickt ,  die  Haut  mit  dem  subcutanen  Bindegewebe ,  den 
Weichtheilen  und  Knochen  in  eine  starre  Masse  verwandelt, 
nicht  faltbar,  an  ihrer  Oberfläche  ungleich  höckerig,  da  und 
dort  glänzend,  gespannt,  an  anderen  Stellen  mit  dicken, 
schmutzigen  Epidermisschwielen  besetzt,  an  noch  anderen  mit 
warzigen  Excrescenzen  und  stachelartigen  Auswüchsen  vei-- 


Q22  Neununddreissigste  Vorlesung. 

sehen;  der  Fuss  -unförmlicli  verdickt,  verbreitert,  am  Rücken 
polsterartig  aufgetrieben ,  die  Zeben  verbreitert ,  bis  auf  furcben- 
artige  Andeutung  ihrer  Grenzen,  in  Eins  verschmolzen.  In 
der  so  veränderten  Haut  können  die  Lupusknötchen  noch  viele 
Jalire  fort  sich  neu  erzeugen,  so  dass  die  eingesprengten 
Knötchen  noch  ganz  gut  zu  erkennen  sind;  oder  es  erlischt 
hier    die    Lupusproduction ,    allein  die  elephantiatische  De- 
generation als  solche  besteht  und  es  lässt  sich  aldann  nur  auf 
Grund  reicher   Erfahrung   die  Provenienz   einer  derartigen 
Elephantiasis  diagnosticiren ,  wenn  nicht  zufälHg  ausserhalb 
des  Bereiches  der  so  gearteten  Hautregion,  ad  nates,  oder  an 
den  Oberextremitäten  wohl  charakterisirter  Lupus  sich  vorfindet. 

Wie  an  den  einzelnen  der  beschriebenen  Körperregionen, 
so  kann  auch  an  allen  zugleich  an  ein  und  demselben  Indivi- 
duum Lupus  vorhanden  sein.  Obgleich  dies  nicht  gerade  häufig 
vorkommt,  so  haben  wir  doch  keinen  Mangel  an  derartigen 
Beispielen,  wie  das  einer  über  40  Jahre  alten,  bereits  seit 
4  Jahren  auf  der  Klinik  in  Behandlung  stehenden,  verheirateten 
Frau,  bei  welcher  das  Gesicht,  der  Stamm  vom  Nacken  bis 
über 'die  Nates,  Unterschenkel  und  Vorderarme  gleichzeitig 
von  disseminirtem  und  serpiginösem  Lupus  reichüch  besetzt  sind. 

Der  Verlauf  des  lupösen  Processes  ist,  wie  schon  die 
vorhergehenden  Schilderungen  entnehmen  lassen ,  chronisch  und 
äusserst  schleppend ,  nicht  nur  bezügUch  der  einzelnen  Efflore- 
scenzen,  sondern  der  Gesammterkrankung. 

Der  Beginn  des  Lupus  datirt  von  der  frühen  Kindheit, 
^oni  3.-6.  Lebensjahre.  Im  günstigsten  FaUe  tritt  das  Uebel 
an  einer  beschränkten  Körperstelle  und  in  mässiger  Grenze, 
eines  pfennig-  bis  kreuzergrossen  Herdes  auf ,  macht  inner- 
halb 4—10  Jahren  Nachschübe  und  erlischt  mit  Hinterlassung 
narbiger  Atrophie,  ohne  jemals  wiederzukehren.  Oder  es  taucht 
nach  vielen  Jahren  ein  neuer  Lupusherd,  oder  eine  Recidive 
an  der  alten  Stelle  auf.  Es  kann  so  leicht  der  Irrthum  ent- 
stehen als  wäre  in  einem  solchen  Falle  der  Lupus  z.  B.  un 
40.  Lebensjahre,  primär  aufgetaucht,  während  die  Eruption  m 
Anbetracht  des  Vorausgegangenen  nur  eine  Recidive  vorstellt. 

Häufiger  und  weniger  günstig  ist  die  Verlaufsweise  dass 
eine  im  frühen  Kindesalter  auftauchende  Lupuseruption  durcli 
continuirUche  Nachschübe  an  Ort  und  SteUe  15--20  Jahre 
und  bis  in   das  höhere  Alter    fort  sich  ausbreitet.  Am 


Lupus. 


623 


allerungünstigsten  gestaltet  sich  der  Lupus ,  wenn  er  von 
vorneherein,  oder  schon  innerhalb  der  ersten  Jahre  gleichzeitig" 
an  mehreren  Körper  stellen,  z.B.  imGresichte  und  an  den  Extremi- 
täten, oder  auch  noch  an  mehreren  Stellen  des  Stammes  auf- 
tritt. Ein  solcher  Fall  heilt  sicherlich,  wegen  der  grossen  Aus- 
dehnung und  wegen  der  fast  unüberwindlichen  Schwierigkeit, 
Lupus  gleichzeitig  an  so  ^delen  Stellen  mit  entsprechender 
Energie  zu  behandeln,  während  des  ganzen  Lebens  nicht. 
Man  hat"  nur  alle  Mühe,  denselben  in  den  Grenzen  der  Massigkeit 
zu  erhalten. 

Damit  erledigt  sich  auch  die  Erage  nach  der  Prognose 
des  Lupus.  Es  ist  zu  entnehmen,  dass  derselbe  um  so 
günstiger  sich  gestaltet,  je  mehr  vereinzelt  und  in  geringer 
Ausdehnung  Lupusherde  sich  präsentiren,  wähi'end  ein  von 
vorneherein  mehrfach  localisirter  Lupus ,  namentlich  die  serpi- 
ginöse  Eorm,  einen  weniger  günstigen  Verlauf  darbietet,  in- 
soferne  hier  die  Nachschübe  immer  am  Rande  des  alten  Herdes 
erscheinen,  dieser  somit  sehr  rasch  sich  vergrössert. 

Die  Vorhersage  ist  auch  insoferne  ungünstig  oder  unge- 
wiss,  als  auch  bei  beschränkter  Ausdehnung  und  momentan 
vollständiger  Heilung  Recidiven  zu  befürchten  sind.  Auf  das 
Allgemeinbefinden  hat  aber  der  Lupus  selbst  bei  ziemlich 
grosser  Ansbreitiuig  keinen  nachweisbar  schädlichen  Einfluss, 
und  mit  fast  universellem  Lupus  behaftete  Kranke  können 
des  besten  Aussehens,  giiter  Ernährung  und  Regelmässigkeit 
aller  Eunctionen  sich  erfreuen;  speciell  noch,  derart  aflFicirte 
Mütter,  gesunde,  kräftige  Kinder  zur  Welt  bringen. 

Dies  führt  uns  auf  die  Erörterung  der  Ursachen 
des  Lupus.  Die  geläufigste  und  zum  Theile  heute  noch  viel- 
fach geltend  gemachte  Ansicht  bezüglich  der  Genese  des  Lupus 
geht  dahin,  dass  derselbe  mit  Scrophulose  irgendwie  zu- 
sammenhänge. Daher  führt  ihn  z.  B.  Fuchs  iinter  den  Scrophu- 
losen  an,  Wilson  als  Scrophuloderma ,  Plumbe  als  Strumous 
afPection  iind  bezeichnen  ilm  die  französischen  Autoren  als 
Affection  scrophuletise ,  Scrophulide  tuberculeuse  maligne. 

Sehen  wir  davon  ab,  dass  man  mit  „Scrophulose"  nur 
einen  allgemeinen  Begriff  verbindet.  Es  trifft  so  ziemlich  zu, 
was  Billroth  in  der  Beziehung  angibt,  dass  wir  nämlich  als 
scrophulose  Diathese  einen  Zustand  bezeichnen,  in  welchem 
auf  eine  geringe  Reizung  einer  KörpersteUe  eine  diese  Schäd- 


624 


Nennunildreissigste  Vorlesung. 


lichkeit   überdauernde  Entzündung  entstellt,  die  häufig  den 
Atisgang  in  Vereiterang  oder  Verkäsung  nimmt  und  seltener 
die  Form  eines  hyperplastisclien  Processes  beibehält.  Wenn 
wir  nun  die  Anwesenheit  derartiger  Entzündungen  und  käsiger 
Infiltrate    der  Drüsen,    des    subcutanen    Zellgewebes,  der 
Knochengelenke  und  die  dazugehörigen  Zustände,  amyloide 
Degeneration  der  Leber ,  Milz ,  Nieren ,  Auftreibung  des  Unter- 
leibes ,  schlechte  Ernährung ,  Tumor  albus  ,  kurzum  den  ganzen 
Habitus   berücksichtigen ,  den  man  nach  den  gangbaren  Be- 
griffen als  Ausdruck  der  Scrophulose  anzusehen  gewolmt  ist; 
ferner  allenfalls  noch  die  als  Symptome  der  Scrophulose  gel- 
tenden Augenkrankheiten  (Keratitis,  Conjunctivitis  pustulosa) 
und  HautafFectionen  (Liehen  scrophulosorum ,  Acne  cachecti- 
corum) ,   so   haben   wir ,   wie   auch   pathologische  Auatomen 
(VniCHOW,  Klebs)  zustimmen,  keine  Veranlassung,  den  Lupus 
davon  herzuleiten,  weil  bei  nur  sehr  wenigen  von  den  ^äelen 
Hundert  von  uns  gesehenen  Lupuskranken  sich  diese  Zustände 
vorfanden  und  bei  aber  Hunderten  Scrophulöser  nicht  eine  Spur 
von  Lupus  zu  finden  ist. 

Dasselbe  gilt  für  die  Tuberculose  noch  im  erhöhten 
Masse,  obgleich,  wie  wir  hören  werden,  vom  histologischen 
Standpunkte  es  versucht  worden  ist  (Eriedläxder),  Lupus  als 
eine  Art  Tuberculose  der  Haut  zu  demonstriren. 

Sehr  wichtig  ist  weiters,  dass  Manche  den  Lupus  von 
hereditärerSyphilis  herzuleiten  geneigt  sind,  so  Veiel, 
Wilson,  zum  Theile  sogar  Hebka.  Es  ist  aber  ein  solcher  Zu- 
sammenhang niemals  erwiesen  worden.  Im  Gegentheil,  Alles  was 
in  Beztig  auf  hereditäre  Anlage  bei  Lupus  zu  eruiren  ist.  spricht 
eher  dafür,  dass  derselbe  mit  Syphilis  der  Eltern  und  Syphilis 
überhaupt  absolut  nichts  zu  thun  hat.  Von  syphilitisclien  Eltern 
abstammende  Kinder  können  von  diesen  eine  Krankheit  ererben, 
die  aber  immer  wie  Syphilis  sich  präsentirt  und  nicht  wie  Lupus. 
Die  Aehnlichkeit  zwischen  Lupus  und  Sj^Dhilis  ulcerosa  kann 
zwar  zu  Verwechslungen  führen,  aber  dann  sind  dies  diagnostische 
Irrthümer.  Es  ist  sogar  eine  ßarität,  bei  mehreren  Kindern 
derselben  Eltern  Lupus  zu  finden.  Dass  der  Lupus  als  solcher 
sich  hereditär  gezeigt  hätte,  ist  gar  nicht  bekannt,  ebenso 
wenig,  dass  er  ansteckend  wäre.  Ueberdies  haben  Hkbb.v, 
Michaelis  und  ich  an  demselben  Individuum  Lupus  und  Syphilis 
nebeneinander  bestehen  gesehen,  derart,  dass  ein  seit  Jahren 


625 


mit  Lupus  behaftetes  Individuum  durch  Ansteckung  frische 
Sj^hilis  (Papeln  und  Roseola)  acquirirt  hat ,  was  ganz  unbe- 
o-reiflich  wäre ,  wenn  Lupus  Syphilis  sein  sollte.  Die  Aufstel- 
lung einer  eigenen  Krankheitsform  als  Lupus  "syphiliticus 
ist  demnach  zunächst  ätiologisch  ganz  unbegründet,  wie  wir 
sehen  werden,  auch  symptomatisch  nicht  zu  rechtfertigen. 

Die  allgemein  ätiologischen  Momente  berück- 
sichtigend ,  wäre  zu  erwähnen ,  dass  Lupus  in  QQ'^lo  aller  Haut- 
krankheiten ,  bei  Weibern  um  etwas  häufiger  als  bei  Männern, 
imd  Lupus  der  Extremitäten  in  20  "/o  der  Gesammtzahl  bei 
ims  vorkommt.  In  Bezug  auf  das  Alter  ist  schon  erwähnt 
worden,  dass  die  Krankheit  fast  ausnahmslos  in  den  früheren 
Lebensjahren  ,  selten  vor  dem  dritten  Lebensjahre,  spätestens 
zur  Pubertätszeit  erscheint  und  nur  höchst  selten  noch  später, 
als  fortdauernder  oder  recidivirender  Lupus  auch  bis  ins 
70.  Lebensjahr  auftaucht. 

Ln  Uebrigen  findet  sich  Lupus  in  gleicher  Zahl ,  Litensität 
und  Form  bei  ländlicher  und  städtischer  Bevölkerung,  in  dürftigen 
imd  wohlhabenden  Familien.  Die  Jahreszeiten ,  Beschäftigungs- 
imd  Nahrungsweise  haben  keinen  Einfluss  auf  die  Recrudescenz 
des  Lupus.  Nur  der  Verlauf  des  eben  vorhandenen  gestaltet  sich 
günstiger  oder  ungünstiger,  je  nachdem  das  Individuum  zweck- 
mässiger sich  zu  behandeln  in  der  Lage  ist,  oder  nicht. 

Zur  Diagnose  dient  als  wesentlichster  Anhaltspunkt  der 
Charakter  der  Knötchen,  die  gleichsam  in's  Cutisgewebe  ein- 
gesprengt sind  und  unter  dem  Fingerdrucke  nicht  schwinden. 
So  oft  ein  sehr  complicirtes  Krankheitsbild  sich  präsentirt, 
entweder  von  confluirenden  Knoten  oder  (beschwüren ,  mit  imd 
ohne  Krusten ,  ist  es  Aufgabe  ,  diese  Primärefflorescenzen 
aufzusuchen,  welche  in  der  Regel  in  der  Nähe  eines  diffusen 
Krankheitsherdes  sich  vorfinden  werden.  Die  grösste  Schwierig- 
keit erwächst  in  der  Regel  für  die  Diagnose  des  Lupus  gegen- 
über Syphilis  nodosa  serpiginosa  und  ulcerosa. 

Ich  kann  nur  empfehlen ,  neben  dem  Charakter  der  ein- 
zelnen jungen  Lupusknötchen  auch  noch  die  schon  geschilderte, 
von  der  syphilitischen  so  verschiedene  Beschaffenheit  der 
Lupnsge  schwüre,  ihre  Lidolenz ,  die  Schlappheit  ihrer 
Ränder,  die  üppige  Granulationsbildung,  ihre  geringe  Schmerz- 
haftigkeit,  sowie  den  Umstand  festzuhalten,  dass  Lupusknoten 
niemals  so  regelmässig  vom  Centrum  nach  der  Peripherie  sich 

40 

K  aposi.  Hantkrankliftiten. 


1 


^^90  Neimunddreissigste  Vorlesung. 

ausbreiten  wie  Syphilisknoten,  daher  aucli  niemals  nierenförmige 
Geschwüre  bilden.  Wenn  auch  nicht  in  jedem  FaUe  pro  momento 
eine  entscheidende  Diagnose  gemacht  werden  kann,  so  wird  dies 
doch  nach  einer  entsprechenden  Beobachtungsfrist  möglich  sein, 
indem  nach  14  Tagen,  4  Wochen,  sicherlich  neue  Lupuskuötchen 
auftauchen ,  und  auch  der  wichtige  Umstand  zur  Geltung  kommen 
wird,  dass  örtliche  und  allgemein  antisyphilitische  Behandlung, 
namentlich  das  gegen  letztere  so  prägnant  wirksame  Empla- 
strum  hydrargyri,  sich  gegen  Lupus  ohne  EfPect  erweist 

Endlich  darf  zum  Vergleich  nicht  ausser  Acht  gelassen 
werden,  dass  Lupus  ungleich  lentescirender  verläuft  als  SypHlis; 
dass  Lupus  in  vielen  Jahren  kaum  soviel  an  Zerstörung  leistet, 
als  ulcerirende  Syphilis  binnen  wenigen  Wochen;  dass  bei  Lupus 
die  Nase  viel  mehr  durch  Schrumpfung  sich  verkleinert ,  als 
durch  Consumtion,  während  bei  SyphUis  die  einzelnen  Theile 
vom  gesunden   Ganzen  wie  abgekappt  erscheinen;  und  dass 
schHesslich  Knochendefecte,  des  Vomer,  des  harten  Gaumens,  bei 
Lupus  gar  nicht  vorkommen.  Ebenso  kann  z.  B.  eine  elephan- 
tiatische  Verdickung  der  geschüderten  Art  des  Unterschenkels, 
die  mit  Knötchen  combinirt  ist,  nur  für  Lupus  angesehen  werden, 
da  nur  Lupus  so  viele  Jahre  in  Knötchenform  besteht,  um  zur 
Elephantiasis  führen  zu  können,  während  ein  Knötchensj^hüid 
höchstens  Monate  oder  wenige  Jahre  zu  bestehen  pflegt ;  und  die 
SyphiHsformen,  welche  zur  Elephantiasis  führen  können,  erfah- 
rungs-emäss  gummöser  Art  sind  ,  die  demnach  wieder  charakte- 
ristische Geschwüre  bilden.  Endlich  darf  nicht  der  Umstand  ausser 
Acht  gelassen  werden,  dass  bei  noch  so  langem  Bestände  des 
Processes  der  Lupus  stets  mit  den  charakteristischen  kleinen, 
eingesprengten  Knötchen  recidivirt. 

Bei  sorgfältiger  Erwägung  aUer  dieser  Umstände  wird 
Lupus  von  Syphilis  auch  in  schwierigen  EäUen  wohl  diffe- 
renzirt  werden  können,  und  demnach  auch  symptomatisch  eine 
Verlegenheits-Diagnose  „Lupus  syphiliticus"   unstatthaft,  und 

iinnöthig  sich  erweisen. 

Auch  eine  Form  der  Lepra  tuberculosa  gibt  es,  welche 

Lupus  sehr  ähnlich  sehen  kann. 

Dass  Lupus  erythematosus  ein  von  Lupus  vulgaris 
vollständig  differentes  Bild  darbietet,  braucht  nicht  erst  betont 
XU.  werden. 


Vierzigste  Vorlesung. 

Lupus  (Fortsetzung).    Anatomie,  Therapie  des  Lupus.  Serophulose, 

Tubereulose  der  Haut. 

Die  „Anatomie  des  Lupus"  bildet  den  Vorwurf 
zalilreicher  und  selir  scilätzenswertlier  Mstologischer  Arbeiten, 
grossentbeils  aus  dem  jüngsten  Vierteljabrbundert.  Dieselben 
wiederspiegeln  fast  eben  so  treuli'cb,  wie  die  syncbronischen 
Arbeiten  über  Entzündung,  die  Anscbauungen  ihrer  Zeit  über 
Neubildung  und  Histiogenese  patbologischer  Gewebe  und  be- 
handeln fast  alle  Fragen,  die  bezüglich  der  Histologie  des 
Lnpus  sich  aufwerfen,  über  Sitz,  Ausgangspunkt,  Charakter, 
Bedeutung ,  verwandtschaftliche  Verhältnisse  der  lupösen  Neu- 
bildung in  gleich  eingehender  "Weise,  ohne  jedoch  selbst  mit 
Rücksicht  auf  die  Anforderungen  der  jeweiligen  Zeitepoche 
deren  endgiltige  Lösung  herbeigeführt  zu  haben. 

Um  über  die  wesentlichsten  der  hier  in  Betracht  kommen- 
den und  sehr  complicirten  Verhältnisse  ein  richtiges  Urtheil 
zu  gewinnen,  ist  es  nothwendig,  jung  entstandene  Lupus- 
knötchen,  solche,  die  noch  tief  eingebettet  sitzen,  zu  untersuchen. 
Auf  dem  mikroskopischen  Durchschnitte  von  einer  solchen 
Hautstelle  (Fig.  35)  sieht  man  schon  bei  Loupenvergrösserung 
kleinere  und  grössere',  rundliche  (nestf örmige),  in  das 
Corium  eingesprengte  Gewebsmassen ,  die  Lupusknötchen. 
Sie  liegen  unregelmässig  und  in  verschiedenen  Tiefen  des 
Corium  selber,  dessen  oberste  und  Papillarschichte  und  Rete 
normal  erscheinen.  Damit  widerlegt  sich  die  früher  von  Bergee, 
Pohl  und  0.  Weber  ausgesprochene  Meinung ,  dass  die  Lupus- 
knötchen aus  dem  Rete  hervorgehen ,  sowie  die  Anderer,  dass 

40* 


628 


Vierzigste  Vorlesung. 


die  oberflächlicliste  ScMclite  der  Cutis  der  ursprüngliche  Sitz 
der  jungen  Knötclien  sei.    Rete  und  oberste  Coriumscliiclite 
sind  hier  frei.  Die  Lupusnester  stechen  durch  gelblich rothe  Farbe 
und  scharfe  Begrenzung  ö 
von  dem  umgebenden  Cu- 
tisgewebe  ab,  noch  mehr, 
wenn  Carmintinction  an- 
gewendet worden ,  indem 
sie  sich  weniger  als  das 
letztere  färben. 

Bei  starker  Vergrösse- 
rung  betrachtet,  grenzt 
sich  das  Lupusnest  (Fi- 
gur   36)  grösstentheils 
scharf  ab  gegen  das  ge- 
sunde Bindegewebe ,  wel- 
ches in  dichten  Faserzü- 
gen jenes  einfasst ,  iind 
erkennt  man  die  feinere 
Zusammensetzung  des  Lu- 
pusgewebes, dessen  Ueber- 
einstimmung  mit  der  des 
G-ranulationsgewebes  zu- 
erst Vikchow  und  Auspitz 
demonstrirt  haben.  Es  be- 
steht aus  einem  von  gröbe- 
ren Stamm-  und  zarten 
Zweigfasern  gebildeten, 
von  zahlreichen  ,  weiten 
Blutgefässen  durch- 
setzten Netzwerk,  in  des- 
sen Maschenknoten  mit 
grossem,  stark  lichtbre- 
chendem, guttinginbarem 
Kerne  versehene  Zellen, 

und  in  dessen  engen  Maschenräumen  eben  solche, 
kleinere  Zellen  und  scharf  contourirte  Kerne  in  grosser  Menge 
eingelagert  sind.  Beim  Schütteln  fallen  die  eingelagerten  Form- 
elemente leicht  aus,  so  dass  das  Netzwerk  mit  seineai  polai-en 
Zellen  allein  zurückbleibt;  an  manchen  Stellen  eines  Schnittes 


sowie  viel 


Lupus.  629 


fällt  das  ganze  Nest  aus,  dessen  Platz  ein  rundes  Loch  be- 
zeichnet. (Fig.  37  c'.) 

Fig.  36.  /a 


Ein  mikroskopisclies  Lupusknötclien  bei  starker  Vergrösserang. 

b  denselben  einrahmendes  geaundea  Corium.   a  Ketioulum  aammt  Zellen- 
einlagerung, c  ;  —  d  Biesenzellen. 

Diese  einfachen  Verhältnisse  finden  sich  nur  bei  ganz 
jungem  Lupus.  Die  weitere  Entwicklung,  sowie  die  Rück- 
bildung führen  zu  sehr  complicirten  Veränderungen  sowohl 
des  Lupusgewebes,  als  der  meisten  Elemente  der  Cutis.  Zunächst 
das  Lupusgewebe  anlangend.  Als  man  noch  dasselbe  durch 
Auswachsen  allein  des  Bindegewebes  entstehen  liess ,  sei  es 
der  obersten  Coriumschichten  (VißCHOW,  Billkoth),  sei  es  des 
die  Haarfollikel  und  Talgdrüsen  begrenzenden  Gebälkes  (Veiel, 
Rindfleisch),  war  auch  schon  zum  Theile  die  Beziehung  zu  den 
Blutgefässen  betont  worden.  Nach  der  Tendenz  der  neueren 
histologischen  Arbeiten  spielen  aber  für  die  Genese  der  patho- 


630 


Vierzigste  Vorlesung. 


logischen  Grewebe  "bekanntlicli  die  Blutgefässe  die  Hauptrolle 
und  scheinen  auch  nach  den  jüngsten  Lupusstudien  von  mir,- 
Lang,  Kleus,  Stilling,  Jaeisch,  die  Blut-  und  Lympgefässchen 
durch  Auswachsen  ihrer  protoplasmatischen  Wand  und  Wuche- 
rung ihrer  Adventitia,  Gebälke  und  Gefässe  des  Lupusnetzes 
mitsammt  einem  Theile  seiner  Zellen  zu  produciren,  zu  welchen 
dann  noch  Proliferationszellen  der  Bindegewebskörperchen  und 
Wanderelemente  aus  dem  entzündlich  afficirten  Stroma  der 
Cutis  sich  zugesellen. 

Das  junge    Lupusknötchen  stellt  also   ein  gefäss-  und 
saftreiches,  lebhaft  proliferirendes  Gewebe  vor.  Nach  einigem 
Bestände  beginnt  dessen  Rückbildung,  die  sich  zunächst  dadurch 
manifestirt,  dass  im  Centrum  des  Knötchens  die  Yascularisation 
schwindet    und    die   Formelemente  im  necrobiotischen  Sinne 
sich  verändern.  Manche  werden  gebläht ,  vergrössert,  was  ihre 
Verwechslimg  mit   epitheloiden   Zellen  veranlasst  hat;  die 
meisten  werden  körnig  trübe,  färben  sich  nicht  mehr  in  Carmin, 
zerbröckeln  und  ballen  sich  zu  körnig-krümeligen  Haufen.  An 
manchen  Punkten  erscheinen  umfangreiche,  unregelmässig  ge- 
formte, homogene  oder  feinkörnige,  protoplasmaähnliche  Massen 
mit  vielen  5 — 20  und  mehr  eingelagerten,  oblongen,  glänzenden 
Kernen  (Fig.  36,  a).  Dies  sind  die  Gebilde,  welche  von  Billkoth, 
YiRCHOW  längst  beschrieben ,  seit  Schüppel  als  Riesenzellen 
bezeichnet    tind   dem   Tuberkel   eigenthümlich  zugeschrieben 
worden  sind,  weshalb  Fkiedländer  geglaubt  hat,  auch  den  Lupus 
als  Hauttuberculose  erklären  zu   dürfen.    Seitdem  hat  man 
zwar  über  die  histiogenetische  Bedeutung  der  Riesenzellen  sich 
noch  immer  nicht  einigen  können,  indem  sie  Einige  für  spontan, 
oder  durch  Assimilirung  anderer  colossal  gewordene  Zellen, 
Andere  für  den  Ausdruck  des  Querschnittes  eines  mit  wuchern- 
dem  Endothel   oder  Plasma   erfüllten  Lymphgefässes ,  noch 
Andere  für   zusammengeflossene  Zerfallzellen   ansehen.  Aber 
so  viel  ist  doch  sicher  geworden,  dass  Riesenzellen  nicht  nur 
im  Tuberkel ,  sondern  in  allen  möglichen  Geweben,  im  Gumma, 
Sarkom  und  selbst  in  Granulationen  sich  vorfinden  und  daher 
ihr  Vorkommen  im  Lupusknoten  nicht  berechtigt,  diesen  mit 
dem  Tuberkel  gleichzustellen,  um  so  weniger,  als  wir  in  neuerer 
Zeit  zweifellosen  Tuberkel  der  Haut  kennen  gelernt  haben. 

Die  Hauptmasse  des  Lupusknötchens  ist  also  nicht  organi- 
sationsfähig ,  sondern  gelangt  auf  dem  Wege  jener  retrograden 


Lupus. 


631 


Metamorphose  seiner  Elemente  zur  Resorption,  eventuell  (bei 
oberfläcliliclier  Situation)  zur  Elimination,  worauf  das  ent- 
zündlich afFicirte  einbettende  Gewebe  narbig  schrumpft.  Ein 
Theil  des  Lupxisgewebes  jedoch  geht  mit  seinen  Gefässen  und 
Zellen,  wie  ich  glaube  (auch  Lang  ist  dieser  Meinung),  eine 
Oro-anisation  zu  jungem ,  später  schrupfendem  Bindegewebe 
ein  und  hierdurch,  scheint  mir,  unterscheidet  sich  die  Lupus- 
ueubüdung  biologisch  wesentlich  von  dem  Lepra-  und  Syphi- 
lisknoten. 

Neben  diesem  Verlaufe  einzelner  Knoten  vergrössern  sich 
andere  durch  Fortschreiten  der  Neubildung  mittels  und  längs 
der  Corium-  imd  Papillargefässe  nach  der  Fläche  und  Tiefe, 
bis  in  die  Schichte  der  Fettläppchen,  und  trifft  dieselbe  auf 
die  von  anderen  Centren  ausgehenden  Ausläufer  zusammen.  Indem 
zugleich  das  interstitielle  Bindegewebe  entzündlich  infiltrirt  wird, 
verschwindet  die  ursprüngliche  herdartige,  an  alveolare  Structur 
gemahnende  Anordnung  (vid.  Fig.  35)  und  resultirt  eine  unregel- 
mässig diffuse  Zelleninfiltration  aller  Schichten  der  Haut.  Auch 
diese  kann  nach  langer  Zeit  vollständig  schwinden,  mit  Hinter- 
lassung narbiger  Verschrumpfung  der  Haut  und  ihrer  Drüsen.  Im 
entzündlichen  Antheil  der  Infiltration  jedoch  ist  zugleich  die 
Grundlage  für  jene  Bindegewebshypertrophie  gegeben ,  welche 
im  Laufe  weitverbreiteter  und  Jahrzehnte  hindurch  bestehender 
lupöser  Erkrankung,  gleichwie  bei  anderweitig  veranlasster 
Dermatitis  chroncia ,  besonders  an  den  Extremitäten  sich  heran- 
bildet   und   als  Elephantiasis  Arabum   glabra   et  papillaris 
schon  besprochen  worden  ist.    Ueber  einer   derart  hypertro- 
phirten    und    degenerirten    Cutis,    in    welcher     auch  noch 
immer  der  Lupus  eine  Zeit  lang  bestehen  und  sich  erneuern 
kann,  erheben  sich  stellenweise  mächtig  hypertrophische  Pa- 
pülen  mit  entsprechend  vergrösserten  Retezapfen  und  colossal 
aufgethürmten  Hornzellenlagen  —  Lupus  verrucosus  (s.  cor- 

nutus  Lang.  Fig.  37). 

Von  den  anderen  Elementen  der  Cutis  werden  zunächst 
dieEpithelialgebilde  sehr  früh  in  Mitleidenschaft  ge- 
zogen. Sobald  die  lupöse  Infiltration,  ursprüngHch  oberflächlich 
gelegen,  oder  in  die  Papillarschichte  gewuchert  ist,  beginnt 
Proliferation,  Trübung,  Vacuolenbildung ,  Schilferung  der 
Retezellen;  es  verwischt  sich  die  Grenze  zwischen  Papillen 
und  Schleimschichte  durch  Uebergreifen  der  lupösen  Wucherung 


632 


Viei-üigste  Vorlesung. 


in  die  letztere,  und  wird  das  Rete  durch  Eiterung  oder 
Schüferung  abgestossen,  so  liegt  der  Lupusknoten  zu  Tage 


>  CS 

Mi 


5 

fci)  73 

„  oi<S 


,£5 

2  S 

to  'S 

P  CO 


>  £ 


^  CS 

SM 


'S 


CCl  'qJ 


o;  S  ? 


P  W 

CS       5  _  3 


=  3 

ü 

p  ED 


r»  Ol 


W:0 


(Ulceration).  Ebenso  hypertropbiren  und  degeneriren  durch 
Trübung,  Aufquellen,  frühzeitige  Verhornung,  die  Auskleidungs  • 
zeUen  der  Talg-  und  Schweissdrüsen  und  der  Haartaschen, 
welche  letztere'iiberdies  nach  Degeneration  der  Papille,  Locke- 
rung und  Ausfallen  der  Haare,  veröden.  Die  Talgdrüsenacim 
bleiben  öfters,  nachdem  ihr  Ausführungsgang  verschrumpft 
durch  zwiebelschalenartig  angeordnete  Epidermis  (Perikugeln) 
erfüllt,  als  einfache  oder  zu  Träubchen  an  einem  gemeinschaft- 
lichen Narbenstiel  hängende  Miliumkörnchen  zurück. 


Lxipxis. 


633 


Besonders  erwähnenswertli  ist  nocli  eine  andere  Art  von 
Epitlielhyperplasie ,  welclie  von  Büsch  ,  Lang,  mir  und  Anderen 
beschrieben  worden  ist,  und  in  dem  Answaclisen  des  Rete  in 
Form  von  einfachen  und  verzweigten  Epithelzapfen  in  das 
Corium  besteht  (Fig.  38),  die  mit  ähnlichen  Auswüchsen  der 


Fig.  38. 


Schnitt  von  Lupus  ad  nates. 

a  Epidermis,  c  diffus  lupöa  infiltrirtes  Corium,  in  dassplbe  die  Epitlielzapfen  b  in 
einfachen  und  verzweigten  Kolben  Mneingewuohert. 

Schweissdrüsen-  und  Haarwurzelscheidenzellen  zusammentref- 
fend, ein  dasselbe  nach  allen  Richtungen  durchsetzendes,  aus 
puren  Epithelien  zusammengesetztes  Balkennetzwerk  darstellen. 
Diese  bilden,  wie  ich  gezeigt,  die  histologische  Grundlage 
für  die  Entwicklung  von  Epithelialkrebs  mitten  auf  floriren- 
dem  oder  erloschenem  Lupus. 

Die  Combination  von  Krebs  mit  Lupus,  von 
Deverg-ie  ,  Baedeleben  ,  0.  Weber  ,  Hebra  ,  Wenck,  Thiersch, 
VoLKMANX,  Lang  und  mir  beobachtet ,  hat  sich  für  die  Meisten 
der  betroffenen  Individuen  als  rapid  deletär  erwiesen  und 
nur  in  wenigen  Fällen  konnte  vorübergehende  Besserung  oder 
Heilung  erzielt  werden. 

Wir  wenden  uns  nun  zur  Therapie  des  Lupus. 

Von  innerlichen  Mitteln,  welche  die  Rückbildung  des 
bestehenden  Lupus  zu  veranlassen,  oder  eine  Recidive  zu  ver- 
hüten vermöchten,  ist  uns  nichts  bekannt.  Sowohl  Arsenik, 
als  die  antisyphilitischen  Mittel,  Quecksilber,  Jod,  Zittman- 
sches  Decoct,  und   die  in  Voraussetzung,  der  scrophulösen 


gg^  Vierzigste  Vorlesung. 

Bedeutung  des  Lupus  vielfach  empfohlenen  Mittel,  Leberthran, 
Eisen,  Jodeisen,  Oleum  animale  Dippelli,  Amaricantia,  Murias 
calcis,  Murias  Baryti,  Antimon  u.  s.  w.  haben  sich  gegen 
Lupus  unwirksam  erwiesen.  Wohl  aber  bedienen  wir  uns  der 
letzteren  und  analoger  Arzneien,  um  die  Gesammternährung 
der  Lupösen  zu  heben,  wofern  diese  scrophulös,  anämisch, 
schlecht  genährt  wären.  Lupus  als  solcher  kann  eben  nicht 
anders  geheilt  werden  als  durch  örtliche  Mittel. 

Diese  sind  zweierlei.  1.  Blosse  Adjuvantia  zur  Behand- 
lung, 2.  die  Lupusknoten  direct  zerstörende  Mittel  und  Ver- 
fahrungsweisen. 

Zu  den  ersteren  gehören  aUe  Fette,  Oele,  Salben  und 
Pflaster,  sowie  KautschukumhüUungen,  welche  zur  Maceration 
vorhandener  Krusten  und  zur  Deckung  der  eiternden  Wunden, 
eventueU  zur  Maceration  der  Lupusknötchen  selbst  verwendet 
werden  und  deshalb  nach  Umständen  während  der  ganzen 
Behandlungsdauer  des  Ltipus,  bald  in  dieser,  bald  in  jener  Form 
gewählt  werden  müssen;  so  z.  B.  ist  Leberthran  in  Form  von 
Umschlägen  angewendet  recht  zweckmässig  beim  Lupus  tumidus, 
der  zum  Theil  mit  Krusten  belegt  ist,  indem  bei  einer 
8_l4tägigen  Application  nicht  nur  die  Krusten  erweichen 
und  abfallen,  sondern  auch  die  Lupusknoten  macerirt  und  zu 
rascherem  Zerfall  disponirt  werden.  _ 

Li  gleicherweise,  zugleich  etwas  ätzend,  wirkt  Schmier- 
seife in  Form  von  Umschlägen. 

Im  Uebrigen  wird  die  nothwendige  Maceration  durch 
Unguentum  simplex,  Oleum  olivarum,  Emplastrum  saponatum 
und  ähnliche  indifferente  Mittel  besorgt.  Vom  Emplastrum 
hydrargyri,  von  welchem  Einzelne  angeben,  dass  unter  dem- 
selben die  Lupusknoten  sehr  rasch  schwinden,  kann  ich  em 
solches  nicht  bestätigen.  Dasselbe  wirkt  nur  m  dem  Maasse, 
wie  jedes  andere  indifferente  Pflaster  ,  macerirend. 

Die  Beseitigung  des  Lupus  gelingt  einzig  und  aUem  durch 
mechanische  oder  caustische  Eingriffe. 

Die   mechanische  Behandlung   des  Lupus   hat  seit 
VOLKMANN'S  bezüglichen  Publicationeu  eine  verdiente  Ausbreitung 
gewonnen.    Das  Lupusgewebe  ist  so  weich  und  morsch  , 
dasselbe   sammt  der  von  dem  lupösen  Gewebe  . 
Hautpartie  ungemein  leicht  mit  dem  ^^J^j^  " 

gekratzt  werden  kann.  Man  kann  hiebei  nicht  leicht  schaden. 


Lupus. 


635 


weil  das  gesunde  Hautgewebe  dem  Eindringen  des  Löffels 
grossen  Widerstand  entgegensetzt,  demnacli  die  Grenze  für 
die  zu  setzende  Verletzung  von  selbst  gegeben  ist. 

Am  besten  eignet  sieb  diese  Metbode  für  confluirende, 
grosse  Knoten ,  sowie,  für  scblappes,  diffus  infiltrirtes ,  exulce- 
rirtes  Gewebe.  Die  wäbrend  des  Scbabens  ziemlich  intensive 
Blutung  stebt  jederzeit  ^auf  Tamponade  und  Druckverband  und 
um  so  sicherer,  je  vollständiger  der  Lupusherd  ausgekratzt  worden 
ist.  Nach  2 — 3  Tagen  hat  sich  der  graue  Belag,  das  ist  die 
Schichte  des  noch  haftenden  zertrümmerten  Gewebes  abgelöst 
und  stellt  sich  sofort  eine  gute  Granulation  ein. 

Zur  mechanischen  Behandlung  gehört  auch  das  Sticheln 
mit  einem  Spitzbistouri,  oder  dem  aus  mehreren  Lanzen  con- 
struirten  Stichelinstrument  von  Veiel,  oder,  was  wohl  vor- 
zuziehen, der  Stichellanze  von  Hebea  (vide  pag.  462,  Fig.  26). 
Mittels  des  Sticheins  wird  nicht  nur  das  Lupusgewebe  direct 
bis  zur  Mortification  zerschnitten ,  sondern  auch  ein  grosser 
Theil  der  es  ernährenden  und  die  "Wucherung  unterhaltenden 
Blutgefässe  zerstört. 

Die  Stichelung  kann  demnach  ebenso  gut  bei  diffusen 
Infiltraten ,  wie  bei  den  einzelnen  zerstreuten,  demnach  mit 
dem  Löffel  nicht  gut  ausschälbaren  Lupusknötchen  zur  An- 
wendung kommen. 

Man  kann  auch,  wie  Auspitz  empfohlen ,  die  Lanze  vor 
jedem  Einstechen  in  eine  leicht  ätzende  Flüssigkeit,  z.B.  dünne 
Jod-,  Carbol-,  Chlorzink  Lösung  eintunken  und  auf  diese  Weise 
das  Aetzmittel  mitten  in  die  kleinen  Ltipusknötchen  hineinbringen. 

Neben  der  mechanischen  Behandlung  spielt  die  mittels 
der  Aetzmittel  eine  grosse  Rolle. 

Das  praktisch  verwerthbarste  und  erprobteste  ist  der 
Lapisstift  (Lapis  en  crayon).  Derselbe  hat  die  genügende 
Resistenz ,  um  in  die  einzelnen  Lupusknoten  eingebohrt  zu 
werden,  demnach  die  mechanische  und  ätzende  Wirkung  in 
sich  vereinigend,  zugleich  den  Vortheil,  dass  mit  demselben 
insoferne  nie  geschadet  werden  kann,  als  er  in's  gesunde  Ge- 
webe nicht  vordringt. 

Ebenso  können  grosse  Knoten  von  Lupus  tumidus  mit 
grösster  Leichtigkeit  mittels  desselben  herausgravirt,  als  flache  In- 
filtrate mit  Vollständigkeit,  wie  mit  einem  scharfen  Löffel,  heraus- 
geschabt werden.  Da  gleichzeitig  hiebei  die  Gefässe  des  Randes 


ß36  Vierzigste  Vorlesung. 

und  Grundes  nicM  nur  meclianiscli  zerstört,  sondern  aucli  durcli 
die  Aetzung  thrombosirt  werden ,  so  sind  thatsächlich  mit  der 
Lapisätzung  alle  nur  erwünschten  Bedingungen  zur  Heilung 
gegeben,  umsomebr,  als  bei  der  mecbaniscben  Beseitigung  des 
Lupus  mittels  Scbabens  sebr  oft  die  Basis  nocb  besonders  ge- 
ätzt werden  muss.  Der  Lapis  bleibt  also  immerbin  das  Mittel 
xaT*  z^oji\v  gegen  Lupus. 

Lapis  in  concentrirter  Lösung  (Nitras  argenti, 
Aqu.  dest.  aa  10)  wenden  wir  nicbt  auf  unversehrten  Lupus 
an,  weil  diese  Lösung  die  Epidermis  nicbt  durchdringt,  sondern 
nur  auf  bereits  wunden ,  zum  Theil  zerstörten  oder  zerfallenen 
Lupus,  auf  lockere  Granulationen,  oder  gegen  recidive  junge 
Knötchen.  In  letzterem  Falle  nimmt  man  zunäcbst  eine  Lösung 
von  Kali  caust.  ö'O,  Aquae  dest.  lO'O,  pinselt  damit  die  vor- 
her durch  Seifenwaschung  entfettete  Hautfläcbe  mittels  eines 
Charpiepinsels  energisch  ein.  Hiebei  wird  die  über  den  ein- 
zelnen Lupusknötchen  gelegene  Epidermis  abgelöst  und  die 
Lupusknötchen  liegen  als  rothe  wunde  Punkte  zu  Tage.  Nun 
wäscht  man  mittels  eines  kleinen  Schwammes  das  überschüssige 
Kali  ab,  trocknet  die  Stelle  und  tupft  die  Lapislösung  ein, 
welche  nun  die  ofFen  liegenden  Knötchen  direct  angreift. 

Chlor  zink,  pur,  zerfliesst  sehr  rasch  an  der  Luft  und 
kann  derart,  oder  in  etwas  Alkohol  oder  Wasser  gelöst,  zur 
Aeizung  mittels  eines  Pinsels  benützt  werden.  Nach  der  An- 
gabe von  Brüns  und  Köbner  kann  man  dasselbe  mit  Kali- 
salpeter und  Chlorkalium  zu  Stäbchen  zusammenschmelzen  und 
giessen  nach  der  Formel:  1  Gramm  Chlorzink,  Kali  nitricum 
0,5—0,1,  Chlorkalium  0,5—0,1.  Die  Stäbchen  müssen  in  Stanniol 
gehüllt  werden,  weil  sie  sehr  hygroskopisch  sind  und  an  der 
Luft  schmelzen.  Sie  sind  keineswegs  so  resistent  wie  der  Lapis- 
stift, brechen  daher  und  schmelzen  beim  Aetzen.  Zugleich 
gerii^nt  unter  Chlorzink  das  Blut  gar  nicht,  sondern  über- 
schwemmt als  eine  hellrothe  Flüssigkeit  die  Operationsfläche. 
Auch  ist  der  Schmerz  nicht  viel  geringer  als  bei  Lapisätzung 
und  die  Narbenbildung  nicht  günstiger  als  bei  dieser.  Ich  kann 
also  demselben  nicht  jene  vorzügliche  Eigenschaft  zuschreiben, 
die  ihm  nachgerühmt  wurde. 

Dasselbe  gilt  für  den  nach  Veiel's  Vorschlag  aus  Chlor- 
zink und  Mehl  zu  einem  Teige  angerührten  und  durch  dessen 
Trocknung  gewonnenen  Aetzstift. 


Lupus. 


637 


Die  Pasta  Canqiioin  wird  aus  der  Vermischung  von 
an  der  Luft  verflüssigtem  Chlorzink  mit  dem  dreifachen  Quan- 
tum Amylum  gewonnen.  Auf  Leinwand  aufgestrichen  und  auf- 
gelegt ,  ätzt  sie  gesunde  und  kranke  Haut  durch ,  ist  also  nur 
am  Stamm  und  den  Extremitäten  zu  verwenden. 

Dasselbe  gilt  von  der  modificirten  LANDOLF'schen  Paste. 
Diese  bestand  ursprünglich  aus  3  Theilen  Chlorzink,  5  Theilen 
Chlorbrom  und  1  Theil  Chlorantimon,  welche  mit  Pulvis 
liquiritiae  zu  einer  Paste  verbunden  werden,  die  aber  wegen 
der  sich  hiebei  entwickelnden  Bromdämpfe  nicht  zu  empfehlen 
ist,  da  durch  deren  Einwirkung  auch  bei  der  Manipulation 
der  Arzt  selbst  Grefahr  läuft  urplötzlich  Laryngospasmus, 
krampfhaften  Husten,  Hämoptoe,  Conjunctivitis,  Nasenbluten 
zu  bekommen.  Da  ist  es  schon  besser,  die  Paste  mit  Hin- 
weglassung  des  Chlorbroms  anzuwenden.  Man  verschreibt: 
Ep.  Zinci  chlor.  10.  DS.  ad  lagenam. ;  —  Ep.  Butyr. 
Antimon.  10.  DS.  ad  lagenam. ;  —  Ep.  Acidi.  mur.  conc.  puri 
5.  DS.  ad  lagenam.,  und  etwas  Pulvis  rad.  liquir. 

Man  gibt  nun  das  Chlorzink  in  eine  Eeibschale,  etwas 
Salzsäure  dazu,  bis  das  Chlorzink  ganz  zerflossen  ist,  hierauf 
das  Chlorantimon ,  mischt  es  durch  einander  und  reibt  es  unter 
allmäliger  Hinzugabe  von  Pulvis  liquiritiae  zu  einer  dicken 
Paste  an.  Diese  wird  auf  Leinwand  messerrückendick  auf- 
gestrichen. Davon  werden  nun  Streifen  geschnitten,  so  breit 
und  lang  als  man  die  Aetzwirkung  haben  will.  Die  Streifen 
werden  aufgelegt,  niedergebunden  und  24  Stunden  liegen  ge- 
lassen. Nach  5 — 6  Stunden  stellen  sich  mehrere  Stunden  an- 
haltende Schmerzen  ein.  Nach  24  Stunden  abgenommen,  zeigt 
sich  ein  gelbbrauner  Schorf,  der  binnen  wenigen  Tagen  abfällt 
und  granulirende  Wunden  zurücklässt.  Da  die  Paste  gesunde 
und  kranke  Haut  gleichmässig  durchätzt,  kann  sie  nur  dort 
angewendet  werden ,  wo  an  der  Conservirung  der  gesunden 
Hautbrücken  nicht  viel  gelegen  ist,  also  am  besten  auf  die  Eand- 
partien  des  Lupus  serpiginosus ,  am  Stamm  und  an  den  Extre- 
mitäten und  niemals  im  Gesichte.  Wegen  der  tiefen  Aetzung 
sind  auch  die  nachfolgenden  Narben  sehr  voluminös. 

Da  ist  schon  die  Arsenikpaste  nach  der  von  Hebra  modi- 
ficirten Formel  des  Pulvis  Cosmi  mehr  zu  empfehlen.  Man 
verschreibt :  Ep.  Arsenici  albi  1 ,0 ;  Cinnabaris  fact.  3,0 ;  TJngu, 
emoll.  24,0. 


638 


Vierzigste  Vorlesung. 


Die  Paste  wird  auf  Leinwand  dick   anfgestrichen  und 
beliebig  gross  auf  die  Lupusstelle  aufgelegt ,  nach  24  Stunden 
abgenommen  und  durch  eine  neue  ersetzt.  Innerhalb  des  zweiten 
Tages  pflegen  schon  Schmerzen  sich  einzustellen.   Am  dritten 
Tage  wird  dieselbe  wieder  erneuert  und  treten  in  der  Regel 
mehrere  Stunden  anhaltende  Schmerzen  und  Schwellung  der 
Umgebung  ein.  Nach  Abnahme  der  Paste  hören  die  Schmerzen 
sofort  auf.  Es  zeigt  sich  die  merkwürdige  Wirkung,  dass  nur 
die  einzelnen  Lupusknötchen  schwarzgrau  necrosirt,  verschorft 
sind  ,  während  alle  zwischen  ihnen  liegenden  Haut-  und  Narben- 
inseln vollständig  unversehrt  geblieben.    Das  ist  ein  ausser- 
ordentlicher Vortheil  für  Lupus  im  Bereiche  des  G-esichtes, 
weil  man  nach  Abstossung  der  vielen  Schorfe  lauter  kleine 
Wunden  bekommt ,  die  wegen  ihres  geringen  Umfanges  binnen 
wenigen  Tagen  mit  schönen  Narben  heilen  und  überdies  den 
Gewinn,  auch  nicht  den  geringsten  Theil  der  gesunden  Haut 
unnöthig  zu  zerstören.    Bei  exulcerirtem  Lupus  wird  die  Wir- 
kung schon  in  2  Tagen,  bei  Lupus  tumidus  vielleicht  erst  nach 
4  Tagen  erreicht  werden. 

Intoxicationserscheinung  von  Arsenresorption  haben  wii- 
noch  niemals  gesehen ,  obgleich  wir  die  Paste  viele  hundert 
Male  schon  angewendet  haben  und  bei  einem  und  demselben 
Kranken  zu  wiederholten  Malen.  Freüich  soll  nie  eine  grössere 
Fläche  als  die  einer  Flachhand  auf  einmal  geätzt  werden. 

Eine  Intoxication  mit  tödtlichem  Ausgang  haben  wir 
blos  von  einer  Paste  erlebt,  welche  aus  Arsenik,  Opium 
und  Creosot  zu  gleichen  Theüen  gemischt  war,  die  aller- 
'dings  den  Vorzug  hat,  gar  keine  Schmerzen  zu  veranlassen, 
aber  dennoch  nach  dieser  traurigen  Erfahrung  widerrathen 
werden  muss. 

Das  DupuYTEEN'sche  Pulver  aus  0,1  Acidum  arsenicosum 
und  8,0  Calomel  bestehend ,  wird  auf  exulcerirte  und  wuchernde 
Stellen  1  Millimeter  dick  aufgestreut,  hat  aber  nur  geringe 

ätzende  Wirkung. 

K  a  1  i  c  a  u  s  t  i  c  u  m  f  u  s  u  m  verkohlt  Lupus  und  gesundes 
Gewebe  energisch ,  kann  also  nur  mit  sorgfältiger  Auswahl 
der  Oertlichkeit  und  gegen  grosse  Lupusinfiltrate  angewendet 

werden.  ,  , 

Dasselbe  gilt  für  die  Wiener  Aetzpaste  welche 
ebenfalls  das  gesunde  Gewebe  schwarzbraun  verkohlt.  Man 


Lupus. 


639 


verschreibt:  Rp.  Kali  caiist.  ptilv.  5,0.  DS.  ad  lagenam. ;  Calcar. 
caust.  pulv.  5,0.  DS.  ad  lagenam. ;  Spir.  vini  rectif.  10,0.  DS. 
ad  lagenam.  Aetzkali  und  Aetzkalk  werden  in  der  Reibsckale 
verrieben  und  vermischt ,  und  unter  geringer  Zutbat  von 
Spiritus  zu  einer  dicken  Paste  angerührt.  Die  zu  ätzende 
Stelle  wird  vorher  durch  in  ihre  Umgebung  aufgelegte  Streifen 
von  Heftpflaster  genau  umschrieben.  Darauf  wird  die  frisch 
bereitete  Paste  in  die  so  gebildete  Nische  mittels  eines  Zungen- 
spatels eingetragen,  die  Stelle  mit  Charpie  bedeckt.  Nach 
wenigen  Minuten  stellen  sich  heftige  Schmerzen  ein.  Die  Paste 
bleibt  genau  10  Minuten  liegen,  welche  Zeit  genügt,  damit 
auch  die  gesunde  Haut  complet  durchgeätzt  wird.  Es  wird 
null  die  Charpie  abgenommen  und  die  Paste  unter  einem  reichen 
Wasserstrahl  abgewaschen,  oder  der  betreffende  Theil  in  Wasser 
getaucht.  Es  zeigt  sich  ein  schwarzer  Schorf,  der  nach  Um- 
ständen biimen  4—8  Tagen  sich  abstösst.  Die  Paste  kann  also 
auch  im  G-esichte  nicht  angewendet  werden. 

Acidum  carbolicum  ätzt  nur  sehr  oberflächlich,  mit 
weisser  Schorfbildung ,  greift  auch  die  gesunde  Haut  an,  macht 
heftige  Schmerzen  und  wirkt  höchst  ungleichmässig. 

Acid.  pyrogallicum  5,  Ungu.  simpl.  50  (Jaeisch),  auf 
Leinwand  gestrichen  aufgelegt,  ätzt  binnen  mehreren  Tagen, 
aber  nicht  immer  gleichmässig. 

Sonst  empfohlene  Mittel ,  wie  Protojoduretum  und  Deuto- 
joduretum  hydrargyri  in  Salbenform,  oder  Jodschwefelsalbe,  oder 
Unguentum  hydrargyri  citricum  sind  von  höchst  prekärer 
Wirkung. 

Dagegen  ist  die  G-alvanocaustik,  welche  früher  durch 
Hebra  gegen  Lupus  in  Anwendung  kam,  sowie  der  PAQUELiN'sche 
Cautor,  den  ich  jetzt  gebrauche,  sehr  zu  empfehlen,  indem  man 
entweder  mittels  des  glühenden  Platinstiftes  die  einzelnen 
Lupusknötchen  ausstichelt,  oder  mit  dem  Porcellanbrenner 
grössere  Lupusinfiltrate  ausbrennt,  oder  mit  der  glühenden 
Schlinge  grosse  Wucherungen,  z.  B.  der  Ohrläppchen,  abträgt. 
Die  Schmerzen  sind  dabei  nicht  sehr  bedeutend. 

Von  Lupus  besetzte  Hautstellen  ganz  auszuschneiden, 
vielleicht  auch  gleichzeitig  plastische  Operationen  damit  zu 
verbinden ,  hat  nur  selten  Werth ,  da  eine  von  Narben  durch- 
setzte Hautpartie  noch  immer  weniger  entstellt,  als  ein  über- 
tragener Hautlappen,  dessen  Anwachsen  nicht  einmal  gesichert 


640  Vierzigste  Vorlesung. 

und  welcher  überdies  selbst  nicht  vor  neuer  Lupuserkrankung 
geschützt  ist.  Man  weiss,  dass  sogar  von  der  Armhaut  ge- 
bildete Nasen  später  von  Lupus  befallen  worden  sind. 

Methodische  Einpinselungen  von  Jodglycerin,  Jod- 
tinctur,  Application  von  Emplastrum  hydrargyri  kommen 
zweckmässig  zur  Anwendung  als  unterstützende  Mittel  der 
Heilung  bereits  exculcerirter  oder  geätzter  Stellen,  zur  Er- 
weichung von  harten  wulstigen  Narben ,  zur  Verminderung  der 
zurückbleibenden  Hyperämie,  ebenso  wie  Verbandmittel  ver- 
scliiedenster  Art,  leichte  Aetzungen  u.  s.  f.  nach  Umständen 
bei  der  Wundheilung  zum  Grebrauch  kommen  müssen,  da  die 
grösste  Aufmerksamkeit  auf  die  Erzielung  dünner  flacher  Narben, 
namentlich  im  Bereiche  des  Gesichtes,  gerichtet  sein  muss. 

Lupus  der  Conjunctiva  und  Cornea  wird  für  die  Anwen- 
dung des  scharfen  Löffels ,  oder  des  Lapisstiftes  am  besten 
geeignet  sein. 

Dass  alle  diese  Mittel  und  Methoden  in  jedem  einzelnen 
Falle  von  Lupus,  gewiss  aber  bei  einem  ausgebreiteten,  nach 
und  nach  und  in  verschiedener  Abwechslung  zur  Verwendung 
kommen  werden ,  ist  begreiflich.'  Man  kann  nicht  jeden  Tag 
tind  nicht  überall  gleichzeitig  ätzen ,  schaben  und  stechen ,  wird 
demnach  an  einer  Stelle  ätzen,  an  der  anderen  inzwischen 
maceriren,  da  Erysipel  bekämpfen,  dort  die  G-ranulatioDs- 
bildung  sorgfältig  behüten ,  einmal  auf  das  AUgemeinbefinden 
besondere  Aufmerksamkeit  richten,  kurzum  mit  grosser  Um- 
sicht und  Sachkenntniss  die  Behandlung  des  Lupus  leiten  und 
dabei  nicht  vergessen ,  dass  ,  will  man  etwas  ausrichten ,  zur 
rechten  Zeit  und  am  rechten  Ort  nur  die  voUe  Energie  des 
zerstörenden  Verfahrens  aUein  einen  Erfolg  verbürgt. 

Die  Recidiven  zu  verhüten  steht  uns  gar  kein  Mittel 

zur  Verfügung. 

Dass  gleichzeitig  vorhandene  Complicationen,  Caries,  Ne- 
crose,  Erysipel,  Lymphangoitis  lege  artis  behandelt  werden 
müssen,  ist  selbstverständlich. 


Scrophulose  und  Tuberculose  der  Haut,  dem 
Lupus  anatomisch  verwandte,  aber,  wie  erwähnt,  durchaus 
nicht  identische,  sondern  von  demselben  klinisch  differente 
Processe,  mögen  hier  noch  kurze  Erwähnung  finden. 


Scropliiilose.  Tiiberciilose  der  Haut 


641 


Bezüglich  der  Scrophuloae  darf  ich  auf  die  bekannten 
Werke  über  Chirurgie  und  pathologische  Anatomie  verweisen, 
sowie  auf  das,  was  ich  in  der  Aetiologie  des  Lxipus  darüber 
gesagt  und  im  Capitel  über  Geschwüre  noch  weiter  vorbringen 
werde.  Es  handelt  sich  dabei  um  zumeist  von  entzündlich- 
hyperplastischen  Lymphdrüsen  und  von  Perilymphangioitis- 
Knoten  auf  die  Haut  übergreifende  Entzündung,  deren  Product 
geringe  Neigung  zu  Organisation  und  grosse  Tendenz  zu 
käsigem  Zerfalle  besitzt,  und  zur  Bildung  der  bekannten, 
seichten,  unterminirenden ,  schlapprandigen  Greschwüre  Veran- 
lassung gibt. 

Von  Tuberculose  der  Haut,  nicht  von  unterlagernden 
Herden  in  dieselbe  überwuchernder,  sondern  in  ihr  selbstständig 
entstandener,  thun  WaCcNEr,  0.  Weber  Erwähnung  und  brin- 
gen Pantlen,  Bizzozero,  Baumgarten,  Griffini,  Hall  u.  A. 
casuistische  Mittheilungen.  Doch  beziehen  sich  die  Meiston 
auf  entzündliche  und  ulcerirte  Krankheitsproducte  in  elephan- 
tiatischer  Haut ,  oder  in  Lupusherden ,  die  auf  Grund  von 
Riesenzellen-Befund  von  den  betreflFenden  Autoren  für  wahre 
Tuberkel  angesprochen  wurden.  Ein  Fall  von  zweifellos 
echtem  Tuberkel  der  Haut  ist  von  Chiabi  (tuberculöses  Ge- 
schwür der  Unterlippe)  und  ein  zweiter  von  Chiari  und  Jarisch 
mitgetheilt  worden.  Dieser  letztere  Krankheitsfall  betraf  einen 
42  Jahre  alten  Mann ,  der  mit  einem  bogenförmig  begrenzten, 
mit  röthlichgelben,  mässig  derben  Granulationen  am  Grunde 
und  zackigem  Rande  besetzten,  das  linke  Ohr  umgreifenden 
Geschwüre  auf  die  hiesige  dermatologische  Klinik  aufgenommen 
worden  war  und  nach  Auftauchen  von  zahlreichen ,  miliären 
und  rasch  zerfallenden  Knötchen  des  Velum  binnen  wenigen 
Wochen  daselbst  verstarb.  Neben  Tuberculose  der  Lungen 
konnte  Chiari  in  den  ßandpartien  des  Hautgeschwüres,  sowie 
in  den  subcutanen  (und  submucösen)  Geweben  „isolirte  und  zu 
stecknadelkopfgrossen  Gruppen  conglomerirte,  meist  0"3  Milli- 
meter grosse,  rundliche,  im  Centrum  bereits  in  beginnendem 
käsigen  Zerfalle  begriffene"  Knötchen  von  dem  unbezweifel- 
baren  histologischen  Charakter  des  Tuberkels  nachweisen. 


Kaposi,  Hautkrankheiten. 


41 


IX.  Olasse. 

Bösartige  NeubildungeB. 


Einundvierzigste  Yorlesung. 

Lepra. 

Lepra  Arabum,  Elephantiasis  Graecorum,  Leprosy 
(engl.),   Spedalskhed   (norweg.),   der  Aussatz,   lieisst  eine 
deletäre,   constitutionelle  Krankheit,  welche  heutzutage 
nur  noch  in  gewissen  Gegenden  endemisch  vorkommt,  Jahr- 
hunderte hindurch  aber  als  eine  wahre  Geissei  des  Menschen- 
geschlechtes geherrscht  hat,  indem  vom  5.-14.  Jahrhunderte, 
vornehmlich  aber  zur  Zeit  der  Kreuzzüge,  im  ganzen  mitt- 
leren Europa  und  an  den  asiatischen  und  afrikanischen  Mittei- 
meerküsten  Hunderttausende  von  Menschen  jegUchen  Alters 
und  Standes  von  derselben  heimgesucht  wurden.    In  Deutsch- 
land England  und  Frankreich  sind  im  8.  Jahrhundert  Tausende 
von  Leproserie-Häusern  für  die  Aussätzigen  errichtet,  sowie 
gesetzliche  Ehe-  und  Verkehrsverbote  gegen  dieselben  erlassen 
worden,  da  man  das  Uebel  für  ansteckend,  und  daher  es  für 
nöthig  hielt,  die  damit  Behafteten  fern  ab  von  dem  gesell- 
schaftlichen Verkehre,  und  unter  der  Obhut  freiwilliger  Pfleger 
(Orden  des  heil.  Lazarus)  in  isolirte  Anstalten  zu  verbannen 
(exponere  =  aussetzen,  daher  „Aussatz"). 

Erst  mit  Beginn  des  15.  Jahrhundertes  verminderte  sich 
die  Zahl  der  Leprakranken  und  mit  dem  Auftreten  der  ver- 
meintlich neuen  Seuche,   der  Syphilis,   gegen  Ende  des 
15.  Jahrhundertes,  soliien  die  Lepra  ganz  erloschen  zu  seui 
was  zu  der  theilweise  noch  heute  (F.  A.  Smox)  vertretenen 


Lepra. 


G43 


Ansicht  Veranlassung  gab,  als  wäre  die  Syphilis  aus  der  Lepra 
hervorgegangen.  Sicher  ist,  dass  von  dieser  Zeit  angefangen 
die  Kenntniss  dieser  Krankheit  bis  in  dieses  Jahrhundert 
beinahe  verloren  gegangen  war.  Der  Mangel  an  Krankheits- 
objecten  nicht  allein  war  es,  der  eine  Aufklärung  der  ärzt- 
lichen Welt  über  den  beinahe  mythisch  gewordenen  Aussatz 
erschwerte  und  verzögerte,  sondern  es  lag  dies  auch  in  der 
überaus  wirren  Nomenclatvir ,  welche  in  den  vorausgegangenen 
Jahrhunderten  für  das  Uebel  sich  eingebürgert  hatte. 

Die  Grriechen  hatten  für  die  Krankheit ,  so  lange  sie  die- 
selbe nur  dem  Rufe  nach  kannten ,  die  Namen  (powi-/,T,  v6c7o:, 
ca-:up'.a<7tc ;  :XsovTixci; ,  später  s'XscpavTta^t;  gebraucht.  Bei  den 
Arabern  hiess  sie  Aljudzam,  welches  von  den  Araber-Ueber- 
setzern  aus  der  Salernitanischen  Schule  (11.  Jahrhundert)  mit 
Lepra  (i.  e.  Arabum)  übersetzt  wurde  (mit  den  4  Arten: 
L.  Elephantina,  Leonina,  Alopecia  und  Tyria) ;  so  dass  dem- 
nach Lepra  Arabum  =  Elephantiasis  Grraecorum  =  Aussatz ; 
während  Elephantiasis  Arabum  =  Pachydermie  (pag.  ; 
Lepra  Grraecorum  dagegen  als  Psoriasis  (pag.  374)  sich  heraus- 
gestellt hat.  Daneben  scheinen  noch  Vitiligo  (alphos,  melas, 
leuke)  bei  den  Grriechen,  Albarras  (alba  et  nigra)  und  Morphaea 
bei  den  Arabern ,  besondere  Lepraformen  bedeutet  zu  haben, 
welch'  letzterer  Namen  neuestens  (von  E.  Wilson)  für  eine 
Artlocal  verlaufender  Lepra  in  Anspruch  genommen  worden  ist. 

Die  ersten  Aufklärungen  wurden  nicht  so  sehr  durch  die 
frisch  aufgenommenen  literar-historischen  Studien  (Hensler) 
über  den  Gregenstand  gewonnen,  als  diirch  die  erneuerte  Be- 
kanntschaft mit  der  Lepra  selbst,  welche  zunächst  durch  die 
skandinavischen  Aerzte  Boeck  in  Christiania  und  Danielssen 
in  Stockholm  vermittelt  worden  (1842  und  1848)  ist. 

Seitdem  sind  durch  Hebra,  Virchow,  Köbner,  Bergmann 
und  eine  grosse  Reihe  von  Schriftstellern  aus  den  verschie- 
densten Lepragegenden,  sowie  von  Pathologen  unserer  Zonen, 
deren  Verdienste  nicht  im  Geringsten  geschmälert  werden  soll, 
wenn  ich  sie  hier  auch  nicht  namentlich  anführe,  weitere 
wertlivolle  Aufschlüsse  über  die  Pathologie  und  Anatomie 
dieserKrankheit  gegeben  worden.  Nicht  wenig  hat  zur  Orientirung 
beigetragen  der  Umstand ,  dass  viele  als  besondere  endemische 
Krankheiten  bis  dahin  gegoltene  Uebel,  wie  Radesyge  in 
Norwegen;  Falcadina,  Scarliavo  im  Istrianischen;  Siw- 

41* 


^Q_^  Eiirnnd vierzigste  Vorlesung. 

wens  in  Schottland;  Krimskaja  s.  Morbus  tauriensis  in  der 
Krim  u.  A.  dahin  klargestellt  wurden,  dass  zwar  manche  derselben, 
z.  B.  die  Krimskaja,  zum  Th eil  der  Lepra  entsprechen,  grössten- 
theils  aber  einen  Sammelbegriff  für  allerlei  chronische  und 
unheilbare  Krankheiten,  namentHch  ulceröse  und  hereditäre 
Syphilis  vorstellen,  demnach  von  Lepra  complet  verschieden 
seien. 

Wir  wissen,  dass  die  Lepra  heutzutage  in  allen  Küsten- 
ländern und  auf  den  Inseln  des  mittelländischen,  schwarzen 
imd  kaspischen  Meeres,  ausserdem  in  Norwegen,  Lievland,  im 
ganzen  Küstengebiet  Afrikas  und  auf  dessen  benachbarten 
Inseln,  sowie  in  einzelnen -Binnenländern ,  in  Kleinasien,  Syrien 
und  Palästina  (am  Libanon),  /ferner  auf  den  Küstenstrichen 
und  Inseln  des  indischen  und.  chinesischen  Meeres,  auf  den 
Inseln  des  australischen  Archipels,  in  einzelnen  Staaten  Nord- 
amerikas, häufig  in  Mittel-  und  Südamerika,  noch  besonders 
in  Island,  endemisch  vorkommt.    In  einzelnen  Fällen  und  in 
besonderer  Form,  das  ist  speciell  der  maculösen,  findet  sich 
Lepra   auch  auf  dem  südöstlichen  Theile  des  europäischen 
Continentes,  in  der  Moldau,  WaUach ei ,  der  Türkei,  dem  süd- 
lichen Russland,  und  jüngst  hat  Schwbimer  aus  Ungarn  l  Fall 
mitgetheilt.    Allüberall,   wo    sie    überhaupt   sich  vorfindet, 
erweist  sich  die  Krankheit  von  wesentlich  demselben  Charakter 
lind  derselben  deletären  Bedeutung.    Deshalb  sind  auch  die 
vielfach  in  Gebrauch  gewesenen  geographischen  Bezeichnungen, 
wie  Rosa  esturiensis.  Krimisches  Uebel   oder   die  regionär 
üblichen  Benennungen,  wie  Spedalskhed  in  Norwegen  Morphea 
in  Italien,  Malo  mortuo-,  Ngerengere,  Melaatscheid  (hoUand.) 
aufgegeben  und  der  Namen  Elephantiasis  Graecorum  s.  Lepra 
Arabum,  oder  Lepra  kurzweg  allgemein  angenommen  und  iur 
die  Zukunft  beizubehalten. 

Lepra  char akterisirt  sich  als  eine  constitutio- 
nelle  Krankheit,  welche  im  chronischem  Verlaufe 
auf  der  allgemeinen  Decke  (und  Schleimhaut)  gelb-, 
roth-  bis  dnnkelbranneFlecke  und  E  ntf  ärbnngen, 
flache,  diffuse  und  knotige,  zur  Schuppung  oder 
Ulceration  gelangende  Infiltrate,  seltener  Bla- 
sen, weiters  Hyperästhesie  und  Anästhesie  und 
vielerlei  Erkrankungen  auch  innerer  Organe^  ver- 
anlasst und  mit  seltenen  Ausnahmen  durch  einen 


Lepra. 


645 


specifischen  Marasmus  direct  oder  ;  iEidirect  zuin 
Tode  führt. 

Die  aufgezählten  Symptome  treffen  manchmal  allesammt. 
gleichzeitig  bei  demselben  Individuum:  zusammen.  In  der^ 
Regel  jedoch  erscheinen  sie  in  einer  gewissen  Grruppirung  und 
Reihenfolge,  welchen  entsprechend  es  gerechtfertigt  und  prak- 
tisch: ist,  die  Lepra  nach  mehreren  Typen  —  die  aber  doch 
immer  denselben  Process  bedeuten  —  zu  unterscheiden.  Solcher 
haben,  nach  dem  Vorgange  von  Robinson,  Boeck  und  Danielssen 
zwei  nntetschieden:  Lepra  tuberosa  und  anaesthetica ,  Armaueb., 
Hansen  dagegen  L..tuberosa  et  maculosa. 

Ich,  habe  geglaubt  auf  Grund  meiner  Beobachtungen 
dreierlei  Typen  unterscheiden  :zu  sollen:  1.  die  knotige  oder 
tuberöse,  2.  die  fleckige  oder  maculöse,  3.  die  anästheti- 
sche Form  der  Lepra.?   :  : 

Der  Krankheit,  welches  Typus  immer,  pflegen  Prodro- 
malerscheinungen  voranzugehen,  welche  sich  von , den  bei 
anderen  schweren  Erkrankungen  zu  beobachtenden  nicht  we- 
sentlich unterscheiden,  als:  Mattigkeit,  Appetitlosigkeit,  Schlaf- 
losigkeif,  .allgemeine  Unlust,  mäsäige  Fieber erregungen,  Diar- 
rhoen, bei  einzelnen  Personen  Pemphigusblas.en,  die  in  spärlicher 
Zahl,  jeden  Tag  eine,  oder  in  vielen  Tagen  nur  einzelne,  auftauchen. 
•  '  Die  Prodromalsymptome ,  die  nur  in  seltenen  Fällen  ganz 
ausbleiben,  können  Wochen,  Monate ,  selbst  mehrere  Jahre 
a'ndauern ,  worauf  dann  die  eigentlichen  Leprasymptome  sich 
einstellen.  Es  ist  aber  aus  den .  Vorlauf ern  durchaus  nicht  zu 
entnehmen,  nach  welchem  Typus  der  Process  sich  gestalten 
wird,  ob  nach  dem  der  knotigen,,  der  fleckigen,  oder  der  anästhe- 
tischen Lepra. 

1.  Der  Knoten-Aussatz,  Lepra  tuberosa,  be- 
ginnt mit  der  Entwicklung  von  fingernagel-,  thaler-  bis  flach- 
liandgrossen  und  noch  mehr  ausgedehnten,  rundlich  oder 
unregelmässig  gestalteten  Flecken,  ■  von  anfangs  rother, 
unter  dem  Fingerdruck  erblassender ,  alsbald  graubraun-  bis 
sepiabrauner-  oder  Bronce-Farbe.  An  denselben  ist  die  Haut 
glatt,  glänzend,  wie  mit  Oelfarbe  bestrichen,  oder  broncirt 
-und  verdickt  (infiltrirt),  flach  oder  etwas  vorspringend  und 
gegen  Druck  schmerzhaft.  Die  Flecke  finden  sich  unregelmässig 
zerstreut  über  Stamm ,  Extremitäten,  im  GJ-esicht,  an  Händen 
und  Füssen,  Flachhand  und  Fusssohlen. 


Q^Q  Einundvierzigste  Vorlesung. 

Wochen  und  Monate  hindurcli  bleibt  es  bei  diesen  Flecijen-, 
formen  und  flachen  Infiltraten,  welche  ihre  Gestalt  und  Grösse 
vielfach  ändern,  indem  sie  theilweise  mit  einander  confluiren, 
oder  stellenweise  schwinden ,  oder  durch  centrale  Rückbildung 
und  peripheres  Fortschreiten  annuläre  Form  annehmen. 

Nach  Monaten ,  manchmal  erst  nach  2—3  J ahren,  tauchen 
an  verschiedenen  Körperstellen  Knoten  auf.  Sie  sind  schrot- 
korn-,  erbsen-,  bohnen-  bis  haselnussgross ,  flach  oder  halb- 
kugelig vorgewölbt,  schmutzig  braunroth,  glänzend,  derb- 
elastisch bis  weich  anzufühlen,  mit  glänzender,  zuweilen  mässig 
schilfernder  Epidermis  bedeckt,  zerstreut,  stellenweise  dicht 
zusammengedrängt,  wodann  sie  entweder  unregelmässige,  ungleich 
höckerige  Plaques,  selten  regelmässige  Kreisfiguren  präsentiren. 

Ihr  hauptsächlichster  Sitz  ist  das  Gesicht.  Hier  bilden 
sie  über  den  Augenbrauen  diesen  parallel  und  dicht  anein- 
andergereihte,  höckerige,  das  Auge  überdachende  Wülste;  an 
der  Nase,  sowie  an  den  Wangen  und  am  Kinn  unregelmässige, 
dichte  Haufen,  welche  an  Lupus  tumidus  oder  Acne  rosacea 
erinnern.    Die  Lippen  werden  diff'us  oder  knotig  verdickt, 
wulstig,  aufgeworfen,  die  UnterHppe  wird  hängend,  was  dem 
Gesichte  einen  hämischen,  blöden  Ausdruck  verleiht,  während 
die  tiefgefurchten  und  gegen  die  Glabella  gedrängten  Stirn- 
wülste zugleich  demAntütz  das  Gepräge  des  Morosen,  Stumpf- 
sinnigen verleihen.  Die  Augendeckel  werden  oft  durch  Knoten 
herabgedrängt   oder  ausgestülpt;  die  Ohrläppchen  hängen  als 
dicke,  unförmliche,  sulzig  transparente  Knollen  herab. 

Am  Stamme  und  an  den  Extremitäten  kommen  die  Knoten 
in  ungleichmässiger  Vertheilung  vor;  an  vielen  SteUen  sind  sie 
mit  dem  Finger  als  in  das  subcutane  Zellgewebe  reichende 
Knollen  fühlbar.  Auf  der  Flachhand  und  Fusssohle  haben 
wir  einmal  zahlreiche  kleine  Knötchen  gesehen,  die  denen  der 
SyphiHs ,  oder  des  Lupus  zum  Verwechseln  ähnlich  waren. 
Hände  und  Füsse  werden  durch  die  flachen  und  knotigen  In- 
filtrate und  das  sie  begleitende  Oedem  verdickt,  sehr  schmerz- 
haft, so  dass  das  Gehen  und  Hantiren  mit  bedeutenden  Be- 
schwerden verbunden  ist. 

Auch  auf  der  Conjunctiva  palpebrarum  und  auf  der 
Cornea  kommt  es  zu  atheromähnlichen  Knötchen,  Schrum- 
pfungen -Pannus  crassus  s.  leprosus  m  Folge  von 
Ectropium  und  Lagophthalmus  zu  Verschwärung  der  Cornea. 


Lepra. 


647 


Der  Verlauf  der  einzelnen  Knoten  ist  äusserst  lente- 
scirend,  obgleich  ihre  Entwicklung  ziemlich  rasch  stattfinden 
kann.    Sie  gehen  erst  innerhalb  vieler  Monate  retrograde  Me- 
tamorphosen ein.  Viele  werden  vollständig  resorbirt,  mit  Hinter- 
lassung von  dunkel  pigmentirten ,  atrophischen  Stellen ;  andere 
breiigen  sich  bei  centralem  Schwund  peripher  aus  und  bilden 
Kreisformen;  noch  andere  zerfallen,  wahrscheinlich  zumeist 
durch  mechanische  Ursachen,  Stoss ,  Druck,  besonders  über 
den  Ellbogen ,  Knieen ,  an  den  Füssen  und  geben  Veranlassung 
zwv  Entstehung  der  leprösen  Geschwüre.    Diese  sind 
flach,  höchst  indolent,  sondern  massig  dünnes  Secret  ab  und  über- 
häuten wiederholt ,  um  neuerdings  zu  zerfallen.  Selten  greifen 
sie  tiefer,  in  Verbindung  mit  Massennecrose.    Bei  dieser  Ge- 
legenheit kommt  es ,  namentlich  an  den  Unterextremitäten,  oft 
zu  complicirenden  Entzündungen,  Lymphangoitis ,  Erysipel,, 
Eiterung  und  Eröffnung  der  Gelenke,  des  Sprunggelenkes  und 
der  Mittelfussgelenke,  der  Phalangen,  der  Finger  und  Zehen, 
wobei  einzelne  Knochenpartien  verloren  gehen,  ganze  Glieder 
abfallen  und  Mutilationen  verschiedener  Art  zu  Stande  kommen 
können  —  Lepra  mutilans. 

Auch  auf  der  Schleimhaut  der  Nase,  besonders  aber 
der  Mundrachenschleimhaut,  des  Kehldeckels  und  des  Kehl- 
kopfes, tauchen  reichliche  Knötchen  auf;  es  kommt  zu  Ver- 
dickung und  Kissigsein  der  Zunge,  bei  Beibehaltung  des 
Geschmackes,  Schrumpfung  des  Kehldeckels,  tonloser  Stimme 
und  Exhalation  eines  süsslich  faden  Geruches.  Früher  oder  später 
tritt  auch  Anästhesie  an  verschiedenen  Körperstellen  auf. 

Die  geschilderten  Erkrankungserscheinungen  entwickeln 
sich  in  einzelnen  Fällen  unter  Fieber  höchst  acut  und 
erreichen  binnen  wenigen  Monaten  einen  so  hohen  Grad, 
wie  in  anderen  Fällen  kaum  nach  vielen  Jahren.  Unter 
Andauer  und  fortwährender  Steigerung  des  Fiebers  und 
der  Eruptionen  gesellen  sich  Erkrankungen  innerer  Organe 
hinzu:  Gehirnerscheinungen,  erschöpfende  Diarrhoen,  Pneu- 
monie, Pleuritis,  und  die  Kranken  gehen  zu  Grunde.  Zumeist 
jedoch  kommt  der  erwähnte  Symptomencomplex  in  chro- 
nischem Verlaufe  zu  Stande,  welcher  durch  acute  Exacer- 
bationen ,  namentlich  Fiebererregungen  unterbrochen  wird, 
die  einmal  von  einer  raschen  Involution  der  meisten  Knoten, 
oder  dem  erneaerten  Ausbruch  vieler ,  oder  Involution  alter 


648 


Einundvierzigste  Torlesung. 


und  Evolution  neuer  gefolgt  sind,  so  dass  die  Fiebererschei- 
nungen den  Charakter  von  metastatischen  Processen  darbieten. 

Grleichzeitig  wird  das  Gesammtbefinden  unter  solchen 
Complicationen  bedeutend  alterirt ,  während  in  den  fieberfreien 
Stadien  das  geistige  und  körperliche  Befinden  vollständig  gut 
sein  kann ,  wofern  nicht  die  örtlichen  Hautafi'ectionen,  nament- 
lich entzündliche  Complicationen,  den  Zustand  unbequemer 
machen.  Nach  Verlauf  von  im.  Durchschnitte  8 — 10  Jahren 
wird  doch  allgemeiner  Marasmus,  oder  eine  complicative  Er- 
krankung der  inneren  Organe  den  Tod  veranlassen.  Sehr 
häufig  ist  es  eine  acute  fieberhafte  Eruption,  welche  mehrere 
Wochen  und  Monate  anhält,  die  das  letale.  Ende  herbeiführt. 
In  noch  anderen  Fällen  kommt  es  vorerst  zu  Anästhesien  und 
Pemphigusformen ,  welche  Fälle  auch  alsgemischteLepra 
figuriren,  so  dass  nun  das  Krankheitsbild  der  anästhetischen 
Lepra  als  prävalirend  sich  etablirt  und  bis  an's  Lebens- 
ende anhält. 

2.  Der  Flecken-Aussatz,  Lepra  maculosa,  charakte- 
risirt  sich  durch  mit  oder  ohne  Prodrome  auftretende  Fl e  cke 
von  dem  schon  beschriebenen  Ansehen,  als  rothe  oder  verschieden 
braun  gefärbte,  glänzende  Verfärbungen  mit  oder  ohne  In- 
filtration, oder  in  Grestalt  von  theils  punktförmigen  oder  streifen- 
förmigen, oder  auch  diifusen,  dunklen  Pigmentirungen,  die  mit 
pigmentlosen ,  weissen  Punkten ,  Flecken  und  Streifen  unter- 
mischt sind,  wodurch  die  allgemeine  Decke  ein  geschecktes 
Ansehen  erhält. 

Manche  Autoren  (Er.  Wilsox)  unterscheiden  unter  diesen 
mannigfachen  Formen  eine  als  Morphaea  (rubra,  alba,  lar- 
dacea,  atrophica,  nigra),  bei  welcher  verschieden  grosse,  roth 
umrandete,  in  der  Mitte  entweder  weisse,  speckig  glänzende 
lind  derbe,  oder  hier  atrophische  und  pigmentirte  Flecke  ent- 
stehen; weiters  Vi tiligo-Formen,  welche  durch  ausgebreitete 
sepiabraune  Pigmentirungen  präsentirt  werden. 

Lepra  maculosa  geht  häufig,  in  die  Knotenform  über  und 
ebenso  häufig  gesellen  sich  zu  derselben  die  Symptome  der 
anästhetischen  Lepra. 

3.  Lepra  anaesthetica  kennzeichnet  sich,  wie  der 
Name  besagt,  durch  das  Auftreten  von  Anästhesie  an  der  Haut. 
Dieselbe  erscheint  entweder  an  solchen  Hautstellen,  welche 
der  Sitz  von  Knoten  oder  von  Flecken  sind ;  oder  es  kommen  vor- 


Lepra. 


G49 


erst  mit  oder  ohne  anderweitige  Lepra-Ersclieinurgen  Pemplii- 
gusblasen  —  Pemphigus  leprosus,  —  welche  nach  ihrem. 
Abheilen  weisse,  glänzende  und  sofort  anästhetische  Haut-- 
stellen  zurücklassen,  oder  nach  Abfallen  ihrer  Decke  flache 
oder  tiefere  Ulcerationen  veranlassen;  oder  die  Anästhesie 
tritt  an  vollständig  normal  aussehenden  Hautpartien  auf,  so 
dass  man  erst  durch  die  Untersuchung  mit  der  Nadel  die  be- 
treffenden Stellen  entdeckt.  Zuweilen  geht  der  Anästhesie  einer 
Stelle  Monate  hindurch  Rothe  und  Hyperästhesie  voraus. 
Manchmal  runzelt  sich  die  Epidermis  über  den  anästhetischen 
Partien ,  welche  .dadurch  greisenhaft  erscheint  und  von  der 
nachbarlichen  gesunden,  strotzenden  Haut,  von  welcher  sie  öfters 
auch  durch  eine  geröthete,  hj^perästhetische  Marke  abgegrenzt 
erscheint,  sehr  auffallend  absticht. 

Die  anästhetischen  Stellen  entsprechen  nach  Oertlichkeit 
und  Ausdehnung  keineswegs  einem  ganzen,  bestimmten,  cutanen 
Nervenbezirk ;  es  herrscht  in  dieser  Beziehung  die  grösste  Un- 
regelmässigkeit und  es  fällt  aus  einem  grossen  anästhetischen 
Felde  oft  ein  ganz  unregelmässiger  Meck  aus ,  der  die  Empfin- 
dung bewahrt  hat.  Die  Empfindungslosigkeit  wechselt  in  der 
ersten  Zeit  auch  oft  ihren  Ort,  verschwindet  da,  taucht  dort  auf 
iindnur  wo  sie  stabil  geworden,  tritt  nachträglich  Atrophie,  dunkle 
Pigmentirung  und  ßunzelung  der  Haut  ein.  Die  Anästhesie 
ist  eine  vollständige;  man  kann  eine  Nadel  bis  an  den 
Knopf  durch  Haut  und  Muskeln  einstossen,  ohne  die  geringste 
Empfindung  zu  wecken,  und  die  Elranken  verbrennen  sich  oft 
am  Eeuer,  ohne  im  mindesten ,  etwas  davon  zu  wissen. 

Häufig  findet  man  einzelne  sixbcutan  gelegene  Nerven- 
stränge ,  z.  B.  den  Nervus  ulnaris ,  zwischen  Olecranon  und 
Condylus  internus  humeri,  oder  den  ganzen  Plexus  cervicalis, 
den  Nervus  brachialis,  gegen  Druck  sehr  schmerzhaft  und  ge- 
schwollen. 

Im  Bereiche  der  Schleimhaut  des  Mundes  und  der 
Hachenhöhle  kommen  bei  dieser  Form  keine  aufi'dllenden  Ver- 
änderungen vor  ;  jedoch  klagen  die  Kranken  häiifig  über 
Empfindung  von  Trockenheit  und  quälenden  Durst.  Nun 
steigern  sich  nach  Ausbreitung  und  Intensität  einerseits  die 
Hyperästhesien,  und  andererseits  die  ihnen  folgenden  Krank- 
heiten und  Atrophie  der  Grewebe.  Es  stellt  sich  Ameisenlaufen 
in  den  Extremitäten ,  Schmerzhaftigkeit  aller  Nervenstämme 


ß^Q-  Eimindvierzigste  Vorlesung. 

ein,  die  Kranken  vertragen  es  nicHt  längere  Zeit  in  der  gleichen 
Stellung  zu  sitzen  oder  zu  liegen,  sie  müssen  sogar  gespeist 
werden,  weü  sie  nichts  in  die  Hand  zu  nehmen  im  Stande 
sind,   ebensowenig   wie  zu  gehen  oder  zu  stehen,   ohne  die 
heftigsten    Schmerzen,    ja    zuweilen    klonische  Krämpfe  zu 
bekommen.    Nach  längerer  Zeit  lassen  diese  Symptome  der 
Hyperästhesie   nach,  was  aber  keineswegs  ein  Zeichen  der 
Besserung,    sondern  ein  Symptom  der  folgenden  allgemeinen 
Anästhesie  ist,  welche  grössere  Nervenbezirke  nunmehr  be- 
fällt. Der  Anästhesie  folgt  auch  weiters  Atrophie  der  Haut 
und  der  unterliegenden  Gewebe,  namentlich  auch  der  M  u  s k  e  1  n, 
was  der  Haut  ein  welkes,  greisenhaftes  Ansehen  verleiht.  So 
präsentirt  sich  speciell  der  Gesichtsausdruck  alternd,  greisen- 
haft, blöde,  stumpfsinnig,  wegen  der  ausgesprochenen  Runzelung, 
des  Aufhörens  alles  Mienenspieles ;  wegen  Lähmung  des  Augen- 
schliessmuskels  hängt  das  untere  Augenlid  herab,  tritt  Thränen- 
träufeln,  Xerophthalmus   ein;   ebenso  hängt   die  Unterlippe 
schlapp  herab ,  über  welche  fortwährend  der  Speichel  abfliesst. 
Weiters  werden  durch  die  ungleiche  Action  der  theils  noch 
functionirenden,  theils  in  ihrer  Function  alterirten  oder  ge- 
lähmten Muskelgruppen  vielfach  Verzerrungen  sowohl  im  Be- 
reiche   des  Gesichtes ,   als  an  den  Extremitäten  stattfinden, 
letzteres  namentlich  an  den  Händen,  wo  die  Beuger  ^^er ^le 
Strecker  das  Uebergewicht  erlangen  und  die  Finger  m  halber 
Beugung  gehalten,  dagegen  die  Hohlhand  convex  vorgedrängt, 
der  Handrücken  eingebuchtet  und  an  SteUe  der  atrophischen 
M    interossei  grubig  erscheint.    Zugleich   sind  die  Finger- 
spitzen kolbig  verdickt,  die  Nägel  kappenförmig  und  ver- 
dünnt,   die  Hand    im  Handgelenke   nach  einwärts  geroUt. 
Kopf-  und  Körperhaare  werden  allmälig  trocken,  dunn,  fallen 
aus   Endlich  kommt  es  zu  Ulcerationen,  öderes  wird  das 
Gewebe  unter  ganz  unmerklichen  Entzündungserscheinungen 
einfach   consumirt,   verdünnt,   so   dass   im  fortschreitenden 
Schwunde  der  Haut  Fascien  und  Sehnen,  ein  oder  das  andere 
Gelenk  blossgelegt  und  ein  ganzer  Finger,  eine  Phalanx,  eine 
ganze  Hand,  ein  ganzer  Fuss,  plötzlich  abfallen  -  Lepra 
mutilans.   Hie  und  da  kommt  es  auch  an  einzelnen  Stellen 
zu  mumificirender,  oder  feuchter  Gangrän.  Es  lässt  sich  schwer 
anders  sagen,  als  dass  an  diesem  Schwund  der  Gewebe  Al- 
terationen trophischer  Nerven   -    obgleich  deren  Existenz 


Lepra. 


651 


keineswegs  anatomiscli  nacligewiesen  ist  —  Schuld  tragen; 
denn  es  machen  sich  auch  solche  trophische  Störungen  an  Oert- 
lichkeiten  geltend,  wo  von  Spannung,  Druckerscheinung,  wie 
üher  den  Grelenken,  keine  Eede  ist,  z.  B.  Perforation  der 
Nasenscheidewand,  Iridocyclitis,  Erbleichung  der  Iris. 

Yon  der  G-eschlechtsfunction  haben  Einige  gemeint, 
dass  sie  bei  Leprösen  abnorm  gesteigert  sei  (S  aty  r  ia si  s). 
Das  ist  nun  nicht  richtig;  aber  sie  ist  auch  nicht  immer  auf- 
gehoben, selbst  wenn  das  Integument  der  Grenitalien  bereits 
anästhetisch  ist. 

Mit  den  fortschreitenden  Lähmungserscheinungen  im  Be- 
reiche der  sensitiven  Nerven  tind  der  Gewebsatrophie  wird 
auch  die  Wärmeproduction  bedeutend  herabgesetzt,  die  Herz- 
action  träge,  der  Puls  langsam,  die  Gehirnfunction  sehr 
deprimirt.  Die  Kranken  werden  stumpfsinnig,  sitzen  oder 
liegen  Tage  lang  theilnahmslos  da,  müssen  gefüttert,  gelegt, 
getragen  werden.  Allmälig  kommt  es  auch  zu  Störungen  der 
anderen  Functionen,  der  Se-  und  Excretionen.  Sie  sterben 
marastisch  unter  einem  Anfall  von  Tetanus,  oder  in  Folge  von 
Complicationen,  Diarrhoen,  Pneumonie,  Pleuritis,  Pyämie,  kurz 
unter  den  verschiedensten  Erscheinungen. 

Lepra  anaesthetica  und  mutilans  ist  diejenige  Form,  mit 
welcher  der  Gresammtprocess  zu  enden  pflegt,  auch  wenn  er 
als  tuberöse  oder  Fleckenform  begonnen  hat  (A.  Hansen),  wo- 
ferne  nur  die  Kranken  lange  genug  leben.  Denn,  während 
die  Knotenform  zwischen  8 — iO  Jahren  unter  einer  acuten 
Exacerbation  tödtlich  enden  kann,  pflegt  die  anästhetische 
Form  durchschnittlich  erst  in  18 — 19  Jahren  das  letale  Ende 
herbeizuführen. 

Als  interessante  Complicationen  an  der  Haut,  welche 
das  Bild  der  Hautlepra  einigermassen  alteriren  können,  sind 
zu  erwähnen :  Favus,  Eczema  universale ,  Syphilis  ,  Molluscum 
fibrosum,  Elephantiasis  Arabum,  besonders  aber  Scabies,  jene 
Form,  welche  wir  als  Scabies  norwegica  s.  Boeckii 
näher  kennen  lernen  werden,  und  bei  welcher  wegen  der  viel- 
jährigen, oft  40—50  Jahre  langen  Anwesenheit  der  Krätz- 
milben 1—2  Centimeter  dicke,  schwielige  Auflagerungen  be- 
obachtet worden  sind  und  die  Milben,  wie  bei  der  Scabies 
pecorina,  nicht  in  geschlossenen  Gängen ,  sondern  wegen  ihrer 
grossen  Menge  in  unregelmässig  ausgegrabenen  Höhlen  wohnen 


ß^2  Eiunndvierzigste  Vorlesung. 

lind  eine  Unmasse  von  Milbeneiern ,  Larven  und  Trümmern 
derselben  innerhalb  der  schmutzigen,  trockenen  Epidermis- 
scbwielen  sieb  vorfinden. 

Nacb  alldem  ist  die  Prognose  in  jedem  Falle  von 
Lepra,  welcher  Form  immer,  höchst  ungünstig,  indem  unter 
allen  Umständen,  es  anag  die  Krankheit,  unter  welcher  Form 
immer  begonnen  haben ,  dieselbe  binnen  Frist  von  mehreren 
Jahren  unter  den  Erscheinungen  des  trophischen  oder  neu- 
rotischen Marasmus,  oder  eomplicirenden  Erkrankungen  ; zum 
Tode  führt.  Das  gilt  jedoch  nicht  für  jene  Formen,  welche, 
eine  Art  Residuum  der  früheren  epidemischen  Lepra,  in  gegen- 
wärtig leprafreien  Ländern  unter  den  geschilderten  Formen 
der  circumscripten  Morphea  sich  präsentirt,  welche  sowohl 
als  örtliches  Uebel  spontan,  heilen  kann,  als  auch,  selbst  wenn 
persistirend,  den  Organismus  in  toto  niemals  infestirt. 

In. Bezug  auf  die  Diagnose  dieser  so  vielgestaltigen 
Krankheit  ergeben  sich  selbst  für  den  weniger  Erfahrenen  nur 
dann  Schwierigkeiten,  wenn  der  Process  noch  nicht  weit  ge- 
diehen ist.  Ein  typisch  entwickelter  Fall  von  knotiger  Lepra 
bietet  ein  so  prägnantes  Krankheitsbild  dar,   dass  die  Dia- 
gnose keinen  erheblichen  Zweifeln  unterliegt.  Verwechslungen 
kommen  zu  Beginn  der  maculösen  und  knotigen  Form  der 
Lepra  vor  mit  Syphilis,  wegen  der  Aehnlichkeit  der  beider- 
seitigen Hautaffectionen ,  namentlich   wenn  ein  Lupusknoten 
zufällig  am  Präputiiim  sich  befindet,  der  für  eine  Schanker- 
sclerose  imponiren  kann.    Sobald  jedoch   ausgebreitete,  etwa 
flachhandgrosse  und  grössere  dunkelbraune   Flecke  zugegen 
sind,  wie  solche  bei  Syphilis  niemals  vorkommen;  noch  mehr, 
wenn  man  die  Unwirksamkeit  einer  jedweden  antisyphilitischen 
Behandlung  binnen  wenigen  Wochen  zu  constatiren  Gelegen- 
heit   hat,    wird    der   wahre   Sachverhalt   ohneweiters  klar 

werden.  .    ^  tt  4. 

Die  im  Bereiche  des  Gesichtes  in  Form  von  Knoten 

sich  darstellende  tuberöse  Lepra  kann  mit  Acne  rosacea, 
•sowie  die  hier  und  an  anderen  KörpersteUen  localisirte  mit 
L  u  p  u  s  und  P  i  g  m  e  n  t  s  a  r  c  0  m  verwechselt  werden. 

Die  m  a  c  u  1  ö  s  e  Form  muss  gegenüber  Pigmentanomalien 
anderer  Art,  speciell  Vitiii  go  differenzirt  werden.  Die 
anästhetische  Form  der  Lepra  ist  am  leichtesten  zu 
diagnosticiren. 


Lepra. 


Im  Allgemeinen  darf  bei  der  Diagnostik  der  Lepra  auf 
die  Provenienz  des  kranken  Individuums  ein  grosses  Gewicht 
gelegt  werden,  insoferne,  :wenn  dasselbe  aus  einer  Lepra- 
gegend stammt,  oder ,■  wie.  wir  hören  werden,  überhaupt  in 
einer  solchen  längere  Zeit  gelebt  hat ,  das  bei  ihm  sich  präsen- 
tirende  Uebel  um  so  wahrscheinlicher  Lepra  ist,  woferne  demselben 
entsprechende  Erscheinungen  zugegen  sind  ,  und  umgekehrt,  bei 
Personen:,  welche  niemals  in  Lepragegenden  gewesen,  kaum 
die  Existenz  dieser  Krankheit  angenommen  werden  kann. 

Es  wird  Sie  gewiss  interessiren,  über  das  Wesen  und 
die  ursächlichen  Verhältnisse  dieser  in  so  deletärer 
und  unwiderstehlicher  Weise  die  körperliche  und  geistige 
Existenz  des  Individuums  vernichtenden  Krankheit  einige  Auf- 
klärung zu  erlangen.  Insoferne  wir  Inder  pathologischen 
Anatomie  der  einzelnen  Krankheitsprocesse  wenigstens  über 
den  wesentlichen  Vorgang  bei  denselben  uns  einige  Aufklärung 
verschaffen  können,  mangelt  es  allerdings  nicht  an  Daten, 
wozu  namentlich  die  Arbeiten  von  Danielssen  und  Boeck, 
Gr.  Sbion  und  ViRCHOW  und  nach  ihnen  mancher  anderer 
jüngerer  Arbeiter,  Köbner,  BerOtMAOT,  Neumankt ,  Hansex, 
Thoma,  Dehio,  Monastikski,  Kozlowski,  Sakuf  u.  A.  beigetragen 
haben. 

Wie  zuerst  Virchow,  so  erklären  nach  ihm  alle  Unter- 
sucher die  Lepraknoteli  als  „Grranulationsgewebe,"  sehr  ähnlich 
dem  bei  Lupus,  nur  dass  dasselbe  nicht  in  getrennten  Nestern, 
wie  bei  letzterem,  sich  entwickelt  und  die  dasselbe  constituireu- 
den  Formelemente  eine  viel  grössere  Persistenz  bekunden;  so 
dass  man  sagen  kann,  von  den  mit  einander  ziemlich  analogen 
Granulationsbildungen ,  Syphilis ,  Lupus  und  Lepra,  sind  die 
der  letzteren  von  dem  langsamsten  Verlauf,  obgleich  sie 
schliesslich  ebenso  wie  die  der  beiden  andern  Processe  zur 
Pi,ückbildung  und  ßesorptlon,  oder  znm  Zerfall  gelangen. 
Auch  hier  entwickelt  sich  das  neue  Gewebe  im  eigentlichen 
Corium,  bald  mehr  oberflächlich,  bald  tiefer,  um  einzelne  Ge- 
fässe  und  von  deren  Wandung  ausgehend ,  vorwiegend  in  der 
Nähe  der  gefässreichen  Drüsen  und  Follikel  und  breitet  sich 
dasselbe  längs  der  Gefässe  bis  an  das  Rete  und  zwischen  die 
Fettläppchen  nach  der  Oberfläche  und  Tiefe  aus,  wodurch  diifuse 
lepröse  ZeUen-Infiltration  der  Ciitis  entsteht.  Auch  in  dem  Falle 
sieht  man  jedoch  (Fig.  39),  dass  das  Infiltrat  durch  Binde- 


654 


Einundvierzigste  Vorlesung. 


gewebszüge  in  kleinere  und  grössere  Herde  unterabgetheilt 
wird  (die  wahrscheinlich  Grefässcentren  entsprechen).  Die 
interstitiellen  Bindegewebszüge  sind  streckenweise  normal, 
strichweise  mit  Zelleinlagerungen,  wie  bei  Entzündung  ver- 
sehen.   Auswachsen  und  Infiltration  der  Gefässwandung  und 


Fig.  39. 


Durcliscliuitt  eines  Lepraknotens  vom  Oberarm.  (Sclnv.  Vcrgr.) 

Endothelwucherung  sind  wiederholt  beschrieben  worden  (Fig.  40), 
ebenso  wie  zapfen-  und  netzförmiges  Auswachsen  der  ßete- 
kolben  lind  Drüsen  -  AuskleidungszeUen  angegeben  wird.  Die 
letzteren  Vorkommnisse,  sowie  die  späteren  Verödungen 
der  Drüsen,  Follikel,  gelegentliche  Härmorrhagien ,  die  Lr- 
scheinungen  der  retrograden  Metamorphose  der  Elemente  der 


Lepra. 


655 


Lepraknoten  (Verfettung,  Blähung  der  Einlagerungszellen, 
Bildung  von  Riesenzellen),  dies  Alles  entspricht  ganz  und 
gar  den  Erscheinungen ,  wie  ich  bei  Lupus  ausführlicher  ge- 
schildert und  daher  hier  nur  andeutungsweise  erwähne.  Während 

Fig.  40. 


a.. 
h.. 


d- 


c... 


1^  -  " 


Lepraknoten-Durchschiiitt.  (Starke  Vergr.) 

a  Hornschichte,  b  Kömerzellenschichte  der  Epidermis,  d  gewuoUertes  Rete.  c  PapiUe. 
(schief  petroffen)  eben  so  wie  das  Corium  e,  mit  gleichmässiger  Zellenmültration, 
0  Blutgefäss  mit  ZelJenwucherung  der  Wandung,  f  Lymphgefäss  (Schweissdrusengang 

mit  gewuchertem  Endothel. 

die  im  Vergleiche  zu  Lupus  arme  Vascularisation  der  Lepra- 
knoten deren  träge  Vegetation  und  Unfähigkeit  zu  höherer 
Organisation  erklären  mag,  dürfte  Obliteration  der  spärlichen 
Gefässe  durch  Endothelwucherung  die  schliessliche  retrograde 
Metamorphose  und  Verödung  derselben  veranlassen. 


656 


Einund  vierzigste  Vorlesung. 


Sehr  interessant  ist  der  zunächst  von  Virchow,  und  nach 
ihm  von  anderen  Autoren  bezüglich  der  Nervenerkrankung 
bei  Lepra  gegebene  Befund,  welcher  sich  als  eine  wahre  Lepra, 
nervorum  herausstellt.  Es  findet  sich  nämlich  ein  chronischer 
Entzündungsprocess,  welcher  in  kleinen,  mikroskopischen  Herden 
zunächst  das  Bindegewebe  der  äusseren  Nervenscheiden,  sodann 
das  Neurilem  und  später  die  die  einzelnen  Nervenbündel  von 
einander  trennenden  Septa  betrifft  und.  mit  einer  den  Ent- 
zündungsherden entsprechenden  Zelleneinlagerung  verknüpft  ist. 
Dieselbe  kann  sich  stellenweise  wieder  rückbilden;  oder  sie 
führt  im  weiteren  Verlauf  und  bei  längerer  Dauer  zu  Fett- 
metamorphose oder  vollständiger  Atrophie  einzelner  Nerven- 
primitivfasern. 

Diese  Erkrankungsform  hat  zwar  nichts  für  Lepra  Speci- 
fisches,  erklärt  aber  immerhin  sowohl  das  Auftreten  von  Hyper- 
ästhesie und  Anästhesie ,  als  auch  die  Erscheinung ,  dass  diese 
Sensibilitätsanomalien  in  der  ersten  Zeit  noch  wandelbar  sind, 
das  ist  so  lange  die  Entzündungsproducte  innerhalb  des 
Nervenstammes  noch  aufgesogen  werden  können;  weiters  das 
Persistiren  der  Anästhesien,  wenn  es  zu  irreparablen  Meta- 
morphosen der  Nervenprimitivfasern  gekommen  ist ;  und  endlich 
die  Eigenthümlichkeit ,  dass  die  anästhetischen  Stellen  ana- 
tomisch so  unregelmässig  erscheinen,  weil  eben  bei  der  herd- 
weisen Beschaffenheit  der  Entzündungsablagerung  eben  nur 
einzelne  Primitivfasern  in  ihrer  Function  ausfallen  können, 
während  andere  Fasern  desselben  Ausbreitungsterritoriums  in 
ihrer  Function  noch  erhalten  sind. 

In  Bezug  auf  die  anatomischen  Veränderungen  anderer, 
namentlich  der  inneren  Organe,  der  Lungen  und  des 
Darmes ,  der  Hoden ,  der  Drüsen ,  der  Leber ,  Milz  ,  Nieren 
scheinen,  nachdem  man  vielfach  daran  gezweifelt  und  selbst 
unter  Annahme  mancher  zufälliger,  namentlich  tuberculöser 
Complicationen,  nach  den  neueren  Arbeiten  von  A.  Haxsex 
und  MoNASTiBSKi  ganz  analoge  Verhältnisse  (herdweise  Zellen- 
infiltration des  Bindegewebsgerüstes  mit  consecutiver  Atrophie 
des  parenchymatösen  Grewebes)  obzuwalten. 

Die  Ursachen  der  Lepra,  die  entfernt  und  nächst- 
liegenden, haben  Einzelne,  wie  gelehrte  Körperschaften  und 
amtlich  berufene  Commissionen  wiederholt  zu  ergründen  ver- 
sucht —  doch  bis  nun  vergeblich. 


Lepra. 


657 


Darnach  wissen  wir  zunächst ,  dass  die  Lepra  eine 
endemische  Krankheit  darstellt,  und  ich  habe  bereits  das 
geographische  Bild  ihrer  Localisations-  und  Verbreitungsbezirke 
skizzirt.  Man  hat  aus  der  doch  beschränkten  Localisation 
der  Lepra  geschlossen ,  dass  die  klimatisch-tellurischen 
Verhältnisse,  oder  die  physikalische  Beschaffenheit  des  Bodens, 
oder  ein  aus  diesen  resultirendes,  malariaähnliches  Agens  die 
Ursache  der  Lepra  sei.  Mit  dieser  Ansicht  verträgt  sich  aber 
sehr  schwer  die  Erfahrung,  dass  die  Lejora  in  in  klimatisch- 
tellurischer  Beziehung  so  verschiedenartigen  Gegenden  vor- 
kommt, wie  z.  B.  in  Island  und  Bergen ,  Aegypten  und  Cap- 
stadt,  in  dem  von  eisigen  und  langen  Nächten  heimgesuchten 
Norden,  und  unter  dem  ewigblauen  Himmel  und  dem  sengendeii 
Sonnenstrahle  der  Tropen,  auf  den  Höhen  des  Libanon^  fernab 
vom  Meere,  und  an  den  Sümpfen  der  Krim. 

Nicht  glücklicher  ist  die  Meinung,  dass  schlecht*; 
Kost,  ausschliessliche  Nahrung  von  Fischen,  oder  Thran,  oder 
gesalzenem  und  gepöckeltem  Fleisch  die  Ursache  der  Lepra  sei, 
da  in  Lepragegenden  mitten  im  "Wohlleben  der  Grrossstadt, 
z.  B.  in  Rio  de  Janeiro  lebende,  den  besten  Ständen  angehörige 
Personen  von  Lepra  befallen  werden. 

Neuerlich  hat  man  wieder  die  Lepra  durch  Contagion 
entstehen  lassen  (L andre),  gerade  wie  zur  Zeit  ihres  ersten  Auf- 
tretens, da  die  doch  gewiss  selber  ansteckungsfähigen  Syphi- 
litischen sich  weigerten,  mit  den  Leprösen  zusammenzuwohnen. 
Freilich  kommen  da  merkwürdige  Fälle  vor.  So  haben  wir  bei 
einem  in  Turin  geborenen  Herrn,  der  einige  Jahre  in  Aegypten  zu- 
gebracht hatte  ,  Lepra  tuberosa  gesehen ,  dessen  Frau ,  die 
ein  paar  Jahre  später  dorthin  gekommen  war,  nun  ebenfalls 
Lepra  maculosa  und  anaesthetica  bekommen  hatte. 

"Wie  für  viele  infectiöse,  oder  als  solche  geltend  gemachte 
Krankheiten,  so  sind  auch  neuerlich  B a c t e r i e n  und  Micro- 
co  ccus  bei  Lepra  demonstrirt  worden  (Carter,  Hansen,  Klebs, 
Eklund,  Neisser),  deren  Beziehung  zur  Krankheit  jedenfalls 
erst  noch  erwiesen  werden  müsste. 

Den  meisten  Anklang  fand  die  Ansicht,  dass  die  Lepra 
als  hereditäre  Krankheit  sich  entwickle.  Dazu  haben 
namentlich  die  Familienregister ,  welche  Danielssen  und  Boeck 
veröffentlicht  haben,  beigetragen,  aus  denen  zu  entnehmen 
war,  dass  die  Krankheit  in  denselben  Familien  in  mehreren 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  42 


^gg  Einundvierzigste  Vorlesung. 

Generationen  fort  nnd  fort  auftauche,  nnd  selbst  wenn  die 
Nachkommen  in  früliester  Jugend  in  leprafreien  Gegenden  aus- 
gewandert waren,  dort  in  ihrem  2Ü.-30.  Lebensjahre  von 
Lepra  befallen  wurden. 

Es  sind  dagegen,  zunächst  bezüglich  der  von  Danielssen 
und  BOECK  berücksichtigten  Lepragegenden  xim  Bergen  herum, 
das  Gegentheil  beweisende  Tafeln  verfasst  worden  (Bidexkap, 
Hjokt  u.  A.).   Speciell  aber  verträgt  sich  mit  der  Annahme  der 
Heredität  durchaus  nicht  die  Thatsache,  dass  viele  Personen, 
wie  ich  selber  deren  mehrere  kenne,  deren  Vorfahren  niemals 
in  Lepragegenden  gewesen,  die  in  leprafreien  Gegenden  geboren 
wurden    z.  B.   in  Mitteleuropa,   nach  Lepragegenden  aus- 
gewandert waren,  daselbst  nach  zwei-  bis  mehrjährigem  Auf- 
enthalt von  Lepra  befallen  wurden. 

i^ach  alldem  ist  über  die  Ursache  der  Lepra  bis  nun 
nichts  entschieden  und  es  darf  noch  immer  eine  Hypothese 
sich  hervorwagen,  nach  der  ich  meine,  dass  die  physikalisch-geo- 
graphischen Verhältnisse  denn  doch  die  nächste  Veranlassung 
für  die  Lepra  abgeben.  So  würden  sich  die  Erkrankungsfalle 
bn  in  Lepragegenden  eingewanderten  Personen  erklären,  sowie 
die  Erfahrung,  dass  in  leprösen  Familien  die  Krankheit  zu- 
weilen  erlischt,   wenn   sie  in   leprafreie  Orte  auswandern. 
■Weiters  aber  glaube  ich,  dass  von  leprösen  Eltern  die  here- 
ditäre Anlage  sich  auf  die  Kinder  und  Nachkommen  vererben 
kann    wie  andere  dyskrasische  Dispositionen,  z.  B.  die  L>is- 
positon  zur  Erkrankung  an  Carcinom  und  Tviberculose. 

Die  Therapie  dieser  bösartigen  Krankheit  anlangend, 
stehen  wir  der  letzteren  sehr  ohnmächtig  gegenüber. 

Was  an  scheinbar  specifischen  Mitteln,  pflanzlichen  und 
mineralischen,  oder  Geheimmitteln,  namentlich  in  Lepragegenden 
und  in  den  Tropen,  z.  B.  von  Assacu  Madar  oder  der  Hydro- 
cotyle  asiatica,   der  Hura  brasiliensis,  Gurjunoel  (Balsamum 
Dipterocarpi),  Chaulmoogra-Oel  (von  Gynocardia  odorata)  und 
vielen   anderen  Mitteln   angerühmt  wurde,    hat    sich  voU- 
ständig  unhaltbar  erwiesen.    Es  bleibt  nichts   anderes  ubng 
als   nach   allgemeinen  Regeln   die  Leprösen  zu  l^ehandeln: 
Liächst    diefelben,    wo   immer  thuiüich,   zum  Aufenth^^^^^ 
in    leprafreien    Gegenden    zu    veranlassen;    alsdann    a  es 
anzuwenden ,    was    die    allgemeine    Ernährung    -  1-^- 
im  Stande  ist.    Aufenthalt  in  guter  Gebirgsluft,  kräftigende 


Lepra. 


659 


Kost,  Bäder,  Douclieii,  Kaltwasserciir ;  weiteres  die  ört- 
lichen Symptome,  wie  Knoten,  Grescliwüre,  entzündliche  Er- 
scheinungen nach  allgemeinen  chirurgischen  Gesetzen  zu 
behandeln,  gegen  Hyperästhesien  mit  Paregoricis  vorzugehen 
und  Anästhesien  mittels  Elektricität  zu  bekämpfen. 

Nicht  weit  vorgeschrittene  Fälle,  namentlich  Lepra 
tuberosa  jugendlicher  Individuen,  können  beim  Aufenthalt  in 
leprafreien  Gregenden  binnen  vielen  Jahren  sistiren ,  factisch 
auch  heilen.  Vorgeschrittene  Fälle  der  anästhetischen  Form, 
sowie  der  tuberösen,  können  auch  da  nicht  in  ihrem  deletären 
Verlauf  aufgehalten,  wohl  aber  bedeutend  verzögert  werden. 

"Was  die  circumscripten,  oder  örtlichen  Formen  der  Mor- 
phaea anbelangt ,  so  heilen  sie  eo  ipso  entweder  spontan,  oder 
nehmen  einen  so  lentescirenden  Verlauf,  ohne  den  Organismus 
jemals  zu  infestiren,  dass  wir  über  ihre  Behandlung  umso- 
weniger  zu.  sprechen  brauchen,  als  wir  überhaupt  kein  Mittel 
besitzen,  um  dieselben  direct  zu  beeinflussen. 


42* 


Zweiandvierzigste  Vorlesung. 

Careinom.  Begriff  des  Krebses,  Formendesselben:  Epitheliom,  Binde- 
gewebskrebs,  Pigmenikrebs.  —  S  a  r  e  o  m. 

Carcinoma, 

Krebs,  gilt  heutigen  Tages  keineswegs  als  ein  so  scharf 
begrenzter  pathologischer  Begriff,  wie  etwa  Lnpns,  so  dass 
es  zweckmässig  sein  dürfte,   vorerst  bezüglich  desselben  uus 
zu  Orientiren.    Tür  die  ärztliche  Vorstellung  früherer  Zeiten 
galt  nämlich  als  Krebs  eine  Geschwulst,  welche  als  harter 
Knoten  entstand  (/.axo-^^e?  der  Griechen,    Scirrhus  Chirurg.) 
und  später  zum  eigentlichen  Krebsknoten  (-/.a.p-/.{vo)aa. ,  Cancer 
occultus)  und  zu  fungöser  Wucherung  (^uixtov)  sich  entwickelte, 
dann  zu  Ulceration  (Cancer  apertus)  gelangte  und  endlich  an 
sich ,   oder   durch   aUgemeine  Verbreitung  einen  ziun  Tode 
führenden  Marasmus  (Krebscachexie)  zur  Folge  hatte._  Mit 
dem  Erblühen   der   anatomischen  Epoche   des  medizinischen 
Studiums  ging  man  daran,  auch  für  den  schwankenden  k  mi- 
schen Begriff  des  Krebses  eine  positive  anatomische  Grundlage 
zu  schaffen.  Einzelne ,  wie  Lebekt  ,  Hannover,  glaubten  sotort 
in  den  Kr  eb  s  z  eilen  das  Charakteristische  dieser  Geschwulst- 
form gefunden  zu  haben.    Aber  es  stellte  sich  bald  heraus, 
dass  die   „Krebszellen"   von  den  äquivoken  physiologischen 
Gebilden,  von  proliferirenden  Epithelien ,  nicht  unterschieden 
werden  konnten.  Schon  Rokitansky  that  einen  Schritt  zurück 
in  die  alte  Zeit,  indem  er  zwar  fiü'  den  Krebs  ein  anato- 
misches Schema  aufsteUte,  aber  die  Bösartigkeit   d.  i. 
den  klinischen  Charakter  als  gleichwerthig  und  gleich - 
nöthig  für  den  Charakter  einer  Krebsgeschwulst  hinstellte,  in 
erstr'r  Rücksicht  bezeichnete  er  eine  aus  proliferirenden  und 


Carcinom. 


G61 


rasch  vergänglichen  Kernen  und  Zellen  bestehende  Einlage- 
rung ,  die  K  r  e  b  s  m  a  s  s  e ,  in  ein  Bindegewebs-Stroma  ,  das 
Krebsgerüst,  als  für  Krebs  massgebend.  Je  nach  der  be- 
sonderen Beschaffenheit  und  dem  Ueberwiegen  des  einen  oder 
anderen  der  beiden  wesentlichen  Constituentien  ergaben  sich 
dann  Unterarten  des  Krebses,  als  Faser-,  Grallert- ,  Zotten-, 
Pigment-,  Epithelialkrebs  u.  s.  f. 

Das  eigentliche  Epithelioma  haben  zwar  Rokitaksky 
und  Schuh  sehr  früh  schon  zu  den  Krebsen  gerechnet,  offenbar 
weil  der  zeitweilig  beobachtete  bösartige  klinische  Charakter 
des  Gebüdes  denselben  als  wesentlich  erschien.  Andere  dagegen 
haben  wegen  der  häufigeren  gegentheiligen  Erfahrung,  nach 
welcher  das  Epitheliom  durchwegs,  oder  durch  lange  Zeit  als 
örtlicher  Affect  verläuft,  das  Gebilde  den  Krebsen  nicht  zu- 
zählen wollen  und  ihm  auch  den  von  Cancer  unterscheidenden 
Namen  PseudoCancer  oder  Cancroid  (Lebert),  oder  Epithe- 
lioma (Hannover)  beigelegt. 

In  der  nächsten  Zeit  wieder  berücksichtigte  man  den 
klinischen  Charakter  fast  gar  nicht,  und  liess  man  die  Structur 
allein  über  die  Bedeutung  einer  Geschwulst  entscheiden.  Dar- 
nach wurden  unter  VmcHOw's  Einflnss  von  den  bösartigen 
Geschwülsten ,  die  früher  alle  als  Carcinom  gegolten  hatten, 
eine  grosse  Reihe  als  S  a  r  c  o  m  e  ausgeschieden,  und  man  liess 
nur  solche  als  Carcinom  gelten,  die  einen  alveolaren  Bau, 
und  einen  ephitheloiden  Zelleninhalt  aufwiesen.  Damit 
war  der  Epithelialkrebs  der  Krebs  xaT'  z(,oy-fy  geworden,  also 
gerade  das  Gewebe ,  das  man  früher  gar  nicht  zu  den  Krebsen 
zu  zählen  geneigt  war. 

Bezüglich  dieses  aber  concentrirte  sich  alsbald  die  Auf- 
merksamkeit auf  die  Histiogenese  jener  colossalen  Epi- 
thelialwucherungen.  Yirchow  und  Förster  wollten  nur  jene 
epitheloiden  Geschwülste  als  Krebse  gelten  lassen ,  deren 
Elemente  aus  Proliferation  der  Bindegewebskörperchen  her- 
geleitet werden  konnten,  und  unabhängig  von  präexistenten 
Epithelien  des  Pete  und  der  Drüsen  entstanden  waren. 

Gerade  entgegengesetzt  hat  Thieksch  jede  Krebswucherung 
vom  präformirten  Epithel  hergeleitet,  indem  er  die  Remak- 
His'sche  Entwicklungstheroie ,  nach  welcher  der  Aufbau  aller 
physiologischen  Gewebe  nur  in  dem  Rahmen  der  angenommenen 
drei  Keimblätter  vor  sich  gehen  könne ,  auch  auf  pathologische 


QQ2  Zweiundvierzigste  Vorlesung. 

Gewebsneubildung  aiisdelmte ,  dass  darnach  auch  pathologische 
Epithelbildung  nur  aus  Epithel  hervorgehen  könne. 

Obgleich  sehr  bald  die  meisten  Pathologen  und  Anatomen 
diesen  Ausführungen  im  Wesentlichen  sich  angeschlossen  haben, 
so  hat  doch  Thiesch's  Arbeit  zu  einem  Rückschlag  in  den 
Anschaxiungen  über  den  Charakter  des  Krebses  Veranlassung 
gegeben.  Bei  Thiersch  gipfelt  die  Morphologie  und  Histiogenese 
des  Carcinoms  in   dem  Nachweise  der  wuchernden  Epithel- 
zapfen, d.  i.  der  Zelleneinlagerung,  der  Krebsmasse.  Aber 
der  zweite,  nach  Rokitansky   „gleich  wichtige"  Factor  des 
Carcinoms,  das  die  Zelleneinlagerung  aufnehmende  Gerüste 
war  ganz  ausser  Betracht  geblieben.   Dadurcb  sah  der  Krebs 
nach  Thiersch  (anatomisch  genommen)  nickt  anders  aus  als 
manche  aus  Proliferation  des  Epithels  hervorgegangene  gutartige 
Gebilde,  M.  verrucosum  (Epithelioma  Moluscum,  Virchow)  und 

manche  Adenome. 

Sofort  hat  Billroth  die  Infiltration  des  Bindegewebes, 
also  die  Existenz  des  Krebstromas,  wie  Rokitansky,  als  zum 
Charakter  des  Krebses  nothwendig  hervorgehoben.  Ja  Billroth 
ist  zum  Theil  ganz   zu  den  alten  Chirurgen  zurückgekehrt, 
die  vom  Scirrhus  und  Cancer  occultus  den  Krebs  beginnen 
Hessen,  indem  erden  vom  epithelialen  Ursprung  unabhängigen 
Bindegewebskrebs  festhält.    Nicht  viel  anders  verhalten 
sich  0.  Weber,  Klebs,  Rindfleisch,  welch'  letzterer  eine  ganze 
Gruppe  von  „krebshaften  Gesckwülsten"  anführt.  Ja  man  ist 
sehr  bald  in  Bezug  auf  Histologie  des  Krebses  so  weit  wieder 
auf  die  Anschauungen  der  ersten  Rokitansky' sehen  Zeit  zurück- 
gelangt,  dass  man  Combinationen  von  allerlei  Gerüst-  und 
Zelleneinlagerungsformen  bei  Krebs  gelten  lässt,  die  nach  der 
modernen  Bezeichnungsweise  als  Sarco-Carcinom ,  Fibro-Sarco- 
Carcinom,  Adeno-Carcinom  u.  s.  f.  aufgeführt  werden,  so  dass 
der  rein  epitheloide  Charakter  für  die  Krebsmasse  gar  nicht 
mehr  prätendirt    wird,   obgleich    derselbe    allerdings  auch 
nicht  ganz  feblen  darf,   soll  ein  pathologisches  Gebilde  für 

Krebs  gelten.  ^    ,  ,      .  .     ■    ■  a-^ 

Aber  auch  in  einem  zweiten  Punkte  sind  wir  m  die 
Epoche  RoKmuNSKY's  zurückgelangt,  darin,  dass  das  Unzu- 
reichende einer  jeden  rein  histologischen  Charakteristik  für 
Krebs  zugestanden  wird.  Deshalb  erklärt  schon  Thiersch, 
trotz  seiner  exclusiv-histologischen  Anführungen ,  schliesslich, 


Epitheliom. 


663 


dass  er  den  Krebs  nicht  für  einen  anatomisclien,  sondern  einen 
klinischen  Begriff  halten  müsse.  In  diesem  spielt  aber 
die  schon  von  Rokitansky  hervorgehobene  Bösartigkeit 
eine  Hauptrolle. 

Darnach  kann  man,  wie  ich  dies  bereits  1872  gethan, 
den  Krebs  definiren  als  ein  Neiigebilde,  das  einen  im 
althergebrachten  klinischen  Sinne  bösartigen  Charakter 
zeigt  und  atis  einer  in  ein  entzündlich  infiltrirtes 
Bindegewebsgerüste  alveolar-,  oder  zapfen-  und 
schlauchartig  eingelagerten,  p  r  o  lif  er  ir  en  d  en, 
epitheloiden  Zellenmasse  besteht. 

Doch  meine  ich  damit  den  Epithelialkrebs,  neben 
welchem,  wie  schon  früher  erwähnt,  es  auch  Krebsformen  gibt, 
für  welche  diese  Charakteristik  nicht  passt,  aber  auch  eine 
solche  allgemein  zutreffende  vor  der  Hand  nicht  gegeben 
werden  kann. 

Von  diesen  Krebsformen  befallen  manche  die  allgemeine 
Decke  idiopathisch,  andere  nur  consecutiv.  Als  für  die  Der- 
matologie besonders  wichtig  führe  ich  an  Epitheliom, 
Bindege  web  skr  eb  s  und  Pigmentkrebs. 

Epithelialkrebs, 

Epithelioma,  Cancroid,  Hautkrebs,  Schornsteinfeger- 
krebs, Plattenzellenkrebs,  Ulcus  rodens,  ein  häufiges  Object  der 
dermatologischen  Praxis,  kann  seinem  Sitze  nach  unterschieden 
werden  in  den  der  Cutis  und  der  Schleimhaut;  nach  seiner 
äusseren  Gestaltung  und  Aiisbreitungsweise  als  1.  flacher, 
2.  tiefgreif  ender  oder  knotiger,  3.  papillomartiger 
Hautkrebs. 

Das  flache  Epitheliom  der  allgemeinen  Decke 
entsteht  ziimeist  auf  früher  normaler  Haut  in  Form  von  ein 
und  mehreren  stecknadelkopfgrossen ,  glänzenden ,  blassrothen 
oder  wachsartig  schimmernden ,  sehr  derben  Knötchen ,  die 
zuweilen  linear,  meist  zu  einer  unregelmässigen,  warzenartigen 
Protuberanz  zusammengedrängt  erscheinen.  Sie  excoriiren  oder 
zerklüften  frühzeitig  spontan,  oder  indem  sie  wegen  massigen 
Juckens  zerkratzt  werden  und  bedecken  sich  dann  mit  einem 
aus  viscidem  Secret  und  Blut  gebildeten  Börkchen.  Mehrere 
Jahre  können  vergehen,  ohne  dass  dieser  Zustand  sich  wesent- 
lich ändert.    Alsdann,  im  Verlaufe  des  5.— 10.  Jahres,  ver- 


664 


Zweiundvierzigste  Vorlesung. 


grössert  sicla  der  Herd  etwas  rascher  durch  das  Aiiftauclieii 
nevier  Randknötchen.    Diese  Knötchen  sind  für  den  Epithelial- 
krebs  aller  Stadien  charakteristisch.    Man  kann  ein  solches 
mittels  eines  stumpfen  Instrumentes  mit  Leichtigkeit  heraus- 
heben.   Dasselbe  erscheint  als  ein  weisses,  perlmutter artig 
glänzendes,  glattes,  einem  Miliumkörnchen  ähnliches,  zwischen 
den  Fingern  leicht  zerreibliches    und   zerklüftendes  Kügel- 
chen,  das,   wie  die  mikroskopische  Untersuchung  lehrt,  aus 
schollig  gehäuften,  oder  um  eine  centrale  Masse  gelagerten 
epitheloiden  Zellen  unterschiedlicher  Grösse  und  Form  (Kerne 
runde  ,   spindelförmige  ,  geschwänzte ,   ein  und  mehrere  Kerne 
und  Tochterzellen  enthaltende  PI attenz eilen)   sich  zusammen- 
setzt, und  als  Cancroidkörperchen,  Cancroidkugel,  Perl- 
kugel, Entzündungszellen  Gluge's,  Alveolen  Rokitansky' s,  Brut- 
räume mit  concentrischer  Schichtung  Vikchow's,  Globes  epider- 
miq^ues  Lebbrt  u.  ä.  A^on  den  Autoren  angeführt  worden  sind. 

Durch  allmälig  tiefer  greifende  Ausblätterung  wird  endlich 
eine  wunde  Fläche  blossgelegt,  das  flacheKrebsgeschwür 
(Ulcus  rodens).  Es  stellt  einen  rundlichen,  bei  grösserem  Um- 
fange dreieckigen  oder  polygonalen,  seichten  Substanzverlust  dar, 
mit  scharf  abgesetzten  Rändern,  dessen  braun-  oder  gelblich- 
rothe,  feinkörnige,  schollig  zerklüftende  und  ungleich  nivel- 
lirte  Fläche  viscide  Flüssigkeit  secernirt,  die  zu  einem  firniss- 
artigen Ueberzuge  eintrocknet.  Grund  und  Eand  sind  hart, 
wenig  beweglich,  letzterer  überdies  theils  glatt,  theils  mit 
derben,  bläschenartig  schimmernden  (Cancroid-)  Knötchen  besetzt. 

Oft  kommt  es  in  dessen  mittlerem  Antheil  zu  vollstän- 
diger Exfoliation  des  Epithelioms  durch  Narbenbildung  an 
der  Basis,  so  dass  endlich  eine  flächenhafte  Narbe  resultirt 
und  das  Krebsgeschwür  sich  auf  eine  schmale,  jene  Narbe  ein- 
säumende Furche  reducirt.  Zuweilen  findet  sich  bei  diesen 
Formen  am  Rande,  wie  in  der  narbigen  Area,  schiefergraues 
Pigment  eingelagert  (Schornsteinfegerkrebs,  Pott,  Cooper), 
ohne  dass  jedoch  die  Affection  den  malignen  Charakter  des 
Pigmentcarcinoms  annimmt.  Endlich  kann  auch  die  Knötchen 
eruption  am  Rande  erlöschen  und  der  Krebs  derart  binnen 
15—20  Jahren  örtlich  spontan  heilen.  In  der  Regel  tritt 
jedoch  an  einer  nachbarlichen  Stelle  -ein  neuer  Herd  auf. 

Häufig  beginnt  der  flache  Krebs  frühzeitig  als  ^  flache 
Excoriation  einer  von  seborrhoischen,  mit  Zapfen  in  die  Fol- 


Epitheliom. 


665 


likel  sich  fortsetzenden  Schuppen  bedeckten  Hautstelle ,  oder 
einer  mit  solcher  gleichbedeutenden  Verruca  senilis  (vide 
pag.  512),  oder  einer  papillären  "Warze. 

Während  des  auf  10  bis  20  Jahre  und  darüber  sich 
erstreckenden  Verlaufes  verursacht  das  flache  Epitheliom 
keinerlei  üble  Folgen  für  den  Gresammtorganismus,  auch  keine 
Schwellung  der  Nachbardrüsen,  und  besteht  dessen  Effect  blos 
in  der  die  Cutis,  allenfalls  auch  noch  den  unterliegenden 
Knorpel  betreffenden  Consumtion  und  narbigen  Verschram- 
pfang  der  betroffenen  Theile. 

Häufig  jedoch  geht  im  weiteren  Verlaufe  aus  demselben 
der  knotige  oder  tiefgr  e  if  en  de  Epithelialkr  eb  s  her- 
vor, welcher  überdies  oft  genug  primär  als  solcher  erscheint. 
Er  entsteht  in  Form  von  schrotkorn-  bis  erbsengrossen ,  dicht 
gedrängten ,  die  Cutis  ganz  durchsetzenden  und  in  die  Unter- 
haut-Zellgewebsschichte  reichenden,  oder  von  da  ausgehenden, 
flachen  oder  mässig  hervorragenden,   sehr  derben   und  etwas 
durchscheinenden  Knoten,  welche  im  Verlaufe  von  Monaten 
und  Jahren  zu  einem  nussgrossen  und  grösseren,  kugeligen  oder 
flachkuchenförmigen ,    harten   Tumor  heranwachsen ,  dessen 
Oberfläche    glänzend  ,    wachsartig   oder    rosig  schimmernd, 
von  Grefässchen  durchzogen,  ungleich  höckerig,  plateauartig 
vorspringt,  in  der  Mitte  oft,  in  Folge  spontaner  Schrumpfung, 
nabelig  eingezogen  ist  und  mit  steilen,  glatten  oder  von  Can- 
croidkörperchen  besetzten,   oder  gekrämpten  Rändern  gegen 
die    gesunde   Umgebung   abfällt.     Das   Gebilde    setzt  sich 
später  als  harte ,  wie  im  Gusse  erstarrte  Masse  in  den  tiefen 
Hautschichten,  und  nur  durch  Zutasten  erkennbar,  auf  weite 
Strecken  fort  und  tritt  da  und  dort  in  scheinbar  isolirten 
Knoten  in  der  Umgebung  des  centralen  Tumors  zu  Tage.  Nach 
verschieden  langem  Bestände  kommt    es    zu  Ulceration, 
u.  z.  entweder  Anfangs  zur  Bildung  flacher,  wie  früher  beschrie- 
bener Geschwüre,  die  allmälig  in  die  Tiefe  greifen,  oder  zu 
rascher  Erweichung  tieferer  Partien ,  über  welchen  die  Haut 
blauroth ,  verdünnt  wird ,  endlich  sich  erröffnet ,  womit  sofort 
ein  tiefes  Krebsgeschwür  zu  Tage  liegt.    Dasselbe  ist 
kraterförmig,  unregelmässig,  mit  steilen,  aufgekrämpten,  jabot- 
artig gekerbten,  harten  Rändern  versehen,  aus  dem  auf  Druck 
käsige,  comedonenähnliche  Pfröpfe  (die  epitheloiden  Cancroid- 
zapfen)  heraustreten.    Es  secernirt  viscide  Flüssigkeit,  zeit- 


QQQ  Zweiimdviemgste  Vorlesung. 

weilig  tinter  rasch  vorsclireitendem  Zerfalle    des  Gewebes 
jauchiges  Secret  und  führt,  unter  Voranschreiten  der  krebsigen 
Infiltration  auf  die  unterliegenden  Grebüde ,  von  da  ab  binnen 
Monaten  oder  mehreren  Jahren  zu  Zerstörung  der  letzteren, 
der  Knorpel,  Muskeln,  Knochen.  Obgleich  an  einzelnen  Stellen 
durch  Massennecrose  das  Gebilde  ausfallen  und  vom  Rand- 
gewebe her  gute  Granulation,  selbst  Ueberhäutung  stattfinden 
kann,  so  schreitet  doch  nach  anderen  Richtungen  der  Process 
weiter,   acquirirt  sogar  der  Krebs  an  manchen  Stellen  den 
Charakter  des  medullären  oder  Zotten-Carcinoms  (Markschwamm) 
und  stellt  sich  von  da  ab  binnen  Monaten,  2— 3  Jahren,  unter 
Schwellung  der  nachbarlichen  Lymphdrüsen,  Marasmus  und 
letaler  Ausgang  ein. 

Am  raschesten  verläuft  mit  einem  solch  deletären  Resul- 
tate daspapillomartigeEpitheliom  (malignes  Papillom), 
welches  in  Gestalt  eines  breit,   oder  mit  einem  an  der  Basis 
eingeschnürten  Stiele  aufsitzenden,  pilzartigen,  mehrere  Centi- 
meter  emporragenden,  harten  Gebildes  erscheint.    Dessen  Ober- 
fläche ist  flach,  in  der  Mitte  seicht  gedellt ,   von  herabge- 
krämpten  Rändern  begrenzt.    Anfangs  roth  oder  schiefergrau 
pigmentirt,  glänzend,  pergamentartig  trocken,  später  exfoliirend, 
excoriirt,  zerklüftend,  zerfällt  dasselbe  allmälig  zu  wie  früher 
beschriebenen,  vorerst  flachen,  später  tiefen,  jauchigen  Ge- 
.  schwüren.    Sitzt  das  maligne  Papillom  auf  wenig  infil- 
trirter  Cutis  (auf  flachem  Epitheliom),  so  kann  dessen  Verlauf 
sich  noch  günstig  gestalten;  rasch  deletär  wird  es  dagegen, 
wenn  es  über  einem  infiltrirten  Krebs  sich  erhebt. 

Die  genannten  drei  Typen  des  Epithelioms  ent-  und 
bestehen  öfters  ausschliesslich ,  finden  sich  jedoch  auch  öfters 
discret  oder  combinirt  an  demselben  Individuum. 

Die  häufigste  Localisation  des  Hautkrebses  aller 
Formen  betrifi't  den  Bereich  des  Gesichtes,  vorwiegend  die 
Augenlider  und  deren  nächste  Nachbarschaft,  die  Haut  der 
knorpeligen  und  knöchernen  Nase,  demnächst  die  Unter-  und 
Oberlippe,  die  Stirne  und  die  seitlichen  Wangenpartien,  u.  zw. 
hält  sich  die  Erkrankung  zuweilen  Jahre  hindurch  an  dieselbe 
Oertlichkeit,  oder  werden  mehrere  zugleich,  oder  von  Recidiv- 
Ausbrüchen,  oder  durch  allmäliges  Umsichgreifen  eines  ursprüng- 
lichen Herdes  in  den  Process  einbezogen.  So  sind  Augenlider, 
Schläfe  und  Nasenrücken  oft  durch  Jahre  von  einem  flachen 


Epitheliom.  6(j7 

Epitheliom  besetzt,   das   mit  centraler  Vernarbiing  auf  die 
Wangen ,  Ohrmuscheln  und  Oberlippe  übergreifen  kann.  Ein 
andermal  dringt  der  Krebs  vom  Lid  auf  die  Conjunctiva  und 
von  da,  oder  auch  subconjunctival,  mit  Verschonung  des  Lid- 
randes in  die  Augenhöhle,  ohne  doch   den  Bulbus  lange  zu 
tangiren.    Doch  kommt  es  secundär  in  Folge  von  narbigem 
Ectropium  zu  Xerosis  Corneae.    Auf  der  Stirne  gestaltet  sich 
das  Epitheliom  bald  knotig  und  dringt  es  auf  den  Knochen 
vor,  ebenso  an  der  häutigen  Nase,  nachdem  diese  zackig  zer- 
stört,  wie  zernagt,  verkrämpt    und  verschrumpft  geworden, 
indem  sodann  der  Vomer,  der  Oberkiefer,  der  Zahnfächer  von 
der  Krebsmasse  gangartig  durchsetzt,    während    die  Inter- 
calarstücke   necrotisch,    missfärbig   werden.     An  der  Lippe 
findet  sich  anfangs  zwar  oft  flacher,   papillomartiger  Krebs, 
sehr  bald  aber  infiltrirter,  mit  Uebergreifen  auf  die  Mund- 
schleimhaut.   Ist  einmal  der  Knochen  ergriffen,    so  schreitet 
die  Degeneration  rascher  nach  der  Fläche  und  Tiefe  vor,  es 
kommt  zum  Durchbruch   des  harten  Gaumens,  Verlust  der 
Zähne  imd  des  Fächerfortsatzes  des  Oberkiefers,  Eröffnung 
der  Highmorshöhle,  der  Stirnhöhle,  der  Flügelgaumen-Grube, 
Durchbruch  der  Schädelknochen,  Blosslegung  des  Grosshirnes, 
dabei  zu  stellenweiser  Umwandlung  in  MeduUarcarcinom,  weit- 
ausgedehnten, jauchenden  Geschwüren,  Massen-Necrose  in  Folge 
von  Gewebs- Ausschaltung   durch   die  Krebsmasse,  fungösen 
"Wucherungen  von  den  angrenzenden  Geweben,  marastischem 
Fieber  und  Tod. 

Die  Genitalien  sind  seltener  Sitz  des  Epithelioms,  das 
als  flaches  auf  der  Glans,  an  der  Umrandung  der  Harnröhren- 
mündung,  dem  Integument  des  Penis  beginnt,  nach  relativ 
kiirzer  Frist  infiltrirt,  mit  sehr  harter  Litumescenz  der  Dorsal- 
lymphgefässe,  des  Corpus  cavernosum,  der  Leistendrüsen  sich 
verbindet  und  binnen  2 — 3  Jahren  letal  endet.  An  den  weib- 
lichen Schamlippen  tritt  der  Process  noch  seltener  auf,  aber 
auch  dann  mit  dem  zuletzt  erwähnten  Verlaufe.  Bisweilen 
geht  aus  einem  Flächenkrebs  der  Genitalien  durch  centrale 
Vernarbung  und  peripheres  Fortschreiten  binnen  J ahren  ein  in 
weitem  Bogen  über  den  Schamberg  und  die  innere  Schenkel- 
fläche sich  ausdehnendes,  serpiginöses ,  eine  weite  Narbenarea 
furchenartig  einsäumendes  Krebsgeschwür  hervor. 

Ungleich  seltener  ist  der  primäre  Epithelialkrebs  des 


gßg  Zweiimdvierzigste  Vorlesung. 

Nabels,  der  Brustwarze,  irgend  einer  Hautstelle  des  Stammes 

 häufiger  wieder  der  Unter extremität,  wo  dasselbe  aus  exuberi- 

renden  Granulationen  (bei  Elephantiasis  Arabum  und  Lupus) 
hervorzugehen  pflegt. 

Auf  der  Schleimhaut  der  Mund-  und  Nasenhöhle,  der 
Conjunctiva,  der  Vagina  und  des  Rectums  erscheint  der  Epithe- 
lialkrebs  primär,   oder  secundär  als  Fortsetzung  und  in  der 
Eigenschaft  des  auf  der  nachbarlichen  Cutis  entstandenen  — 
vom  Nasenkrebs  aus  auf  dem  Gaumen,  dem  Pharynx  und 
Larynx  und  hommt  alsdann  eo  ipso  zugleich  mit  dem  Haut- 
krebs in  Berücksichtigung.    Häufiges  Object  der  dermatolo- 
gischen Praxis ,  namentlich  behufs  Difierentialdiagnose  gegen- 
über von  Syphilis,  ist  das  primäre  Epitheliom  der  Vaginal- 
portion,  wo  dasselbe  häufig  blumenkohlartig,  oder  nur  wie 
eine  feindrusige  Wundfläche  erscheint,  ungleich  häufiger  der 
Krebs  der  Zunge  imd  Wangenschleimhaut.    Auf  der 
Zunge  präsentirt  sich  derselbe  anfangs  als  flache,  linsen-  bis 
bohnendurchschnittgrosse ,  roth-körnige ,  zuweilen  mit  weissen 
Pünktchen  besetzte,  bei  seitlichem  Drucke,  sowie  auch  spontan 
schmerzhafte  Wundfläche,    oder  Iverbung  des  Zungenrandes, 
oder  des  Zungenfückens  mit  weicher  Basis;  erst  später  ent- 
wickelt sich  unter  dem  flachen  Geschwür  derbknotige  Infil- 
tration. Ein  andermal  geht  eine  solche  der  oberflächlichen  Uicer- 
ation  voran.   Stechende,  lancinirende ,  gegen  die  Uüien  aus- 
strahlende Schmerzen  und  Schwellung  der  Submaxillardrüsen 
stellen  sich  nach  ein  bis  drei  Jahren  ein,  womit  dann  ein  un- 
günstiger Ausgang  angezeigt  wird. 

Auf  der  Scheimhaut  der  Wangen  ist  das  Epitheliom  sel- 
tener, meist  flach,  oft  auch  champignonartig,  mit  gekrämptem 

Rande.  . 

Die  Anatomie  des  Epithelioms  ist  nach  dem,  was  ich 
über  dieselbe,  sowie  über  die  Anatomie  der  Krebse  überhaupt 
in  Übersichtlicher  Absicht  bereits  vorgebracht  habe,  trotz  der 
vorliegenden  sehr  werthvollen  Arbeiten,  nur  bis  zu  einem 
schematischen  und  deshalb  wahrscheinlich  nur  temporaren 
Abschlüsse  gelangt.  Nach  demselben  gehört  zum  anatomischen 
Charakter  des  Epithelioms  ein  entzündlich  afficirtes  (von  lym- 
phoiden  und  proliferirenden  Zellen  infiltrirtes,  von  ausgedehnten 
Gefässen  durchsetztes  und  seröser  Lymphe  in  den  erweiterten 
Maschen  durchtränktes)  Cutisgewebe,  welches  von  einem  Netz- 


Epitheliom. 


669 


werk  epitheloifler  Proliferationzellen  nnd  Carcroidkugeln  ent- 
lialtender  Balken  durchsetzt  ist  (Fig.  41),  die  von  den  ß-ete- 
zapfen  ans  kandschnlifingerförmig  in  die  Tiefe  gestülpt  erscheinen 
nnd  durch  Zweigbalken  mit  nachbarlichen  verbunden  ein  Epithel- 
balken-Netz formiren. 


Fig.  41. 


Epitheliom,  (senkrechter  Durchschnitt). 

o  d  mäch«"-  in  die  Tiefe  ragende  Rete/.apfen .  zwisolien  welclien  schmale  Papillen  h  ; 
iiTfenen  bei  e  d  und  anderwärts  Cancroidkugeln ;  c  dünne  Hornzellenschiclite. 

Wichtig  für  die  Histiogenese,  für  die  anatomische  Aetio- 
logie  des  Epithelioms,  ist  die  Entscheidung  der  Frage  über 
den  Ursprung    jener    wuchernden   Epithelzapfen.  Nachdem 
ViECHOW  dieselben  aus  Proliferation  der  Bindegewebskörperchen 
hergeleitet  hatte,  haben  Thiersch,  Recklinghausen,  Waldeyeb 
u.  A. ,  auf  mikroskopische  Untersuchungen  und  theoretische 
(xründe  gestützt,   dieselben  von  Auswüchsen  der  Eetezapfen 
und  des  Drüsen-Epithels  hergeleitet,  während  Köster  sie  als 
Proliferationsproduct   der   Endothelzellen   der  Lymphgefässe 
dargestellt  hat,  wobei   zugleich  diese  Ansichten  so  exclusiv 
gehalten  waren,  dass  eine  andere  Art  der  Entstehung  des 
Epithelialkrebses ,    als  ans  der    jeweilig  geltend  gemachten 
anatomischen  Basis  nicht  als  möglich  hingestellt  wurde.  Ich 
glaube,  dass  für  den  flachen  Krebs  die  Anschauung  Thiersch 's 
nnbezweifelbar  ist.    Auf  Randschnitten  von  Epitheliom  kann 
man  die  successive  Verlängerung  der  Retezapfen  in  die  Cutis 
verfolgen  und  wie  mit  ihrer  Verlängerung  laterale  Sprossung 
und  Cancroidkugel-Formation  in  denselben,  wahrscheinlich  so, 
wie  Epithelsprossung  der  Drüsen- AuskleidungszeUen  —  J^ei 
knotigem  Epitheliom  sogar  diese  zuerst  —  auftritt.   Erst  später 
entsteht  parallel  entzündliche  Infiltration  des  Coriums  und  es 


GTO 


Zweiundvierzigste  Vorlesung. 


gibt  Momente  in  der  Entwicklung  des  Krebses ,  in  welchen 
histologisch  durchaiis  nicht  zu  entscheiden  ist,  ob  eine  benigne 
atypische  Epithel  sprossung,  wie  ich  unter  Lupus  erwähnt  habe 
(pag.         Fig.  38),  eine  etwas  lebhafter  vegetirende  papilläre 
Warze,  oder  bereits  Krebs  vorliegt.    Erst  mit  der  Steigerung 
der  entzündlichen  Infiltration  und  dem  allgemeineren  Vordringen 
der  Epithelsprossung  wird  der  krebsige  Charakter  deutlicher. 
Die  entzündliche  Lockerung  des  Gewebes,  die  Erweiterung  der 
Lymphräume,  die  Spaltung  des  Grewebes  nach  einem  durch  die 
G-efässe  vorgezeichneten  Schema  (Rindfleisch)  ebnen  den  Weg 
für  das  Vordringen  der  Epithelkolben,  während  Narbengewebe, 
wie  bei   dem  exfoliirenden  Carcinom,   denselben  einen  Damm 
entgegenstellt  und  so  örtliche  spontane  Heilung  des  Krebses 
ermöglicht.   Es  ist  aber  durch  eine  Reihe  von  Arbeiten  (Gussen- 
baüer)  sichergestellt,  dass  ausser  den  Epithel-  und  Endothel- 
zellen  sowohl  primär,   wie  namentlich  im  wuchernden  Krebs, 
auch  alle  anderen  Formelemente,  Bindegewebskörperchen,  Ele- 
mente der  Gefässwand,  Muskelzellen,  Lymphzellen  zur  Proli- 
feration und  Production  von  epitheloiden ,   d.  i.  Krebszellen, 
gelangen  und  so  zur  Vermehrung  der  Krebsmasse  beitragen  — 
dadurch  zugleich  in  dem  Krebs  aufgehen. 

Die  weiteren  Erscheinungen  der  Gewebsconsumtion, 
Eiterung,  Jauchung,  sind  nur  consecutive  der  retrograden 
Metamorphose,  welcher  die  zu  höherer  Organisation  unfähigen 
epitheloiden  Elemente  durch  fettige,  schleimige  (Billeoth), 
colloide  Entartrmg  anheimfallen,  abgesehen  von  der  Massen- 
necrose  in  Folge  von  Eliminirung  und  Abspaltung  grösserer 
Gewebspartien ,  namentlich  Knochen,  von  der  ernährenden 
Umgebung. 

Die  Aetiologie  der  Krebse  im  Allgemeinen  liegt  noch 
sehr  im  Dunkeln,  wogegen  die  Ursachen  des  Epithelioms 
in  manchen  Beziehungen  ziemlich  aufgehellt  sind.  Heredität 
der  Disposition  ist  bezüglich  desselben  nicht  erweislich.  Da- 
gegen gibt  das  höhere  Alter  ein  allgemein,  sowie  durch 
gewisse  anatomische  Vorkommnisse  besonders  disponirendes 
Moment,  obgleich  wir  auch  bei  20— 40jährigen  Personen,  einmal 
auch  bei  einem  zehnjährigen  Mädchen  Epitheliom  gesehen 
haben.  Männliche  Personen  bieten  ein  grösseres  Contingent 
für  Hautkrebs  als  weibliche  (100 :  30,  Winiwarter). 

Gewisse  locale,  angeborene  oder  erworbene  histologische 


Epitheliom. 


671 


Verhältnisse  der  Haut   geben  nnzweifelliaft  die  Veranlassung 
zur  Entstellung  des  Epithelioms,  sobald  dieselben  eine  Altera- 
tion  in  dem  nutritiven  Verhältnisse  zwischen  Papillen  und 
Bindegewebsstroma  einerseits,  imd  dem  ßete,  auch  dem  Pig- 
mente,  andererseits  involviren  oder  begünstigen.    Als  solche 
sind  anzuführen  :  Pigment- ,  Papillär-  imd  Sebum  -Warzen, 
welche  spontan  oder  auf  wiederholte  Irritation  (durch  Tabak- 
saft  an   den   Lippen,   wiederholte   mechanische  Verletzung) 
zunächst  zu  Epithelproliferation  sich  anschicken  und  sodann 
durch  Vordringen   von   Epithelsprossen    in   ein  entzündlich 
erweichtes,  oder  durch  senile  Atrophie  weniger  resistent  gewor- 
denes Corium  zum  Epithelkrebs   sich  transformiren ;  Granu- 
lationen, über  welchen  durch  mechanische  oder  örtliche 
Ernährungsverhältnisse  der  normale  Epidermisabschluss  ver- 
zögert und  verhindert  wird,  wie  auf  Fussgeschwüren,  Lupus, 
wo  zunächst  atypische  Epithelzapfen-Bildung  und  sodann  Can- 
croidkugel-Formation   entsteht;   endlich  die   als  Psoriasis 
mucosae  oris  (Leacoplakia  buccalis,  Schwbimee),  als  Residua 
von  Syphilis  bekannten,  grauen  Epithelschwarten  der  Zungen-, 
Lippen-  und  "Wangenschleimhaut ,  aus  denen  gar  oft  Epitheliom 
hervorgeht. 

Für  die  Diagnose  der  bereits  entwickelten  Formen  des 
Epithelialkrebses  genügt  die  Aufmerksamkeit  auf  dessen  früher 
geschilderte  Charaktere.    Schwierig  ist  bisweilen  die  Entschei- 
dung bezüglich  der  Anfangsformen  beim  Sitze  an   den  Geni- 
talien,  wo  sie  mit  Schanker  verwechselt  werden  können  und 
erst  durch  die  frühzeitig  auftretenden  lancinirenden  Schmerzen 
und  Drüseninduration  sich  verrathen;   so  wie  bei  Krebs  der 
Mundschleimhaut,  oder  der  Zunge,  bezüglich  dessen,  so  lange 
nicht  die  charakteristische  Härte  seiner  Basis  ihn  kenntlich 
macht,  der  Zweifel  gegenüber  von  Gumma  syphiliticum,  oder 
dem  selteneren  tubercu lösen  Zungengeschwür  schwer  zu 
besiegen  ist,  um  so  schwieriger,  als  mitunter  factisch  Syphilis- 
symptome gleichzeitig  gegenwärtig  zu  sein  pflegen.  Li  solchen 
Fällen  ist  es  jederzeit  praktisches  Gebot,  vor  einer  Encheirese 
eine  antisyphilitische  Cur  zu  versuchen. 

Die  Prognose  des  Epithelioms  der  allgemeinen  Decke 
ist  günstiger  als  bei  allen  anderen  auf  derselben  vorkom- 
menden Krebsforraen  (s.  die  StatistUi  bei  v.  Winiwakteu);  am 
günstigsten  beim  flachen  Hautkrebs,  der  jahrelang,  oder  während 


672 


Zweiululvierzigste  Vorlesung. 


seines  ganzen  Verlaufes  die  tieferen  Gebilde  versctont,  auch 
spontan  ausheilt  und  niemals  Drüseninfiltration  oder  Marasmus 
zur  Folge  hat.    Weniger  günstig  ist  der  knotige  Hautkrebs, 
weil  derselbe  örtlich  viel  destructiver  ist  und  in  späteren  Jahren 
denn  auch  Drüsenintumescenz ,  Marasmus  und  den  Tod  veran- 
lasst.   Besonders  wird  der  böse  Ausgang  beschleunigt,  sobald 
derselbe  in  einem  Theile  den  Charakter  des  medullären  Car- 
cinoms  annimmt.  In  diesen  Beziehungen  ist  das  papillomartige 
Epitheliom  das  bedenklichste.    Aber  doch  auch  gilt  für  das 
Epitheliom  überhaupt,  und  selbst  auch  für  die  Frühstadien  der 
zwei  letztgenannten  Formen,   dass  auch  rücksichtlich  des  Er- 
folges  einer  zweckmässigen  Behandlung  die  Prognose  günstig 
ist,  denn  das  Epitheliom  recidivirt  nach  erfolgter  Exstirpation 
entweder  gar  nicht;  oder,  was  häufiger  der  Fall,   es  recidi- 
virt ,  aber  nur  regionär,  continuirlich  oder  discontinuirlich  und 
in  so  mässigen  Productionen ,   das  auch  diese  jedesmal  leicht 
bewältigt  werden  können.    Selbst  bei  weit  ausgreifender  In- 
filtration und  Verjauchung  der  Gewebe  kann  durch  eine  ent- 
sprechende Therapie  der  Process  örtlich  beschränkt  oder  elimi- 
nirt,  dadurch  das  bereits  gestörte  Allgemeinbefinden  gebessert, 
und  der  drohende  letale  Ausgang  auf  Monate  und  J ahre  hinaus- 
geschoben werden. 

Die  Behandlung  des  Epithelialkrebses  mittels  inner- 
licher Mittel,  specieU  auch  aller  als  „Anticancrosa"  im  Laufe 
der  Zeiten  angerühmten  Medicamente  und  Arcana  hat  sich 
bisher  erfolglos  erwiesen.  Zweckdienlich  allein  ist  die  d  i  r  e  c  t  e 
Eliminirungdes  Krebses.  Wir  bedienen  uns  zu  diesem  Zwecke 
der  gleichen  Mittel  und  Methoden,  wie  gegen  Lupus,  weshaib 
bezüglich  der  einzelnen  Eigenschaften  und  Indicationen  uer- 
selben  auf  jenes  Capitel  (pag.  634)  verwiesen  werden  kann. 
Flacher  und  mässig  tief  reichender  Knoten-  und  Warzenkrebs 
wird  sehr  gut  mittels  scharfen  Löffels  herausgekratzt,  oder 
des  Lapis-,  Chlor-,  Zink-  oder  Kalistiftes  herausgravirt,  oder 
durch  Auflegen  von  Pasta  Viennensis  oder  Canquoin,  der 
Arsenikpasta  oder  der  lOpercentigen  Pyrogallussalbe  heraus- 
geätzt. Letztere  beide  Pasten ,  die  auf  Leinwand  gestrichen 
und  nach  Umständen  3—6  Tage  continuirlich  applicirt  werden 
müssen,  haben  den  Vorzug,  nur  das  kranke  Gewebe  zu  zerstören, 
die  Pyrogallussalbe  auch  noch  den  der  Schmerzlosigkeit,  wes- 
halb   diese  gegen  Epitheliom  ganz  besonders  zw  empfehlen 


Carcinome. 


673 


ist.  Tiefgreifender  Knotenkrebs  der  Lippe  und  anderer 
Eegionen  wird  am  besten  sofort  mittels  Messers  exstirpirt. 
Bei  weit  vorgedrungenem  und  jauchigem  Carcinom  kommen 
wieder  die  Aetzmittel  zur  geeigneten  Verwendung,  um  an  dazu 
geeigneten,  oder  an  bedrolilicken  Punkten  dem  Weitersclareiten 
der  Afterbildung,  dem  Zerfalle  der  Gewebe  und  den  daraus  resul- 
tirenden  üblen  Folgen  Einhalt  zu  thun :  neben  den  oben  genannten 
Aetzmitteln  noch  Creosot,  flüssig  oder  mit  Pulv.  liquirit.  und 
Opium,  oder  auch  Arsenik  zu  einer  Paste  geformt,  z.B.  Creosot  20, 
Arsenici  alb.  0,30,  Opii  puri  0,15;  doch  soll  letztere  Paste  nur 
auf  beschränkte  Flächen  applicirt  werden. 

Recidive  Knötchen  müssen  sofort  nach  ihrem  Auftauchen 
zerstört  werden,  und  ist  man  in  dieser  Beziehung  achtsam  und 
energisch ,  so  gelingt  es  leicht  auch  bei  grosser  Neigung  zu 
Nachschüben  das  Individuum  nicht  nur  vor  lästiger  Entstellung 
zu  bewahren,  sondern  auch  vor  dem  Tode  durch  Krebsmarasmu.s 
zu  behüten. 

Von  Bindegewebskrebs,  welcher  die  allgemeine  Decke 
betrifft ,  seien  drei  Formen  von  gleich  maligner  Bedeutung- 
angeführt  : 

Carcinoma  lenticulare  entsteht  über  einer  von 
Knollenkrebs  erfüllten  Mamma,  oder  nach  Exstirpation  dieses 
als  Recidive  auf  einer  zum  Theil  bretthart  infiltrirten ,  zum 
Theil  noch  weichen  Haut  in  Gestalt  von  linsengrossen  und 
grösseren,  derben,  glänzenden,  alsbald  excoriirenden  Knötchen 
und  Knoten.  Es  ist  die  Form,  in  welcher,  wie  Billroth  sagt, 
die  Infiltration  früh  iu  die  Cutis  eindringt  und  sich  in  dieser 
mit  Hyperämie  und  Induration,  ähnlich  einer  chronischen 
Cutis-Lymphangioitis,  verbreitet,  so  dass  der  Thorax  wie  von 
einem  Panzer  umschlossen  erscheint.  Derselbe  besteht  aus 
dichtem  faserigen  Gerüste  (Faserkrebs,  Rokitansky)  mit  spär- 
licher Zelleneitilagerung  in  dessen  engen  Maschenräumen. 

Carcinoma  tuberosum  erscheint  bei  älteren  Personen 
im  Gesicht  ,  an  den  Händen  und  an  anderen  Körperstellen  in 
Form  von  erbsen-,  wallnuss-  bis  hühnereigrossen  Knollen,  die 
bald  erweichen  und  tief  exulceriren  und  mit  ähnlichen  Bildungen 
in  den  inneren  Organen  vergesellschaftet  sind. 

Carcinoma  melanodes  s.  pigm  ent  o  de  s  beginnt  an 
einer  beschränkten  Hautstelle,  am  Fuss-  cder  Handrücken,  an 
einem  Finger,   einer  Zehe,   am  Labium,   mit  schrotkorn-  bis 

Kaposi,  Hautkrauklieiten.  43 


ß-j^  Zweiundvierzigste  Vorlesung. 

bolmengrossen  Knoten  von  graphitälinHcher  oder  schwarzblaner 
Farbe  und  theUs  derber,  theils  matscber,  einer  Beere  vergleich- 
barer Consistenz.    Eine  Gruppe  desselben  wächst  zu  einer 
champignonähnlichen,    sehr  bald   exulcerirenden  Geschwulst 
empor.    Theils  in  unregelmässig  regionärer  Verbreitung,  theils 
längs  der  Lymphgefässe  in  ßeihen  und  Strichen  treten  sehr 
bald  eine  Unzahl  solcher  schwarzgrauer  Punkte,  Knötchen  und 
Knoten,  streckenweise  bis  zur  Confluenz  zu  diffusen  höckerigen 
Infiltraten  auf,  die  Lymphdrüsen  werden  intumescirt,  es  folgt 
Marasmus  und  Tod.    Die  inneren  Organe  sind  reichlich  von 
ähnlichen,  nur  noch  mehr  hämorrhagischen  Knoten  durchsetzt. 
Sie  bestehen  aus  einem  grossmaschigen,  gefässreichen,  stellen- 
weise alveolaren  Stroma  mit  nestförmig  oder  in  unregelmässigen 
Haufen  eingelagerten  kleinen  und  grossen  epitheloiden,  oder 
spindelförmigen,  proliferirenden  ZeUen  und  reichlichem,  theUs 
aus  Hämorrhagien  herrührendem,  theils  direct  aus  den  Ge- 
fässen  transsadirtem  (Rindfleisch)  Pigment. 


Sarcoma  cutis 

kommt  im  Allgemeinen  selten  vor  und  da  zumeist  als  Metastase 
des  Sarcoms  der  Lymphdrüsen,  oder  tiefer  gelegener  Organe, 
zuweilen  als  Pigmentsarcom,  hervorgehend  aus  einem  Naevus 
und  wie  die  Sarcome  überhaupt  mit  der  Tendenz  zu  früh- 
zeitiger Metastasirung  und  allgemeiner  Verbreitung. 

Als  eine   der  Haut   eigenthümliche   typische  Form 
habe  ich  Vorjahren  das  „idiopathische  multiple  Pig- 
mentsarcom"  aufgestellt,  von  dem  ich  bis  jetzt  10  Falle 
alle  bei  Männern ,  gesehen  und  seither  auch   Fantüeri  und 
WtGGELSWOKTH  Beispiele  mitgetheilt  haben.    Dasselbe  beginnt 
/Ai-leich  an  beiden  Füssen  und  Händen,  Planta  und  Vola, 
Ha°nd-  und  Fussrücken  und  schreitet  mittels  discreter  Produc- 
tionen  centripetal  über  die  Unter-  und  Oberschenkel  und  Arme 
vor   bis  es  nach  2-3  Jahren  auch  im  Gesichte  und  auf  dem 
Stamme   erscheint.     Es   entstehen    schrotkorn-,   erbsen-_  bis 
bohnengrosse ,  rothbraune  und  blaurothe,  rundliche,  massig 
derbe  Knoten,  die  theils   discret   und  unregelmassig  situirt 
sind   theils  zu  Gruppen  von  Kreuzer-  bis  Flachhandgrösse  an- 
einanderrücken.    Eüsse   und   Hände   sind  knollig  verdickt^ 
unförmlich,   bei  Druck   und   auch  spontan  schmerzhaft,  die 


Sarconm. 


675 


Finger  spindelförmig  verdickt,  von  einander  gedrängt,  das  Grellen 
und  Hantiren  wegen  der  Starrheit  der  Haut  in  hohem  Grrade  be- 
liindert.  Die  älteren  Knoten  sinken  nach  mehrmonatlichem  Be- 
stände ein,  unter  Schilferung  ihrer  Epidermis  und  schwinden 
sogar  gänzlich  unter  Hinterlassung  sehr  dunkel  pigmentirter,  nar- 
biger Gruben.  Die  aus  Knoten-Gruppen  bestehenden  Plaques  atro- 
phisiren  ebenfalls  im  Centrum  und  bilden  so  später  einen  die  mitt- 
lere pigmentirte  Narbengrube  umrahmenden,  gekerbten,  derben, 
braunrothen,  mit  harten,  trockenen  Schuppen  bedeckten  Wall. 
Manche  Knoten  werden  auch  weich,  matsch,  aber  es  kommt 
nirgends  zu  Ulceration.  Nach  2 — 5  Jahren  erscheinen  auch  Knoten 
von  Bohnen-  bis  Nussgrösse  auf  den  Augenlidern,  der  Nase, 
der  W ange ,  Lippe  und  an  verschiedenen  Stellen  des  Stammes, 
die  zum  Theile  dunkelblauroth,  schwammig  sich  anfühlen  und 
auch  von  der  Oberfläche  her  zerfallend  ein  blutig  sufFundirtes 
Gewebe  zu  Tage  legen.  Um  diese  Zeit  stellt  sich  Fieber, 
blutige  Diarrhoe,  Hämoptoe,  Marasmus  und  alsbald  der  Tod 
ein.  Bei  der  Section  findet  man  die  gleichen  blutreichen, 
fleischfarbenen  Knoten  in  grosser  Menge  in  der  Lunge,  Leber, 
Milz,  im  Herzfleisch,  im  Tractus  intestinalis,  besonders  dicht 
gedrängt  und  nekrotisch  zerfallen  im  Colon  descendens. 

Diagnostische  Schwierigkeit  bietet  diese  Form  in' 
erheblichem  Maasse  ,  indem  so  lange  dieselbe  auf  die  Hände 
\im\  Fiisse  beschränkt  ist,  eine  Verwechslung  mit  papulöser 
Syphilis  (Prosiasis  plantaris  et  palmaris),  später  mit  Gumma- 
tibus,  mit  Lupus  und  Lepra  sehr  leicht  möglich  wäre. 

Die  Prognose  ist  ungünstig ,  indem  selbst  in  den 
Fällen ,  welche  mit  den  ersten  Knötchen  sich  präsentirt  haben, 
weder  durch  Exstirpation ,  noch  durch  eine  andere  örtliche 
oder  allgemeine  Medication  die  weitere  Entwicklung  und  der 
letale  Ausgang  hintangehalten  werden  konnte.  Doch  verzögert 
sich  der  Verlauf  viel  mehr  als  bei  den  anderen  Formen  von 
Sarcom,  etwa  auf  3  —  5  Jahre  und  darüber. 

Eine  andere  Form  von  Sarcomatosis  cutis  mit  rapid 
fnnestem  Verlaufe  habe  ich  an  einem  Manne  und  zwei  Frauen 
beobachtet.  Der  erste  Fall  (von  der  hiesigen  Klinik)  ist  von 
Gkber  als  „entzündlich-fungöse  Geschwulst"  der  Haut  be- 
schrieben worden  und  analog  hat  auch  Duhring  einen  Fall 
hingestellt.  Es  entstanden  an  verschiedenen  Körperstellen, 
besonders   des   Stammes   und  der   Extremitäten  linsen-  bis 

■  43* 


Q-Q  Zweiundvierzigste  Vorlesung. 

kreuzergrosse  rothe  Flecke,  flache  und  knotig  hervorragende 
Infiltrate,  welche  .  theils  wieder  nach  einiger  Zeit  schwanden, 
theils  binnen  Wochen  sich  bis  zu  flachhandgrossen  und  grösseren 
Herden  ausbreiteten,    üeber  der  so  infiltrirten  Haut  entstand 
Schilferung  der  Epidermis   oder,   nach  Ablösung  derselben, 
Secretion  viscider  Flüssigkeit.  Manche  diffase  Infiltrate  schwan- 
den im  Centrum  mit  Hinterlassung  pigmentirter ,  deprimirter 
Flecke,  so  dass  die  letzteren  von  einem  braunrothen  Infiltra- 
tionsringe eingeschlossen  erschienen.  An  anderen  Stellen  erhoben 
sich  champignonartige  Wucherungen ;  an  noch  anderen,  wie  im 
Sckenkelbug,  lappig-warzige,  nässende,  beerschwamm-ähnliche 
Geschwülste.  Bei  der  einen  Frau,  die  einige  Tage  auf  der  Klinik 
gelegen  war,  war  die  Krankheit  von  der  linken  Mammal- 
Haut  ausgegangen,  wo  auch  ein  jauchiges  Geschwür  sich 
später  etablirte;  bei  der  anderen  Frau,  die  ich  mit  Billroth 
gesehen,  war  die  erste  fungöse  Geschwulst  über  dem  rechten 
Knie  entstanden.  In  aUen  drei  Fällen  waren  vom  Beginn  der 
Erkrankung  bis  zu  dem  unter  hochgradigem  Marasmus  erfolgten 
Tode  nicht  mehr  als  2-3  Jahre  verstrichen.   Ich  stehe  nicht 
an,  diese  Form  auf  Grund  der  klinischen  Symptome  und  de& 
histologischen  Befundes  zu  den  malignen  Sarcomen  der  Haut 
zu  zählen. 


X.  Olasse. 

ülcera  cutanea,  Hautgescli würe. 
Preiund vi  erzigste  Yorlesung. 

Begriff   der    Geschwüre.    Allgemeine    Symptomatologie,    Eintlieiluna.  — 
Idiopathisch  entzündliehe,  einfache  und  contagiöse  Geschwüre,  das  Fuss- 
■ges^hwür:  Sehanker.    Conseeutiv  entzündliehe,  serophulöse  Geschwüre. 
Aus  Neoplasie  hervorgegangene  Geschwüre. 

Hautges  cliwür ,  Ulcus  (cutaneum),  heisst  ein  mittel- 
bar oder  iiiimitt elb ar  zu  T  ag e  Ii egen der  S ub s  t anz- 
verlust  des  Coriums,  welcher  ein  in  der  Regel 
von  dem  sogenannten  guten  "Wundeiter  qualitativ 
abweichendes  Secret  absondert  und  deshalb  nicht, 
oder  nur  zögernd  zur  Heilung  gelangt,  weil 
dessen  Begrenzungsgewebe  in  fortschreitendem 
moleculären  Zerfall  begriffen  ist. 

Nach  dieser  Definition  ist  also  ein  Abscess  kein  Geschwür, 
weil  bei  demselben  Massennekrose,  und  nach  Abstossung  dieser 
Tendenz  zur  Heilung  vorhanden  ist;  ebensowenig  eine  gut 
eiternde  und  granulirende  Wunde  und  auch  nicht  ein  Substanz- 
verlust, der,  wie  bei  Eczem,  Pemphigus,  die  Epidermis  allein 
und  nicht  auch  den  bindegewebigen  Antheil  der  Haut  betrifft. 

Seiner  Entstehung  nach  ist  das  Geschwür  keine  Primär- 
formation. Immer  muss  an  der  Hautstelle ,  wo  ein  Geschwür 
zu  Stande  kommen  soll,  vorerst  eine  entzündliche  oder  neo- 
plastische Production  stattgefunden  haben,  welche  entweder 
in  sich  selbst  die  Bedingung  des  stetig  fortschreitenden  mole- 
culären Zerfalles  und  der  Geschwürsbildung  trägt,  oder  durch 


Q'jQ  Dreiundvierzigste  Vorlesung. 

gewisse   örtliclie   oder  allgemeine   Einflüsse  in  ihren  sonst 
typisch  zu   beobachtenden  Heilungsvorgängen   gestört  wird. 
Zu  jenen  gehören  Lupus,  scrophulöse  Infiltration,  Lepra,  Car- 
cinom   und   Sarcom ,    syphilitische'  Gummata,   welche  ihrer 
Natur  nach  zu  geschwürigem  Zerfall  prädestinirt  sind.  Als 
örtliche  Momente ,  welche  durch  Steigerung  eines  Entzündungs- 
processes  oder  Störung  der  normalen  Wundheilung  Geschwürs- 
bildung  veranlassen,  sind  zu  erwähnen :  örtliche  Circulationshem- 
mung,  bei  Varicosität  der  Venen,  mechanischer  Druck,  Zerrung, 
Quetschung,  Kratzen,  das  junge  Gewebe  zerstörende  chemische 
Einflüsse,  Pflaster  und  Salben,  Benetzung  der  Granulationen 
mit  Faeces,  Speichel ,  Harn,  Caries  und  Necrose  der  Knochen. 
Als   entfernte  Ursachen   der  Geschwürsbildung  machen  sich 
geltend  Herzfehler  und  gewisse  dyscrasische  Zustände,  wie 
Anämie  und  Marasmus  jeder  Art,  welche  entweder  zu  Zerfall 
disponirte  Hautinfiltration  veranlassen ,  oder  die  Heilung  be- 
stehender Wunden   in  Folge  Blutmangel,   oder  mangelnder 
Plasticität  der  Säfte  hintanhalten. 

Werden  die  entzündlichen  oder  neoplastischen  Infiltrate, 
deren  Zerfall  das  Geschwür  bedingt,  spontan  oder  künstlich 
eliminirt,  oder  jene  Momente  beseitigt,  welche  die  sich  an- 
schickende Granulationsbildung  fort  und  fort  stören,  so  wird 
die  letztere  eben  ihren  Weg  bis  zur  vollendeten  Vernarbung 
zurücklegen,  wie  jede  von  Haus  aus  normale  Wunde.  Es 
besteht  demnach  zwischen  Geschwür  und  gut  eiternder  Wunde 
kein  meritorischer,  nur  ein  facultativer  Unterschied  und  beide 
können  wiederholt  in  einander  verschmelzen. 

Darnach  haben  wir  nicht  die  geringste  Veranlassung  den 
Geschwüren  irgend  eine  dem  Organismus  fremdartige,  onto- 
logische  Bedeutung  zuzumuthen,  wie  dies  früher  üblich  war 
und  zum  Theile  leider  auch  heute  noch  geltend  gemacht  wird. 
Wir  haben  gar  kein  Verständniss  dafür,  wie  ein  Fussge- 
schwür eine  Art  vicariirende  Secretion  liefern  soU  für 
unterdrückte  Menstruation,  Hämorrhoidalflüsse ,  nachdem  wir 
in  jedem  einzelnen  Falle  die  Entstehung  und  Fortdauer  dieses 
Geschwüres  aus  den  örtlichen  und  mechanischen  Verhältnissen, 
varicösen  Venen,  Dermatitis,  Kratzen,  Stauungsödem  und 
Hämorrhagie  vollständig  klar  entnehmen,  dagegen  durchaus 
einen  physiologischen  Zusammenhang  zwischen  dem  Geschwür 
und  der  Menstruation  und  den  Hämorrhoiden  nicht  auiFmden 


Ulcera. 


679 


können.  Wir  vermögen  niclat  zu  fassen ,  wie  sonst  erleuchtete 
Pathologen  durch  das  Anlegen  eines  Fontanells  am  Oberarm 
die  supponirten  Nachtheile  der  Heilung  eines  Fussgeschwüres 
paralysiren  können,  als  wenn  das  letztere  wie  ein  Weber- 
schiffchen hin  und  her  geschleudert,  vom  Unterschenkel  nach 
dem  Oberarm  durch  den  Organismus  verschoben  werden  könnte, 
eine  Vorstellung,  die  ganz  unphysiologisch,  laienhaft. 

Kein  Entzündungs-  und  kein  Eiterungsprocess  gehört  zur 
Gesundheit.  Ein  Substanzverlust  ist  ein  Schaden  des  Körpers, 
er  mag  wie  immer  entstanden  sein,  und  ein  solcher,  der  Monate 
und  Jahre  lang  besteht  und  mit  copiöser  Secretion,  mit  an- 
dauerndem Saftverlust  verbunden  ist,  gewiss  ein  noch  grösserer 
Nachtheil  für  jeden,  und  gar  für  einen  vielleicht  schon  ander- 
weitig geschwächten  Organismus ;  nicht  zu  gedenken  auch  der 
socialen  Nachtheile,  der  Störungen  im  Berufe,  welche  mit 
jeder  schmerzhaften  oder  eiternden  Wunde  verbunden  sind.  Wir 
werden  bei  einer  solchen  AufPassung  nicht  nur  den  Muth, 
sondern  auch  die  Pflicht  fühlen,  Alles  daran  zu  setzen,  um 
bestehende  Geschwüre  zu  heilen,  imd  zwar  möglichst  rasch 
und  sicher,  im  Bewusstsein,  dadurch  dem  Kranken  nur  einen 
Gewinn  zu  bringen  und  nicht  fürchten,  als  könnte  ein  Geschwür 
auf  innere  Organe  verschlagen  werden,  da  doch  Niemand  so 
etwas  zu  leisten  vermöchte,  weil  dies  eine  naturgeschichtliche 
Unmöglichkeit  ist. 

Da  die  Geschwüre  nur  nach  der  Art,  nicht  nach  den.' 
Wesen  ihrer  Ursachen  differiren ,  so  haben  dieselben  auch 
gewisse  allgemeine  Symptome  gemeinschaftlich. 

Man  unterscheidet  bei  jedem  Geschwür  als  objective 
Symptome  Hand  und  Grund,  Form  und  Umfang,  Art  des 
Fortschreitens ,  Beschaffenheit,  des  Secretes  und  dazu  gewisse 
begleitende  subjective  Erscheinungen. 

Der  Grund  des  Geschwüres  ist  in  der  Regel  graugelb, 
eitrig  infiltrirt,  weil  in  moleculärem  Zerfall  begriffen,  speckig 
belegt,  glatt  oder  ungleich  grubig.  Die  Ränder  sind  steil 
abgesetzt  oder  allmälig  abfallend,  glattlaufend  oder  zackig 
ansgenagt,  ein  anderes  Mal  wenig  oder  sehr  weit  unterminirt, 
buchtig,  dabei  einmal  beweglich  oder  festgelöthet ,  weich  oder 
entzündlich  infiltrirt,  leicht  blutend,  wie  auch  manchmal  der 
Grund,  oder  ebenfalls  grau  belegt.  Die  nächste  Umgebung 
der  Geschwüre,  des  Randes  und  Grundes,  erscheint  entzündlich 


G80 


Dreiundviüi'zigste  Vorlesung. 


geschwellt  oder  wenig  verändert,  fast  normal  oder  ödematös, 
oder  hart,  derb,  callös,  oder  von  einer  specifischen  Neubildung 
(Lupus,  Carcinom,  Syphilis)  infiltrirt.  Der  Form  nach  ist  das 
Greschwür  bei  kleinerem  Umfange  gewöhnlich  kreisrund,  rund- 
lich, bei  grösserem  Umfang  unregelmässig  gestaltet,  buchtig, 
tiefgreifend ,  kraterförmig ,  ungleich  grubig  oder  mehr  flach, 
wie  erosionartig  und  von  dem  Umfange  eines  Kreuzers, 
Thalers,  bis  zu  dem  eines  kalben  oder  ganzen  Umfange«  einer 
Extremität. 

Das  Greschwür ssecret  weicht  in  seiner  BesckaflFen- 
lieit  in  der  Regel  von  der  eines  pus  bonum  et  laudabile  ab. 
Es  ist  entweder  copiös,   oder  spärlich,  dünneitrig,  molken- 
artig, mit  spärlichen  Formelementen  vermengt,  oder  gar  von 
einer  mehr  durchscheinenden,  visciden  klebrigen  Beschaifenheit, 
geruchlos  oder  jaucheartig  übelriechend,  oder  hämorrhagisch. 
Dasselbe  trocknet  zu  Krusten  verschiedener  Färbung  und 
]\Iächtigkeit  ein ,  welche  bei  einer  gewissen  Ausbreitungsweise 
schildförmig  abfallend,  rupiaartig,  sich  präsentiren ,  oder 
bei  spärlicher  Secretion  nur  wie  ein  gummiartiger  Ueberzng 
sich  darstellen.   Man  hat  überdies  dem  Greschwürssecret  auch 
besondere  Beimengungen  zugeschrieben ,  einen  Ueberschuss  von 
Salzen,   namentlich  von  phosphorsaurem  Natron,   oder  harn- 
saurem Natron  bei  arthritischen  Greschwüren,   ausserdem  bei 
denselben  zuweilen  eine  blaue  Färbung  beobachtet,  welche 
Manche  mit  der  Anwesenheit  blaugefärbter  Vibrionen,  Andere, 
wie  GrRARD  und  Fordoz,  mit  der  Anwesenheit  von  Pyocyanin 
und  Pyoxanthose  erklärt  haben. 

Auch  ein  specifischer  Geruch  ist  den  Geschwüren  zuge- 
schrieben worden. 

An  subjectiven  Erscheinungen  ist  zu  erwähnen,  dass 
die  Geschwüre  bisweilen  indolent,  oder  sehr  schmerzhaft 
sind,  wonach  man  asthenische  und  er  ethische  Ge- 
schwüre unterscheidet. 

Im  Verlaufe  der  Geschwüre  unterscheidet .  man  das 
Stadium  destr uctionis,  welches  Wochen ,  Monate,  Jahre 
hindurch  anhalten  kann  und  gleichbedeutend  ist  mit  dem  Fort- 
bestand der  geschwürigen  Beschaffenheit,  und  das  Stadium 
reparationis,  in  welches  jedes  Geschwür  nach  Beseitigung 
seiner  nächsten  Ursache  übergeht  und  das  dem  Zustande 
der  normalen  Wunde   entspricht.    Es   gibt  Geschwüre  von 


Ulcus  criiris. 


681 


typischem,  d.  i.  zugleicli  begrenztem  Verlaufe  und  solche, 
deren  Verlauf  und  Dauer  atypisch,  unbestimmbar  ist. 
Phlegmonöses,  diphtheritisches,  croupöses  Ge- 
schwür bedeutet  einen  in  der  Bezeichnung  ausgedrückten,  von 
der  Norm  abweichenden  Typus,  wie  das  serpiginöse  und 
nierenförmige  Geschwür  eine  besondere  Form  des  weiter- 
schreitenden Gewebszerfalles. 

Der  örtliche  A  u  s  g  a  n  g  aller  Geschwürsbildung  ist  mit 
wenigen  Ausnahmen  die  Umwandlung  in  eine  gesunde,  granu- 
lirende  Wunde  und  Verheilung  mittels  Narbe  (vide  pag.  584). 

AU'  dieses ,  sowie  Prognose  und  Bedeutung  des 
Geschwüres  für  die  betroffene  Oertlichkeit  und  den  Organismus 
hängen  von  der  demselben  zu  Grunde  liegenden  anatomischen 
Veränderung  ab ,  und  diese  auch  ist  es  ganz  allein ,  welche 
einer  rationellen  Eintheilu.ng  der  Geschwüre  untergelegt 
werden  kann.  Darnach  theilen  sich  alle  Hautgeschwüre  in 
zwei  Gruppen,  in  1.  aus  Entzündung  hervorgegangene, 
„Entzündungs-Geschwüre",  2.  solche,  die  aus  Neubildungen 
entstanden  sind. 

Die  Entzündung s- Geschwüre  können  unterschieden 
werden,  als  nicht  contagiöse  und  contagiöse,  welche 
beide  wieder  idiopathisch  oder  symptomatisch  sein 
können,  all'  dies  entsprechend  dem  Charakter  des  Entzündungs- 
processes ,  welcher  ihrer  Entstehung  zu  Grande  liegt. 

Idiopathische,  nicht  contagiöse  Entzündungs- 
Geschwüre  gehen  aus  idiopathischer  Hautentzündung  jeder 
Art  hervor ,  acuter  und  chronischer  Dermatitis ,  Ahscessen, 
Excoriationen,  Eczem,  Impfpusteln,  wenn  durch  Kratzen,  Druck, 
Zerrung,  Eiterabfluss  unter  Krusten ,  irritirende  Pflaster,  Blut- 
stauung durch  Einschnürung,  Varicosität  etc.,  hämorrhagische 
Zerwühlung  der  Granulationen,  überhaupt  Störung  der  letzteren 
wiederholt  stattfindet. 

Unter  denselben  ist  besonders  das  sogenannte  Fuss- 
geschwür, Ulcus  cruris,  eigentlich  Unterschenkelgeschwür, 
praktisch  wichtig.  Man  kann  in  seiner  Entstehung  und  Ver- 
laufsweise beinahe  alle  Bedingungen  der  Geschwürsbildung 
der  ßeihe  nach  sich  geltend  machen  sehen.  Bekanntlich 
kommt  dasselbe  zumeist  bei  Personen  vor,  welche  an  Varices 
leiden,  wie  viele  weibliche  Individuen  nach  vorausgegangenen 
Schwangerschaften,  oder  Personen  beiderlei  Geschlechtes ,  die 


682 


Diieiundvierzigste  Vorlesung. 


vermöge  ihres  Berufes  gezwungen  sind,  jahraus ,  jahrein  viele 
Stunden  des  Tages  stehend  zuzubringen. 

Das  erste  Pathologische ,  was  bei  solchen  Personen  sich 
einstellt ,  ist  neben  zeitweiligen  massigen  Oedem  und  Schmerzen 
in  der  Ferse  und  an  der  Planta,  Jucken  am  Unterschenkel, 
in  Folge  dessen  Kratzen  und  Excoriationen. 

Aus  kleinen,   oberflächlichen  Excoriationen   werden  so 
anfangs   ganz  flache,  alsbald  tiefere   Substanzverluste,  die 
sich   umso   rascher    zu   Geschwüren   gestalten,  je  häufiger 
Hämorrhagien ,  Oedem ,  Zerrung ,  mechanische  Verletzung  beim 
Druck,  Stoss,  complicirende  Lymphangoitis  oder  Dermatitis, 
wie  bei  Eiterabsperrung  unter  den  Krusten ,  je  mehr  alle  diese 
Momente    die    reparirende   Grannlationsbildung   stören.  Im 
späteren  Verlaufe  kommen  noch  die  durch  die  häufigen  Ent- 
zündungen und  Anläufe  zu  (Narben-)  Bindegewebsneubildung 
veranlasste  Callosität  der  Geschwürsränder ,  der  grosse  Um- 
fang der  letzteren,  die  Constriction  der  zuführenden  Gefässe 
durch  die  Narben  selbst  und  der  Fortbestand  der  ursprüng- 
lichen  ätiologischen  Verhältnisse    dazu,   welche  die  einmal 
etablirten  und  ausgebreiteten  Fussgeschwüre  zu  einem  jahre- 
lang bestehenden,  höchst  schmerzhaften  und  lästigen,  wenn 
nicht  unheilbaren  Uebel  gestalten. 

Die  Unterschenkelgeschwüre  finden  sich  zumeist  am 
mittleren  unteren  Drittheil  des  Unterschenkels,  einer-  oder 
beiderseits,  vorwiegend  an  dessen  vorderem  Umfang,  einem 
kleineren  oder  dem  grössten  Theil  seiner  Peripherie,  in  seltenen 
Fällen  denselben  ringsum  occupirend.  Die  kleineren  Geschwüre 
sind  rund,  rundlich,  die  grösseren. von  unregelmässiger  Ge- 
stalt und  entsprechend  ihrem  Alter  zumeist  von  callösem, 
buchtigem  Rand  und  mit  mehr ,  weniger  prononcirter  elephan- 
tiatischer  Verdickung  der  Gliedmasse  complicirt. 

Von  syphilitischen-  Geschwüren  unterscheidet  sich  dieses 
einfache  sogenannte  „varicöse"  Geschwür,  Ulcus  evaricibus, 
durch  die  in  der  Regel  auch  bei  grösserem  Umfang  flache  Be- 
schaffenheit,  geringe  Schmerzhaftigkeit  und  den  Mangel  einer 
circumscripten ,  einem  Gumma  entsprechenden  Infiltration  der 
Umgebung,  sowie  durch  dessen  Entstehungsgeschichte,  die 
aus  der  chronisch- entzündlichen  Beschaffenheit  des  umgebenden 
Gewebes  spricht. 


Ulcus  cruris. 


083 


Wenn  man  dieser  Art  die  Entstehung  der  sogenannten 
Fassgeschwüre  von  ihren  ersten  Anfängen  an  verfolgt,  dem- 
nach die  volle  Ueberzeugung  gewinnt ,  dass  nur  örtliche 
Circulations-  und  Nutritionsverhältnisse  der  Gewebe  ihre  Ent- 
stehung veranlassen,  dann  wird  man  sicherlich  die  alther- 
o-ebrachten  Vorurtheile  über  die  derivirende  und  vicariirende 
Eigenschaft  der  Fussgeschwüre  fahren  lassen  und  im  Gregen- 
theile  sich  Mühe  geben,  dieselben  frühzeitig  zu  bekämpfen 
\mä  zu  heilen.  Es  gelingt  dies  sicher  bei  noch  wenig  aus- 
gedehnten vTud  tiefgreifenden  Greschwüren,  viel  schwieriger  bei 
ausgedehnten  und  wird  bei  sehr  aiisgebreiteten  und  callösen 
Geschwüren  ganz  unmöglich. 

Die  Therapie  hat  nach  allgemeinen  chirurgischen 
Grundsätzen  zu  erfolgen.  Beim  Vorwalten  entzündlicher  Er- 
scheinungen wird  man  vor  Allem  bestrebt  sein,  diese  zu 
beseitigen,  durch  horizontale  oder  erhöhte  Lage  der  Extremität 
und  Application  von  Kälte.  Sodann  wird  man  die  Abstossung  der 
moUeculär  zerfallenen  oberen  Gewebsschichten  zu  befördern 
trachten  durch  Auflegen  von  Gypsum  bituminatum  pulve- 
risat. ,  welches  durch  Abreiben  von  Oleum  fagi  mit  Gyps 
gewonnen  wird,  oder  Pulvis  carbonis  ligni  tiliae,  oder  Lister- 
verband u.  s.  f. ,  endlich  die  Granulationsbildung  sorgfältig 
überwachen,  indem  man  dieselbe  nach  Umständen  anregt, 
z.  B.  durch  Verband  mit  Kali  caust.  0,1  :  50,0  Aq.  dest.,  oder 
deren  üppige  Wucherung  durch  Aetzung  oder  Auslöffeln  be- 
seitigt, oder  durch  ätzende  und  constringirende  Verband- 
mittel, Cuprum  aceticum  in  Lösung,  rothe  Präcipitatsalbe,  Lapis, 
Alaunpulver  und  Aehnliches  mässigt. 

Das  continuirliche  Wasserbad  hat  sich  sowohl 
als  Behelf  für  die  Beförderung  der  Reparation  der  Geschwüre, 
als  wie  zur  Abkürzung  complicirender  phlegmonöser  Ent- 
zündung ausserordentlich  wirksam  erwiesen.  Ein  methodisch 
angelegter  Druck  verband,  der  von  den  Zehen  angefangen  bis 
über  die  Wade  in  allmälig  aufsteigenden  Touren  mittels  Flanell- 
binde gemacht  wird  und  durch  eine  auf  die  Geschwürfläche 
selbst  direct  applicirte  Compression  mittels  Emplastrum  sapo- 
natum,  domesticum  unterstützt  wird,  ermöglicht  sogar  das 
Herumgehen  während  des  Bestandes  des  Geschwüres,  indem 
durch  die  Compression  der  Ausdehnung  und  Zerreissung  der 
kleinen  Venen  und  Capillaren,  und  so  den  Hämorrhagien  oder 


684 


Dreiundvierzigste  Vorlesung. 


einer  ödematösen  und  exuberirenden  BeschafFenlieit  der  Granu- 
lationen vorgebeugt  wird. 

Geschwüre  von  übermässiger  Callosität  der  Ränder  teilen 
ausserordentlich  schwer.  Man  kann  durch  schleuderförmiges 
Anlegen  von  Pflasterstreifen  die  Ränder  mechanisch  einander 
näher  rücken  und  so  die  XJeberhäutung  von  einzelnen  Wund- 
winkeln aus  befördern.  Nussbaum  hat  nach  früheren  Mustern 
angegeben,  jenseits  der  callösen  Ränder  tiefe,  den  letzteren 
parallele  Schnitte  zu  führen ;  dadurch  würden  theils  zuführende 
Gefässe  zerstört ,  welche  neuerlich  Hämorrhagien  veranlassen 
und  werden  jedenfalls  die  Ränder  einander  näher  gebracht. 
Ebenso  findet  sich  hier  oft  Gelegenheit  die  Transplantation 
von  Hautstücken  nach  Reveedin  (pag.  588)  nützlich  zu  ver- 
wenden. 

Dass  es  im  Uebrigen  vor  Allem  wünschen swerth  wäre,  die 
nachweisbare  Ursache  der  Fussgeschwüre,  die  Varices,  zu  heilen, 
oder  ihrer  Entwicklung  vorzubeugen,  ist  selbstverständlich. 

Dahin  zielen  die  in  der  Chirurgie  bekannten  verschieden- 
artigen Methoden  der  Varicesoperation,  unter  denen 
die  nach  Schede  und  Anderen  geübte  Methode  der  TJmstechung 
und  Unterbindung  der  Varicesknoten ,  oder  die  von  Englisch 
versuchte  Methode  mittels  subcutaner  Alkoholeinspritzung  eine 
verlöthende  Entzündung  und  Obliteration  der  ausgedehnlen 
Venen  zu  bewirken,  Verfahrungsweisen,  welche,  abgesehen  von 
der  gelegentlich  gefährlichen  Complication  und  Folge  von  Phle- 
bitis, Pyämie  oder  Trombenverschleppung,  unter  allen  Um- 
ständen nur  einen  sehr  beschränkten  Werth  haben  können, 
da  sie  stets  nur  einzelne  Venenknoten  treffen.  Darum  bleibt 
in  Bezug  hierauf  unter  allen  Umständen  als  einzig  und  stetig 
zu  befolgendes,  wenn  auch  nur  theilweise  palliatives  Ver- 
fahren das  consequente  Tiagen  von  methodisch  angelegten 
Flanellbinden,  oder  gut  passenden  Schnürstrümpfen,  nebst  der 
Vorsicht,  die  Extremität  möglichst  viel  horizontal  gelagert 
zii  halten. 

Die  symptomatischen  nicht  contagiösen  Ent- 
zündungsgeschwüre sind  der  Ausdruck  eines  speciellen  dys- 
crasischen  oder  constitutionellen  Zustandes,  welcher  entweder 
direct  zu  Entzündung  und  geschwürigem  Gewebszerfall  führt 
oder  indirect,  indem  derselbe  eine  anderweitig  entstandene 
Entzündung  und  Eiterung  am  normalen  Abschlüsse  verhindert. 


Ulcer<a,  Schanker. 


685 


Hielier  gehören  die  bei  Scorbut,  Griclit,  Anämie,  all- 
gemeiner Cachexie,  bei  Acne  cacliecticorum ,  Scrophulose,  zum 
Tbeile  ancli  die  bei  Lepra  vorkommenden  Geschwüre.  Manche 
verrathen  schon  im  Ansehen  ihre  ätiologische  Abstammung. 
So  charakterisiren  sich  die  sco  rhu  tischen  Geschwüre  durch 
häufige  Hämorrhagie  des  Grundgewebes,  die  gichtischen 
durch  die  Gichtsteine  (Harnsäure-Concremente),  während  die  als 
Folge  von  Anämie  anzusehenden  Geschwüre,  übrigens  eine 
seltene  Beobachtung,  durch  auffallende  Blässe  des  geschwürigen 
Gewebes,  geringe  Reactionserscheinungen,  Trägheit  der  Fleisch- 
wärzchenbildung ,  spärlich  dünne,  wässerige  Secretion  sich 
auszeichnen.  Die  häufigsten  und  bekanntesten  sind  die  soge- 
nannten scrophu lösen  Geschwüre. 

Sie  kennzeichnen  sich  durch  schlafi'e,  weit  unterminirte, 
leicht  blutende,  atonische  Ränder,  schlappe  Granulationen, 
dünne,  rahmähnliche  Secretion  und  träge  Reparation  und  führen 
dem  entsprechend  auch  zu  abenteuerlich  gestalteten,  gestrickten 
und  genetzten  Narben.  Sie  entstehen  zumeist  in  einer  über 
scrophulös  infiltrirten,  käsig  zerfallenden  und  vereiternden 
Lymphdrüsen  (vorwiegend  am  Halse)  entzündeten  Haut,  oder 
über  haselnuss-  bis  nussgrossen,  indolenten  und  käsig  er- 
weichenden Knoten ,  welche  zn  zwei  bis  mehreren ,  längs  und 
an  Lymphgefässen  sich  bilden  und  mit  syphilitischem  Gumma 
grosse  Aehnlichkeit  haben.  Der  später  evident  werdende 
Charakter  der  Geschwüre  ermöglicht  die  Unterscheidung 
von  letzteren.  lieber  cariösen  Knochen  sind  die  Geschwüre 
trichterförmig  eingezogen  und  von  fungösen  Wucherungen 
umrandet. 

In  der  Behandlung  der  scrophulösen  Hautgeschwüre 
müssen  neben  den  Gesetzen  der  allgemeinen  Geschwürsbehand- 
lung auch  noch  die  speciellen  örtlichen  Verhältnisse  berück- 
sichtigt werden.  Ausserdem  hat  man  auf  die  Verbesserung  der 
Gesammternährung  sein  Augenmerk  zu  richten.  Neben  dem 
Aufenthalt  in  guter  Luft  und  zweckmässiger  allgemeiner 
Diätetik  ist  der  innerliche  Gebrauch  von  Leberthran  von  alt- 
bewährter günstiger  Wirkung. 

Als  contagiöses  Entzü  n dung  s g es ch wür  kennen 
wir  nur  das  durch  das  specifische  Syphiliscontagium  erzeugte, 
den  Schanker.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  speciellen 
Verhältnisse  des  Schanker  -  Geschwüres  auseinanderzusetzen, 


686 


Dreiimdvierzigste  Vorlesung. 


weil   uns   das   nothwendig   auf  die  Erörterung  der  ganzen 
Syphilislehre  und  demnach  von  unserem  Thema  weitab  führen 
würde.   Ich  will  nur  erwähnen,  dass  nach  einer  Theorie,  der 
der  Uni  tarier,  der  Schanker  aus  Syphilisproducten  welcher 
Art  immer  hervorgehen  kann  und  in  allen  seinen  Gestaltungs- 
formen dem  syphilitischen  Contaginm  angehört,  dagegen  nach 
Ansicht  der  französischen   Dualisten  nur  die  weichen 
Schanker  einem    besonderen,    sogenannten  Schankercon- 
tagium  ihre  Entstehung  verdanken,  der  harte  Schanker 
dagegen   dem   syphilitischen   Virus;     endlich  nach 
Ansicht  der  deutschen   Dualiste*n  der  Schanker  nur 
vom   Schankervirus  herrührt    und  mit  Syphilis 
gar    nichts    gemein    hat    und    daher   besser    als  ve- 
nerisch  contagiöses   Geschwür   (Sigmund)  bezeichnet 
werden  soll. 

Am  häufigsten  kommt  der  typische  w  eich  e  S  chank  er 
vor  (Chancre  mou,  simple,  non  infectant),  der  wie  mit  einem 
Lochbohrer  ausgehackt,  als  kraterförmiger  Substanzverlust, 
mit  speckig  belegtem,  entzündlich  geröthetem  und  geschwelltem 
Rand  und  Grund,  stark  eitert  und  absolut  contagiös  sich  erweist, 
einen  typischen  Verlauf  von  6—7  Wochen  durchmacht,  mit 
einem  Stadium  destructionis ,  gleichzeitig  contagionis  und 
einem  Stadium  reparationis ,  in  welchem  derselbe  in  eine 
gesunde  Wunde  umgewandelt  erscheint  und  nicht  mehr  con- 
tagiös ist. 

DemDächstist  der  sogenannte  harte  Schanker  (Chancre 
dure .  infectant)  als  typische  Geschwürsform  zu  nennen.  Der- 
selbe' geht  aus  einem  weichen  Schanker  hervor,  oder  aus  einem 
Knoten,  welcher  an  Stelle  der  Ansteckung  nach  einer  Incu- 
bation  von  mehreren  Tagen,  2-3  Wochen  entsteht.  Der  harte 
Schanker  präsentirt  sich  flachschalenförmig ,  wie  mittels 
Hohlmeissels  ausgegraben,  mit  geringer  Secretion  und  einer 
typischen,  scharf  umschriebenen ,  beinahe  knorpelartigen  Harte 
des  Randes  und  Grundes,  verheilt  binnen  wenigen  Tagen ,  ist 
im  Allgemeinen  nur  auf  nicht  syphüitische  Individuen  als 
solcher  überimpfbar,  persistirt  aber  als  Induration  auch  nach 
Verheilung  des  Geschwüres  viele  Monate. 

Ausserdem  sind  nocli  Schanker  anderer  Formen,  als 
Ulcus  ambustiforme,  phagadaenicum,  gangraenosum,  serpigino- 
sum aus  syphilitischer  Quelle  zu  erwähnen. 


Schanker. 


687 


Der  nosologische  Werth  dieser  einzelnen  Schankerformen 
wird  je  nach  dem  sppciellen  theoretischen  Standpunkte  ver- 
schieden bemessen.  Hier  genügt  es  zu  betonen,  dass  alle 
diese  Greschwüre  an  Ort  und  Stelle  der  Einimpfung  des 
specifischen  Virus  entstehen,  demnach  idiopathisch  spe- 
cifische  oder  contagiös  entzündliche  G-eschwüre 
darstellen. 

Ihr  Verlauf  ist  ein  typisch  begrenzter  ,  womit,  was  ihren 
Charakter  als  Geschwür  anbelangt,  ihre  Prognose  mit  der 
der  Ulcerationen  im  Allgemeinen  ziemlich  übereinstimmt.  Allein 
da  sie  auch  in  ihren  verschiedenen  Typen  allgemeine  Syphilis 
zur  Folge  haben  können  oder  nicht ,  so  wird  die  Prognose 
auch  nach  dieser  Richtung  gestellt  werden  müssen  in  einer 
"Weise ,  die  aus  der  Syphilislehre  zu  entnehmen  und  hier  nicht 
weiter  erörtert  werden  kann.  So  viel  kann  jedoch  als  im  All- 
gemeinen richtig  auch  hier  hervorgehoben  werden ,  dass  die 
typischen  weichen  Schanker  nur  zuweilen ,  die  typischen  harten 
Schanker  dagegen  fast  regelmässig  allgemeine  Syphilis  nach 
sich  ziehen,  während  für  die  anderen  aufgeführten  Schanker-, 
arten  in  dieser  Beziehung  nicht  einmal  eine  Häufigkeitsregel 
aufgestellt  werden  kann. 

Sieht  man  von  diesen  Umständen  ab ,  so  ist  auch  für  die 
Therapie  der  Schanker  keine  Indication  vorhanden, 
welche  von  den  für  andere  Geschwüre  geltenden  abweichen 
würde.  Man  behandelt  sie  nach  allgemein  chirurgischen  Grund- 
sätzen und  könnte  allenfalls  noch  nebst  den  schon  bekannten 
Verbandmitteln  das  Emplastrum  hydrargyri  ganz  besonders 
empfohlen  werden.  Nur  mit  Rücksicht  auf  die  JFrage,  ob  die 
drohende  Blutvergiftung  durch  eine  specielle  Behandlungs- 
methode verhütet  werden  könnte,  sind  einzelne  Verfahren  bei 
Schankern  patronisirt  worden,  als  Abortivbehandlung  durch 
Aetzung  oder  Excision. 

Endlich  sind  auch  die  anatomischen  Verhältnisse,  obgleich 
dieselben  in  ihren  feinsten  Nuancen  kaum  von  eineaa  gewöhnlich 
entzündlichen  Geschwüre  abweichen,  doch  zu  wiederholten 
Malen  von  verschiedenen  Seiten  nach  der  Richtung  besonders 
discutirt  worden,  dass  man  in  denselben  Belege  für  die 
klinisch  constatirte  Virulenz  und  speciell  für  das  Zustande- 
kommen der  typischen  Induration  zu  finden  gesucht  hat,  was 
aber  bisher  nicht  in  entscheidender  Weise  gelungen  ist. 


G88 


Dreiundvierzigste  Vorlesung. 


Von  der  aufgestellten  zweiten  Gruppe  der  Haut- 
geschwüre, derjenigen,  welche  aus  Neubildungen  her- 
vorgehen, sind  die  lupösen,  carcinomatösen,  sarcoma- 
tösen  und  leprösen  bereits  in  den  betreffenden  Capiteln 
besprochen  worden.  Zu  ihnen  wären  zu  fügen  die  aus  den  ein 
Symptom  der  constitutionellen  Syphilis  darstellenden 
Hautknoten  hervorgehenden  Geschwüre,  das  ulceröse  Sy- 
philid, welches  in  Einem  mit  der  allgemeinen  Erörterung  der 
syphilitischen  Dermatosen  näher  gewürdigt  werden  soll. 


Viernndvierzigste  Vorlesung. 


Allgemeiner  Charakter  der  Syphilide,  Eintheilung  nach  den  morphologi- 
schen Erscheinungen.  Specielle  Formen  ,  Symptomatologie ,  Diagnose, 
Beziehung    derselben  zur  eonslitutionellen    Syphilis.    —   Allgemeine  und' 

örtliche  Behandlung. 


Syphilis  cutanea  —  Syphilide  — 

nennen  wir  jene  Erkrankungsformen  der  Haut,  welcke  als 
Symptome  der  c o  n sti  tuti o n eil en  Lues  auftreten,  sei 
es  der  von  den  Eltern  ererbten,  hereditären,  oder  der 
mittels  Schanker  oder  eines  anderen  PrimärafFectes  im  extra- 
uterinen Leben  erworbenen,  Contact-oder  acquirirten  Lues. 

Die  Syphilide  bilden  nur  einen  Theil,  eine  —  allerdings 
natürliche  und  einheitliche  —  Gruppe  der  Hautkrankheiten 
überhaupt  und  sollen  daher  an  diesem  Orte  vorwiegend  in 
Rücksicht  der  Eigenart  ihrer  klinischen  Charaktere  erörtert 
werden,  die  zugleich  eine  Grundlage  für  deren  absolute  Dia- 
gnose und  ihre  Differentialdiagnose  gegenüber  den 
nichtsyphilitischen  Dermatosen,  sowie  für  deren  Therapie 
bilden.  Ihre  intimere  Beziehung  zu  Lues,  deren  Analyse 
eigentliche  Aufgabe  der  Syphilislehre  ist,  kann  hier  nur  inso- 
weit berührt  werden,  als  dies  zur  Förderung  des  Sachver- 
ständnisses nothwendig  und  förderlich  erscheint. 

Die  Syphilide  bieten  keine  anderen  morphologischen 
Eigenschaften  dar,  als  die  nicht  syphilitischen  Dermatosen, 
indem  sie  als  Elecke,  Knötchen,  Knoten,  Pusteln,  Geschwüre, 
mit  Schuppen-  und  Krustenbildung  sich  präsentiren. 

Ihr  unleugbar  specifisches  klinisches  Gepräge,  durch 
welches  sie  von  allen  nichtsyphilitischen  Dermatosen  sich  abheben 
und  als  eigenartig,   als  „syphilitisch"  imponiren ,  beruht  also 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  44 


QQQ  ■\''ierundvierzigste  Vorlesung. 

nicht  auf  ihren  morphologischen  Eigenschaften  ,  aber  auch  nicht, 
wie  dies  mit  Vorliebe  gelehrt  wird,  auf  gewissen  anderen 
physikalischen  Eigenschaften,  als  der  dunkelbraunrothen  (Kupfer-) 
Earbe,  der  vorwiegenden  Localisation  an  den  Beugen  der  Ge- 
lenke und  um  die  Eingangsöffnungen  der  Körperhöhlen ,  dem 
symmetrischen  Auftreten,  ihrer  Anreihung  in  Kreisen,  Formirung 
von  Gruppen,  ihrer  Polymorphie,  der  Mächtigkeit  der  Krusten 
und  Schuppen,  dem  Fehlen  von  Jucken. 

Denn  alle  diese  den  Syphiliden  zugeschriebenen  äusseren 
Merkmale  kommen  oft  auch  den  nicht  syphilitischen  Exanthemen 
zu.  Ich  erinnere  nur  an  die  Kreisform  der  Psoriasis  und 
mancher  Eczeme ,  an  die  braunrothe  Farbe  bei  Acne  rosacea 
und  Acne  disseminata ,  an  die  Gruppen  bei  Liehen  scrophulo- 
sorum,  an  das  Vorkommen  der  Psoriasis  non  syphilitica  auf 
der  Flachhand  etc.  etc. 

Eine  genaue  Prüfung  ergibt,  dass  die  Eigenart  der 
Syphilide  der  Ausdruck  einer  Summe  von  Er- 
scheinungen ist,  welche  den  pathologisch-anato- 
mischen Verlauf  der  einzelen  Efflorescenz  zu- 
sammensetzen und  in  drei  charakteristischen  Mo- 
menten zur  Aeusserung  gelangen. 

Erstens:  Die  syphilitischen  Productionen  in  der  Haut 
stellen  sich  unter  allen  Umständen  als  scharf  begrenzte,  dichte 
und  gleichmässige  (Zellen-)  Infiltrate  des  PapiUarkörpers  und 
des  Coriums  dar ,  und  können  untereinander  nur  an  Grösse 
variiren.  Denn  ein  Syphilisknötchen  von  der  Grösse  eines 
Stecknadelkopfes  ist  der  inneren  Zusammensetzung  und  dem 
äusseren  Ausdrucke  nach  identisch  mit  dem  Syphilisknoten 
von  Bohnen-  und  Haselnussgrösse. 

Zweitens :  Diese  Zellen  sind  nicht  geeignet  m  eine  blei- 
bende Organisation  (Bindegewebe)  einzugehen,  sondern  kommen 
stets  zur  Rückbildung  und  zum  Schwunde,  entweder  m  der 
Weise  ,  dass  sie  zur  Resorption  gelangen  oder  indem  sie  eiterig 

zerfallen.  .  .... 

Eine  dritte  wesentliche  Eigenthümlichkeit  der  sypüüi- 
tischen  Hautinfiltration  ist  die  constante  Richtung  und  Reihen- 
folge nach  welcher  das  Infiltrat  einerseits  sich  vergrossert, 
und  andererseits  zum  Schwunde  gelangt.  Die  Vergrösserung 
und  die  Consmnption  erfolgen  stets  centrifugal.  Die  periphersten 
Theile  des  syphilitischen  Productes  sind  daher  die  relativ 


'      Sj'philis  ■  cutauea'. 


091 


jüngsten  und  weisen  demnach  aucli  alle  Charaktere  des  frischen 
Infiltrates  auf.  Die  ältesten  Partien  sind  zugleich  die  cen* 
tralen,  und  stets  kommen  diese  zuerst  zum  Schwunde. 

Aus  diesen  drei  Cardinalerscheinungen  geht  beinahe  auf 
physiologische  undgesetzmässige  Weise  jenes  specifische  klinische 
Gepräge  der  Syphilide  hervor,  welches  ihre  objective  Dia- 
gnose in  einer  an's  Unfehlbare  reichenden  Weise  ermöglicht, 
sowie  ziigleich  auch  die  ganze  Reihe  jener  Veränderungen, 
welche  den  Sj^philiden  den  Ruf  der  Vielgestaltigkeit  verschafft 
haben  und  sie  in  ihrem  äusseren.  Ansehen  oft  den  nicht  syphi- 
litischen Hautexanthemen  so  nahe  bringen. 

Mit  Rücksicht  auf  diese  Grund-Charaktere  der  Syphilide 
kann  das  Knötchen,  die  Papel,  als  das  Prototyp  der 
letzteren  hingestellt  werden.  Sie  bezeichnet  zugleich  den  Höhe- 
punkt der  syphilitischen  Production  als  ein  scharfbegrenztes, 
dichtes  Zelleninfiltrat  des  Coriums  und  des  Papillarkörpers. 
Ueber  dieses  hinaus  gibt  es  mehr  keine  neue,  der  Syphilis 
angehörige  Anbildung  von  Formelementen. 

Wenn  wir  demnach  die  Symptome  des  syphilitischen 
Knötchens  von  dem  Momente  seiner  Ausbildung  bis  zu  seinem 
Schwunde  verfolgen,  so  werden  wir  zugleich  den  Weg  zurück- 
legen, den  alle  Syphilide  durchmächen,  auch  wenn  einzelne 
derselben  durch  besondere  Verhältnisse  unwesentliche  Varia- 
tionen erfahren. 

Denken  wir  uns  einen  senkrechten  Durchschnitt  durch 
Epidermis ,  Rete ,  Papillarkörper  und  Corium ,  so  findet  sich 
das  die  Papel  constituirende  Zelleninfiltrat  innerhalb  zweier 
beinahe  scharf  gezeichneter,  seitlicher  Grenzen  im  Corium  und 
in  den  Papillen  angehäuft. 

Wir  können  aus  dieser  Thatsache  bereits  die  charakte- 
ristischen klinischen  Erscheinungen  der  Papel  abstrahiren. 
Sie  ragt  über  das  Niveau  empor,  sie  glänzt,  weil  ihre  Epider- 
misdecke  gespannt  ist,  sie  lässt  sich  nicht  durch  den  Finger- 
druck zum  Schwinden  bringen,  sie  fühlt  sich  derb  an ,  wegen 
der  Dichtigkeit  des  letzteren,  und  erscheint  braunroth,  wegen 
des  durch  die  Stagnation  in  dtn  comprimirten  Gefässen  ver- 
anlassten Austrittes  von  Blutfarbstoif. 

Wenn  eine  Efflorescenz  nicht  all'  die  erwähnten  Erschei- 
nungen an  sich  erkennen  lässt,  ist  sie  entweder  kein,  oder 
kein  recentes  syphilitisches  Knötchen. 

44* 


QQ2  Vierundvierzigste  Vorlesung. 

Nach  kürzerem  oder  längerem  Bestände  tritt  die  retro- 
grade Metamorphose  der  Zellen  und  ihre  Resorption  ein. 
Und  zwar  schwindet  zuerst  der  relativ  älteste  Theil,  der 
centrale. 

Hier  sinkt  die  infiltrirte  Partie  ein.  lieber  ihr  muss  die 
früher  gespannt  gewesene  und  zum  Theil  auch  proliferirte 
Epidermis  sich  Anfangs  runzeln ,  und  später  ,  je  mehr  die  unter- 
lagernde Infiltration  schwindet,  sich  zu  Schüppchen  zer- 
bröckeln. Die  peripheren  Theile  des  Knötchens  haben  dabei  noch 
ihre  derbe  Beschaffenkeit,  ihr  braunrothes ,  gespanntes,  glän- 
zendes Ansehen  behalten.  Wir  haben  demnach  das  constante 
Bild:  ein  centrales,  vertieftes  Schüppchen,  oder  ein  centrales, 
von  Atrophie  der  Haut  herrührendes  Grübchen ,  umgeben  von 
einem  braunrothen,  derben,  glänzenden  Infiltrationshofe.  ^ 

Die  complicirten  Krankheitsformen  ,  welche  z.  B.  in  der 
riachhand,  als  P so  riasis  palmar is  Cornea,  aus  der  An- 
reihung solcher  in  Involution  begriffener  Knötchen  hervorgehen, 
sind  nur  durch  die  Würdigung  jener  Elementarvorgänge  der 
einzelnen  Papeln  zu  erkennen  und  von  den  ähnlichen  nicht 
syphilitischen  Affectionen  der  Flachhand ,  Psoriasis  non  syphi- 
litica ,  chronischem  Eczem,  idiopathischer  Keratosis  der  Flach- 
hand etc.  zu  unterscheiden. 

Psoriasis  syphilitica  palmaris  et  plantaris 
diffusa  entsteht  nämlich  nie  anders  als  durch  Aneinander- 
reihung von  einzelnen  Papeln.  Später  stossen  ihre  Peripherien 
aneinander.  Dann  erscheinen  an  den  Centren  der  einzelnen  Papeln 
Schüppchen  —  ein  sehr  charakteristisches  Merkzeichen.  Und 
wenn  bei  fortschreitender  Atrophie  der  Papeln  über  denselben 
gleichmässige  Schuppenaufiagerung  sich  eingesteUt  hat,  dann 
findet  sich  doch  an  der  äussersten  Peripherie  der  confluirenden 
Schuppung  ein  fortlaufender  braunrother  Infiltrationssaum. 

BeiPsoriasis  non  syphilitica,  bei  chronischem 
Eczem,  bei  Keratosis  non  syphilitica  der  Flachhand 
geht  die  hornig  verdickte  Epidermis  ohne  einen  derartigen 
Begrenzungssaum  in  die  gesunde  Epidermis  der  Umgebung  über. 

Anstatt  durch  fettige  Degeneration  zur  Resorption  zu 
gelangen,  können  die  syphilitischen  Infiltrate  auch  eiterig 
zerfallen.  Ist  die  Flüssigkeit  in  geringerer  Menge  vorhanden, 
dann  trocknet  sie  ein,  und  bildet  mit  den  darüber  gelagerten 
Epidermistrümmern  schmutzig-gelbbraune  Borken. 


Syphilis  cutanea. 


693 


Diese  vertreten  nun  die  im  Yorhergelienden  geschilderten 
Schlippen.  Ln  Uebrigen  sind  die  Verhältnisse  ganz  und  gar 
dieselben.  Die  Kruste  entspricht  stets  dem  ältesten ,  dem  cen- 
tralen Theile  des  Infiltrates  und  ist  stets  von  dem  peripheren, 
noch  nicht  in  den  Zerfall  mit  einbezogenen  Theile  des  Infiltrates 
begrenzt,  welcher  sie  von  der  benachbarten  gesunden  Haut 
abgrenzt.  Und  ebenso  übereinstimmend  ist  das  Krankheitsbild, 
welches  aus  der  reihen-  und  kreisförmigen  Anordnung  solcher 
einzelner  zerfallender  Knötchen  hervorgeht.  Man  sieht  stets 
in  der  ersten  Zeit  die  distincten  Krusten,  welche  den  Centren 
der  einzelnen  Knötchen  entsprechen ;  und  bei  vollständiger 
Confluenz  jedesmal  noch  den  peripheren  Infiltrationssaum. 

Unter  denselben  Verhältnissen  kann  es  zur  Bildung  von 
Eiter-Bläschen  und  Blasen  (Herpes  und  Pemphigus 
isyphiliti cu s)  kommen,  bei  deren  Verkrustung  wieder  das 
Rand-  und  Grundinfiltrat  das  charakteristische  Bild  ergänzt. 

Die  syphilitischen  Hautgeschwüre  sind  bekannt- 
lich von  charakteristischem  Aussehen.  Dieses  verdanken  sie 
einzig  \mä  allein  der  Constanz  jener  Eingangs  hervorgehobenen 
drei  Momente. 

Es  gibt  nämlich  kein  syphilitisches  Greschwür  ohne  vor- 
herigen Knoten;  das  G-eschwür  ist  ein  Substanzverlust  des 
Knotens  selber.  Da  nun  dieser  stets  im  Centrum  zuerst  ulcerirt, 
so  ist  das  Geschwür  von  der  peripheren  Masse  des  Knotens 
umgeben ,  und  weil  diese  gegen  das  Centrum  hin  im  Zerfall 
begrifiPen  ist,  so  erscheinen  Rand  und  Grund  des  Geschwüres 
speckig  belegt,  der  Rand  noch  überdies  scharf  abgesetzt  und 
doch  zackig,  etwas  unterminirt  und  derb. 

Auf  dem  Geschwüre  bildet  sich  auf  bekannte  Weise  eine 
Kruste.  Nun  kömmt  die  Masse  zum  Zerfall,  in  welche  das 
centrale  Geschwür  gleichsam  eingebettet  ist,  und  liefert  dabei 
vorerst  Flüssigkeit ,  durch  welche  die  centrale  Borke  etwas 
gehoben  wird,  und  später  eine  Borke,  die  unter  der  ersten 
gelegen  ist ,  diese  aber  zugleich  in  der  Peripherie  überragt. 
Anstossend  an  diese  nach  aussen  ist  aber  inzwischen  eine  neue 
Infiltrationszone  entstanden,  in  welcher  jetzt  das  zweite  Ge- 
schwür ausgegraben  ist  —  und  so  fort  —  so  haben  wir  das 
fertige  Bild  der  Rupia  syphilitica.  Als  deren  äussere 
Kennzeichen  demnach :  eine  centrale  erhöhte  Borke ,  die  von 
dachförmig  abfallenden  und  tiefer  gelagerten,  zugleich  auch 


094 


Vierundvieraigste  Vorlesung. 


grösseren  Borkenringeii  umgeben  ist,  nnd  an  der  äussersten 
Peripherie  noch  einen  Infiltrationssaum,  nach  Abheben  der 
Borke  ein,  wie  eben  charakterisirtes  Geschwür. 

Bei  der  sogenannten  Rupia  non  syphilitica,  bei 
welcher  die  Borken  ebenfalls  durch  peripheres  Fortschreiten 
des  Gewebszerfalles  entstehen,  z.  B.  an  einem  Ulcus  cruris  e 
varicibus;  oder  in  Folge  einer  auf  dieselbe  Weise  fortschrei- 
tenden oberflächlichen  Exsudation,  z.  B.  bei Excoriation,  oder 
Pemphigus  circinatus,  fehlt  eben  jener  periphere  In- 
filtrationsring  —  also  gerade  ein  wesentliches  Moment  der 
Syphilis. 

Wenn  ein  syphilitisches  Geschwür  im  Weiterschreiten  be- 
reits einen  gewissen  Umfang  erreicht  hat,  dann  bildet  sich  die 
periphere  specifische  Infiltration  in  der  Regel  nur  in  drei  Viertel, 
oder  einem  Theile  des  Kreises.  Dadurch  ist  es  möglich,  dass 
der  von  einer  neuen  Infiltration  verschonte  Theil  des  Geschwüres 
durch  Granulationen,  welche  von  dem  anstossenden  gesunden 
Gewebe  ausgehen ,  verheilt ,  vernarbt.  In  der  anderen  Richtung 
jedoch,  wo    eine   neue   specifische  Infiltration   sich  gebildet 
hat,  kommt  es  zum  Zerfalle.  Und  so  haben  wir  die  bekannte 
Nierenform  des  Geschwüres.  Eine  dem  Umbo  entsprechende 
Narbe,  peripher  ein  Infiltrat,  und  zwischen  beiden  ein  Geschwür,, 
welches  gegen  die  Narbe  zu  verflacht,  gegen  die  Infiltration 
hin  einen  steilen,  speckigen  Rand  zeigt. 

Und  reihen  oder  gruppiren  sich  nun  mehrere  solche  Ge- 
schwüre aneinander,  so  resultirt  ein  Bild,  bestehend  aus  cen- 
tralen Narben,  an  welche  sich  eine  fortlaufende  Reihe  von 
Geschwüren  anlehnt,  deren  steile  convexe Ränder  nach  aussen 
liegen,  weil  sie  hier  wieder  an  die  zumeist  peripher  gelegene 
Summe  der  einzelnen  Infiltrate  angrenzen.  Wir  haben  das  Bild 
der  serpiginösen  syphilitischen  Geschwüre. 

So  kann  man  an  den  eminentesten  klinischen  Formen 
der  syphilitischen  Hauterkrankung  das  Gesetz  erhärten,  dass 
jedes  Syphilid  aus  einer  scharf  begrenzten  Zelleninfiltration  des 
Coriums  und  des  Papillarkörpers  besteht,  also  ein  Knötchen 
oder  einen  Knoten  von  unterschiedlichem  Umfange  darstellt, 
und  dass  alle  äusseren  Variationen  der  Syphilide  aus  dem 
gesetzmässigen  Verlaufe  der  Zelleninfiltration  hervorgehen,  dem- 
gemäss  die  Formelemente  der  letzteren  zur  Resorption  oder 
zum  eiterigen  Zerfalle  gelangen,  und  zwar  stetig,  von  den 


Syphilis  cutanea. 


695 


relativ  ältesten,  den  centralen  Partien  her,  gegen  die  jüngsten, 
die  peripheren. 

Wo  diese  Factoren  sich  nicht  vorfinden,  da  hat  es  kein 
Syphilid  gegeben,  oder  hat  es  zu  sein  bereits  aufgehört,  d.h. 
da  ist  es  bereits  geschwunden. 

Nur  in  der  Roseola  syphilitica  fehlt  das  Infiltrat,  weil 
sie  eben  eine  Vorstufe  der  Papel  bildet,  und  in  dem  klein- 
pustulösen  Syphilid,  dessen  mittlerer  Antheil  von  einem  Fol-' 
likel  eingenommen  wird,  ist  wegen  des  geringen  Umfanges  des 
compacten  Efflorescenzantheiles  das  Infiltrat  klinisch  schwieriger 
zu  demonstriren. 

Nach  dieser  allgemeinen  Charakteristik  der  Syphilide  und 
ihrer  Typen,  kann  ich  die  Beschreibung  der  einzelnen  Exanthem- 
formen kürzer  fassen,  da  ja  die  wesentlichen  Charaktere  und 
unterscheidenden  Merkmale  gegenüber  den  nichtsyphilitischen 
Hautkrankheiten,  wie  eben  besprochen  wurde,  bei  allen  die 
gleichen  sind. 

Nach  der  vorwiegenden  Morphe  der  syphilitischen  Haut- 
exantheme unterscheidet  man  von  denselben: 

Roseola  syphilitica  (Syphilis  cutanea  maculosa, 
Maculae  syphiliticae) ,  besteht  aus  linsen-  bis  fingernagelgrossen, 
runden,  ovalen,  blassrosa  bis  blaurothen ,  flachen  oder  massig 
vorspringenden,  unter  dem  Fingerdruck  erblassenden,  distincten, 
aber  nicht  scharf  marginirten,  im  Centrum  mehr  als  an  der  Peri- 
pherie tingirten,  ja  dort  zuweilen  papulösen  Flecken,  welche 
nicht  jucken  und  vorwiegend  am  Stamm  und  an  den  Beugen  der 
Extremitäten  localisirt  sind.  Sie  bestehen  in  der  Grösse,  als 
sie  aufgetaucht  sind,  ohne  mit  nachbarlichen  zu  confluiren. 
Tage,  Wochen,  2 — 3  Monate,  und  verschwinden  dann  ohne 
Schuppung  und  ohne  Spur  zu  hinterlassen,  mit  der  zeitweiligen 
Ausnahme  von  Pigmentirung.  Roseola  non  syphilitica 
unterscheidet  sich  von  diesem  Exanthem  durch  die  rasche 
G-rössen-  und  Formveränderung  der  Efflorescenzen ;  Herpes 
tonsuransmaculosus  durch  die  deutliche  Schuppenbildung ; 
Pityriasis  versicolor  durch  die  Möglichkeit,  deren 
Flecke  wegzukratzen  (und  beide  durch  ihren  Pilz). 

Roseola  syphilitica  erscheint  zumeist  als  erstes  manifestes 
Symptom  der  constitutionellen  Syphilis,  6—12  Wochen  nach 
erfolgter  Infection,  oder  als  Recidivsymptom  innerhalb  des. 
ersten  Jahres,   selten  noch  im  2.-3.  Jahre,   und  dann  als 


C96 


Vienindvierzigste  Vorlesung. 


grossflecldges,  oder  liöclist  selten  als  annuläres,  in.  Form  vou 
kreuzer-  bis  thalergrossen ,  persistirenden  rothen  Elreisen  (Ro- 
seola syph.  annularis),  niemals  aber  in  den  späteren  Jahren. 

Die  Roseola  der  Frühperioden  ist  oft  mit  Papeln  unter- 
mengt (maculo-papulöses  Syphilid),  oder  in  einzelnen 
Flecken  mit  centraler  papnlöser  Erhabenheit  combinirt. 

Das  papulöse  Syphilid,  Syphilis  cutanea  papulosa, 
tritt  als  grosspapulöses  und  kleinpapulöses  auf. 

Das  grosspapulöse  oder  lenticuläre  Syphilid  be- 
steht aus  linsengrossen  und  grösseren,  scharfbegrenzten,  braun- 
rothen,  derben,  etwas  hervorragenden,  glänzenden  Knötchen, 
welche  nach  der  früher  besprochenen  Weise  vom  Centrum  nach 
der  Peripherie  fortschreitend  sich  vergrössern  und  involviren, 
dabei  Schuppen  und  Krusten  bilden  und  mit  Hinterlassung 
eines  atrophischen,  anfangs  pigmentirten,  später  weissglänz enden 
Grrübchens  schwinden.  Indem  in  der  Regel  gleichzeitig  Efflore- 
scenzen  aller  Entwicklungs-  und  Involutionstadien  zugegen 
sind  (Polymorphie),  so  ist  die  Diagnose  des  lenticulären 
Syphilides  ziemlich  leicht. 

Dasselbe  bildet  ebenfalls  häufig  die  erste ,  und  dann  mit 
Roseola  untermischte  Eruption  der  constitutionellen  Syphilis 
und  die  häufigste  Form  der  Recidiv-Eruptionen  innerhalb  der 
ersten  5 — 10,  oder  selbst  noch  der  späteren  Jahre.  Je  näher 
der  Frühperiode,  desto  mehr  universell,  je  mehr  der  Spät- 
periode angehörig,  desto  mehr  nur  auf  einzelne  Regionen  be- 
schränkt ist  dasselbe ,  so  dass  aus  diesen  Verhältnissen  auf 
den  Zeitpunkt  der  Infection  zurückgefolgert  werden  kaim. 

Bei  universeller  Verbreitung  ist  das  Exanthem  ziemlich 
gleichmässig  verstreut,  aber  an  gewissen  Oertlichkeiten  doch 
dichter  gedrängt  oder  gruppirt;  auf  der  Stirne  (Corona  venerea), 
in  der  Naso-Labialfurche,  um  die  Nasen-  und  Muudöffnung,  an 
den  Gelenksbeugen,  an  den  gebähten  Hautstellen  der  Achselhöhle, 
der  Mammalfurche,  der  Leistenfurche,  ad  Genitalia  et  ad  anum. 
Dieselben  Stellen,  sowie  der  behaarte  Kopf,  sind  der  häufigste 
Sitz  von  den  regionären  Recidiv-Eruptionen  der  späteren  Syphilis- 
periode. Bei  der  letzteren  sind  die  Papeln  öfters  gruppirt  oder 
in  Kreisen  angeordnet.  Ihre  Diagnose  gegenüber  von  Lupus 
stützt  sich  besonders  auf  die  Symptome  des  regelmässigen  cen- 
tralen Schwundes  und  das  Fehlen  von  tief  eingesprengten 
(Lupus-)  Knötchen  —  abgesehen  von  den  anderen  Symptomen 


Syphilis  cutanea. 


697 


des  Ansehens  und  des  Verlaufes.  Aucli  pflegen  da  einzelne 
Papeln  über  den  gewöhnlichen  Umfang  hinaus,  bis  zu  dem 
eines  Thalers  und  darüber  sich  auszubreiten  und  da  der  cen- 
trale Schwund  damit  gleichen  Schritt  hält,  ßingform  zu  bilden 
—  Syphilis  papulosa  orbicularis,  die  von  Herpes  ton- 
surans, Eczema  margin a tum  und  Psoriasis  annu- 
laris  oft  sehr  schwer  zu  unterscheiden  ist. 

Von  den  besonderen  Localisationsformen  desselben,  die 
zugleich  häufige  ßecidivformen  der  Syphilis  darstellen^ 
sind  hervorzuheben: 

Papeln  der  Mundwinkel  und  der  Uebergangs- 
falten  der  Zehen,  welche  zu  speckig  belegten,  steürandigen, 
charakteristischen,  schmerzhaften  ßhagaden  einreissen. 

Papeln  der  Flachhand  und  Fusssohle  — 
Psoriasis  palmaris  et  plantaris  —  deren  mit  einem 
allgemeinen  Exanthem  combinirten  Frühformen  aus  dissemi- 
nirten ,  oft  auch  in  Kreislinien  gestellten  Knötchen  zusammen- 
ffesetzt  sind,  und  deren  als  ßecidive  auftretende  und  Jahre 
hindurch  sich  erhaltende  Spätformen  durch  difiFuse  Ver- 
schmelzung der  Knötchen,  tiefe  Infiltration,  dicke  Schwielen- 
und  ßhagadenbildung  das  als  Psoriasis  Cornea  bekannte 
Krankheitsbild  formiren.  Ihre  Charaktere  und  unterscheidenden 
Merkmale  gegenüber  Keratosis  non  syphilitica  (Eczem,  Psoriasis 
vulgaris,  Ichthyosis)  sind  bereits  (pag.  692)  hervorgehoben 
worden. 

Breite  Condylome,  Papulae  latae,  Plaques  muqueuses, 
Feuchtwarzen,  sind  pfennig-  bis  thalergrosse,  scheibenförmige, 
plateauartig  vorspringende ,  derbe ,  an  der  Oberfläche  mit 
grauem  Detritus  belegte,  eine  viscide  Flüssigkeit  secernirende 
Geschwülste,  welche  an  allen  durch  gegenseitigen  Contact  von 
HautMten  gebähten  Stellen  aus  Papeln  sich  herausbilden, 
demnach  vorwiegend  an  den  weiblichen  Schamlippen  und 
in  deren  Umgebung ,  der  SchenkeUeistenfalte ,  am  Perinaeum, 
ad  anum,  am  Scrotum  und  Penis,  in  der  Mammalfurche  und 
in  der  Achselhöhle  vorkommen.  Ihr  Secret  ist  in  hohem  Grrade 
ansteckend. 

Die  breiten  Condylome  stellen  aber  nicht  nur  ein  Symptom 
der  constitutionellen  Syphüis  und  sehr  häufig  ein  Recidiv- 
Symptom  derselben ,  sondern  auch  zuweilen ,  gleich  dem 
Schanker,  oder  der  Sclerose,  einen  Primärafi'ect  vor,  indem 


698 


Vierundvierzigste  Vorlesung. 


dieselben,  wie  die  Papel,  als  solche  übertragbar  sind.  Man 
kann  daher  bei  Gegenwart  eines,  oder  einzelner  breiten  Con- 
dylome, z.  B.  am  Mundwinkel,  oder  ad  anum  eines  Säxiglings, 
an  der  Warze  einer  Amme  nicht  sofort  entscheiden,  ob  dies  ein 
Recidiv  einer  schon  älteren,  oder  den  Primäraffect  einer  vor 
2—3  Wochen  überimpften  Syphilis  bedeutet. 

Das  kleinpapulöse  Syphilid  —  Liehen  syphili- 
ticus  —  bildet  mohnkorn-  bis  stecknadelkopfgrosse,  derbe, 
fast  durchwegs  in  Gruppen  und  Kreislinien  gestellte,  derbe, 
oft  mit  kleinen  Pusteln  gekrönte  Knötchen,  nach  deren  unter 
starker  Schuppung  erfolgender  Involution   seichte  Atrophie- 
Grübchen  der  Haut  zurückbleiben.    Es  erscheint  selten  uni- 
versell als  erstes  Exanthem,  oder  Früh-Recidive,  und  da  meist 
mit  lenticulären  Papeln  untermischt,  was  seine  Diagnose 
gegenüber  von  Liehen  scr op hulo sorum  (pag.  398)  und 
Liehen  ruber  sehr  erleichtert.    Als  Recidivform  localisirt 
sich  dasselbe  vorwiegend  auf  die  Gelenksbeugen  und  um  die 
Mundöffnung  und  Augenhöhlen.  Das  universelle  kleinpapulöse 
Syphilid  ist  äusserst  hartnäckig,  recidivirt  oft  als  solches  und 
findet  sich  meist  bei  kachektischen  Individuen,  oder  führt  zu 
Marasmus. 

Das  pustulöse  Syphilid  wiederholt  alle  Formen  des 
papiüösen  Syphüides ,  aus  dessen  Knötchen  es  durch  eiterige 
Schmelzung  des  Infiltrates  hervorgeht.  Es  erscheint  daher  auch 
nach  den  zwei  Typen  desselben  als  gr osspustulö ses  und 

kleinpu  stulöses. 

Das  grosspustulöse  Syphilid  (Variola,  Acne,  Im- 
petigo syphilitica)  besteht  aus  schrotkorn-,  erbsen-  bis  bohnen- 
grossen,  eiterhaltigen  Efflorescenzen ,  neben  denen  zumeist  auch 
Papeln  ohne  Pustelkrönung  sich  vorfinden.  Die  Pusteln  smd 
flach  und  von  einem  braunrothen,  derben,  glänzenden,  erhabenen 
Rand  umsäumt ,  d.  i.  von  dem  jüngsten  Theile  der  ihre  Basis 
bildenden  Papel.  Sie  vertrocknen  zu  Krusten ,  nach  deren  Ab- 
fallen die  im  Centrum  deprimirte  und  charakteristische  Papel 
vorliegt. 

In  universeller  Verbreitung  bildet  das  grosspustulöse 
Syphilid  die  erste,  in  der  Regel  fieberhafte,  oder  eine  Recidiv- 
Eruption  der  Früh-Syphilis.  Es  wird  merkwürdiger  Weise 
nicht  selten  für  Variola  diagnosticirt,  ein  Lrrthum,  der  nur 
möglich  ist,  wenn  man  den  Charakter  der  Pusteln,  deren 


Syphylis  cutanea. 


699 


Untermengung  mit  Papeln,  das  Fehlen  von  Stippclien  und  eines 
Stadiums  wasserheller  Bläschen  und  den  von  Blattern  so  ganz 
und  gar  verschiedenen,  den  auf  Monate  protrahirten  Verlauf 
übersieht.  Die  Eecivdiformen  der  späteren  Syphilis-Periode  sind 
durchwegs  regionär  beschränkt  und  wie  die  correspondirenden 
Knötchenformen  gruppirt,  oder  orbiculär  gestellt.  Bei  der 
Localisation  an  der  Nase  und  Stirne  sind  sie  schwierig  von 
Acne  und  Lupus,  auf  dem  Capillitium  von  Eczema  impe- 
tiginosum,  an  den  Unterextremitäten,  wo  ihre  Basis  oft 
lividbraun,  von  Acne  cachecticorum  zu  unterscheiden. 

Aus  peripher  bis  zu  Kreuzer-  und  Thaler  -  Umfang  sich 
vergrössernden  und  successive  pustulös  werdenden  Papeln 
entstehen  Formen  ,  die  bei  grosser  centraler  Pustel ,  als  P  e  m- 
phigus  syphiliticus,  im  Stadium  der  centralen  Krusten- 
bildung und  zonenförmiger  Anreihung  von  Krusten-  und 
Pustelringen,  als  Rupia  syphilitica,  nach  Verheiluug  des 
Centrums  als  Syphilis  annularis  pustulosa  bekannt  sind. 
In  all'  diesen  Formen  gibt  die  ohne  vorangehende  Bläschenbildung 
entstehende  Pustel-Formation ,  der  Anblick  der  Ulceration, 
oder  Atrophie  nach  Abhebung  der  Krusten  und  das  scharf- 
begrenzte Randinfiltrat  den  diagnostischen  Unterschied 
gegenüber  von  den  morphologisch  ähnlichen  nichtsyphilitischen 
Processen:  Pemphigus  vulgaris  circinatus  et  rupia- 
formis,  Eczem-  und  Excoriationspusteln,  Herpes 
Iris  und  H.  tonsurans  vesiculosus. 

Das  klein  p  US  tu  löse  Syphilid  erscheint,  wie  das  seine 
Grundlage  bildende  Kleinknötchen-Sy23hilid,  stets  in  Form  von 
gruppirten  und  in  Kreislinien  gestellten,  miliären  bis  steck- 
nadelkopfgrossen Eiterbläschen  und  unter  den  gleichen  Ver- 
hältnissen. Dessen  Difi'erentialdiagnose  gegenüber  von  Liehen 
scrophulosorum  ist  zuweilen  nur  unter  Berücksichtigung 
von  entfernteren  Umständen,  am  leichtesten  allerdings  bei  Ge- 
genwart von  lenticulären  Papeln  möglich. 

Wie  die  Prognose  des  lenticulären  Syj)liilides  im  All- 
gemeinen günstiger  ist,  als  die  des  Liehen  syphiliticus,  so  auch 
die  des  grosspustulösen  besser,  als  die  des  kleinpustulösen. 

Das  Knoten  -  Syphilid,  Syphilis  cutanea  g u m m a- 
1 0  s  a ,  besteht  aus  grösseren  Knoten ,  welche  nach  ihrem 
primären  und  vorwiegenden  Sitze  als  cutane  und  subcutane 
Grummaknoten  unterschieden  werden  können.  Sie  bilden  durch- 


700 


Vierimdvierzigste  Vorlesung. 


wegs ,  mit  seltenen  Ausnalimen ,  Formationen  der  späteren 
Syphilis-Periode  und  beschränkter  Localisation.  Die  ctitanen 
Knoten  sind  erbsen-,  bohnengross  und  grösser,  zum  Theile 
discret,  meist  in  Gruppen  gestellt  —  S.  corymbosa,  Syphilide 
en  grappe ,  —  oder  in  Kreis-  und  Bogenlinien  angereiht  — 
S.  serpiginosa.  Diese  Formen  haben  die  grösste  Aehnlich- 
keit  mit  Lupus  serpiginosus,  von  dem  sie  durch  die 
schon  wiederholt  besprochenen  positiven  Eigenschaften  und  das 
Fehlen  der  lupösen  Einsprengungen  in  der  centralen  narbigen 
Area  unterschieden  werden  können. 

Die  subcutanen  Knoten,  eigentliche  Grummata,  bilden 
anfangs  erbsen- ,  haselnussgrosse  und  grössere ,  rundliche  und 
bewegliche,  später,  nach  Hineinwuchern  in  die  Cutis  selbst, 
an  diese  fixirte ,  länglich  runde ,  derbelastische ,  bei  Druck 
schmerzhafte  Knoten.  Die  Ofummata  schwinden  im  Verhältnisse 
zu  ihrem  Umfange  nach  Wochen  oder  Monaten  durch  Atrophie 
und  Eesoi-ption,  die  subcutanen  unter  Einsinken  der  centralen 
Partie ,  wobei  sie  eine  bisquitähnliche  G-estalt  wahrnehmen 
lassen. 

Das  uiceröse  Syphilid  geht  aas  eiteriger  Schmelzung 
der  Knoten  hervor.  Die  syphilitischen  Greschwüre 
charakterisiren  sich  durch  grosse  Schmerzhaftigkeit  und  die 
schon  früher  (pag.  693)  geschilderte  specifische  Form  und  Be- 
schaffenheit, und  erscheinen  je  nach  dem  dort  erörterten  Gange 
der  Infiltration  rund,  nierenförmig ,  serpiginös  und  ' rupia- 
förmig. Weniger  typisch  geformt  sind  die  aus  subcutanen 
Gummaknoten  hervorgegangenen  Geschwüre ,  weil  jene  nicht 
so  regelmässig  zu  einander  gestellt  sind,  wie  die  cutanen 
Knoten. 

Wegen  der  rapiden  Destruction  der  Gewebe  ist  das 
uiceröse  Syphilid  von  der  grössten  praktischen  Wichtigkeit, 
namentlich  mit  Rücksicht  auf  die  besondere  Dignität  des  be- 
fallenen Körpertheiles,  wie  der  Nase,  der  Lippen,  des  Gesichtes 
überhaupt.  Hier,  wie  am  behaarten  Kopfe  führen  sie  oft  zu 
Necrose  des  unterliegenden  Knorpels  und  Knochens ;  an  den 
Händen  und  TJnterextremitäten  durch  complicative  Entzündung 
zu  chronischem  Oedem  und  elephantiatischer  Hypertrophie  und 
Mutilationen.  Im  Uebrigen  ist  die  Prognose  des  ulcerösen 
Syphilides  nicht  ungünstiger  als  die  der  anderen  Syphilide. 


Syphilis  cutanea. 


701 


Syphilis  cutanea  vegetans  (f ramboesiaformis)  stellt 
papillomartige,  rothe,  drusige,  warzige  Auswüchse  vor,  welche 
über  excoriirten  oder  exulcerirten  Papeln,  oder  Grummaknoten  sich 
erheben.  Ihr  häufigster  Sitz  sind  die  Naso-labial-Furchen,  die 
Mundwinkel,  die  der  Bähung  ausgesetzten  Hautfarchen  der 
Scham-Leistengegend,  der  Mammalfalte ,  seltener  auch  andere 
Körperstellen.  Die  warzigen  Auswüchse  haben  hier  keine 
andere  Bedeutung,  als  die  bei  nicht  syphilitischen  Entzündungs- 
vorgängen, Elephantiasis  Arabum,  Sycosis,  Lupus  und  anderen 
Processen  entstehenden  Vegetationen,  die  schon  (pag.  548) 
besprochen  worden  sind,  und  dieselben  können  als  „syphilitische" 
nur  insoferne  xmd  so  lange  angesprochen  werden,  als  eben 
das  syphilitische  Infiltrat  (Papel,  Grumma)  ihre  Basis  darstellt. 
"Wenn  dieses  geschwunden  ist,  dann  ist  eine  solche  Diagnose 
nicht  möglich,  da  die  warzigen  Auswüchse  weder  klinisch, 
noch  histologisch  wie  Syphilis,  sondern  wie  Bindegewebs-Neu- 
büdungen  sich  verhalten. 

Bei  hereditärer  Syphilis  erscheint  entweder  schon  bei  der- 
Greburt,  oder  innerhalb  der  ersten  drei  Lebenswochen  (selten 
später)  ein  Syphilid,  welches  sich  nicht  wesentlich  von 
dem  der  erworbenen  Lues  unterscheidet.  Dasselbe  ist  meist 
ein  maculo-papulöses  Exanthem  mit  ßhagaden  -  Bildung  am 
Mundwinkel,  ad  anum,  an  den  Interdigital-Falten ,  seltener 
ein  pustulöses  Syphilid,  unter  der  Eorm  grösserer,  auf  exul- 
cerirten ,  flachen  Papeln  sich  erhebender  Eiterblasen  —  Pem- 
phigus syphiliticus.  Eigenthümlich ,  zugleich  charakteristisch 
für  hereditäre  Syphilis  ist  eine  diffuse  Infiltration  der  Fusssohle 
und  Flachhand ,  deren  Hautdecke  dabei  gleichmässig  braunroth, 
trocken,  atlasartig  glänzend,  da  und  doit  rhagadisch  erscheint. 

In  den  späteren  Jahren  ererbter  Syphilis  kommen  die 
gleichen  gummösen  Knoten  und  deren  Ulcerationsformen  vor, 
wie  in  der  Spätperiode  ererbter  Syphilis. 

Die  T  h  e  r  a  p  i  e  der  Syphilide  fällt  im  Allgemeinen  mit  der 
jenigen  der  constitutionellen  Syphilis  zusammen,  als 
deren  Symptom  sie  ja  erscheinea.  AU'  diejenigen  Mittel  und 
Behandlungsweisen ,  welche  die  specifische  Bluterkrankung  zu 
beseitigen  vermögen ,  bewirken  in  Einem  auch  das  rasche  Ver- 
schwinden des  syphilitischen  Hautexanthems  und  verhüten  auch 
dessen  Pv,ecidive  nur  in  dem  Masse ,  als  sie  die  constitutionelle 
Erkrankung  dauernd  zu  beheben  vermochten. 


702 


Yierunavierzigste  Vorlesung. 


Diese  Heilmittel  und  Beliancllungsweisen  sind  bekanntlich : 
Quecksilber,   das  dem  Blute  en-  und  hypodermatiscli ,  sowie 
durcli  den  Verdauungstract  in  verscbiedener  Form  und  Weise 
einverleibt  wird,  als  mittels  Einreibung  des Unguent.  cinereum, 
subcutaner  Injection  von  Sublimat,  Calomel-Suspension,  Pep- 
tonf[uecksil . er  (Bamberoer),   Sublimatbädern,  innerlichen  Ge- 
brauches von  Sublimat,  Proto-  tind  Dentojoduretum  Hydrargyri, 
Calomel  und  anderer  Quecksilberverbindungen,  ßäucherungen 
mittels  Zinnober;    ferners   interne:   Jodkalium,  Jodnatrium, 
Jodoform    und  Jodquecksilberverbindungen;    endlich:  Decoct. 
Zittmanni,  Dec.  Pollini  und  Jodeisenverb  indangen.  Bezüglich 
all'   dieser  Methoden  und  Mittel,  sowie  ihrer  speciellen  Indi- 
cationen  muss  ich  auf  die  bekannten  Lehrbücher  über  Syphüis 
verweisen ,  da  bei  deren  Erörterung  nicht  nur  die  specifischen 
Hautaffectionen,  sondern  die  Erkrankungen  auch  aller  anderen 
Organe  und  Systeme  des  Körpers  mit  in  Betrackt  gezogen 
werden  müssen. 

Dagegen  wäre  hier  der  Ort  hervorzuheben ,  dass  öfter 
Gelegenheit,  ja  dringender  Anlass  geboten  ist,  die  syphilitische 
Hauterkrankung  örtlich  zu  behandeln,  ohne  Rücksicbt  auf  den 
HeilefFect,  den  eine  gleichzeitige  antisyphilitische  Allgemeincur 
allenfalls  auf  dieselbe  ausüben  mag.  So  darf  man  speciell  bei 
ulcerösem  Sj^philid  der  Nase  und  der  Gesichtstheile  überhaupt 
nicht  erst  die  Heilwirkung  einer  Allgemeincur  abwarten,  da 
auch  im  günstigsten  Falle  bis  zum  vollen  Eintritt  derselben  so 
viel  Zeit  verstreicht,  dass  innerhalb  derselben  dem  Destructions- 
process  wichtige  Gebilde,  z.  B.  die  Nasenscheidewand,  der 
Nasenflügel,  zum  Opfer  fallen.  Bei  örtlich  drohender  Gefahr  muss 
daher  auch  sofort  örtlich  der  Process  beschränkt  werden. 
Dies  gelingt  fast  jedesmal  durch  bis  in's  gesunde  Gewebe  ge- 
führte Aetzung  mittels  Lapis-  oder  Kalistift;  in  weniger 
bedrohlichen  Formen  und  da,  wo  dasselbe  gut  applicirt  werden 
kann,  durch  ein  gut  klebendes  Em plastrum  hydrargyri. 
Letzteres  ist  in  der  Beziehung  überaus  verlässlich  ,  da  unter 
demselben  jegliche  Art  von  Syphilid  sehr  prompt  zur  Eesorption 
gelangt.  Daher  eignet  es  sich  vorzüglich  zur  Behandlung  von 
chronischer  Psoriasis  palmaris  et  plantaris,  breiten  Condylomen, 
schmerzhaften  rhagadischen  Papeln,  Paronychia  iilcerosa,  von 
hartnäckig  bestehendem  Liehen  syphiliticus,  grossknotigem 
Syphilid  und  einzelnen  Gumraaknoten,  selbst  wenn  die  letzteren 


Syphilis  cutanea. 


703 


bereits  in  Erweichung  begrifPen  wären.  Und  so  heilen  denn 
auch  die  Geschwüre  sehr  rasch ,  indem  das  Infiltrat  ihres 
Grundes  und  E,andes  unter  dem  grauen  Pflaster  schwindet. 

Auch  Sublimat  empfiehlt  sich  als  örtlich  rasch  wirksames 
Mittel,  bei  Psoriasis  palm.  et  plantaris  in  Form  von  Fuss- 
iind  Handbädern  (5,  ad  500);  in  leicht  ätzender  Concentration 
(1,0,  ad  50  Alkohol  oder  CoUodium)  oder  sub  Forma  der 
Solut.  Plenckii  (Rp.  Sublimat.,  Aluminis,  Camphorae,  Cerussae, 
Spir.  vini,  Aceti  Yini,  ^  5,00)  gegen  Plaques  muqueuses. 

Jodtinctur,  Jodglycerin,  Jodoform-CoUodium  und  -Salben 
erweisen  sich  höchstens  resorptionsfördernd  gegen  Gummata, 
nicht  so  gegen  andere  Syphilidformen;  ebenso  ist  offenen  Ge- 
schwüren gegenüber  deren  Wirkung  nicht  prompt  genug,  als 
dass  man  nicht  bei  drohender  Gefahr  vorziehen  sollte,  jene 
früher  erwähnten  verlässlichen  Mittel  sofort  anzuwenden. 


XL  Classe. 

Neuroses   cutanea  e. 
FünfundYierzigste  Vorlesung. 

Neurosen  dei?Haut,  Begriff.  Motilitäts- ,  Tropho-  und  Sensibilitäts- 
Neurosen.    Pruritus  cutaneus,  universalis  et  localis.  Pruritus  senilis. 

Neurosen  der  Haut  bedeuten  solche  Krankheiten, 
welclie  als  eine  zunächst  nicht  weiter  definirbare  Alter  ation 
der  Hautnervenfunction,  ohne  gleichzeitige  Structur- 
veränderung  der  Cutis,  sich  kundgeben.  Wir  schliessen  somit 
von  den  Neurosen  alle  jene  Processe  aus ,  welche  in  deutlicher 
Ernährungsstörung  der  Haut  sich  kundgeben,  wenn  sie  nach- 
weislich oder  muthmasslich  mit  einer  Alteration  bestimmter 
Nervengebiete  zusammenhängen,  wie  Herpes  Zoster  mit 
Granglienerkrankung,  gewisse  Pigment-  und  "Warzenmäler 
mit  dem  Nerven  verlaufe,  Acne  rosacea,  Erythema  multiforme 
und  nodosum  mit  Störungen  des  vasomotorischen  Systems 
(„Angioneurosen"),  gewisse  als  diffuse  Röthung  („glossy  skin") 
und  Blasenbildung  im  Bereiche  verletzter  oder  gereizter  Nerven- 
stämme erscheinende  Hautentzündungen,  Ausfallen,  Ergrauen 
der  Haare,  An-  imd  Hyperidrosis  im  Verlaufe  des  neuralgisch 
afficirten  Frontalnerves  u.  A.  Ernährmigsstörimgen ,  welche 
als  Tropho -Neurosen  der  Haut  dargestellt  Avorden  sind, 
aber  doch  keine  selbständigen  Krankheitsformen  repräsentiren. 

Als  wahre  Neurosen,  meinen  wir,  könnten  nur  wenige 
Affectionen  der  Haut  angesehen  werden,  eben  solche,  bei 
welchen  die  gestörte  Function  der  Hautnerven  ausschliesslich 


Nexu'oses  ciitaneae. 

zur  Manifestation  gelangt.  Dieselben  können  nach  der  func- 
tionell  dreifachen  Art  der  Hautnerven  ebenfalls  als  dreierlei 
unterschieden  werden,  als:  Motilitäts-,  vasomotorische 
oder  trophische  und  Sensibilitäts  -  Neurosen,  wobei 
ich  füglich  die  noch  nicht  spruchreife  Frage  nach  der  Existenz 
trophischer  Nerven  wohl  tinberührt  lassen  darf. 

Als  lEotilitätsneuro se  der  Haut  wäre  „Cutis  an- 
serina"  („Gänsehaut",  „peau  de  poule")  hervorzuheben,  ein 
bekannter  Zustand,  welcher  in  einem  Hervorgedrängtsein  der 
Haarfollikel  zu  kleinen,  derben,  spitzen,  von  Schüppchen  be- 
deckten, oder  einem  Härchen  durchbohrten  Knötchen  am  Stamme 
und  namentlich  an  der  Streckseite  der  Extremitäten  besteht. 
Er  ist  zunächst  die  Folge  der  Zusammenziehung  der  Schleuder- 
muskeln der  FoRikel. 

Die  als  Liehen  pilaris,  oder  niedriger  Grrad  der  Ichthyosis 
bekannte    analoge   Zustand ,    welcher    dauernd   sich  erhält, 
wäre  aber  hier  auszuschliessen ,  da  man  doch  nicht  annehmen 
kann,  dass  die  entsprechenden  Muskelbündel  der  Follikel  Jahre 
hindurch  in  dauernder  Contraction   sich  befänden,   und  wir 
meinen  hier  nur  Cutis  anserina  als  Folge  einer  neurotisch 
veranlassten  Contraction  der  Arrectoren.    Dieselbe  kann  auf 
directe  oder  indirecte  Reizung  der  Hautnerven  erfolgen ;  direct 
durch  calorische  Contrasteinwirkungen ,  plötzlichen  Wechsel 
von  Wärme  oder  Kälte,  wobei  auch   andere  Körpermuskeln 
mitafficirt  zu  werden  pflegen,  was  durch  Erschütterung  des 
Körpers,  Zittern,  tiefe  oder  stossweise  Inspiration,  z.  B.  beim 
Eintritt  unter  eine  kalte  Douche,  oder  ein  heisses  Bad. zum 
Ausdruck  kommt;  indirect  durch  Beeinflussung  vom  Grehirn 
aus  bei  psychischen  AflPecten,  Schreck,  Wahn-  und  Realvorstel- 
lungen  beim  Lesen,  beim  Ansehen  von  Schreckensscenen.  Bei 
streng  logischem  Vorgehen  müsste  allerdings  selbst  die  Cutis 
anserina  als  ein  physiologischer  Vorgang  bezeichnet  werden, 
weil  unter  den  aufgezählten  Verhältnissen  dieser  Zustand  bei 
allen  normal  constituirten  Individuen  aiiftreten  wird. 

Als  Trophoneurosen  der  Haut  können  vielerlei 
AfFectionen  bezeichnet  werden,  welche  als  durch  An om allen 
desNervensystems  bedingte  Ernährungsstörungen  sich  dar- 
stellen, wie  die  Eruption  des  Zoster,  entzündliche  Vorgänge 
im  Verlaufe  verletzter  Nerven ,  Grangrän  bei  Lähmungen  u.  A. 
Allein  man  zählt  vorwiegend  solche  Vorkommnisse  hieher, 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  45 


-jQß  Fünfund  vierzigste  Vorlesung. 

welche  durch  Alteration  derG-efässnerven  eiitstanden  schei- 
nen und  seit  Eulenbdkg  und  Landois  als  „Angioneurosen'- 
gerne  bezeichnet  werden.  Wir  haben  schon  wiederholt 
Grelegenheit  gehabt,  uns  über  dieselben  zu  äussern,  in  dem 
Sinne ,  dass  die  als  solche  dargestellten  Processe :  Zoster,  Acne 
rosacea,  Erythema,  Scorbut  und  viele  andere  mit  der  Bezeich- 
nung als  Agioneurosen  eben  nicht  erklärt  sind  und  nicht  auf- 
liören  difFerente  klinische  Formen  zu  repräsentiren ,  als 
welche  sie  an  der  in  der  Pathologie  ihnen  gebührenden  SteUe 

besprochen  worden  sind. 

Die  Sensibilitätsneurosen  erscheinen  als  excessive 
oder  verminderte  Empfindung  —  Hyperästhesie,  An- 
ästhesie, —  oder  als  qualitative  Empfindungs- Alteration, 
Pruritus  (Hautjucken),  Hyperalgesie ,  Analgesie,  vermin- 
derte Druck-  oder  Tastempfindung,  gestörter  Ortssinn,  wie 
solche  z.  B.  bei  Hysterie,  Begleiter  und  Sjonptome  von  Er- 
krankungen des  Centrainervensystems  uud  einzelner  peripherer 
Nerven  vorzukommen  pflegen. 

Unter  aU'  diesen  Sensibilitätsneurosen  ist  als  mehr  selbst- 
ständige Dermatopathie  das  durch  einen  geschlossenen  Sym- 
ptomencomplex  sich  charakterisirende  „Hautjucken", 

Pruritus  cutaneus 

hervorzuheben. 

Wir  bezeichnen  so  (nach  Hebra)  eine  chronische 
Hautkrankheit,  welche  durch  spontan,  d.  h.  ohne 
Efflorescenzen,  oder  äusserliche  Ursachen,  wie  z.  B.  Epizoen, 
a  u  f  t  r  e  t  e  n  d  e  s  J  u  c  k  e  n  sich  charakterisirt.  Hiemit  gilt  aUes 
durch  nachweisbare  Nutritionsstörungen  der  Haut,  wie  bei 
Eczem  Prurigo,  Liehen  ruber,  Psoriasis  etc.,  oder  Epizoen  (Lause) 
bedingtes  Jucken  nicht  als  „Pruritus"  im  Sinne  einer  selbst- 
ständigen Krankheit,  da  dasselbe  hier  nur  ein  begleitendes 
Symptom  und  eine  als  physiologisch  anzusehende  iieüex- 
erscheinung  jener  bestimmten  Zustände  darstellt. 

Die  in  Rede  stehende  lästige  Hautkrankheit  tritt  ent- 
weder allgemein  über  den  ganzen  Körper  verbreitet  auf, 
oder  auf  e i n z  e  1  n  e  K  ö  r p  er r  e gi 0  n  e n  beschränkt. 

Pruritus  universalis  manifestirt  sich  durch  die  quälende 
Empfindung  des   Juckens,    welche   nicht   continuirlich  vor- 


Pruritus  cutaneiis.  707 

handeii  ist,  sondern  anfallsweise,  melirex'e  Male  des  Tages 
nnd  in  der  Nacht  auftritt.  Der  Anfall  von  Jucken  kann  häufig 
unter  besonderen  Umständen ,  z.  B.  unter  dem  Einfluss  von 
Hitze,  Bettwärme,  heftiger  Bewegung,  oder  umgekehrt,  bei  ge- 
zwungener Ruhe,  wie  im  Theater,  in  Gesellschaft  geweckt 
werden.  Psychische  AfFecte  haben  einen  zweifellosen  Einfluss 
auf  das  Jucken.  Der  blosse  Gedanke,  die  Furcht  dasselbe 
könnte  nun  beginnen ,  es  möchte  ,  wie  im  Theater ,  keine  Ge- 
legenheit sein  zu  kratzen ,  genügt ,  um  sofort  den  Juckanfall 
hervorzurufen.  Dagegen  vermag  die  Ablenkung  der  Gedanken 
auch  den  Anfall  zu  verhüten  oder  zu  verzögern. 

Das  Jucken  beginnt  unregelmässig  da  und  dort,  erst  wie 
ein  sanftes  Kitzeln ,  welchem  die  Kranken  einige  Zeit  hindurch 
Widerstand  leisten  können;  alsbald  wird  die  Empfindung- 
heftiger  und  sie  fangen  an  durch  Druck,  oder  mässiges  Kratzen 
dieselbe  zu  bekämpfen.  Alsdann  bricht  jedoch  das  Jucken  mit 
enormer  Heftigkeit  los  und  umso  intensiver,  je  länger  dasselbe 
moralisch  bekämpft  wurde.  Es  nützt  alsdann  nicht  die  grösste 
Willensanstrengung,  die  Kranken  sind  gezwungen,  einen  Ort 
aufzusuchen ,  wo  sie  ungehindert  ihre  Haut  mit  den  Nägeln 
bearbeiten  können.  Der  Impetus  scabendi  ist  so  mächtig,  dass 
sie  alle  Rücksichten  des  Anstandes  und  der  Verhältnisse  pro 
momento  ausser  Acht  zu  lassen  gezwungen  sind.  Das  Kratzen 
mit  den  Nägeln  genügt  oft  nicht ;  sie  bedienen  sich  zur  Be- 
friedigung ihrer  Nervenempfindung  rauher  Körper,  Erottir- 
bürsten.  Das  Reiben  und  Kratzen  als  solches  ist  in  der  ersten 
Zeit  selbst  eine  Ursache  für  die  Steigerung  des  Juckens ,  das 
Erscheinen  von  Urticaria,  und  kann  doch  nicht  unterlassen 
werden. 

Erst  bis  die  Haut  durch  die  heftigen  Angrifi^e,  welchen 
sie  von  Seite  der  Nägel  und  der  kratzenden  Körper  ausgesetzt 
war,  da  und  dort  in  Streifen  hyperämisch,  zerkratzt,  blutend 
geworden  und  die  Empfindung  von  Brennen  eintritt,  hört  das 
Jucken  auf  und  tritt  mit  einer  körperlichen  Abspannung  auch 
eine  gewisse  psychische  Befriedigung  ein.  Besonders  quälend 
werden  auch  die  Nächte,  indem  die  Kranken  häufig  schon 
beim  Entkleiden  einen  Juckanfall  durchzumachen  haben,  manch- 
mal wohl  sofort  einschlafen,  aber  nach  kurzer  Zeit  durch  den 
.Juckanfall  aus  dem  Schlaf  geweckt  werden  und  mehrere 
Stunden  vom  Pruritus  gequält,  wiederholt  das  Bett  verlassen, 

45* 


708 


Fiiufundviorzigste  Vorlesung. 


kratzen,  mit  kühlenden  Gegenständen  sich  die  Haut  berühren^ 
kurzum  auf  alle  mögliche  Weise  sich  zu  beruhigen  trachten^ 
bis  sie  des  Morgens  ermattet  einschlafen. 

Auf  der  Haut  selbst  finden  sich  keine  anderen  objec- 
tiven  Er  8  eh  einungen,  als  diejenigen,  welche  von  dea 
durch  Kratzen  veranlassten  Insulten  herrühren ,  also  ganz 
unregelmässig  situirte,  je  nach  ihrem  Alter  und  ihrer  Reihen- 
folge verschieden  dunkel  pigmentirte,  oder  frische  Kratzstriemen 
und  Flecke  ,  während  im  Uebrigen  die  Haut  geschmeidig  und 
gut  transspirirend  sich  anfühlt.  Ein  anderes  Mal  ist  mit  dem 
Pruritus  eine  im  Allgemeinen  mehr  trockene  Beschafi'enheit 
der  Haut  verbunden,  oder  sistirt  die  Perspiration,  mit  Aus- 
nahme der  G-elenksb engen,  ziemlich  vollständig.  Urticaria  tritt 
aber  fast  regelmässig  während  des  Kratzens  auf. 

Dass  im  Verlaufe  eines  viele  Monate  und  J ahre  dauerndem 
derartigen  Zustandes  die  Kranken  durch  Schlaflosigkeit,  manch- 
mal auch  durch  das  ätiologische  Moment  in  der  Ernährung- 
herabkommen, psychisch  deprimirt,  oder  im  Gregentheil  exaltirt 
werden,  ja  bisweilen  in  einem  Juckanfall  in  Gefahr  der  psychi- 
schen Alien ation,  des  Selbstmordversuches  kommen,  ist  be- 
greiflich. 

Die  Ursache  des  Puritus  cutaneus  universalis  ist  in 
manchen  Fällen  ziemlich  bekannt.  Als  Pruritus  senilis,  bei 
Personen  des  Greisenalters  auftretend ,  mag  derselbe  als  Folge 
des  senilen  Marasmus  gelten.  Die  Haut  solcher  Greise  ist 
sehr  häufig  well?,  trocken,  runzelig,  braun  pigmentirt.  Doch 
gibt  es  auch  Fälle,  in  welchen  die  Haut  keineswegs  marastisch 
erscheint,  der  Fettpolster  noch  ganz  gut  erhalten  ist. 

Pruritus  senilis  ist  unheilbar  und  dauert  bis  an's  Le- 
bensende. 

Bei  Personen  mittleren  Lebensalters,  männ- 
lichen wie  weiblichen  Geschlechtes ,  kommt  der  Pruritus 
cutaneus  ebenfalls  vor;  bei  Männern  oft  nachweislich  mit 
chronischem  Gastricisraus,  schlechter  Verdauung,  Druck  in  der 
Magen-  und  Lebergegend,  träger Defäcation,  vergesellschaftet: 
bei  weiblichen  Individuen  in  Verbindung  mit  Störungen  im 
Bereiche  der  Sexualsphäre,  Dysmenorrhoe,  klimakterischen  Zu- 
ständen; selten  mit  jeder  Gravidität.  Ausserdem  sind  in 
manchen  Fällen  Albuminurie ,  Morbus  Brigthii ,  Diabetes  mel- 
litus, Tuberculose,  Magen-  und  Leberkrebs  als  Ursache  des 


Pruritus  cutaueus. 


709 


Pruritus  zu  eruiren;  ja  in  manchen  Fällen  geht  das  Haut- 
jucken lange  Zeit  der  Entwicklung  eines  der  genannten  Neu- 
"bildungen  voran.  Selbstverständlich  ist  das  Hautjucken,  welches 
mit  Icterus  verbunden  ist,  nicht  als  reiner  Pruritus  aiifzu- 
fassen,  sondern  als  mechanisch  durch  den  in  die  Cutis  abge- 
lagerten GallenfarbstofF  veranlasstes  Hautjucken. 

Endlich  sind  deprimirende  GemüthsafFecte,  wie  die  durch 
liarte  Schicksalsschläge ,  Verlust  von  Vermögen  ,  theuren  Per- 
sonen veranlassten ,  zweifellos  Veranlassung  von  Pruritus 
cutaneus  universalis.  Es  herrscht  hier  eine  vollständige  Ueber- 
^instimmung  mit  den  Verhältnissen ,  unter  welchen  auch  Ur- 
ticaria chronica  aufzutreten  pflegt. 

Was  die  Prognose  anbelangt,  so  kann  sie  nur  bei 
Pruritus  senilis  als  absolut  ungünstig  bezeichnet  werden ,  da 
nur  hier  das  Uebel  sicher  bis  an's  Lebensende  andauert.  Unter 
allen  anderen  Verhältnissen  kann  der  Pruritus  entweder  spontan 
erlöschen,  wenn  die  erwähnten  ursächlichen  Verhältnisse,  mögen 
sie  somatischer,  oder  psychischer  Natur  sein ,  sich  bessern  oder 
teilen.  Bei  der  Unbestimmbarkeit  dieser  ist  aber  auch  in  Bezug 
auf  die  Zeitdauer  der  Krankheit  nichts  Bestimmtes  vorher- 
zusagen. Es  kann  das  Uebel  immerhin  viele  Jahre  dauern, 
oder  auch  unheilbar  sich  erweisen. 

Die  Diagnose  des  Pruritus  universalis  ist  durchaus 
nicht  leicht.  Vor  Allem  muss  objectiv  festgestellt  sein,  dass 
der  Kranke  viele  Monate  hindurch  an  Jucken  leidet,  was 
aus  den  bekannten  Veränderungen  auf  der  Haut ,  frischen 
und  alten,  und  unregelmässig  am  Körper  zerstreuten  Spuren 
■des  Kratzens  entnommen  werden  muss.  Alsdann  mag  die 
Anamnese  ebenfalls  den  objectiven  Befund  bekräftigen.  Nun 
müssen  noch  alle  anderweitigen,  mit  Jucken  einhergehenden 
•chronischen  Krankheiten,  wie  Prurigo,  Scabies,  Hautjucken  in 
Eolge  von  Bettwanzen,  Pediculi  vestimentorum,  ausgeschlossen  . 
werden.  Bei  den  letzteren  weiss  man,  finden  sich  die  grossen 
Excoriationen  und  die  starken  Pigmentationen  vorwiegend  am 
Nacken  und  an  der  Sacralgegend,  weil  die  Pediculi  in  den  Falten 
•der  hier  zumeist  anliegenden  Kleidungsstücke  vorwiegend  nisten. 
Am  schwierigsten  ist  Urticaria  chronica  und  Pemphigus 
pruriginosus  auszuschliessen.  Doch  liegt  an  einem  solchen 
Irrthum  nicht  viel,  weil  diese  Processe  thatsächlich  mit 
Pruritus    cutaneus  nosologisch  ziemlich   gleichartig  zu  sein 


rj  YQ  Füufundvierzigste  Vorlesung. 

sclieinen;  wenigstens  treten  sie  oft  unter   denselben  ätiolo- 
gischen Verhältnissen  auf. 

Pruritus  localis  stellt  den  Zustand  des  chronischen  an- 
fallsweisen Juckens  dar ,  welcher  auf  einzelne  Oertlichkeiten 
beschränkt  ist.  Nach  der  betroffenen  Oertlichkeit  unter- 
scheidet man  : 

Pruritus  pudendorum  muliebrium,  Jucken,  welches- 
vorwiegend  als  Pruiritas  vulvae  et  vaginae  sich  charakte- 
risirt,  aber  alsbald  auch  die  äusseren  Genitalpartien,  Labien 
und  Clitoris  befällt  und  die  Kranken  zu  dem  heftigsten  Kratzen, 
Frottiren,  mechanischen  Insulten  gegen  die  von  dem  heftigen 
Jucken  befallenen  Genitalpartien  veranlasst.  Objectiv  sind  erst 
in  späterer  Zeit  neben  Röthung,  kartarrhalischer  Secretion 
der  Vaginalschleimhaut ,  ekzematöser  Verdickung  der  Schleim- 
haut der  grossen  und  kleinen  Labien  ,  Hypertrophie  des  Prä- 
putium, der  Clitoris,  nebst  mässigen  Excoriationen  und  Krusten 
zu  finden.  Die  betreffenden  Kranken  zeigen  sich  meist  exaltirt, 
von  allen  möglichen  Erscheinungen  der  sogenannten  Hysterie 
geplagt,  manchmal  wie  nymphomanisch,  ohne  dass  jedoch  der 
bis  zum  höchsten  Sinneskitzel  gesteigerte  Act  des  Kratzens, 
oder  selbst  der  Coitus  einem  Juckanfall  ein  Ende  machen  würde. 

Als  Ursache  dieses  Pruritus  kann  irgend  ein  ätiolo- 
gisches Moment  zugegen  sein,  welches  sonst  auch  Pruritus 
universalis  veranlassen  kann;  manchmal  ist  Pruritus  der  Geni- 
taHen  ein  jahrelanger  Vorläufer  eines  sich  später  entwickelnden 

TJterincarcinoms. 

Pruritus  pudendorum  marium  betrifft  vorwiegend 
Scrotum  und  Perineum,  das  Orificium  urethrae 
und  die  Urethralschleimhaut  und  führt  durch  das 
intensive  Kratzen  sehr  bald  zur  Entwicklung  von  Eczema 
scroti,  durch  welches  die  Diagnose  desselben  ausserordentHch 

erschwert  wird. 

Pruritus  analis  betrifft  den  anus  und  dessen  Circum- 
ferenz,  sowie  das  Anfangsstück  der  Rectumsschleimhaut.  Auch 
hier  kommt  es  durch  das  häufige  Kratzen  zu  Eczemerschei- 
nungen  copiöser  Schleimsecretion  vom  Rectum,  Wulstung  und 
Entzündung  der  Schleimhaut.  Zweifellos  ist  der  Zustand  oft 
mit  Ausdehnung  der  Hämorrhoidalvenen  und  grösseren  Hämor- 
rhoidalknoten verbunden. 

Pruritus  palmae  manus  et  plantae  pedis,  mit 


Pniritus  cutaneais. 


711 


oder  olme  Hj^peridi'osis  dieser  Tlieile  ist  seltener,  aber  eben- 
falls sehr  quälend. 

Pruritus  linguae  habe  ich  noch  nie  gesehen,  wird 
aber  von  Anderen  berichtet. 

Zu  erwähnen  wäre  noch,  dass  Duhring  in  Philadelphia 
als  Pruritus  hiemalis  ein  Hautjucken  bezeichnet,  welches 
bei  manchen  Personen,  auch  jugendlichen,  in  den  Winter- 
monaten eintreten  und  namentlich  auf  die  Extremitäten  sich 
beschränken  soll. 

Ich  halte  dafür ,  dass  dies  keine  eigentliche  Neurose  ist, 
sondern  eine  durch  die  Trockenheit  der  kalten  Atmosphäre 
veranlasste  Sprödigkeit  der  Epidermis,  welche  in  Verbindung 
mit  der  bei  niederen  Temperaturen  häufig  auftretenden  Cutis 
anserina ,  namentlich  beim  Auskleiden  und  Anziehen,  Jucken 
veranlasst. 

Eür  die  Therapie  des  Pruritus  universalis  et  localis 
liegen  die  Verhältnisse  da  am  günstigsten ,  wo  Aussicht  vor- 
handen ist,  die  ursächlichen  Momente  der  Krankheit  zu  beseitigen. 
Bei  mit  Leberaffectionen  und  chronischem  Grastricismus  ver- 
gesellschaftetem Pruritus  erweisen  sich  oft  Trinkcuren  in  Carls- 
bad und  Marienbad,  der  innerliche  Grebrauch  von  Soda,  Magne- 
sia, Rheum ,  nebst  einer  zweckentsprechenden  Diät  heilsam. 
Wo  Störungen  im  Bereiche  der  weiblichen  Sexualfunctionen 
als  Grund  des  Hautjuckens  angenommen  werden  dürfen,  muss 
man  dieselben  zu  beheben  trachten.  Liegt  moralische  Depression 
der  Affection  zu  Grrunde,  so  erweist  sich  oft  eine  Reise,  der 
Wechsel  des  Wohnortes,  die  Herbeiführung  sexuell  und  geistig 
befriedigender  Lebensverhältnisse  rettend. 

Im  Uebrigen  wird  sowohl  in  den  unheilbaren  Fällen,  wie 
Pruritus  senilis ,  als  in  den  günstigeren  Formen  gegen  die 
Anfälle  von  Hautjucken  selbst  dasjenige  angewendet  werden 
müssen ,  was  dieselben  abzukürzen ,  die  Juckempfindimg  zu 
mitigiren  vermag. 

Bei  Pruritus  universalis,  wie  localis,  wirkt  merkwürdiger 
Weise  Theer  in  der  Regel  sehr  wenig,  da  er  doch  bei  den 
juckenden  Hautkrankheiten,  Prurigo,  Eczem  Ausgezeichnetes 
gegen  das  Jucken  leistet.  Von  einiger,  wenn  auch  vorüber- 
gehenden Wirkung  sind  alle  jene  Mittel  und  Verfahrungs- 
weisen,  durch  welche  die  Empfindung  von  Kälte  auf  der 
Haut  erzeugt  wird;  also  ätherische  und  alkoholische  Flüssig- 


712 


Fünfundvierzigste  Vorlesung. 


keiten  mit  und  olme  Carbol-,  Salicylsäure ,  Schwefel-  und 
Petroleumäther  in  den  beliebigsten  Mischungen  (pag.  304),  mit 
welchen  die  Haut  eingepinselt  wird,  so  oft  die  Juckempfindung  neu 
sich  regt.  Seltener  wirken  warme  Wannenbäder  günstig,  häufiger 
noch  kalte  Douchen,  Einhüllungen  in  nasse  Leintücher,  medi- 
camentöse  Bäder  von  Schwefel,  Soda,  Alaun,  Sublimat. 

Bei  Pruritus  vulvae  et  vaginae  kann  man  solche  medi- 
camentöse  Sitzbäder  anwenden  in  Verbindung  mit  Injectionen 
in  die  Vagina  von  lauem,  oder  kaltem  Wasser ;  ferners  Alaun-, 
Zink-,  Tannin-Lösungen,  Einlegen  von  in  solche  Flüssigkeiten 
getauchten  Tampons,  oder  Tampons,  welche  in  Opiatsalben 
getunkt  worden  waren,  Suppositorien  aus  Cacao  mit  Laudanum, 
Belladonna,  Morphium,  Creosot.  Rp.  Bu.tyri  de  Cacao  1,50,  Lau- 
dani  0,02—0,04  (Belladonnae  0,02—0,04),  (Morphii  0,01—0,05). 

Subcutane  Lijectionen  von  Morphium ,  Chloralhydrat, 
innerlicher  Grebrauch  der  letzteren  ,  Lihalationen  von  Chloro- 
form sind  gelegentlich  anzuwenden,  um  das  Jucken  zu  mildern 
und  Schlaf  zu  erzeugen. 

In  ganz  analoger  Weise  wird  man  auch  gegen  Pru- 
ritus analis  verfahren  und  gleichzeitig  vorhandenes  Eczem 
nach  den  bekannten  Regeln  behandeln. 

Bei  Pruritus  vulvae  et  vaginae  et  analis  wird  der  so- 
genannte Scheiden-  und  Mastdarmkühler  zweckmässige  Dienste 
leisten. 

Lmerliche  Mittel ,  von  welchen  eine  umstimmende  Wir- 
kung auf  die  Nerven-Centra  selbst  zu  erhofi'en  wäre,  wie 
Solut.  Fowleri,  Atropin  (Atropini  sulf.  0,02,  Grummi  tra- 
gaeanth.  1,50,  Grlycerrhini,  Pulv.  liquir.  ^  q.  s.  ut.  f.  pill.  XX. 
Sig.  2  Pillen  täglich  zu  nehmen.  Schwimmer),  Pilocarpium  muria- 
ticum  (subcutan  0,01),  Chinin,  haben  sich  uns  theils  gar  nicht, 
theils  nur  sehr  vorübergehend  wirksam  erwiesen,  gerade  so 
wie  der  innerliche  Gebrauch  von  Carbolsäure  (Acidi  carbol.  5, 
Pulv.  et  Extr.  rad.  Gent.  ^  q.  d.  u.  f.  pill.  60.  Sig.  10  Pillen 
täglich). 


Xn.  Olasse.. 

Dermatoses  parasitär  iae. 

Parasitäre  Hautkrankheiten. 

Sechsundvierzigste  Yorlesung. 

Pfla  nzlieheundthieri  s  e  he  Parasiten.  Allgemeines  überPilze 
und  ilire  botanische  Stellung,  Wirkung  auf  das  Hautorgan.  Eintheilung  der 
Dermatomyeosen.   Speeielles:  Favus,  Pathologie,  Therapie. 

Die  parasitären  Hautkranklieiteii  bilden  den 
Inhalt  der  letzten  Classe  des  HEBEA'sclien  Systems,  zugleich 
eine  natürliche  Krankheitsgruppe  vermöge  des  gemeinschaft- 
lichen Momentes,  dass  sie  durch  den  Einfluss  parasi- 
tärer Organismen  auf  die  Haut  veranlasst  werden. 

Die  bei  dieser  Krankheitsgruppe  zu  beobachtenden  patho- 
logischen Vorgänge  des  Hautorganes  sind  zwar  wesentlich  die 
schon  bekannten  der  Hyperämie,  Exsudation,  Entzündung, 
Desquamation  etc.  und  bedürfen  als  solche  daher  keiner  all- 
gemeinen Erörterung.  Deren  Localisation,  Form  und  Verlauf 
gestaltet  sich  aber  in  besonderer  Weise  nach  den  Lebens-  und 
Vegetationsbedingungen  der  sie  veranlassenden  parasitären 
Organismen.  Deshalb,  und  weil  die  letzteren  überdies  auch 
selber  als  wesentlicher  Antheil  des  Symptomencomplexes  der 
in  E,ede  stehenden  Krankheitsformen  zugegen  sind,  ist  es 
nothwendig ,  die  Eigenschaften  dieser  Krankheitserreger  als 
ausserhalb  des  menschlichen  Organismus  stehender  natur- 
geschichtlicher Objecte  kennen  zu  lernen. 

Dieselben  sind  naturgeschichtlich  zweierlei:  1.  pflanz- 
liche, 2.  thierische  Parasiten. 


7U 


Sechsundvierzigste  Vorlesung. 


Die  pflanzlichen  Parasiten  der  menschlichen 
Hant  gehören  zur  Classe  der  Pilze,  Fungi.  Sie  unterscheiden 
sich  von  den  Algen  durch  den  Mangel  an  Chlorophyll.  Ver- 
möge dieser  Eigenschaft  sind  sie  nicht  im  Stande  unorganisches 
Materiale  zu  assimiliren,  sondern  können  sie  nur  vorbereitete 
organische  Substanzen  in  sich  aufnehmen. 

Eine  Gruppe  derselben  findet  sich  vorwiegend  auf  todten 
in  Zersetzung  begrifi'enen  organischen  Substanzen;  man  nennt 
sie  Fäulnisspilze  —  Saprophyten. 

Eine  zweite  Gruppe  vegetirt  auf  lebenden  Organismen, 
Thieren  oder  Pflanzen ;  das  sind  die  Schmarotzerpilze  — 
Parasitae. 

Morphologisch  bestehen  die  Pilze  aus  chlorophyllfreien 
Zellfäden,  Mycelien  (Hyphen),  welche,  einfach  oder  verzweigt, 
stellenweise  im  Innern  durch  Scheidewände  abgetheilt,  oft 
vielfach  mit  einander  verschlungen  und  verschmolzen,  die 
Hauptmasse  des  sogenannten  vegetativen  Theiles  des  Pilzes, 
Thallus  (Pilzrasen)  oder  Mycelium  darstellen. 

Neben  diesem  vegetativen  Theile  ist  an  den  Pilzen 
zu  unterscheiden  der  fructificirende  Theil ,  der  in  sehr 
verschiedener  Gestalt  erscheint  und  das  wesentlichste  Unter- 
scheidungsmerkmal zwischen  den  einzelnen  Pilzarten  abgibt. 


Penicillium  crust.  Fries. 

a  Hyphe,  &  Baaidien,  c  Sterigmen,  d  fruclit- 
reife  Conidien. 


Fig.  42. 


Eine  Gruppe  der  Pilze 
wii'd  als  Schimmel- 
pilze (Hyphomyceten) 
unterschieden.  Da  die 
Pilze ,  welche  notorisch 
Hautkrankheiten  veran- 
lassen, nosologisch  und 
morphologisch  mit  eben 
den  Schimmelpilzen  in 
Verbindung  gebracht  wer- 
den ,  so  möge  als  Bei- 
spiel eines  solchen  der 
gemeine  Schimmelpilz, 
Penicillium  crustaceum 
Fries ,  hier  vorgeführt 
werden  (Fig.  42).  Aus 
dem  horizontalen  Mycel- 


Dermatophyten.  Allgemeines. 


715 


lager  erliebt  sich  senkrecht  die  Fruchthyphe  (a),  welche  sich 
zu  Basidien  (b)  und  Sterigmen  (c)  verzweigt  und  von  diesen 
schnüren  sich,  perlschnurartig  gereiht,  rundliche  Zellen  ab  — 
Sporen.  Das  ganze  aufsteigende  Gebilde  wird  nun  als  Fructi- 
ficationsorgan ,  und  die  einzelne  Spore  gewissermassen  als 
Frucht  angesehen,  weil  dieselbe,  abgefallen,  wieder  zu  Mycelien 
auswachsen  und  den  Schimmelpilz  sammt  Frachtorgan  aus 
sich  erzeugen  kann.  Je  nach  der  Form  dieses  sporentragen- 
den  Organes  nun  unterscheidet  man  die  Pilzarten  als  Peni- 
cillium  mit  pinselförmiger  Stellung  der  Sporen,  Mucor  mit  in 
einer  Kapsel  eingeschlossenen,  Aspergillus  mit  kugelig  auf- 
gehäuftem Sporenstande  u.  s.  f. 

Ausser  der  Vermehrung  durch  ein  derartiges  Fructifi- 
cationsorgan  und  mittelst  Sporen  findet  eine  Propagation  der 
Pilze  mittelst  Gronidien  statt,  das  sind  Zellen,  welche  im 
vegetativen  Antheile  von  den  Mycelfäden  auswachsen  und  sich 
ablösen.  Die  letztere  Propagationsweise  ist  die  gewöhnliche 
und  bei  allen  Schimmelpilzen  gleich,  und  nur  unter  günstigen 
Vegetationsbedingungen  kommt  es  zur  Formation  des  eigent- 
lichen Fructificationsorganes ,  durch  welches  die  Speeles  difFe- 
renzirt,  und  der  Sporen,  durch  welche  die  Art  erhalten  wird. 

An  den  Pilzen  der  Dermatomycosen  des  Menschen  nun 
finden  sich  nur  Mycelfäden  und  Gonidienvegetation ,  und  nie- 
mals Fructificationsorgane  besprochener  Art,  und  insoferne  ist 
es  auch  nicht  möglich  gewesen,  die  systematische  Stellung  zu 
bestimmen,  welche  ihnen  als  innerhalb  oder  ausserhalb  der 
menschlichen  Haut  vegetirenden  Pilzspecies  gebührt. 

Man  hat  sich  auch  ursprünglich  nicht  viel  darum  ge- 
kümmert, als  Pilze,  zunächst  bei  Favus  1839  durch  Schönlein 
und  in  den  darauffolgenden  Jahren  bei  Herpes  tonsurans  durch 
Malmsten,  bei  Pityriasis  versicolor  durch  Eichstedt  und  noch 
bei  mehreren  anderen  Krankheiten  gefunden  wurden,  bei 
welchen  dieselben  sich  später  nicht  bestätigt  haben.  Man 
nahm  stillschweigend  an,  dass  der  Pilz ,  wie  er  bei  einer  be- 
sonderen Hautkrankheit  sich  vorfand,  auch  eine  besondere 
naturgeschichtliche  Art  repräsentire,  und  belegte  ihn  auch 
darnach  mit  einem  eigenen  Namen ,  als :  Achorion  Schönleinii 
(Rejiak)  ,  der  Pilz  des  Favus ;  Trichophyton  tonsurans, 
Malmsten,  der  Pilz  des  Herpes  tonsurans;  Microsporon  furfur 
Ch.  Robin),  der  Pilz  der  Pityriasis  versicolor  u.  s.  f. 


716 


Sechsundvierzigste  Vorlesung. 


Allein  diese  einfache  Sachlage  änderte  sicli  gewaltig,  als 
zunächst  Lowe  1850  den  Pilz  des  Herpes  tonsurans  als  eine 
Sporen  bildende  Form  des  Favuspilzes  und  beide  als  aus 
einer  gemeinen  Schimmelart,  Aspergillus,  hervorgegangen  er- 
klärte und  Hebra  1854  die  Beobachtung  mittheilte,  dass 
unter  der  Anwendung  von  schimmeligen  Compressen  auf  der 
Haut  des  Menschen  Herpes  tonsurans-ähnliche  Kreise  und 
mitten  drinnen  Favus-Scutula  entstehen,  und  dass  auch  genuiner 
Favus  mit  Herpes  tonsurans  untermischt  vorkommt.  Denn  dar- 
nach schien  es ,  nach  Hebra  ,  wahrscheinlich ,  dass  der  Pilz 
beider  Krankheitsformen  zunächst  von  einem  gemeinen  Schim- 
melpilz abstammen  und  je  nach  besonderen  Vegetationsver- 
hältnissen einmal  Favus,  ein  andermal  Herpes  tonsurans,  oder 
beide  zugleich  veranlassen  könne,  und  dass  die  bei  diesen  Krank- 
heiten vorfindlichen  Pilzformen  nur  Morphen,  Vegetationsstadien 
eines  bekannten  Schimmelpilzes  darstellen. 

Eine  mächtige  Stütze  fand  diese  Ansicht  in  der  von 
TuLASNE  (1851)  entdeckten  und  von  hervorragenden  Botanikern 
(Kühn,  de  Baby,  Hoffmann)  bestätigten  „Pleomorphi e"  der 
Pilze.  So  wurde  nämlich  die  neu  gefundene  Thatsache  be- 
zeichnet, dass  manche  Pilzarten  nicht  nur  mehrerlei  Fructi- 
ficationsorgane ,  sondern  solche  auch  in  einer  regelmässigen 
Succession  entwickeln,  derart,  dass  das  eine  stets  die  noth- 
wendige  Vorstufe  des  anderen  bildete,  und  dass  somit  viele 
Pilzformen,  die  auf  G-rund  besonderer  Fruchtformen  als  be- 
sondere Species  bis  dahin  gegolten  hatten,  als  nur  einem  Pilze 
angehörige  Formgenera  (de  Baby)  sich  herausstellten. 

Es  war  also  sehr  einladend,  auch  zwischen  den  Derma- 
tophyten  und  den  frei  in  der  Natur  vegetirenden  Schimmel- 
pilzen analoge  Entwicklungsbeziehungen  anzunehmen.  Aber 
es  ist,  wie  ich  hier  sofort  hervorheben  will,  bisher  nicht  ge- 
glückt eine  solche  zu  erweisen.  Denn  es  ist  trotz  einzelner 
scheinbarer  Erfolge  bisher  weder  gelungen  durch  Aussaat  von 
Schimmelpilzen  auf  die  Haut  hier  Favus ,  oder  Pityriasis 
versicolor,  höchstens  Herpes  tonsurans-ähnliche  Kreise,  oder 
„mikroskopische  Scutula"  (Pick,  Köbnee)  zu  erzeugen,  noch 
die  auf  der  Haut  vegetirenden  Pilze  durch  Züchtung  (Pick, 
Lowe,  Hoffmann,  Neumann,  Grawitz  u.  A.)  zur  Fructification 
in  einer  bestimmten  und  constanten  Form  zu  bringen,  so  dass 
die  bei  solchen  Züchtungen  gefundenen  fructificirenden  Pilz- 


Dematopliyten.  Allgemeines. 


717 


formen  (Penicillium,  Aspergillus,  Mucor  u.  v.  A.)  von  den  be- 
deutendsten Botanikern  als  Producte  von  Verunreinigungen 
der  Culturen  durch  fremde  Pilzkeime  angesehen  werden. 

Man  weiss  auch,  dass  selbst  die  Erscheinung  der  pinsel- 
förmigen Sporenabschnürung  nicht  genügt,  um  ein  Pilzobject 
als  Speeles  Penicillium  anzusprechen,  da  viele  Pilze  gelegent- 
lich in  Pinselform  Gronidien  abschnüren,  und  es  ist  überdies 
nach  dem  neiiesten  Stande  der  Mycologie  wahrscheinlich  ge- 
worden, dass  für  die  Pilze  gar  nicht  die  Sporenstände,  wie 
bisher  geglaubt  wurde ,  das  die  Speeles  bestimmende  Pructi- 
ficationsorgan  darstellen,  sondern,  gleichwie  bei  den  Phane- 
rogamen,  geschlechtliche  Pructification,  wie  solche 
für  Penicillium  von  Brefeld  nachgewiesen  worden  ist. 

Fig.  43. 


1.  Micrococcus.  2.  Mycothrix.  3.  Zooglea.  4.  Leptothrix.  5.  Vibrio.  6.  Bacterium  (Cooco- 
bacterie,  Billroth).  7.  Baoteridien.  8.  Spirillum. 

Viel  complicirter  noch,  weil  scheinbar  einfacher,  gestal- 
teten sich  die  Anschauungen  über  die  botanischen  Beziehungen 
der  Hautpilze  im  Laufe  der  60er  Jahre,  da  durch  Halliek  auch 
die  niederen  Pilze  (Hefepilze  und  Schizomyceten), 
in  das  Bereich  der  Pleomorphie  der  Pilze  gezogen  wurden ,  die 
Gebilde,  welche  man  angefangen  hatte  als  Krankheitserreger 
(Contagien)  vieler  infectiöser  Processe,  Eotz,  Diphtheritis, 
Cholera  etc.  anzusehen  (Fig.  43).    Halliek  lehrte,  dass  jeder 


718 


Sechsundvierzigste  Vorlesung. 


Pilz  in  drei  Morplien  erscheine.  An  der  Luft  vegitireud 
(Aerophyt)  treibt  er  Fructificationsorgane  und  bildet  er  die 
bekannten  Schimmelformen  (Penicillium,  Aspergillus  etc.).  In 
eine  Nährflüssigkeit  halb  untergetaucht  (Halbaerophyt) 
bildet  er  bäumchenartige  Zellensprossen  — Oidiumformen, 
Grliederschimmel  (in  Gährflüssigkeiten  Oberhef e).  Ganz 
untergetavicht  und  von  der  Luft  abgeschlossen  (Anaerophyt) 
platzen  die  einzelnen  Conidien,  aus  ihnen  schwärmen  Körnchen 
heraus,  Micrococcus,  welche  durch  Theilung  —  Schizomy- 
ceten  —  einfache  Sprossung  in  gährungsfähiger  Flüssigkeit 
echte  Hefe  (Unterhefe)  und  in  Kettenform  Leptothrix,  Zu- 
sammenballen in  eine  Schleimmasse  Zooglea  (F.  Cohn),  Aus- 
wachsen in  Stäbchenform  Bacterien  bilden. 

Indem  nun  Hallier  behauptete,  bei  jeder  Pilzart  diese 
Morphenreihe  in  auf-  und  absteigender  Linie  durch  Züchtung 
hervorbringen  zu  können,  bestimmte  er  auch  für  jeden  Micro- 
coccus den  dazugehörigen  aerophytischen  fructlficirenden  Schim- 
melpilz ,  d.  i.  die  Pilzspecies,  und  so  auch  für  die  halbanaero- 
phytischen  Pilzmorphen  (Oidiiimformen)   des  Favus ,  Herpes 
tonsurans,  Pityriasis  versicolor  u.  s.  f.    Es  ist  hier  nicht  der 
Ort,  zu  erörtern ,  welchen  Einfluss  Hallier's  Darstellung  für 
die   Hypothesen    von   den   Infectionskrankheiten    und  ihren 
Quellen  haben  konnten.  "Wohl  aber  muss  hervorgehoben  werden, 
dass  die  wissenschaftliche  Botanik  Hallier's  mycologische  Aus- 
führungen als  nicht  begründet  ansieht,  dass  dieselben  auch 
mit  der  klinischen  "Wahrnehmiing  nicht  harmonirten,  indem 
Hallier  z.  B.  Pityriasis  versicolor  und  Herpes  tonsurans,  zwei 
klinisch  sehr  differente  Krankheitsformen,  von  einem  gemein- 
schaftlichen Pilze,  den  dem  letzteren  aber  verwandten  Favus 
von  einem  gesonderten  herleitet;   und  dass  schliesslich  die 
Botaniker  sowohl,  wie  die  Pathologen,  welche  die  Schizomyceten 
als  Krankheitserreger  bei  Infectionskrankheiten  ansehen,  theils 
jeden  Zusammenhang  derselben  mit  den  höheren  Pilzen  ent- 
schieden in  Abrede  stellen  (de  Bary,  F.  Cohn,  Nägeli),  theils 
auf  eine  solche  Beziehung  gar  nicht  Rücksicht  nehmen  (Bill- 
roth, Klebs,  Fritsch),  wenn  sie  dieselben  nicht  gar  für  thieri- 
scher Art  halten  (Rindfleisch),   oder  für  Zerfallsproducte 
thierischer  organischer  Materie  (Karsten). 

Darum  liegt  für  uns  zunächst  keine  Nöthigung  vor,  auf 
gewisse  Publicationen  Rücksicht  zu  nehmen,  nach  welchen  — 


Dermatopliyten.  Allgemeines. 


719 


von  den  notorisclien  Infectionskrankheiten ,  Variola ,  Syphilis 
etc.  abgesehen  —  bei  vielen  vor  der  Hand  als  nicht  ansteckend 
geltenden  Hautkrankheiten,  Eczem,  Prurigo,  Warzen  vi.  v.  A. 
Micrococcen  vorkommen  sollen.  Denn  es  bleibt  bezüglich  der- 
selben noch  Alles  zu  erweisen :  dass  sie  vorhanden,  organischer, 
oder  Pilznatur  und  dass  ihnen  die  Rolle  von  Krankheits- 
ursachen zukommt. 

Es  geht  aber  auch  aus  den  vorausgeschickten  Daten 
weiter  hervor,  dass  wir  in  Bezug  auf  die  Systematik  der  bei 
den  zweifellosen  Dermatomycosen  vorkommenden  Pilze  nicht 
weiter  gelangt  sind,  als  zur  Zeit  ihrer  Entdeckung,  und  dass 
wir  mit  de  Baky  dieselben  in  der  Morphe,  als  sie  bei  den 
speciellen  Krankheitsformen  sich  vorfinden,  insolange  als  eben 
so  viele  besondere  Arten  ansehen  müssen,  bis  es  nicht  gelungen 
sein  wird,  in  unzweideutiger  Weise  aus  denselben  fructificirende 
Pilze  zu  züchten,  oder  durch  Aussaat  von  Schimmelpilzen  auf 
die  Haut  hier  unbezweifelbaren  Favus,  Herpes  tonsurans  und 
Pityriasis  versicolor  zu  erzeugen. 


Der  anatomische  Sitz  der  Dermatophyten  ist  das 
epidermoidale  Grewebe  Epidermis,  Haare  und  Nägel, 
zwischen  deren  Elementen  sie  sich  ausbreiten,  und  nur 
selten  scheinen  sie  in  eine  Epidermiszelle  selber  einzudringen. 

Die  Wirkung  der  in  den  genannten  Hautschichten 
vegetirenden  Pilze  ist  eine  örtliche  und  me  ch a nis  ch  e, 
indem  ihre  Elemente  die  Epidermiszellen  auseinanderdrängen, 
welche,  von  den  unterliegenden  Stratis  abgehoben,  zerfallen 
und  mit  ihren  Zerfallproducten  der  Ernährung  des  Pilzes 
dienen.  Sicher  können  die  Pilze  nur  unter  Zutritt  von  Luft  ge- 
deihen und  nehmen  sie  Stickstoff  der  Gewebe  auf.  Die  Erage 
jedoch,  ob  sie  die  Bestandtheile  der  in  Zersetzung  begriffenen 
Gewebe  assimiliren,  oder  diese,  gleich  einem  Fermente,  direct 
zersetzen,  ist  noch  mehr  strittig ,  als  die  über  die  directe  oder 
indirecte  Beziehung  der  Hefe- Vegetation  zur  Alcoholgährung. 
Ihre  fernere  Wirkung  besteht  in  der  Erregung  von  Hyper- 
ämie (Rothe),  Exsudation  (Bläschen,  Schuppung)  und  Eiterung 
(Pusteln),  seltener  Entzündung  und  Abscedirung.  Alle  diese 
Wirkungen  sind  als  mechanische,  vielleicht  zum  Theile  chemische, 
aufzufassen,  gleichwie  von  anderen  mechanisch  oder  chemisch 


720 


Sechsundvierzigste  Vorlesung. 


die  Haut  irritirenden  Schädlichkeiten,  und  niemals  ist  ein 
nachtheiliger  Einfluss  auf  die  Constitution  und  die  Functionen 
des  Körpers  von  Seite  der  Dermatopliyten  beobachtet  worden, 
oder  theoretisch  anzunehmen. 

Ausbreitung  und  Verlauf  der  Dermatomycosen  be- 
grenzen und  beschränken  sich  mit  der  Pilzvegetation.  Die 
meisten  Formen  verlaufen  chronisch.  Ihre  Prognose  ist 
durchweg  günstig,  da  wir  jederzeit  in  der  Lage  sind  sie  durch 
eine  Therapie  zu  beseitigen,  welche  die  Pilzvegetation  ver- 
nichtet und  in  Anbetracht  des  bei  allen  Formen  gleichen 
anatomischen  Sitzes  des  Dermatophyten  auch  bei  allen  prin- 
cipiell  gleich  ist. 

Allgemeine  Ursachen  für  die  Entstehung  von  Der- 
matomycosen bilden  erfahrungsgemäss  solche  äussere  Verhält- 
nisse, welche  dem  Gedeihen  von  Schimmelpilzen  günstig  sind; 
nebstdem  die  schon  im  Parasitismus  ausgedrückte  Contagio- 
sität,  welche  für  die  meisten  Dermatomycosen  überdies 
klinisch  und  experimentell  erwiesen  ist,  und  endlich  eine  ge- 
wisse individuelle  Disposition  des  Hautorganes,  welche 
nicht  für  die  experimentelle,  wohl  aber  für  die  gelegentliche 
Haftung  der  Dermatophyten  Greltung  zu  haben  scheint. 

Die  Diagnose  der  Dermatomycosen  stützt  sich  zunächst 
auf  die  Erkenntniss  der  prägnanten  klinischen  Symptome. 
Wissenschaftlich,  und  in  gewissen  Stadien  der  Krankheit  auch 
praktisch,  ist  der  mikroskopische  Nachweis  des  Pilzes  noth- 
wendig.  Der  Letztere  kann  von  den  Favus  -  Scutulis  ohneweiters 
entnommen  und  unter  dem  Mikroskope  erkannt  werden.  In 
den  Haaren  und  Epidermisschichten  wird  der  Pilz  unter  dem 
Mikroskope  erst  sichtbar,  nachdem  jene  zerzupft,  oder  durch 
Kalilösung  (1  :  30)  aufgelöst  worden. 


Indem  ich  von  allen  Krankheitsprocessen  absehe,  bei 
welchen  zwar  Pilze  behauptet  (wie  bei  Alopecia  areata  erst 
jüngst  von  Eichhorst  und  bei  Psoriasis  von  Lang),  aber  nicht 
bestätigt,  oder  zweifellos  gesehen  worden  sind  (Impetigo  con- 
tagiosa) ,  aber  eine  ätiologische  Beziehung  zwischen  Pilz  und 
Dermatose  nicht  erwiesen  ist,  bleiben  als  zweifellos  durch  einen 
parasitischen  Pilz  veranlasste  und  klinisch  wohl  charaktensirte 


Favus. 


721 


Hautkrankheiten ,  wahre 

Dermatomycosen, 

anzuführen:  1.  Favus,  mit  dem  Pilze  Achorion  Schönleinii. 
2."  Herpes  tonsurans,  mit  dem  Pilze  Trichophyton 
tonsurans  Malmsten,  zu  welchem  noch  als  specielle  Formen 
Onychomycosis,  Sycosis  parasitaria  und  Eczema 
marginatvim  gehören.  3.  Pityriasis  versicolor,  mit 
dem  Pilze  Microsporon  für  für,  Eichstedt. 

Favus, 

Tinea  favosa  (Teigne  faveuse) ,  Porrigo  lupinosa  s.  favosa, 
ist  eine  von  Alters  her  und  auch  im  Volke  als  ansteckend 
geltende  Krankheit  (daher  „Erbgrind"),  welche  zumeist  auf 
dem  behaarten  Kopfe,  seltener  an  nicht  behaarten  Körperstellen 
und  in  der  Nagelsubstanz  sich  localisirt  und  an  den  erstge- 
nannten Oertlichkeiten  vorzüglich  durch  die  Bildung  linsen- 
bis  pf enniggrosser,  schwefelgelber,  gedellter  iind 
von  einem  Haare  durchbohrter  Scheiben,  der  soge- 
nannten FaviTS-Scutula,  sich  charakterisirt ,  mit  deren 
Eigenschaften  wir  uns  zunächst  bekannt  machen  müssen. 

Bei  Favus  des  behaarten  Kopfes  kann  man  die 
Bildung  des  F  a  v  u  s  -  S  c  u  t  u  1  u  m  s  sehr  gut  studiren.  Es  entsteht 
als  ein  gelbes  Pünktchen  unter  der  Epidermis  und  ringsum 
ein  austretendes  Haar,  wächst  binnen  einigen  Wochen  zu  Linsen- 
grösse  heran  und  erscheint  nun  als  schwefelgelbe,  durch  die 
Oberhaut  durchscheinende,  gedellte  und  von  einem  Haare  durch- 
bohrte Scheibe.    Stösst  man  mittelst  eines  stumpfen  Instru- 
mentes ihre  Epidermisdecke  an  der  Peripherie  der  Scheibe  ein, 
so  kann  man  das  Favusindividuum ,   den  Favuskörper ,  als 
Ganzes  aufklappen  und,  wenn  ringsum  abgelöst,  längs  des  es 
durchbohrenden  Haares  abziehen.  Dasselbe  erscheint  als  ein  halb- 
kugeliger, schwefelgelber  Körper,  dessen  obere,  in  der  Mitte 
gedellte  Fläche  mit  einer  Epidermisdecke  innig  verfilzt,  dessen 
untere,  halbkugelige  Fläche  glatt,  feucht,  epidermislos  ist  und 
dessen  Masse  unter  dem  Finger  leicht  zerbröckelt  werden  kann. 
An   der  Stelle  des  ausgehobenen  Favuskörpers  bleibt  ein© 
muldenförmige  Vertiefung  mit  rother,  nässender  Basis  zurück,, 
welche  nach  wenigen  Minuten  durch  Aufquellen  der  von  dem 
Druck  befreiten  Epidermisschichten  sich  ausgleicht. 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  46 


<Y22  Seclisundvicrzigste  Vorlesung. 

Die  scutulöse,  oder  urceoläre  Form  bildet  zugleich 
die  Primärform  des  Favus.  In  jeder  HaarfoUikelmündung  be- 
findet sicli  ein  trichterförmiger  Raum  präformirt,  indem  die 
obersten  Eindermislagen  horizontal  an  das  austretende  Haar 
sich  fügen,  während  die  tieferen  Epidermisschichten  nach  der 
Tiefe  des  Follikels  abbiegen.    In  diesem  Räume  sammeln  sich 
am  leichtesten  Exsudate,  und  eben  da  ist  es,  wo  die  zufällig, 
oder  durch  Impfung  eingepflanzten,  oder  aus  der  Follikeltiefe 
herauswuchernden  Pilze  zu  compacten  Körpern  heranwuchern. 
Da  die  obere  Epidermislage  an  die  Cuticula  des  Haares  fest- 
geheftet ist,  kann  sie  nächst  diesem  nicht  durch  die  Pilzmasse 
vorgewölbt  werden,  daher  bleibt  diese  hier  flach,  oder  gedeUt. 
Nach  der  Tiefe,   der  Richtung  der  weichen,  comprimirbaren 
Retezellen  jedoch  vermag  die  Pilzwucherung  sich  auszudehnen 
und  gestaltet  sich  daher  der  Favuskörper  halbkugelig. 

So  zwischen  die  Epidermisschichten  eingekapselt  können 
die  einzelnen  Favus  -  Scutula  lange  Zeit  liegen  bleiben ,  ohne 
durch  Kratzen,  Kämmen  u.  s.  w.  abgelöst  zu  werden.  Mehrere 
nachbarliche  Favus-Scutula  können  bei  ihrem  fortschreitenden 
Wachsthum  aneinanderrücken,^  ohne  noch  ihren  Einzeltypus 
einzubüssen.  Nach  längerer  Dauer  werden  steUenweise  die 
Epidermisdecken  theils  durch  das  Wachsthum  der  Favusmassen, 
iheils  spontan  durchbrochen,  oder  abgelöst  und  die  Favus- 
massen treten  frei  zu  Tage,  trocknen  ein,  verHeren  ihre  ge- 
sättigte, schwefelgelbe  Farbe  und  erscheinen  dann  als  gelbHch- 
weisse,  oder  mörtelartige,  ziemlich  harte,  trockene,  unregel- 
mässig höckerige,  bisweilen  bis  centimeterdicke  Auflagerungen — 
Favus  suberinus,  turriformis. 

Neben  den  charakteristischen  Erscheinungen  der  in  Scutulis 
oder  frei  zu  Tage  liegenden  Favusmassen  ist  als  Symptom 
der  Krankheit  noch  hervorzuheben,  dass  in  ihrem  Bereiche  die 
Haare  glanzlos,  wie  bestäubt  erscheinen,  leicht  ausziehbar  sind 
und  der  Favusherd  nach  Schimmel  riecht. 

Im  weiteren  Verlaufe  kommt  eszu  consecutivenVer- 
änderungen,  welche  zunächst  daher  rühren,  dass  die  Elemente 
des  Favuspilzes  von  dem  geschilderten  Follicularnest  aus  auch 
zwischen  die  Zellen  der  Haarwurzelscheiden  bis  an  den  Grund 
des  Follikels  hineinwuchern,  von  da  in  die  Haarzwiebel  und  in 
den  Haarschaft  selbst  verschieden  hoch  hinaufdringen,  und 
auch  seitlich  von  den  Wurzelscheiden  aus  in  den  Haarschaft 


Favus.  723 

gelangen  (Fig.  44).  Die  hier  wuchernden  Pilze  verursaclien  in 
der  ersten  Zeit  Lockerung,  später  Ausfallen  der  Haare  und 
endlich  Atrophie  der  Haarpapillen ,  womit  eine  Verödung  der 
letzteren,  somit  örtlich  bleibender  Haarverlust  verbunden  ist. 

Fig.  44. 


Favus. 

u  Haarzwiebel  und  Haarschaft,  b  Haarwiirzel«cheiden,  durohgehends  von  Myoelien  und 

(jonidien  durchsetzt. 

Dazu  kommt,  dass  die  zwischen  den  Epidermiskapseln  einge- 
lagerten Favus-Scutula  Monate  und  Jahre  hindurch  einen  Druck 
auf  die  unterliegenden   Papillen   ausüben  und   somit  deren 

46* 


724 


Sechsundvierzigste  Vorlesung. 


Schwund  bewirken.  So  acquirirt  die  Haut  ein  narbig  atro- 
pbisches,  glänzendes,  follikel-  und  haarloses,  kahles  An- 
sehen, wobei  höchstens  einzelne  von  der  Affection  nicht  direct 
betroffene  Follikel  und  Haare  zurückbleiben.  Von  Einzelnen 
wird  sogar  Schwund  der  Schädelknochen  in  Folge  des  Druckes 
von  Seite  der  Pilzmassen  angegeben. 

Eigentliche  sogenannte  Favusgeschwüre  gibt  es  nicht. 
Dagegen  können  zweifellos  complicative  Entzündungen,  Eczem, 
Drüsenschwellung,  drüsige  Excrescenzen ,  wie  bei  Eczem  des 
behaarten  Kopfes  vorkommen. 

Favus  findet  sich  auf  dem  behaarten  Kopfe  in  Form 
einer,  oder  einzelner  kleinerer  ausgedehnter  Inseln  vor,  Favus 
discretus,  unter  Umständen  auch  beinahe  über  den  ganzen 
Kopf,  F.  confertus,  aber  fast  niemals  in  gleichmässiger 
Verbreitung  vor. 

Derselbe  hat  einen  überaus  chronischen  Verlauf, 
der  sich  auf  20 — 30  Jahre  erstrecken  kann. 

Derselbe  kann  auch  spontan  heilen,  indem  er  an  narbigen, 
von  Verödung  der  Follikeln  betroffenen  Hautstellen  eo  ipso 
sein  Ende  erreicht,  weil  der  Pilz  zu  seiner  Haftung  das  Follikel- 
nest  braucht. 

An  nicht  behaarten  Körperstellen,  Stamm-  und 
Extremitäten  und  im  Gesicht  findet  sich  Favus  seltener,  bis- 
weilen in  acute  r  Entwicklung.  Er  bildet  auch  da  schöne  dis- 
crete  Scutula,  oder  massige,  schwefelgelbe  Auflagerungen,  die 
in  Haufen,  manchmal  in  Kreisform  angeordnet  sind.  Er  heilt 
aber  hier  gewöhnlich  nach  Wochen  und  Monaten  spontan,  in- 
dem die  Scutula  ausfallen,  weil  die  Follikel  der  Lanugohaare 
sehr  seicht  sind  und  demnach  auch  nirgends  Pilzelemente  in 
einer  erbeblichen  Tiefe  zurückbleiben  können. 

Ausnahmsweise  soll,  wie  Michel  berichtet,  Favus  des 
Stammes  und  der  Extremitäten  mehr  als  20  Jahre  bestanden 
haben.  Derselbe  hinterlässt.  auch  hier  häufig  atrophische 
Grübchen. 

Sowohl  bei  seiner  Localisation  am  behaarten  Kopfe,  wie 
am  Stamme  und  den  Extremitäten  combinirt  sich  Favus  zu- 
weilen mit  rothen,  schuppenden,  dem  Herpes  tonsurans  ähn- 
lichen Kreisen,  in  der  Art,  dass  Scutula  entweder  im  Be- 
grenzungssaum der  Herpesk reise  eingeschaltet,  oder  in  deren 
Centrum  gestellt,  oder  mit  denselben  lintermischt  sind.  Dieses 


Favus.  725 

Vorkommniss ,  welches  bei  zufälliger  Ansteckung,  oder  nach. 
Application  von  feuchtwarmen  Umschlägen  auf  die  Haut,  so- 
wie bei  künstlicher  Ueberimpfung  (Köbner,  Pick,  Peyritsch) 
beobachtet  werden  kann,  war  es  eben,  welches  Hebra  zu  der 
Meinung  veranlasst  hat,  dass  Favus  und  Herpes  tonsurans 
untereinander  wesentlich  identisch  und  beide  von  den  bekannten 
.  Schimmelpilzen  herrührten ,  während  Köbner  diese  Kreise  als 
„herpetisches  Vorstadium"  des  Favus  bezeichnet  hat.  In  den 
Epidermisschuppen  derselben  finden  sich  ebenfalls  Pilze. 

Favus  des  Nagels  —  Onychmycosis  favosa  — 
erscheint  in  Form  von  begrenzten,  schwefelgelben,  oder  gelb- 
weissen  Einlagerungen  in  die  Nagelsubstanz ,  ein  anderes 
Mal  als  gleichmässige  Verdickung,  käsige  Degeneration  und 
Auflockerung  des  Nagels.  Die  Afiection  betriflFt  einen  oder 
mehrere  Fingernägel  und  überdauert  oft  den  Favus  des  Kopfes. 
Im  Allgemeinen  ist  aber  Favus  des  Nagels  selten. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  des  Favus- 
Scutulums  lehrt,  wie  in  dem  Schnitte  nach  Bennett,  dass 
dasselbe  zu  oberst  von  einer  Schichte  verhornter  Epidermis- 
zeUen  begrenzt  wird.  Dieser  folgt  eine  schmale  Zone  einer 
feinkörnigen  Klebemasse,  wahrscheinlich  Epidermis-Detritus, 
welche  sich  zwischen  die  hier  beginnenden  Mycelfäden  noch 
weit  in  den  Körper  des  Favus  fortsetzt.  Die  Mycelfäden 
ziehen  concentrisch  und  parallel  gegen  die  Mitte  des  Favus- 
körpers,  in  deren  Nähe  sie  Gronidien  abschnüren,  so  dass  das 
Centrum  des  Favus  nur  aus  Gronidien  nebst  Körnchen  besteht. 

Die  einzelnen  Elemente  des  Favuskörpers  lassen  sich 
ohne  weitere  Präparation,  indem  man  ein  Bröckelchen  desselben 
mit  einem  Tropfen  Wasser  gemengt  auf  den  Objectträger  bringt, 
unter  dem  Mikroskope  studiren  (Fig.  45).  Sie  zeichnen  sich 
durch  grosse  Mannigfaltigkeit  aus,  was  auf  eine  üppige 
Vegetation  derselben  schliessen  lässt.  Man  sieht  feinste 
einfache,  grobe,  knorrige,  vielfach  septirte  oder  gegliederte 
und  verzweigte  Mycelfäden  mit  wandständigen  und  wechsel- 
ständigen Kernen  und  Gonidien  von  verschiedenster  Grrösse 
und  Form,  rundliche,  eckige,  ovale,  bisquitförmige,  gekämmerte, 
kernlose  und  kernhaltige.  Alle  diese  Elemente  gehören  dem 
von  Schönlein  1839  entdeckten  und  von  Eemak  Achorion 
Schönleinii  genannten  Pilze  an,  während  eine  von  Ardsten 


726 


Sechsundviei'zigste  Vorlesung. 


später  vorgefundene  Puccinia  sicli  als  zufälliges  Beimengsei 
ergeben  hat. 

Dieselben  Elemente,  nur  vorwiegend  Mycelien,  finden 
sicli  zwischen  den  Epidermiszellen  der  Haarwurzel  scheiden, 
der  Haarzwiebel  und  der  ßindensubstanz  des  Haares  (Fig.  44). 
Doch  scheinen  sie  in  diesem  (bei  Favus)  nicht  sehr  hoch 
hinaufzureichen. 

Fig.  45. 


Pilzelemente  ans  dem  unteren  Tlieile  eines  Favuskörpers.  Fäden  und  Gouidien 
von  verscMedenstem  Kaliber  und  maunigfaclister  Form.    Eeclits  ein  Hauten 

Epidermiszellen. 

Seit  der  ersten  genaueren  Beschreibimg  des  Achorion 
durch  G-euby(1841)  haben  sich  Viele  damit  beschäftigt,  dessen 
Naturgeschichte  klarzulegen,  was,  wie  schon  erwähnt  worden, 
bisher  auf  directem  Wege,  durch  Culturen  des  Favuspilzes, 
nicht  gelungen  ist.  Der  indirecte  Weg,  durch  Aussaat  von 
Schimmelpilzen  auf  die  Haut,  Favus  zu  erzielen  (Pick,-  Zürn 
auf  Kaninchen),  hat  auch  nicht  zur  Entscheidung  geführt. 
Wohl  aber  ist  der  directe  Nachweis  der  Uebertragbarkeit  des 
Favuspilzes,  und  in  Einem  der  Favuskrankheit,  seit  dem  ersten 
bezüglichen  Experimente  von  Eemak  (1842)  wiederholt  geliefert 
worden  durch  Bennett,  Bazin,  G-udden,  Hebra,  Köbner,  Pick, 
Peyritsch  u.  V.  A.,  u.  z.  durch  wechselweise  Uebertragungen 
zwischen  Menschen,  von  diesen  auf  Tiiiere  und  umgekehrt. 

Demnach  ist  es  zweifeUos,  dass  die  Ursache  des  Favus 
durch  dessen  Pilz  gegeben  ist,  neben  welchem  andere  Verhält- 
nisse mir  die  Rolle  von  gelegentlichen  ätiologischen  Momenten 
spielen. 


Favus. 


727 


Das  jugendliche  Alter  sclieint  für  Favus  zumeist,  dis- 
ponirt,  und  findet  sicli  derselbe  bei  20 — 30jährigen  Personen 
regelmässig  von  der  Kindheit  her. 

Bei  uns  findet  sich  die  Krankheit  im  Allgemeinen  ziemlich 
selten,  häufig  in  den  pobiischen  Landen,  und  in  Frankreich, 
um  Herault  herum  soll  noch  im  Jahre  1864  Favus  derart 
verbreitet  gewesen  sein,  dass  20  Favi  auf  1000  Individuen 
kamen,  während  bei  uns  kaum  2  pro  mille  Hatitkranker  zu 
zählen  sind. 

Am  häufigsten  mag  die  Erkrankung  durch  directe  Con- 
tagion  von  einem  Individuum  auf  das  andere  entstehen. 
Es  ist  dabei  nothwendig,  wie  die  Experimente  gelehrt  haben, 
dass  der  Pilz  auf  eine  macerirte  Epidermislage,  oder  vielleicht 
gar  in  eine  Haartasche  gelange.  Demnächst  kann  die  An- 
steckung auch  von  Thieren  auf  den  Menschen  stattfinden,  da 
an  Maus,  Kaninchen,  Hund,  Haushuhn  und  der  Katze 
Favus  beobachtet  worden  und  die  Uebertragung  von  diesen 
auf  den  Menschen  und  zurück  zum  Theil  auch  experimentell 
dargethan  worden  ist.  Die  Quelle  für  jene  Favuserkran- 
kuno-en  welche  unter  Fomentationen,  oder  auch  ohne  solche, 
gleichsam  genuin  entstehen,  ist  bisher  nicht  nachgewiesen. 

Es  ist  merkwürdig,  dass  Favus  sich  im  Allgemeinen  als 
nicht  sehr  ansteckend  erweist,  trotzdem  die  Pilzelemente  in 
colossälen  Massen  bei  den  Kranken  frei  zu  Tage  liegen.  Nur 
so  erklärt  es  sich,  dass  bei  einem  Menschen  Jahre  hindurch 
die  Krankheit  auf  eine  kleine  Stelle  beschränkt  bleiben,  oder 
ein  Favuskranker  jahrelang  in  einer  Familie,  ein  Soldat  unter 
Kameraden  in  Kasernen  leben  kann,  ohne  auf  Andere  die 
Krankheit  zu  übertragen,  während  von  einer  anderen  Dermato- 
mycose,  Herpes  tonsurans,  gerade  die  rasche  Verbreitungs- 
möglichkeit bekannt  ist.  Es  mag  dies  in  den  besonderen 
Vegetationsbedingungen  des  Favuspilzes  gelegen  sein. 

Die  Diagnose  des  Favus  ist  leicht,  sobald  die  charak- 
teristischen Scutula  oder  schwefelgelben  Favusmassen  vorliegen, 
daneben  vielleicht  auch  das  glanzlose  Ansehen  der  Haare,  oder 
ausgedehnte  narbige  und  kahle  Hautstellen  das  Krankheitsbild 
ergänzen. 

Schwierig  wird  dagegen  das  Urtheil,  wenn,  wie  bei  altem 
Favus,  die  auflagernden  Massen  mörtel-  und  kreideartig^  be- 
schaffen und  mit  Schuppen  und  honigartigen  Borken  gemischt 


728 


Sechsundvierzigste  Vorlesung. 


sind.  Es  handelt  sicli  da  um  die  Differentialdiagnose  gegen 
Eczem,  Seborrhoe,  Psoriasis  und  Lupus  erythema- 
tosus. Es  müssen  eben  die  den  genannten  Processen  eigenthüm- 
lichen  Erscheinungen,  neben  den  Befunden  an  anderen  Körper- 
stellen, gegen  die  des  Favus  sorgfältig  abgewogen  werden.  Eine 
positive  Entscheidung  erzielt  man  in  zweifelhaften  Fällen  aber 
nur  durch  die  mikroskopische  Untersuchung,  durch  den 
Nachweis  von  Pilzen  in  der  Au.fiagerungsmasse,  wodaim  die 
Affection  sicher  Favus ,  oder  nur  in  den  Haaren  und 
Wurzelscheiden,  wodann  allerdings  auch  Herpes  tonsurans 
vorliegen  könnte.  Aber  ein  solcher  Irrthum  hätte  praktisch 
keine  Bedeutung. 

Die  Prognose  des  Favus  ist  günstig,  da  derselbe  auch 
bei  ungestörtem  Verlaufe  höchstens  örtliche  Grewebsänderungen, 
aber  keine  weiteren  Nachtheile  für  den  Organismus  mit  sich 
bringt,  und  in  den  späteren  Jahren  auch  spontan  erlischt. 

Die  Therapie  des  Kopf- Favus  unterliegt  grossen 
Schwierigkeiten  und  es  haben  von  jeher  „sachkundige"  Laien 
und  Aerzte  die  Kunst,  den  „Erbgrind"  zu  heilen,  als  eine  Art 
gewinnbringenden  Greheimnisses  geltend  gemacht,  wie  die  Brüder 
Mahon,  die  seinerzeit  das  Privileg  gewonnen  hatten,  die 
„Grindkranken"  aller  grossen  Spitäler  von  Paris  und  mehreren 
anderen  Städten  Frankreichs  nach  ihrer  „Methode"  behandeln 
zu  dürfen,  die  sie  „aus  Familienrücksichten"  nicht  „verrathen" 
zu  dürfen  angaben. 

Die  Ablösung  der  Favusmassen  gelingt  selbstverständlich 
jederzeit  mit  Leichtigkeit.  Allein  der  Favus  regenerirt  sich 
wieder,  wie  wir  heut'  zu  Tage  wissen,  weil  der  Pilz  aus  den 
Follikeln  emporwächst.  Allein  in  den  frühereu  Zeiten,  als 
man  von  diesem  Umstände  keine  Kenntniss  haben  konnte,  hat 
man  doch  beobachtet,  dass  da,  wo  die  Haare  spontan  verloren 
gegangen  waren,  der  Favus  auch  nicht  weiter  gedieh,  ja  von 
selbst  abfiel.  Da  lag  es  denn  nahe,  die  Haare  künstlich  aus- 
zulösen und  man  bediente  sich  zu  diesem  Zwecke  allenthalben, 
so  wie  heute  nur  noch  an  manchen  Orten,  der  sogenannten 
„Pechkappe"  („la  calotte").  Eine  Lederkappe  wurde  innen 
mit  Pech  belegt,  auf  den  Kopf  gedrückt  und  mit  einem  ge- 
schickten Ruck  umgestülpt.  Die  angeklebten  Haare  folgten, 
so  weit  sie  locker  waren,  dem  Zuge  —  freilich,  wie  voraus- 
zusetzen, nicht  alle ,  und  der  Erfolg  war  demnach  auch  kein  zu- 


Favus. 


729 


reichender.  Den  Brüdern  Mahon  gebülirt  das  Verdienst,  das  rohe 
Verfahren  mit  der  Pechkappe  als  unnöthig  erwiesen  zu  haben. 

Mit  der  genauen  Einsicht  in  das  "Wesen  des  Favus  ist 
auch  dessen  Therapie  einfacher  und  rationeller  geworden. 

Vor  Allem  haben  die  Favus  -  Scutula  und  Favusmassen 
abgelöst  zu  werden,  was  genau  so  geschieht,  wie  bei  Eczem- 
oder  Psoriasismassen.  Man  erweicht  dieselben  durch  genügend 
reiche  Mengen  von  Oel,  Leberthran  mit  oder  ohne  Zuthat, 
von  Perubalsam,  Glycerin,  Carbolsäure  etc.,  hebt  sie  mechanisch 
mit  dem  Finger ,  oder  Spatel  ab ,  und  wäscht  nun  den  Rest 
mittelst  Seifengeist  vollständig  weg.  Binnen  12 — 24  Stunden 
ist  diese  Arbeit  gethan.  Wollte  man  jetzt  den  Fall  sich  selbst 
überlassen,  so  würden  nach  wenigen  Tagen  feine  Schüppchen, 
wie  bei  Eczema  squamosum,  nach  14  Tagen  bis  3  Wochen 
sicher  da  und  dort  um  je  ein  Haar  Favus-Scutula  erscheinen, 
als  Propagationsproducte  der  in  vielen  Follikeln,  ihrer  Wurzel- 
scheide und  Haare,  zurückgebliebenen  Pilze. 

Die  zweite  Aufgabe  der  Behandlung  besteht  demnach 
darin,  sowohl  die  von  den  Pilzen  durchsetzten  Haare  selbst 
zu  entfernen ,  als  auch  die  in  den  zurückgebliebenen  Haar- 
wurzelscheiden innerhalb  der  Follikel  befindlichen  Pilzelemente 
durch  irgend  welche  Mittel  zu  tödten.  Diese  Aiifgabe  ist  nun 
allerdings  nicht  leicht  zu  erfüllen  und  erheischt  unter  allen 
Umständen  viel  Sorgfalt  und  sehr  viel  Zeit.  Nachdem  die 
Pechkappe  ausser  Gebrauch  gekommen,  hat  man  vorgeschlagen, 
durch  Einreibung  von  Crbtonöl,  Terpentin,  Creosot,  ätherischen 
Oelen  vi.  A.  Entzündung  der  Kopfhaut  zu  bewirken,  indem  man 
sich  vorstellte,  dass  dabei  Exsudation  und  Eiterung  in  die 
Follikel  stattfinden  und  dadurch  die  pilzhältigen  Wurzel- 
scheiden und  Haare  ausgestossen  würden.  Allein  dieser  Efi'ect 
trifft  einmal  gesunde  und  kranke  Haarfollikel  zugleich,  und 
überhaupt  nicht  alle  kranken  Follikel,  macht  demnach  die 
nachträgliche  Behandlung  der  von  der  Entzündung  verschonten 
Stellen  nicht  überflüssig  und  gewährt  weder  eine  Sicherheit, 
noch  eine  Abkürzung  der  Behandlung,  abgesehen  von  der 
Schmerzhaftigkeit  und  möglichen  Gefährlichkeit  derartig  er- 
zeugter Entzündungen  der  Galea. 

Darum  ist  einzig  nur  die  regelrechte  Epilation  ra- 
tionell. Nach  der  Methode  von  Bazin  wird  dies  von  geschulten 
Wärtern  besorgt ,  indem  sie  in  mehreren  Sitzungen  alle  im 


730 


Seclisundvierzigste  Vorlesung. 


Bereiche  der  Krankheit  gelegenen  gesunden  und  kranken  Haare, 
nachdem  diese  kurz  geschoren,  unterschiedslos  mittelst  Pincette 
ausziehen.  Es  zeigt  sich,  dass  nach  dieser  mühsamen  und  für 
den  Kranken  quälenden  Methode  dennoch  die  Behandlung  lange 
dauert,   weil  immerhin  Waschungen  und  nachträgliche  Epi- 
lationen nothwendig  sind.  Darum  verfahren  wir  viel  einfacher. 
Wir  epiliren  bei  Favus  täglich,  indem  wir  die  nicht  kurz  ge- 
schnittenen Haare  zwischen  ein  in  der  Hand  gehaltenes  stumpfes 
Zungenspatel  und  dem  Daumen  gefasst  durchziehen.  Bei  diesem 
leichten  Zuge  gehen  die  kranken,  also  aufgelockerten  Haare 
heraus,  während  die  gesunden  Haare  sitzen  bleiben.    Dies  ist 
für   die  Kranken  gar  nicht  schmerzhaft.    Nebstdem  werden 
täglich  Waschungen  mit  Spirutus  saponatus  kalinus ,  Douchen 
vorgenommen  tind  nach  Abtrocknen  der  Kopfhaut  theils  alko- 
holische, theils  ätherische,  oder  balsamische,  oder  Theeröle 
eingepinselt,  von  welchen  wir  wissen,  dass  sie  Pilze  zu  tödten 
und  vermöge  ihrer  Dünnflüssigkeit  in  die  von  ihrem  Haare 
befreiten  klaffenden   Follikel    einzudringen   vermögen.  Wir 
wenden  also  an :  Tinctura  rusci,  Acidum  carbolicum,  salicylicum, 
Creosot,   Benzin  zu  1  :  ad  150  Alcohol,    Petroleum,  peru- 
vianischen  Balsam,  Chloroform,  Aether,   Sublimat  0-5  :  100 
Alcohol,  oder  Wasser,  Oleum  caryophylorum ,  Macis  u.  s.  f., 
oder  Salben  mit  weissem  Präcipitat,  Theer,  Carbolsäure,  Salicyl- 
säure  gemischt,  oder  Schwefel-Alcohol-Theerpasten. 

Diese  drei  Verfahrungs weisen,  Seifenwaschung,  Epilation 
und  Applikation  eines  der  genannten  Parasiticidia ,  letztere 
in  verschiedener  Abwechslung,  wird  nun  tagtäglich  in  gleicher 
Weise  geübt. 

In  den  epilirten  Follikeln  wachsen  die  Haare  sehr  rasch 
nach,  da  die  Papillen  nur  an  narbigen  SteUen  zu  Grunde  ge- 
gangen sind.  Bemerkt  man  nun  nach  sechswöchentlicher,  zwei- 
bis  dreimonatlicher  Behandlung,  dass  die  Haare  alle  festsitzen, 
dann  wird  die  Kopfhaut  vollständig  sich  selbst  überlassen, 
auch  nicht  einmal  gewaschen ,  weil  man  sich  nun  überzeugen 
muss  ob  thatsächlich  der  Favus  bereits  geheüt  ist.  Wären 
noch  Reste  der  Püze  in  einzelnen  FoUikeln  zurückgeblieben, 
so  würden  sich  nun  binnen  14  Tagen  bis  3  Wochen  _  neue 
Scutula  zeigen.  Diese  können  dann  direct  etwas  energischer 
behandelt  werden,  indem  man  die  ihnen  entsprechenden  Haare 
mit  der  Pincette  auszieht  und  örtlich  Parasiticidia,  Schweiei- 


Favus. 


731 


pasten,  Theer  ii.  s.  w.  einpinselt.  Hiezu  sind  wieder  zwei  bis 
mehrere  Wochen  erforderlich  und  so  wird  unter  allen  Um- 
ständen die  Behandlung  des  Favus  am  hehaarten  Kopfe  mehrere 
Monate  in  Anspruch  nehmen. 

Favus  an  nicht  behaarten  K  ö  rp  er  stell  en  kann 
durch  einmalige  gehörige  Erweichung  mittelst  Oel  und  Seifen- 
waschung complet  entfernt  werden. 

Favus  derNägel  kann  entweder  ausgeschnitten  werden, 
wenn  der  Favus  circiimscript  sitzt,  oder  bei  diffuser  Trübung 
des  Nagels  durch  Application  von  Emplastrum  hydrargyri, 
Sublimatwasser  (1  :  100  Alcohol)  und  Beschneiden  des  Nagels 
vom  Rande  her  allmählich  beseitigt  werden. 


Siebenundvierzigste  Yoiiesung. 

Herpes  tonsurans.    —    Formen;    H.    tons.    Capillitii,  vesieulosus, 
squamosus,  maculosus.  Ony  e  ho  my  e  o  s  i  s  —  Sycosis  parasitaria 
—  Eczema  marginatum;  —  Pityriasis  versicolor. 

Herpes  tonsurans, 

sclieereiide  Flechte  (common) ,  ßingworm  d.  Engl.,  er- 
sciieint  je  nacL.  Standort  und  Entwicklungsgrad  unter  ver- 
schiedenen  Formen,  die  nicht  immer  als  zusammengehörig 
erkannt  worden  sind  und  daher  zu  eben  so  vielen  Bezeichnungs- 
weisen Veranlassung  gegeben  haben.  Li  der  am  längsten 
bekannten  Localisation  am  behaarten  Kopfe  ist  die  Affec- 
tion  von  Willan  Porrigo  scutulata,  von  Mahon  (1829) 
Tinea  tondens  genannt  worden.  Als  Cazenave  (1840)  die 
Bläschenbildung  bei  dem  Processe  erkannte  und  daher  den 
auch  von  Hebra  später  acceptirten  Namen  H.erpestonsurans 
für  den  Process  vorschlug,  ward  es  in  Einem  klar,  dass  auch 
Bateman's  „Herpes  circinatus"  mit  demselben  identisch  sei. 
Mit  der  Entdeckung  des  Trichophyton  tonsurans  genannten 
Pilzes  in  den  Haaren  der  Tinea  durch  Gbxtby  und  Malmstex 
(1844)  schien  der  Name  Trichomyces  tonsurans  (Malmsten) 
gerechtfertigt. 

Zu  den  schon  früher  beschriebenen  Formen  der  Krankheit 
(Schuppen  und  Bläschen)  hat  Hebra  (1854)  eine  neue, 
als  maculöse,  zugefügt  und  sind  nach  späteren  Ergebnissen 
noch  Eczema  marginatum,  Hebra,  und  Sycosis  para- 
sitaria, Bazin,  zu  zählen.  Dass  all'  die  aufgezählten  Formen 
nur  durch  Standort  und  Complicationen  bewirkte  Varietäten 
ein  und  desselben  und  durch  den  identischen  Pilz  verursachten 
Krankheitsprocesses,  und  allesammt  wesentlich  Herpes  tonsurans 


Herpes  tonsurans. 


733 


vorstellen,  geht  aus  der  Nosologie  und  Symptomatologie 
des  letzteren  hervor. 

Vor  Allem  ist  der  Unterschied  in  den  Symptomen  in's 
Auge  zn  fassen  zwischen  dem  am  behaarten  Kopfe  und 
dem  an  nicht  behaarten  Körperstellen  localisirten  Herpes 
tonsurans,  eine  Diiferenz,  welche  hauptsächlich  darin  begründet 
ist,  dass  an  ersterer  Oertlichkeit  das  Trichophyton  in  die 
tiefen  Haarfollikel  hinein  wuchern  kann. 

H.  tonsurans  capillitii  bildet  pfennig-  bis  thaler- 
grosse,  kahle  Scheiben,  die  sich  wie  schlechte  Tonsuren  dar- 
stellen, als  wenn  daselbst  die  Haare  hart  an  ihrem  Austritte 
in  ungeschickter  Weise  abgeschnitten  worden  wären,  indem 
kürzere  oder  längere  Haarstümpfe  zu  Tage  liegen.  Die  Haare 
sind  eben  abgebrochen.  Auch  etwa  vorhandene  längere  Haare 
brechen  bei  dem  Versuche  sie  auszuziehen  über  ihrer  Austritts- 
stelle ab.  Der  Haarboden  erscheint  daselbst  mässig  geschwollen, 
glatt,  oder  zumeist  mit  weissen,  oder  schmiitziggelben  Schüppchen 
bedeckt,  zuweilen  am  Rande  der  Scheibe  etwas  geröthet,  sehr 
selten  mit  kleinen  Bläschen  (daher  „Herpes" ,  Cazenave), 
häufiger  mit  gummiartigen  Börkchen  bedeckt.  Solcher  Scheiben 
finden  sich  eine  oder  mehrere  in  verschiedener  Grösse  und  an 
unterschiedlichen  Stellen  des  Kopfes.  Sie  breiten  sich  im 
Verlaufe  von  Wochen  und  Monaten  bis  zu  einem  gewissen 
Umfange  aus.  Nach  vielen  Monaten,  1 — 2 — 3  Jahren,  kann 
der  Process  örtlich  erlöschen,  indem  der  nachwachsenden  und 
festsitzenden  Haare  immer  mehr  werden  und  endlich  der 
Haarwuchs  wieder  gleichmässig  und  dauernd  ist.  Ausgebreitete 
narbige  Kahlheit  bleibt  nicht  zurück,  wenn  auch  zweifellos  hie 
und  da  ein  Haarfollikel  verödet. 

Ein  anderes  Mal  kann  sich  der  Process  durch  Ausbreitung 
und  Confluenz  der  Krankheitsherde  über  das  ganze  Capillitium 
ausdehnen.  Der  behaarte  Kopf  erscheint  sodann  in  seiner 
Totalität  mit  weissen,  trockenen  Epidermisschuppen  in  dichter 
Lage  bedeckt.  Das  Krankheitsbild  sieht  aus,  wie  bei  Eczema 
squamosum,  Pityriasis  capillitii  seborrhoica,  Psoriasis  capillitii, 
oder  wie  nach  abgeputztem  Favus,  kurz  bietet  nichts  Charak- 
teristisches dar.  Beim  genauen  Ziisehen  allerdings  wird  man 
da  und  dort  etwas  schärfer  markirte  Herde  sehen,  innerhalb 
welcher  die  Haare  kurz  abgebrochen  erscheinen,  oder  man 
wird  auf  die  Natur  des  Processes  durch  die  Anwesenheit  eines 


734 


Siebenundvierzigste  Vorlesung. 


rotlien  schuppenden  Kreises  aufmerksam,  welcher  auf  die  nicht 
behaarte  Nachbarschaft  der  Stirne,  des  Nackens  übergreift. 
Ob  auf  einzelne  Stellen  beschränkt,  oder  allgemein  ausgebreitet, 
immer  kann  Herpes  tonsurans  mehrere  Jahre  dauern.  Mit 
Ausnahme  von  massigem  Jucken  macht  das  Uebel  keine 
subjectiven  Beschwerden.  Der  Ausgang  ist  immer  Heilung, 
wenn  auch  nach  vielen  Jahren  und  mit  Hinterlassung  von  spär- 
lichen kahlen  Punkten  und  kleinen  Flecken. 

An  nicht  behaarten  Körp  erstellen,  am  Stamm, 
an  den  Extremitäten  und  im  Gesichte  erscheint  Herpes  ton- 
surans entweder  in  deutlicher  Bläschenform,  H.  tonsurans 
vesiculosus,  oder  in  Form  von  rothen,  schuppenden  Flecken, 
Scheiben  und  Kreisen,  H.  tonsurans  maculosus  et  squa- 
mosus. 

H.  tonsurans  vesiculosus  stellt  die  von  Bateman 
als  H.  cir  ein atus  bezeichnete  Form  dar,  bei  welcher  pfennig- 
bis  thalergrosse,  aus  einzelnen  Bläschen  sich  zusammensetzende 
Kreise  gebildet  sind.  Sie  entwickeln  sich  von  einzelnen  Centren 
aus,   indem  die  ursprünglichen,  mittelständigen  Bläschen  zu 
Schüppchen  einsinken  und  peripher  fortschreitend  neue  Bläs- 
chen auf  rothem  Grunde  aufschiessen ,   die  dann  kranzförmig 
eine  rothe,  schuppende,  oder  central  erblasste  Area  umschliessen. 
Massiges  Brennen  und  Jucken  begleitet  die  Eruption.  Sie 
finden  sich  vereinzelt,  oder  zu  mehreren  im  Gesichte,  auf  dem 
Handrücken,  am  Nacken,  Stamme  und  nur  selten  an  den 
Unterextremitäten  u.  s.  f.  In  selteneren  Fällen  begegnet  man 
einer  solchen  Eruption  von  Bläschenkreisen  über  den  ganzen 
Stamm  und  einen  grossen  Theil  der  Extremitäten,  des  Gesichtes 
und  Halses  verbreitet,   wobei  die  Bläschen  von  der  Grösse 
eines  Miliums  bis  zu  der  eines  Stecknadelkopfes  und  darüber 
variiren.    Die  Form  erscheint  immer  acut  und  zuweilen  mit 
Fiebersymptomen ,   erheblicher  Entzündung,   Schwellung  der 
Haut    und    mächtiger  Krustenbildung    an   Stelle    der  ver- 
trocknenden Bläschen.  Durchwegs  läuft  aber  der  Process  acut 
bei  einzelnen  Kreisen  binnen  3—4  Wochen,  bei  allgemeiner 
Ausbreitung  binnen  6  Wochen  bis  3  Monaten  ab,  indem  die 
Bläscheneruption  sistirt,  die  Krusten  abfallen  und  die  Haut 
anfengs  roth,  später  pigmentirt  und  allmählich  normal  wird. 

H.  tonsurans  maculosus  et  squamosus  erscheint 
entweder  in  Form  von  einzelnen  pfennig-  bis  thalergrossen, 


Herpes  tonsurans. 


735 


vothen,  unter  Druck  erblassenden,  im  Sinne  ihrer  Entwick- 
lung vom  Centrum  nach  der  Peripherie  schuppenden  und 
schwindenden  Kreisen,  deren  häufigster  Standort  die  Nacken- 
Haargrenze,  Gresicht,  die  Kopf-  und  Halsregion,  aber  auch 
sonst  jede  Hautstelle  sein  mag.  Oder  H.  tons.  maculosus 
präsentirt  sich,  wie  bei  uns  sehr  häufig,  in  Form  einer 
allgemeinen  acuten  Eruption  des  Stammes  und  der 
Extremitäten. 

Es  erscheinen  vorwiegend  auf  dem  Rücken,  der  Brust, 
dem  Unterleib,  der  seitlichen  Thoraxgegend,  am  Hals  und  an 
der  Innenfläche  der  Ober-  und  Unterextremitäten  stecknadel- 
kopfgrosse, rothe,  flacherhabene  Knötchen  oder  Flecke,  welche 
binnen  1 — 2  Tagen  zu  linsen-  und  pfenniggrossen ,  rothen, 
rundlichen  und  ovalen  Flecken  heranwachsen.  Schon  nach 
wenigen  Stunden  blättert  das  Centrum  der  kleinsten  Knötchen 
und  Flecke ,  und  in  dem  Verhältnisse  als  die  Rothe  peripher 
sich  ausbreitet,  schreitet  auch  die  Zerklüftung  der  Epidermis 
vom  Centrum  nach  der  Peripherie  vor.  Indem  gleichzeitig 
die  Haut  in  der  Mitte  abblasst,  entstehen  binnen  1 — 2  "Wochen 
fingernagelgrosse,  meist  ovale,  endlich  kreuzer-  bis  thalergrosse, 
central  blasse  und  glatte,  nach  aussen  dünnschuppige  und 
peripherst  roth  begrenzte  Kreise.  Mit  der  Erreichung  eines 
kreuzer-  bis  thalergrossen  Umfanges  blassen  endlich  alle  Flecke 
ab  und  kehrt  nach  Ablösung  der  aufgelockerten  Epidermis 
jede  einzelne  Stelle  zur  normalen  Färbung  und  G-lätte  zurück. 
Darüber  vergeht  ein  Zeitraum  von  3 — 6  Monaten.  Massiges, 
bisweilen  ziemlich  heftiges  Jucken  begleitet  diese  Krankheits- 
form. Häufig  bleibt  jedoch  an  einer  oder  der  anderen 
Stelle  ein  grösserer  Kreis  durch  1 — 2  Jahre  zurück,  oder 
es  geht  eine  langwierige  Krankheit  dadurch  hervor,  dass 
der  Process  in  den  Bereich  des  behaarten  Kopfes  übergreift, 
woselbst,  wie  erwähnt  wurde,  der  Verlaiif  stets  äusserst  lang- 
wierig ist. 

Die  nächste  Ursache  des  Herpes  tonsurans  wird  durch 
den  ihm  eigenthümlichen  Pilz  repräsentirt,  der  von  Malmsten 
und  Geuby  entdeckt  und  nach  Ersterem  Trichophyton 
tonsura  ns  Malmsten  benannt  ist.  Derselbe  findet  sich  bei  H. 
tonsurans  capillitii  in  zahlreichen  Haaren  und  deren  Wurzel- 
scheiden (Fig.  46).    Es  ist  schon  auseinandergesetzt  worden, 


736 


Siebenundvierzigste  Vorlesung. 


(lass  ilbei'  die  botanische  Stellung  dieses  Pilzes,  sowie  seine 
Bezieliung  zum  Acborion  des  Favus  bisher  Nichts  entschieden 
ist  und  derselbe  vor  der  Hand  als  selbstständige  Morphe 
betrachtet  werden  muss. 

Es  machen  sich  aber  auch  erhebliche  Unterschiede  in  seiner 
Vegetation  und  Wirkimg  gegenüber  dem  Favuspilze  geltend. 
Trichophyton  besteht  vorwiegend  aus  langgestreckten,  sparsam 

Fig.  4G. 


Haar  b.  Wurz^Ischeiden  aa,  bei  Herpes  tonsurans  capillitii  von  zahlreichen 
Mycelien    nncl  Gonidien    des    „Trichophyton    tonsurans'*  Malmsten 

durchsetzt. 

verzweigten,  massig  breiten  und  gleichmässigen  Mj^celien  imd 
wenigen  Gonidien.  Der  Pilz  befällt  offenbar  mehr  Haare  als 
Achorion,  da  bei  H.  tonsurans  viel  leichter  ein  pilzhältiges 
Haar  gefunden  wird ;  ferners  wächst  derselbe  bei  H.  tonsurans 
offenbar  viel  höher  in  den  Haarschaft  hinauf,  sammelt  er  sich 
dagegen  nie,  selbst  bei  jahrelanger  Dauer,  zu  scutulösen  Haufen 
in  der  Follikelmündung  an.  Dagegen  macht  er  das  Haar 
brüchig,  was  bei  Achorion  nicht  der  Fall.  Endlich  scheint  er 
viel  leichter  übertragbar  und  damit  H.  tonsurans  viel  mehr 
contagiös  als  Acliovion  und  Favus. 


Herpes  tonsurans. 


737 


Bei  H.  tonsurans  vesiculosus,  squamosus  et  maculosus 
üntlet  sich  der  Pilz  zwischen  den  obersten  Schichten  der  kern- 
lialtigen  Epidermis,  knapp  unter  den  Hornzellenlagen  (Fig.  47). 
Hier,  wie  in  den  Haaren  und  Wurzelscheiden,  kann  derselbe 
nach  Maceration  der  Epidermis  durch  Kalilösung  unter  dem 
Mikroskope  zur  Ansicht  gebracht  werden. 


Bei  H.  tons.  maculosus  sind  innerhalb  der  ersten  Ent- 
wicklungstage nur  vereinzelte  Sporen  auffindlich  und  erst  im 
Verlaufe  der  2.  bis  3.  Woche  in  den  Schuppen  der  grösseren 
Scheiben  charakteristische  Mycelien  zu  sehen. 

Kaposi,  Hautkran  kheiten.  47 


738 


Siebenundvierzigste  Vorlesung. 


Dass  der  genannte  Pilz  die   essentielle  Ursaclie  der 
Krankheit  ausmacht,  beweist  nicht  nur  die  Stetigkeit  seines 
Fundes,  und  der  Erfolg   experimenteller  und  gelegentlicher 
Uebertragung ,  sondern  auch  das  innige  Verhältniss  zwischen 
seiner  Vegetation  und  der  Krankheitsdauer.    Am  behaarten 
Kopfe,  wo  der  Pilz  innerhalb  der  Follikel  sich  andauernd  er- 
halten und  regeneriren,  und  immer  wieder  in  neue  Follikel 
einpflanzen  kann,  erhält  sich  auch  der  H.  tonsurans  jahrelang. 
An  nicht  behaarten  Körperstellen  wird  derselbe  durch  die  Ex- 
sudation (Bläschenbildung),  welche  dessen  Anwesenheit  anregt, 
mitsammt  den  durch  das  Exsudat  emporgehobenen  Epidermis- 
schichten  bald  abgestossen,  und  um  so  rascher,  je  intensiver 
die  örtliche  Exsudation.    Daher  verläuft  liier  die  Krankheit 
acut  tind  erlöscht  sie  spontan. 

Als  G-elegenheitsursachen  des  H.  tonsurans  machen 
sich  die  für  die  Entstehung  von  Dermatomycosen  schon  be- 
sprochenen allgemeinen  Momente  besonders  geltend ;  vor  Allem 
Verhältnisse,  welche  der  Vegetation  von  Schimmelpilzen 
günstig  sind.  Deshalb  kommt  der  Process  in  feuchter  Jahres- 
zeit in  grösserer  Häufigkeit  vor;  acquiriren  die  Krankheit 
gerne  Personen,  die  in  schimmelreichen,  dumpfen  Wohnungen 
hausen;  die  in  Bädern,  Kaltwassercuren  schlecht  getrocknete 
(muffelige)  Wäsche  öfters  auf  die  Haut  gebracht  haben:  oder 
deren  Haut  durch  Schweiss  in  der  Leistengegend,  Achselhöhle, 
unter  der  Mamma  macerirt  und  derart,  wie  auch  die  Ex- 
perimente gelehrt,  für  die  Einpflanzung  von  Püzen  empfäng- 
licher geworden.    Demnächst  gibt  die  Contagiosität  die 
häufigste  Gelegenheitsursache  ab,  da,  wie  schon  erwähnt,  H. 
tonsurans  von  allen  Dermatomycosen  am  leichtesten  übertragbar 
ist.  Es  kommen  Ansteckungen  von  Individuum  zu  Individuum 
vor,  und  daher  meist  zugleich  mehrere  Erkrankungen  in  der- 
selben Familie  und  kleine  Endemien  unter  vielen  zusammen- 
wohnenden Menschen,  in  Pensionaten,  Kasernen.    Oder  die 
Uebertragung  erfolgt  von  Thieren,  Pferd,  Rind,  Katze,  Hund, 
Kaninchen,  bei  welchen  die  Krankheit  in  gleichem  Charakter 
sich  vorfindet  (Alibbrt,  Bazin,  Gerlach,  Bärexsprung,  Köbner, 
Hebra,  Michelson  u.  V.  A.). 

Obgleich  für  H.  tonsurans  eine  viel  allgemeinere  Dispo- 
sition herrscht,  als  für  Favus,  kommt  doch  die  Afi-ection  bei 
jugendlichen  Individuen  viel  häufiger  vor  als  bei  Erwachsenen, 


Herpes  tonsuräus. 


739 


und  H.  tonsurans  capillitii  fast  nur  bei  den  Ersteren.  H.  tons. 
maculosus  universalis  kommt  liier  in  Wien  ausserordentlicli 
häufig  (3 — 5  Procent  aller  Hautkrankheiten),  H.  tons.  capillitii 
höchst  selten  (kaum  0*1  Procent)  vor. 

Die  Diagnose  des  Herpes  tonsurans  capillitii  ist  bei 
Gegenwart  einzelner  charakteristischer,  kahler  Scheiben,  oder 
gar  an  der  Haargrenze  stehender  Schiippenkreise  kaum  zu 
fehlen.  Die  kahlen  Scheiben  der  Alopecia  areata  unter- 
scheiden sich  zu  deutlich  davon  durch  die  aalglatte  Beschafi'en- 
heit  des  Haarbodens  und  das  Pehlen  selbst  der  Haarstümpfchen ; 
die  des  Lupus  erythematosus  durch  die  narbige  Depres- 
sion des  Centrums. 

Bei  allgemeiner  Verbreitung  über  das  Capillitium  müssen 
allerdings  Eczema  sqiiamosum,  Seborrhoe,  Psoriasis 
ausgeschlossen  werden  und  ist  die  wissenschaftliche  Diagnose 
erst  mit  der  mikroskopischen  Demonstration  des  Pilzes  gegeben. 
Gegenüber  von  Favus  ist  hier  der  Umstand  zu  berücksichtigen, 
dass  auch  bei  ungestörtem  Verlaufe  keine  Scutula  erscheinen. 

H.  tons.  vesiculosus  nicht  behaarter  Stellen  ist  kaum  zu 
verkennen  und  nur  bei  Localisation  am  Handrücken  gegenüber 
von  H.  circinatus  (pag.  328)  zu  unterscheiden,  welcher 
aber  stets  doppelseitig  und  mit  Formen  des  Erythema  exsuda- 
tivum polymorphe  gemengt  vorkommt.  Doch  dürfte  auch  hier 
öfters  die  Nothwendigkeit  sich  ergeben,  den  Pilz  nachweisen 
-ZU  müssen.  Die  Form  der  rothen,  schuppenden  Kreise  macht 
oft  Schwierigkeiten  gegenüber  von  isolirten  Kreisen  der  Sy- 
philis annularis  und  Ps  öriasis  annularis. — H.  tons. 
maculosus  sieht  bei  seiner  Entstehung,  am  3.  bis  4.  Tage  in 
der  That  einer  acuten  universellen  Eruption  von  Psoriasis, 
oder  selbst  Variola  sehr  ähnlich.  Sobald  die  dünnen,  centralen 
Schüppchen  der  kleinsten  Flecke  und  Knötchen  erkannt  sind, 
ist  die  Diagnose  klar.  Um  so  unbegreiflicher  scheint  es  mir,  wes- 
halb die  Form  so  oft  mit  Roseola  syphilitica  verwechselt 
wird,  die  ja  schon  durch  den  Mangel  an  Schuppung  sich  ge- 
nügend davon  differenzirt. 

Für  die  Behandlung  des  Herpes  tonsurans  sind  die 
Bedingungen  und  Indicationen  wesentlich,  und  zum  Theile  auch 
formell,  die  gleichen,  wie  für  die  des  Favus.  Dies  gilt  namentlich 
für  H.  tonsurans  capillitii,  wo  es  ja,  wie  bei  Favus,  gilt,  die 
in  den  Follikeln  und  Haaren  vegetirenden  Pilzelemente  zu 

47* 


740 


Siebeiiundvierzigste  Vorlesung. 


zerstören.    Das  Verfahren  ist  demnach  auch  hier  das  gleiche. 
Erweichung,  Ablösung,  Abwaschen  der  Schuppenmassen  mittels 
Oel,  Seifen,  Douchen,  das  Ausziehen  der  kranken  Haare  und 
Einpinselung  von  parasitidicen  Flüssigkeiten,  Oelen,  Salben. 
Die  Epilation  muss  hier  täglich  u.  z.  mittels  Cilienpincette 
vorgenommen  werden,  da  ja  die  kurz  abgebrochenen  Haare 
nicht   anders   gefasst  werden  können.    Unter   den   bei  der 
Favusbehandlung  erwähnten,  täglich  und  in  Abwechslung  ein- 
zupinselnden Flüssigkeiten  möchte  ich  neben  den  alcoholischen 
und  ätherischen  Lösungen  von  Carbol-  und  Salicylsäure  bei 
H.  tonsurans  des  behaarten  Kopfes  besonders  Tinct.  Rusci 
und  eine  Mischung  von  Olei  Rusci  15,  Spir.  sapon.  kaiin.  25, 
Lact.  sulf.  10,  Spir.  lavand.  50,  Bals.  peruvian.  1,50  empfehlen. 
Die  Heilung  ist  bei  einiger  Ausbreitung  der  AfPection  kaum 
unter  3 — 6  Monaten  zu  erreichen.  Als  äusseres  Kriterium  der- 
selben ist  das  Verschwinden  der  Hautröthe  und  Schuppung, 
und  das   gleichmässige  Nachspriessen  von  dicken  und  fest- 
sitzenden Haaren  anzusehen. 

Die  vesiculöse  und  mit  intensiver  Entzündung  einher- 
gehende Form  des  H.  tonsurans  heilt  unter  Aufstreuen  von 
Amylum  binnen  kurzer  Zeit,  da  mit  den  durch  die  Exsudation 
losgehobenen  Epidermisschichten  auch  der  Pilz  eliminirt  wird. 

Vereinzelte  Kreise  von  schuppendem  Ringworm 
heilen  sicher  unter  der  Application  von  Mitteln ,  welche  neben 
Tödtung  der  Pilze  zugleich  die  sie  bergenden  Epidermis- 
schichten direct  mortificiren ,  theils  durch  Erregung  von 
mässiger  Exsudation  zur  Abschiebung  bringen.  Solche  sind: 
Theer,  Schmierseife,  Aetzung  mittels  Kali  (1  :  2  Aqua  dest.), 
Jodtinctur,  Jodglycerin  (Jodi  pur.  Kali  hydrojod.  aa  5, 
Glycerin.  10),  Essigsäure,  Schwefel  in  Verbindung  mit  der 
letzteren,  oder  mit  Alcohol  und  Seifengeist  (Lact.  sulf.  10, 
Spir.  sapou.  kaiin.,  Spir.  lavand.  aa.  25,  Grlycerin.  2,),  oder 
Uguent.  WiLKiNSONi;  endlich  die  in  den  letzten  Jahren  er- 
probten Mittel:  Pulv.  Goa  10,  Acid.  acet.  5,  Ungu.  simpl.  50; 
oder  Chrysarobin  und  Acid.  pyrogallicum  5  :  50  Fett,  oder 
Letzteres  in  Alcohol  gelöst.  Alle  diese  Mittel  müssen  in 
einem  Cyclus  von  4 — 12mal  eingepinselt  werden,  bis  die 
Ränder  der  Herpeskreise  eingesunken  und  blass  erscheinen, 
worauf  die  spontane  Abstossung  der  Epidermiskruste  abge- 
wartet wird. 


Ouj'chomycosis. 


741 


Für  die  Beliancllung  des  bei  uns  wenigstens  häufig  vor- 
kommenden H.  tons.  maculosus  universalis  eignen  sich  nicht 
alle  die  genannten  Mittel  in  gleicher  Weise,  da  manche  der- 
selben, auf  fast  den  ganzen  Körper  applicirt,  bedeutende 
Dermatitis  erzeugen  würden.  Hier  empfiehlt  sich  als  promptest 
wirkendes  Verfahren  die  täglich  zweimalige  Einreibung  von 
Sajjo  viridis.  Durchschnittlich  genügt  ein  Cyclus  von  sechs 
Tagen ,  bei  zarter  Haut  von  2 — 3  Tagen ,  indem  man 
sofort  sistirt,  wenn  ßöthuug  und  Oedem  der  Haut  sich 
einstellt.  Unter  Einpudern  wird  die  vollständige  Abstos- 
sung  der  verschrumpften  Epidermisschwarten  abgewartet  und 
dann  erst,  am  10. — 15.  Tage,  ein  Bad  gestattet.  Alle  anderen 
Verfahrungsweisen ,  welche  nicht  eine  so  gleichmässige  und 
gleichzeitige  Mortification  und  Desquamation  der  Oberhaut 
bei  massiger  Reizung  der  Cutis  bewirken,  wie  tägliches  Baden, 
Abseifen,  Einpinseln  von  den  früher  erwähnten  alcoholisch- 
ätherischen,  balsamischen  Parasiticidiis,  Pyrogalltis-  und  Chrj^- 
sarobinsalbe ,  Schwefelpasten,  gewähren  keinen  sicheren ,  und 
vor  Allem  keinen  so  prompten  Erfolg. 

Den  beschriebenen  Typen  des  Herpes  tonsurans  sind  drei 
andere  Krankheitsformen  anzufügen,  welche  theils  nachweislich, 
theils  muthmasslich  in  demselben  wurzeln.  Vor  Allem  Onycho- 
mycosis  tonsurans  d.i.  eine  durch  Ti'ichophyton  veranlasste  Ver- 
käsung, Trübung,  Aufblätterung,  Brüchigkeit  einzelner,  oder 
aller  Einger-  und  Zehennägel.  Makroskopisch  kann  die  Degene- 
ration allerdings  nicht  von  der  bei  Psoriasis,  Eczem,  Liehen  ruber 
vorkommenden  unterschieden  werden  und  nur  die  mikroskopische 
Untersuchung  vermag  über  den  Charakter  derselben  Aufschluss 
zu  geben  (Fig.  48).  Nun  findet  sich  Onychomycosis  zuweilen  in 
Gresellschaft  mit  Herpes  tonsurans.  Da  aber  der  Letztere  binnen 
Wochen  oder  Monaten  heilen  kann ,  der  Nagel  jedoch  nicht 
in  so  kurzer  Zeit  sich  vollständig  erneuert,  auch  der  Pilz  in 
dem  nachschiebenden  Nagel  sich  hartnäckig  fortpflanzen  kann, 
so  erklärt  es  sich,  dass  derartige  Onychomycoses  später  als 
selbstständige  Uebel  sich  vorfinden  können.  Nun  haben  Baum 
und  Meissner  (1853),  VmcHOw  (1854  und  1856),  Föestee  (1854), 
KöBNER,  Kleinhans  und  ich  sehr  oft  in  scheinbar  idiopathisch 
degenerirten  Nägeln  Pilze  nachgewiesen ,  von  denen  bis 
heute   nicht   eruirt   werden   kann ,   in  wieferne   sie  alle  mit 


742 


Siebenuudvierzigste  Vorlesung. 


Herpes  tonsurans  identisch,  oder  wie  dies  von  Meissner's  Pilz, 
behauptet  wird,  von  demselben  verschieden  seien.    Ich  glaube 
deshalb,  dass  es  besser  wäre,  einfach  von  „Onychoniy cosis" 
zu  sprechen,  wofern  man  in  dem  speciellen  Falle  nicht  gleichzeitig; 
Favus,  oder  H.  tonsurans  vorfindet. 


Die  Behandlung  der  Onychomycosis  besteht  in  Ab- 
schaben, Abkratzen,  Ansschneiden  der  degenerirten  Partie, 
Maceration  des  Nagels  durch  Kautschukfingerling,  Eintupfen 
mittels  Creosot,  Essigsäure,  Benzin,  Sublimat  (l  :  50  AlcohoL 
oder  Chloroform). 


Sycosis  parasitaria. 


743 


Sycosis  parasitaria  ist  eine  der  Sycosis  analoge  AfFec- 
tion  (pag.  468)  des  bebarteten  Gesichtes,  bei  welcber  in 
den  erkrankten  Haaren  ein  Pilz  sich  vorfindet.  Nachdem 
Gruby  schon  1842  einen  solchen  bei  Mentagra  demonstrirt 
hatte,  der  aber  nicht  zur  Anerkennung  gelangt  war,  haben 
Bazin  (1853  „Teigne  sycosique")  später  Anderson,  Deffis, 
RoBiN,  Hakby,  Köbner  das  Vorkommen  von  Püzen  bei 
Sycosis  erwiesen  und  bestätigt.  Letzterer  hat  nun  den  lange 
strittigen  Sachverhalt  in  der  Weise  aufgeklärt,  dass  die  ge- 
wöhnliche Sycosis  („Folliculitis  barbae"),  wie  früher  gelehrt 
worden,  auch  fürder  nichts  mit  Parasitismus  zu  thun  habe, 
dass  aber  H.  tonsurans  bei  seiner  Localisation  im  Barte  durch 
Steigerang  der  örtlichen  Entzündungsvorgänge  Erscheinungen 
von  Sycosis  veranlassen  könne  („knotige  Trichomycosis"),  so 
dass  Sycosis  parasitaria  nur  eine  Formvariation  des  H.  ton- 
surans vorstellt  und  aus  diesem  hervorgeht. 

Während  nämlich  in  der  ßegel  auch  bei  der  Localisation 
im  bebarteten  Gesichte  (so  wie  am  Möns  Veneris)  der  H.  ton- 
surans unter  der  Form  der  rothen,   schuppenden  Kreise  ver- 
läuft,   tritt  zuweilen  im  Bereiche  desselben  unter  dem  Ein- 
flüsse des  lebhaft  vegetirenden  Pilzes  eine  acute  Dermatitis 
auf.    Es  kommt  dabei  zu  difi'user  Lifiltration,  Eiterung,  Ecchy- 
mosirung,  hämorrhagischer  Unterwühlung  der  Haut,  gedrängten 
Pusteleruptionen  und  Abscessen,  nach  deren  Eröffnung  die 
Haut  siebförmig  durchlöchert  (Lewin),  wie  ein  Honigwaben- 
stück erscheint;   oder  es  kommt  zur  Bildung  von  knotigen 
Auftreibungen  (Michelson  ,  Nbujiann  ,  ich)  mit  glatter  oder 
drusig-papillärer ,  eine  viscide  Flüssigkeit  secernirender  Ober- 
fläche.   Auch  am  Capillitium  sind  solche  Bildungen  mit  und 
aus  H.  tonsurans  gesehen  worden ,  welche  als  Analoga  des 
.Kerion"  Celsi  von  E.  Wilson,  Fox,  Auspitz,  Täntueri,  als 
„Vespajo  del  Capillitio"  von  DübIx\i  beschrieben  und  von  all' 
den  zuletzt  genannten   Autoren   auf  Grund   der  Vergesell- 
schaftung mit  H.  tonsurans  und  des  Nachweises  der  Pilze  mit 
dem  letzteren  Processe  identisch  erklärt  worden  sind  (Fig.  49). 

Die  Diagnose  der  Afl'ection  stützt  sich  auch  auf  diese 
erwähnten  Momente.  Beim  Fehlen  der  Herpeskreise,  und  da 
auch  bei  Sycosis  non  parasitaria  ganz  dieselben  papillären 
Wucherungen  und  unterminir enden  Abscesse  vorkommen,  leitet 
die  anamnestisch  constatirte  acute  Entwicklung  derselben  auf 


744  Siobenundvierzigste  Vorlesung. 

die  Vermuthung  des  Parasitismus,  da  sie  bei  diesem  erfah- 
rungsgemäss  binnen  3—4  Wochen  zu  Stande  kommen  können. 

Auch  die  Gelegenheitsursachen  sind  für  Sycosis 
parasitaria  dieselben,  wie  für  H.  tonsurans,  nämlich  vor- 
wiegend Contagion  vom  Rinde  und  Pferde.  Daher  die  häufigsten 
Beobachtungen  von  Sycosis  parasitaria  an  Rind-  und  Pferde- 
wärtern und  in  den  Ländern,  die  H.  tonsorans  der  Thiere 
und  Menschen  in  grösster  Zahl  aufweisen :  Frankreich,  Holstein. 


Fig.  49. 


Haar  aus  einem  Knoten  von  Sycosis  pars  si tari a  (nur  zur 
Hälfte)  von  grobstämmigen,  gegliederten  Mycelion  durchsetzt. 

Die  Therapie  der  Sycosis  parasitaria  ist  die  gleiche, 
wie  bei  H.  tons.  CapUlitii.  Am  raschesten  insolviren  sich  die 
papillären  Vegetationen  und  ersterben  die  Pilze  unter  Ein- 
pinselung  von  Sublimat  (1  :  100),  oder  Schwefel- Alcohol-Seife, 
Acid.  aceticum  und  unmittelbares  Aufstreuen  von  Lac.  sulfui-is, 
so  dass  oft  die  Epilation  überflüssig  wird. 


Eczema  margiiiatum. 


745 


Endlich  wäre  nocli  Eczema  marginatum  Hebra  zu  be- 
sprechen. Die  AfFection  localisirt  sich  zumeist  an  den  Gre- 
nitalien  und  deren  nächster  Umgebung  und  vbildet  da  kreuzer- 
bis  flachhandgrosse  und  noch  grössere  Kreise  und  Kreisbogen, 
welolie  z.  B.  in  einer  Flucht  vom  Scrotum  ül)er  die  Leisten- 
gegend nach  der  inneren  ifnd  hinteren  Schenkelfläche,  von  da 
nach  der  Sacralgegend  und  von  hier  auf  die  andere  Extremität 
zurücklaiifend ,  wieder  über  die  innere  Schenkelfläche  auf  den 
Möns  Veneris  zurücktrefiFen.  Ausserdem  können  solche  Kreise 
und  Kreisbogen  auch  am  Stamm  und  den  Extremitäten  einzeln 
oder  auch  in  grösserer  Zahl  sich  vorfinden.  Der  Rand  der- 
selben erscheint  zackig ,  mit  kleinen  Knötchen ,  Bläschen,  oder 
gelbbraiinen  Börkchen  bedeckt,  während  die  von  den  Kreis- 
linien eingeschlossenen  Hautflächen  dunkelbraun  pigmentirt. 
zerkratzt ,  mit  Börkchen  bedeckt ,  oder  mit  neu  aufgetauchten 
Kreisen  besetzt  sind.  Wie  die  Börkchen  lehren,  veranlasst  die 
Krankheit  sehr  heftiges  Jucken  und  Kratzen.  Deswegen  nm\ 
wegen  der  Knötcheneruption  hat  auch  Hebra  die  Atfection  als 
Eczem  bezeichnet,  die  Kreisform  jedoch  erinnert  lebhaft  an 
Herpes  tonsurans. 

Nun  haben  zuerst  Köbi^er  und  Pick,   später  ich  in  der 
Epidermis    der   Eczema   marginatum  -  Kreise    Pilze,  ähnlich 
denen  des  Herpes  tonsurans,  nachgewiesen,  und  auch  sonst  noch 
sind  Momente  zum  Theile  experimenteller  Art  von  den  zwei- 
genannten  Autoren  geltend  gemacht  worden  für  die  Ansicht, 
dass  das  Erythrasma  Bärensprung's  und  Eczema  marginatum 
Hebra's  unter  einander  und  mit  dem  Herpes  tonsurans  identisch 
wären.    Hebra  dagegen,  obgleich  er  die  Pilznatur  des  Uebels 
anerkennt,  meint   noch  immer  die  eczematöse  Natur  und  Be- 
zeichnung desselben  aufrecht  erhalten  zu  müssen.  Es  ist  näm- 
lich aufiallend,  dass  erstens  dasselbe  intensiv  juckt ;  zweitens 
hartnäckig  persistirt,  15—20  Jahre  und  darüber;  drittens  der 
Therapie  ausserordentlichen  Widerstand  leistet  und  gerne  an 
Ort  und  Stelle  wiederkehrt ;  viertens  sich  direct  ganz  und  gar 
nicht  ansteckend  erweist,  indem  in  innigem  Contact  mit  ein- 
ander befindliche  Personen,  z.  B.  Eheleute,  die  Afi'ection  auf 
einander  nicht  übertragen,   daher  diese  auch  nie  endemisch, 
z.  B.  in  einem  Institute,  oder  einer  Familie  angetroffen  wird; 
fünftens  die  Haare  im  Bereiche  desselben  nicht  abbrechen  und 
glanzlos  werden,  lauter  Momente,  welche  beim  Herpes  tonsurans 


Siebenundvierzigste .  Vorlesung. 

sich  niclit  vorfinden.  Deshalb  hat  aucli  Pick  sich  7a\  dem 
Compromiss  veranlasst  gesehen,  das  Eczema  marginatiim  als 
eine  Comhination  des  H.  tonsurans  mit  Eczem  aufzufassen, 
welcher  Ansicht  auch  icli  mich  anschliesse. 

Unterstützt  wird  diese  diirch  die  Grelegenheitsursachen, 
welche  zur  Entstehung  und  Recidive  des  Eczema  marginatum 
führen.  Dies  sind  vor  Allem  Macer ation  der  Epidermis  dui-ch 
Schweiss  an  den  in  gegenseitigem  Contact  stehenden  Hautfiächen 
der  Grenito-Cruralfalten,  der  Hängebrust  u.  s.  w.  bei  dick- 
leibigen, oder  viel  zum  Sitzen  gezwungenen  Personen,  bei  denen 
an  der  macerirten  Haut  zunächst  Eczema  Intertrigo  in  margi- 
nirter  Form  und  später  Ecz.  marginatum  veranlasst  wivd. 
Die  nächst  häufige  und  analoge  Ursache  gibt  die  ]\Iaceration 
der  Oberhaut  durch  Wasser  bei  der  Hydrotherapie,  imd  besonders 
unter  dem  Priessnitz- Gürtel,  unter  welchem  zumeist  einfaches 
Eczem,  öfters  Herpes  tonsurans  und  gar  häufig  die  unter 
solchen  Umständen  nicht  zu  bezweifelnde  Combination  beider 
sub  Eorma  des  Eczema  marginatum  sich  entwickelt. 

Die  Diagnose  des  Uebels  ist  leicht,  da  die  Kreisform 
des  H.  tonsurans  und  der  Charakter  des  Eczems  in  den  Bläschen 
und  Kratzeifecten  gleichzeitig  deutlich  ausgeprägt  sind.  Die 
Heilung  dauernd  zu  bewerkstelligen  ist  nicht  leicht,  da  zu- 
nächst die  fortbestehenden  Ursachen  ßecidiven  begünstigen  und 
die  Zerstörung  aUer  Püzkeime  nur  schwer  gelingt.  Der  Pilz 
sitzt  nämlich  hier  aufPaUend  tief,  wahrscheinlich  wegen  der 
Mächtigkeit  der  Epidermisschichten,  und  man  niuss  zur  Auf- 
findung desselben  die  obersten  Schichten  wegkratzen. 

Die  Therapie  hat  auf  diesen  Umstand  Rücksicht  zu 
nehmen,  tind  es  erweisen  sich  von  allen  gegen  H.  tonsurans 
früher  besprochenen  Mitteln  erfahrungsgemäss  niu"  einzelne  ver- 
lässlich. Unter  diesen  am  besten  Chrysarobinsalbe  und  Unguent. 
WiLKiNSONi,  welche  in  einem  Cyclus  von  (5—12  eingepinselt 
werden.  Nächstdem  empfelden  sich  Einpinselungen  von  Sublimat 
(1  :  lOOAlcohol),  Schwefel-Alcohol-Theerpaste,  Theer,  Jodtinctur. 
Bei  zögernder  Heilimg  und  bedeutender  Verdickung  der  Epi- 
dermis ist  es  zweckmässig,  diese  mittels  Kali  (1  :  2  Aqua), 
Sclimierseifenumschlägen,  oder  Acid.  aceticuan  abzulösen  luid 
nach  erfolgter  Ueberliäutung  Chrysarobin-,  oder  Wilkixson- 
Salbe  einzureiben. 


Pityriasis  vcrsicolor. 


747 


AVie  nach  Heilung  von  Eczem  müssen  auch,  hier  die  Haut- 
falten nachträglich  durch  Einlegen  von  Poudretampons  isolirt 
und  vor  der  Einwirkung  des  Schweisses  geschützt  werden. 


Pityriasis  versicolor, 

xuirichtiger  "Weise  von  manchen  Pathologen  als  „Chloasma" 
aufgeführt,  bei  den  Laien  als  „Leberflecke"  bekannt,  erscheint 
in  Form  von  blassgelben,  gelbbraunen  bis  dunkelbraunen  Punkten, 
linsen-,  kreuzer-  bis  flachhandgrossen  und  über  grosse  Hant- 
strecken gleiclnnässig  ausgebreiteten,  bald  glatten,  glänzenden, 
bald  matten,  oder  schülfernden  Elecken  von  unregelmässiger 
G-estalt.  Sie  sind  vorwiegend  am  Stamme,  Halse  und  der 
Beugefläche  der  oberen,  seltener  auch  der  Unterextremitäten, 
niemals  an  Händen,  Füssen  und  im  Gesichte  localisirt  imd 
finden  sich  auch  in  Form  scharf  begrenzter,  gelbbrauner 
schülfernder  Flecke  in  der  Axilla  und  an  den  Contactflächen 
der  Hängebrust,  des  Scrotums  und  Oberschenkels.  Durch 
Kratzen  mit  dem  Nagel  kann  die  Epidermis  der  Flecke  iu 

Fig.  50. 


Microsporou  furfur,  Pilz  der  Pityriasis  versicolor. 
(Vergr.  cca.  700.) 
(In  der  Zeichnung  die  aufgelösten  Epidermiszellen  weggelassen.) 


748 


Siebenuudvieizigste  Vorlesung. 


zusammenliäiigenden  Lamellen  abgehoben  und  die  rotbe,  blutende 
Basis  blossgelegt  werden.  Massiges  Jucken  begleitet  die 
Affection,  welche  in  einzelnen  Herden,  bei  manchen  Personen 
in  diffuser  nnd  allgemeiner  Ausbreitung  mit  geringen  Verände- 
rungen meist  durch  viele,  15 — 20  Jahxe  fortbesteht.  Ihre  Ent- 
wickliuig  erfolgt  unmerklich,  und  ebenso  ihre  Rückbildung,  die 
zuweilen  früher,  stets  aber  mit  vorschreitendem  Alter  eintritt, 
da  bei  älteren  Personen  niemals  und  nur  bei  solchen  zwischen 
der  Pubertät  und  dem  reifen  Alter  Pityriasis  versicolor  ge- 
funden wird. 

In  den  abgekratzten  Epidermislamellen  kann  immittelbar 
unter  dem  Mikroskope  der  dieser  Mycose  eigenthümliche,  von 
EiCHSTEDT  1846  entdeckte  und  von  Robin  Microsporon  furfur 
benannte  Pilz  gesehen  werden  (Eig.  50).  Derselbe  besteht  aus 
ungewöhnlich  und  gleichmässig  grossen  Gronidien,  welche  je 
zu  30  und  mehr  regelmässig  vertheilte  Haufen  formiren  und 
aus  vielgestaltigen  und  kurzen  Mycelien,  welche  jene  Gronidien 
und  Gonidienhaufen  unter  einander  verbinden  und  theUs  selber 
Gonidien  aussenden,  theils  aus  solchen  auswachsen. 

Niemals  ist  ein  Hineinwuchern  des  Pilzes  in  die  Haare 
und  nur  in  die  Epidermis  der  EoUikelmündung  (Gddden)  ge- 
sehen worden. 

Obgleich  Köbner  Pit.  versicolor  experimentell  auf  sich 
selber  zu  übertragen  vermochte,  so  bleibt  es  doch  richtig,  dass 
deren  gelegentliche  Uebertragung  von  Individuum  zu  Individuum 
kaum  vorkommen  mag,  trotzdem  doch  deren  PiLz  massenhaft 
und  oberflächlich  gelegen  ist.  Es  scheint  für  dessen  Haftimg 
ganz  besonders  eine  individuelle  Disposition  der  Haut  erforderlich, 
was  schon  daraus  hervorgeht,  dass  das  Uebel  bei  damit  be- 
haftet gewesenen  Personen  auch  nach  mehrmaliger  Heüung 
gerne  recidivirt,  dagegen  unter  Eheleuten  trotz  jahrelangen 
Verkehres  keine  zweifellose  Uebertragung  beobachtet  worden 
ist.  Man  sieht,  wie  sehr  Pityriasis  versicolor  durch  Ansehen, 
Verlauf,  Eigenart  der  PUzvegetation  und  der  Contagioiis- Ver- 
hältnisse von  den  anderen  MjTosen  differirt. 

In  der  Diagnose  des  Uebels  ist  ein  Irrthiim  kaum 
möglich,  selbst  die  durch  zarte  rothe  und  discrete  Flecke  an 
Eoseola  syphilitica  gemahnenden  Formen  werden  sofort  erkannt, 
indem  dieselben  mit  dem  Nagel  abgekratzt  werden  können. 


Pityriasis  versicolor. 


749 


Die  Therapie  der  Pit.  versicolor  wird  nach  demselben 
Principe  nnd  mit  den  gleichen  Mitteln  nnd  Methoden  durch- 
geführt, wie  die  des  H.  tons.  macnlosus,  indem  es  sich  auch 
hier  darum  handelt,  in  wenigen  Tagen  die  gesammte  obere,  den 
Pilz  beherbergende  Epidermislage  methodisch  zur  Abschiebung 
zu  bringen  (vide  pag.  741). 


Achtundvierzigste  Vorlesung. 


Durch  thierische  Parasiten  bedingte  Hautkrankheiten. 

Thiei'isehe  Parasiten;  eigentliche  Parasiten  und  Kpizoen.  Art  ihrer 
Wirkung  auf  die  Haut.  —  Dermatozoonosen.  —  Scabies.  Geschichte. 
Naturgeschichte  der  Krätzmilbe.  Milbengang. 

Dermatozoonosen. 

Die  diircli  animalische  Parasiten  bedingten  Haut- 
krankheiten weisen,  gleich  den  durch  PiLze  veranlassten, 
zweierlei  Symptome  auf,  solche,  die  durch  den  Parasiten  als 
naturgeschichtliches  Individuum,  sowie  durch  dessen  Lebens- 
verhältnisse (Wolniung,  Ernährung,  Fortpflanzung)  dargestellt 
werden  imd  andere,  welche  sich  als  direct  oder  indirect  durch 
die  Parasiten  bedingte  pathologische  Veränderungen  des  Haut- 
organes  erweisen. 

Die  hier  in  Betracht  kommenden  thierischen  Organismen 
sind  zweierlei  Kategorie: 

1.  Solche,  die  entweder  ausscliLiesslich,  oder  nur  zeitweilig 
in  der  mensclilichen Haut  wolinen,  wahre  Parasiten  — Der- 
matozoen.  Hieher  sjnd  zu  zählen:  1.  die  Krätzmilbe  — 
Acarus  scabiei;  2.  die  Haar sackrailbe  —  Acarus  fol- 
liculorum;  3.  der  Sandfloh  —  Pulex  p  enetr  ans;  4.  der 
Peitschenwurm  —  Filaria  medinensis;  5.  die  Ernte- 
jjiillje  —  Leptus  autumnalis;  6.  der  Holzbock  — 
Ixodes  ricinus;  7.  Cysticercus  cellulosae. 

2.  Andere,  die  nur  zeitweilig,  behufs  der  Schöpfung  von 
Nahrung  die  Haut  heimsuchen  und  zum  Theile  in  deren  nächster 
Nähe  (den  Haaren,  Kleidern)  sich  aufhalten  —  Epizoen. 
Diese  sind:  1.  die  Läuse  (Kopfläuse  —  Pediculi  humaiu 


Scabies. 


751 


capitli^,  Filzläuse  —  Petliculi  piibis,  Kleiderläiise  —  Pedlouli  ves- 
timentonun);  2.  die  Flölie  —  Pul  ex  irritaus;  3.  die 
Wauzen  —  Cimex  lectularius;  ausserdem  die  Mücken 

(Gelsen)         Culex  pipiens  und  mehrere  andere  Insekten. 

Diese  Parasiten  veranlassen  Haiiterkrankung  entweder  in 
directer  Weise,  indem  au  den  Hautstellen,  wo  sie  das  Or- 
gan augreifen,  verletzen,  reizen,  die  Epidermis  aufwühlen,  wo 
sie  nisten,  Erscheinungen  der  Entzündung  (Hyperämie,  Ex- 
siulation,  Efflorescenzbildiuig,  Häniorrhagie ,  Degeneration,  Hy- 
perplasie der  Epidermis  und  Nagelsubstanz)  auftreten;  oder 
indirect,  indem  sie  Jucken,  Brennen  und  consecutiv  Kratzen 
und  die  bekannten  Effecte  des  letzteren  (Verletzung  der  Haut, 
Pusteln,  Entzündung,  Geschwüre,  Eczem  aller  Grade  und 
Formen)  herbeiführen. 

Alle  diese  nutritiven  Veränderungen  gehören  also  wesent- 
lich in  die  Reihe  der  Entzündungs-,  specieU  der  Eczemformen, 
gestalten  sich  aber  in  Verbindung  mit  den  durch  den  jeweiligen 
Parasiten  dargestellten  Symptomen  zu  einem  individuellen 
Ki-ankheitsbilde ,  indem  deren  Form,  LocaKsation,  Intensität 
und  Verlauf  allerdings  zum  Theile  durch  die  individuelle  Eeiz- 
barkeit  des  Hautorganes ,  hauptsächlich  aber  durch  die  natur- 
geschichtlichen und  biologischen  Eigenschaften  des  jeweiligen 
Parasiten  bestimmt  werden.  Die  genaue  Kenntniss  der  Letzteren 
ist  daher  Bedingiuig  für  das  Verständniss  der  entsprechenden 
klinischen  Typen. 

Scabies,  Krätze, 

als  ansteckende,  heftig  jiickende  und  zu  kratzen  („sca- 
bere")  veranlassende  Hautkrankheit,  ist  wohl  seit  Jahrtausenden 
bekannt  und  mindestens  seit  Jahrhiuiderten  weiss  man,  dass 
bei  derselben  ein  in  der  Haut  nistendes  T  Ii  i  e  r  c  Ii  e  n  eine  RoUe 
spielt.  Dennoch  hat  es  eben  so  lange  gedauert,  bis  die  Pa- 
thologie der  Krätze  aufgeklärt  und  zu  allgemeinem  Verständ- 
niss gebracht  worden  ist.  Die  Geschichte  dieser  vulgären 
Dermatose,  an  und  für  sich  schon  höchst  lehrreich,  ist  von 
grossem  Einfluss  gewesen  auf  die  Entwicklung  der  modernen 
allgemeinen  Pathologie,  deren  ehemaliges  Lehrgebäude,  die 
Humoralpathologie ,  zu  Beginn  der  vierziger  Jahre,  zwar  viel- 
fach schon  von  der  Wucht  naturgeschichtlicher  Thatsachen  er- 
schüttert,   doch  erst  recht  zu  Haufen  stürzte  und  verlassen 


752 


Achtund vierzigste  Vorlesung. 


wurde,  nacliclem  es  —  man  gestatte  die  Metapher  —  dnreh.  die 
Minirarbeit  des  kleinen  Acarus  vollständig  untergraben  worden 
war.  So  wurzelt  denn  in  der  Geschichte  der  Scabies  die  neue 
Aera  der  iiaturwissenschaftlichen  Medicin  mit  zahlreichen  iSTähr- 
fasern  und  es  darf  uns  mit  Stolz  erfüllen,  dass  dies  zu  einem 
grossen  Theile  der  Leistung  der  Wiener  Schule  und  unseres 
Meisters  Hebra  zu  danken  ist. 

Schon  von  den  Arabern  (Ben-Sohr)  wird  eines  Thierchens 
bei  der  Krätze  als  Syrones  gedacht,  und  aus  dem  12.  Jahr- 
hunderte (zuerst  bei  Scta.  Hildegard is)  bis  in  das  17.  Jahr- 
hundert liegen  zahlreiche  Angaben  vor,  aus  denen  erheUt ,  dass 
beim  Volke  die  Kenntniss  von  der  Existenz  eines  solchen,  der 
Krätze  eigenthümlichen,  Seuren,  Sueren,  Syrones,  Cirons,  Bri- 
ganti,  pellicelli  genannten  Thierchens  und  die  Kiuist  mittels 
einer  Nadel  dasselbe  aus  der  Haut  zu  ziehen  („seuren  graben") 
und  auf  dem  Nagel  zu  knicken  allgemein  verbreitet  war.  Aiich 
wussten  schon  viele  Aerzte  (GtDY  de  Chauliac  14.  Jahrh., 
Ambr.  Pare  16.  Jahrh.  xi.  v.  A.),  dass  das  Thierchen,  welches 
von  Manchen  als  Lausart,  von  Anderen  als  Mübe  angesehen 
wurde,  in  der  Haut  Gänge  bohre.  Der  Naturhistoriker  Thom. 
MouFFET  hat  dasselbe  zuerst  genauer  beschrieben  (1634),  Haupt- 
mann, später  Ettmüller  ziemlich  gut  abgebildet.  Endlich  haben 
BoNOMO  und.  Cestoni  in  einem,  an  den  berühmten  Redi  ge- 
richteten Briefe  (1687)  die  genaue  Naturbeschreibung  xmd  Ab- 
bildving der  Krätzmilbe  und  deren  Eier  gegeben  und  aus  ihrer 
Beobachtung  den  richtigen  Schluss  gezogen,  dass  die  Krätzmilbe 
getrennten  Geschlechtes,  dass  sie  und  nicht  die  „verdorbenen 
Säfte"  die  einzige  Ursache  der  Krätzkrankheit  sei,  und  dass 
mit  ihrer  Vertilgung  durch  örtliche  Mittel  auch  die  Krankheit 
geheilt  werde. 

Man  sieht,  die  Einsicht  in  das  Wesen  der  Scabies  war 
schon  gegen  Ende  des  17.  Jahrh undertes  eine  sehr  vollendete; 
leider  aber  nur  bei  einzelnen  Forschern,  und  es  bedurfte  noch 
weiterer  anderthalb  Jahrhunderte,  bis  dieselbe  Allgemeingut 
geworden.  Denn  obgleich  die  Krätzmilbe  von  Linne  (1746) 
naturgeschichtlich  beschrieben,  classificirt,  von  Degeer  (1788) 
naturgetreu  abgebildet,  von  Wichmann  (1791)  experimentell 
vom  Pferde  auf  den  Menschen  übertragen  und  in  ihrer  Wirkiuig 
beobachtet,  und  von  vielen  anderen  Forschern,  namentlich  von 
Thierärzten  (rücksichtlich  der  Räude  der  Schafe)  gründlich 


Scabies.  Naturgcscliichte  der  Krätzmilbe.  75;; 

gekannt  und  studirt  worden,  auch  manche  hervorragende  Aerzte. 
wie  John  Hunter,  die  Anschauung  Bonomo's  energisch  vertraten, 
so  haben  doch  andere  berühmte  Aerzte  und  Dermatologen,  wie 
LoRRY,  WiLLAN,  gegen  Ende  des  vorigen  Jahrkmdertes  theils 
die  Krätzmilbe  ganz  ignorirt,  theils  ihre  Beziehung  zur  Krätze 
geleugnet,   oder  dahin  gedeutet,  dass  ein  von  den  Thierchen 
dem  Blute  eingeimpftes  Grift  das  Jiicken  erzeuge,  oder  das.^ 
der  Acarus  aus  verdorbenen  Säften  des  Krätzigen  sich  entwickle. 
Solche  Ansichten  wurden  unter  der  mächtigen  Herrschaft  der 
Hahneman' sehen  Lehre  von  der  Schädlichkeit  der  unterdrückte]] 
oder  verschlagenen  Krätze ,  noch  viel  später  vo]i  Heroe]i  der 
Medicin,  Schönlein,  Fuchs,  Hildenbrandt  patronisirt,  und  um 
so  mehr,  als  die  Kunstfertigkeit,  Krätzmilben  zu  fangen,  nacli 
vei-geblichen  Versuchen  durch  GtALES  (1812),  Raspatl  (1829) 
u.  A.  erst  nach  Renucci's  Demonstration  (1834)  allgemeiner 
von  den  Aerzten  gewoimen  wurde.    In  deiT  darauffolgende]] 
Jahren  hat  zimächst  die  Naturgeschichte  der  Krätzmilbe  zahl- 
reiche tüchtige  Bearbeiter  gefiinden  an  Eichstedt  (1846),  der 
die  erste  Zeichmmg  eines  Mübenganges  sammt  Lihalt,  sowie 
des  von  Krämer  (1845)  entdeckten  Männchens  und  der  sechs- 
beinigen  Larve  lieferte,  Lanquetin,  Bourguignon,  Hebra,  welcher 
ein  Mübenpaar  im  Begattungsacte  beobachtet  hat,  Gr.  Simon. 
Canstadt,  Wedl,  Küchenmeister,  Gerlach,  Eürstenberg,  GtUdden. 
Bergh  u.  V.  A.    Endlich  ist  die  Pathologie  der  Krätze  durch 
dieselben  Kräfte  mittel-  und  unmittelbar  gefördert  u]]d  besojiders 
durch  Hebra's  classische  Arbeit   „über  Diagnose,  Aetiologic 
n]id  Therapie  der  Krätze"  (1844)  naturhistorisch  geklärt  und 
auf  den  unverrückbaren  Boden  der  klinischen  und  experimentellen 
Thatsachen  gestellt  worden. 


Die  Krätzmilbe, 

Acarus  Scabiei  (Degeer),  Sarcoptes  hominis  (Raspail),  wird 
von  der  neueren  Naturgeschichte  in  die  Classe  der  „Milben", 
Acarinae,  eingereiht.  Ans  ihrem  Gange  in  der  Epidermis 
(mittels  einer  Messer-,  oder  Staarnadelspitze)  hervorgeholt, 
erscheint  sie  (das  "Weibchen)  als  mit  unbewaffnetem  Auge  ebei] 
erkennbares,  gelblich-weisses,  halbkugeliges  Körperchen.  Auf 
den  Fingernagel  gestellt  bleibt  sie  eine  Weile  unbeweglich, 
alsbald   kann   man  sie  rasch   über   den  Nagel  laufen  sehen. 

K  aposi ,  Hautlsranlcheiten.  48 


754' 


Aclitundvierzigste  Vorlesung. 


Zwischen  den  Nägeln  gequetscht  zerknickt  sie  unter  vernehm- 
lichem G-eräusche.  Unter  dem  Mikroskope  besehen,  präsentirt 
sich  dieselbe  als  schildkrötenähnliches  Thierchen  mit  konischeni 
Rüssel  und  8  BeineiT.  Der  länglichrunde  Körper  ist  mit  ge- 
wellten Querfurchen  (Rillen)  gezeichnet,  welche  die  theilweise 
Uebereinanderschiebung  der  Panzertheile   bei  der  Bewegmig 

Fig.  51. 


Krätzmilbe  geschleclitsreifes  W e i b c  1. e n ,  0-35  Mm.  laug,  0-50  Mm.  bveit. 
Sü  ckenans  cht:  1  Paar  G  eni  ckdo  rne ii ,  hinter  denen  das  brillen- 
^Aige  Srgau,  die  Schulterborsten,  die  (33)-  Schulterkege  ,  die 
Qu  Sien  der  Schuppen  und  Nägelcheu  zuhmtei^t  die  U  in  4  Lang>- 
^  reihen  gestellten  Dornen.  (Vergr.  300.) 

ermöglichen.  Der  Eiicken  ist  mit  kürzeren  und  längereu,  in 
ringförmige  Wiüste  eingepflanzten  Dornen,  sowie  mit  Stachel- 
reihen besetzt,  deren  mittlere  nach  vorn,  die  hii^teren  nach 
hinten  convex  sehen.  Kopf  mit  6  Borsten  versehen,  vom  Rumpfe 
abgesetzt,  mit  vier  Kieferhälftenpaaren  und  zwei  neben  diesen 
gelegenen  dreigliederigen  Palpen.    Beine  8,  fünfgliederig.  das 


Scabies.  Krätzmilbe. 


755 


1.  nnd  2.  Paar  bei  beiden  Gesclilechtern  mit  gestielten  Haft- 
scheiben. Das  Weibclien  (Fig.  51  und  52,  die  Zeicbmingen  der 
Milbentbiere  nadi  Hebra  und  Elfinger)  trägt  am  3.  uud 
4.  Paar  je  eine  lange  Borste,  bat  am  binteren  Körperrand 
zwischen  den  hintersten  Rand-(Anal-)Borsten  eine  znv  Begat- 
tungsscheide führende  Spalte  und  auf  dem  Bauche  eine  L  e  g  e- 

Fig.  52. 


Befrnchtete.s  Mil  b  e  u  we  i  b  c  lie  n.    Baucb.seite,  die  dem  ersten 
Fusspaare  angehorige  mediane  Hiiftleiste  (bei  Männclien,  "Weibchen  und 
Larve  different,  Bergh).  Die  Hinterfüsse  mit  langen  Borsten.  Im  Innern 
der  Milbe  ein  reifes  Ei. 

scheide  (Gtüdden).  Ein  in  den  Magen-  und  Darmcanal  sich 
abzweigender  Ernährungsschlauch,  Eierstock,  Muskeln  sind 
anatomisch  demonstrirbar  (Gudden,  Bourguignon,  Eichstedt, 
Wedl  u.  A.)  und  häufig  ist  ein  reifes  Ei  im  Innern  der  Milbe  zu 
sehen.  Das  Milbenweibchen  soll  zwischen  20— GO  Tage  leben 
können. 

48 


750 


Achtum] vierzigste  Vorlesung. 


Das  Männchen  ist  kleiner  (0-20  Mm.  1.,  0-35  Mm.  br.) 
als  (las  Weibclien,  trägt  am  4.  Fiiss paare  eine  Haft- 
scheibe (statt  der  Borste  beim  "Weibchen)  nnd  zwischen  den 
Hinterfüssen  ein  medianes  hufeisenförmiges  Chitingerüste,  in 
welches  ein  gabelförmiger  P  e  n  i  s  eingelenkt  ist,  wie  in  Fig.  53 
zu  sehen. 

Das  Milbenmännchen  wohnt  in  seichten  Ausgrabungen  der 
Epidermis,  kleinen  Knötchen  und  Bläschen,  in  der  Nähe  der, 
die  weibliche  Milbe  beherbergenden  Gänge  und  scheint  auch 
mehr  unstät  auf  der  Haut  ximherzukriechen.    Eine  als  dessen 

Fig.  5.S. 


I 

Krätzmillje,  jM  ä  u  n  c  Ii  e  n,  Bauchseite. 


Begattung  mit  dem  "Weibchen  deutbare  CoiDulation  hatHEBßA 
einmal  unter  dem  Mikroskope  gesehen.  Männchen  finden  sich 
in  geringerer  Zahl  als  Weibchen  bei  der  menschlichen  Elrätze, 
sind  hier  schwer,  leichter  bei  der  Krätze  der  Thiere  und  in 
der  Krustenkrätze  aufzufinden  und  sollen  6—8  Tage  nach  ihrer 
Begattung  zu  Grunde  gehen  (Güdden). 

Nur  das  geschleclitsreife ,  befruchtete  Weibchen  bohrt 
einen  Hohlgang  in  die  Epidermis  —  Milben  gang  —  (Fig.  54), 
in  welchem  es  Eier  legt  und  nach  Beendigung  dieser  Function 
abstirbt. 


Scabies.  Milbeugang. 


757 


Fig.  54. 


Milbengang  von  der  Lendenhaut  ausgesclinitten,  bei  schwacher  Vergrösserung 
unter  dem  Mikroskope  besehen. 

An  dessen  (Schwanz-)  Ende  die  Milbe  von  der  Bauchfläohe  und  ein  reifes  Ei  in  ihrem 
Innern  zu  sehen.  Hinter  ihr  12  Eier  und  12  Eihällen.  Es  scheint,  dass  diese  Milbe 
2  Eier  im  Tag  gelegt  hat,  da  erst  im  h.  die  erste  Anlage  des  Embryo  und  erst  im 
12.  ein  mit  deutlichem  (hier  nicht  gut  gezeichneten)  vorderen  Fusspaare  versehene 
reife  Larve  sich  vorfindet,  was  bei  anderen  Gängen  im  6.-7.  Ei  der  Fall.  Zwischen  den 
Eiern  und  EiUüUen  schwarze  Körperchen  (Faecea). 

Bei  der  experimentellen  Uebertragung  hat  man  die  Art 
beobachtet,  wie  die  Milbe  mit  den  scharfen  Kieferscheeren  die 


758 


Aclitundvierzigste  Vorlesung. 


Epidermis  spaltet,  den  Kopf  voran  sicli  einbohrt  nnd  unter  der 
Oberhaut  verschwindet,  und  aus  dem  ausgeschnittenen  Crange 
lässt  sich  in  Verbindung  mit  anderen  Beobachtungsresultaten 
der  weitere  Lebenslauf  der  Milbe  erschliessen.  Sie  legt  hinter 
sich  Eier,  jeden  Tag  1 ,  höchstens  2 ,  im  Granzen  20 — 50,  viel- 
leicht auch  mehr. 

Die  Eier  (Fig.  54)  sind  oval,  mit  der  Längsachse  quer 
7A\  der  des  Ganges  gestellt,  circa  0-16  Mm.  lang.  Oll  Mm. 
breit  und  zu  12—20  und  mehr  in  einem  Crange  zugegen.  Die 
zuletzt  gelegten,  unmittelbar  hinter  der  Milbe  befindlichen 
2 — 3  Eier  sind  mit  gefurchtem  Dotter  erfüllt,  im  3. — 5.  ist 
bereits  die  Anlage  des  Embryo ,  ^im  6.-9.  die  Milbenlarve  in 
den  ältesten  oft  schon  mit  Kopf  und  vorderem  Eusspaare 
deutlich  zu  sehen  (Fig.  54  «). 

Fig.  56. 


Milbenlarve  mit  6  Beinen  (Bauch-  Zweite  Häutimg. 

fläche')  Innerhalb  einer  achtbeinigen  Milbe  er- 

^'  kennt  man  das  neu   sich  entwickelnde, 

ebenfalls  achtbeinige  Thier. 


Die  Milbenlarve  (Fig.  55)  ist  sechsbeinig,  hat  binnen 
3_6  Tagen  ihre  Vollendung  erreicht,  durchbricht  die  Eischale, 
wächst  bis  zu  0-15  Mm.  Länge  und  O'IO  Mm.  Breite  heran  \md 


Scabies.  Krätzmilbe.  759 

kriecht  zuv  EiubohrmigsöfFnung  des  Ganges,  nacli  Einigen 
(G-ERLACH,  BouRGüiGNON,  Borchhard)  cliircli  „Luftlöcher"  der 
Gangdecke  zu  Tage,  liräft  auf  der  Haut  eine  Zeit  lang  umher 
und  bohrt  sich  dann  in  ein  kurzes  Nest,  wo  sie  ihren  Häutungs- 
process  durchmacht. 

Die  Milbe  macht  3  (nach  Gudden,  Fürstenberg,  Bourgui- 
GNON  4)  HäutiTugen  durch.  Die  aus  dem  Ei  gekrochene  Larve 
hat  mir  1  Paar  Hinterbeine,  2  Analborsten  imd  10  Uücken- 
dornen  Aus  der  ersten  Häutung  (2.  Stadium)  geht  eine  acht- 
beinige  Milbe  hervor,  mit  4  Analborsten  und  12  Rückendornen. 
Li  der  zweiten  Häutung  gewinnt  die  Mübe  noch  2  Rücken- 
dornen und  das  mit  14  Dornen  ausgestattete  Thier  wird  nach 
der  dritten  Häutung  (4.  Stadium)  zur  geschleclitsreifen  Mübe. 

Ausserhalb  der  Haut  kann  die  IVLlbe  2-3  Tage  und  auch 
in  die  Luft  abschliessenden  Flüssigkeiten  (Wasser,  Oel,  Petro- 
leum) längere  Zeit  am  Leben  bleiben. 

Dass  die  bei  verschiedenen  Thieren  (Schaf,  Katze,  Frett- 
chen, Kaninchen,  Pferd,  Kameel,  Dromedar,  Elephant  u.  aO 
vorkommenden  Krätzmüben  wesentlich  derselben  (vielleicht  nach 
dem  besonderen  Nährboden  in  der  Grösse  der  Individuen  al- 
terirten)  Mübenart,  wie  der  Acarus  des  Menschen  angehören, 
scheint  diu'ch  die  häufig  constatirten  wechselseitigen  Uebev- 
tragimgen  zwischen  Thier  und  Mensch,  und  nach  dem  Ergebniss 
vergleichender  Untersuchungen  erwiesen. 


NeuDündvierzigste  Vorlesung. 


Scabies.  (Fortsetzung). 

Symptome,  Pathologie,  Aetiologie,  Therapie. 

Die  Symptome  der  Krätze  besteneri  mui  iu  er.ster 
lleihe  in  jenen  Veränderungen  des  Haiitorganes ,  welche  die 
Krätzmilben  durch  ihren  Lebensaufenthalt  innerhalb  der  Epi- 
tlermis  direct  veranlassen,  und  unter  diesen  bildet  das  hervor- 
ragendste der  Milbengang  (sillon). 

Um  einen  solchen  aiTs  seinem  verschiedentlicheu ,  aber 
s tets  charakteristischen  klinischen  Ansehen  —  ohne  Bei- 
liilfe  der  mikroskopischen  Untersiichung  —  constatiren  zu 
können ,  ist  es  zu  wissen  nothwendig ,  wie  derselbe  entsteht 
und  wie  seine  Merkmale  successive  hervortreten. 

Dort,  wo  die  Milbe  sich  einbohrt,  wird  die  Epidermis 
in  einem  rundlichen  Umkreise  von  1 — 2  Mm.  zerwühlt,  wie  in 
der  schematischen  Zeichnung  (Fig.  57  a)  zu  sehen ,  oder  ent- 
steht durch  den  Reiz ,  welchen  das  Beissen  und  Wühlen  der 
^lilbe  veranlasst ,  Exsudation  und  ein  Bläschen ,  welches  gar 
nichts  für  Krätze  Charakteristisches  hat  und  nach  Vertrocknung 
und  Abblätterung  der  Decke  wieder  eine  trichterförmige  (im 
Durchschnitte  Fig.  57  a  ovale)  Exfoliation  der  Epidermis.  Xun 
bohrt  die  Milbe  weiter,  um  in  die  Schichte  der  saftigen  Rete- 
zellen  zu  gelangen,  und  zwar  in  zur  Hautoberfiäche  schief  ab- 
steigender Riohtiuig  und  befände  sicl\  nun  aiif  Punkt  I  (Eig.  57  a). 
Wie  ruiter  jedem  fremden  Körper,  z.  B.  einem  eingestossenen 
Holzsplitter,  so  entsteht  auch  imter  der  durch  ilire  Bewegungen 
und  Angriffe  noch  mehr,  als  ein  fremder  Körper,  ii-ritirendeii 
Milbe  eine  eliminatorische  Epidermisliyperplasie  und  Verliornung 


Scabies,  Nosologie. 


7G1 


bei  Punkt  I.  Dadurch  wii-d  eiuestheils  die  Partie  iu  die  Hölie 
gehoben,  zugleich  auch  die  Milbe  von  der  nährenden  Schichte 
det«  Rete  abgeschieden.  Sie  bohrt  also  weiter  in  die  Tiefe,  um 
Nahrung  —  zugleich  Raum  für  die  Eier  —  zu  finden  und  ge- 
langt bis  Punkt  II.  Hier  meder  die  eliminatorische  Epidermis- 
verhornuug  uiiter  ihr  (2  Eig.  57  a) ,  das  Emporgehobenwerden 
des  alten  G-angtheiles  und  die  Nothwendigkeit  für  die  Milbe 
weiter  zu  bohren,  womit  sie  Punkt  III,  wieder  relativ  zu 
Punkt  II  und  I  schief  abwärts  erreicht,  und  somit  ist  der 
Milbengang  und  sein  charakteristisches  Ansehen  gegeben. 

Fig.  57  a. 


n  Schematischer  Schief- üurchsclmitt  durcli  Epidermis,   Milbengang  und 
Papillarschiclit  der  Cutis. 

Derselbe  erscheint  als  ein  melu^ere  Millimeter,  oft  gar  1 
bis  2  Ctm.  langer,  gerader,  oder  meist  etwas  krummer,  zackig- 
bogenförmig verlaufender,  von  Stelle  zu  Stelle  punktirter ,  wie 
mit  einer  unter  die  Epidermis  vorgeschobenen  Nadel  gemachter 
Holilgang,  eine  Mine,  dessen  Contour  mit  einer  zu  Tage  liegenden, 
breit  oval  begrenzten  Exfolation  beginnt  —  Kopfende  des 
Ganges  —  (Eig.  57  a  vor  I),  alsbald  in  eine  schmale  Parallele 
übergeht,  deren  Linien  erst  am  Ende  des  Ganges  —  Schwanz- 
ende —  wieder  etwas  auseinander  weichen,  um  am  Ende  in 
einer  Rundung  ineinander  überzugehen  (Eig.  57  a  III),  die 
durch  ein  geblichweisses,  glänzendes  hervorragendes  Pünktchen, 
die  Milbe,  gekennzeichnet  ist.  Zugleich  ist  über  dem  älteren 
und  durch  die  unter  demselben  entstandene  Verhornung  in  die 


-^(59  Neunundvierzigste  Vorlesung. 

Hölie  geschobenen  Grangtlieile  die  Decke  vielfach  trocken,  ein- 
gesunken, zerklüftet,  ansgefaUen.  Je  mehr  dem  jüngsten  Tlieile 
sich  nähernd,  desto  tiefer  liegt  der  Canal ,  desto  dicker,  succu- 
lenter  ist  die  über  ilim  liegende  Epidermisdecke ,  desto  mehr 
weiss,  lebendig  sieht  der  Gang  ans,  dessen  Inhalt,  Eier  und 
Eaeces,  als  gelbliche  und  schwarze  Punkte,  durch  die  succulente 
Decke  durchschimmert ,  und  dessen  Ende  durch  ein  gelblich- 
weiss  schimmerndes  Knöpfchen,  die  Milbe,  gekennzeichnet  ist. 
Man  weiss  also,  dass  nicht  an  der  zerklüfteten,  sondern  an  der  suc- 
ciüenten  Seite,  und  zwar  am  knopfförmigen  Ende  des  Ganges, 
die  Milbe  herauszufischen  ist  und  es  gelingt  leicht  sie  zu  be- 
•kommen ,  indem  man  mittelst  der  Spitze  eines  Federmessers, 
oder  einer  nicht  federnden  Staarnadel  knapp  neben  dem  gelblich- 
weissen  Endpunkte  einsticht,  sachte  den  Inhalt  herausholt  und 
auf  den  Daumennagel  abstreift. 

In  dem  geschilderten  Ansehen  ist  der  Milbengang  typisch. 
Man  kann  denselben  für  die  Besichtigung  unter  dem  ]\Iikro- 
skope  mittels  Scheere  abkappen,  oder  indem  man,  wie  ich  zu 
thun  pflege ,  von  der  Milbenseite  her  mittels  einer  Impfnadel 
unter  denselben  durchfährt  und  am  Schwanzende  und  seitUch 
mit  der  Nadelspitze  und  Schneide  herausfährt.    Damit  ist  die 
den  Gang  enthaltende  Gewebsschichte  aufgeklappt  und  kann 
an  der  noch  haftenden  Seite  ohne  Quetschung  abgekappt  werden. 
Zwischen  zwei  Objectgläser  gepresst  und  unter  dem  i^Iiki^oskope 
besehen,  wird  nun  der  Mübengang  ein  instructives  Bild  des 
Eies    Eaeces  und  der  Milbe  geben ,  wie  in  Eig.  54. 

Etwas  anders  ist  das  Ansehen  des  Milbengaiiges ,  weim 
die  Anwesenheit  der  Milbe  eine  intensivere  Reizung  der  Pa- 
pillen veranlasst ,  so  dass  Exsudation ,  Bläschen-  und  Pustel- 
bildung erfolgt  (Scabies  pustulosa).  Dies  kann  m  jedem 
Stadium  ilires  Bohrens  geschehen.  Da  die  Exsudation  aber 
immer  von  den  Papülargefässen  aus  stattfindet,  so  wird  deren 
Product  stets  unter  der  hornigen  Zelllage  sich  befinden,  welche 
die  Basis  des  Milbengaiiges  bildet  und  die  Epidermisschichte, 
welche  diesen  einschliesst,  bildet  zugleich  die  Pusteldecke  und 
in  dieser  Decke  ist  die  punktirte  Linie  des  Milbengaiiges  zu 

sehen  wie  in  Fig.  57  i.  ...      a  ^  Ua 

Zugleich  bohrt  die  Milbe  sofort  weiter,  um  über  das  Be- 
reich des  Pustelherdes  hinaus  in  normales  Rete  zu  gela.ngen. 
Daher  sieht  man  stets  den  Pustelcontour  in  der  Verlängerung 


Scabies.  Nosologie. 


763 


der  punktirten  Milbenganglinien  etwas  ausgebuclitet  —  da  wo 
die  Milbe  vorgerückt  ist. 

Milbengänge  können  sick  an  jeder  Hautstelle  finden,  dock 
kommen  sie,  okne  dass  eine  Erklärung  dafür  gegeben  werden 
könnte,  an  gewissen  Oertlickkeiten  häufiger  vor,  weskalb  diese 
zu  kennen  für  den  praktischen  Arzt  sehr  wichtig  ist.  Diese 
sind  nach  der  Reihe  der  Häufigkeit  und  Menge :  Die  Beugeseite 
des  Handwiu'zelgelenkes ,  die  Seitenflächen  und  Uebergangs- 


JFig.  57  b. 


Scliematischer  Durchschnitt  durch  eine  Pustel  (P),  in   deren  Epidermis- 
decke  ein  Milben  gang  verläuft. 


Fig.  57  c. 


Dasselbe  in  Flächenansicht.    Die  Milbe  befindet  sich  jenseits  der  Pustelgrenze 

im  nicht  abgehobenen  Rete. 

falten  der  Pinger,  bei  Kindern  und  mit  zarter  Haiit  begabten 
Personen  die  Flachhand,  die  Streckseite  des  Ellbogens,  die 
vordere  Achselfalte,  die  Brustwarze  und  deren  Umgebung  bei 
weiblichen  Personen,  der  Nabel  und  dessen  Nachbarschaft,  der 
Penis  und  zwar  Eichel  und  Integument.  penis ,  Scrotum ,  da.s 
Gesäss  besonders  über  den  Trochanteren,  der  innere  Fussrand. 
Zu  diesen  Oertlichkeiten  sind  als  besonderer  Lieblingssitz  der 
Milbengänge  noch  zu  zählen  alle  jene  Hautstellen,  welche 
wiederholt  gedrückt  und  in  der  Epidermis   verdickt  worden. 


Neunjindvierzigste  Vorlesung. 


Daliei-  finden  sie  sicli  regelmässig  an  der  Taille  bei  Weibern 
nnd  Männern,  wo  Mieder  und  Riemen  die  Haut  schwielig  ge- 
macbt,  bei  Scliustern  über  den  Sitzknorren,  deren  Haut  vom 
hölzernen  Dreistulil  verdickt,  auf  den  Schultern  bei  Lastträgern, 
bei  Webern  über  dem  Rippejibogen,  der  vom  Webstuhl  oft  ge- 
presst  worden.  Die  genannten  Oertlichkeiten  bilden  die  regel- 
mässigen Localisationen  der  Milbengänge,  zugleich 
C'entralherde ,  von  denen  aus  die  Invasion  der  Milben  auf  die 
Nachbarschaft  überzugreifen  pflegt,  so  dass  bei  mässiger  Er- 
krankung einzelne  der  genannten  Regionen ,  am  regelmässigsten 
Hände,  Achselfalte  und  Penis  ,  bei  langer  Dauer  und  Inten- 
sität der  Krätze  nicht  nur  alle  aufgezählten  Hautstellen  dicht 
gedrängt,  sondern  auch  alle  zwischen  gelegenen  Hautpartien, 
des  Unterleibes,  Vorder-  und  Oberarmes ,  Nates ,  Oberschenkel, 
Sclmltern,  bei  Kindern  auch  Gresicht  und  behaarter  Kopf,  Hand- 
und  Fussrücken  von  Gängen  besetzt  erscheinen  können. 

Eine  nebst  den  Milbengängen  wichtige  objective  Erschei- 
nung der  Scabies  bildet  Eczem,  welches  zu  einem  Theile  als 
directer  Effect  der  Milbe ,  zum  anderen  als  indü^ecte  Folge  ihres 
Einflusses  sich  herausstellt. 

Zu  dem  Ersteren  sind  zu  zählen  die  an  der  Einboimuigs- 
steUe  der  Männchen ,  Jungen  und  unter  den  Gängen  entstehen- 
den Knötchen,  Pusteln,  Bläschen,  Blasen,  wonach 
man  ja  von  Scabies  vesiculosa ,  bullosa ,  pustulosa  spricht.  Doch 
haben  diese  Efflorescenzen  an  und  für  sich  nichts  für  Krätze 
Charakteristisches,  sondern  auir  insoferne  sie  mit  Milben- 
gängen complicirt  sind.  Manche  Menschen  und  Oertlichkeiten 
sind  besonders  dazu  disponirt.  So  finden  sich  bei  Kindern  xmd 
jugendlichen,  sovne  weiblichen  Personen,  bei  Scabies  der  Hände 
und  Füsse  da  oft  viele  und  grosse  Blasen  und  Pusteln ,  welche, 
wie  früher  gezeigt  worden  (Fig.  57  b),  den  Milbengang  vor  sich 
herwölben. 

An  der  Achselfalte ,  der  Brustwarze  und  dem  Warzenhof, 
am  Nabel ,  über  der  Hüfte  und  am  Penis  bilden  sieh  unter  den 
Milbengängen  rothe  ,  derbe ,  der  Richtung  der  letzteren  folgen- 
den Knoten ,  so  dass  der  Gang  auf  dem  Firste  je  eines  Knotens 
sitzt.  (Nebstdem  finden  sich  am  Penis  kurze ,  wie  eine  mit  einer 
Nadel  angebrachte  feine,  zackige  Ritze  aussehende  Gänge.) 

Ein  anderer  Theil  des  Eczems  entsteht  durch  reflectorische 
Reizung,  wie  bei  allen  schon  bestehenden  Eczemen,  sowie  durch 


Scabies.  Nosologie. 


705 


örtliolie  Complieatiüii ,  Eiterabsperrung ;  vorwiegend  (hirch  das 
Kratzen,  zw  welchem  theils  die  Milben  selbst,  tlieils  das 
schon  bestellende  Eczeni  Veranlassung  gibt. 

Das  Jucken  bei  Krätze  ist  sehr  intensiv,  aber  nicht 
stetig  zngegen ,  sondern  macht  sich  zumeist  des  Abends  beim 
Entkleiden  und  in  der  Bettwärme  geltend ,  offenbar ,  weil  da 
die  IMilben  ihr  Bohr-,  Wander-  nnd  Ernälmingsgeschäft  am 
lebhaftesten  betreiben.  Das  Kratzen  führt  nun  zur  Steige- 
runs-  des  Eczems  und  da  Jucken  und  Kratzen  auch  vornehmlich 
die  Krätzherde  betreffen ,  so  entwickelt  sich  auch  an  diesen  das 
consecntive  Eczem  am  intensivsten. 

Die  Eczemerscheinnngen  halten  demnach  ihrer 
Intensität  nach  auch  die  Localisationen  der  Milben- 
gänge  ein.  Diese  Thatsache  ist  ein  wichtiges  objectives  Sym- 
ptom der  Krätze.  Die  eczematöse  Eruption  besteht  im  Allge- 
meinen in  discreten  Knötchen  und  Bläschen ,  welche  in  demselben 
Masse,  als  sie  selber  zerkratzt  werden,  mit  Pusteln,  Borken 
und  blutigen  Excoriationen  sich  combiniren ;  seltener  in  diffusem, 
nässendem  Eczem.  Dasselbe  occupirt  in  typischer  Weise  das 
Hantterritorium  von  den  Brustwarzen  bis  etwa  zn  den  Knieen, 
indem  der  vordere  Stamm  von  den  Warzen  abwärts,  die  Scham- 
gegend und  die  inneren  Oberschenkelflächen  von  jenen  discreten 
Efflorescenzen  und  Kratzeffecten  besetzt  sind ;  ferners  die  innere 
Fläche  der  Arme,  die  Nates ,  die  Unterschenkel ,  alle  Regionen, 
welche  den  kratzenden  Fingern  bequem  zugänglich  sind  (daher 
weniger  den  Rücken) ,  immer  mit  dem  Charakteristicnm ,  dass 
an  den  Hanptherden  der  Milbengänge,  Warzen,  Penis,  Achsel- 
falten etc.,  und  deren  nnmittelbare  Umgebung  die  Eczemernption 
am  dichtesten  gedrängt  erscheint.  Das  Bild  ist  so  charakteristisch,, 
dass  es  schon  von  feriie  besehen  als  von  Scabies  herrührend 
sich  7A\  erkemien  gibt. 

Am  intensivsten  pflegt  dasselbe  alsE.  pustniosum,  crustosum 
und  mit  Infiltration  der  Haut  vergesellschaftet  an  den  Händen, 
an  der  weiblichen  Mamma ,  am  Gresäss  der  Schuster ,  nebstdem 
manchmal  am  Penis  nnd  Scrotnm ,  an  Händen  und  Füssen  zn 
sein  ,  sowie  überhaupt  an  allen  Hantstellen ,  welche  mit  Drnck- 
schwielen  besetzt  sind.  An  Händen  und  Füssen  von  Säuglingen 
nnd  jugendlichen  Personen  kommen  unter  nnd  neben  Milben- 
gängen grosse ,  oft  rupiaartig    fortschreitende  Bläschen  nnd 


766 


Neunundvierzigste  Vorlesung. 


Blasen  vor ,  deren  Krusten  die  Milbengänge  bis  zur  Unkenntlicli- 
Iceit  verdecken. 

Als  „Scabies  norwegica"  s.  Boeckh  (s.  crustosa)  hat 
Hebea  eine  eigentliümlicbe ,  vorerst  an  Leprosen  von  Boeck  und 
Danielssen,  später  von  Füchs,  Gompert  und  Bamberger,  Beegh, 
RiGLER,  Vogel,  Düben,  Mittermayer  und  in  einzelnen  Fällen 
auch  an  unserer  Klinik  gesehene  Krätzform  beschrieljen ,  bei 
welcher  in  Folge  von  jahrelangem  Bestände  der  AfFection ,  oder 
bei  Manchen  auch,  unter  individueller  Disposition,  nach  kürzerer 
Frist  mehrere  Millimeter  dicke  Epidermisschmelen  an  der 
Flachhand  und  Fuss  so  hie,  an  den  Ellbogen,   am  Knie 


Fig.  58. 


Borke  von  Scabies  crustosa,  Milben  in  verscliiedenen 
Entwicklungsstadien,  Milbenei,  Faeces. 

entstanden  sind,  innerhalb  welcher  die  Milben  nicht  in  regel- 
mässigen Gängen ,  sondern,  wie  bei  Scabies  pecorina.  in  unregel- 
mässig gegrabenen  Eärunen  sich  vorfanden.  Wahrscheinlich  lag 
dies  in  der  grossen  Menge  der  Milben,  deren  eine  Unzahl  in 
allen  möglichen  Entwicklungsstadien  innerhalb  der  Schleim- 
schichte zu  finden  waren,  während  die  für  die  Ernährung  unzu- 
reichenden Hornzellenlagen  mir  todte  Reste  derselben  enthielten. 
Auch  käsige  Verdickung  der  Fingernägel,  imd  Ausfallen 
der  Kopfhaare  ist  als  Folge  der  massenhaften  Milben  beobachtet 
worden ,  gerade  so  wie  bei  der  Krätzräude  der  Tliiere.  Ein  im 
Besitze  der  hiesigen  Klinik  befindlicher  Fingernagel  von  Borken- 
krätze  enthält  in  unregelmässigen  Höhhuigen  Milbenreste  in 

reicher  Menge. 

Die  Entwicklung  der  Krätze  erfolgt,  wie  die  expen- 
menteUe  Uebertragung ,  sowie  die  zufäUigen  Erkrankungen 
lehren,  sofort  imter  Juckempfindung,  die  mit  dem  Fortschreiten 


Scabies.  Nosologie. 


767 


der  Erkrankung  au  Intensität  zunimmt.  Da  bis  zur  Entwick- 
lung eines  einzigen  schönen  Milbenganges  ein  Zeitraum  von 
8  bis  14  Tagen  verstreicht  und  zur  Entstehi^ng  neuer  Gränge 
durch  avisgewanderte  und  von  ihrer  Häutung  absolvirte  und 
befruchtete  Milben  wieder  einige  Woclien  vergehen,  so  kann 
jede  vielfach  localisirte,  wenn  aivch  mässig  entwickelte  Scabies 
als  mindestens  6  Wochen  bis  3  Monate  alt  angesehen  werden. 
Bei  ungestörtem  Verlaufe  breitet  sich  die  Erkrankung  bimien 
wenigen  Monaten  allgemein  aus ,  immer  mit  der  stärkeren  Aus- 
prägung der  Symptome  (Gränge  und  Eczem)  an  den  aufgezäldten 
typischen  Localisationen ,  und  kann  dieselbe  dann  unbegrenzt 
lange,  das  ganze  Leben  hindirrch  bestehen,  wie  einzelne  von 
Reisenden,  von  Boeck,  Hebba,  an  Leprosen  in  Norwegen  gemachte 
Beobachtungen  lehren.  Eine  andere  Wirkung  als  die  geschilderte 
Eeihe  von  Veränderungen  an  der  Haut  hat  Scabies  auch 
bei  so  langem  Bestände  nicht  zur  Eolge,  namentlicli  keinerlei 
Benachtheiligung  innerer  Organe  oder  Functionen. 

Während  der  Dauer  von  fieberhaften  und  depascirenden 
Krankheiten ,  Pneumonie ,  Variola ,  Typhus ,  schweren  Puer- 
perien etc.  verschwinden  die  Symptome  der  Krätze ,  indem  das 
Jucken  aufliört ,  die  Eczemeruptionen  schwinden  und  die  Milben- 
gänge rmdeutlich  werden.  Die  Scabies-Erscheinnngen  treten 
aber  in  der  Reconvalescenz  von  diesen  Krankheiten  deutlich 
wieder  auf.  Diese  Thatsache  hat  zur  Zeit ,  als  man  noch 
in  das  AVesen  der  Scabies  und  auch  in  die  Pathologie  jener 
fieberhaften  Processe  keine  Einsicht  hatte  ,  den  Grlauben  erweckt 
und  gestützt ,  dass  das  Erlöschen  der  Krätze  jene  scliweren 
und  lebensgefährlichen  Allgemeinerkrankungen  verschuldet  habe, 
dass  diese  die  Folge  der  durch  „Erkältung",  „Verschmieren"  etc. 
„zurückgetretenen",  „verschlagenen"  Krätze,  dass  sie  Krätz- 
metastasen seien.  Es  ist  klar,  um  was  es  sich  da  handelt.  Li 
der  durch  Fieber  abnorm  heissen,  trockenen,  durcli  Anämie 
atonischen  Haut  sterben  die  Milben  ab,  daher  kein  Jucken 
und  Kratzen,  und  als  weitere  Consequenz  Rückbildung  des 
Eczems.  Die  Eier  aber  bleiben  erhalten.  Li  der  wälirend  der 
Reconvalescenz  turgescirenden  Haut  kriechen  aus  diesen  junge 
Milben  und  beginnen  die  Krätzsymptome  auf's  Neue. 

Die  Ursache  der  Scabies  bedarf  nach  dem  Besprochenen 
•keiner  neuerlichen  Erörterung:  sie  ist  einzig  im  Sarcoptes 
gegeben.  Die  Ansteckung  mittels  Krätze  erfolgt  nur,  wenn 


Neiinundvierzigste  Vorlesung. 


luelix'ere  träclitige  Milben,  oder  Weihchen  und  Männclien  zu- 
gleich auf  die  Haut  gelangen  und  sich  da  einnisten ,  sei  es  von 
Menschen  auf  Menschen,  sei  es  von  rändigen  Thieren.  Die 
erstere  Art  der  Ansteckung  ist  die  vulgäre.  Sie  erfolgt  ziemlich 
leicht ,  aber  doch  nur  hei  längerem  und  dauernderem  Contact  und 
besonders  in  der  Bettwärme ,  beim  Zusammenschlafen ,  unter 
Umständen ,  unter  welchen  die  Milben  auf  der  Hantoberfläche 
ihren  verschiedenen  Zwecken  (Begattung ,  Einbohrung)  nach- 
gehen. Bei  Tage  und  flüchtigen  Berührungen,  oder  durch  den 
(Tebranch  von  Geräthen  und  Kleidixngsstücken  Krätzkvanker 
wird  gewiss  schwer  Scabies  gewonnen.  Ich  demonstrire  jahraus 
jahrein  die  Scabiösen  in  der  Vorlesung  von  Gruppe  zu  Gruppe, 
halte  dabei  die  milbengespickte  Hand  minutenlang ,  wasche  auch 
die  meinige  oft  erst  eine  halbe  Stunde  später,  habe  aber  noch 
nie  dabei  Krätze  bekommen.  Unter  den  Gesellschaftsclassen, 
welche  bei  uns  das  grösste  Contingent  von  Ki'ätzigen  liefern, 
sind  diejenigen  zu  nennen,  bei  denen  die  Arbeiter  (Lehrlinge) 
7AX  Zweien  ein  Bett  inne  zu  haben  pflegen , ,  Allen  voran  die 
Schuster ,  demnächst  die  Schneider.  Die  Schuster  bilden  40  bis 
r)07o  unserer  Scabiösen,  die  Schneider  20  bis  ;)0'>lo  miä  Beide 
haben  bewirkt,  dass  wir  in  früheren  Jahren  an  1000  bis  1200 
Krätzige  im  Jahre  auf  der  dermatologischen  Abtheilung  zur 
Behandlung  hatten.  Seit  dem  Jahre  18(34,  seitdem  die  Hand- 
werks-Innungen ihre  eigenen  Aerzte  bestellt  haben ,  welche  die 
Krätzkranken  ambulatorisch  behandeln ,  hat  sich  der  Stand  der 
auf  der  Klinik  an  Krätze  Behandelten  auf  200  bis  300  per  Jahr 
vermindert.  Aber  bei  den  Schustern  ist  noch  immer  die  Krätze 
vorwiegend,  und  Dr.  Weinberg  ,  Innungsarzt  der  Schuster ,  hat 
von  lS64bis  mm,  d.  i.  innerhalb  15  Jahren,  xmter.  29.497  ambula- 
torischen Schustern  5632  Scabiöse ,  d.  i.  an  20 "/o  aUer  Kranken 
ausgewiesen. 

Zur  Diagnose  der  Krätze  bedarf  es  blos  genügender 
Aufmerksamkeit  gegenüber  ihren  charakteristischen  Symptomen. 
Und  doch  ist  es  Thatsache,  dass  kaum  eine  Dermatose  häufiger, 
auch  von  sonst  gut  unterrichteten  Aerzten  übersehen  nml  ver- 
kannt wird,  als  Scabies  und  der  Fälle  sind  uns  genug  vor- 
gekommen, in  welchen  Kranke  wegen  heftigen  Juckens  und 
Kratzens  (und  Eczem)  Monate  und  Jahre  hindui-eli  mit  inner- 
lichen und  äusserlichen  Mitteln,  Trink-  und  Badecuren.  aber 
ohne  Erfolg,   behandelt  worden  sind,   einzig  und  allein,  weil 


Scabies.  Nosologie. 


760 


die  Diagnose   „Krätze"  nicht  gemacht  worden  war,  während, 
wie  nnser  Vorgehen  lelirte ,   die  Einreibung  eines  beliebigen 
Krätzmittels  mit  einem  Schlage  dem  langen  Leiden  ein  Ende 
gemacht  hätte.   Man  kann  nun  freilich  nicht  erwarten,  dass 
jeder  Arzt  die  Kunstfertigkeit  besitze,  Milben  herausziiholen, 
und  es  ist  dies  in  complicirten  und  durch  Baden,   Seifen  etc. 
veränderten  Formen  auch  für  den  Fachmann  nicht  leicht.  Aber 
die  Krankheit  zu  diagnosticiren ,   ist  denn  doch  nicht  schwer. 
Tu  typischen  Fällen  sind  ja  die  Milbengänge  gut  kenntlich.  Nur 
beschränke  man  sich  nicht  allein  auf  das  Examen  der  Hände, 
an  denen  die  Gränge  durch  Einwirkung  von  Seife  bei  Personen 
der  besseren  Stände,  sowie  bei  weiblichen  Dienstleuten;  durch 
Säuren,  mechanische  Reibung,  bei  Handwerkern,  bis  zur  Un- 
kenntlichkeit zerstört  zu  sein  pflegen;   sondern  besehe  auch 
den  Penis,  bei  Frauen  die  Brustwarzen  und  die  Stelle  unter 
den  Rippen,  wo  die  ßockbänder  gedrückt  haben,  an  welchen 
gewiss  Milbengänge  imd  längliche  Knoten  sich  vorfinden  werden. 
Aiich  wenn  dieselben  durch  unvollständig  durchgeführte  Krätz- 
curen  zerstört  worden  sind,  erkennt  man  noch  die  charakteri- 
stischen Contouren  der  Milbengänge  (Fig.  57),  welche  von 
gewöluilichen  Hautritzen  durch  den  streckenweisen  parallelen 
Lauf  und  die  Divergenz  nach  der  einen  (der  Anfangs-)  Seite, 
die  runde  Verschmelzung  nach  der  anderen  Seite  sich  kenn- 
zeichnen. 

Ein  weiterer  diagnostischer  Behelf  ist  neben  dem  Charakter 
desEczems  (als  grösstentheüs  aus  discreten  Knötchen,  Bläschen 
und  Pusteln  bestehend)  dessen  vorwiegende  Localisation  an 
den  früher  besprochenen  Körperstellen.  Und  ich  möchte  rathen, 
jeden  Kranklieitsfall,  in  welchem  eine  solche  Localisation  sicli 
dem  Beschauer  aufdrängt,  ohneweiters  als  Scabies  zu  diagno- 
sticiren, oder  wenigstens  —  worauf  es  ja  in  der  Praxis  an- 
kömmt —  als  solchen  zu  behandeln.  Denn  man  wird  durch 
die  Application  einer  Krätzsalbe  gewiss  den  grössten  Theil 
der  Symptome,  Eczem  und  Jucken,  beseitigen,  awf  keinen  Fall 
aber  auch  da,  wo  die  Amiahme  von  Krätze  nicht  zutrifft, 
schaden;  gewiss  weniger,  als  durch  unthätiges  Gehenlassen 
und  weit  vom  Ziel  abschweifende  Trink-  und  Badecuren. 

Die  Prognose  der  Krätze,  auch  solcher,  die  jahrelang, 
in  allgemeiner  Verbreitung  und  mit  Complicationen  aller  Art 
bestanden,  ist  absolut  günstig,  da  die  Krankheit  mit  grösster 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  49 


Y'jQ  Neuuundvierzigste  Vorlesung. 

Sicherheit  und  in  kürzester  Frist  für  alle  Dauer  geheilt 
werden  kann. 

Der  Therapie  der  Scabies  ist  die  zu  erfüllende  Aufgabe 
bestimmt  vorgezeichnet.  In  erster  Reihe  handelt  es  sich  darum, 
das  ursächliche  und  unterhaltende  Moment  der  Krankheit,  die 
Krätzmilben  und  ihre  Brut  zu  vernichten.  Mit  der 
Eliminirung  dieser  wird  auch  in  Einem  das  Jucken  und 
Kratzen,  mit  letzteren  eine  Ursache  des  Eczems  beseitigt 
und  ist  Gelegenheit  geschaffen  zur  spontanen  Involution  des 
bestehenden  Eczems. 

Da  aber  Eczem  selber  juckt  und  zu  Kratzen  veranlas.st, 
auch  in  vielen  Fällen  von  Krätze  dasselbe  bis  zur  Intensität 
einer  selbständigen  Krankheit  sich  entwickelt  hat,  das  Lidi- 
viduum  aber  thatsächlich  nicht  gesund  und  arbeitsfähig  ist, 
so  lange  dieses  zugegen  ist,  so  besteht  die  zweite  Aufgabe  in 
Heilung  des  Eczems. 

Dieser  Umstände  sich  bewsst  zu  sein,  ist  nothwendig, 
Angesichts  der  in  den  letzten  Jahren  von  vielen  Seiten  an- 
gerühmten „Schnellcuren"  der  Krätze.  Denn  dem  in  die  Sach- 
lage Eingeweihten  wird  es  klar,  dass  die  erwähnte  erste  Be- 
dingung der  Therapie,  die  Tödtung  der  Müben,  zwar  jedesmal 
rasch  gelingt  und  damit  der  Patient  in  vielen  EäUen  auch 
factisch  hergestellt  ist,  dass  aber  dort,  wo  intensives  Eczem 
sich  vorfindet,  mit  der  meritorischen  Heilung  der  Krätze  der 
Kranke  factisch  doch  nicht  genesen  ist,   da  es  noch  gilt,  das 
Eczem  zu  heüen,  dies  aber  nie  durch  eine  SchneUcur,  sondern 
oft  erst  durch  mehrtägige,  oder  wochenlange  Behandlung  gelingt. 
AYeil  wir  nun  den  Krätzkranken  nicht  für  geheilt  betrachten, 
wie  dies  ja  auch  der  Thatsache  entspricht,  bevor  nicht  alle 
aus  der  iirsprünglichen  Ursache  hervorgegangenen  Krankheits- 
erscheinungen gefügt,  und  das  Individuum  seinem  Berufe  und 
Wohlbefinden  wiedergegeben  ist,  so  rühmen  wir  uns  auch  nicht 
der  Meisterschaft  in  der  SchneUcur  der  Krätze,  sondern  ge- 
stehen, dass  bei  uns  im  Spitale  die  durchschnittliche  Beliaud- 
lungsd'auer  derselben  bei  Männern  3—5,  bei  Weibern  5—7  Tage 
beträgt-  u.  z.  weil  bei  Ersteren  (bei  Schustern  und  anderen 
Handwerkern)  das  Eczem  ad  Nates,  bei  Weibern  das  der  Mamma 
oft  2— ß  Wochen  zur  Heilung  braucht. 

Die  Arzneimittel,  welche  zur  Tödtung  der  Milben 
d  ihrer  Brut  sich  als  wirksam  und  verlässlich  erwiesen 


\i  n  ( I 


Scabies.  Therapie. 


77i 


haben,  sind:  Scliwefel;  die  Infusionen,  Deeocte  und  ätheri- 
schen Oele  gewisser  Pflanzen:  Semina  Staphysagriae,  Helle- 
boru8,  Baccae  lauri,  Oleum  Caryoiohyllorum,  Roris  marini, 
Menthae  u.  Ä. ;  ferner  balsamische  xmd  empyreuma- 
ti sehe  Oele,  Bals.  periivianus,  de  Tolu,  Petroleum,  (Decaisne) 
Styrax,  (Pastau)  Theer.  An  diese  sind  noch  solche  Mittel  zu 
reihen,  welche,  indem  sie  die  Epidermis  maceriren ,  das 
Eindringen  der  genannten  Parasiticidia  in  die  Milbengänge 
erleichtern,  als  Seife  und  rauhe  Pulver  (Kreide,  Bimsstem). 

Von  den  genannten  ArzneistofFen  hat  die  Empirie  im 
Laufe  der  Zeit  nach  Hunderten  zählende  Combinationen  gemacht, 
welche  als  „Krätzsalben",  „Krätzmittel"  mehr  weniger  renom- 
mirt  geworden  smd  und  in  der  Anwendung  sicli  bewährt  haben. 

Von  denselben  seien  hier  einige  angeführt: 

Helmerich's  Salbe:  Sulf.  citrini  10,  Subcarbonat. 
Potassael,  Axungiae40.  —  ALiBERT'sSalbe:Flor.sulf.40, 
Muriat.  Ammoniae  10,  Axung.  80.  —  Jadelot's  Salbe: 
Kalii  sulfurat.  20,  Sapon.  alb.  80,  Olei  olivar.  14. 
Olei  Thymi  1.  Vezin's  Salbe:  Flor,  sulf.;  Sapon.  alb.: 
Axung;  aEi20;  Pulv.  hellebori  albi  1,  Nitri  pur.  0,1; 
—  Unguent.  Wilkinsoni  modif.  (Hebra):  Flor,  sulf.;  Olei 
fagi  äa  40;  Sapon.  viridis,  Axung.  p  o  r  ci  ^  80,  Greta  e 
alb.  pulv.  5.  —  "Weinberg's  Salbe:  Styr acis  liquidi,  Flor, 
sulfuris,  Cretae  albae  10,  Sapon.  viridis,  Axung. 
porci.  ^  20.  —  Boürgüignon's  Salbe:  Olei  lavand.,  Men- 
thae, Caryophjdlor.,  Cinnamomi,  aa  1,50,  Grummi 
tragacanth  5,  Kali  carbonici  35.  Flor.  sulf.  100. 
Grlycerini  200,  (sehr  theuer).  —  Adolf's  Salbe:  Flor, 
sulf.;  Baccar.  juniperi;  Baccar  laur.  pulv.;  Axung, 
p  0  r  c  i  äa  35 ;  —  S  0 1  u  t.  Vleäiingkx  (Kalk-Schwefelleber-Lösung 
magistraler  Formel). 

Ebenso  können  Schmierseife  allein,  oder  die  käufliche 
Schwefelseife,  S chwef elsandseif  e;  oder  Perubalsam, 
oder  Styrax  pur,  oder  mit  Oelen  gemischt  nützlich  sein,  während 
Petroleum  allein,  und  alle  aromatischen  wässerigen  Aufgüsse 
und  Deeocte  weniger  verlässlich  sind. 

Bei  der  Wahl  des  Mittels  und  der  Methode  seiner 
Anwendung  soll  nach  unserer  Erfahrung  die  doppelte 
Rücksicht  massgebend  sein,  welche  bei  der  Therapie  principiell 
zu  erfüllen  ist.  Darnach  ist  jenes  Mittel  und  in  jener  Metliode 

49* 


772 


Nenmindvierzigste  Vorlesung. 


am  besten  zu  empfehlen,  welches  am  promptesten  die  Milben 
und  ihre  Gänge  zerstört  und  am  wenigsten  die  Haut  reizt. 
In  diesem  Sinne  ist  üngu.  Wilkinsoni  modif.  wohl  das 
allerbeste  Krätzmittel.  Unter  demselben  schrumpfen  die 
(xänge  und  auch  die  Eczemeruptionen  ein  und  sistirt  sofort 
das  Jucken.  Zugleich  gibt  die  scliwarze  Injection  der  Gänge 
mittels  des  Theeres  die  positive  Ueberzeugung,  dass  die  Milben 
und  ihre  Brut  mit  dem  Mittel  imprägnirt  worden  sind,  so  dass, 
wenn  auch  nachträglich  Jucken  auftreten  sollte,  der  Arzt  vor 
der  Verlockung  behütet  ist,  neuerdings  eine  Krätzsall)e  ein- 
schmieren zu  lassen,  da  unter  solchen  Umständen  das  Jucken 
gewiss  nur  von  Eczem,  nicht  von  Krätzmilben  herrülirt.  Ich 
möchte  daher  auf  Grund  der  von  uns  wiederholt  und  jüngst 
abermals  im  Grossen  durchgeführten  vergleichenden  Versuche  und 
ihrer  Resultate  empfehlen,  in  jedem  Falle  von  intensiver  Scabies, 
in  der  Privatpraxis  wie  im  Spitale,  das  Ungu.  Welkixsoxi 
mo  dif.  zu  verwenden.  Gegen  massige  Erkrankungsfälle  reichen 
aus:  Bals.  peruvianus  pur,  oder  ein  Liniment  von  der 
Formel:  Styracis  liquid.  5,  Petrol.  venalis,  Olei  olivar.  ^  15, 
Bals.  peruvian.  10,  Spirit.  sapon.  kaiin.  20;  oder  Rep.  Flor, 
sulf.  15,  Ungu.  emoU.  30,  Olei  lavand.,  Menthae,  Naphae  ^ 
gutt.  quinque. 

Alle  fettigen  Mittel,  wie  Perubalsam,  Styrax  etc.  liaben 
dagegen  den  Nachtheil,  dass  unter  ihrer  Anwendung  erstens 
die  bestehenden  Eczeme  nicht  eintrocknen,  und  zweitens,  dass 
die  Milbengänge,  wegen  Aufquellen  ihrer  Epidermisdecke,  blass 
und  succulent  und  dabei  farblos  aussehen,  so  dass  man  nur 
schwer  überzeugt  ist,  ob  auch  in  jedem  Gange  Milben  und  Eier 
getödtet  sind  ;  so  dass  in  Folge  der  nach  jeder  Art  Cur,  be- 
sonders nach  Schwefelsalben  auftretenden  Eczemeruption  und 
Jiickens  der  Arzt  leicht  verführt  wird,  die  Cur  zu  erneuern, 
was  meist  zum  Schaden  der  Haut,  inuner  aber  zur  Protrahirung 
der  Behandlung  führt. 

Eine  Vorbereitung  der  Haut  durch  Bad  und  Abreibung 
mittels  Seife  ist  unnöthig,  bei  Gegenwart  von  Eczem  auch 
schädlich.  Es  genügt,  die  Krätzsalbe  mit  der  Hand,  ein  öliges 
Mittel  mittels  Flanelllappens  energisch  in  die  Haut  einzureiben. 
"Wiclitig  ist  nur,  dass  zunächst  alle  Hautstellen  energisch  be- 
arbeitet werden,  welche  vorwiegend  der  Sitz  von  MUbengängen 
sind.   Es  werden  also  zuerst  die  einzelnen  Finger,  die  Finger- 


«  Scabies.  Therapie.  77;') 

falten,  die  Beuge  des  Handwurzelgelenkes,  ElacUiand  und  Hand- 
rücken ,  sodann  die  Streckseiten  der  Ellbogen,  die  vordere 
Acliselfalte,  die  Brustwarzen  und  Umgebung,  der  Nabel,  die 
Hüfte,  das  Glesäss,  besonders  die  Haut  über  den  Sitzknorren,- 
die  Backenfalten,  Penis  und  Scrotum,  der  innere  Fussrüst, 
einzeln  und  energiscb  eingerieben,  worauf  daim  das  Mittel  noch 
allgemein  über  die  Haut  versclimiert  wird.  Zwei  Einreibvingen 
gut  gemacht  genügen  ein-  für  allemal.  Das  Niederlegen  der 
Ea-anken  zwischen  Wolldecken,  oder  gar  Schwitzen  (ehemalige 
„englische"  Methode)  derselben  ist  unnöthig  und  sogar  schädlich, 
insoferne  derart  arteficielles  Eczem  hervorgerufen  wird.  Man 
lasse  den  Kranken  nach  der  Inunction  Wollkleider  auf  den 
blossen  Leib  nehmen,  oder  (im  Spitale)  zwischen  AVolldecken 
sich  legen,  damit  die  Salbe  nicht  in  die  Wäsche  sich  imbibire, 
und  warte  bis  nicht  nur  die  Haut  ganz  trocken  geworden, 
sondern  auch  die  verschrumpfte  Epidermis  (nach  Ung.  Wilkinsoni 
und  allen  Seifensalben)  sich  überall  abgestossen  und  alle  SjTuptome 
der  Hautreizung,  die  in  den  wenigsten  FäUen  ausbleiben,  als 
Urticaria,  Eczema  papulosuui,  verschwunden  sind.  Erst  dann 
gestatte  man  ein  ßeinigungsbad.  Durchschnittlich  eignet  sich 
hiefür  der  3. — 5.  Tag.  Nachträglich  habe  man  Acht  durch 
Empudern,  Abhalten  des  irritirenden  Schweisses  luid  Verbot 
des  weiteren  Badens  jede  luxnöthige  Reizung  der  Haut  und  die 
Ursache  für  arteficielles  Eczem  fernzuhalten,  u.  z.  dies  um  so 
sorgfältiger,  je  mehr  ein  Hautorgan  sich  für  arteficielles  Eczem 
disponirt  zeigt. 

Nach  intensiver  Scabies  bleibt  zumeist  noch  Eczem  zurück, 
als  Nässen,  Knoten,  Pusteln  ad  Nates  bei  Schustern,  Eczem 
der  Mamma  bei  Erauen,  Pustel-  und  Blasenbildung  an  den 
Eingern.  Solche  Eczeme  werden  nach  den  bekannten  Regeln 
mittels  Ung.  Diachyli,  nassen  Umschlägen,  Aetzungen  mittels 
Kalilösung ,  Sublimat-Handbädern  und  Sublimat  -  Umschlägen, 
Theer  etc.  zu  Ende  gebracht. 


Fünfzigste  Vorlesung. 


Dermatozoonosen  (Fortsetzung).  Epizoonosen. 

Acarus  follieulorum.  Pulex  penetrans.  Filaria  medinensis.  Leptus  autum- 
nalis.  Ixodes  Ricinus.  Cysticercus  cellulosae.  —  Epizoonosen:  Pediculi 
capitis,  corporis,  pubis  et  Pediculosis  s.  Phthiriasis.  —  Pulex  irritans.  Cimex 
lectularius,  Culex  pipiens.  Oestrus. 


Die  Haarsackmilbe 


Acarus  follieulorum 


ist  von  G.  Simon  1842  im  Inhalte  der  HantfoUikel  aufgefunden  und 
seither  von  Mieschek,  Owen  („Demodex  follicu-  ,g 
lorum  "  ) ,  GrBRVAis  (  „  Simonea  foUiculormn  "  ),  G-euby, 
Wedl,  Er.  "Wilson,  Küchenmeister  u.  v.  A.  be- 
schrieben worden. 

Man  findet  dieselbe  bei  vielen,  besonders  co- 
piöse  Fettsecretion  und  Acne  der  Gesichtshaut 
darbietenden  Personen,  indem  man  durch  Druck, 
oder  mittels  eines  Messerrückens  über  die  be- 
treffenden Gesichtstheile,  Stirne,  Ohr,  Nase,  Ober- 
lippe streichend,  den  Inhalt  aus  den  Talgdrüsen- 
mündungen herausquetscht  und  unter  dem  Mikro- 
skope beschaut. 

In  der  zumeist  vorfindlichen  Gestalt  prä- 
sentirt  sich  die  Milbe,  oft  Bewegung  der  Füsse 
und  der  Mandibeln  zeigend,  als  ein  wurmförmiges 
Thier  in  der  Länge  von  O'OS— 0-12  Mm.  und  der 
Breite  von  0-02  Mm.  (Fig.  59).  Der  rüsselförmig 
verlängerte  Kopf  trägt  seitlich  zwei  Palpen, 
die  aus  zwei  senkrecht  stehenden  Mandibeln  be- 

.  .     Acarus  luliiculorum 

stehenden  Fresswerkzeuge,  auf  der  Rückseite  zwei  (nach  Küche  u- 
warzige  Höcker  und  ist  durch  eine  lialbmond-  meistcr). 


i 


Acarus  folliciiloniin.  Pnlex  penctrans. 


775 


förmige  Fiirclie  von  dem  Brnsttlieil  getrennt.  Dieser  trägt 
seitlich  je   4:   stummelföi-mige ,   dreigliedrige   Füsse,  welche 
mit  3  (5)  Hacken  enden  und  Querstreifen  (Gerüste),  welche 
wahrscheinlich   ringsum   den   Körper  laufen  und  mit  einem 
medianen  Längsstreifen  in  Verbindung   stehen.    Der  wurm- 
förmige  und  in  eine  abgerundete  Spitze  auslaufende  Hinter- 
leib misst  das  Dreifache  des  Vorderleibes,  ist  mit  seitlichen 
Einschnürungen  und  feinen  Kerben  und  mit  rings  laufenden 
Querstreifen  versehen.    Im  Innern  sind  Verdanungsschlauch 
(Wilson,  Wedl),  schwärzliche  und  fetttropfenähnliche  Körper 
und  ein  herzförmiges  Gebilde  gesehen  worden,  welches  Wedl 
für   das  junge   Thier    hält.     Dass    die   Haarsackmilbe  ge- 
trennten Geschlechtes,  sowie  Wedl's  Annahme,  dass  dieselbe, 
wie  die  Krätzmilbe  Häutungen   diirchmacht,   ist   durch  die 
neuesten    Untersuchungen    von   Csokor    über   Demodex  des 
Schweines   fast   sichergestellt.    Das  oft  gesehene  sechsbeinige 
Thier  geht  aus  dem  Ei  hervor ,  aus  der  ersten  Häutung  ein  acht- 
beiniges  und  aus  diesem  durch  zweite  Häutung  die  reife  Milbe. 

In  den  Follikeln  stecken  die  Acari  zu  2,  5  bis  20,  meist 
mit  dem  Kopfe  nach  dem  Follikelgrunde,  doch  veraiolassen  sie 
beim  Menschen  keine  Krankheit  und  können  sie  nicht  einmal 
als  Ursache  der  Acne  angesehen  werden. 

Beim  Hunde  und  Schweine  (auch  der  Katze)  kommt  ein  De- 
modex der  Follikel  vor,  welcher  naturgeschichtlich  als  V  a  r  i  e  t  ä  t 
des  Acarus  foUiculormn  hominis  anzusehen  ist  (Csokor),  hier  aber 
Pusteln,  Furunkel,  Abscesse  in  grosser  Menge,  bei  ersterem 
Ausfallen  der  Haare,  Marasmus  und  den  Tod  veranlasst.  Die 
Uebertragung  der  Haarsackmilbe  des  Menschen  auf  Hunde  ist 
angeblich  Geuby,  sonst  aber  Niemandem  gelungen,  ebenso- 
wenig zweifellos  die  Contagion  der  Hunde  untereinander,  ob- 
gleich bei  einzelnen  das  Thier  zuweilen  über  den  ganzen 
Körper  verbreitet  und  in  diesem  Grade  auch  in  einzelnen 
Hundekoppeln  und  bei  ganzen  Partien  von  Schweinen  an  der 
hiesigen  Marktstation  vorgefunden  worden  ist  (Csokor)  —  ein 
Zustand,  der  die  Schweine  für  den  Genuss  ungeeignet  macht. 

Der  Sandfloh,  Pulex  penetrans, 

(Rhinochopriön  penetrans)  ist  im  mittleren  und  südlichen 
Amerika  heimisch,  zwischen  dem  29.  Grad  nördlicher  und  süd- 
licher Breite  (Paraguay,  Brasilien,  Mexico,  Virginien)  und 


776 


Fünfzigste  Vorlesung. 


kommt  unter  dem  Aequator  (Quito ,  Bogota)  bis  zu  6000  bis 
8000  Fuss  Höhe  der  Cordilleren  vor. 

Ausser  der  Haut  des  Mensclien  beherbergen  auch  Ratten, 
Mäuse  und  andere  Thiere  die  Eier  der  „Nigua"  („la  chique") 
und  tragen  auch  diese  zur  Verbreitung  des  parasitären  In- 
sectes  bei.  Die  gelblichen  Männchen  laufen  frei  umheiv  Nur  das 
trächtige  "Weibchen  (etwa  halb  so  gross  wie  der  menschliche 
Floh)  bohrt  sich  in  die  Haut  ein ,  unter  den  Zehennagel ,  in 
der  Knöchelgegend,  an  irgend  einer  Stelle  des  Unterschenkels. 
Der  Schmerz  des  Einstiches  ist  unbedeiitend  und  verschwindet 
alsbald ,  so  dass  unerfahrene  Reisende ,  die  davon  betroffen 
werden,  nicht  ahnen,  was  ihnen  Besonderes  widerfahren.  Die 
Hautstelle  schwillt  erst  zwischen  dem  2. — 5.  Tage  unter 
heftigen  Schmerzen  und  Entzündungserscheinungen  an,  welche 
zu  Lymphangioitis  (wie  Karsten  an  sich  selbst  erfahren),  Ab- 
scedirung ,  Grangrän ,  Necrose  der  Knochen ,  Tetanus  und  Tod 
(bei  Negern  beobachtet)  führen  kann.  Die  Ursache  dieser 
Erscheinungen  liegt  in  der  durch  das  Reifen  der  Eier  im 
Eierstock  veranlassten  Anschwellung  des  Thieres  bis  zu  5  Mm., 
dem  öfachen  seiner  ursprünglichen  Grösse ,  und  dem  Ablegen 
der  reifen  Eier  in  das  Gewebe. 

Bekannt  ist  die  Methode  der  Eingebornen,  das  Thier 
mittels  einer  glühenden  Nadel  auszuziehen  und  die  "Wunde 
mittels  Tabak  zu  ätzen.  Die  Extraction  gelingt  zu  Beginn 
der  entzündlichen  Anschwellung  besser,  als  unmittelbar  nach 
der  Einbohrung,  wo  die  Mandibeln  leicht  abreissen  und  in  der 
Haut  zurückbleiben. 

"Wie  Karsten  demonstrirt,  steckt  das  Thier  zwar  grössten- 
theils  in  der  Cutis,  doch  derart,  dass  das  Endstigma  des 
grösstentheils  obliterirenden  Trachealcanals  mit  der  lufthältigen 
Hornzellenschichte  in  Verbindung  bleibt  und  die  Athmung 
möglich  ist. 

Der  mit  der  Folge  ähnlicher  Erscheinungen  in  die  Haut 
der  Unterschenkel  sich  einbohrende  „Ochsenwurm"  („Founza  ia 
ngömbe"),  von  welchem  Duteieux  aus  Ostafrika  jüngst  berichtet, 
dürfte  eine  Fliegenlarve  sein. 

Der  Peitschenwurm,  Filaria  medinensis 

(Filaria  sanguinis)  ist  hauptsächlich  an  der  Westküste 
Afrikas  (Senegal,  Guinea)  heimisch,  sporadisch  auch  an  den 


rilaria  medinensis.  Leptus  autuniualis.  Ixodes. 


777 


indischen,  arabischen  Küsten,  in  Persien,  Arabien,  in  Europa 
aber  nur  in  importirten  Fällen  gesehen  worden.  Dieser  Paiasit. 
hat  seinen  Sitz  im  Unterhaiitzellgewebe ,  gleichviel  welcher 
Körperstelle,  unter  der  Conjunctiva,  unter  der  Zunge,  und 
findet  sich  vereinzelt,  bis  zu  20  und  darüber.  Schmerz,  Ge- 
schwulst, Blasenbildung,  Furunkel,  bei  deren  Aufbruch  ein 
Theil  des  Wurmes  sichtbar  wird,  sind  die  Kennzeichen ;  Fieber, 
Convulsionen  die  Begleiter;  fistulöse  Verschwärung ,  Gangrän 
zuweilen  die  Folgen  seiner  Anwesenheit. 

Man  hat  bis  lange  gelehrt,  dass  der  Wurm  sich  in  die 
Haut  einbohre.  Dies  ist  offenbar  nicht  richtig.  Die  Studien 
von  Jakobson,  Maisonneuve,  Lang,  Bancrost  ,  Lewis  haben  ge- 
zeigt, dass  der  Wurm  vom  Kopfende  ab  aus  einer  sarcode- 
ähnlichen  Hülle  besteht,  welche  Millionen  von  Jungen  beher- 
bergt, die,  wenn  herausgenommen,  sich  lebhaft  bewegen,  0"5  Mm. 
lang  und  U'02  Mm.  breit  sind,  einen  dicken  Kopf  ohne  Fress- 
werkzeuge und  einen  spitzen  Schwanz  tragen  und  nicht  befähigt 
sind,  sich  in  die  Haut  einzubohren ;  und  es  ist  daher  die  allgemeine 
Angabe,  dass  der  Peitschenwurm  beim  Barfussgehen  im  Sande, 
oder  beim  Baden  sich  in  die  Haut  einbohre,  nicht  richtig.  Die 
Sache  scheint  vielmehr  sich  so  zu  verhalten,  dass  die  aus  dem 
Wurm  frei  gewordenen  Jungen  ausserhalb  des  menschlichen 
Körpers  zu  reifen  männlichen  und  weiblichen  Ladividuen  sich 
entwickeln,  und  dass  diese  gelegentlich,  wahrscheinlich  mittels 
Trinkwasser,  in  den  Verdauungstract  des  Menschen  gelangen. 
Von  da  wandert  das  Thier,  wahrscheinlich,  wenn  die  Entwicklung 
seiner  Jungen  dies  erfordert,  längs  der  Gefässe  in  die  Gewebe 
aus  und  nistet  es  sich  in  das  Unterhautzellgewebe  ein.  Aber 
man  hat  die  geschlechtsreife  Form  auch  in  einem  Lymph- 
abscesse  (Bancrost)  und  zahlreiche  Embryonen  im  Blute  und 
in  Hydrokele  vorgefunden  (T.  Lewis),  was  ganz  besonders  für 
die  besprochene  Art  der  Verbreitung  des  Parasiten  spricht. 
Nach  wohlconstatirten  Fällen  beträgt  der  Zeitraum  zwischen 
dem  Eintritt  des  Thieres  in  den  Darm  und  dessen  Auswanderung 
in  die  Gewebe  5 — 14  Monate. 

Die  beste  Behandlung  ist  die  von  den  Negern 
geül)te,  den  Wurm,  sobald  derselbe  bei  Eröffnung  des  ver- 
meintlichen Abscesses  oder  Furunkels  zum  Vorschein  kommt, 
vorsichtig  an  einem  Stäbchen  herauszuwinden ,  was  binnen  10 
bis  14  Stunden  gelingt.    Beim  Fühlen  eines  Widerstandes 


778 


Fünfzigste  Vorlesung. 


hält  man  inne,  weil,  wenn  der  Wurm  zerreisst,  die  Schaar  der 
.Jungen  in  das  umgebende  Gewebe  geräth  und  dessen  Ent- 
zündung steigert.  Der  Wurm  kann  1 — 4  Meter  lang  sein. 

Die  Erntemilbe, 

Leptus  autumnalis,  ist  ein  mit  dem  unbewaffneten  Auge 
noch  gut  wahrnehmbares  Thierchen  von  rother  bis  gelblicli- 
vother  Farbe,  mit  nur  6  Beinen  (Fig.  60),  nach  Schmarda  die 
(noch  geschlechtslose)  Larve  von  Throm- 
bidium  autumnale.  Sie  findet  sich  um  die 
Herbstzeit  auf  vielen  Sträuchern  (Stachel- 
beeren)  und   Gräsern  und  bohrt  sich 
gelegentlich  in  die  Haut  des  Menschen, 
wo  sie  aber  binnen  wenigen  Tagen  ab- 
stirbt. Sie  veranlasst  da  heftiges  Brennen 
und  Jucken  und  Urticaria-Quaddeln  und 
Knötchen,  in  deren  Mitte  sie  als  röthliches 
Pünktchen  kenntlich  und  mittels  einer 
Nadel  herausgeholt  werden  kann.  Das 
Jucken,  welches  nach  Absterben  des 
Thieres  auch  spontan  erlischt,  wird  mittels 
kalter  Umschläge,  oder  alcoholischer  Ein- 
pinselungen gemildert,  am  besten,    indem  man  mittels  Ein- 
reiben fetten  Oeles,  dem  etwas  ätherisches  Oel  beigemengt  ist 
(Bals.  peruv.  cum  Oleo  olivar.),  zugleich  das  Tliier  tödtet. 

Auch  andere  Gras-  und  Getreidemilben  bohi-en  sich  ge- 
legentlich in  die  menscliliche  Haut  und  erzeugen  vorüber- 
gehende, mitiuiter  sehr  heftige  Eruption  von  Urticaria  und 
Eczema  papulosum,  wie  erst  jüngst  Geber  einen  solchen  Fall 
mitgetheilt  hat. 


Der  gemeine  Holzbock,  Ixodes  Ricinus,  meist  in  Kiefer- 
gehölz zu  Hause,  ist  eiförmig,  gelblich-blutroth.  Das  l'ö  Mm. 
lange  Weibchen  saugt  sich  in  die  menschliche  Haut  ein  und 
schwillt  durch  das  aufgesogene  Blut  zu  einer  bohnengrossen 
Blase  an,  in  welchem  Zustande  sie  oft  tagelang  da  hängen 
bleibt.  Reisst  man  das  Thier  weg,  so  bleibt  leicht  der  Kopf 
zurück,  wodurcli  die  Entzündung,  die  es  verursacht  liat,  länger 
währt.    Deshalb  ist  es  zweckmässiger,    das  Tliier  7A\m  frei- 


Cysticercus  cellulosae.  —  Epizoonosen,  Pedicixli. 


779 


willigen  Loslassen  zu  bewegen,  was  dnrcli  Betupfen  mittels 
ätherisclien  Oeles  gelingt. 

In  anderen  Gegenden  heimische  Zeckenarten,  Ixodes 
raarginatus,  I.  americanus,  I.  liumanus,  welcher  die 
„Carabatos"  genannte  Menschenplage  ausmacht  (Schmarda),  be- 
fallen mit  ähnlicher  Wirkung  einzelne,  oder  wie  Aragas 
persicus,  manchmal  ganze  Völkerschaften. 

Cysticercus  cellulosae  ist  in  den  letzten  Jahren  wieder- 
holt in  der  Haut  des  Menschen  beobachtet  worden  (Lewin, 
Schiff).  Er  bildet  da  einzelne  bis  zahlreiche,  zerstreixt  im  TJnter- 
hautzeUgewebe  gelagerte,  rundliche,  erbsen-  bis  haselnussgrosse, 
weich-elastische,  bewegliche  und  unschmerzhafte  Geschwülste, 
welche  mehrere  Jahre  unverändert  bestehen  können.  Ausge- 
schnitten zeigen  sie  eine  bindegewebige  Hülle,  deren  Inhalt  eine 
zartwandige  Blase  mit  dem  langhalsigen  Kopfe  bildet,  an 
welchem  4  Saugnäpfe  und  der  Hackeiakranz  sich  befinden.  In 
manchen  FäUen  ist  gleichzeitig  Cysticercus  der  iimeren  Organe, 
Gehirn,  Bulbus  etc.  constatirt  worden,  wodann  eiitsprechend 
schwere  Functionsstörungen  den  Zustand  begleiteten. 


Epizoen  und  durch  sie  bedingte  Hautkrankheiten. 
Epizoonosen, 

Die  Läuse,  Pediculi 
bilden  die  1.  Familie  (Pediculi da)  der  ersten  Unterordnung 
(Parasita)  der  ersten  Ordnung  (ßhjaichota)  der  Insecta  ame- 
tabolica  (Schmarda)  imd  charakterisiren  sich  als  un  ge- 
flügelte schmarotzende  Insecten  ohne  Metamorphose  mit  zwei 
einfachen  kleinen  Augen,  mit  saugenden  und  kauenden  Mund- 
theilen.  Nach  den  Untersuchungen  von  Schmajkda,  Wehl,  besonders 
aber  Erichsohn,  G.  Simon  und  Landois  muss  man  annehmen, 
dass  die  Läuse  ziierst  mit  den  Mandibeln  in  die  Haut  ein- 
beissen  und  dann  in  die  so  gemachte  Wunde  den  Rüssel  zum 
Saugen  einstecken.  Von  der  Familie  der  Pediculida  sind  es 
drei  Arten,  welche  den  menschlichen  Körper  infestiren  : 

a)  die  Kopflaus,  Pedicnlus  capitis; 

b)  die  Kleiderlaus,  Pediculus  humani  corp  oris 
s.  P.  vestimenti; 

c)  die  Filzlaus,  Phthirius  inguinalis  s.  P.  pubis. 


780 


Fünfzigste  Vorlesung. 


Die  Aunalime  einer  vierten  Lausart,  Pediciüns  tabescentium, 
nach  AiiT  (1824)  hat  sich  als  irrthümlich  erwiesen. 

Seit  SwAMMEEDAM  weiss  man,  dass  die  Läuse  ge- 
trennten Gresclüechtes  sind,  Eier  legen  und  aus  diesen  sich 
entmckeln.  Darnach  ist  es  überflüssig  auf  jene  Lelirmeümng 
zurückzukommen,  welche  seit  Aristoteles  bis  in  die  Neuzeit 
sich  allerwegen  zu  erhalten  vermocht  hatte  und  nach  welcher 
die  auf  dem  Mensclien  vorkommenden  LäiTse  aiTS  den  verdorbenen 
Säften  des  Körpers  entstünden,  aus  geschlossenen  Beulen  lier- 
vorbrechen,  durch  massenhafte  Entwicklung  eine  als  Dyskrasie 
aufzufassende  „Läusesucht",  „Phthiriasis",  darstellen,  in 
welcher,  wie  man  sich  erzählte,  zalilreiche  hervorragende  Mämier, 
SüLLA,  Hekodes,  Philipp  IE.  u.  v.  A.  elendiglich  zu  Grrvmde 
gegangen  wären.  Es  ist  zweifellos,  dass,  wofern  es  sich  in  den 
„historischen"  FäUen  von  Phthiriasis  nicht  um  in  AA^inden 
ausgebrochene  Fliegenmaden,  sondern  thatsächlich  um  Läuse 
gehandelt  hat,  diese  nur  von  aussen  auf  den  Körper  gelangt 
sein  konnten,  und  dass  es  in  dem  traditionellen  Siinie  eben 
keine  Phthiriasis  gibt. 

Ebensowenig  gibt  es  eine  als  Knesmus  Acariasis  Füchs  oder 
Prurigo  pedicularis  Autor,  zu  bezeichnende  eigenartige 
Läusejuckkrankheit.  Die  Wirkung  der  Läuse  auf  das  Hautorgan 
ist  eben  wesentlich  keine  andere,  als  die  aller  die  Haut  infestiren- 
den  Epizoen :  zunächst  Verletzung  an  der  Ein  stichstelle,  örtlich 
Austritt  von  Blut,  Serum,  und  consecutiv  Borkenbildiuig  und  als 
Folge  des  Saugens  der  Laus  Hämorrhagie,  oder  quaddelartige 
Erhebung  ringsum  die  Bisswunde;  weiters  Jucken  und 
Kratzen,  in  dessen  Gefolge  nicht  nur  an  den  Stichstellen, 
sondern  auch  an  anderen  Körpergegenden  Excoriationen,  Eczem- 
erscheinruigen  in  Form  von  Knötchen,  Urticaria,  Bläschen, 
Pustehi,  Borken,  Furimkeln,  Abscessen  und  endlich  Pigmenta- 
tionen  sich  einstellen,  so  dass  der  gesammte  im  Gefolge  der 
Anwesenheit  der  Läuse  auftretende  Sy mptomencomplex, 
der  als  Pediculosis  bezeichnet  werden  könnte,  wesentlich 
als  Excoriationes  s.  Eczema  e  pediculis  (capitis,  oder 
vestimenti,  oder  pubis)  sich  darstellt. 

Nur  in  der  äusseren  Form,  Localisation,  Litensität  und 
Menge  gestalten  sich  diese  Veränderungen  verschieden  und 
formiren  sie  ein  besonderes  Krankheitsbild,  je  nach  der  indi- 
viduellen Art,  Menge  uiid  Anwesenheitsdauer  der  Läuse.  Li  dieser 


Pediculosis  capitis. 


781 


Fig.  62. 


Beziehung  ist  von  besonderem  Belang,  dass  die  drei  genannten 
Lausarten  ihr  Territorium  strenge  gesondert  wahren,  indem  die 
Kopfläuse  nie  das  Geläet  des  Capillitium  überschreiten,  die 
Kleiderläuse  niemals  auf  der  Haut,  sondern  stets  in  den 
Kleiderfalten,  aber  in  der  nächsten  Nähe  der  Haut  wohnen,  dem- 
nach vorwiegend  dort,  wo  die  Kleider  dem  Körper  knapp 
anliegen,  am  Nacken  und  Kreuz,  und  die  Filzläuse  vorwiegend 
in  den  Schamhaaren  nisten ;  weshalb  auch  die  durch  die  Thiere 
veranlassten  Excoriationen  und  Eczemerscheinungen  vorwiegend 
auf  das  jeweilig  eigene  Terrain  der  Laus  sich  beschränkt; 
ferners,  dass  die  grösste  Art  der  Läuse,  die  Kleiderlaus,  auch 
die  grösste  örtliche  Verletzung,  demnach  grosse  tiefe  Excoria- 
tionen hervorruft. 

Die  Kopflaus, 

Pediculns  capitis,  ist  von  grauer  Farbe,  2  Mm.  lang 
Kopf  und  Extremitäten  sind  dicker,  Thorax 
breiter  als  bei  der  Kleiderlaus;  randständig 
beiderseits  je  6  Stigmata  der  am  Hhiterleibe 
durch  einen  Bogen  mit  einander  verbundenen 
Tracheen.   Thorax  schmal,  Hinterleib  breiter, 

mit  7  am  Rande  gekerb- 
ten und  schwärzlichen 
Segmenten ,  6  Ftisse  mit 
einem  Hacken  am  letzten 
Tarsusgliede ,  nach  inneii 
zwei  kurzen  Stiften  ixnd 
einer  Borste.  Die  M  ä  n  n- 
c  h  e  n  weniger  zahlreich 
als  die  Weibchen,  mit  vor- 
stehendem letzten  Bauch- 
ring ,    am    Rücken  mit 

Miinnli  cheKopflaus  -p,     ■,,    .,   ^inoT-  nl^ 

mitdemTraclieensysteme  Rauhheiten,,    einer  ^  al^ 

und  den  Eespirations-  After  und  Porus  genitalis 
stycmen  nach  Küchen-  -,      -i  nc-ffnmio- 

meister  anzusehenden  Uettnung, 

einem  keilförmigen  Penis 

und  2  Paar  Hoden  versehen.    Die  W  e  i  b  c  h  e  n 

zahlreicher,  mit  tiefem  Ausschnitt  am  letzten 

Bauchring ,  in  welchem  die  Aftermilndung,  ^^^^  ^^.^  ^.^^^^^ 

2  Ovarien,   deren  Eileiter   in   eine   Scheide  Kopflaus. 


Fig.  61. 


782 


Fünfzigste  Vorlesung. 


münden.  *  Die  VaginalöfFnung  avif  der  Bancliseite.  Die  Be- 
gattnng  kann  nnr  stattfinden,  indem  das  Weibclien  anf  dem 
Männchen  liockt. 

Die  Eier  (Nisse)  werden  vereinzelt,  zuweilen  in  conti- 
nuirlicher  Reihe  gelegt  und  an  ein  das  Haar  scheidenartig 
umgebendes  Chitingerüste  (Fig.  62  aa)  geklebt,  indem  die  Laus 
an  diesem  von  unten  nach  oben  kriecht,  so  dass  von  der  Reihe  das 
unterste  Ei  das  älteste  ist  und  am  frühesten  zur  Entwicklung 
gelangt  (Fig.  G2i).  Die  Jungen  kriechen  nach  3 — 8  Tagen  aus 
und  sind  nach  18 — 21  Tagen  ausgewachsen.  Eine  Mutterlaus 
kann  binnen  6  Tagen  50  Eier  legen  und  binnen  8  Wochen 
5000  Nachkommen  haben. 

Die  durch  die  Kopfläuse  veranlassten  Krank- 
heitserscheinungen^—  Pediculosis  capillitii  —  smd 
die  des  arteficiellen  Eczems  und  seiner  örtlichen  Folgen 
und  Complicationen. 

Am  vollständigsten  sind  die  Symptome  bei  weiblichen 
Individuen  entwickelt,  in  deren  Haarfülle  die  Läuse  ein  be- 
hagliches Nest  für  ihre  Existenz  und  unbegrenzte  Vermehrung 
finden.  Die  Pediculosis  verräth  sich  schon  durch  die  Gegenwart 
zahlreicher  discreter  Pusteln,  Blasen  und  Excoriationen  am 
Nacken,  von  der  Haargrenze  abwärts  bis  über  die  Schultern, 
und  vereinzelte  Pusteln,  zuweilen  Pemphigus  ähnliche  Blasen 
(Impetigo  faciei,  pag.  423),  solchen  entsprechende  gummiartige 
Borken  und  Pigmentflecke,  oder  auch  diffus  nässendes  Eczem 
im  Gresichte.  Werden  die  Haare  vom  Nacken  her  gelüftet,  so 
sieht  man  das  Gewühl  der  aufgescheuchten  Läuse,  die  Haare 
reiclilich  mit  Nissen  besetzt.  Da  die  Läuse  die  Nisse  stets 
nahe  am  Haarboden  ansetzen,  so  beweist  die  Gegenwart  von 
Nissen  nahe  den  Spitzen  der  Haare  einen  langen  Bestand  der 
Pediculosis,  indem  eben  die  Nisse  mir  mit  dem  Wachsthum  der 
Haare  vorgeschoben  worden  sind. 

Dringt  man  mit  dem  Finger,  die  durch  Sebummassen  und 
klebriges  Secret  mit  einander  verldebten  und  unter  einander 
verfilzten  (Plica)  Haare  auseinanderschiebend,  weiter  gegen  den 
Haarboden  vor,  so  entdeckt  man,  vorwiegend  auf  den  Hinter- 
kopf beschränkt,  meist  in  insulären  Herden  mit  Borken,  eiter- 
l^edeckte,  oder  blutende  und  nässende  Hautstellen,  Eczem  in 
allen  Abstufungen,  zuweilen  ki-euzer-  bis  thalergrosse  Herde 
von  rothen,  drusigen,  nässenden  und  blutenden  Wucherungen 


Pediculosis  capitis. 


783 


  Aclior  granulat\is,  Porrigo,  Tinea  granulata.  — "Hasel- 

nuss-  bis  missgrosse  Scliwellnng  der  Lj-mphdriisen  längs  des 
hinteren  Kopfnicker  -  Randes,  bleiches,  schläfriges  AiTSsehen 
der  Kranken,  ergänzen  das  Krankheitsbild.  Litensives  Jucken, 
gestörter  Schlaf,  Schmerzhaftigkeit  der  Kopfhaut  sind  die  swh- 
jectiven  Belästigungen  von  Seite  des   geschilderten  Zustandes. 

Die  Entwicklung   desselben  lässt    sich  in  vielen  Fällen 
von  geringen  Anfängen  bis  zu  den,  wie  geschüdert,  intensiven 
Graden  verfolgen.    Ein  Kind  bekömmt  ein  paar  Kopfläuse. 
Lidern  sie  einbeissen  und  saugen,   Jucken  iind  Kratzen  ver- 
anlassen, kommt  es  örtlich  zu  Bliit-,  Serum-Austritt,  "Wundsein, 
Krustenbüdung,  Eiterung,  Schmerzhaftigkeit.    Beim  Kämmen 
wird  nun,  aus  Scheu  Schmerz  hervorzunifen,  der  „Grind"  ge- 
schont, mit  dem  Kamme  vermieden.    Damit  haben  die  Läuse 
ein  Ideines  Terrain  für  ihre  Nistung  gesichert  xmA  nun  findet 
ihre  Ausbreitung  von  da  aus  etappenweise  und  unter  ähnlichen 
objectiven  und  subjectiven  Begünstigungen  statt.    All'  die  be- 
sclu-iebenen  Eczemerscheinungen,  nebst  der  Plica,  sind  weiter 
Folgen  der  directen  Verletzung  der  Kopfhaut  durch  die  Nahrung 
schöpfenden  Thiere  und  des  Kratzens;    die  entziindHche  Litu- 
mescenz  der  Lymphdrüsen  wieder   Folge   der  Entzündungs- 
vorgänge in  der  Kopfhaut,  während  das  schlechte  Aussehen 
der  Kranken  durch  die  Schlaflosigkeit,  vielleicht  auch  durcli 
eine  von  den  hyperplastischen  Lymphdrüsen  herrührende  Leuko- 
cythose  bedingt  ist. 

Pediculosis  capitis  findet  sich  vorwiegend  bei  jugendlichen 
Lidividuen  und  bei  weiblichen  Personen,  deren  langes  Kopfhaar 
günstigere  Gelegenheit  für  das  Verbleiben  von  zufällig  in  das- 
selbe gelangten  Läusen  darbietet.  Dass  Sorglosigkeit  beim 
Kämmen,  oder  gänzHches  Unterlassen  desselben  die  Pediculosis 
capitis  begünstigt,  ist  selbstverständlich  und  man  trifft  daher 
dieselbe  nicht  nur  bei  der  schlecht  sich  pflegenden,  dienenden 
Classe,  sondern  auch  bei  Kindern  und  Frauen  der  vornelinisten 
Stände,  wofern  sie,  wie  Frauen  im  Puerperium,  längere  Zeit 
bettlägerig  gewesen  und  ungenügend  gekämmt  worden. 

Die  Diagnose  der  Pediculosis  capillitii  unterliegt  nicht 
der  mindesten  Schwierigkeit,  da  ja  nebst  dem  charakteristisch 
beschaffenen  und  localisirten  Eczem  die  Gegenwart  der  Läuse 
und  Nisse  deutlich  genug  den  Zustand  bezeichnet.  Und  doch, 
so  unglaubUch  es  scheint,  wird  derselbe  in  zahlreichen  Fällen 


784 


Fünfzigste  Vorlesung. 


von  den  Aerzten  übersehen,  werden  die  Kranken  monate-  und 
jahrelang  an  Eczem,  oder  wegen  der  Drüsenschwellung  und 
des  blassen  Aussehens  an  „Scroplmlose"  mittels  innerlicher 
Mittel  behandelt,  während  durch  einfaches  Lüften  der  Kopfhaare 
die  Diagnose  Pediculosis  und  mit  deren  Behandlung  die  ganze 
Krankheit  mit  einem  Sclilage  ihr  Ende  erreichen  würde. 

Die  Therapie  der  Pediculosis  capillitii  schliesst  in  sich 
zunächst  die  Tödtung  der  Läuse  und  Nisse,  \md  weiters  die 
Heilung  des  Eczems. 

Zu  ersterem  Zwecke  waren  früher,  und  sind  beim  Volke 
auch  noch  in  Grebrauch  Quecksilbersalbe,  Lifuse,  Decocte,  Salben 
von  Sabadüla,  Staphysagria ,  ätherische  Oele  und  viel  Aelm- 
liches.  Zweclonässiger  ist  das  in  den  letzten  Jahren  vielfach 
bewährte  Petroleum,  welches,  um  der  Feuergefäludichlveit 
vorzubeugen,  am  besten  in  der  Mischung  von:  Petrolei  venalis 
100,  Olei  olivar.  50,  Bals.  peruviani  20,  in  reichem  Masse  auf 
die  Haare  geschüttet  und  verrieben  wird,  worauf  man  den 
Kopf  mit  Flanell  einhüllt.  Nach  24  Stunden  sind  wohl  alle 
Läuse  todt  und  die  Eier  entwicklungsunfähig  geworden.  Xun 
wird  mittels  Seifengeist  abgewaschen.  Da  zugleich  die  Eczem- 
krusten  erweicht  worden  sind,  so  erscheint  der  Hairboden  rein. 
Nun  werden  die  Haare  geschlichtet  und  gekämmt ,  wobei  in 
alten  Fällen  viele  ausgefallene  Haare  mit  abgelöst  werden. 
Bei  Aveiblichen  Personen  zum  Zwecke  dieser  Cur  die  Haare 
kurz  abzuschneiden  ist  nicht  zu  entschuldigen,  da  es  entstellend, 
dienstsuchenden  Personen  hinderlich,  und  unnöthig  ist.  Die 
weitere  Behandlung  ist  nun  die  gleiche ,  wie  bei  jedem  Kopf- 
eczem :  täglich  Einölen  ruid  Waschen,  so  lange  bis  alle  Eczera- 
stellen  verheilt  sind,  üuhiger  Schlaf  stellt  sich  sofort  nach 
Tödtung  der  Läuse  ein,  und  alsbald  vermindert  sich  aucli  die 
Drüsenintumescenz  und  bessert  sich  das  Aussehen  der  Kranken. 

Grrosse  Mühe  veranlasst  noch  die  Beseitung  der  Nisse, 
d.  i.  nicht  der  Eier,  die  ja  rasch  getödtet  sind  und  versclirumpfen, 
sondern  ihres  Chitingerüstes ,  welches  in  Form  von  braunen, 
glänzenden  Knöpfchen  den  Haaren  anhaften  unö.  noch  weiter 
das  Individuum  als  „lausig"  erscheinen  lassen,  obgleich  es  that- 
sächlich  dies  nicht  mehr  ist.  Dieses  Grerüste,  welches  scheide- 
artig das  Haar  umgibt  (Fig.  62  as^),  ist  nicht  zu  lösen  und  abzu- 
In-öckeln,  sondern  als  Granzes  zu  entfernen,  indem  man,  am  besten 
durch  verdünnte  Essigsäure,  dasselbe  lockert  und  dann  längs 


Pediculosis  corporis. 


785 


des  Haarscliaftes  abzieht.  Darauf  berulit  der  Erfolg  des  empi- 
rischen Verfahrens  der  Wärterinnen ,  den  Kamm  in  Essig  zu 
tunken  und  fieissig  den  Staubkamm  anzuwenden ,  zwischen 
dessen  engen  Zähnen  das  Haar  einzebi  durchgezogen  und  so 
die  Niss  abgestreift  wird. 

Die  Kleiderlaus. 

Pediculus  vestimenti,  P.  humanus,  Zeug-  oder  Leib- 
laus ,  ituterscheidet  sich  von  der  Kopflaus  durch  bedeiitendere 
G-rösse  und  grössere  Behendigkeit,  und  unwesentliche  Varianten 
ihrer  wesentlich  übereinstimmenden  anatomischen  Eigenschaften. 

Sie  bewohnt  ausschliesslich  die  Leib- 
wäsche und  auf  dem  blossen  Körper  getra- 
gene Kleidungsstücke ,  in  deren  Falten  sie 
in  rosenkranzähnlichen  Strängen  ihre  Eier 
ablegt.  Auf  dem  behaarten  Kopfe  ist  sie 
nicht  zu  finden,  aber  auch  auf  dem  Stamme, 
der  das  eigentliche  Territorium  für  ihre 
Nahnmgssuche  abgibt,  hält  sie  sich  nur  auf, 
so  lange  sie  daselbst  saugt.  "Wenn  ein  mit 
zalilreichen  Kleiderläusen  behaftetes  Indivi- 
duum plötzlich  entkleidet  wird,  kami  man 
eine  oder  die  andere  Laus  auf  der  Haut 
ertappen,  die  eben  im  Sangen  begriffen,  sich 
Kleiderlaus,  Weibchen  'beim  Abfallen  der  Kleider  jiicht  rechtzeitig 
(Küchenmeister),  genug  flüchten  konnte.  Aber  alsbald  beginnt 
sie  eilig  umherzuirren,  um'  nach  einem  Schlupfwinkel  zu  gelangen. 
Auf  der  Haut,  und  noch  weniger  iii  derselben,  wohnen  also  die 
Läuse  nicht.  Und  hat  ein  seit  Monaten  von  Kleiderläusen 
behaftetes  Lidividiuum  eben  frische  Wäsche  und  Kleider  ange- 
legt, so  ist  absolut  keine  Laus  an  ihm  zu  finden,  obgleich  das- 
selbe alle  Zeichen  der 

Pediculosis  corporis 
an  sich  trägt.    Die  Symptome  dieser  Krankheit  sind  sehr 
charakteristisch  und  sind  der  getreue  Ausdruck  der  Lebensweise, 
der  kürzeren  und  längeren  Anwesenheit  der  Kleiderläuse. 

Wesentlich  bestehen  dieselben  wieder  aus  Excoriationen. 
Allein  da  die  Läuse  in  der  nächsten  Nähe  der  Haut  wohnen, 
um  dieselbe  rasch  heimsuchen  und  von  ilir  rascli  sich  flüchten 

Kaposi,  Hautkrankheiten.  50 


786 


Fünfzigste  Vorlesung. 


zn  können,  demnach  vorwiegend  in  den  dem  Körper  eng  anlie- 
genden Falten  der  Wäsche  hausen ,  so  finden  sich  auch  die 
durch  die  Läuse  hervorgerufenen  Veränderungen  an  der  Haut 
zunäclist  mid  vorwiegend  jenen  Falten  entsprechend  am  Xacken, 
über  den  Schultern ,  über  dem  Kreuzbein ,  der  Taille ,  an  der 
Manschette  und  an  den  Nates  und  äusseren  Oberschenkelflächen. 

Die   durch   die   Kleiderlaus   veranlassten  Excoriationen 
haben  aber    auch  etwas  Eigenthümliches.    Dies  rührt  daher, 
dass  die  Kleiderlaus  mit  ihren  grösseren  Fresswerkzeugen  direct 
eine  flächenhafte  Verletzung  der  Haut  bewirkt  und  dass  durch 
ihi'  kräftiges  Saugen  ringsum  die  Bisswunde  eine  grosse  Quaddel 
entsteht.    Nun  provocirt  das  hiedurch  veranlasste  Jucken,  dass 
sich  das  Individuum  kratzt,  und  der  kratzende  Nagel  trifit  auf 
ein  durch  die  hämorrhagische  und  seröse  Imbibition  gelockertes 
Rete,  in  welches  er  viel  tiefer  eindringen  kann,  als  auf  einer 
nicht  derart  vorbereiteten  Hautstelle.    So  entsteht  ein  mehrere 
Centimeter  langer,  zugleich  breiter  und  tiefer  blutiger  Exco- 
riationsstrich,  dessen  Mitte,  weil  der  Stichwunde  entsprechend, 
eine  noch  tiefere  und  breitere ,  über  linsengrosse  Excoriations- 
fläche  darstellt.    Nach  wenigen  Tagen  verheilen  die  strich- 
förmigen  Ausläufer  der  Excoriation,  später  auch  deren  mittlerer 
Theil.    Er  bleibt  aber  noch  für  2 — 3  Wochen  durch  dunkles 
Pigment  kenntlich,  nach  dessen  Schwund  der  Streifen  wieder 
abnorm  weiss,  das  Centrum  oft  sogar  narbig  erscheint. 

Grerathen  nu.n  auf  Jemanden  zum  erstenmale  einige  wenige 
Läuse ,  so  finden  sich  sofort  einige  frische  Excoriationen  von 
der  beschriebenen  Form,  zumeist  am  Nacken  imd  in  der  Sacral- 
gegend.  Zeigt  er  aber  nebstdem  noch  Pigmentstreifen ,  oder 
gar  noch  weisse  solche  Streifen  an  den  Oertlichkeiten ,  so  hat 
er  eben  in  Intervallen  von  einigen  Wochen  wiederholt  Läuse 
beherbergt,  ist  er  ein  Grewohnheits-Pediculöser.  Die  erstere 
Form  findet  sich  bei  Handwerkern,  die  auf  der  Wanderiuig 
einige  Nächte  auf  Strohlager  genachtet,  Personen,  die  kurze 
Zeit  in  Massenquartieren,  im  Polizeiarrest  verbracht  und  auch 
bei  Wohlhabenden  und  Reinlichen,  die  auf  Dampfschiffen,  in 
Waggons  den  Parasiten  aufgenommen.  Nicht  selten  findet  sich 
zugleich  an  solchen  Personen  eine  allgemeine  acute  Eruption  am 
Stamme  in  Form  von  miliären  Eczemknötchen  (Milliaria  rubia). 

Bei  habitueller  Pediculosis  von  Personen,  die 
jahraus  jahrein,  mit  kurzen  Unterbreclumgen ,   die  meist  auf 


Pediculosis  corporis. 


787 


Spitalsaiafenthalt  fallen,  von  Kleiderlänsen  behaftet  sind,  steigern 
sich  mm  die  erwähnten  Erseheinnngen  in's  Tin  geh  elterliche. 
Die  Excoviationen  sind  zahlreicher ,  tiefer ,  mit  Entzündnng, 
Eiterung ,  Borkenbildung  combinirt ,  es  gesellen  sich  Pusteln 
mit  Riipiafornien,  Krusten,  Lymphangioitis,  diffuser  Dermatitis 
und  Eieber  hinzii ,  grosse  ,  indolente  Eurunkel ,  Abscesse ,  An- 
tliraceg  mit  Gangrän  ihrer  Hautdecke,  und  da  diese  Bildungen 
wohl  allenthalben  zerstreut,  doch  über  den  Schultern,  am 
Nacken  und  über  der  Lende  am  dichtesten  gedrängt  sind,  so 
kommt  es  zu  unterminirenden  Communicationen  zwischen  den 
einzelnen  Abscessen,  Greschwüren  mit  zernagten,  überhangenden 
Rändern  ruad  warzigem  Auswachsen  ihrer  Grrahulationen  —  einem 
Symptomencomplex,  der  oft  monatelang  noch  anhält,  nachdem 
die  Kranken  ihrer  läusehaltigen  Kleider  entledigt  worden  sind. 

Das  geschilderte  Krankheitsbild  ergänzt  sich  in  drastischer 
"Weise  durch  eine  intensiv  dunkelbraune,  graubraune  und  bis 
zum  Colorit  der  Kegerhaiit  sich  steigernde  Pigmentirung 
der  Haut,  welche  wieder  in  mässigen  Fällen  über  Nacken  und 
Kreuzgegend  vorwiegend,  bei  lang  andauernder  Pediculosis  aber 
fast  über  die  ganze  allgemeine  Decke  verbreitet  ist.  Da  solche 
Personen  zugleich  catilinarische  Existenzen,  Vagabunden  von 
schlechter  Ernährung  ,  Säufer  ,  malariasiech ,  vom  Aufenthalte 
in  Baraken  und  im  Ereien  auch  im  Gresichte  gebräunt  zu  sein 
pflegen ,  so  bieten  sie  ein  Aussehen  dar ,  wie  dem  Morbus  Ad- 
DisoNT  zugeschrieben  wird ,  und  es  ist  nicht  zu  zweifeln ,  dass 
in  der  Casuistik  dieser  noch  fraglichen  Krankheit  manche  Eälle 
von  intensiver  Pediculosis  figuriren. 

Der  Verlauf  der  Krankheit  hängt  also  ganz  wnü  gar 
von  der  Gegenwart  der  Läuse  ab.  Wird  der  Kranke  von  diesen 
durch  Abnahme  der  Kleider  befreit  und  in  einen  reinen  Aufent- 
haltsort gebracht,  so  verheilen  die  Excoriationen,  Abscesse  und 
Furunkel  nach  dem  allgemeinen  Schema,  obgleich,  wie  erwähnt, 
letztere  noch  lange  Zeit  hindurch  recidiviren  können.  Auch  das 
dnnkle  Pigment  verliert  sich  binnen  Wochen  oder  Monaten  voll- 
ständig. Eine  aus  der  Pediculosis  herzuleitende  Cachexie  ist 
absolut  unerfindlich  und  wenn  einzelne  solcher  Personen  marastisch 
aussehen,  oder  in  dem  Zustande  sterben,  so  liegt  dies  eben  in  den 
früher  erwähnten  precären  äusseren  Lebensverhältnissen  der 
Individuen,  welche  ihre  Gesundheit  von  langer  Hand  her  unter- 
erraben  haben. 

^  50^'= 


788 


Fünfzigste  Vorlesung. 


i  a  g  n  0  s  e  der  Pediculosis  corporis  ist  nicht  immer, 
leiclit  zu  stellen,  da,  sobald  die  Betreffenden  die  lausigen  Kleider 
abgelegt  liaben,  das  bezeichnende  Object,  die  Kleiderläuse,  felilen. 
Man  halte  sich  daher  an  die  früher  geschilderte  charakteristische 
Localisation  der  Excoriationen  und  Pigmentation,  um  gegenüber 
von  Pruritus  cutaneus  imd  Urticaria  chronica,  bei 
welchen  die  Kratzspuren  unregelmässig  über  den  Körper  zer- 
streut sind,  sich  zu  Orientiren.  Bei  wohlhabenden  Personen, 
die  tägHch  Wäsche  wechseln  und  doch  Pediculosis-Symptome. 
darbieten,  habe  ich  öfters  das  Corpus  delicti  in  der  ISTaht  eines 
ständig  getragenen  Wollleibchens,  oder  einer  Flanellbauchbinde 
nachweisen  können. 

Die  Behandlung  der  Pediculosis  corporis  besteht  vor 
Allem  in  der  Beseitigung  der  läusehaltigen  Wäsche  und  Kleider. 
Um  die  in  den  letzteren  befindlichen  Läuse  und  Nisse  zu  tödten, 
werden  in  unserem  Spitale  die  Kleider  in  einen  hermetisch 
verschliessbaren  Kessel  gebracht,  dessen  Innenraum  durch  in  den 
Raum  der  Doppelwand  eingeführten  Dampf  auf  60 — 65"  R. 
erhitzt  wird.  Die  beschriebenen  Hautaffectionen  leichteren 
Grades  heilen  spontan,  die  intensiver  entzündlichen  und  eiternden, 
werden  nach  aUgemeiuen  Grrundsätzen  mittels  nasser  Einhül- 
lungen, Salben,  Pflaster  etc.  der  rascheren  Heilung  zugeführt. 

Die  Filzlaus. 

Phthirius  inguinalis,  Pediculus  ^rabis,  Morpion,  hat 
einen  geigenförmigen  Kopf  und  breiten  Thorax.  Sie  lebt  an 
den  behaarten  Theilen  des  ganzen  Körpers,  mit  Ausnahme  des 

Capillitiiim ,  vorwiegend  in  der 
Schamgegend ,  aber  bei  grösserer 
Menge  auch  an  den  Haaren  der 
Brust,  der  Achselhöhle ,  der  Ex- 
tremitäten ,  des  Schnurr-  und 
Backenbartes  und  der  Augen- 
wimpern ,  deren  Härchen  oft  der 
Länge  nach  mit  ihren  Nissen  be- 
setzt erscheinen.  Sie  beisst  und 
bohrt  sich  tief  ein,  und  liegt,  xui-, 
beweglich,  den  Kopf  in  den  Fol- 
likel gegraben,  den  Hintertheil 
Die  Filzlaus  (nach  Schmarda).  nach  aufwärts  gehoben  und  mit 


Phtliiriasis  pubis.  —  Pulex  irritans.  Cimex,  Culex,  Oestrus.  789 

den  Vorderfüssen  das  austretende  Haar  umldammernd  ,  so  dass, 
Tim  sie  abzulieben ,  man  sie  mit  der  Pincette  von  hinten  fassen 
lind  längs  des  Haares  abziehen  mnss.    Ihre  Unbeweglichkeit 
Tind  blasse  Farbe  macht  es,    dass  sie  nnr  bei  genauem  Zu- 
sehen und  guter  Beleuchtung  erkannt  wird.  Bei  grosser  Menge 
fallen  beim  Entkleiden  auch  viele  ab.    Sie  veranlassen  sehr 
lästiges  Jucken  und  Eczem  in  Form  von  kleinen  Knötchen. 
Zur  Heilung  von  der  Phthiriasis  inguinalis  empfieldt  sich 
die  ein-  bis  zweimalige  Einreibung  von  die  Läuse  tödtenden 
Mitteln   an   allen  ihren   Aufenthalt   bietenden    Stellen,  als 
TJno-uent.  cinereum,  oder  die  elegantere  Salbe  aus  Präcip. 
alb.^5,  Ungu.  emoll.  30.;  oder  Sublimat  1,  ad  100  Aqu.  dest. 
Da  aber  die  Quecksilbermittel  oft  intensives  Eczem  herbei- 
führen, so  empfiehlt  sich  besser  die  Einpinselung  von  Petroleum, 
Peru-,  Tolubalsam,  Oleum   laxiri  u.  Ä.  in  entsprechender  Com- 
bination,  z.  B.  Rp.  Petrolei,  Bals.  peruviani,  ^,  15,  Olei  lauri  1. 
Nach  Application  all'  dieser  Mittel  wird  Pouder  aufgestreut 
lind  erst  gebadet,  wenn  die  durch  dieselben  veranlassten  Irrita- 
tionen (Rothe,  Eczem)  der  Haut  geschwunden  sind. 

Von  den  nur  zeitweilig  auf  der  Haut  we ile n d  en 
-lind  dieselbe  irritirenden  Epizoen  sind  als  die  häiifigst  vor- 
kommenden zu  erwähnen : 

Der  gemeine  Eloh,  Pulex  irritans.  Er  veraidasst 
die  als  Elohstich  bekannte  Verletzung  der  Haut,  dessen  Zu- 
fügung  die  Empfindiuig  eines  Stiches  verursacht.  Er  stellt  eine 
punktförmige,  mohnjvorngrosse  Hämorrhagie  vor,  um  welche 
während  des  Saugens  des  Elohes  ein  2—5  Mm.  grosser,  rother 
Injectionshof  entsteht.    Dieser  blasst  alsbald  ab,   wähi-end  der 
hämorrhagische  Punkt  unter  bekannter  Earbenwandlung  erst 
nach  einigen  Tagen  spurlos  verschwindet.  Bei  zarter  Haut,  wie 
bei  Kindern,   veranlasst  der  Eloh  überdies  durch  directe  Be- 
rührung, sowie  reflectorisch,  den  Ausbruch  von  Nesseln.  Man 
tritft    oft    die  Haut  eines  Menschen  mit  Flohstichen  besät 
(„Purpura  pulicosa"),  so  dass  der  Anschein  von  wahrer 
Purpura  erweckt  wd.    Die  gleiche  Grösse  der  Stiche,  die 
häuptsächliche  Localisation  entsprechend  den  enganschliessen- 
den  Falten  der  Kleider  und  die  Gegenwart  von  einzelnen  Halones 
um  die  Stiche ,  sowie  die  bekannten  Eloh-Faeces  kennzeichnen 
den  Zustand  zur  G-enüge. 


790 


Fünfzigste  Vorlesung. 


Die  W  a  11  z  e ,  Cimex  lectularius,  Acaiitliia  lectiilaria,  pro- 
vocirt  intensive  Urticaria  und  heftiges  Jucken,  sowohl  an 
den  durch  Einstich,  Saugen  und  Berülirung  direct  getroffenen 
^teilen,  als  reflectorisch  über  den  ganzen  Körper,  Die  Kratz- 
effecte  erscheinen  dabei,  weil  2 — ;]  Fingernägel  zugleich 
die  erhabenen  Quaddehi  treffen ,  iii  Form  von  gedoppelten 
und  dreifachen  parallelen,  oft  dukatenähnlich  sich  kreuzenden 
Strichen  und  in  unregelmässiger  Anordnung  über  der  Haut  zer- 
streut. Die  Diagnose  ist  gegenüber  von  Pruritus  cutaneus  und 
Urticaria  chronica,  bei  Kindern  des  1. — 2.  Lebensjahres  gegen- 
über beginnender  Prurigo  nicht  leicht  und  vorwiegend  daraus 
zu  erscliliessen,  dass  die  Eruption  des  Morgens,  nach  dem  Ver- 
lassen des  wanzenbergenden  Lagers,  am  deutlichsten  ist  und 
tagsüber  schwindet. 


Noch  wären  zu  erwähnen  die  Mücken,  Greisen  (Culex 
pipiens),  Mosquitos,  welche,  sowie  viele  verwandte  Arten, 
besonders  der  Tropen,  den  Menschen  gelegentlich  stechen  und 
ansaugen  und,  örtlich  wie  allgemein,  Quaddeln,  beulenartige 
ödematöse  und  echymotische  Schwellung,  Jucken  und  Schmerz 
veranlassen.  Gregeii  ihren,  wie  den  Stich  der  Bienen,  empfiehlt 
sich  die  sofortige  Application  von  Ammoniak  oder  Salmiak. 

Arten  von.  Oestrus,  unter  welchen  eine  als  Oestrus 
humanus  von  A.  v.  Hümboldt  bezeichnet  wurde ,  legen  zu- 
weilen mittels  Einstiches  ihre  Eier  iii  die  menschliche  Haut 
und  veranlassen  so  einen  schmerzhaften  Abscess,  aus  dem 
später  die  entwickelten  Larven  hervorgehen.  Alle  diese  und 
ähnliche  andere  Insecten  spielen  eben  nur  gelegentlich  die 
ßolle  von  Epizoen  des  mensclilichen  Körpers. 


 -o— O-c- 


Autoren-  und  Sach-Register 


Autorenregister. 


A. 

Actxiarius  6. 
Adamkiewicz  454. 
Addison  d.  Ae.  503,  529. 
Addison  d.  J.  592. 
Adler  Hans  247. 
Adolf  771. 
Aegina  Paiü  von  6. 
Aetius  von  Amida  6. 
Aicardius  8. 

Alibert  12,  293,  466,  502,  516,  524, 

547,  579,  580,  738,  771. 
Alpin  Prosper  541. 
Amabili  589. 
Anderson  527,  743. 
Apjolin  140. 
Ardsten  725. 
Arning  531,  533. 
Arno  Id  Jnli\is  29,  586. 
Arnstein  567. 
Astruc  9. 
Attfield  387. 
Aufhammer  32. 

Auspitz  113,  250,  254,  271,  272, 
466,  473,  492,  533,  628,  635,  743. 
Antenrieth  426. 
Averbeck  503. 
Avicenna  6. 

B. 

Baerensprnng  19,  141,  162,  254, 
308,  309,  322,  328,  480,  499,  518, 
738,  745. 

Baetge  510. 


Balm  anno  Sqnire  387. 
Bamberg  er  480,  481,  482,  484, 

702,  766. 
Bancrost  777. 
Bardeleben  633. 
de  Bary  716,  718. 
Bäsch  250,  252. 

Bateman  11,  164,   167,  329,  467, 

589,  591,  616,  732,  734. 
Baum  741. 
Baumgarten  641. 
Bazin  13,  166,  452,  468,  549,  726, 

729,  732,  738,  743. 
Bäumler  272. 
Beigel  551,  570. 
Ben-Sohr  752. 
Bennett  725,  726. 
Berger  627. 

Bergh  511,  591,  753,  766. 
Bergmann  139,  643,  653. 
Berres  14. 
Beschorner  525. 
Besnier  434,  592. 
Betzold  126. 
Beyerlein  480,  482. 
Bidenkap  658. 

BiesiadeckiSl,  37,43,47,  50,  159, 
339,342,403,404,411,  586,595,  602. 

Biett  12,  608,  617. 

Billroth  172,  174,  352,  359,  584, 
599,  602,  604,  6C6,  629,  630,  662, 
670,  718. 

Bizio  140. 

Bizzozero  641. 


792 


Autoren-Register. 


Blasius  12. 
B 1  ondus  8. 

Boeck  19,  482,  643,  645,  651,  653, 

658,  766. 
Boerhave  9,  14,  221. 
Bolin  493. 
Bollinger  167. 
Bonomo  752. 

Bourguignon  753,  755,  759,  771. 
Braune  482. 
Bre  sehet  14. 

Broussel  de  Vauzfeme  14. 
Bruns  P.  542,  636. 
Brücke  37,  41,  141,  174. 
Buclimüller  197. 
Buhl  171- 
Bulkley  482. 
Burchhard  759. 
Burkart  264. 
Busch  633. 

C. 

Caillant  13. 
Canquoin  637. 
Canstadt  753. 
Carnochau  546. 
de  Carro  271. 
Carter  657. 

Cazenave  12,   13,   144,  319,  475, 

478,  560,  608,  732,  733. 
Gel  sus  6,  467,  558,  560,  743. 
Cestoni  752. 
Chambard  592. 
Charcot  309. 
C  h  a  u  s  i  t  13. . 
C haussier  536. 
Chauveau  262. 
Chiari  533,  641. 
Chomel  293. 
Cohn  Hennann  592. 
Cohn  Ferd.  252,  718. 
Cohnheim  113,  170,  171,  172,  544, 

584. 
Co  oper  664. 
Cooper  Todd  562. 
Constantinus  Africanus  7,  220. 
Cose  214. 
Cotard  309. 


Cotugnio  14,  221. 
Gruse  535. 
Csokor  775. 
Curschmann  245,  255. 
Curzio  529. 

Czerny  542,  543,  545,  595,  599. 
D. 

Danielssen  19,  309,  482,  643,  645, 

653,  653. 
D  a  V  a  i  n  e  370. 
Decaisne  771. 
Deffis  743. 
Degeer  752,  753. 
Dehio  653. 
Derby  445. 
Devergie  13,  633. 
Dieberg  580. 
Diemerbroeck  223. 
Dietel  75,  290. 
Dittel  353,  601. 
Dolaeus  Johannes  9,  616. 
D  0  n  a  V  a  n  380. 
Döring  9,  201. 
Dräsche  140. 
Düben  766. 
Dubini  743. 
Duchenne-Dnparc  13. 
Duguet  504. 
Duhring  571,  595,  711. 
Dumreicher  353,  548- 
Dupuytren  569,  598,  638. 

E. 

Ecklund  657. 
Eberth  37. 
Ebn-Zor  6. 
Ebner  565,  566,  567. 
Ebstein  134,  252. 
Eichhorst  720. 

Eichstedt  715,  721,  748,  753,  755. 

Eisenschitz  203,  209,  224. 

Elfinger  18,  755. 

Erichson  779.  ^ 

Erls  mann  243,  255. 

Esmarch  619- 

Esoff  565,  567. 

Ettmüller  752. 

Eulenburg  75,  706. 


■  Autoren-Eegister. 


793 


F. 

Fagge  531,  592,  594. 
F  alk  345. 

Fallopia  Gabriel  8. 
Favre  14. 
Feltz  211. 
F  ernclius  9. 
Finol  140. 
Fleisclil  600. 
Fleisclimaun  224,  393. 
Folimanu  14. 
FoUin  580. 
Folwarczny  480.  . 
Foot  A.  W.  592. 
Fordos  139. 
Forestus  8. 
Forget  529. 
Fournier  454,  492. 
Fowler  330. 

Fox  Tilbury  132,  423,  454,  492, 

516,  743. 
Förster  533,  537,  741. 
Fracastorius  8. 
Frank  Peter  13,  271. 
Frank  Jos.  484. 
Frankel  134. 
Franque  140. 
Fredet  562. 
Friedländer  624,  630. 
Fritsch  718. 
Fromm  an  504. 

Fuclis  C.  H.  13,  493,  529,  537,  623, 

753,  7:6.^780. 
Füps^rfnberg  753,  759. 

G. 

Gaddesden  7. 
Galenus  5,  6. 
Gales  753, 
Ganville  7. 

Gay  126,  141,  413,  445,  543. 
Geber  E.  367,  571,  572,  592,  594, 

606,  608,  611,  612,  675,  778. 
Geddings  608,  611. 
Geisler  592. 
Genersich.  38. 
Gensdorf  Hans  7. 


Gerhardt  198,  224. 
Gerlach  738,  753. 
Gervais  774. 
Gibert  13. 

Gilberte  ■  • 

Gintr  ac'  533. 

Giraudaut  St.  Gervais  13. 
Glax  571. 
Ginge  664. 
Goltz  110,  126. 
Gordon  7. 
■Gorracus8- 
Götte  565,  566. 
Grawitz  P.  716. 
Green  Jonathan  19.  ' 
Gregor  von  Tours  220. 
Gregory  220. 
Griffini  641. 

Gruby  468,  560,  561,  726,732,734, 

743,  774. 
Gudden  726,  753,  755,756,  759. 
GuiboTit  13. 
Gull  592. 
Gumpert  766. 
Gurlt  14. 
Gnssenbauer  670. 
Gutmann  P.  455. 
Guy  de  Chauli  ac  7,  752. 
Günsburg  524. 

H. 

de  Haen  9,  221,  223,  -308. 

Hafenreff  er  9. 

H  ahnemann  753. 

Haight  322,  331,  332,  358,  479. 

Hall  641. 

Hallier  252. 

Hallier  717,  718. 

Haly  Abbas  6,  7. 

Hamburger  525. 

Hanemann  12. 

Hanover  660,  661. 

Hansen  Armauer  645,  651,  653, 

656,  657. 
Hardy  13,  743. 
Hartm  a  nn  134. 
Hauptmann  752. 
Häusiuger  308. 


794 


Autoren-Register. 


Hawki  n  580. 
Heberdeeu  223. 

Hebra  Ferdinand  15,  16,  17,  18,  19, 
20,  58,  98,  100,  103,  113,  121,  124, 
133,  134,  135,  140,  152,  158,  161, 
162,  166,  167,  187,  194,  198,  208, 
224,  230,  248,  252,  255,  264,  268, 
277,  284,  308,  312,  315,  329,  331, 
333,  334,  344,  346,  347,  376,  378, 
383,  386,  390,  394,  399,  402,  406, 
411,  423,  440,  443,  44?,  453,  461, 
472.  473,  474,  475,  477,  480,  482, 
484,  494,  499,  500,  504,  506,  510, 
517,  525,  591,  592,  594,  602,  603, 
608,  617,  619,  624,  633,  635,  643, 
706,  716,  725,  726,  732,  738,  745, 
753,  755,  766,  771. 

Hebra  Hans  349,  393. 

Heck  er  220,  542,  545,  599. 

Heiberg  586. 

Heim  125,  139,  223. 

Heinricli  480. 

H eitzmann  C.  18,  473. 

Heller  Fl.  481. 

Heller  531,  533. 

Helm  216. 

Helmericli  771. 

Henderson  X65. 

Hendy  539. 

Henke  529. 

He  nie  14,  20,  26,  45,  47,  48,  566. 

He  noch  224,  492,  493. 

Hensler  9,  643. 

Hertz  481. 

Hervieux  536. 

Heschl  511. 

Hesse  223,  224. 

Hessberg  511. 

Heusinger  565. 

Hildenbrandt  753. 

Hildegardis  Sta.  752. 

Hillairet  592. 

Hillier481. 

Hippocrates  3,  4. 

Hirsch  293. 

Hirschpriing  140. 

His  661. 

Hjort  6.58. 


Hoffmann  221. 
Hoffmann  J.  716. 
Hof  mann  E.  341,  345. 
Home  188,  195. 
Hueter  362. 
Humboldt  790. 
Hunter  J.  753. 
Hutchinson  132,  484,  527. 
Huxley  45,  47,  48,  566. 


J. 

Jacenko  589. 
Jakobson  777. 
Jamieson  608. 
Jany  592. 

Jarisch  A.  388,  630,  639,  641. 
Jenner  222,  270,  271. 
J  0  n  s  1 0  n  560. 
Jürgensen  140. 

K. 

Kaposi  411,  466,  534. 
Karsten  718,  776. 
Kassowitz  198,  224. 
Katona  195. 
Kaup  140. 
Keber  261. 
Keen  316. 
Key  Axel  38. 

Klebs  252,  262,  345,  413,  624  ,  630, 

657,  662,  718. 
Klein  E.  584. 
Klein  haus  741. 
Knapp  407. 
Knecht  227,  239. 
Kozlowski  653. 

Köbner  272,  298,  329,  334,  423, 
466,  482,  549,  636,  643,  653,  716, 
725,  726,  738,  741,  743,  745,  748. 

Köhler  533. 

Kölliker  14,  43,  44,  565,  574. 
Köster  142,  669. 
Kranz  514. 
Kr  am  er  263. 
Kraus  M.  37. 


Autoren-Eegister. 


795 


■Krause  29,  36,  37,  42. 
Krämer  753. 
Krieg  601. 
Külin  716. 

Küclieameister  753,  774,  778,  785. 
L. 

L  a  b  u  s  292. 

Lailler  492. 

Landois  75,  282,  706. 

Landolfi  637. 

Landre  657. 

Lanfranciis  7. 

Langerhans  31,  36. 

Langer  38,  70,  71,  357,  565,  566,  575. 

Lauglians  489,  580,  581. 

Lang  E.  466,619,630,631,633,720. 

Lang  Ct.  777. 
Lanquetin  753. 
Larrey  541. 
Lassar  544. 
Law  146. 

Lebert  507,  511,580,660,  661,664. 
Lehmann  584. 
Lenbossek  140. 
Leube  141. 

Lewin  281,  282,  283,  466,  493, 

743,  779. 
Lewis  777. 
Liebermann  387. 
Linne  752. 
Lipp  E.  381. 
Lister  267,  362. 
Lombroso  292,  382,  496. 
Lorry  10,  12,  753. 
Lott  586. 
Lowe  716. 
Lozes  511. 
Löschner  537. 
Luchsinger  126. 
Lndwig  E.  481. 
Ludwig  H.  520,  590. 
Luginbühl  262. 
Luisinus  8. 
Lukomsky  360. 

M. 

Mader  583. 

Mahon  728,  729,  732. 


Maisonueuve  777. 

Malmsten  480,  715,  721,  73,^  734. 

Malpigbi  14,  29. 

Manardus  Johannes  8,  418,  616. 

Marcellus  Cumanus  8. 

M  archand  518. 

Martius  474. 

Mayr  194,  208. 

Mehlis  308. 

Meissner  14,  29,  31,  34,  37,  741. 

Mercurialis  Hieronymus  8. 

Messedaigla  496. 

Meyer  Jos.  584. 

Meyer  Lothar  224,  227,  549. 

Michel  724. 

Michelson  738,  743. 

Miescher  774. 

Mikulicz  606,  607. 

Milton  295. 

Mitchell  127,  316,  454. 

Mittermayer  766. 

Moisisowics  37. 

Moldenhauer  334. 

Monastirsky  653,  656. 

Montagnana  7,  8. 

Montague  222. 

Monti  224. 

Morehouse  316. 

Morgagni  14. 

Morton  187. 

Mouffet  Thom.  752. 

Murchison  594. 

Musa  Brassavolus  8. 

Müller  273. 

N. 

Navrocki  126. 
Nägeli  718. 
Neisser  657. 
Neligan  146. 
Neudörfer  362. 

Neumann  Isidor  34,  39,  256,  300, 
376,  403,  411,  413,  445,  454,  473, 
477,  481,  504,  533,  574,  608,  611, 
620,  653,  716,  743. 

Noris  171. 

Nussbaum  684. 


796 


Aiitoren-Eegister. 


O. 

Obtiilowic  403. 
Oelil  32. 
Oppolzer  484. 
Oribazius  6. 
Orth  360. 
Oser  171. 
Ostrumoff  126. 
Owen  774. 


P. 

Paeiui  36,  33. 

Pagenstecher  31,  342,  586. 

Paget  574. 

Pantleu  641. 

Pare  Ambrosius  8,  752. 

Pastau  771. 

Pastorella  537. 

Patersou  165. 

Pavy  592,  594. 

Pearsoii  380. 

Peyritsch  725,  726. 

Pfeuffer  .384. 

Pfleger  357. 

Pbilipp  780. 

Pick  Arnold  284. 

Piek  F.  J.  423,  510,  716,  725,  726, 
745. 

Pincus  564,  567. 
Pissin  271,  272. 
Plenck  10,  11,  58,  102,  514. 
Plinius  5,  467. 
Piumbe  19,  623. 
Pococke  367. 
P  0  d  c  0  p  a  e  w  37. 
Pohl  627. 

Polak  J.  E.  367,  556. 
Pollender  370. 
Ponfick  255,  360. 
Poor  J.  428. 
■Pott  664. 
Poupart  12. 
Priessnitz  98. 
Procopius  220. 
Pruner  541. 


R. 

Eanvier  544. 
Easmussen  529,  533,  534. 
Easp ail  753. 
Eavaton  562. 
Eavogli  180. 

Eayer  13,  308,  309,  466,  475,  484, 

592,  617. 
Eaysky  480,  481. 
Eecamier  293. 
Eecklingh  ausen  170,  171. 
Eedi  752. 

Eemak  661,  715,  725,  726. 

Eenn cci  753. 

Eetzius  Gr.  38. 

Eeverdin  588,  684. 

Eej'er  541. 

Ehazes  6,  187,  220. 

Eibbentrop  158. 

Eiecke  13. 

Eiemer  504. 

Ei  gier  307,  541,  766. 

Eindfleisch  163-,  171,  251,  252, 

254,  511,  561,  600,  606,  629,  662, 

669,  670,  718. 
Einecker  272. 
Eochard  13,  387. 
Robin  715,  743,  748. 
Eobinson  132,  645. 
Eogerius  7. 

Eokitansky  15,  17,  169,509,517, 
542 ,  574,  578,  580,  584,  590,  599, 
600,  660,  661,  662,  663,  664,  673. 

Rolandus  7. 

Rollet  A.  584. 

Rollo  539. 

Roll  272. 

Romberg  308,  562. 
Roser  548. 
Rossbach  533. 
Roussel  12. 

S. 

Saliceto  Wilhelm  von  7. 
Salz  er  542. 
Samuel  126,  172, 


Autoren-Register. 


797 


Saruf  653. 
Sattler  309,  310- 
Sauvages  9,  12,221,  474,  547,  560, 
Schabel  518. 
Schaueustein  480. 
Scheby-Bucli  490. 
Schede!  12. 
Sclieiber  290,  292. 
Sclieuk  vou  Grafenberg  8. 
Scberer  139. 
Schieferdecker  316. 

Schiff  779. 

Schilling  140. 

Schlossberger  518. 

Schmarda  778,  779,  788. 

Schmitz  569. 

Schneider  480. 

Schottin  14,  140. 

Schönlein  13,  124,  139,  493,  516, 

715,  721,  725,  753. 
Schroen  31.' 

Schuh  542,  580,  597,  598,  599,661. 
Schuller  476,  477. 
Schul  in  567, 
Schnitze  B.  S.  575. 
Schultz  e  Max  30. 
Schüppel  630. 
Schwarzenbach  139- 
Schwimmer  267,  570,  644,  671, 
712. 

Scorczewski  300. 
Sed  gwick  531. 
Sennertus  9,  201,  616. 
Serapion  6. 
Sherwell  506. 
Sigmund  686. 

Simon  Gustav  19,  141,  194,  411 
445,  468,  460,  488,  510,  518,  653, 
753,  774,  779. 

Simon  Oscar  24,  592,  594. 

Simon  Th.  227,  499. 

Simon  Franz  480,  518. 

Simon  F.  A.  642. 

Skoda  15. 

Smith  W.  G.  570,  592,  594. 
Sonnenburg  345. 
Sotnitschewski  544. 
Speranza  195. 


Sprengel  12. 
Stein  533. 

Steiner  194,  209,  224,  480,  482. 
Steinlin  565,  566. 
Stellwag  232. 
Stephan  Antiochus  7. 
Stieda  565,  566. 
Stilling  630. 

Stricker  36,  39,  75,  108,  110,  113, 

126,  170,  171,  172,  173,  584. 
Stroganow  608,  611. 
Struwe  13. 
Swammerdam  780. 
van  Swieten  9,  221. 
Sydenham  9,  187,  221. 

T. 

Tanturri  674,  743. 
Taylor  571. 
Teichmann  34,  543. 
Theodoricus  7. 

Thiersch  584,  633,  661,  662,  669. 
Thin  37,  608,  611. 
Thoma  653. 

Thomas  203,  215,  224,  334. 
Thomson-Parkes  608. 
Thomson  19,  223,  224. 
Tilesius  520,  590. 
Tittel  140. 
T  0  d  d  Antony  19. 
Tomsa  33,  36,  37. 
Trallianus  6. 
Treitz  140. 
Trousseau  224. 
Tschudi  580. 
Tulasne  716. 
Turner  Daniel  9. 
Tyson  148. 

u. 

Uffelmann  281. 
Unna  31,  32,  251,  339,  565. 

V. 

Vater  36,  38. 
Veiel  d.  Ae.  624,  629. 


798 


Autoren-Register. 


A^eiel  Th.  454,  461,  635,  636. 
Verneuil  141. 
Yetter  224. 
Vidus  Vidins  9. 
Viennois  272. 
Villanova  7. 

Virchow  108,  III,  141,  163,  166, 
170,  171,  172,  174,  361,  452,  488, 
511,  526,  537,  542,  574,  580,  585, 
589,  590,  591,  592,  594,  597,  .598, 
599,  624,  62'8,  629,  630,  643,  653, 
661,  662,  664,  669,  741. 

Vitalis  de  Furiio  7. 

Vlemiugkx  771. 

Voisin  454. 

Voigt  71. 

Vogel  527,  766. 

Volkmann  860,  615,  633,  634. 

Vulpian  110,  126. 

W. 

Wagner  E.  14,  37,  140,  163,  243, 

255,  309,  641. 
"Waldeyer  592,  594,  669. 
"Walter  5.33. 
Warren  d.  Ae.  580. 
Warren  d.  J.  580. 
"Weber  E.  H.  14. 

Weber  0.  174,  574,  584,  619,  627, 

633,  641,  662. 
We dl  411,  413,  480,  580,  590,  599, 

753,  755,  774,  775,  779. 
Wegscheider  549. 
Weichselbaum  504. 
Weidner  309,  322. 


Weigert  250,  251,  256,  26-2. 
Weil  548. 

Weinberg  768,  771. 
Wenck  633. 
Wendt  14. 
Wernicke  529. 
Werlhof  494. 

Wertheim  71,  345,  376,  468,  565, 

566,  567. 
Westphal  246. 
Wiclnnanu  752,  474. 
Widerbofer  194. 
Wiggelsworth  674. 
Wilkinson  386,  435,  771. 
Wilks  S.  580. 

Willan  Robert  11,  13,  58,  22.3,  290, 
307,  372,  374,  394,  474,  494,  495, 
560,  589,  616,  782,  753. 

Willemin  367. 

Wilson  Erasmus  19,  134,  140,  146, 
432,  439,  511,  521,  529,  535,  571, 
575,  592,  623,  643,  648,  743,  774, 
775. 

Winiwarter  670,  671. 
Winternitz  291. 
Wyss  0.  243,  3C9,  318. 

Y. 

Young  861. 

Z. 

Zeissl  H.  300,  470,  514,  601,  262, 

264,  360. 
Ziegler  584. 
Zöllner  504. 

Zuelzer  243,  255,  256,  261. 
Zürn  726. 


Sachregister. 


A. 

Abscessus  5. 

Acantliia  lectvüaria  790. 

Acarinae  753. 

Acarus  folliculornm  159,  750,  774. 

—  Scabiei  750,  753. 
Achor,  ay^wpc;  4,  63. 

—  gramilatus  783. 

Acliorion  Schönleinü  715,  721,  725. 

Achroma  60. 

Acne  cachecticorum  453. 

—  disseminata  449. 

—  hordeolaris  450. 

—  indurata  450. 

—  mentagra  449,  463. 

—  picealis  453. 

—  punctata  157,  450. 

—  pustulosa  450. 

—  rosacea  449,  458. 

—  sebacee  144. 

—  variolifonnis  452. 

—  vulgaris  450. 
Acrodynie  290. 

Active  Hj'perämien  108. 
Acute  Exantheme  9,  184. 
Aerophyten  718. 
Aetiologie,  allgemeine  24,  73. 
Aetzmittel  635. 
aggregatus  68. 

Akrochordon,  äy.poydpoov  4,  5. 
ixpod^iLioy  4. 
Albarras  6. 
Albini.smus  60,  551. 
Albinos  551. 
ä),ao?  4. 

Allgemeine  Aetiologie  24,  73. 

—  Diagnostik  81. 

—  Geschichte  2. 


Allgemeine  ■  Sjnnptomatologie  24,  56. 

—  Therapie  91. 

Alopecia  akomv/.ia  4  146,  557,  558. 

—  areata  558,  560. 

—  furfuracea  564. 

—  praematura  559. 

—  senilis  558. 

—  syphilitica  568. 
Alvathim  7. 
Ambustio  337. 
Anaemiae  117. 
Analgesie  706. 
Anaphalantiasis  558. 

Anatomie  der  allgemeinen  Decke  24. 
Angioma  elephantiaticum,  neuroticum 

599. 
Angiome  596. 
Angioneurosen  75,  706. 
annularis  68. 
Anidrosis  137. 

Anomalien  der  Hautdi'üsen  122. 

—  Fettsecretion  143. 

—  Schweisssecretion  125. 
Anthrax,  äv&pa?  3,  365. 
Aqua  picea  381. 

Aragas  persicus  779. 

Area,  Area  Celsi,  Jonstoni  5,  558. 

Argyria  503. 

An-ectores  pilomm  40. 

Arsenik  380. 

Arsenikpaste  637. 

Asteatosis  cutis  155. 

Atherom  157. 

Atrichia  558. 

Atrophia  cutis  propria  571. 

—  •  (cutis)  senilis  571. 
Auskratzen  615. 
Aussatz  6,  642. 


800 

B. 

Bacterien  718. 
Balanitis  148. 
Bald  Eiugworm  560. 
Balsamica  382. 
Barbadosbeiu  539. 
Bartflune  463. 
Bätarakta  6. 
Bäder  98. 
Beethaar  564. 
Behandlung,  allgemeine  91. 
Benarbung  584. 
Bindegewebsneubüdungen  578. 
Bindegewebskrebs  678. 
Blase  59. 

Blasenausscbläge  474. 
Blasenfieber  333. 
Blasenpocken  274. 
Bläschen  59. 
Blausuctt  112. 
Blattern  219. 
Blatternnarbe  273. 
Blatternimpfung  222. 
Blepharomelaema  146. 
Blutgefässe  der  Haut  33. 
Borkeu  64. 
Borkenki'ätze  766. 
Bouton  d'Alepp  367. 
Breite  Condylome  697. 
Briganti  752. 
Bromacne  453. 
Bromidrosis  123,  133,  139. 
Bulla  59. 
Bullae  10. 

c. 

Gallus,  CaUositas  507. 
Calori  130. 
Calvities  557. 
Cancroid  663. 
Cancroidkörperchen  664. 
Canities  554. 
Carcinoma  5,  660. 

—  lenticulare  673. 

—  melanodes  673. 

—  tuberosum  673. 
Carbolsäure  381. 
Carbunculus  5,  365. 
Carbunkel  365. 


Sach-Register. 

Cai'o  luxnrians  586. 
Celluliire  Neubildungen  579, 
Chique  776. 
CMoasma  60,  500,  747. 

—  cachecticorum  502. 

—  caloricum  501. 

—  toxicum  502. 

—  traumaticum  500. 

—  uterinum  502. 
Cliolesteatom  157. 
Chromidrosis  139. 

Chronische  exsudative  Dermatosen  373. 

Chi-ysarobin  387,  639. 

Clu-ysophansäure  387. 

Cicatrix  64,  583. 

Cicatrisirendes  Hautsclerem  532. 

Cimex  lectularius  151,  790. 

Circinatus  68. 

Circumscriptus  72. 

Cisticercus  cellulosae  750,  7'!  9. 

Clavus  5,  509. 

Cnidosis  294. 

Coccobacteria  717. 

CoUoid-Milium  163. 

Combustio  337. 

Comedo  157- 

Comedonenquetscher  161. 

Comedonenscheibe  158. 

Common  Ringworm  560. 

Condyloma  5. 

—  acuminatum  512. 

—  latum  697. 
Confertus  68. 
Confluens  72. 
Congelatio  350. 
Continuirliches  Bad  98,  347. 
Contusio  489. 

Corium  26. 
Cornu  cutaneum  510. 
Corymbosus  68. 
Couperose  458. 
Cridones  9. 
Crustae  10,  64. 

—  laniellosae  64. 
Cryptolitheu  157. 
Culex  pipiens  751,  790. 
Cutis  26. 

—  anserina  705. 


Sacli-Eegister. 


801 


Cutis  testacea  149. 
Cyanosis  112. 
Cyrons  752. 

D. 

Dal-fil  6. 
Dartres  12. 
Dasytes  521. 

Defluvium  Capillorum  558. 
Delle  62,  252. 
Derma  26. 
Dermatitis  335. 

—  ambustidnis  337. 

—  congelationis  350. 

—  contnsiformis  284. 

—  papillaris  capillitii  464. 
Dermato-Pathologie  1. 
Dermatologie  1. 

Dermatologische  Schule  nacli  Bebra  15. 
Dörmatoraycosen  721. 
Dematonosen  74. 
Dennatozoen  750. 
Dermatozoonosen  750. 
Desquamatio  ueonatonini  145. 
Diagnostik,  allgemeine  81. 
Dietel'sclies  Exanthem  75,  290. 
diffusus  72. 
discretus  63. 
discoides  72. 
dispersus  68. 
Djadzam  6. 
Dondos  551. 

Drüsenkrankheit  von  Barbados  539. 
Dyscbromasia  503. 

E. 

Eau  de  prlncesse  503. 
Eccliymoma  488. 
Eccbymosis  60,  487. 
Ecthyma  471. 
Eczema  408. 

—  acutum  410,  413. 

—  cbronicum  411,  417. 

—  crustosum  410. 

—  e  pediculis  capitis  418. 

—  erytbematosum  409. 

—  Intertrigo  131,  415. 

—  impetiginosum  410. 

—  madidans  409. 

K  a  p  0  s  i ,  Hautkrankheiten. 


Eczema  marginatum  423,  721,  745. 
" —  papulosmn  409. 

—  rubrum  410. 

—  solare  427. 

—  squamosum  410 

—  sudamen  427. 

—  vesiculosum  409 
Ecthyma,  E/.&uij.aTa  3,  63,  471. 
Eczempocken  274. 
Efflorescenzen  58. 
Efftorescenz-Anordnung  68. 
Effluvium  capillorum  146,  553. 
Eiterung  176 

Elephantiasis  5,  529,  537,  540. 

—  Arabum  529,  537. 

—  cruris  538. 

—  genitalium  541. 

—  Graecorum  642. 

—  neuromatosum  542. 

—  telangiektodes  542. 
Elephantenfnss  539. 
Ephelis,  Ear]'Xi;  4,  5,  500. 
Epidermis  26. 
Epidermisbildung  584. 
Epilation  469,  523. 
ir:'.w/-~ii  ü. 
Epithelialkrebs  663. 
Epithelioma  661. 
Epizoen  750. 
Epizoonosen  779. 
Erfrierung  350. 
Ergrauen  554. 
Erntemilbe  750,  773. 

EpK%  4. 

Erysipelas  4,  355. 

Erysipelas  ab  acribus  s.  venenatiun  109. 

—  annulare  278. 

—  bnllosum  278. 

—  perstans  faciei  610. 
Erythema  caloricum  109. 

—  eudemicum  293. 

  exsudativum  multifonne  277. 

_  (sp'JÖMaa)  4,  59. 

—  figuratum  278. 

—  gyratum  278.  . 

—  infantile  110. 

—  Intertrigo  415. 

—  Iris  278. 

51 


802 


Sachregister. 


Erythema  nodosum  284. 

—  papulatum  278. 

—  urticatum  278. 

—  variolosum  110,  227. 

—  vesiciüosum  278. 

Exanthem,  l^avfhtjixaTa  3,  68. 
Excoriatioues  64. 
Excresceiitiae  11. 
Exsudation  und  Entzündung  169. 
Exsudative  Hautkrauklieiten  169. 

F. 

Falcadina  547,  643. 
Favus  7,  721. 
Färbung  der  Haut  25. 
Fäulnisspilze  714. 
Febris  pemphigosa  334. 
Fette  99. 
Fettläppchen  27. 
Fettretention  157. 
Fettsecretion  123,  143. 
Fettzellen  27. 
Feuermal  597. 
Feuermasern  III. 
Fibroma  595. 

—  molluscum  514,  589. 
figuratus  72. 

Filaria  medineusis,  sangtiinis  750,  776. 

Filzlaus  751,  780. 

Fiunenausschläge  449. 

Fischschuppenkrankheit  515. 

Fistulae  5. 

Fleck  59. 

Flecken  187. 

Fleckenaussatz  648. 

Fleischwärzchenbildung  584. 

Flöhe  751. 

Folliculitides  449. 

Folliculitis  barbae  468. 

Founza  ia  ngömbe  776. 

Framboesia  547. 

Frattsein  131. 

Furchen  der  Haut  24. 

Fnrunculosis  366. 

Furunculus  5. 

Furunkel  364. 

Fussgescliwür  681. 


G. 

Galaktidrosis  140. 
Galvanocaustik  639. 
G-angraena,  ya.fyprYM  4,  5. 
Gänsehaut  705. 
Gefässneubildungen  578. 
Gefässe  der  Haut  27. 
Gefässmal  597. 
Gefässpapillen  29. 
Gefässsystem  der  Haut  32. 
Gelsen  790 
Gemeingefühl  55- 
Geschichte  der  Dermatologie 
Geschwüre  der  Haut  677. 
Glandulae  sudoriferae  41. 
Gliederscliimmel  718. 
Glossy  skin  116. 
Gneis  145. 
Goa-Powder  387. 
Gonidien  714. 
Granulationsbildung  584. 
Gnitum  157. 

Gumma  Syphiliticum  699. 
Gutta  rosea  458. 
Gürtelausschlag  307. 
Gja-atus  72. 

H. 

Haarbalg  43. 
Haarbalgscheide  43. 
Haarbeet  567. 
Haare  43. 

Haarfärbemittel  556. 
Haarkelcli  566. 
Haarkolbeu  566. 
Haarmark  46. 
Haarpapille  44. 
Haar  rinde  45. 
Haarsackmilbe  750,  774. 
Haarschaft  45. 
Haartasche  43. 
Haar  Verlust  558. 
Haarwechsel  564. 
Haarwuchs  557. 
Haarwurzel  45. 
Haarwurzelscheide  45. 
Haarzwiebel  45. 


Sacliregister. 


803 


Haematidrosis  140,  496. 
Haemorrliagiae  cutaneae  486. 

Halo  59,  228. 
Hautabschürfung  63. 
Hautblütheu  58. 
Hautentzündungen  335. 
Hautgescliwüi-e  64,  677. 
Hautgries  157,  161. 
Hauthorn  510 
Hautjucken  706. 
Hautkrankheit,  Begriff  der  79. 
Hauttnberculose  640/ 
Hämophilie  496. 
Hämon-hagisciie  Flecke  60. 
Hebra'sches  Wasserbett  98. 
Hefepilze  717. 
Heilmittel,  örtliche  98. 

—  innerUche  100. 

Henle'sche  Scheide  (des  Haares)  47. 
Hereditäre  Syphilis  701. 
Heredität  76. 
Herpes  306. 

_  circinatus  279,  328,  732. 

—  facialis  325. 

—  Iris  279,  328. 

—  labialis  325. 

  maculosus  et  squamosus  734,  737. 

—  praeputiaUs  s.  progenialis  326. 

—  tonsurans  721,  732. 

—  Zoster  307. 
Hirsuties  521. 
Hitzblätterchen  130. 
Hof  59,  228. 
Holzbock  750,  778. 
Homöoplasie  497. 
Homschichte  29. 
Humanisirte  Lymphe  270. 
Huxley'sche  Scheide  47. 
Hühnerauge  509. 
Hydrosadenitis  141. 
Hyperaemiae  105. 
Hyperalgesie  706. 

Hyperästhesie  706. 

Hyperidrosis  128. 

Hyi)erplasie  497. 

Hypertrichosis  521. 

Hypertrophiae  497. 

Hypertrophische  Narbe  581. 


Hyphomyceten  714. 
Hystricismus  517. 

I. 

Ichthyosis  515. 

—  congenita  519. 

—  hystrix  517. 

—  nitida  516. 

—  serpentina  516. 

—  sebacea  149,  519. 

—  Simplex  515. 
Icteras  503,  709. 
Idiopathische  Dematonosen  74. 

loptua  4 

Ignis  saeer  5.  . 
Impetigo  5,  63,  471. 

—  faciei  contagiosa  422. 

—  herpetiformis  472. 
Impferysipel  274. 
Impfung  222,  269. 
Innerliche  Heilmittel  101. 
Inoculation  221. 
Integumentum  24. 
lutertinctus  72. 
Intertrigo  131,  415. 
lOvS-ot  4. 

Iris  72. 

Ixodes  Eicinus  750,  778. 

—  americanus,  humauus,  marginatus 

779. 

J. 

Jodacne  453 
Jodisme  petechial  492. 
Juckausschläge  408. 
Jucken  297. 

K. 

Kablheit  557. 

Kakerlaken  551. 

Kali-Creme  436. 
Kalk-Schwefelleber-Lösung  386. 

Kantschuk-A^erbände  99,  383. 

■/.£Y7.P'"'  ^• 
Keloid  579. 

_  „Addison'sches"  529. 

Keratosen  507. 

•/.rjowv,  Kerion  4,  5,  743. 

51* 


804 


Sachregister. 


Kleiderlaus  750,  785. 
Kniuieldrüsen  14,  41,  141. 
7.v^a[jLo;  4. 
/.vioöj^i;  4. 
Knollen  59. 
Knollenkrebs  579. 
Knoten  59. 
Knotenaussatz  645- 
Knotensypliilid  699. 
Knötchen  59. 
■/^oipaöe;  4. 
Kopfgrind  150. 
Kopflans  750,  779. 
Krankheitsverlauf  86. 
Krause'sche  Körperchen  36. 
Krätze  0,  751. 
Krätzmilben  9,  150,  753. 
Krätzmittel  771. 
Krätzsalben  771. 
Krebs  Ü60. 
Krebsgertist  661. 
Krebsgeschwür  665. 
Ki-ebsmasse  661. 
Krebs  und  Lupus  633. 
Krebszellen  660. 
Krimskaja  644. 

Kiimmerfeld'sches  "Wasser  456. 
Kupferhaudel  458. 
Kushta  6. 

L. 

Lactmnen  8. 
Lait  sicilien  456. 
Laus,  Läuse  750,  779. 
Leberflecke  502,  747. 
Leicheiufectionspustel  369. 
Leichdorn  509. 
Lentigo  500. 
Lenticula  5. 
Lepra  612. 

—  alopecia  6. 

—  anaesthetica  648. 

—  Arabum  642. 

—  elcphantina  6. 

—  leoniua  6. 

—  (lir.poi.)  3,  6. 

—  maculosa  648. 

—  mutilans  647,  650. 


Lepra  tuberosa  645. 

—  Tyria  6. 
Leprosy  642. 
Leptothrix  718. 

Leptus  autumnalis  750,  778. 
Leucopathia  60. 
Leucoderma  551. 
Leucoplakia  buccalis  971. 
Xsuzr;,  Lenke  4,  6. 
Liehen  (Xer/^v)  3,  394. 

—  acuminatus  399. 

—  haemon-hagicus  488. 

—  lividus  396,  494. 

—  pilaris  516. 

—  planus  401. 

—  ruber  399. 

—  scrophulosorum  395. 

—  sypliiliticus  693. 

—  urticatus  279. 
Linsenfleck  500. 
Lipome  595. 
Livedo  112. 

—  calorica  115. 

—  mechanica  113. 
Lombardischer  Aussatz  290. 

XÖTtOt  3. 

Lues  689. 

—  venerea  7. 
Lunula  (d.  Nagels)  50 
Lupus  9. 

—  erythematosus  608. 

—  exfoliativus  616. 

—  exulcerans  618 

—  maculosus  616. 

—  papillaris  618. 

—  tumidus  616. 

—  serpiginosus  618. 

—  L.  vulgaris  616. 
Lupusgeschwüre  618. 
Lupus  und  Krebs  633. 
Lupusknötchen  627. 
Lymphangioma  tuberös,  multiplex  601 
Lymphgefasse  der  Haut  34. 
Lymphorrhoe  540. 

M. 

Maculae  10,  59,  106. 

—  atrophicae  cutis  575. 


Sachregister. 


[j.aoapiü(ii;  4. 

Matlaresis,  Madesis  558. 

aaowts;  4. 
Mais-Tinctur  382. 
Malignes  Papillom  666. 
Malleus,  M.  lixumdus  368. 
Malpigliist'he  Scliiclite  29. 
marginatus  72. 
Masern  6,  187. 
Mäsvirikä  6. 

Materia  perspiratoria  123. 
Matrix  (d.  Nagels)  49. 
Mcasles  187. 

MeclianisclLe  Betandhing  384,  636. 

Mei  ssner'sclie  Körperclien  36. 

Melanosis  60,  501. 

jj.c')>a:,  Melas  4,  6. 

Mentagra  5. 

^licrococeus  718. 

Microsporon  Audoiiini  561. 

_    furfiu-  721,  747. 
Milctscliorf  8. 
Milben  753. 
Milbeneier  758. 
Milbengang  757,  760. 
Milbenmännclien  756. 
Milbenweibclien  754. 
Miliaria  331. 

—  alba  331. 

—  crystallina  331. 

—  rubra  331. 
Milium  157,  161. 
Milzbrandcarbunkel  369. 
Missfärbung  60. 
Mitesser  9,  157. 

Mittel  für  örtliche  Behandlung  98. 

Molluscosis  591. 

Molluscum  atheromatosum  167. 

—  contagiosum  157,  164. 

—  librosum  542,  589. 

—  sebaceum  157. 

—  Simplex,  non  contagiosum,  pendu- 

lum  589. 

—  vernicosum  157,  514. 
Morbilli  187. 
Morbillentyphus  192. 
Morbus  Addisoni  502. 

—  maculosus  Werlhofii  494. 


Morphaea  6,  6-18. 
Morve  et  farcin  368. 
Mosquitos  790. 
Motilitäts-Neurosen  705. 
Mycosis  framboesioides  547. 

—  fungoides  547. 

—  syphiloides  547. 
Mullusciimkörperchen  165. 
|j.up[irj-/.iat,  Myrmekia  4,  5. 
Muscardine  14. 
Muskeln  der  Haut  39. 
Mtickeu  751,  790. 
Mycelitim  714. 

N. 

Naevus  59,  499. 

—  flammeus  597. 

—  mollusciformis  499. 

—  pilosus  499. 

—  spiltis  499. 

—  vascularis  597. 
Nagel  49. 

—  -bett  49. 

—  -falz  49. 

—  -körper  49. 

—  -leistchen  50. 

—  -matrix  49. 
 wall  50. 

—  -Wurzel  49. 
Narbe  64,  583. 
Narbenbildung  584. 
Narbenkeloid  581. 
Nebenpocken  274. 
Neoplasie  497,  576. 
Nerven  der  Haut  36. 
Nervennaevus  499- 
Nervenpapillen  29. 
Nervensystem  der  Haut  32. 
Nesseln  294. 
Nesselsucht  294. 
Neubildungen  576. 
Neurome  595. 

Neurosen  der  Haut  704. 
Neurotisches  Papillom  517. 
Nigrities  60. 
Nigua  776. 
Nirlus  Hl. 


806 


Sachregister. 


O. 

Ooliseuwiirm  776. 
Objective  Symptome  56- 
Oehl'sche  Schichte  23. 
Oestrus  790. 
Oidiumformen  718. 

Oleum  fagi,  Rusci,  Cadinum  100,  385. 

Oligotrichia  558. 

Onychatrophia  570. 

Onychauxis,  Onychogryphosis  525. 

Oaychia,  0.  syphilitica  527. 

Onychomycosis  721,  725,  741,  742. 

Ophiasis  558. 

Opistophalacrosis  558. 

Originäre  Lymphe  270. 

Ortssinn  55. 

Osmidi-osis  123,  139. 

Ovine  270. 

P. 

Pachydermia  6,  537,  547. 
Paciuische  Körperchen  36. 
Paedophlyctis  334. 
Panniculus  adiposus  27. 
Pannus  crassus  s.  leprosus  646. 
Papel  691. 
PapiUen  26. 
PapiUoma  529,  547. 

—  neurotictun  517. 
Papillomartiges  Epitheliom  666. 
Papulae  5,  10,  59. 

—  latae  697. 
Papiilöses  Syphilid  696. 
Paqiielin' scher  Thermocanter  639. 
Parasitäre  Hautkrankheiten  713. 

—  Organismen  713. 
Passive  Hyperämien  III. 
Pasta  Canquoin  637. 

—  Laudolfi  637. 

—  Viennensis  638. 
Pediculi  750,  779. 

—  corporis  humani  750,  779,  785. 

—  humani  capitis  751,  779,  781. 

—  pnbis  750. 

—  vestimentorum  750,  779,  785. 
Pediculosis  780,  786. 
Peitschenwurm  750,  776. 
Poliosis  rheumatica  287,  493. 


Pellade  560. 
Pellagra  290. 
PelUcelli  752. 
Pemphigus  8,  474. 

—  acutus  333. 

—  benignus  476. 

—  circinatus  475. 

—  contagiosus  334. 

—  diphtheriticus  477. 

—  fehrilis  333. 

—  foliaceus  475,  478 

—  haemoiThagicus  476. 

—  hystericus  482. 

—  leprosus  482,  649. 

—  malignus  476. 

—  pruriginosus  477. 

—  syphiliticus  482,  693,  699. 

—  vulgaris  475. 
Penicillium  714. 
Perganieuthaut  571. 
Perspiration  54. 
Petechiae  60,  487. 
Petechialfieber  7. 
Petechien,  Tttiiym  4,  487. 
Petite  veröle  219. 
Pflanzliche  Parasiten  713. 
ipaYcSocva  4. 
Phalacrosis  558. 
Phlegmone  363. 

Phlyctänosen,  o>,ux.-:a'.va!  4,  306. 
Phlyzacium,  oXurizta  4,  63. 
Phthiriasis  780. 
Phthirius  inguinalis  788. 
oüysa-Xov,  Phygethlon  3,  5. 
Ph^ma,  oüaaTa  3,  5,  59. 
Physiologie  der  Haut  24. 
Pian  (ruboid)  547. 
Pigment  35,  -ation  64,  498. 
Pigmentanhäufung,  P.  Hypei-tropliie  60, 

498. 

Pigmentateophie  550. 
Pigmoutkrebs  673. 
Pigmentmal  60,  499. 
Pigmentsarcom  674. 
Pigmontverlust  60. 
Pili  43. 

Pillulae  asiaticae  380. 
Pilze  714. 


Sachregister. 


807 


TTtTupiaai;  3. 

Pityriasis  capillitii  146. 

—  nigra  501. 

—  rubra  390. 

—  Simplex  155. 

—  tabesceutium  149. 
_  versicolor  721,  747. 

Plaques  luuqueuses  697. 
Pleomorpliie  716. 
Plica  524. 
Pocken  219. 

TO[J.S)OS  4. 

Poliosis  554. 
Polytricliie  521. 
Poren  der  Haixt  25. 
Porrigo  5. 

—  decalvans  560. 

—  gramilata  783. 

—  scutiüata  560,  732. 
Prickley  heat  130. 

Primäre  Krankheitsersclieinungen  59. 
Princessenwasser  506- 
Prodronialexantliem  227. 
Pruriginöse  Ausscliläge  408. 
Prurigo  440. 

—  agria  443. 

—  mitis  443. 

—  pedicularis  780. 
Pruritus  cutaneus  706. 

—  pudendoriim  710. 

—  senilis  708. 
Pseudoerysipel  363. 
Psoriasis  372. 

—  palmaris  et  plantaris  375,  692, 

697. 

Psilosis  558. 
•J/üjpa  3. 

Psoriasis  mucosae  oris  671. 
Psydracium  63. 
Pnccinia  726. 
Pnlex  in-itans  751,  789. 
Pulex  penetrans  750,  775. 
Pulvis  Cosmi  637. 
Purpura  60,  490. 

—  cacliectica  492. 

—  haemorrhagica  494. 

—  papulosa  494. 

—  pulicosa  491. 


Purpura  rlieumatica  287,  493. 

—  senilis  491. 

—  Simplex  494. 

—  variolosa  235,  492. 
Pustula  maligna  369. 
Pustulae,  Pustel  5,  10,  59. 
Pustelausscliläge  471. 
Pustulöses  SypMlid  698. 
Pyrogallussäure  388,  639. 

Q- 

Quaddel  59. 
Quetschung  489. 

R. 

Eadesyge  547,  643. 
Easli  III. 
Eäude  752. 
Eesineon  100. 
Eesolution  177. 

Eesorptionsvermögen  der  Haut  54. 
Eetezapfen  30. 
Eevaccination  271. 
Ebagades  64. 
Eliinophyma  460- 
EMnosclerom  603. 
Eiesenurticaria  295. 
EiesenzeUen  630. 
Eiffelzellen  30. 
Eingworm  560. 
Eitteln  III. 
Eose  355. 

Eoseola  59,  106,  290. 

—  cliolerica  III,  290. 

—  febrilis  III. 

—  infantilis  110. 

—  rheumatica  III. 

—  syphilitica  290,  695. 

—  typhosa  III,  290. 

—  vaccinia  III,  274. 

—  variolosa  HO,  227. 
Eossalia  201. 
EotMauf  355. 
Eotzkrankheit  368. 
Eougeole  187. 

Eötheln  187,  197. 
Rubeolae  187,  197. 
Eupia  non  syphilitica  694. 

—  syiihilitica  693. 


808 


Sachregister. 


S. 

Sahafati  7. 
Sandfloh  750,  775. 
Saprophyten  714. 
Sarcoma  674. 

—  pigmentodes  idiopathicuni  674. 
Sarcomatosis  cutis  675. 

Sarcoptes  hominis  753. 
Scabies  5,  751. 

—  crustosa  s.  Norwegica  s.  Boeckii 
651. 

—  pecorina  766. 

—  pustulosa  762. 
Scarlatina  201. 

—  puerperalis  216. 
Scarliavo  547,  643. 
Schalthaar  5Ö4. 
Schanker  085. 
Scharfer  Löifel  634. 
Scharlach  9,  201. 
Scharlachtj'phus  208. 
Schimmelpilze  714. 
Schizomyceten  717. 
Sclüeimschichte  29. 
Sclimarotzerpilze  714. 
SchneUcur  770. 
Schomsteinfegerkrehs  664. 
Schuppenflechte  372.  ' 
Schwangerschaftsnarben  576. 
Schwefelpaste  456. 
Schweissblätterchen  130. 
Schweissdrüsen  14,  41. 
Schweisssecretion  123,  125. 
Schweissdrüsen-Entartung  141. 

 Geschwulst  141. 

Schwielen  507. 
Schuppen  64. 

—  Grinde  64. 
Scirrhus  660. 
Sclerodei-ma  529. 

Sclerema,  Sclerema  adultorum  529. 

—  neonatorum  529,  536, 
Scorbut  8,  495. 
Scrophulose  640. 
soitiformis  72. 
Scutulum  721. 
Seborrlioea  144. 


Seborrhoea  capillitii  145. 

—  congestiva  147. 

—  furfuracea  144. 

—  nigricans  146. 

—  localis  145. 

—  oleosa  144. 

—  sicca  144. 

—  syphilitica  146. 

—  universalis  145. 
Sebumwarzen  158. 
Secretion  (d.  Haut)  54. 

Secundäre  Krankheitserscheinungen  59. 

Secundärhaar  567. 

Seifen,  Schmierseife  99,  383. 

Sensibilitätsneurosen  706. 

Seuren  9. 

Sinnesorgan,  die  Haut  als,  54. 
Siwwens,  Sibbens  547,  644, 
Small-pox  219. 
solitarius  69. 
Solutio  Fowleri  380. 

—  Vlemingkx  386. 
Sommersprossen  500. 
Spaltbarkeit  der  Haut  69. 
Specieller  Theil  105. 
Spedalskhed  642. 

Spiritus  saponatus  kaUnus  (H  e  b  r  a)  152. 

Spitze  Warzen  512. 

Sporen  714. 

Squamae  11,  64. 

Squamöse  Dermatosen  372. 

Stachelzellen  30. 

Stauungshyperämie  112. 

Steinpocken  274. 

Stichelnadel  462. 

Stippchen  61,  228. 

Stratum  corneum  29. 

—  lucidum  32. 

—  vasculosum  33. 
Streupulver  154. 

Striae  atrophicae  cutis  575. 
Stropliulus  III. 
Structur  der  Haut  25. 
Styrax  771. 

Subjective  SjTuptome  56. 
Sudamina  130. 
Sudor  anglicus  159. 
Suren,  Sueren.752. 


Sachrej 

Sycosis  5,  449,  463 

—  parasitaria  466,  721,  743,  744. 
Symptoinatisclie  Dermatonosen  74. 
Symptomatologie  allgemeine  24,  56. 
Sypltüis  7. 

—  cutanea,  Syphilide  689- 

—  vegetans  701. 
System    der    Hautkranklieiten  nacli 

Hebra  17. 
Systematik  der  Haiitkrankheiten  102. 
Syrones  752. 

T. 

Talgdrüsen  43,  48. 
Tastorgan  54. 
Tastsinn  54. 
Tastwärzchen  55. 
Tätowiren  504. 
Teinte  broncfee  503. 
Tela  snbcutanea  34. 
Telangiektasie  596. 
Telengiektasie  59. 
Tep[i.iv&ot  3. 
Thanns  714. 
Theer  100,  381. 
Theeraene  453. 
Theerbad  385. 
Therapie,  allgemeine  91. 
Therioma  5. 

Thierische  Parasiten  713. 
Thymion  5. 

Tinchira  Eusei  100,  3851 
Tinea  7,  150. 

—  graniüata  783.  • 

—  pellada  560. 

—  tondens  732. 
Transplantation  588. 
Trichanxis  521. 

Trichophyton  tonsurans  721,  735,  376. 
Trichorrhexis  nodosa  570. 
Trophische  Nerven  39. 
Tropho-Nenrosen  705. 
Tubercnla  11. 
Tnbercnlose  der  Haut  640. 
Tnbcrculum  59. 
Tumor  cavernosus  600. 
Tyloma,  Tylosis  507. 
Typhiisexanthem  290. 

Kaposi,  Hautkrankheiten. 


igister.  809 

u. 

Ueborhäutimg  584. 
Ulcera  cutanea  64,  677. 
Dlceröses  Syphilid  700. 
Ulcus  cruris  e  varicibus  681. 
ünguent.  Eochardi  387. 

—  Vaselini  plumbicum  432. 

—  AVilkinsoui  386. 

—  Wilsoni  432. 
TJnguentum  Diachyli  (Hebra)  185. 
Unguis  49. 

UnterhautzeUgewebe  26. 
Uridrosis  140. 

Ursachen  ,  allgemeine ,  der  Hautkrank- 
heiten 73. 
Urtica  59. 
Urticaria  294. 

—  annxüaris  294. 

—  bullosa  295. 

—  factitia  295. 

—  flgui-ata  294. 

—  gyi-ata  294. 

—  papulosa  295. 

—  porcellanea  294. 

—  tuberosa  284. 

—  vesiculosa  295. 
Urticatio  296. 

V. 

Vaccination  222,  269. 
Vaccine  269. 
Vaccini'othlauf  359. 
Vajuolo  219. 
Varicella  223. 
Variegatus  72. 
Variola  219. 

—  confluens  244. 

—  haemoiThagica  234. 

—  modificata  223. 

—  Vera  223,  226. 
Variolation  221. 
Varioleneffloresceiiz  249. 
Variolois  223. 
Varix  5. 
Varus  5. 
Vaseline  99. 
Vasoconstrictores  39. 
Vasodilatatores  39. 

52 


810 


Sachregister. 


Vasomotorisulie  Neurosen  705. 
Vater'sche  Kürperclum  36. 
Venen  der  Haut  33. 
Vei'brennung  337. 
Vernix  caseosa  145. 
Vemica  511. 

—  filiforniis  514. 

—  mollusciformis  514. 

—  senilis  512. 

—  vulgaris  512. 
Vertheilung  der  Efflorescenzeii  68. 
Vesiculae  10,  59. 

Vespajo  del  CapiUitio  743. 
Vibioes  60,  487. 
Vitiligo  5,  6,  551,  648. 
VitiUgoidea  592. 

W. 

Wagner'sche  Köi"perclien  37. 
Wasserbett  (Hcbra)  347. 


Warze  511. 
Weicliselzopf  524. 
Wiebeln  III. 

X. 

Xanthelasma,  Xauthoiii:i  592. 
Xerodermie  155,  571. 

Y. 

Yaws  547. 

Z. 

Wanzen  751,  790. 
Zellenauswanderuug  176. 
Zellenproliferation  176. 
Zona  5. 
Zoster  5,  307. 

—  haemorrhagicus  314. 
Zoogloa  718. 


• 


<ili-v  nnnn  i^t  WiUon  LtJ