I
PATHOLOGIE UND THERAPIE
der
HAUTKRANKHEITEN
IN VORLESUNGEN
für
PRAKTISCHE ÄRZTE UND STUDIRENDE.
Von
D^- MORIZ KAPOSI,
a. ö. Professor für Derr.a.tologie und Syphilis an der Wiener UniversUat.
Mit 04 Hohschmtlen und einer Farbendruckta/el.
WIEN UND LEIPZIG.
URBAN & SCHWARZENBERG.
1880.
Griv\ 39 ^s-
Alle Rechte vorbehalten.
WELLCOME INSTITUTE
LIBRARY
ColL
welMOmec
Call
No.
Druck von G. üistel & Comp, in Wien, I., August inerstrasse 12.
Holzschnitte aus dem xylographischen Atelier von F. X. Ma t o lo n i in Wien.
1
sktnb:s[
HOCHVEREHRTEN LEHRER
HERRN PROFESSOR
D"" Ferdinand rittervon Hebra
IN PIETÄT T]ND DANKBARKEIT
/;f.widmf.t
VOM VERFASSER.
Vorwort.
Zur Verfassung des vorliegenden Werkes hat mich vor Allem
,e.-oo-en die Rücksicht auf das actuelle Bedürfniss der Aerzte und
BtucWcn nach einem, der Oricntü-ung in der Praxis, w.e dem Schul-
zweckc gleich dienlichen H a n d hu c h e d e r D e r m a t o l o g i e
Demnächst führte mich dazu die Erwägung, dass schon wahrend
der Bearbeitung, und seit Abschluss des von meinem hochverehrten
Lehrer Hebra geschaffenen und von mir beendeten, zweibänd.gen
Werkes über Hautkrankheiten viel und erheblich Keues und Wissens-
werthes auf dem Gebiete der Hautkrankheiten und der darauf bezug-
lic l Doctrinen gewonnen wurde, was am besten du..h eme P.^.
cln, wie die gegenwärtige, den Collegen und Stud.renden übermittelt
^":orangestellten praktischen und Lehrzweeke wav ich bestrebt
Anlao-e md Umf ng, Darstellung und Inhalt des Werkes anzupassen-,
m^'^^rchwe^s bin id. bemüht gewesen, die Einsicht daftir zu wecken,
i tr^indniss der Dermatopathicn nur auf richtigen Yor^ellung^
.s den medicinischcn Grundwissenschaften, insbesondere -
.einen Pathologie und pathologischen Histologie s.ch - J
d.,ss nur aus einem derartig gewonnenen Yerständmsse d i klm.schen
C-hlungen die Selbständigkeit und Sicherheit des Urthe.ls, sow.e
!:: iZwusste und erfolgreiche Therapcutik dem Kranken gegenüber
'""^Cn die Kreise, lür welche dieses Buch l^estimmt ist, m dem-
selben'da^ linden, was ihnen darin zu bieten meine ernste Abs.ht wa
iriögen mein: geehrten Fachcollegen die ^-cheidene Le.s^ng n.cht
xnit strengeren Ansprüchen bourthcilen, als s.e selbst sich ,.bt.
AVIEN, im Februar 1879.
Der Verfasser.
I n Ii a 1 t.
Allgemeiner Theil.
Erste Vorlesung: Beziehung der Dermatologie zur allge-
'^"^'Zinipatlfologie.Ihreßedeutunginw.^s^^^^^^^
Txnd praktischer Beziehung. Geschichte ihrer Ln
Wicklung seit dem Alterthume his in die neueste Ze t
zweite Vorfesung: Allgemeiner Charakter d^ ~
hetreffenden pathologischen Processe. — Wesentlicne
uteS^ttimmung derselben mit denen ^er anderen
Organe und Gewebe. - Sie treten jedoch mu eigen-
thfmlichen Charakteren in Erscheinung Der speciale
Charakter ist bedingt durch die besondere Anatonne
der Haut, die eigenartigen Symptome und T^J^^^^^^ ^.«^
Hautkrankheiten. - Anatomie der Haut und ihiei
Dritte^'orlesung": Anatomie ' der Ha;t iFol-tse'tzung).
°" PhyllogiedesHautorganes. Dreifache Function des-
selben als Schutzorgan und Wärmeregulator als
specifisehes Secretions- und als «Pec^li-^es Sinneso |an
Vierte Vorlesung : Allgemeine ^y-;^''^^^'f:^f'^^^^^
und obiective, primäre und secundare Kiankheits
erscheinungen. Vertheilung <i'^^Efflorescenzen • .
Fünfte Vorlesung: Allgemeine Aetiologie. l^^^^Vf^^^^^^
und symptomatische Dermatonosen. Klmischei Begriö
der Hautkrankheit. Allgemeine Diagnostik . • •
sechste Vorlesung: Verlauf, Bedeutung und Lolgen^^
Prognose der Hautkrankheiten. Allgemeine Theiapie.
— Systematik der Dermatonosen
Specieller Theil.
I CLASSE.
Hyperaemiae cutaneae.
JU^rclx Bl«tübermil,.rxg in derx oberfläcYUcUe- Ha^t-
Bcbichten veranlasste HantUrankUeiten.
II. CLASSE.
Anaemiae cutaneae.
ID«clxverminderten«lntgeUaltibrex. feinsten Gefasse
vernrsachte krankUalte Krsclxe.nungen der Haut.
Siebente Vorlesung: Hyperämien der Haut active und
passive, idiopathische und symptomatische Hyperamien,
ßoBcola, Erythema. Anämie der Haut
Seite
1—21
22—40
41—55
56—72
73—87
88—104
105—121
VIII
III. CLASSE.
Ajiomaliae secretiouis cutaueae et glandularum
c u t a u e a r u m.
JDurch Abnormitäten der Hautseoretion und dei-
Hautdrüsen veranlasste Hautlirankbeiten.
Achte Vorlesung: Anomalien der Hautperspiration und Seite
Scliweisssecretion. — Bromidrosis. Physiologie der
Schweissabsondening : chemische Beschaffenheit des
Schweisses und taankhafte Schweissabsonderung,
Quantitative Störungen: Hyperidrosis universalis et
localis. Oertliche und allgemeine Folgen und Compli-
cationen. Therapie. Anidrosis. Qualitative Anomalien
der Schweissabsonderung. Anatomische Veränderungen
der Schweissdrüsen ...
122 — 142
Neunte Vorlesung: Anomalien der Fettsecretion. Physio-
logie der Fettsecretion. — Pathologie. Uebermässige
Secretion. Seborrhoea localis et universalis. Diagnose
Prognose, Therapie. Verminderte Secretion. Xerosis!
G-estörte Excretion, ihre Folgen als Eetentionsformen
Comedo, Milium, Molluscum verrucosum s. conta-
giosum. Atheroma
IV. CLASSE.
Exsudatioues.
Durch Kxsudation und Entzündung bedingte Haut-
liranblieiten.
Zehnte Vorlesung: Allgemeines über Exsudation und
Entzündung. Die Zellentheilung, ihre Beziehung zu
jenen und zu den stabilen und eingewanderten Form-
elementen. Symptome der Exsudation und Entzündung
an der Haut. Verlauf und Ausgang derselben. Eeso°
lution, Eiterung, Hypertrophie, Atrophie, Degeneration 168—183
A. Acute exsudative Dermatoseu.
a) Acute, coatagiöse, exsudative Dermatosen.
Eilfte Vorlesung: .Acute Exantheme." Gemeinschaft-
liche Charaktere der acuten Exantheme. — Masern 184—200
Zwölfte Vorlesung: Scharlach '>01-218
Dreizehnte Vorlesung: Blattern - Geschichte. Vari"ola- "
üon und Vaccination. Variolosis, Varicella. Typische
Blattern, Variola vera. Atypische mit günstigem
Verlaute 233
Vierzehnte Vorlesung: Blattern (Fortsetzung). Un-
günstige Atypie: Variola haemorrhagica , Variola
confluens. Complicationen und Folgen der Blattern
234-256
IX
Seite
Fünfzehnte Vorlesung: Blattern (Sc üus«) Diagnose.
Proo-uose. Einüuss der iB.ptog auf die Scliwere der
Erlu-ankung. Aetiologie. Therapie. ProiAylaxis.
7r ■ • niMTinäre und humamairte Lymphe.
W Acut., nioit «o»tu.io.., .>:.~d"l" X>«r=..o.«.
1. Ery tliemformen.
Sechzehnte Vorlesung: Die anatomischen Veränderungen
bei den Erythemen identisch, nur nach dem Grade
verschieden. Erythema multiforme und Herpes Ins
et circinatus, Erythema nodosum, Purpura rheumatica .(6-293
Siebzehnte Vorlesung: Urticaria. — Formen und Be-
deutung der Urticaria, idiopathische und symptomatische,
acute und chronische Nesseln
2 Phlyctänosen, Bläsclienaussclilä ge.
Achtzehnte Vorlesung: Herpes, Herpes Zoster, dessen
Beziehung zum Nervenverlaufe und zur Ganghen-
Erkrankung. Specielle Nosologie • ' ^^"^
Neunzehnte Vorlesung: Herpes labialis Herpes pro-
genitalis, Herpes Iris et circinatus. Miliaria rubra,
alba et crystallina. Pemphigus acutus ö^o—ööt
3 Dermatitides. E i gentlicli e Hautent z ündung e n.
Zwanzigste Vorlesung: Identität der anatomischen Ver-
änderung. Klinische Verschiedenheit durch Grad und
Ursache der Entzündung bedingt. Idiopathische und
symptomatische Dermatitis. D. traumatica, a venenatis
et dynamica. Calorische Form: Verbrennung und
Erfrierung * \. V " tt' +*
Einundzwanzigste Vorlesung: Symptomatische Haut-
entzüadungen. - Diffuse erythematöse En zundung,
Erysipel: phlegmonöse Form, Pseudoerysipel. Circum-
sciite Formen: Furunkel, Anthrax (idiopathische
und symptomatische) ; endemische Formen: Bouton
d'Alep. Zoonosen:Maliasmus, Leicheninfectionspustel,
Pustula maligna
B Clironisclie, exsudative Dermatosen.
Zweiundzwanzigste Vorlesung: Anatomische Bedeutung
und klinische Eintheilung der chronischen Exsudativ-
processe. 1. S quamö s e D er m at o s e n. Psoriasis 371-389
Dreiundzwanzigste Vorlesung : Pityriasis rubra. Liehen.
Liehen scrophulosorum. Liehen ruber . . • • • -'-J^
'2 Pruriginöse Dermatosen, Juckausscliläge.
Vierundzwanzigste Vorlesung: Eczema. - Definition
Polymorphie und Wandelbarkeit der Symptome,
typischer Verlauf des acuten Eczems ; chronisches
Eczem; anatomische Grundlage. Specielle Localisations-
formen. Impetigo faciei; Eczema marginatum; Diagnose 408-4^o
X
Fünfundzwanzigste Vorlesung: Eczem. (Fortsetzung.) Seite
Ursachen, Prognose, Therapie _ 426 439
Sechsundzwanzigste Vorlesung: Prurigo. — Charak-
teristik , Prurigo agria und Prurigo mitis . , . 440 448
3. Folliculitides , Acneformen. F i nne n a us s clil äge.
Siebenundzwanzigste Vorlesung: Acne disseminata.
Acne vulgaris, Acne arteöcialis. Theer-, Jod-, Brom-
acne. Acne rosacea 449 462
Achtundzwanzigste Vorlesung: Sycosis, Bedeutung,
Pathologie und Therapie. Sycosis parasitaria.
Impetigo, Ecthyma. Impetigo herpetiformis . . . 463 473
4. Blasenausscliläge.
Neunundzwanzigste Vorlesung: Pemphigus, — Be-
griffsbestimmung des Pemphigus, Allgemeine Unter-
scheidung in P, vulgaris und foliaceus. Allgemeine
Symptomatologie, Specielle Pemphigusformen und
deren Pathologie, Anatomie, Diagnose, Prognose,
Therapie ° _ 474_485
V. CLASSE.
Haemorrhagiae cutaneae.
üurch Blutaustritt bedingte lirnnkheitsformen der
Haut.
Dreissigste Vorlesung: Bedeutung und anatomische Be-
dingungen, klinische Formen der Haemorrhagiae
cutaneae, Vorgang bei ihrer Involution. Idiopathische
und symptomatische Formen. Contusion, Verletzung,
Purpura senilis, P. variolosa, rheumatica, simplex,
haemorrhagica. Scorbut. Hämophilie, Hämatidrosis. 486 — 496
VI. CLASSE.
Hypertrophiae.
In Massenzunahme bestehende Hautkrankheiten.
Einunddreissigste Vorlesung : Allgemeines über Hyper-
trophie, Anatomische und klinische Sonderung nach
der Betheiligung des Pigmentes, der Epidermis und
der Papillen und der Cutis als Ganzen, Pigment-
hypertrophie. Anatomischer Sitz. Naevus, Lentigo,
Ephelis, Chloasma, Morb. Addisoni, Melasma. —
Anhang : Icterus, Argyria, Tätowirung. — Keratosen :
Schwiele, Leichdorn, Hauthorn — Papillome:
Warzenmäler, Warzen 497 514
Zweiunddreissigste Vorlesung: Ichthyosi.s, Formen,
Pathologie, Anatomie, Prognose, Therapie . . .515 — 528
Dreiunddreissigste Vorlesung: Biiidegewebshyperlro-
phien. Diffuse: Scleroderma (Anhang: Sclerema
neonatorum) und Elephantiasis Arabum. — Ele-
phantiasis telangiektodes et ueuroticuni. Circumscripte :
Papilloma (Framboesia) . _ 529 549
XI
VII. CLASSE.
A t r 0 p Ii i a e.
■»^biniius; erworben: Vitiligo. Pigmentmangel der
raioSica (Xevoderma, Striae atrophicae, Atrophia
Qx^antitative und degeneratwe Atrophie . . • . öb.-5 o^D
vni. -and IX. CLASSE.
Neoplasmata.
ci»nhQnnddreissieste Vorlesung: Neubildungen, AU-
e^^^^^ M Gutartige Neubildungen :
Bindegewebsneubildungen: Keloid, Narbe (Vorgang
bei der Narbenbildung). Molluscum fibrosum. Xan- ^^^^
thoma, Eibroma, Lipoma, Neuroma . . • • • •
Siebenunddreissigste Vorlesung: Augiomata. - Blut-
ge.fäss- und Lymphgefäss-NeubikUmgen . • — ^^»^
Achtunddreissigste Vorlesung: Ebmosclerom. Lupus
erythematosus ." q * „
Neununddreissigste Vorlesung: Lupus vulgaris. Symp-
tomatologie, Prognose, Aetiologie, Diagnose . • • 616
Vierzigste Vorlesung: Lupus (Fortsetzung). Anatomie
Therapie des Lupus. Scrophulose, Tuberculose der
Haut
IX. CLASSE.
Bösartige Neubildungen.
Einundvierzigste Vorlesung.Lepra, Geschichte Pathologie 642
Zweiundvierzigste Vorlesung: Carcinom Begriff des
Krebses, Formendesselben: Epithehom, Bindegewebs-
kreb,s, Pigmentkrebs, — Sarcom bbu
X. CLASSE.
Ulcera cutanea, Hautgescliwür e.
Dreiundvierzigste Vorlesung: Begriff der Geschwüre.
Allgemeine Symptomatologie, Eintheilung. — Idio-
pathisch entzündliche, einfache und contagibse Ge-
schwüre-, das Fussgeschwür-, Schanker. Consecativ
entzündliche, scrophulöse Geschwüre. Aus Neoplasie
t>77 — üoö
hervorgegangene Geschwüre
659
XII
Vierundvierzigste Vorlesung: Sypliilide, Allgemeiner «-te
Charakter, Eintheilnng nach den morphologischen
Erscheinungen. Specielle Formen, Symptomatologie,
Diag-nose, Beziehung derselben zur constitutionellen ,
Syphilis. — Allgemeine imd örtliche Behandlung 689—703
XI. CLASSB.
Neuroses cutaneae.
Fünfundvierzigste Vorlesung: Neurosen der Haut, Be-
griff Motilitäts-, Tropho- und Sensibilitäts-Neurosen.
Pruritus cutaneus, universalis et localis. Pruritus senilis 704 -712
XII. CLASSE.
Dermatoses par asitariae.
DParasitäre Haatliranblieiten.
Sechsundvierzigste Vorlesung : Pflanzliche und thierische
Parasiten. Allgemeines über Pilze und ihre botanische
Stellung Wirkung auf das Hautorgan. Eiutheilung
der Derniatomycosen. Specielles : Favus, Pathologie,
m . 71c> iol
Terapie
Siebenundvierzigste Vorlesung: Herpes tonsurans. —
Formen: H. tons. Capillitii, vesiculosus, squamosus,
maculosus. Onychomycosis — Sycosis parasitaria —
Eczema marginatum; — Pityriasis versicolor . •
Achtundvierzigste Vorlesung: Durch thierische Para-
siten bedingte Hautkrankheiten. — Thierische
Parasiten-, eigentliche Parasiten und Epizoen. Art
ihrer Wirkung auf die Haut. — Dermatozoonosen. —
Scabies. Geschichte. Naturgeschichte der Krätzmilbe.
Milbengang . •
Neunundvierzigste Vorlesung: Scabies (Fortsetzung).
_ Symptome, Pathologie, Aetiologie, Therapie . . (W—iiö
Fünfzigste Vorlesung: Dermatozoonosen (Fortsetzung).
— Acarus foUiculorum. Pulex penetrans. Filaria
medinensis. Leptus autumnalis. Ixodes Ricinus.
Cysticercus cellulosae. — Epizoonosen: _ Pedicul.
capitis, corporis, pubis et Pediculosis s. Pythiriasis. —
Pulex irritans. Cimex lectularius, Culex pipiens.
Oestrus • •
732—749
750—759
774—790
Allgemeiner
Theil.
Erste Yorlesiing.
.,iir,»rT,einen Pathologie. Ihre Bedeutung
Wicklung seit dem Alterthun, b.s m die neueste Zeit.
Meine Herren!
Die Lehre von den Hantkranklieiten, die Derma-
+ oloo-ie rielitigerDermato-Patliologie.liatznrAufga-be,
wicMigen Theile der speciellen Krank We^e
bekannt zu naacken. Sie stellt gegenwärtig eine -^f^^ -
inhaltreicke Disciplin vor, die zwar bis zu einem gewissen
Grade in sich abgerundet, dock vermittelst wicktiger orgamscl x
Ausläufer mit den übrigen Disciplinen , besonders mit der
allgemeinen Patkologie zusammenkängt.
Es ist sekr ntttzlick, sobald man an das Studium dei
Hautkrankkeiten gekt, sick diesen Umstand vorweg- zum
Bewusstsein und zur Ueberzeugung zu bringen und die etwa
vorgefasste Meinung fakren zu lassen, als kanc el te es sich
hier nur um die Aneignung einer gewissen im ^^^^^^^^^^^^^
mit Nutzen verwertkbaren, kliniscken ™-U^raktiscken Rouüne^
Sie werden im Gegentkeile alsbald erfakren, dass das Studium
derSutkrankkeitL praktisok um so gedeiklicker --1 -ssen-
Hokaftlick um so befriedigender sick gestaltet 3« sorgMt^^^^^^
die Beziekungen und Analogien aufgesuckt und erfasst weiden,
Kaposi, Hautkrankheiten.
Erste Vorlesung.
welche die Krankheiten der Haut zu und mit den physio o-
gischen und pathologischen Zuständen anderer Organe , des
Gefäss- und Nervensystems, der Blut- und der Saftemasse und
den verschiedenen Zuständen des Gesammtorgamsmus besitzen.
Es ergibt sich aber auch weiters, dass die an dem
Hautorgane stattfindenden la:ankhaften Vorgänge em sehr
belehrendes Vergleichs- und Prüfungsobject abgeben ruck-
sichtlich der analogen pathologischen Processe umerer Organe,
mdem iene schon am lebenden Individuum und m flagranti
unserer Sinneswahrnehmung und Beobachtung zugänglich sind,
während diese als abgeschlossene, oder mitten im Laufe abge-
brochene Vorgänge erst aus den todten Gebilden erschlossen
werden müssen. _
So bekundet sich denn die Bedeutung der Dermato-
Pathologie in dreifacher Beziehung, indem sie uns erstens die
Krankheiten eines für das Leben unentbehrHchen Organes,_ der
Haut erkennen, verstehen und heilen lehi't ; indem sie zweitens
dm^ch den Nachweis der Beziehungen der Dermatonosen zu den
Krankheiten anderer Organe und Systeme unsere Kenntmsse
von der Pathologie des menschlichen Körpers überhaiipt m
erheblichem Grade ergänzt und vervollständigt; und di'ittens,
indem sie nach der Natur des von ihr behandelten Gegenstandes,
durch Vorführung von Krankheitsvorgängen, welche miserer
Simieswahrnehniung unmittelbar zugänglich sind, unsere aus
der allgemeinen und experimentellen Pathologie geschöpften
Vorstellungen und Kenntnisse zu fördern vermag.
Diese Bedeutung der Dermatologie ist eine Errungenschatt
der neueren Medicin und das Resultat der in dem Studium
der Hautkrankheiten mit dem Ende des vorigen Jahrhundertes
zur Geltung gekommenen , streng naturwissenschaftliclien JVle-
ihodik, im Vereine mit den Aufklärungen, welche die mikrosko-
pischen und experimentellen Studien der letzten Jahrzehnte
auch bezüglich der Anatomie, Physiologie und pathologischen
Histologie der Haut zu Tage gefördert haben.
Die Derniato-Pathologie der neuen Zeit ist aber keines-
wegs auf einem unvorbereiteten Boden erstanden.
Die Geschichte der einzelnen Hautkrankheiten , sowie viele
der noch gegenwärtig zu Recht bestehenden Namen derselben
-und ihrer Symptome führen uns nothwendig zurück auf die
Leistungen früherer Zeitalter. Ja, dieselben können zum
Allgemeine Gescliiclite.
. r1«iin riclitio- verstanden werden , wenn man
">"™J-'™Pf\:™;f"Vtrwnuiern, we,m so auffallende
Es wai-e aueh zu .e , '^n i^en Decke , die
^"^'^'^Zri^ Farben- und Gestalterschei-
.u Tage l«f ^"^'^.„f L^ieu sieb so leictt bemerkbar
„n,gen «''"^^^ttr^oUten überseben worden sein, die .mn
\r n, Sieb - — : -sr;
, de zSlufd: ~issensebaft
bescbaftigten, als der 3™ s , j^te.
. '",t^^^eto Tbeil ansteckende Krankberten
gaben über ^«^«'"«"^ ■ Namen von Nega,
der Haut, aucb dei Haaie um
Baberetb, Sebebin, Misepabat, ^-^ff „ J^:""^ " deuten,
in der Lage <Ueselben nvmeicBi>scbem Sume ueM g
In der Bibel-TJebersetzung der ^''l*''^!^'^*^,^''^^^,,^,^,^^^
Nega und Zaraatb mit Lepra '-^ ^ J^^^^A*.-
worden; nnd so bat f ' „^'^^Itb der Bibel
latnr die Meumng erhalten "».^'^ " .j^^er ein Irrtimm,
tbatsaehlieb den Aussatz bedeutet. D. s st siche^
Zaraatb bedeutet 'lort eben mehts ^^^^^JC^^sieo^e^^A.
sebwer- oder gar mebt ^edba^e j ellercbt^^ ^.^ ^^..^^^
Hantkrankbeit und mag «"\/;"J^f;;/^,^ f,^. einfache Brand-
verwendet worden sein, sowie sicbei aucn
^'^Dentlicber erkennbare patbologiscbe Beg." »
nrnrgsweisen flu- ^^^^:^rZ^ »n,
dagegen m den g^^^^^'^""^"' . .,„,^o,3en von Sokhat^
..nächst schon l-i™AX^^^^ dem ^^^f^Zl^ (von
nnd Plato (460-370 (?) a Ch-)- ^' T^Zere - Ha^^tblntlien)
nnd rmd ^.^ula.x tm n,,, ginne, wie
Hantkrankheiten nberhanpt , m dem «e
etwa die letzteren modernen Ausdmcke anch h^ntz
Aerzten nnd Laien E^r^.^^I:^:Ln^ Ge-
^Epaw{>o., i^ivu-/.Tt;, iv{>?a.(; fnr knotige «^^^^ ^ _ für
s iwlüste der Haut; ^-^^ 'f^ znm Thei e mit
trockene, mit Abschlüfernng der Epidermis, znm ihe
^ Erste Vorlesung.
Jucken verbundene Hautkranklieiten, wälirend x.v?icrao; und •/.viSwci;
für Jucken xind Breimen der Haut angeführt wird ; l^pßy.^ für
Scliweissbläscken ; (pT^uxTaiva'., cpWCa/.ia, cpuSpi/aa, ä/^öpe;, -/.-/ipiov, 7:o,j,ooi
füi« Bläschen, Blasen, mit Nässen und Krustenbildung verbundene
Hautausschläge; ep-?,? £c(^w,^.£vo; und /iYXP''«; fi^r peripher sich
ausbreitende, sogenannt „kriechende", oberflächliche, oder tie-
fer greifende Hautaffe c tionen ; aVfo;, lzw.r,, u-zly.;, ifU'Jit; für
Verfärbungen und Pigmentanonialien der Haut; [j-x^iiiz; , -v.y.fV.-
oöGi? und ä>.(o-£/.ta für die verschiedenen Formen des krank-
haften Haarverlustes ; ä/.pox6pSov, äx.po{^urJ.•.ov, ;7.'jpa-/ixi7.o , wva-ot für
Warzen und Finnen; h^^jaiiziky.; , fx-^z^xXvx, , sp-ja-^y-ara,
TcsTs^ixt für auch heute so benannte Processe; yoiox^z: für
Scrophel-G-eschwülste. Dabei ist nicht zu verkennen, dass
schon HiPPOKEATES gcwissc Hautkrankheiten als selbständige,
mehr minder wichtige AfFectionen des Organes , als idiopa-
thische Uebel, andere als Ausfluss oder Aeusserung gewisser
innerer, auch allgemeiner ruid fieberhafter Erkrankungen, als
.,Apostasen" angesehen hat. Er spricht von so genannt kriti-
schen Ausschlägen, welche fieberhafte Erkrankungen abschliesen,
glaubt, dass Ausschläge spontan oder in Folge von Behand-
lung auf innere Organe zm-ücktreten und diese krank machen
können; dass umgekehrt gewisse Excretionen und Depletionen,
wie Hämorrhoidalflüsse von einzelnen Hautkrankheiten erlösen
können. Schliesslich fehlt es auch nicht an Angaben über die
Ursachen der Hautkranklieiten in dem Sinne, dass für einzelne
Hautübel der Einfluss der damals angenonmienen Cardinal-
säfte, für andere die Einwirkung der Jahreszeiten, der Witte-
rungsverhältnisse, der Windrichtungen, oder der individuelle
des Alters und Geschlechtes geltend gemacht wurde.
Nach HiPPOKRATES, dessen Schriften die Grundlage für
die medicinischen Studien eines weiteren Jahrtausendes bilden,
verdient mit Rücksicht auf die Aufmerksamkeit, welche er den
Hautkrankheiten zuwendete, Corn. Celsds hervorgehoben zu
werden. Dieser unstreitig objectivste der alten medicinischen
Schriftsteller, der etwa von 53 v. Chr. bis 7 n. Chr. in Rom
gelebt und sein nocli heute lesenswerthes Werk : Medicmae
libri octo etwa nm 18 v. Chr. veröffentlicht hat, bringt im
5. und 6. Buche seines Werkes eine von theoretischen Aus-
lassungen befreite, ziemlich sachliche und systematische Ab-
handlung über Hautkrankheiten, welche nach Inhalt und Form
Allgemeine Gescliiclite. 5
« , fintt und .usa™ne„gefa.st, sondern durch neue la «-
Sol e gros.ent,heib noch heute giltige Namen ersetzt oder
"ta A und die Pathologie der Hautkranhhe.ten durch em-
X .^enaue, inr modernen Sinne deser>ptwe Scnldenmgen
^tktrt. CB.SOS heschreibt im ^-^'.^^»"^
mit unverkennbaren CharaHeren, spneht Sj^ f ^
Behandlung von Wunden und Geschwüren (Vulnera ulceia)
„nd besonderen Capiteln über eine Reihe von Hautkrank-
eHe "anfiUu.t als: Carbunculus, Carcinoma, Thcnoma
Cedacna), Ignis sacer, TJlcera ex frigore (Frostgeschwure),
f ™l,s. Ph;ma, Phygethlon, Abscessus MsWae,
Aerochordon. Thymion. Myrmekia, ^'^^ • ^'^!^;%^^ '
Impetigo, Papiüae,VitUigo; im 6. Buche : de Cainll.s fl,«ntAus,
de Porrio^ine, de Sycosi, de Areis, de Varls, Lentioulrs, et Ephe-
Me L°7. de Condylomatibus , de de G^graena
Die meisten dieser Krankheitsnamen J'™';^^"
Gebrauch, obgleich mit theilweise anderen »''f f ^^^^^
steht Cklsds imter Pustulae nicht nur eiterige Effloiescenzen
Wem auch Urticaria und Sehweissbläschen ; rmter Scabies
e^ gehende, mit Schuppung oder 1^»-- »^«8*» ^
Krankheit, die wir heute als Eczem "'V, ^"f .^.t^^
luid Begriffe, wie Sycosis, ffir eine M-ankheit
Gesichtes, Porrigo für Kopfgi-ind, sind "»"'j^l"'"*'' "^'^^^
die HingsU Zeit in Geltung geblieben, nicht zu gedenken der
obi-en Namen für Warzen, Hühneraugen u. s. t.
" um diese Zeit bringt auch noch P.iKias Nachricht ub«
eine neu nach Rom i'^fortn-i. ..^i^f^^f^
Mentagra und erwähnt derselbe , fast gleidizeitig mit Sce™
™: S10.S des Gürtelaussehlages als ^-f» "«^^^t
rend andere Schriftsteller, in T^'^^t^TZl
über Elephantiasis sich äussern, welche Krankheit eist damals
in Italien allgemeinere Verbreitung gewann
GAlEKfS, im 2. Jahrhunderte n. Chr. thatig, J ™
H^KK^TZS und CE.SOS gebotene Materiale m
weitläufig angelegten Werken --«-^ «"^".rt^^^^^
ben, SO dass die Schriftsteller der -;;^t:ie; inTt Iders
wiegend aus GiLKNUS schöpften. Von Urnen
Q Erste Vorlesung.
liervorziilieben Aetius von Amida (543 n. Chr.), welcher zuerst
den Ausdruck r/Ceaara gebraucht, Paul v. Aegina, der einzel-
ner Hautkrankheiten nachdrücklicher gedenkt, Oribazius, Ale-
xander Trallianüs, Actüarius, welche durch bündige Krank-
heitsschilderung das Verständniss der alten Griechen wesent-
lich förderten.
Inzwischen waren die Lehren der griechischen Medicin,
und mit ihnen die über Hautkrankheiten, unter den politischen
und Krieges- Wirren , welche das Ende des weströmischen
Reiches und den Begiim des Mittelalters kennzeichnen, ihrer
heimischen Pflegestätten grösstentheils verlustig, und erst vom
8. Jahrhunderte ab, auf dem Umwege diirch die Medicin der
Inder und der Araber dem Abendlande wieder vermittelt wor-
den, zum Theile allerdings durch neue wichtige Erfahrungen
bereichert.
Schon in den ZAvischen das 5. und 9. Jahrhundert fallen-
den medicinischen Werken der Inder, Charaka und Sushruta,
werden neben den von den Grriechen erwähnten Hautkrankhei-
ten noch besonders die Blattern — Masürikä — in iliren ver-
schiedenen Formen und gefährlichen Complicationen , muth-
masslich auch die Masern geschildert, namentlich aber der
knotige und anästhetische Aussatz — Kushta und Bäta-
rakta — sowie die im Abendlande bis dahin nicht gekannte,
später als Elephantiasis Arabum in die Literatur eingeführte
AfFection, Pachydermie, gekennzeichnet.
In hervorragender und massgebender Weise haben jedoch
die arabischen Schriftsteller Rhazes , Serapion, Ebn-
ZOR, Haly-Abbas, neben der Vermittlung und Bearbeitung
der altgriechischen Lehren durch neue thatsächliche Mitthei-
lungen die Kenntniss von den Hautkrankheiten gefördert. Vor
AUem ist ihre Schilderung von den Symptomen der Lepra —
djudzam — für die ganze Folgezeit massgebend geblieben,
eben so, wie ihre Eintheilung der letzteren in vier Arten,
welche offenbar den vier Cardinalsäften des GtALENüs entspre-
chen sollten, als Lepra Elephantina, von der schwarzen Gralle,
Lepra Leonina, von der rothen Galle, Lepra Alopecia, vom
Blute, Lepra Tyria von dem Schlehne herrührend.
Ausserdem erscheint noch als zur Lepra gehörig , Albar-
ras (alba et nigra) und Morphaea, walirscheinlich identisch
mit Vitiligo, Lenke und Melas des Celsüs,
Allgemeine Geschichte. •
■n.lfll ist die von ilen Griechen gar nicht geliannte
Pachjalermie, welche die Eleph.ntia.i. der Araber-Ueherset.er,
1.„ snätere Elephantiasis Arabnm darstellt.
' Neben den Blattern nnd Masern schildern d« Araber
sehr ein<^ehend die Krankheiten des Kopfes. Av™. nc™
<? haflti offenbar etymologisch mit dem hebräischen Sapahat
Wenritt Hl«.ABB.s' dagegen Alvathim, ans dem der
identiscn, ^ „ , , Stephan Antiochus, das noch
tot iirf Artender letzteren wird der he.,t zu Tage
!,fFav,s bekannte, ansteckende, oder Erbgrmd henntM^
^schildert. Avw.0« erwähnt der wahren Kratze mrt
sammt der ihr angehorigen Krätzmilbe.
Tnedicinischen Studmm überBiittelt worden. So wmde üei
Tu'hT Bekanntschaft :nit den Lehren der Griechen anf d.ese
Art e nenert. Allein es war von den Hautkrankheiten last
tssc liesslich der Aussatz, welcher die Schriftsteller der Zex
r'n. HS zun. Ende des l^^fL.™^^^^^
Die Italiener Vitalis de Fubno, Wh-helm von Saliceto Lan
iKA^'CUS, Montagnana; die Spanier Theodokicus Villa^ova
"e Eng änder Glanville, Gilbekt, Gaddesben ; m Erankx^exch
KDO. GUY BE Chakliac; in Deutschland Hans Gebsdobf u. A
D nn der Aussatz hatte eben im 12. und 13 Jahrhunderte
zu einer wahrhaft pandeanischen Seuche s.ch entwickelt
welche Regierungen und alle gesellschafthchen Kreise, wie
r tedicinische Studiun. gegen ^^-f^'^'^-
Aerzte gelangten in ihren Ansichten über den Charakter
tTL lekä'pfungsweise der Lepra nicht über c^e YorsteL
Inngen hinaus, welche von den Arabern gelehrt und durch dxe
salernitanische Schule promiilgirt worden waren.
Im Verlaufe des 15. Jahrhundertes war der Aussatz aU-
Hiälig aus den Binnenländern Europa's verschwunden. Dage-
gen trat gegen Ende dieses Säculums ' f.
?enerea, später unter dem Namen Syph^- . bekannte Seuche
auf. Da war denn Gelegenheit geboten, d.e mannigfachen
g Erste Vorlesung.
HaxitafFectionen , welche dieser Ivvankheit eigenthümlicli a'md,
zu erörtern. Allein, obgleicli die Zahl der Autoren, welche
am Ende des 15. und in den ersten Decennien des IG. Jahr-
hunderts sich mit der Syphilis beschäftigten, sehr erhel)lich
ist, und unter denselben Namen von sehr gutem Klang reihen,
wie: Makcellus Cumanüs, Musa Brassavolus, Gabriel Fallo-
i>rA, Fracastorios u. A., so sind doch die x^ositiven Leistungen
derselben bezüglich der syphilitischen Hautkrankheiten nur
höchst unbedeutend geblieben.
Immerhin kann das 16. Jahrhundert als die Zeitepoche
angesehen werden, in welcher eine mehr selbständige und von
den althergebrachten Formeln der Arabisten sich allmälig
befreiende Bearbeitung der Hautkrankheiten ihren Anfang
nahm. Neben den syphilitisclien Hautausschlägen, welche aller-
dings noch mannigfach mit der Lepra ätiologisch und theore-
tisch in Beziehung gebracht wurden, lernte man nocli als beson-
dere Art dyscrasischer Hautkranldieiten den Scorbut , das
Petechialfieber und die acuten contagiösen Exantheme kennen.
Es mehrten sich die Bestrebungen , die Hautaifectionen als
solche im rein pathologischen Sinne abzuhandeln. So liefei'ten
JoH. Manardus unter dem Titel Lactumen eine eingehende
Beschreibung des nässenden Gresichtsgrindes oder Milchschorfs
der Säuglinge, G-orraeus unter Anderem eine für das Verständ-
niss der dermatologischen Terminologie sehr verwendbare
lexikographische Synonymik, Blondus eine Monographie de
macidis corporis, Ambrosius Pakee unter Vielem über Blat-
tern, FoRESTUs, Schenk von Grafenberg, Montagnana über
Pemphigus, ansteckende Krätze und die verschiedenen Arten
der Tinea genauere Angaben, abgesehen von der Berücksich-
tigung, welche die meisten der bis dahin bekannten Haut-
krankheiten in descriptiver oder ätiologischer Bezieluuig bei
vielen Schriftstellern fanden, welche, wie die im Aphrodi-
siacxis des Aloy. Luisinus vorfindlichen Autoren, gegen Ende
des 15. und in der ersten Hälfte des IG. Jahrhundertes über
Syphilis Abhandlungen geliefert hatten. Nach all' dent kann
es nicht überraschen, wenn um diese Zeit auch ein grösseres
Werk entstand, welches ausscliliesslich mit der Pathologie der
Hautkrankheiten sich beschäftigt. Es ist das nach Vorträgen
des Venetianers Hieronymüs Mercurialis, von dessen Schüler
P. AiCARDius 1572 lierausgegebene Opus: de Morbis cutaneis,
Allgemeine Gescliichto.
, 1 = .v fP rein .Icvmatologische Werk ifterlianpt. MüiiCD-
, diesem Werke „iekt viel Originalität
rri f E it It nach der Art des Galb^s die HantKrank-
't n n «olol de. Kopfe., enthaltend die verschiedenen Fov-
er Kaücit und der «rinde, wnl in die des «br.gen
r T,n Uehrigen bietet Mbecueiai,,s' Leistnng m descnp-
h find theoretischer Beziehung wesentlich nur eine Anslese
ans den Schriften der griechisch-römischen nnd arabischen
* Von dieser Zeit ab mehrt sich die Zah er Antoren,
welche theils in allgemein medicinischen Werken emzeta
Canitel, theiW anch abgeschlossene Monographien und grossere
Werke der Pathologie der Hautkrankheiten widnietem Ich
er^^hne von ihnen ans dem Ende des IB. nnd dem Laufe des
r Tahliiidertes neben Pk.»euos, Yions Vm:.s, S— s
d r über verschiedene Hantaffectionen, namentlich aber die a^rten
Exantheme sich eingehender äussert, Doa^ Jj''- "
lach zuerst in unverkennbarer Weise schreibt; JoH. Dolaküs,
deM Lnpus schon im modernen Sinne definirf, vor AUem
aber den ttberaU oitirten Hafemke , m dessen um IbOO
t hteiiem Werke das gan.e Gebiet der Hantkrankhe*n
berücksichtigt ist nnd auch der Krätzmilben unter dem volks-
Slchen Namen der „Seuren«, sowie der Mitesser , de Cr-
doiiibus, als vermeintlichen Würmern Erwähnung geschieht.
In den mn die Wende des 17. nnd im 18. JaW-*«
erschienenen medicinischen Werken des schon ''^ff''^^
DOLAIOS S™™, VAN Swm™ (BoffiHAVE), DK HaEK cto
rege"ienwir.zum TUeü sehr werthvollen, unseren Gegenstand
betreffenden Erörterungen. , ^ • , "nermato-
Als systematische Speoialdoctrme hat sich die Deuiiato
loo-ie iedoch erst von der zweiten Hälfte des vorigen Jahi-
hitideä L entwickelt. Schon der f^^^]^
hat mit einem sehr werthvollen Werke über Hautk nU fc^^^
diese Periode eingeleitet. AsTRüO prodncirte ,e e n grosses
Onn, Uber Syphilis und Uber die nicht syphilitischen Haut
S lieiten; sUa«ks, nebst pathologischen Details, wei^v n
historische Behelfe; Hknslbr noch bis beute miiseigiltige
historische Studien über den Aussatz und i*"' SypluHf^^
Als das ganze, Gebiet der Hantfaankheiten nnifassend
durch gründlichen historischen und pathologischen Inhalt,
Erste Vorlesung.
SO wie durcli classische Form der Darstellung gleich bemer-
kenswert]! ist das grosse Werk des Parisers Lorey: Tractatus
de morbis cntaneis, vom Jabre 1777.
In Lorry's Werke findet sich nicht nur das gesammte
dermatologisch-literarische Materiale seiner Vorgänger bis in
das hippokratische Zeitalter hinauf voUständig nnd kritisch
erläutert vor. Wir begegnen in demselben vielmehr auch einer
reichen Fülle gut erfasster und objectiv wiedergegebener
klinischer Thatsachen und Krankheits-Definitionen von über-
raschend strenger, logischer Fassang, wie z. B. bei den Ge-
schwiiren; dabei einer über den engen Horizont der einfachen
Beschreib ang weithinausreichenden allgemein-pathologischen Auf-
fassung der Hautkrankheiten. Dergemäss berücksichtigt Lorry
neben den klinisch-sichtbaren Charakteren der Dermatonosen
auch ihre Beziehung zu den anatomischen und physiologischen
Eigenschaften der Haut, sowie des Gesammtorganismus. Er
theilt dieselben in idiopathische und apostatische, luiterscheidet
sie nach Verbreitung und Sitz in allgemeine und örtliche ; solche,
welche einzelne Gewebsformen der Haut vorwiegend betreften,
welche aus allgemeinen, oder aus örtlichen Ursachen, mecha-
nischen oder toxischen hervorgehen und erörtert ^ erschöpfend
die Dermatonosen in pathologischer und therapeutischer Bezie-
hung nach allen Richtungen, welche für die medicinische Wis-
senschaft jener Zeitepoche ofiFen standen.
Mit all' seinem reichen Inhalte und dem classischen
Geiste, der aus ihm spricht, hat jedoch Lorry's Werk das
dermatologische Studium bei dem grösseren ärztlichen Publikum
nur wenig gefördert. Für dieses war das Bach zu gelehrt,
und die Auslese aus demselben offenbar za mühsam.
Ungleich mehr Erfolg hatte dar am das 1776 zu Wien
erschienene kleine Büchlein unseres Landsmannes Plenck.
Darin finden sich alle Hautkrankheiten nach der Form
und dem Aussehen, in welchen sie zunächst in's Auge
springen, als wie fertige Naturproducte bezeichnet, als: Ma-
culae, Pustulae, Vesiculae, Bullae, Papulae, Crustae, und
dieserart in 14 Classen eingetlieilt. In diese waren aller-
dings wieder 120 Gattungen von Krankheiten eingereiht, was
scheinbar das ganze System höchst schwierig machte. Allem
sowohl die Classen- als die Speciesbegrifi'e waren kurz und
bündig definirt, ähnlich etwa, wie nach dem LiNNE'sohen
Allgemeine Gesohictte.
n
V • ,«l„»n Olassen tmd Gattungen und Siiecies der
Systeme -"^^f ^^^„then , der ZaU der Staubfäden
Pfianzen -«^[V l.tlteUt waren Und so taponirte P^cx's
als unverrückbar ein Katechismus durch Imrz-
.Dootriua de ;f2^t^Tl\^ ein scheinbar zur Orien-
gefasste und bequeme
i^^^^^ZtL^. ging, am lebenden IndivMuum
- —feiten zu ^^J^^L
und darum bald m cUe eme, bald ^^ ^^^'^ Papula erschien,
^^r°«"''^Ä^;i « b^d darl,f als B.dla.
„ach wenigen f '"T"' w^ters musste es widerstreben,
r "^T "efsfirt b "ssere Form, nicht an den
^iefpr^ollr.trgang hielt ^ I^-|^,Ce
„nd LenticuU, ^eP- «nci .peciell-pathologischen
S::rXltitt z B. der AuMenung einer Scabies sypin-
^""^Hi"erth für das kommende Studinm der Der
— dSt^tSÄÄ,
t ?ri:e —
"ese wohlth^tige Wirkung -gekündete sofort d„ Umstand
dass RoBBar Wl.:^ in seinem epo^kemaehend» We^ ube^
Hautkrankheiten zunächst das System^^~
auf IX Ordnungen redne„-t |" ^^'^/'^"g^.^ttemata, 4.
trrpttut'T"v;sLr^^^^^^^^^^^^ «■ "
"^Zt^^ mit Kecht n mmen W^ft ^if^
der Anfang der neuen schöpferischen und ^r^^f^^^^^l
in der Dermatologie. In -'"/^tl^l- ^^^^^
und nach seinem vorze>t,gen Tode von | Bilderwerke,
und Freunde Bateiian fortgeführten iext u
Description and treatment of cutaneous diseases.
^.^ Erste Vorlesung.
{deutseli von Friese) 1799 und Synopsis of ciitaneous diseases
according to the arrangenient of Dr. Willan, London 1815,
hat Willah nicht mir für alle Zeit verständliclie nnd wahre,
scharf gezeichnete Schilderungen, theils der schon gekannten,
theils einzelner von ilini neu beobachteter Hautkrankheiten
entworfen, sondern auch durch objective Schilderung des Krank-
lieitsverlaufes und Empfehlung rationeller Behandlungsmetho-
den die Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten geför-
dert; endlich durch die auf gründliche Kenntniss der Alten
gestützte Vereinfachung und Fixirung der Nomenclatur und
Synonymik dem weiteren Studium der Hautkrankheiten eine
feste und breite Grundlage geschaffen.
Obo-leich WillanBateman's Werke auf die englischen
Zeitgenossen und, durch vielfache Ueber Setzungen , wie von
Haneman, Sprengel, Blasius, vermittelt, auch auf die Tach-
genossen anderer Nationen einen mächtigen reformatorischen
Einfluss üben mussten, so machte sich dieser dennoch nur
allmälig in wirksamer Weise geltend.
East unabhängig von demselben fand ein rasches und
üppiges Emporblühen der Dermatologie zunächst in Frank-
reich statt, welches durch die vorausgegangenen Leistungen von
LoRRT, Sauvages, Roussel, Poupart, eingeleitet und angeregt,
durch das reiche Krankenmateriale des Hopital St. Louis m
Paris unterhalten, an die berühmten Namen Alibert, Biett,
und Rayer geknüpft ist.
Aeusserlich, als Lehrer, Schriftsteller und Arzt hat wohl
Alibebt vorwiegend in den ersten drei Jahrzehnten dieses
Jahrhunderts das dermatologische Studium in Frankreich
beherrscht. Das von ihm aufgestellte System der Hautkrank-
heiten, in einem von 1806 ab publicirten grossen illustrirteu
Werke promulgirt, war ein so genannt natürliches. Die
Teignes und Dartres spielen darin eine Hauptrolle. Erst m
seinem letzten, im Jahre 1832 erschienenen Werke hat er der
WiLLAN'schen Auffassung durch Aufstellung eines neuen
Systems einige unverkennbare Concessionen gemacht.
Dagegen hat Biett sofort das WiLLAN'sche System zu
dem seinigen gemacht und zwar für den Augenblick weniger
glänzend, als sein College Alibert, aber durch seine, von
seinen Schülern Cazenave und Schedel 1828 herausgegebenen
1 a
Allgomeine Gesclnchte.
V„rie.u„..on „„gleich uaoMtiger für das sachliche Ver^tändni.«
Äeicht von B«.a, de.sen u.fa.
, S „dltohes von geimuei- Literatarkenntmss zeugea-
^::hS:i' B'Xng ..h de. Lese, v.el Be-
'*"MU%t'Lei.t„uge,> der geuannten Autoren hat der «her
,ie Gret rrranla.eks hinansreichende Einflus. der wenn
srigen darf, französischen Schule in der Den„atolog.e
^^^rCfrr* his in die neueste Zeit Frankreich
,.1, iTier eine ansehiUiche Seihe von dermatologischen
SotittsSeru I fzuweisen, wie G^Kar, Gika.o.üt St. Ge.vms,
|:r°'crr'untT:;-nach gewissen Sichtungen
^'"^'^SÄrrandhis um diese .eitiuBer^^^^^
geleistet worden, war von ungleich f
le früheren Autoren Uber Hautkranhheiten Pbter ^EA^K (U.>-)
tl s™w, als die späteren, S»-, .^^l^'^^.^:
FOCHS, haben die die allgemeine Pathologie ihrer Zeit b he.r
sehenden humoral-pathologisehen Anschauungen au m de.
Dermatologie znr vollen Geltung zu brnigen sich bemüht. Dieses
"enist in der extremsten Weise iu ^er Darstellung von
FoCHS zum Ausdruck gelaugt, welcher in semem ^J^^^"^^^
erschienenen dreibändigen Weite «b.^^^^^^^^^
theilweiser Berücksichtigung de Leistungen "
aer Franzosen, deu rheumatischen kat.^^^^^^^
erysinelatöseu und anderweitigen Dyskiasien una
des Organismus einen hervorragenden Einfluss auf die En
tehung und den Charakter der einzelnen Hautkrankheiten
vindicirte. Zugleich snelite er, wie S—, die » e^
Botanik und Zoologie eingeführten, sogenannten 'f^^^»
Systeme auch den Hautkraid^heiten a^^^^^^^^ B toen
hatte schon SCHÖHMIN, wie bei ' 0,,;^
Stadium der Keimung, der Entwicklung, » ; «'^^^^^^
Fruchtbildnng und Verwelkung gelehrt ^le Autst "ung J 0
Krankheitsfarnilien, Gattungen, Sippschaften, Arten und Vaue
Erste Vorlesung.
täten inuerlialb der Hautkranklieiten scheint FoCHS nur eine
loo-ische Forderung. Das Bestreben, allen möglichen Richtungen
zu entsprechen, hat die Darstellung von Fuchs höchst complicii-t
nnd verständnissschwer gestaltet; ein Uebelstand, der durch
dessen neugeschaffene Nomenclatur, als Chymoplanien , Derm-
apostasen n. a. dgl. noch erhöht wurde.
Die ScHÖNLEiN-FoCHs'sche Lehre ist in der Sucht nach
Natürlichkeit wohl die allerkünstlichste und unnatürlichste
geworden. Sie ist auch zu keinem nennenswerthen Einflüsse
gelangt.
Inzwischen hatte sich in der medicinischen Naturwissen-
schaft Vieles vorbereitet, was einerseits die ontologischen und
humoral-pathologischen Anschauungen in der Pathologie über
den Haufen zu werfen, andererseits für die Dermato-Pathologie
neues Verständniss und eine positive Grrundlage zu bieten
geeignet war. Man hatte zunächst in der seit Jahrhunderten
gekannten, aber erst seit kurzer Zeit allgemeiner bestätigten
und anerkannten Krätzmilbe, in kryptogamischen Pflanzen bei
der Muscardine und beim Favus des Menschen, Krankheits-
erreger kennen gelernt, deren "Wirkung von der Blut- und
Säftebeschaffenheit des Individuums unabhängig und^ demnach
mit der Krasenlehre unvereinbar waren. Denn sie wirkten bei
allen Individuen auf . die gleiche Art, die Haut krank machend.
Das Verständniss mancher Krankheitserscheinungen an
der allgemeinen Decke ward schon dadurch angebahnt, dass
über die histologischen Verhältnisse und physiologischen Func-
tionen des Hautorganes authentische Kenntnisse verbreitet
wurden. Neben den seit Malpighi gekannten Talgdrüsen,
welche von Morgagni, Boerhave und Cotünnio zur Erklärung
der Efflorescenzbildung bei den Hautkrankheiten herangezogen
worden waren, hatte man die Schweissdrüsen kennen gelernt
durch Brechet, Houssel de Vauzeme (1834) und Gürlt. Die
Structiir der Oberhaut hatten Wendt und Henle, die Beschaffen-
heit und Vertheilung der Lymph- und Blutgefässe Berres und
FomiANN beleuchtet; die Existenz von die Hautdrüsen um-
spannenden organischen Muskelfasern war durch KöiiLiKER:
die eigenthümlicher Nerven-Endapparate in dem Hautorgane
durch Wagner und Meissner nachgewiesen worden; während
die Untersuchungen von Favre, Schottin, E. H. Weber u. A.
Allgemeine Geschichte. 1^
i„ ,\ie secvetorbche. >.ml anderweitigen Functionen der Haut
,1. s,t'd;„m lim die Zeit der Vierziger- Jahre,
cta ™^''.'»™f^!^^^töSe ™-de »er den Hänfen geworfen
r IdanUbaren Anfgabe ledig, dieser
,md die Doctime somit patliologisote
0- '^''^^^^"'^^^.jSrre intS^iStndil geworden.
r:;:i:::«rdrLegr iff der naturgeseHcKtücKen Tiia.
J: wie sie als fertige ^^if^^^^^'^^^^^J^^
j T^-voniVlip^fsvorc-aiis; o-escliafPeii worden, xai v ex
S::«— erster! ird d
r"™, die letztere dnrcli Sk». begriindet, J
ner damit aueli die Hanpttandatoren der nene.^ und speciell
der Wiener medicinischen Scliule geworden sind.
\as diese ^-'^^^^tl^^
'.l^i^riT; - Besehen gele.
Stet H^K^ ist der Scköpfer der neuen, mxd nack xhm benann
Hyperämie, Entzündung, Neubüdung, » »*f "^*!;" 'tj, " b^^^
scheinung iraten. Skod^'s Beispiel folgend, beimilite sich Hebra
dt physiologischen Verlauf der Krankheiten am Hantoigan
zii stiidiren. Er that dies, indem er auch das Experiment zn
Sl e nim und Krankheiten an der Haut ^'^ J^
und beohachtnngsweise beherrschte sowie J«™«
registrirte, welche gewisse, auch therapeutische Emgiiäe in
dem^ormalverlautl der HantkranUheiteii ; .^^
g langte H..B. dahin, zunächst die 'I^J^^ ;t
Lutkrankheiten zu -eisen iind som^t^ d^^^^ ""t^^,
früher snpponirten psorisclien, lierpetiscnen , i
S^^tische! nnd anderen Dyskrasien als vermeinüicta ür^a
eben aller Hautkrankheiten darzuthnn, damit zugleich emen
von Vorurtheilen unbeiriten Weg zur BehandUmg der Haut
Übel einzuschlagen.
j (j Erste Vorlesung.
Von grüiiclliclier Keuntniss der Literatur geleitet, kam
er daliiu, das enorme Material der dermatologisehen Ueberlie-
ferung kritisch zu sichten. Unbrauchbares zu verwerfen. Gel-
tendes zu stützen, die Kranldieitsgruppen und Formen scharf
und für alle Zeit kenntlich zu sondern und zu charakterisiren,
Auseinandergeworfenes als natürlich Zusammenhängendes zusam-
menzufassen, viele Krankheitsformen als neu erkannte zu con-
sta«fciren und die Pathologie der Hautkrankheiten nnd ihre
Diagnostik von Grund auf zu reformiren und neu zu gestalten.
Auf der neu geschaffenen, positiven Basis entwickelte Hebra
die Lehre von den Hautkrankheiten nach einer Methode und
bis zu einer Vollkommenheit, die sie den exacten Naturwissen-
schaften in vielen Beziehungen gleichstellt.
Dazu kam ein früher nie geahnter Erfolg in der von
Hebea gelehrten Behandlungsweise der Hautkrankheiten. Die
Tlierapie, früher ein von allen möglichen Vorurtheilen , Phan-
tasien und Willkürlichkeiten gepeitschtes Schwanken , oder ein
auf wissenschaftlich sich gebender Unkenntniss gestütztes
Laisser-aller, war jetzt ein bewusstes und erfolgsicheres Han-
deln. Es war gestützt auf genaue Keuntniss des Krankheits-
wesens und zum Theile der Krankheitsursache, sowie nicht
minder der experimentell festgestellten physiologischen Wir-
kung der Medicamente.
Vergessen wir endlich nicht den mächtigen persönlichen
Einfluss, den Hebra in der Bethätigung seiner Lehre geltend
machte, als unermüdlicher Lehrer und Schriftsteller durch
die Klarheit und Logik seiner mündlichen und schriftlichen
Darstellung, als praktischer Arzt und Kliniker durch seine
höchst übjective und darum bis an's Unfehlbare streifende
Exactheit und Schlagfertigkeit in der Diagnose und seine
erfolgreiche Methode der Behandlung: so wird es sich
begreifen, dass die neue Lehre in kurzer Zeit den grössteu
Theil der älteren Aerzte, wie der studirenden Jugend für sich
gewinnen konnte.
Wissenschaftlich anregend nnd befriedigend, nnd praktisch
auf's glänzendste sich bewährend musste die neue Lehre als-
bald die massgebende, ja in ihren Grundprincipien die lierr-
tichende werden.
Vermittelt wurde diese Lehre zunächst durch die litera-
rischen Publicationen Hebra's , deren erste im Jahre 1844
17
AUsümoino Gesclüclitu.
0,;:: - e,.;; legte .cKo. aeutUo,. die prin-
evregeude Tatsache« ^ ^^^^^^ .^^ AUgememen
v»l v-tung. Anzweifelung nnd mtopruch
des stiumes, vo u o erbgesessenen Doctnnare
..eiaen diese Avb« - ^^8« ^ ^^^^^^ ^„..^„^i,,
Ä,!:::.' ^:tig"re.en vieHaebe An«n
"**Äet45 1 SffentUeMe sein
tw::":; geltend gemachten Ca.dinalve..nde™gen,
Sie lauten:
I. Classe. Hyperaemiae cutaneae.
n Anaemiae ciitaneae. ^
Anomaüae secretionis glancMarum cuta-
, nearum.
XV, Exsviclationes.
V. " Haemorrhagiae cutaneae.
VI. „ HypertropHae.
VII. „ Atrojjliiae.
VITT. „ Neoplasmata.
IX. „ Pseudoplasmata.
X. „ Ulcerationes.
XI Neuroses.
XII " Parasitae (Dermatoses parasitariae). '
Innerhalb'dieses durcli unzweifelhaft naturwissenschaftlxclae
Merkmale gekennzeichneten, sehr einfachen und gewiss noch
dnerweite?en Vereinfachung fähigen Systemes, welches exner
In p thologischen Veränderung in der Haut von vornherem
fh en bestimmten Platz zuwies, vermochte dessen Schopfer die
.alüreichen ^nd so verschieden iiüancirten Krankheitsprocesse
auch nach natürlichen Gruppen zu ordnen und emzur^^^^^^^^^
In demselben Masse als die Kenntniss der pathologisch-
anatomischen Veränderungen allenthalben als nichtigste und
positivste Grundlage des klinischen Studuims -h geW
Lchte, ist darum auch bezüglich der Dermatologie das
Kaposi, Hautkrankbeiten.
Erste Vorlesung.
18
HEBBi'sdie Eintheihmgssyrtem in Gtoze oder unwesentlich
^dlfldrt, oder wenigstens in seinen Hanptzugen, fast nberall
seither a ceptirt worden, aueh da, wo m anderen Beziehungeu
noeh bedeutende Abweichungen von der HEBEVschen Schule
sich erlialten haben. _ ■, ^ tt i, t
Neben der geistigen Reformation bat Hebea auch die
materielle Entwicklung der Dermatologie in hervorragendster
Weise ffefördert, dank dem ungewöhnlich reichen Kranken-
materiale welches sein Name und das von demselben getragene
Institut an sich heranzog, und dank der fruchtbaren Art, m
welcher HebuA dasselbe therapeutisch und didaktisch zu ver-
werthen verstanden hat. Neben zahlreichen grösseren und
kleineren Arbeiten bildet sein, in Verbindung mit Elfinger
und Heitzmann herausgegebener grosser Atlas der Haut-
krankheiten — bisher unübertroffen an Pracht und Natur-
wahrheit — so wie sein inhaltreiches Lehrbuch der Haut-
krankheiten, (dessen 2. Theil ich bearbeiten zu dürfen so
glücklich war), für die ärztliche Welt unserer Zeit unbestritten
den massgebendsten Unterrichtsbehelf in der Dermatologie. ^
Einflussreich wie seine literarischen Leistungen hat sich
Hebba's Thätigkeit als Lehrer erwiesen. In seinen Vorlesungen,
zu denen Aerzte aus allen Zonen heute wie vor drei Decennien
sich drängen, haben Tausende derselben neben dem reichen
Schatze vorbehaltlos und freigebig Übermittelter, enormer
klinischer Erfahrung, namentlich die wichtige, der Wiener
Schule eigene Methode des Studiums, der Auffassung der
Krankheitsvorgänge in der Haut, der objectiven Diagnostik
und der zielbewussten Therapeutik in sich aufgenommen und
theils zum Wohle der leidenden Menschheit praktisch verwerthet,
theils als überzeugungstreue Schüler Hebra's in frachtbarer
Propaganda den Jüngern ferner Länder und Zonen übermittelt.
Endlich darf nicht verschwiegen werden, dass Hebra,
indem er sein monumentales Werk keineswegs als vollendet
erachtet, dessen Ausbau und Vervollkommnung dadurch am
kräftigsten gefördert hat, dass er jedem Einzelnen seiner
zahlreichen Schüler, welche Gesinnungs- und Arbeitsgenossen
seines Strebens sind, jederzeit durch Theünahme, Rath und
sachliche Förderung unter die Arme griff und so zum verehrten
Haupte einer wissens(!haftlichen Jüngerschaft wurde , ^ welche
hier, wie jenseits des Oceans, selbständig, aber im Geiste der
Allgemeine Gescliiclite. 1^
Wie.e. SCnle, leiste üe^Wahr^^^^^eit , die gedeil^liCe
Entwicklung der Dermatologie^n^iebt.
• 1, Lei dieser Etappe in der liistorlsclien Ent-
Wenn ich ^''^^'^"^^^ ^^^^^ ^,,^eilt nnd dalDei die
-'^'.r^Z^l^-^-^ gestern Habe, so
Persönlichkeit Hebea s m ^ gewissermassen
geschah .ie. - - «-^^ ^ , 4,HoK _
taim. -, Walirlieit noch den Tradi-
Wir wtelen J^^^^^^^^^^^^ Versehen woUter,
Oa. ^^^^^'^J:^TL Wien, schule
der Lehre von den H.vUtoanhherte„ gd^^^^^^^^^
erwätoe hier von Deutecheu nur ™ J'»™ der
.„ge. reichen Hantbani-
in den SchriftsteUem Plombe, Astony i»™'
fmchtharen Nestor der ^S'"""".™ , jer nenereii
Was» n„d vielen --!^^^-'^^^'f^tJ^J:,iM-
Zeit thätigen Antoren «fngc 1?»«^;"' einer
a.eri.a, .war in '^^^^^,^r:j';^^^^
teträchtllchen ZaU von Aerzten, zum grossen Theüe „
der Wiener Schule, . ,. Ap^^te nnd
Die Bedentnng der Dermatologe f"-^^ f j^i,^
Praxis nnd die Pathologie überhaupt .st m l«^^^™,^,,^,,,
zur aUgemeineu Uehcr.eug.rng geworden^ D™^^^^ ^^.^
sind in allen Ländern, namentlich Emopas, -L.e
2Q Erstü Vorlosung.
dieselbe errichtet worden und zahlreiche Facharbeiter erstanden,
die zum Theile durch grössere Arbeiten und ^^^erke, zum Theile
durch besondere literarische Beiträge diese Doctrin gefördert
haben. Darunter zählen rühmKchst bekannte Namen, welche liier
erschöpfend aufzuzählen, unthiuilich wäre. Wir werden die-
selben aidässlich ihrer speciellen Leistungen in der Pathologie
der einzelnen Hautkrankheiten kennen lernen.
Dass auch bei uns und namentlich hier, an der Geburts-
stätte der neueren Dermatologie, der Eifer für die Lehre
nicht erloschen ist, davon zeugt nicht nur das Herbeiströmen
zahlreicher Zuhörerschaft, sondern in erster Reihe das heute
wie ehe schöpferische und anregende Wirken unseres Lehrers
Hebea, nebstdem die frachtbare Thätigkeit seiner, Ihnen Allen
bekannten, heimischen und auswärts weilenden Schüler, welche
anzuführen die specielle Pathologie der Hautkrankheiten Gele-
genheit bieten wird.
Der Entwicklungsgang, welchen die allgemeine Patho-
logie seit den Fünfziger- Jahren genommen , • hat es mit sich
gebracht, dass die Kenntniss von der Natur der Hauterkran-
kungen nicht nur von Denjenigen gefördert wurde, welche die-
selben vorwiegend zu ihrem Fachstudium gewählt haben. Die
ruhmreichsten Bearbeiter der anderen medicinischen Fächer,
namentlich der pathologischen Anatomie, Histologie und Chi-
rurgie haben Bedeutendes direct und indirect zur Förderung
der Dermatologie beigetragen. In der specieUen Pathologie
der Hautkrankheiten werden wir viele derselben namentlich
kennen lernen.
Zunächst hat die Erfahrung von der parasitären Natur
gewisser Dermatonosen das regste Interesse der Botaniker,
speciell der Mykologen und Zoologen wachgerufen, deren
exacter Methodik der Forschung die Dermatologie formell
und sachlich ungemein viel zu verdanken hat. Die Bestre-
bungen, über die Bedeutung der Entzündung und Eiterung luid
die hiebei stattfindenden Vorgänge in den Circulations-Organen
und Geweben in's Klare zu kommen, haben schon frühzeitig
auf das Hautorgan, als ein sehr passendes Studium-Object
geführt, wie aus dem nahezu vor vier Decennien erschienenen
Aufsatze Henle's „über Sehleim- und Eiterbildung und ihr Ver-
hältniss zur Oberhaut" erhellt. An der Haut studiren die
Allgemoine Gescliiclite. 21.
Chirnvffen die sie zumeist interessirenden Vorgänge bei der
Wnndi:;ilnng, der Granulation, Narben- nnd Epidernnsl^ldung
In dem Masse, als die patliologiscbe Anatomie der Neuzeit
^vesentlicll die patbologisclie Histologie pflegt, und in ilir über
die Gewebsveränderungen bei der Entziindiing, namentlicli aber
über den Charakter und die Entstellung der Neugebilde Auf-
kläruno- suclit, trat dieselbe in intensiver Weise auch an das
Studium der Entzündungen und Neubildungen der Haut heran.
Die physiologische Histologie und die Entwicklungslehre die
Eoibryologie, die Grundlage für die pathologische His^to oge
konnte der Theilnahme an dem gememschattlichen Studien-
Obiecte sich nicht länger entschlagen, da in ihr die AufklaTUiig
für viele Neubildungen und Geschwülste zu finden ist. Viele
f anctionelle Störungen des Hautorganes, unter denen die neuro-
tischen wohl die interessantesten sind, weisen sofort aut das
Studium der physiologischen Hautfunctionen , der Vertheihing
und Functionen der Hautnerven, der sensitiven und vasomoto-
rischen Nerven insbesondere hin. Und so sehen Sie denn das
pathologische Gebiet immer mehr, fast bis zu dem Umfange
der allgemeinen Pathologie sich ausdehnen, in welches die
Dermatologie ihre organischen Ausläufer sendet, von da Nahrung
schöpfend und dahin führend.
Von solchem Gesichtspunkte erfasst wird Ihnen die Der-
matologie nicht mehr als eine von dem allgemeinen Fachstudium
abgesonderte Doctrin, auch nicht als blosser Gegenstand einer
für die Praxis zu erwerbenden Routine erscheinen, sondern m
der grossen Bedeutung , in der ich Ihnen Eingangs dieselbe
vorgeführt habe, als wünschenswerthe und nothwendige Er-
gänzung Ihres pathologischen Wissens und als unentbehrlicher
und heilsamer Behelf für Ihren ärztlichen Beruf. In diesem
Sinne werden Sie mit Elfer und Verlangen, und, von Ihren
bereits erworbenen medicinischen Kenntnissen unterstützt, aiicli
mit Vertrauen und Erfolg an das Studium der Hautkrankheiten
So lassen Sie uns denn mit der nächsten Vorlesung die
Erörterung der allgemeinen Pathologie der Hautkrankheiten
beginnen.
Zweite Vorlesung.
• riiarakter der die Haut betreffendeu pathologischen Proeesse.
^Trsl^UU^he UeS e n derselben nnit denen der anderen Organe
-Wesenuiene uey iedoch mit eigenthümlichen Charakteren in
K:;th«; De^\S:Ue^Cratkter ist^edingt durch die .besondere
Anatom e der Haut, die eigenartigen Symptome und Ursachen der Haut-
Krankheiten. - Anatomie der Haut und ihrer Anhange.
Die Kraiitlieitsprocesse, welelie ander menschliclien Haut
zu beobacMen sind, unterscheiden sich in ihrem Wesen durchaus
nicht von denjenigen der anderen Organe des menschlichen
Körpers. Sie sind im weitesten Sinne Erscheinungen der (luan-
titativ oder ciualitativ veränderten Ernährung
und Function. Vergessen wir nicht, dass die aUgenieme
Decke nicht , wie allenfaUs der Laie denken mag, em einfaches
Involucrum corporis hamani darsteUt. DieselLe-ist vielmehr^ em
sehr compHcirt gebautes Organ, welches sowohl in semem Grund-
gewebe mit den Eascien verbunden ist, als auch durch sem
Blut- und Lymphgefäss-Geäder und durch die in ihr verlauten-
den imd ausstrahlenden Nervenzweige mit den Ernährungs- und
Lmervations-Centren des Organismus organisch zusammenhangt
und demnach denselben Vegetations- und Eunctionsbedingungen
unterliegt, wie aUe anderen Organe und Gewebe des mensch-
lichen Körpers. Deshalb ist auch gar nicht zu erwarten, dass
die Alienation in der Ernährung und Function der Haut, das
ist ihre Erkrankung, wesentlich anders sich geltend machen
könnte, als bei den anderen Organen und Geweben.
In der That kann demnach die Haut wie alle anderen
Organe nur unter dem bekannten Schema erkranken, der
Hyperämie, Hyperplasie, Entzündung mit ihren bekannten Aus-
gängen in Lösung, Eiterung, Brand, der Atrophie, Gewebs-
entartung, Neubildung, Neurose u. s. w. Und insoferne werden
wir als mit der allgemeinen Pathologie und pathologischen
Zweite Vorlesung. — Allgemeine Patliologie. 23
Anatomie in hinreichendem Grade vertraut, in den Krankheits-
processen der allgemeinen Decke nur bekannten Vorkommnissen
begegnen.
Und dennocla machen die Haiitkrankheiten unleugbar anch
den Eindruck des Eigenthümlichen , Eremdartig^n was ilire
Analyse und Erkenntniss erschwert und die Nothwendigkeit
ihres besonderen Studiums auferlegt.
Dies wu-d zunächst dadurch bedingt, dass die aUgememe
Decke ein Organ von ganz eigenthümlichem anatomischen
Bau ist, namentlich mit Eiicksicht auf ihre Drüsen und ihre
Epidermisdecke, so wie von speeifiseher Eunction, die
hauptsächlich als Wärmeregiüirung, Athmung und Secretion
und als Tastempfindung zum Ausdruck gelangt. Durch_ die
besonderem anatomischen Verhältnisse werden auch eigen-
thümliche Erkrankungsformen möglich, die bei anderen Organen
nicht vorkommen können, weil sie eben solcher Gewebs- imd
Organelemente entbehren, eben so wie der specifischen Function
aucb nur eine adäquate Störung entsprechen kann.
Demnächst trägt zur Eigenthümlichkeit der Hautkrank-
heiten der Umstand ganz besonders bei, dass ihre Symptome,
weil ein frei zu Tage Hegendes Organ betreflPend dem Gesichts-
und Tastsinne unmittelbar zugängig sind und demnach durch
derart perceptible Erscheinungen, also der Farbe Anordnung,
Consistenz, des Ansehens und der äusseren Beschaifenheit, über-
haupt dur;h vorwiegend physikalische Merkmale waYgenommen
werden können, d. i. durch Symptome, ^ f ^5^^^;^^
anderer Organe grösstentheils unbekannt sind und hier deshalb
zum Theil neu, zL Theil ganz besonders studirt werden müssen.
EndHeh wird die Eigenart der Hautkrankheiten zum
Theüe das Gepräge einer besonderen ^^/^l^g-chen Ver-
anlassung aufweisen, ioidem die allgemeine Decke , weü der
Aussenwelt ganz blos gestellt, durch e-e Menge äusserer En.
flüsse, als hohe und niedrige Temperatur, mechanische imd
chemische Einwirkungen, Sclnnarotzerthiere und ^A--^^
gegriffen werden und demnach entsprechend denselben m emei
binderen Art erkranken kann, welche in dem ^-P-^^^^^^^
genen und der Aussenwelt weniger zugänglichen Organen mehi
weniger fremd ist.
Aus diesen Andeutungen folgt, dass schon zmn aUge-
2^ Zweite Vorlesung.
meinen Verständniss der Hautkranklieiten notliwendig ist, diese
drei Momente besonders in's Auge zu fassen:
1. Die Anatomie und Physiologie der allge-
meinen Decke;
-2. die allgemeine Symptomatologie und
3. die allgemeine Aetiologie der Hautkrankheiten.
Bezüglich des ersten Punktes kann ich nicht unihüi, das
ohnedies Bekannte aus der Anatomie und Physiologie
der Haut so weit doch Linen in's Gedächtniss zurückzurufen,
als zum allgemeinen Erfassen der pathologischen Nutritions-
imd Functionserscheinungen dies erspriesslich scheint. Gewisse
feinere Verhältnisse werden bei Gelegenheit noch besonders
hervorgehoben werden und sind in den bekannten anatomischen,
histologischen und physiologischen Werken erschöpfend dar-
gestellt.
Anatomie.
Die allgemeine Decke, Integumentum commune,
überkleidet, wie ihr Name besagt, die Körperoberfläche als eine
den einzelnen Theilen sich anschmiegende, membranöse Hülle.
Sie geht an den grossen Körper Öffnungen unmittelbar in die
Schleimhaut der Körperhöhlen über. Ilire freie Oberfläche ist
nicht von gleichartigem Ansehen und Anfühlen. Abgesehen
von der ungleichen Färbung an verschiedenen Stellen, sieht sie
sich matt an und gibt sie ein woll- oder sammtartiges Anfühlen.
Dies rührt von gewissen Ungleichheiten ihrer Oberfläche her,
die durch Furchen, Höckerchen, Poren und Haare veranlasst
werden. An den bekannten als „behaart" geltenden Körper-
steilen ist sie mit langen Haaren, im Uebrigen mit feinen,
dünnen, sogenannten Wollhärchen, Lanugo, besetzt. Nur die
Handfläche und Fusssohle, die Dorsalfläche der dritten Phalanx
der Finger und Zehen, die Eichel und innere Fläche der Vor-
haut und der Lippensaum entbehren der Behaarung.
Die Furchen an der Hautoberfläche erscheinen als
längere und tiefere, welche grössere Hautfelder abtheilen, und
als seichtere und kürzere, welche diese wieder in kleinere,
meist oblonge Felder zerlegen. Jene entsprechen zumeist den
Knickungslinien über den Gelenken, wie in der Flachhand, oder
gewissen nach der Tiefe ziehenden Fixirungszügen der Cutis.
Die kleineren folgen vorwiegend den Zwischenräumen zwischen
Anatomie der Haut.
25
den Hautwärzchen und Haartasclienmündungen, smd übrigen ,
t?e die jüngsten Stndien von 0. Simon ge tot haben be.ugbch
Ter Ri tung von der Spannung der Haut abhängig An den
treeks en der Extremitäten und Gelenke sowxe über dem
Kre" ist diese Furchung mehr entwickelt als an den
Ces en und an der vorderen Fläche des Stammes Bex
Ütel Hautkrankheiten kann sich dieser Unterschied aus-
o-leichen oder selbst umkehren. n . i r • i.
° Ausserdem erkennt man an der Hautoberfläche ferne riuule
Grübchen oder Poren, welche grösstentheils den Mundungen
der Haartaschen und Talgdrüsen entsprechen , ^vae auf der
Nase, oder den Mündungen der Schwexssdrusen wxe auf
den Riffen der Hohlhand. Die Letzteren, die R ffe, de
Ausdruck der regelmässig angereihten ^--^VH^^Z;.^^^^
an der Yolarfläche der Fingerballen m zierlichen Bogenlinien
''EnZh sieht man an der Hautoberfläche sehr verschieden-
artige Färbungen, welche theils als diffuse marmorirte und
zw^f^^^^^^^^ RöLngen der BlutüberfüUung feinster und feiner
Blutlefässcken entsprechen, theils, als vei^chieden bi.un nuai^-
cirte von in die Epidermisschichten eingelagertem Pigment
herrühren und als solche bei den meisten Menschen der kau-
kasischen Race am Warzenhofe, am Scrotnm , aii den Labien
am intensivsten ausgeprägt sind, bei Lldi^.duen dunkler Racen
dagegen in gleichmässiger Yerbreitung die dunkle Allgemem-
'''''l-.'fZZ mitAusnalnne der behaarten Kopfhaut i^d
der über dem Kinn, dem Brustbein, der Linea alba und der
Glans, mehr weniger leicht verschiebbar und m J^^^^
heben welche an den Streckseiten des Korpers im Allge
meinen sich mächtiger erweist als an den Beugeseitem
Wie in den hier angedeuteten äusseren Merkmalen so
zeigt die Haut auch in ihrer anatomischen f-^-—'^^!
grosse Unterschiede, je nach ihrer ^«P^S-P 1^^^^^^
tioneUen Bestimmung, indem an gew ssen Oertli«^^^^^^^^^
Bestandtheile der Haut quantitativ und intensiv ^-f^ ?^^
minder entwickelt sind, oder ganz feUen. Von ^^- n o ^hchen
Unterschieden abgesehen, kommt der Haut durchwegs dieselbe
typische Structur zu. t i+ ,inr.'h
Auf einem feinen Durchschnitte, der senkrecht durch
26
Zweite Vorlesuug.
die Cutis gemacM worden, wie Sie unter dem Mikroskope
Her bei massiger Vergrösserung, oder in der Abbildung (siehe
Fig. 1), welche einen Dickendurcbscbnitt durch die Haut der
Fingerspitze (nach Henle) darstellt, betrachten können, unter-
sclieidet man olme Mühe drei Schichten. Die obere Scliichte
(a b) ist die Epidermis. Sie greift mit Zapfen und in
scharfer Abgrenzung in correspondirende Zapfen der zweiten
Schichte (bei b c) ein.
Fig. 1.
Dickendurclisclinitt der Haut der Fingerspitze, parallel dea Eiffen.
a 6 Epidermis, a Hornschiohte, «' Stratum l'^'^idum & Schleimsch^^^^^^^ '/estS
d Cutis, e FettzeUenschiohte, / Ausfiilu-uugsgaug der Schweissdm^^
laufend in der Cutis, korkzieherartig in der Epidermis , g Schweissdiusenknauei,
Ii Blutgefäss-Durchschmtt.
Diese , die mittlere Hautschichte (c g) ist von gleich-
mässigem und dichtem Ansehen. Sie entspricht der eigentKchen
Cutis, Derma, oder Corium. An ihrer oberen, scharf
gezeichneten Grenze zeigen sich in regelmässigen Absfänden
kleinere und grössere, konische und spitze, zapfenförmige Hervor-
ragungen, die Papillen der Haut (c), welche von einer gläs-
heUen Membran Überkleidet sind. Mit diesen greift das Corium
in entsprechende Zapfen und Vertiefungen der oberen und sie
bedeckenden Hautschichte ein. Nach der Tiefe geht das Corium
olme deutliche Abgrenzung allmälig in die lockere Schichte
des Unter ha utzellgewebes über, welche als Tela cellulosa
oder adiposa oder subcutanea bekannt ist (Schichte ge).
Anatomie, SchiclitoB der Haut. 27
n TT f.v 1, nutz eil ff e webe, bestellt aus einem
gvobenMascbenwerk on ^n . ^^-^^...t in schiefer
.ntergelagerten .^^^^^^^f !"i/^;\,oben Bündeln, tbeils in
r^Ä^STc^i— e3.en, n. sodann mit il^.
Hase— Tinte— n-
chen eingelagert, mit ^"^"^ . ? ^ , , bezeicbnet wird.
^-n-:tet1l'p™
Die F e tt 1 a P 1^^^ ^ Wnde<.ewebs]iiille in einen Klumpen,
dnrcbeine S^^^'^'^''}'!'^ '^'^^^^^ zusammengedrängt
oder in mehrere traubcbenaitige ±ianieu »
stark licbtbrecbende Körper dar (Fig. 2 a). t^m ^sie
bebandelt werden, wird ilir Fett-
iiibalt ausgezogen und es bleibt
eine gefaltete und oft einen
Kern bergende Zellliülle zurück
(Fig. 2 b). Die massige Entwick-
lung der Fettzellen verleibt der ^^^^
Haut Strammbeit und Spannung FettzeUen,
.nd den Körperformen dies er- a^^^^l^^^
wünschte schöne Volle luid Run- ' bekannten
einer bedeutenden EntwicUnng dieser FettzeUen Bei
^ralt^cKen «eitei. ^^^^^^^^
rr;:.\^^.w.d^.^^^^
Scrotum und Penis, an den kleinen Labien, den iv ,
^d Ohrmuscheln fehlen die Fettläppchen.
In das UnterhautzeUgewebe smd auch ^a, wo solche
1 rliP Knäuel der Schweissdrüsen emgelagert (1 ig- 1 g)-
vorkommen, die Knauei uei o TTcarbnlß-e mit ihrem
Am behaarten Kopfe ragen auch die Haarbalge mit
Grunde in diese Scliichte hinein. o-rnssen
Blut- und Lymphgefässe und Nerven finden si^h mg os^^
Stämmen Die ersteren senden foine umspinnende Z^^^g« ^ ^
fer^ettläpp^^L^
gende Aeste nach dem Corium.
28
Zweite Vorlesung.
Dieses, das Corium (Fig. 1, c bis f), ist von dicbterem
Gefüge. Sein Gerüst bestellt ans einem Flecbtwerk von parallel
stur Hantoberfläcbe verlaufenden und sich kreuzenden Binde-
o-ewebsbündeln , welches noch durch die vom Unterhautzell-
o-ewebe schief aufsteigenden Bindegewebsbündel und ein reiches
Netz von elastischen Fasern verstärkt wird, und besonders in
den oberen Schichten sich verdichtet. Die Hauptriclitung dieser
Faserzüge und der durch sie umschriebenen rhombischen Maschen
ist für die meisten Körperregionen eine ganz bestimmte und
massgebend für den Verlauf der Blutgefässstämme , sowie für
die Anordnung und Ausbreitung gewisser Krankheitserschei-
nungen. Die Faserzüge werden stellenweise verdrängt durch
die in das Corium eingesenkten Haartaschen und Talgdrüsen,
die senkrecht durchziehenden Ausführungsgänge der Schweiss-
drüsen und die in verscliiedener Richtung aufsteigenden Blut-
und Lymphgefässe und Nerven.
Namentlich ordnet sich das Fasergewebe zu dicliten Bün-
deln, welche die Haartaschen, die Ausführungsgänge der
Schweissdrüsen und die Acini der Talgdrüsen unmittelbar um-
geben, beziehungsweise deren Grund-Stroma bilden.
Endlich werden die oberflächlichsten Faserzüge noch von
der Hauptriclitung abgedrängt, 'ndpm sie schlingenförmig in
die Papillen eingezogen werden.
Ausser den Bindegewebs- und elastischen Fasern, welche
den wesentKchen Bestandtlieil der Lederhaut ausmachen, finden
sich in derselben zerstreut zahlreiche, einfache und verästigte
Bindegewebskörperchen, sowie eine unterschiedliche Menge von
Lymphzellen, um so mehr, je jüngeren Alters das Individuum.
Die Papillen
(Fig. Ic und Fig. 3)
erheben sich aus
dem Coriunige-
rüste als verschie-
den grosse und ge-
staltete Fortsätze,
konisch . warzen-
I förmig, fadenartig,
HautiiaiiilloTi, ihre Epidermis abgelöst, die Gefasse ß""^' '^"'^^^ melirspal-
injicirt. tig, mit breiter
rt Je ein Jfn i r s n o r'schos Körperchen hergendR Tast-i t)„„;„ Qi'cKoof aIioh
pnpiUen ; die übrigen defiisspnpillpn. BaSlS. t5ie OeSteueU
Fig. 3.
Anatomie, Schicliteu der Haut. 29
aus einem verschieden nVachtigen Bindegewebsgeriiste , nach
•men vorwiegend aus ekstischen Fasern. Emzelne derselben
eXltenim?nnerneineBlntgefässschlmge, zuführende Arterie .
uml X licklauf ende Vene, nnd heissen G e f ä s s p a p x 1 e n (Fxg. 3 a),
andere bergen im Innern ein Nerven-Endkörperchexx , enx so-
::nLtes MBXssNBK'sches Tasthörperchexx oder IvB..sKsche
Nerven -Endkolben, xxxxd heissen daxxn N erv exx- odex Tast-
papillen. (Eig. 3 b.) . ■, i V
Die TastpapiUen fixxden sich in grösster Anzahl an dem
Nao-eloliede der Einger xxxxd Zehen, wo sie iax Abwechslxxixg
,nit° den aUerdings viel zahlreicheren Gefässpapülen in regel-
xnässio-en Bogenreihen angeordnet sind; ausserdem xxoeh in
rtlhtlichex^lenge im Bereiche der Elachlxand und Euss-
sohle des Lippenroth, der Brustwarzen.
Am übrigen Körper sind die Papillen überhaupt weiter
xxnd unregelmässiger von einander situirt, und die Tastwarz-
chen im Ganzen spärlicher gegenüber den Gefässwärzchen.
Von den in die Structur des Coriums mit einbezogenen
Blut- nnd Lymphgefässen, Nerven, den Talgdrüseix, Haarfollx-
keln und Schweissdrüsen, sowie den Muskeln der Haut, werden
wir an einer anderen SteUe sprechen. , o i • i ^
Yor der Hand betrachten wir noch die oberste Schichte
der Haut, die Epidermis (Eig. lab).
Diese entbehrt im Gegensatze zu den anderen Haut-
scHchten vollständig der faserigen Structur nnd eines Getass-
systems. Sie setzt sich ganz nnd gar aus einzelnen ZeUen
zusammen, welche durch eine Art „Kittsubstanz" zusammen-
cehalten werden. Diese ist von Jul. Abnold als Gerxnnungs-
^roduct von Lymphe erklärt worden, derart, dass diese m
Saftkanälen enthalten wäre, welche zwischen den Epxdermxs-
zeUen verlaufen, deren Ernährung besorgen und mit den batt-
kanälen der Papillen in Verbindung stehen. _
Man xmterscheidet wesentlich zwei Schichten der Epidermis.
Die tiefere stellt die Schleimschichte oder Mai^piohi sehe
Schichte vor (Eig. 1 b). Sie fällt durch ihr körnxges Ansehen und
ihre dimlde Färbung auf gegenüber der mehr heUen tokschei-
nenden nnd lamellirt aussehenden oberflächlichen Schichte, dei
eigentlichenHornschichte, Stratum corneum (F^^^^^^^^
Die MALPiGHi'sche Schichte besteht aus deutlich kein
haltigen, protoplasmareichen, demnach sehr lebhaft vegetirenden
gQ Zweite Vorlesung.
und in parallelen Schichten angereihten Zellen, welche durch
Carmin, besonders im Kern, sich sehr lebhaft färben. Sie bekleidet
\uimittelbar die mit einer Art structnrlosen Membran sich ab-
setzende Corium-Oberfläche nnd füllt die zwisclien den PapUlen
sich ergebenden Bucliten durch entsprechende Zapfen, die
Fig. 4.
Rete-Zapfen, aus (Fig. 4, g). Die Zellen der tiefsten Rete-
schichte stehen mit ihren länglichen, von einer schmalen Proto-
plasmaschichte umgebenen Kernen senkrecht, pallisadenförmig
auf dem Corium auf und pflanzen sich mit hakenförmigen
Fortsätzen in das Papillen-Gewebe ein. Die nach der Oberfläche
folgende zweite und dritte Scliichte besteht aus mehr oblonge
Kerne bergenden Zellen. In diesen findet sich bei den Menschen
heller Race wenig körniges braunes Pigment, bei den Negern
viel solches Pigment eingelagert. Die Zellen der nächst höheren
Schichten sind viel grösser, polyedrisch, mit rundlichem Kern
und deutlicher Zellmembran versehen. Letztere zeigt zahlreiche
radiäre RifiPe oder Staclieln, welche in die benachbarten Zellen
einzugreifen scheinen, M. Schcltze's Stachel- oder Riffel-
zellen (Fig. 5).
Anatomie, Scliicliten dor Haut. 31
j-ig. 5. Die Bedeiituug dieser Riffel ist
nocli niclit klargestellt. Scheden
^0fs^ sieM sie als Contouren von Saft-
>f ^ ^ canälclien an. Nacli den oberfläck-
licksten Reiken zn werden die Zellen
immer mekr starr und abgeplattet,
ikr Kern ersckeint kleiner, sie lagern
Sick in zur Oberfläcke mekr paralle-
len gekickten. Seit Langeehans'
Untersnckungen nntersckeidet man
in der feineren Histologie die ober-
sten Reiben der MALPiGHi'scken
Zellen anck als K ö r n c k e nz e 11 e n-
Stachel- oder EiffelzeUen mit gekickte, von dem körnigen An-
Kern md Kernkörper dien. ^^^^^ .^^^^ Protoplasma.
BiESiiDECKi und Pagenstechee kaben zwiscken den den
epitkeHalen Ckarakter an sick tragenden Retezellen auck em-
verästigte Formelemente, von dem Ckarakter der soge-
nannten Wanderkörpercken eingelagert geseken, deren Vor-
kommen auck ick constatiren muss.
DieHornsckickte der Oberkaut, Stratum corneum
oder Cuticula (Fig. 1 , a a') sckeint auf Durcksckmtten aus
wellig und paraUel zur Hautoberfläcke gesckickteten Fasem
zu beslek.n. Bei näkerer Prüfung erkennt man, dass diese nur
der Ausdruck der Aneinanderlagerung von platten Zellen ist.
Näker zur MALPiGHi'scken Sckickte ist der ZeUckarakter deut-
licker zu erkennen. Die ZeUen sind nur flacker als die Rete-
zeU~-n, melir trocken und zeigen selten den Kern. Je naker
zur Oberfläcke, desto mekr ersckeinen die Zellen nur als flacke
Blättcken, — Hornkaut- oder Epidermissckuppcken. _
Die Zeüen der Hornsckickte lassen nur nock m den tie-
feren Sckickten wenig körniges Protoplasma erkennen, - basale
und superbasale Hornsckickte nack Unna, - kaben deninack im
Ganzen wenig, in den obersten ScHckten kaum mekr Lebens-
fäkigkeit, und färben sick nur sekr sckwack m üarmin
Bekanntlick sckiÜfern die Hornplättcken contmuirlick ab,
imd werden dieselben durck neuen Nacksckub von den tieteren
Sckickten ersetzt. Dies lässt vermutken, dass die Retezellen
im allmäligen Vorrücken von der Tiefe zu den Hornplatten
werden. Diese Auffassung kat von einzelne Autoren eme
Zweite Vorlesung.
Einschränkung erfahren, indem sie anf den Umstand hinwiesen,
dass der Uebergang von den Retezellen zu den Hornzel en
o;Lh sich nicM als ein allmäliger dax.tellt. Es befindet s.ch
imlich zwischen der Scldei^nschichte nnd dem Stratnm corneum
ein schmaler heUer Streifen (Fig. 1, a'), das OEHL'sche Stratnm
Incidnm. Einige meinen, dass dieses nnr der Ansdn^ck jener
chemisch-biologischen Umwandlung ist, welches die Retezellen
durchmachen müssen, um zu Hornplatten zu werden. Schroen
hat darüber eine besondere Ansicht. Er meint das Stratum
Incidinn sei die Schichte der abgeplatteten nnd die Schleim-
schichte abschliessenden Retezellen. Was darüber als Stratum
corneum liegt, das sei gar nicht ein Denvat der RetezeUen,
sondern eine über die Sclileimscliichte ergossene Ausbreitung
der AuskleidungszeUen der frei ausmündenden Schweissdrusen.
Das Unhaltbare dieser Ansicht ist jedoch schon von anderen
Autoren (Auffhammer, Unna) dargethan worden.
Die Epidermis als Ganzes hat an den verschiedenen
KörpersteUen eine nnterschiedliche Mächtigkeit. Sie ist z. B.
am mächtigsten in der Elachhand und Ensssohle und kann an
jeder KörpersteUe unter pathologischen Verhältnissen enorm
anwachsen. Sie ist dagegen normaler sehr dünn über dem
Lippenroth, im AUgemeinen dünner an den Beugeflachen als
an den Streckseiten des Körpers.
Als Ueberkleidung des Coriums folgt sie stellenweise,
z. B. an der Vola der Finger , strenge den Hervorragungen
nnd Vertiefungen des Coriums, entsprechend den Papillenbergen
und Thälern. Am Lippensaum füUt sie auch die Letzteren
ganz ans und erscheint daher an der Oberfläche eben.
Als Ganzes setzt sich die Epidermis in die Haartollikei
bis zu einer gewissen Tiefe fort, mit den RetezeUen bis zum
Grunde der Haartasche, deren Innenwand als Haarwurzei-
scheide bekleidend. Sie hängt auch weiters mit den :^^is*dei-
dungszellen der Talg- und Schweissdrüsen zusammen, Verhält-
nisse, welche gewisse pathologische Vorgänge erklärlich machen
nnd no ch öfters zur näheren Besprechung kommen werden.
V e g e t a ti 0 n und F u n 0 1 i 0 n , diese beiden Eigenschaften
des lebeAden Organes, sie werden auch bei dem Hantorgane durch
das Gef äss- nnd Nervensystem vermittelt, und so auch
die Alteration jener beiden Eigenschaften, d. i. die Erkrankung.
Fl^. 5 . Scnkrecflier Diirclischnitt durch ein m^icu-tes HaulsUick thr
l'oJa man US n ach Tonisa
ßic jirterien. sincLroth dielcnen blait üi/icirt
T Tieniegendex.clerSchichlederFctdäppdiett und Sclimcis.tdrüscn cnttprc
chcndcxl/i-lassncti. 0. OherflachUches subpapülarcs O'e/iissneU.Bei a dfn
Jusluhrun^sifang derSchwfissdj'Use begleitende trefasse . P. Papillär - öefdss-
sckUn^en . S Die Drüsenhnduel umspinnende Xetic .B Jufslei^^ende JesU
^ Fett7,ellenschic)itt
L\üi.Jnsti'7 Kikt.Witru
Anatomie, Gefässe der Haut. 33
Es ist demnach notlnvendig, noch die Circnlations- nnd Inner-
vationsverhältnisse in der Hant nälier ins Ange zu fassen. ■
Wie schon erwähnt, besitzen nur Cutis, Corium und
subcutanes Bindegewebe, Blutgefässe. Diese sind in einer
zweifachen, der Hautoberfläche parallelen Schichte angeordnet,
einer tiefHegenden im Unterhautzellgewebe , und einer ober-
flächlicheren, welche unter den Papülen sich ausbreitet. Sie
können diese Verhältnisse aus der Abbildung (Eig 6 chromo-
lithographirte Tafel) ersehen, welche den Durchsclmift von
einem iiijicirten Hautstücke darstellt, und einer Arbeit Tomsas
entnommen ist. . n--„\,^
Im Unterhautzellgewebe verlaufen m zur Oberflache
paraUeler Richtung grobe Arterienstämme Sie geben
kleine umspinnende und zu Capülaren zerfaUende Zweige zu
den Eettläppchen und Knäueldrüsen ab. Die grösseren Zweige
steigen senkrecht auf und begleiten theüs die Ausfuhrungs-
gänge der Schweissdrüsen, theils durchkreuzen sie m schiefen
Richtungen das Corium. Auf diesem Wege zweigen Aeste ab
für die Papillen der Haartaschen und die Talgdrüs;enlappchen,
sowie für die Bindegewebs- und MuskelbündeL Der Haupt-
antheil der Zweige sammelt sich vielfach verästigt_ in den ober-
sten Coriumschichten, knapp unter den Papillen, zu einem paraUel
zur Hautoberfläche verlaufenden aefässnetze — Stratum
vasculorum s. subpapillar e. , -r, -,
Von dem letzteren steigen wieder je einzelne Endzweige
in die Papülen auf, wo sie capiUär werden. _
Das Venennetz setzt sich in analoger Weise, natiu--
lich in umgekehrter Ordnung wie das Arteriennetz zusanimen
mit dem es topographisch so ziemlich zusammenfällt. Es nimmt
•seine ersten Wurzeln aus den PapiUar-CapiUaren und setzt
das erste grössere Netz im Stratum subpapillare zusammen.
Von da sammelt sich das venöse Blut in einzelnen grosseren
Stämmen, welche den Schweissdrüsengängen parallel, oAev aei
Richtung grösserer Bindegewebsbündel folgend, m diebchicüte
des subcutanen Bindegewebes ziehen, auf dem Wege die Venen-
stämmchen aufnehmend, welche von den die Haartaschen iina
die Talgdrüsen umspinnenden Gefässnetzen i^ren Ursprun„
nehmen. Im Unterhautzellgewebe nehmen sie noch die aus de
Knäueldrüsen- und Eettläppchen - Netzen stammendeu Aest ,
o
Kaposi, Hautkrankheiten.
.^^ Zweite Vorlesuag.
auf und verstärken als grobe Stämme das schon von den
Arterien angelegte, zur Oberfläche parallel verlaufende G-efäss-
Stratum.
Wir haben also als auffallendste Charaktere des Blut-
gefässsystems der Haut ein oberflächliches, subpapillares und
ein tiefliegendes , der Tela subcutanea angehöriges, arterielles
und venöses Grefäss-Stratum , beide zur Oberfläche parallel
laufend und durch ab- und aufsteigende Aeste mit einander
communicirend. Dazu besondere G-efässnetze um die drüsigen
Organe der Haut imd endlich die über die ganze Hautober-
fläche ausgebreiteten Papillen-Capillargefässe.
Die letzteren (Fig. 3, a), nur durch eine dünne Binde-
gewebsschichte und die Epidermisdecke von der Atmosphäre
geschieden, bieten die vollste Analogie dar zu dem Capillar-
gefässnetze der Lungenbläschen. Sie vermitteln die Hautathmung
durch den Grasaustausch mit der atmosphärischen Luft und
die Exhalation von Feuchtigkeit. Nebstdem, dass das Grefäss-
system der Haut in toto die Ernährung der letzteren besorgt,
führt es auch das Materiale für die Production ihrer specifischen
Producte, des Secretes der Schweissdrüsen und der Talgdrüsen
zu. Durch seilte topographischen Verhältnisse gibt es weiters
die Oertlichkeit und die Richtung an, wo und nach welcher
Entzündungs- und Neubildungsprocesse vorwiegend sich etabliren,
so dass beispielsweise im Bereiche der Drüsen, welche die
bedeutendsten Gefässnetze besitzen, oder subpapillar, entlang
den horizontal verlaufenden Gefässstämmen , vorwiegend jene
Processe sich localisiren und ausbreiten. Es ist auch so be-
greiflich, dass in der Papillär- und obersten Hautschichte ent-
zündliche und Neubildungsprocesse lange Zeit gleichsam selbst-
ständig bestehen können, da deren Gefässsystem bis zu einem
gewissen Grade von der tiefliegenden Gefässschichte unab-
hängig ist.
In der angedeuteten Richtung bietet die Gefässvertheilung
in der Haut viel Belehrendes für die Pathologie dieses Organes.
Das Lymphgefässsystem der Haut ist die noth-
wendige Ergänzung seines ernährenden Gefässsystems.
Es nimmt, wie Teichmann's Untersuchungen zuerst gelehrt,
seinen Ursprung mit noch nicht sicher festgestellten Anfängen
aus den Papillen, wahrscheinlich grösstentheils aus offenen,
zum Theile vielleicht aus geschlossenen (Nedmann), oder mit
Anatomie, Vegetation der Epidermis.
35
Stomatibus versehenen Lympliräiunen , die albnälilig in ein
btomatiDu. übergehen. Dieses bildet em ober-
rf^Z^^^^^ ' - subpapiUaren Blutgefäss-
t^r^eLenes Netz. Ein aus grösseren Stämmen gebildetes
im UnterhantzeUgewebe. Es steht mit jenem
durch anastomosirende Gefässe in Verbindung. _
ZLv^era gelten auch die nach Umständen verschieden
..eiten und verschiedene Mengen lymphoider oder mehr seröse
; i sslkeit enthaltenden Maschenrävnne des Cor.ums und der
Snü :n sowie die die Blutgefässe einscheidenden Bmde-
TeTeb hihlräime zugleich als Lymphräume, deren Zusammen-
C ^doch mit den geschlossenen Lymphgefässen anatomisch
""-^^^^ ^it Blut- und Lymphgefässen reichli^
versorgtrn Corixim, dessen Drüsen mit einbegriffen, komm der
TuTdermis in v getativer Beziehung eine ziemlich selbst-
Sndi e RoUe zu, fa sie der Gefässe, vielleicht xnit A^isnal^e
voiT^tercelluläre^Saftcanälen, ganz entbehrt. Dennoch ist die
TgetZ der Epidermis eine sehr lebhafte. Man wej.s, dass
ihre obersten Schichten .tetig abgestossen und ^^^'^ J^^ f
cSebende Zellen ersetzt werden. Dass Leben. lÄ-
ductions-Materiale für die Epidermis nur von den CapiUaren
tr PapiUen herstammen kann, unterliegt kemem Zweifel.
der rapm« _ mT^^+^^^-i,. dass ihre vollkommene Bildung
Eben so wenig die Thatsaclie, aass inie v
von der Existenz der Papillen abhängt. Die klm sehe Erfeh
Lg bei der Wundheilung und ^as Experiment haben g.leh^^^^
das' in dem Bereiche, wo die Papillen -f-^^^TraMe;
die Oberhaut nur in geringer Mächtigkeit und nur im Charakter
der Hornschichte sich wiederbildet. Das Gleiche güt von dem Pig-
ment das vegetativ mit der Epidermisbüdung zusammenhangt
Woher fber die substantielle Neubüdung und der stetige
Wiederersatz der Epidermiszellen stattfindet, f
nicht endgiltig entschieden. In V-^^oloS.s<^^^enJ^^^^
eine Neubüdung von Epidermiszellen auf ^^.^^ge der^^^^^^^^^
und Zellentheilung der alten vor. Das scheint -^^-tntten.
In physiologischen Umständen findet sich aber kein Anhalts-
punkt Sie Annahme einer derartigen Reproduction. Dagegen
pTecln die Vorgänge bei der Wundheilung luid ^^^^
dafür, dass hier von den randständigen Zellen neue -^^^^^^^
wahrscheinlich durch Aussenden und Abschnüren von Sprossen,
30
Zweite Vorlesung.
SO wie dies bezüglicli des Cornea-Epitliels Strickee nachge-
Aviesen. Es dürfte also älmlicli auch die physiologische Epi-
dermis-Regeneration vor sich gehen und mögen dabei die
basalen Stäbchenzellen die Hauptrolle spielen.
Dass ans dem Corinm stammende Wanderzellen zn nenen
Epidermiszellen werden sollten, oder dass dies die Regel wäre,
scheint darum .imwahrscheinlich, weü solche Wanderzellen nur
unter pathologischen Verhältnissen gesehen worden sind.
Eür das Verständniss vieler dermatopathologischer Vor-
kommnisse ist die geschilderte vegetative Selbstständigkeit der
Epidermis von grosser Wichtigkeit.
Die Nerven der Haut führen markhaltige imd marldose
Fasern, Schon im Unterhautzellgewebe und im unteren Corium
zweigen von den Nervenästen einzelne Fasern ab, welche in
den hier gelagerten PAcmi'schen oder VATER'schen Körperchen
enden oder die hier gelegenen Drüsen und Capillaren versorgen.
Der Hauptantheil der Nervenfasern zieht durch das Corium
gegen dessen Oberfläche und bildet mit seinen Verzweigungen
ein subpapiUares, das gleiche Blutgefäss-Stratum iimspinnends
Netz. Aus diesem steigen Endfasern in die Meissner' sehen
Körperchen, oder die KfiAUSE'schen Körperchen der Tastpapillen
empor.
Auch die Capillarschlingen der Gefasspapillen haben ihre
Nervennetze. Nach Tomsa's Darstellung bilden die mit einge-
streuten Kernen versehenen Nervenendfasern in der Peripherie
der Gefässpapille ein Netz. Von diesem laufen Ausläufer nach
dem Papillen-Inneren und lagern sich mittelst einer körnigen
Endigung an die Capillarwand.
Obgleich die nähere organische Verbindung zwischen
Nervenende und Capillargefäss noch nicht eruirt ist, so ist doch,
schon die constatirte innige Anlagerung von grosser Wichtigkeit,
indem es sich zeigt, dass die CapiUargefässe der Hantwärzchen
unter unmittelbarem Nerveneinflusse stehen können. Eür die
Erklärung von Gefässcontraction und Dilatation, selbst Exsu-
dation in der beschräiüitesten Ausdelmung einzebier PapiUen
bei directör Reiziing, wie bei Urticaria zu beobachten, ist dieses
Vevliältniss einzig belehrend.
Seit Langerhahs' Untersuchungen ist es festgestellt, dass
marklose Fasern aus dem Stratum papilläre in die Schleim*
Anatomie, Nerven der Haut.
37
scliiclite der Epidermis eindringen, zwiöclien den Eetezellen
Netze bilden und dann in verscliiedener Höhe mit kolbigen
Anschwellungen oder auf sonst unbekannte Weise enden
(PoDCOPAEW, Eberth, Biesiadecki, Mojsisowics).
. Zweifellose Endorgane der Hautnerven sind die
sclion früher erwähnten Meissner' sehen oder WAGNER'schen
Korperchen und die IvRAUSE'schen Endkolben, welche die Tast-
wärzchen occupiren und die PAcmi'schen oder VATER'schen
Körperchen, die im Corimn da und dort situirt sind.
Die Meissner' sehen oder WAGNER'schen Körperchen (Fig. 4, f.).
stellen ovale Körperchen von 0-02— 0-045 Millimeter Durch-
messer vor, welche die betreffende Papille ganz ausfüUen. An
ihrer Aussenfläche sind feinere und breitere Querstreifen nnd
Bänder und ovale Kerne zu erkennen, welche von verschiedenen
Untersuchern bald für Bindegewebs-, bald für elastische,^ bald
für Nervenfasern gedeutet worden sind. Die aus dem Corium
zutretende markhaltige Nervenfaser tritt bald am imteren Ende,
bald in der Mitte , oder an der Spitze des Körperchens an
dieses heran, windet sich auch nm dasselbe und endet nach
Verlust ihrer Markscheide in demselben, nach Biesiadecki mit
^6 Endfasern, nach Brücke, indem sie im Inneren des Tast-
körperchens sich mehrfach theüt. Nach Thin sind die Tast-
körperchen einfach, viele aber durch bindegewebige und elastische
Querscheiden , Fortsetzungen der peripheren Kapsel , in zwei
oder drei ül^er einander liegende Fächer abgetheilt, deren jede
ein Nervenendkörperchen enthält. Li oder an dieses trete nun
36 eine Nervenendfaser, nachdem der markhaltige Nerv als
solcher durch die äussere UmhiiUung des Körperchens getreten.
Tomsa hat ein blättriges Gefüge der in je einer Kapsel
enthaltenen Tastkörperchen angegeben und M. Kraus hat jüngst
gezeigt, dass sie aus platten über einander geschichteten^ und
etwas in einander geschobenen Zellen bestehen. Auch Kraus
hat keine eigentliche Verbindung der Nervenenden mit diesen
Zellen nachweisen können.
Die Tastkörperchen stehen am zahlreichsten und regel-
mässig am Nagelgliede der Finger, seltener an den Händen und
Füssen, in der Brustwarze, der Lippe. An Letzterer, sowie
an anderen Hatitstellen, Glans penis, CKtoris, kommen häufiger
die KRAusE'schen Endkolben vor, welche wohl einen;i emfäche-
rigen MEiS3NER'3chenKörperchen(nacii Thin) entsprechen dürften.
38
Zweite Vorlesung.
Fig. 7.
Die nacli Langer's Nachweis zuerst von Vater bescliriebenen,
also VATER'schen, bis zu jenem Nachweis nur als PACim'sche
Körperchen (Fig. 7) bekannten Nervenendorgane suad typisch
am zahlreichsten im Mesenterium der Katze vertreten. Sie
kommen auch, nach Genersich's u. A. Untersuchungen m grossen
Exemplaren am sympathischen Bauchgeflechte vor In der
menschlichen Haut liegen sie am zahlreichsten an der llach-
hand und Tusssolile, im subcutanen Bindegewebe, also sehr tiet,
so dass sie für das Tasten nicht günstig situirt sind und daher
kaum Tastorgane vorsteUen. + lu
Ein solches Gebilde stellt
einen 1-12— 4-5 Millimeter langen,
ovalen Körper dar, welcher aus
zwiebelschalenartig in einander
geschachtelten Bindegewebshüllen
besteht, und eine mit Serum er-
füllte Höhle enthält. Axel Key,
Gr. UetziüS und GtEneesich stellen
dies so dar, dass je eine Kapsel-
schale eine dicke Membran ist,
welche innen und aussen mit
einem kernhaltigen Häutchen
überkleidet wird und in ihrer
Mitte, in interstitiellen Bindege-
websräiunen, Seriun enthält. Eine
markhaltige Easer durchbohrt die
Kapselwand, verliert im Vordrin-
gen die Markscheide und tritt als
nackter AxencyHnder frei in die
Höhle ein, in deren oberem Theüe
er einfach, oder zwei- bis drei-
fach getheilt, knopfförmig ange-
schwollen endigt.
Ilirer physiologischen
Bedeutung nach sind die in der
Haut sich vertheilenden Nerven-
V a t c r'sclies oder P a c i n i'sches fasern zum geringsten Theüe m o-
Körperchen. torische, — für die Muskeln
« stiel desselTien, & eintretende Ner- i „ , Kaxit, die ErCCtorCS piloruni,
venfaser, c ilnssere , d innere Wan- . Tlipilp
dung der Hülle, e Axencyhnder, „y^y^ vorwiegeiiasten ilieuc
/ knopfförmige Endigung desselben.
Anatomie, Muskeln der Haut.
39
sensitive, als Vermittler der Tastempfindung. Nebstdem
sind vasomotorische Nerven in aUgemeinster Verbrextung
zugegen, Webe in specieller Weise als Vasoconstr.ctores
und Vasodilatatores in der letzteren Zeit expernnenteU
^ciTmrKFR n m. A.) demonstrirt worden sind.
^ Twar ist Letzteres nur für die Hantgefässe der Hinter-
pfoten bei Hnnden gezeigt worden. Es ist aber scbon diese
Tbatsacbe genügend, um für andere Haiitgebiete und die des
Menseben dieselbe walirscbeinlich zu maclien. „
Indem diese letztere Art von Nerven die örtlichen Ciicu-
lationsverliältnisse regeln, stehen sie üi Einem auch der normalen
Ernährung und secretorischen Function der Haut vor, sind sie
demnach implicite auch so genannt trophische Nerven. Es
wird aber auch so verständlich, wie einzelne beschrankte
Capillarbezirke durch Beeinflussung der sie versorgenden vaso-
motorischen Nerven einmal in den Zustand der Düatation, ein
andermal in den der Contraction gerathen und dass so JLr-
scheinungen der BlutüberfüUung und übermässigen Ernährung,
oder der umgekehrten Verhältnisse, d. i. krankhafte S:>nnptome
zu Tage treten können. Schon diese elementare VorsteUung
mag Ihnen die grosse Bedeutung der vasomotorischen Nerven
für die Pathologie einzelner Hautkrankheiten nahelegen.
In das Gefüge der Haut treten auch Muskeln ein.
Abo-esehen von quergestreiften Muskelbündeln, welche im Be-
reiche des Gesichtes von der Tiefe her in die Haut hinemgreifen,
sind die eigentlichen Hautmuskeln nur organische oder glatte.
Solche finden sich, von den organischen Fasern nicht zu
sprechen, welche zur Wandung der grösseren Gefäss- und Lymph-
gefässstämme, sowie der Drüsen-Ausführungsgänge geboren, m
der Haut selbst, in zur Hautoberfläche paraUel verlaufen-
den einfachen, oder verzweigten und anastomosir enden
Zügen, sehr ungleichmässig vertheilt an verschiedenen Ivörper-
regionen, im Unterhautzellgewebe und im Corium, in mächtiger
Entwicklung am Scrotum, als Tunica dartos bekannt, am
Präputium und Mittelfleisch, als kreisförmige Bündel im Warzen-
hof und in der Haut der Brustwarze, nach Neumann auch m
den obersten Coriumschichten an verschiedenen Körperstellen
in unterschiedlicher Mächtigkeit, an den Streckseiten mi AUge-
meinen vorwiegend.
' Zweite Vorlesung.
Eine cliarakteriötisclie Riclitimg haben die Musculi
arrectores pilorum. Sie heften sich mit ein oder mehreren
^^irzelbündehi an die Papillen, ziehen als vereinigtes Bündel,
auch zu zweien und mehreren in zur Hautoberfläche schiefer
Richtung (Fig. 9 n) am Grunde der Talgdrüse vorbei zum
Haarbalg, nman dessen innere Scheide sich zu heften. Manch-
mal sendet der Muskel ein Zweigbündel zum Talgdrüsenkörper.
Die Contractiou des Muskelbündels bewii^kt die Geraderichtmig
des normaliter schief gesteUten Haarbalges und Haares. Von
7,wei entgegengesetzten Seiten kommende und den Haarbalg
s'chleuderförmig umfassende Muskelbündel heben bei ihrer Zu-
sanimenziehung den Haartaschengrund in die Höhe, wie im
Zustande der s. g. G-änsehaut. Dort, wo starke und dicht-
gedrängte Haare sich befinden, wie am Capillitium, treten die
Muskelbündel der Erectores pilorum mit einander in nachbarliche
Verbindung tmd bilden sie demnach ein ausgebreitetes sub-
papülares Muskelnetz.
Ungleich wichtiger als die Muskeln der Haut sind für die
Pathologie der letzteren die in ihr Gewebe eingebetteten drüsigen
Organe, dieSchweiss- und Talgdrüsen, die Haarbälge
und die als sogenannte Anhänge der Haut bekannten Horn-
bildungen, die Haare und Nägel, zu deren Betrachtung wir
uns zunächst wenden.
Dritte Vorlesung.
Anatomie der Haut, (Fortsetzung) Physiologie des Hautorganes. Dreifache
Function desselben als Sehutzorgan und Wärnaeregulator, als speeif.sehes
Seeretions- und als speeifisehes Sinnesorgan.
Die Sckw eis sdrü seil, Grlandulae sudoriferae, sind
tnbiüöse Drüsen (Fig. 1, g. -Fig. 8). Mit seinem blinden Ende ist
ilir einfacher, überall gleichweiter Sclilancli zu einem Knäuel
zusammengerollt, der im subcutanen ZeUgewebe lagert. Von
da läuft der Ausführungsgang in gestreckter Weise durch das
Corium, und korkzieherartig gewiuiden durch die Epidennis-
schichten, um an deren Oberfläche mit einer trichterförmigen
OefPnung auszumünden. In diese Oeffnuiig senkt sich die Horii-
scMchte'' und das Rete Malpighii wie ein hohler Zapfen ein,
derart gleichzeitig die Wandung des Trichters bildend. Von
der Grenze der Papillen ab, bildet die Auskleidung des Sclüauches
eine einfache Scliichte von conischen, je einen Kern enthalten-
den Enchymzellen , welche ein enges Lumen frei lassen. Auf
den Querschnitten ist dies schön zu sehen (Fig. 8, e). Nach aussen
von der EnchymzeUenbekleidung folgt die eigentliche Wandung
des Drüsenschlauches. Sie besteht aus einer glasheUen, gefel-
derten Membran mit nach aussen ihr anliegenden dichteren
Bindegewebsfasern ; bei den grösseren Drüsen der Achselhöhle
mit eingelagerten, längs verlaufenden, organischen Muskel-
fasern.
Die für die Drüseiiknäuel bestimmten Arterienzweige
stammen aus den tief gelegenen Gefässen und bilden, die
Knäuel umspinnend, bevor sie CapiUare werden und in die
Venen übergehen, ein Wundernetz (Brücke), eine sehr be-
merkenswertlie Uel)ereinstimmung mit den Wundernetzen der
Malpighi' sehen Körperchen der Nieren.
42
Dritte Vorlesung.
Die grösste Menge von Schweissdrüsen findet sicli an der
Flachliand und Fusssolile (2736—2685 auf einen QuadratzoU
nacli Kbause). An reiclilicli mit Papillen besetzten Hautstellen
münden sie in den zwischen jenen gelegenen Furclien, an den
Fig. 8.
Scliweissdrüse.
e Querschnitt eines Drüsenschlauclies, Läugs- ii'^d, Q^i'Äitende^Ä
Drusenknäuels, f Lumen des Austührungsgauges, cc denselben beg eite^^^^^
a Bindegewebsbündel, (ab Inüitrationszellen, patüologiscu).
ringerballen in regelmässigen Abständen (Fig. 1), aaif der
Handfläclie und Fusssolile in Längsreilien. Sie fehlen i:i der
Nähe des Lippensaumes, auf der Eichel und Vorhaut.
Anatomie der Haut, Haartasclio. 43-
Die Haare, Pili, die Haartaschen und die Talg-
drüsen bilden ein anatomisch znsan^ienhängendes Gebüde
welches demnach auch am besten im Zusammenhange betrachtet
DieTigegebene Abbüdung (Eig. 9), welche der Arbeit
BiESiADECKi's entnommen ist und den Durchschnitt emes Bart-
haares darstellt, gewährt eine gute TIebersxcht ^^er d,ese
Verhältnisse. Sie sehen neben zwei an normaler SteUe hegen-
den Hautpapillen plötzlich eine trichterförmige Emsenkung,
welche bis in die Eettzellenschichte sich fortsetzt und hier am
bUnden Ende eine Papille trägt, die gewissermassen von der
Oberfläche nach dieser Tiefe gedrängt worden zu seni scheint.
Die sackförmige Tasche ist die Haartasche , die PapiUe am
Grunde die HaarpapiUe. Auf diese ist das Haar aiiigesetzt,
welches mit seinem Schafte durch die Tasche und zur Mündung
Trausragt. Zur Seite der Haartasche liegt die Talgdruse mit
errAcinus, welcher mit dem ebenfaUs kenntlichen Ausfuh-
rungsgange in die Haartasche einmündet^ Am Grunde der
Talgdrüse vorbei und liin zum Grunde Saarbalges lauft in
zur Hautoberfläche schiefer Richtung ein Muskelbundel , Mus-
culus arrector pili. .
Diese aUgemeinen, sowie die besonderen und feineren
anatomischen Verhältnisse entsprechen eben nur den dicken
und langen Haaren des Körpers. , . , t ti ..a
Die Haart as che zeigt ein sehr ungleiches Lumen. Ihre
Mündung oder der Ausführungsgang ist trichterförmig (a).
Am schmalen Ende des Trichters mündet die Talgdruse (t)
ein. Hier ist auch die engste SteUe der Haartasche, Hals b).
Von da ab erweitert sich dieselbe in etwas, besondei;s aber
nach dem Grunde oder Haarsack-Gewölbe (c), in welches die
Papille (p) hineinragt. m i rr„i„
• Der eigentliche Haarbalg wird von der SteUe der Talg-
drüseneinmündung ab gerechnet. _
Er besteht anatomisch aus drei Schichten. Die äussere, auch
ä u s-s e r e H a a r b a 1 g s c h e i d e genannt (d), (äussere Easerhaut,
KöLLiKER) wird von Bindegewebsfasern gebüdet, welche , von den
oberen Coriumschichten her, in dichtgedrängten und zur Axe des
Haarbalges paraUelen Zügen laufen, und den Grund umgrei en.
Am dichtesten liegen die Fasern nach innen ; gegen aussen gehen
sie gelockert in das umgebende Bindegewebe ohne scharfe Grenze
44
Dritte Vorlesung.
FiR. 9.
DurcLsclinitt eines Bartliaares.
n Aiisfülivnngsgnng, Hnls. c Gewöllio der
JlRiirtnsolip, ii äussere, e innere HaarbalR-
scheide, v Hanriiaiiillo, m Kt-Uzellon. w M.
airpctcir pili, <•;' Kpiderniif», « Solileiniscliiohte,
0 Paiiillon, i Tal(;drüso, /"äussere, j; innere
"Wnrzplsolioidedes llnares, h liindonsubstanü,
Ii Marksuhstanz des Haarsclmftes , / ]Ianr-
Kwiebel.
Über. Zwisclien iliiien' laufen
eigene Grefässe und Nerven des
Haarbalges. Die mittlere oder
zweite Haarbalgschiclite, aucli
innere Haarbalgsclieide,
Kölliker's innere Faserliaut (e).
Sie bestellt aus querverlaufen-
den Fasern und zwiscben diese
und in eme körnige Substanz
eingelagerten länglichen Ker-
nen, walirscbeinlich der Aus-
druck von organischen Mviskel-
zellen. Die dritte oder innerste
Schichte des Haarbalges wird
von einer glashellen Membran,
Grlashaut, gebildet, die auf
dem Querschnitt (Fig. 10, d)
besser zu sehen ist.
Die Haarpapille wd
von dem Stronia der Haarbalg-
scheiden, besonders der mitt-
leren , gebildet . und grossen-
theils auch von der glashellen
Membran überkleidet. Man \in-
terscheidet an derselben Hals,
Körper und die kegelförmige
Papillenspitze. In die Papille
treten eine Grefässschlinge und
marklose Nervenfasern ein.
Die Haarbälge stehen nicht
senkrecKt, sondern schief zur
Hautoberfläche, somit auch ihre
Haare. Diese Richtung ist für
verschiedene Körperstellen ver-
schieden und in ihrem Zusam-
menhang von Voigt sehr sorg-
fältig eruirt worden. Darnach
laufen die Richtungslinien der
Haare je nach der Körperre
a-ion in eigenthümlichen Linien,
Auatoulie dor Haut, Haare.
45
niul Curven, welelie an bestimmten Stellen zu fixen „Haar-
wii-beln« sicli einroUen. Die Ursache nnd Bedingung dieses
Richtung-Schema's Hegt in der ßiclitung und dem Zuge der
Bindegewebsmasclien des Coriiim, wie dies besonders Tomsa
sehr anschaiilich gemacht hat.
Das grösste pathologische Interesse knüpft sich an den
anatomischen Inhalt des Haarbalges, der aus den Haar-
wurzelscheiden, der äusseren und inneren und dem
Haare besteht, s
Die äussere Wurzelscheide des Haares (1) liegt zu
äusserst in der Haartasche, unmittelbar an die Glashaut des
Haarbalges sich anlagernd. Sie besteht aus den ZeUen des ßete
Mpighii, welche unmittelbar von der Papülenoberfläche;
her continuii-lich in die Haartasche sich fortsetzen. Bis zur_
EinmündungssteUe der Talgdi-üse erschemt das Eete in allen
seinen Schichten, auch mit der der Körnchenzellen, von da ab,
als eigentliche äussere Haarwurzelscheide nur mit den tiefsten
Zellen'reihen und den StachelzeUen. Je mehr nach der Tiefe
fortschreitend, desto mehr verringern sich die ZeUenreihen,
bis sie im Niveau der HaarpapiUe atif eine Zellenreihe redu-
cirt endigen.
Die innere Wurzel scheide (g) schliesst sich un-.
mittelbar an die äussere an. Dieselbe wird selber wieder in eine
äussere Schichte, die HENLE'sche (innere Wiu'zel-) Scheide und
eine innere Schichte, die HüXLEY'sche Scheide, unterschieden.
Beide Schichten der inneren Wurzelscheide bestehen aus
Plättchen, welche zu einer lameUösen, glashellen, in Carmin
sich wenig tingirenden HüUe des Haares verschmolzen sind. ■
Zu allerinnerst, von der HuxLEY'schen Scheide ein-
geschlossen, liegt das Haar.
An diesem unterscheidet man zunächst den cylindrischen
Haar Schaft, der bei langen Haaren zur Mündung der Tasche
herausragt und die Haarwurzel oder Haarzwiebel (1),.
einekolbige Anschwellung, mit welcher das Haar auf der PapiUe
aufsitzt. Histologisch erkennt man an dem Haarschafte zu-
äusserst ein stachelig oder dachziegelförmig gefügtes und
spiralig rissiges Oberhäutchen, Cuticula (Pig. 10, h), an wel-
chem ebenfalls zwei Zellenschichten, eine äussere imd innere,,
bezeichnet werden. Nach iimen folgt die eigentliche Haar- oder
Kindensubstanz (Fig. 9, h). Sie hat eine ziir Längsaxe des
Dritte Vorlesung
40
-Haares paraUele Faserung, welche den Coutouren der sie zu-
fa— tuenden Hornplättchen entsprechen u^d enthalt neben
ahlreichen eingestreuten dunkeln Körnchen hex ^-^^^^^^^^^^
viel gelbbraunes Pigment. Bei grauen Haareii ist die Haar-
substanz pigmentlos und grau glänzend
Im Innern dicker Haare findet sich em Markraum , der
segen die Spitze des Haares sich verschmächtigt mid verliert.
Er enthält den aus polyedrischen, Körnchen und Fett bergen-
den Zellen zusammengesetzten Markstrang (k). Auch Lutt-
blasen finden sich gelegentlich sowohl im Markcanale als m
der Rindensubstanz des Haares.
Die Haarwurzel besteht aus den RetezeUen ähnlichen
Formen, deren Richtung und Configuration sie auch nachahmen.
D e auf der Glashaut der PapiUe senkrecht aufsitzenden sind
r^Ldrisch, die höheren Schichten polyedrisch, dabei sehr
succulent sehr locker gefügt und leicht auseinander zu drangen,
r der oberen Hälfte,' beim Uebergang der Haarzwiebel zum
Haarschaft, werden die ZeUen des Bulbus oblong, spmde formig
derber, steUen sich wie in Längsfaserung ^^^^^'^^^
gehen so in die Rindensubstanz des Haarschaftes über Doch
Im dies nur für die ZeUen des äusseren Mantels der Haar-
f^ebei. In der Mitte derselben befindet sich eine Zone von
ZeUen die protoplasmareich sind und in Carmin sich gut tmgiren.
Die übrigen ZeUen der Zwiebel enthalten in und zwischen
sich eingelagert viel braunes bis ganz schwarzes Körnerpigment.
Da's fertige Haar wächst nun bi der Weise fort, dass
von der Papüle aus neue EpidermiszeUen gebildet werden,
welche im v'orrücken zu längs gesteUten HornzeUen der Haar-
substanz werden und den darüber stehenden Haarschaft m der
HuxLEY'schen Scheide vorschieben. ^ , ^ • . -p-oo^a
Wir werden noch bei der specieUen Pathologie der Haare
auf viele wichtige Detaüs über HaarbUdung imd Regeneration
^^S^ wm~ r noch ^^^^^^^^ dass das gegenseitige
Yerhältniss der inneren und äusseren Wurzelscheide sowie
jener zum Haare und zur äusseren Epidermiss noch vielfach
ierschieden gedeutet wird, dass aber ^^-^^'u 11^0^7^^
Angelegenheit noch nicht endgUtig geschlichtet ist Das .viul
uns aber bei manchen Processen, z. B. bei Liehen pilaris,
besonders interessiren.
Anatomie der Haut, Haare.
47
Fig. 10.
Stellen Sie sicli nochmals die gescMlderten , in einander
gescliaclitelten Sclücliten des Haarbalges iind seines Inhaltes
vor, einmal nach dem (beigegebenen) Längsschnitt (Fig. 9)
und' dann nach dem (hier beigefügten) Querschnitt (Fig. 10).
Ich will nur kurz bemerken :
Die meisten Untersucher stimmen
darin überein, dass mit den Rete-
zellen nicht auch die Homschich-
ten mit in den Haarbalg sich
fortsetzen. Die Hornschichten tre-
ten nur bis an den Hals der
Haartasche hinein, füllen also wie
ein Epidermiskegel die Mündung
der Haartasche aus. Die Rete-
zellen setzen sich als äussere
Wurzelscheide bis zum Fundus
fort. Viele nun, wie Henle, Bie-
siADECKi, meinen, dass die Rete-
zellen, welche als äussere Wur-
zelscheide den Haarbalg ausklei-
den, nach innen HornzeUen for-
mirten, und diese seien die äus
Querschnitt des Haares unterliall)
des Halses der Haartasclie.
des üaises aer iiaaiLci=i'"<=. . _
a Äeussere Haari^aigscheide mit & Quer- . ggre ScMchtc der inneren Wurzei-
lÄscre^e^ÄS aesXa^- scheide, das ist die HENLE'sche
ÄdeV"elch^Ä Scheide. Die innere Schichte der
öfcHll1e%2isÄ''Ä inneren Wurzelscheide aber , das
ticuia, i Haar. .^^ HuxLEY'sche Scheide, bilde
sich aus der ursprünglichen Haaranlage, zugleichmit der Cuticula
tind dem Haare, aus dem über der Papille sich formirenden
Epidermiskegel. Unna dagegen demonstrirt sehr überzeugend,
dass jene als Körnchenzellen unterscHedene Zellenschichte des
Bete welche an der Hautoberfläche in die Hornplatten über-
gehen, gar nicht über den Hals des Balges hinabreichen, son-
dern nur noch die Stachelschichte und nur diese zur äusseren
Wurzelscheide wird ; dass diese keine Hornplatten und daher
auch die HENLE'sche Scheide nicht producirt; dass im Gegen-
theil HENLE'sche und HuxLEY'sche Scheide, Cuticula und Haar,
dies Alles genetisch Eins sei, und gleichzeitig aus dem Epidermis-
kegel der ursprünglichen Haaranlage hervorgehe. Die mner-e
Wurzelscheide, die vereinte HENLE'sche undHuxLET'sche Schichte,
Dritte Vorlesung.
stosse aber im Wacbsthiun an den die Mündiuig der Haar-
tasehe ansfüllenden Epidermiskegel nnd werde hier im Wacbs-
tlmm anfgebalten. Das wachsende Haar werde nun spiralig
mit seiner Cnticiüa vorgeschoben, durchbreche die HuxLEv'sche
und HENLE'sche Scheide, sodann den Epidermiskegel der Haar-
taschenmündung und trete sodann zu Tage.
Ich bin geneigt mich der Darstellung von Unna anzu-
schliessen. Grewisse pathologische Erscheinungen sind derart
verständlicher.
In einer Haartasche findet sich in der Regel nur ein
Haar, oft sind deren aber auch zwei zugegen. Letzteres hängt
mit dem physiologischen Haarwechsel zusammen xind wird bei
Gelegenheit der Erörterungen über die Eiankheiten des Haares
noch zur Sprache kommen.
Die Talgdrüsen bilden Anhänge der Haärtaschen, wie
aus der Eig. 9 n zu ersehen , allein nur bei den dicken und
langen Haaren. Bei den Lanugohärchen ist das Verhältmss
umgekehrt, wie aus der Eig. 11 ersichtlich.
Die Talgdrüsen sind acinöse Drüsen, an welchen ein Drusen-
körper und Ausführungsgang unterschieden wird. Der erstere setzt
sich aus rundlichen Läppchen zusammen, Acini, die selber wieder
zu Träubchen sich vereinigen können, wodurch dann grossere,
mehrfach gelappte Drüsenkörper entstehen. Die Wandung der
Drüsenläppchen besteht zuinnerst aus einer glasheUen Membran,
nach aussen aus einem derben, bindegewebigen xmd elastischen
Gefüge und ihm zugehörigen reichen Blutgefassnetz JJas
Lmere der DrüsenLäppchen ist mit EnchymzeUen ausgekleidet.
Ihre äusserste. an die glasheUe Haut anlagernde Schichte be-
steht aus deutlich kernhaltigen, cylindrischen oder cubischen,
denen des Rete ähnlichen ZeUen. Hehr nach dem Inneren der
Drüse zu werden die ZeUen grösser, polyedrisch, mehr den
Hornzellen ähnüch nnd von punkt- bis tropfenförnngem Eett
erfüllt, durch welches der Zelllvern verdeckt wird Die Hohlen
der Läppchen münden in die grössere gemeinschalthche Drusen-
höhle, in welcher Epidermistrümmer und freies iett nebst
EettkrystaUen lagern. Ein gemeinschaftHcher Ausführiuigsgang
(auch zwei solche), ebenfaUs mit EnchymzeUen belegt und im
Lmeren Eett,. Eettzellen und deren Trümmer führend, mundet
in die Haartasclie.
Anatomie iler Haut, Talgdrüsen, Nägel.
49
Bei den Lamigohärchen (Fig. 11) mündet die Talgdrüse
frei zu Tac^e, als grosse Hantpore oft mit dem freien Auge
tiei zn ia„ , 0 erkennbar, ein, ancli mehrere
Fig. 11. Härchen, oft auch gar keines
bergend.
Flachhand nnd Fnsssohle,
die Eichel und die Rücken-
fläche der dritten Phalangen
haben keine Talgdrüsen.
Die Nägel, Ungues,
sind länglich-viereckige, plat-
ten- oder scliildförmige, massig
nach der Fläche gekrümmte,
nach oben convexe, elastische,
im vorderen Abschnitte dot'h
auch brüchige , widerstands-
fähige , durchscheinende , aus
verhornten EpidermiszeUen zu-
sammengesetzte Körper, welche
mit drei Seiten in einen Falz
der Fingerhaut am Rücken der
letzten Phalange eingefügt sind,
mit ihrer unteren, concaven
Fläche den vordersten Theü
cler letzteren bedecken, und
mit üirem vorderen Rande die-
selbe etwas überragen.
Im Znsammenhalte mit dem N a g e 1 muss noch der N a g e 1-
f alz die Hautfalte, welche den hinteren und die beiden Sexten-
ränder des Nagels einrahmt, und das ^^sf ^^^^^ .frnht'
antheil, auf welchem die untere Fläche des Nagels aufruht,
betrachtet werden. , ^
An dem N a g e 1 xmterscheidet man ausser den besprochenen
Flächen xxnd Rändern den vom hinteren Falze Gedeckten Thex
als Nagelwurzel, den vor diesem hegenden Thexl als
Nagelkörper. Ebenso wird das Nagelbet - exnen dex
Nagelwurzel entsprechenden Theil als Matrxx des Nagels und
in einen vorderen Abschnitt, das eigentliche Nagdbett xxntex-
schieden. Der N a g e 1 f a 1 z wird in der oberen, den Nagel decken-
Kaposi, Hantkrankheiten.
Talgdrüse mit einem Lanugobärchen.
a Drüsen-Epitliel.. h Rete MalpigWi, in das
■DrüsPH-EDithel sich 1 ortsetzend, c fett-
häUiee Ze len und freies Fett als Drüsen-
inhalt dAcini, e Wurzelscheide mit dem
' Haare.
50
Dritte VorLosung.
den Hälfte von einem nacli vorn concaven Cutis\-orsprung, dem
IST a g e 1 w a 1 1 , in der der unteren Fläche des Nagels zugekehrten
Hälfte vom hintersten und seitlichen Theile des Nagelbettes ge-
bildet. Der Nagelfalz vertieft sich von vorn nach rückwärts und
wird dadurch noch verbreitert, dass die Epidermis des Finger-
rückens sich eine Strecke weit über die Nagelwurzel vorscliiebt.
lieber die inneren anatomischen Verhältnisse belehrt ein
Querschnitt, wie er hier, (nach Biesiadecki) abgebildet er-
scheint (Fig. 12).
rig. 12.
Querscliniit (der Hälfte) eines Nagels durch das eigentliche Nagelbett.
a Na-elsubstanz, b lockere Horuschichte unter derselben, c Schleimschiclite, ä. quer-
dJ^^chSnU^ene Nagelleistclien, e papillenlose. "«i--^^^^^^^^
NaKBlfalzes , die über den Nagel sich vorgeschoben , g Papillen der Haut des
i'mgerrückens.
Das Nagelbett wii'd von einem fettlosen Unterhautzell-
gewebe, Corium und Rete gebüdet. Im hinteren, der Nagel-
wurzel entsprechenden TheUe , also im Bereiche der Matrix,
ötehen auf wallartigen Hügelchen des Corium breite, nach vorn
gerichtete PapiUen. An einer bogenförmigen, dem Fingerballen
paraUelen und durch den Nagel durchscheinenden Grenze, die dem
Uebergange der Matrix ins Nagelbett entspricht (Lunula), er-
heben sieh jene Hügelchen zu Leistchen, die N a g e 1 1 ei s t c h e n,
welche nach vorn streichend an Höhe zunehmen und Tuiter dem
freien Eande des Nagels in lange Papillen übergehen.
Das Nagelbett ist reichlich mit G-efässen und bis in die
Papillen sich verzweigenden Nerven versorgt.
Die Malpighische Schichte bedeckt die Papillen und Leist-
chen und füllt deren Zwischenräume aus. Im hinteren Winkel
des Falzes vereinigt sie sich mit dem Rete des letzteren zu
Patliologiache Auatnmitt der Haut. 51
r.noh hiiiteu o-ericliteten und in (las Corlum eiiidringemtei
xTsiett m entsprecbeud der Nagelwnrzel .näcl.üger
!, M Wer aU„,ä io' in plattgedviickte, tonhaltige ,md m
c tLZTll^<^>^^^'^^ in kernlose Horn.ellenplatten über.
S^d Na^elLette dagegen ist der Uebergang der SoUein,-
!.hi Ite in die platten Epidermi.zeUen em plotdrcher, wie an
" Santstellen. nnd die Grenze zwiscben d.esen nnd der
K,gel.^sta..^^^^^^^^^
XJie uuifitr ^,p1p1ip zum Tlieile nocli über den
"^^^^^tt. rtlrdalso keine .agelsnbstanz
"'""mese wird ansscbliesslich von den Papillen der Matrix
erzeugt l e also dieselbe Rolle für den Nagel n»»!-- ™
Har™;,ille bezBglicb des Haares. Die verborn en ZeUen wei-
l : dann durch len seitlicben Fal. an der Ansbrertnng gege^
™ Seiten »elmrdert rmd zmn VorrHcken gezwnngen. Dabei
d Olfen xcb aneb die obersten Nagelzellen dacbzregel ornr^
„ t: die „berfläeblieben über die nnteren ^ -
sobeinen. Dagegen wird der Nagelkorper "»^ ^ ^^^ ^
Hornplatten des Nagelbettes von der nnteren Flaebe
'■'"'"Die veriornten-Nagelzellen sind gegen cbenrische Einflflsse
sehr widerstandsfäliig.
Ich habe Ihnen ebe grosse Summe von anatomischen
Detaüs d.-e Hant nnd ihre Anhänge betreffend, vorgeführt.
A^fl^Lselben werden wir immer Bedacht. — —
wenn wir die histologischen Verändernngen nnd dex;en Um seh
Mnnngen begreifen sollen, die dnrch ein nnd den anderen
krankhaften Vorgang hervorgernfen werden. _
Anknüpfend an die besprochenen anatomischen nnd h to
logischen Verhältnisse erwacht anch nannrttelbar nnsere aUge-
m : Vorsteünng von de. grossen Mannigfaltigkeit n^^^
zeitigen Eigentlmmlichkeit , in welcher die bekannten patho o
gthen Processe die Hant befaUen können, f - "
Process z. B. Hyperämie oder Entzündung, oder Hypextioplne
k nn möglicherwLe nnr einzelne Schichten oder (^ewebs «
dL so complicirt gebauten Organes betreffen, ^^^^^^
auf alle in die Haut-Strnctur eingehenden Elemente und Sj^steme
Dritte Vorlesung.
52
sich erstrecken. Es kann in der PapillarscHchte , die ein ge-
sondertes Gefässnetz besitzt, der Ansdrnck einer bedeutenden
Hyperämisirung, selbst Exsndation, wie bei Pemphigus, zu
Stande konunen, während die tieferen ScHchten der Haut und
die Gewebselemente derselben ganz unbehelligt erscheinen. Es
mag geschehen, dass gerade nur im Bereiche der die Drüsen
umspinnenden Gefässnetze Circulations- und Ernährungsstörun-
gen und deren Symptome aiiftreten, während aUes interglandu-
läre G-ewebe von Krankheit frei ist. Es kann geschehen, dass
die Epidermis für sich aUein in der ihr möglichen Art, hyper-
plastisch oder degenerativ erkrankt, z. B. innerhalb der Talg-
drüsen oder an der Hautoberfläche, ohne dass ihr Mutterboden
sich primär oder auch consecutiv besonders alterirt zeigte.
Es wäre nun sehr verlockend, nach dieser Richtung weiter-
zugehen und einen alle MögHchkeiten in sich fassenden Ueber-
blick über die pathologischen Vorgänge in der Haut , sowie
über die Veränderungen zu gewähren, welche die einzelnen
Gewebselemente der letzteren durch diese Processe erfahren,
eine Art aUgemeine Pathologie und allgemeine pathologische
Histologie der Haut im Detail Hinen zu bieten. Das würde
Sie ermüden und auch nicht viel fruchten. Es handelt sich
ja hier doch nur um Vorgänge, die Ihnen aus der aUgememen
Pathologie und pathologischen Histologie -eo ipso bekannt smd.
Und Sie werden nicht anneinnen, dass in der Haut das Bmde-
gewebe durch Entzündung sich anders verändert , als in der
Leber. "Was aber durch die besonderen anatomischen Ver-
hältnisse sich hier auch eigenthümlich artet , das hängt mit
dem specieüen Krankheitsprocesse , seiner Localisation und
Ausbreitungsweise, seiner besonderen Natur zusammen und
wird daher vortheühafter erst in der speciellen Pathologie der
Haut besprochen werden.
Nicht minder, wie die anatomischen Verhältnisse der Haut,
muss auch ihre physiologische Bedeutung stets im Auge
behalten werden, wenn wir ihi-e Erkrankungsweise verstehen
wollen.
Die aUgemeine Decke functionirt in dreifacher Richtung,
als Schutzorgan des Körpers, als specifisches Secre-
tions- und als specifisches Sinnesorgan.
Der Schutz, den die Haut als imihüUendes Organ dem
Physiologie der Haut. 53
■u- .V oWihrt ist zimäclist ein meclianisclier. An dieser
Korpei ge^^dhlt u leicliem Grade, wenn
Leistung -ehmen i^ e die b ^^^j,^, ^^.^^ des Unter-
auel m verscluea^-x^W^^^^^^^^^^ ^J^^^^^ in, Verkehr
"^^I^J—^^^^-^ I^ruc. n^Stoss
imtaeiÄU. jlnskelii, Nerven und Gefasse zn
sclmt. n Die ^'^^^ VerscUebbarkeit. Die Epidermis
^ttt^TiT^^^^oU.m^.^ UnempteUiebkeit
S:et airSteu, .0 wie deren Undnrcbdri.>gUchke.t gegen
-''Sf5^^:r:^£SrSSr.ebrBede— .r^
Wärme- „nd Säfteokonomie des Körpers D.e HornzeUen
sM s^blecbte Wärmeleiter und bindern die übermässige Ab-
Tbe V n Körperwärme aus den oberflSebHcb lagernden Papdlar.
Sas en eine Wärmeabgabe, die bei Abgang der Oberbaut
g w^s Ms zm- Erkaltimg rmd ziun Tode des Muums
Iten wurde, rmd erfabrungsgemäss aucb fübrt, nr .4r.betracbt
enormen Flächenraumes, weleben das Hautoapdlarsystem
„ u^rt Die Hor-nbaut übt aber auob, vermöge f Coliarenz
uirDerbbeit, emen Druek auf die
ruid die CapiUaren der PapiUen aus, y--!™''^''*«*
Wandungen sttitzend, deren übermässige Mung durob den
Herzbninüs. und mittelbar die übermassige Warme- und hatte
Tblb? Sobald an ü-gend ebier SteUe cUe Oberbaut abgängig
ist" sickert alsbald eine grosse Menge von Blutserum aus den
EetezeUen, eigentHob aus den Papillargefässen bervor. -Und
"4sen dauert so lange an, bis niebt eine neue scbützende
Homscbicbte sieb gebUdet bat. Wemi dies über grosse Haut-
fläeben statt bat, wird der Säfteverlust em bedeutender und
die Individuen kommen dureli den grossen Safteverlust in
kurzer Zeit beruiiter, z. B. bei Pempbigus foUaceus ; abgeseben
von der nacbtbeiligen Nervenerreguiig, welcbe von den Papülen-
nerven ausgebt, wenn sie ibrer scbtttzenden Epidermisdeeke
entbebren und der Irritation von Seite der at^spliarisc'^^^
Luft, oder noeh bedeutenderen Insulten ausgesetzt sind. Ebenso
macbt sich schon ein Naditlieil geltend, wenn die Hornschicbte
der Epidermis zwar erlialten, aber in grosser Ausdehnung von
gerbger Mächtigkeit ist, wie bei gewissen Hautkrankheiten,
fadem die dünne Schichte derselben eine zu grosse arme-
Dritte Vorlesung.
ausstraliliuig begünstigt, was dnrch das Gefülil von continuiv-
licliein Frösteln von dem Kranken empfunden wird.
Bekannter ist die Function der Haut als Secretions-
organ, die sie in specifisclier Welse dnrcli die Scliweissdrüsen,
Talo'drüsen und diircli ikr Papillargefässsystem ausübt. Die
ersteren liefern Schweiss, die zweiten Fett, zur Beölung der
Hautoberfläcbe und der Haare. Durcb die Papillargefässe
ündet eine imperceptile Exlialation statt, die als Perspira-
tion bezeiclmet wird.
Noch wird uns vom dermatologisclien Standpunkte das
Eesorptionsver mögen der Haut interessiren , vermöge
dessen sie fällig ist, gewisse gelöste oder feinvertheilte Sub-
stanzen von der Aussenwelt in sich aufzunehmen, zu resorbiren, "
dem Kreislaufe zuzuführen. Diese resorbirende Fähigkeit ist
zwar im Allgemeinen gering, viel geringer, als dies von man-
cher Seite, namentlich balneologischer , angenommen wurde.
Besonders die Hornschichte der Epidermis erweist sich für
Flüssigkeiten und fein vertheilte feste Körper undurchgängig,
wie neuerlichst aus den Versuchen von Fleischek und seiner
Kritik der fremden Arbeiten zu entnehmen. Aber es findet
dennoch zweifellos unter gewissen Umständen bei luiverletzter
Epidermis Resorption statt, wie von Quecksilber bei der metho-
dischen Inunctionscur , von Theer, von Jod bei Application
dieser Mittel auf die Haut. Es muss angenommen werden, dass
hier die Aufsaugung theils durch das mechanische Durchpressen
(beim Einpinseln, Einreiben) begünstigt wird, oder zum Theile
durch die Schweissdrüsen stattfindet, deren Wandung nur von
einer einfachen Schichte von EpithelzeUen ausgekleidet ist,
theüs aber von HautsteUen aus, die in geringer und daher
mit freiem Auge nicht wahrnehmbarer Ausdehniuig ihrer hor-
nigen Epidermis verlustig, aber noch mit Zellen der tieferen
Schichten belegt sind, welche von Lösungen und fein vertheil-
ten, oder chemisch adäquaten Körpern leichter durchdrangen
werden können, als die vollständig verhornten, obersten Epi-
dermislagen.
Die physiologisch wichtigste functionelle Bedeutung besitzt
die Haut als specifisches Sinnesorgan, als Tastorgan.
Als solches percipirt und vermittelt es, vermöge der in den
TastpapiUen endigenden Empfindungsnerven, die von der Aussen-
welt kommenden Eindrücke, welche im Allgemeinen als T a s t-
Physiologie der Haut. 55
empflndung oder Empfindung überhaupt bezeichnet werden.
Diese sind ihrer Qualität nach sehr verscliieden, indem sie a s
Empfindung von Druck, Schmerz in allen Variationen, als
Brennen Stechen, als Kitzeln, Jucken, als Temperatursempfin-
dung etc. zum Bewisstsein gelangen und so ßücksclüüsse auf
die physikaUsche Beschaffenheit der Aussenkörper unserer
Reflexion gestattet, d. i. uns über die Aussenwelt zu orientiren.
Die Tastempfindung kommt aber auch als sogenanntes
Ü e m e i n g e f üh 1 zum Bewusstsein, vermöge dessen die Zustande
und örtlichen Unterschiede der gereizten Hautstellen empfunden
und präcise bestimmt werden, - die Fähigkeit zu localisiren
— Ortssinn. Diese specifische Sinnesfähigkeit ist, adäquat
der uno-leichen Vertheilung der Tastwärzchen, auch an den
yerschie°lenen HautsteUen sehr unterschiedlich ausgebüdet am
intensivsten an den papillenreiclien Fingerspitzen und derMund-
Hppe Die belehrendsten Resiütate in dieser Riclitung ver-
danken wir den berühmten Untersuchungen von E. H. Weber,
der mittelst des sogenannten Tasterzirkels die verschiedenen
Hautstellen auf den Grad ihrer Perception untersucht hat.
Vierte Vorlesung.
AUaemeine Symptomatologie. Subjeetive und objeetive primäre und
seeundäre KranUheitserseheinungen. Vertheilung der EfHorescenzen.
Allgemeine Symptomatologie.
Vermöge ilu^er eigentliümlichen Hstologisclien uiid pliysio-
lügischen EigenscLafteii wird demnacli, wie die vorausgegan-
genen Erörtermigen gelehrt liaben, die Haut in vielen Bezie-
hungen auf eigene Art erkranken kömien, wenngleidi der
pathologische Process und die dixrch denselben zu Stande
gekommenen G-ewebsveränderimgen mit denen der anderen Or-
gane wesentlich übereinstimmen müssen. _
Es resiütirt aber aus den genannten Verhältnissen auch
eine Eio-enthümHchkeit der Symptome. Ihre genaueste Kennt-
niss ist für die Beurtheüung der pathologischen Vorgange
unerlässlich.
Die Symptome, diu'ch welche die nutritiven und timctio-
neUen Erkrankungen der Haut sich kundgeben, köimen im AU-
gemeinen zunächst ' als subjeetive und objeetive unter-
schieden werden. ,
Die subjectiven Symptome sind, entsprechend der
subiectiven Empfindungsfunction des Hautorganes, auch nur
auf die Alteration dieser beschränkt. Sie erscheinen als die
bekannten Störungen der Empfindung, im Süme der Vermm-
derung, Anästhesie, oder in dem der Steigerimg und qualita-
tiven Veränderung der Empfindimgen, als Schmerz (Neuralgie ,
Jucken, Kitzeln, Kriebeln, Ameisenlaufen (Foimicatio). Selbst-
verständHcli können diese Art Symptome grösstentheüs nur
durch Auskunft von Seite des Kranken erkannt werden, ziun
Theile jedoch, wie die Anästhesie, namentlich Kber das Spnptom
Effloreszenzen. «'^7
des Juckens, auck auf objectivem Wege, mdem, wiewir seken
tenlen die subjective Erscheinung des Juckens durch dxe
o^ctiv wahrnehmbaren Symptome des Kratzens, Excoria-
+ ?niips sich jedesmal verräth.
Die obj ectiven Symptome der Hautkrankheiten sind
die überwiegend zahlreichsten und mannigfaltigsten. Sie bilden
i nothweSlige und sicherste Grundlage für das Erkennen
nd Erfassen der pathologischeai Processe. Ihr genaue tes
Suulium kann nicht ernst genug empfohlen werden Sie Ä
m einer sehr zutrefFenden Metapher gesprochen, die bchiitt-
.ü<.e dar, welche der jeweilige Kraiikheitsprocess selber auf
Ii! Haui gezeichnet hat , entsprechend dem Grade seiner
Litensität, Localisaiion, Verlaufsweise , denf Wege den er
genommen, der Zeit, die er dazu verwendet hat So dass wu
thatsächlich blos diese Schriftzüge mit Verständmss abziileseii
brauchen, um sofort den Urheber derselben, die Krankheit,
.einem vollen Wesen und Charakter nach zu erkennen.
^ Ich brauche nicht erst zu bemerken, dass die objectiven
Krankheitssymptome den wahrnehmbaren Gewebsveränderungen
angehören, also jenen Dermatonosen, welche in einer nach-
weislichen Ernähi-ungsstörung - im allgemeinsten Sinne ge-
sprochen - bestehen. Da nun, %ie früher gezeigt worden
diese Art von Erkrankungen mit denen anderer Organe und
Systeme wesentlich übereinstimmt, so soUte man glauben,
dass auch in den Sjanptomen eine solche Ueberemstimmiing
herrscht und solche für die Haut nicht erst besonderer Art
sein könnten. Dies ist auch wesentHch der Fall.
H^merämie wird auch an der Haut durch Blutüberfiülimg
und Röthe, Anämie durch Blässe, Entzündung durch jene und
gleichzeitige SchweUung u. s. w. sich kundgeben. AUem die
Symptome sind hier nicht nur wegen der directen Zug;anglich-
keit der Haut deutlicher, sondern auch eigenthümlich dadurch,
dass wir erstens dieselben am lebenden Organe beobachten,
zweitens dadurch , dass die anatomischen Eigenthümlichkeiteu
der Haut eine besondere Anordnung der pathologischen Vor-
gänge gestatten oder bedingen, und endlich drittens durch
specifische Krankheitsiu-sachen , welche nur bei der Haut sicH
geltend machen können und demnach auch nur specifische
Wirkungen hervorrufen. . .
Die Concurrenz dieser Momente, im Vereine mit einigen
Vievto Vorlesung.
anderen, allerdings noch nicht anfgeklärten Verhältnissen, führt
zu einem bestimmten Typus, nach welchem regelmässig eine
Hantkraiikheit örtHch zur Erscheinung, kommen muss , ohne
Rücksicht auf die entfernteren Bedingungen der Krankheit.
Wenn z. B. durcli eine Blntvergiftung, wie der Blatternprocess,
Entzündung und Vereiterung eines HaarfolHkeLs auftritt, so
wird diese örtliche Erkrankung nach demselben Typus ^ sich
formiren und dieselben Erscheinungen — Symptome — darbieten,
wie die Entzündung und Vereiterung eines HautfoUikels , die
durch Kratzen mit dem Fingernagel, oder Reizung durch den
Schweiss hervorgerufen wurde. Die anatomischen (iebUde und
die Vertheüung der Blutgefässe sind eben bei den FoUikebi
typische, und daher auch das Bild bei ihrej Entzündung immer
das gleiche.
Ein solcher Typus der Erscheinungen kommt den soge-
nannten Hautblüthen oder Ef flo r escenzen der Haut zu.
Dieser Ausdruck entstammt einer Zeit, in welcher man
den äusserlichen Erscheinungen bei den Hautkrankheiten das
Hauptgewicht bei der Charakteristik beimass und die wesent-
lichen Vorgänge , welche denselben zu Grunde liegen, theils.
nicht kannte, theils ignorirte. Im Vergleiche mit den Wahr-
nehmungen an den Pflanzen,, soll mit diesem Ausdrucke Etwas
bezeichnet werden, was auf der Haut in aufeäUiger Farbe und
Gestalt auftaucht, gewissermassen aufblüht oder aufknospt.
Der Name ist auch heutzutage beibehalten, freilich mit
einem concreten pathologischen Begriffe. Kau bezeichnet heute
als Efflorescenz der Haut eine auf der Haut auftauchende
krankhafte Veränderung, die im Allgemeinen emen klemeren
und umschriebenen Umfang einnimmt und in ihrer Form (mor-
phologisch), Entwicklungs- und Verlauf sweise
und ihrer anatomisch en Bedeutung einen bestimm-
ten Typus einhält. Jenach dem Letzteren gebuln-t der
Efflorescenz eine besondere Bezeichnung, so dass mit dem
ieweiligen Termmus auch immer nur ein bestimmter Be-
griff von Efflorescenz verbunden ist. Es geht darum nicht
an , dass man in der Terminologie der Hautkrankheiten wiU-
kürlich Freiheiten sich gestattet. Wir müssen uns vielmehr an
die einmal festgestellten und allgenrein angenommenen tarnen
und Begrifte halten, für deren Stabilität, wie schon evv.-Rhnt
worden, nebenPLENCK und Willan,Hebea dasMeiste geleistet hat.
Primäre Krankheitsersclieiuuugen. 59
Der pathologische Vorgang, welcher die Efflorescenz hervor- .
bringt hat mit der typischen Entwicklung derselben örtlicli^
auch seinen Höhepunkt erreicht. Somit sind ihre Symptome
anch gleiclibedentend mit den örtlichen nnd typischen pri-
mären Krankheitserscheinnngen — Efflorescentiae
c-ntaneae primariae. - Von da ab verändert sich die Efflorescenz
in dem Sinne ihrer weiteren Entwicklung, Ausbreitung, Um-
wandlung, Rückbildung, u. z. theüs dadurch, dass der ursprüng-
liche örtliche Krankheitsvorgang noch anhält, theils auch nach
Anfliören des letzteren, durch die Gesetzmässigkeit, mit welcher-
der normale Ernährungsprocess die stattgehabte Gewebsstorung
auso-leicht Die Reihe der auf diesem Wege sich ergebenden
Erscheinungen, welche aus den primären in gesetzmässiger
Nothwendigkeit hervorgehen, büden die s e c un d är e n K r a n k-
heitserscheinungen.
Die .primären Krankheitserscheinungen oder
Efflorescenzen sind in folgenden Typen vertreten: I.Macula,
der Fleck; 2. Papula, das Knötchen; 3. Tuberculum,
der Knoten; 4. Phyma, der Knollen; 5. Urtica, die
Quaddel; 6. Vesicula, das Bläschen; 7. Bulla, die
Blase, 8. Pustula, die PusteL
Macula, Eleck, heisst jede auf einen umschriebenen
Bezirk der Haut bescbränkte abnorme Färbung. Es gibt rothe,
braune, gelbe Flecke in verschiedenen Nuancen, auch weisse
Flecke.' Ebenso mannigfach ist ihre Form und Grösse. Sie
sind veränderlich und vorübergehend, oder stationär, angeboren
oder im weiteren Leben erworben.
Rothe Flecke, lebhaft roth bis dunltelblauroth , sind ent-
weder durch Hyperämie der Papillär- und obersten Corium-
gefässe bedingt. Alsdann weichen sie auf Fingerdruck. Gleicb-
zeitig vorhandene Exsudation bewirkt, dass diese Flecke etwas
erhaben sind und beim Druck mit dem Finger an ihrer Stelle
die Haut einen Stich in's Gelbe zeigt. Sie heissen R o s e o 1 a e,
wenn sie linsen- bis fingernagelgross sind. Occupirt die Röthung
grössere Flächen, spricht man von Erythem. Hyperänusche
Flecke, in welchen mit freiem Auge erkennbare Gefässe ver-
laufen, heissen T e 1 e n g i e k t a s i e n ; wenn sie angeboren sind,
N a e V i vasculosi, Gefässmäler. Ein hyperämischer Fleck, in dessen
Mitte eine andere Efflorescenz steht, ist für diese der Kalo
oder Hof. — Ist der rothe Fleck durch freien Blutaustntt m
Vierte Vorlesung
60
Papillär- und oberste Coriumschichte veranlasst, dann
rchwindet er unter dem Fmgerdrucke nicht. Er heisst dann
^'''^Hämorrhagisclie E lecke von Punktgrösse lieissen
Petecliiae, von Streifenforin Vibices, von grosser und
^mregebnässiger Ausbreitung E c c Ii y m o s e n
Blaurotbe, grünlich-gelbe und gelbbraune Elecke entstehen
auf dem Wege der Involution der Hämorrhagien.
Gelbbraune bis dunkelbrarme und schwarze (Nigrities,
Melanosis) Elecke werden durch übermässige Pigmentan-
häufung in den EetezeUen der tiefsten Scliichte, zum Theile
auch der obersten Hautschichten veranlasst. Im Gesichte er-
scheinen sie in flächeiihafter oder streifenförmiger Ausbreitung
als Chloasma, oder da sowohl, wie an den Händen und
anderen Körperregionen, in Stecknadelkopf- bis Luisengrosse
als Sommersprossen, Ephelides, Liiiseimiäler - Lentigmes und
Naevi pigmentosi, Naevi spili, Pigmentmaler
Weisse Elecke entstehen durch Pigmentverlust. Sie
sind angeboren und auf einzelne SteUen beschränkt, A ehr o m a,
oder aUgemein, Albinismus, oder im Verlaufe des Lebens
erworben, iiiEolge von anderen pathologischen Processen oder
als selbständiges Hebel, Leukopathia, V-itiligo.
Strohgelbe bis citronengelbe Elecke an den Augen-
Hdern und deren Umgebung werden von dem "^i^dt
Vitiligoidea genannten Hebel, einer m Corium statthabenden
Gewebsalteration gebildet.
Neben den besproelienen mehr tyiHsohen FaAmgsauo-
malien kommen anch Missfärbungeu, Dy-ehromasiae dei
Haut ™r, Wehe als Ausdruek eme,- Altexaton der aUge-
m^L Vegetation des Körj,ers erscheinen tf car
bei Chloranämisehen, die dunkelstrohgelhe ^»f
cia^om, die bronoebraune Farbe bei Lepra, Oi.rJ.A^^.
die durch in das Cutisgewebe eingebrachte • f^^^'f;.
Substanzen bedingt smd, wie die gelbe Farbe dureh d n emg
lagerten Gallenfarbstoff bei Ikterus, oder d,e rothe und a^^^^
F^rbe bei Tätowirung mittelst Zinnobers, Kohlen- und Scluess
"""^"Tapula, Knotehen, nennt mau jede mokikorn- bis
linseugroL, solide und über das Hautniveau ™r^™gende
pathologische Bildung. Die Knötchen snu\ abgerundet, komseh,
Primäre Kraukhuitsürschoiiuingeii. 61
p-..-^ 0... ^^^^^^^^^^^
Wen wie bei Psoriasis, ein anclei-mal wirf es
Ss"! ZeUeniuMtvation in die Reteschichten ge-
M ltlTti Eezema papnlo.um, oder dnvch Hämon-hag.
dte Ii in die Papillen, wie bei Liehen haemon.hag.eus,
odet ta- h Anhäufung von Epidermis^assen in der Mnndnng
'Haariasehen, bei Liehen V^^^^^ '^'^^K^^^'^'^Zl
mit derbem Inlialt erfflllte Talgdriisen-Acm,, Milmm, »dei «Im*
s Cori.™ eingelagerte Gewebs-Neubildnngen, w.e be.Lupu ,
Sarkom. Naoh aU' diesen Verschiedenheiten mass aueh Daner,
Verlrf iiberhanpt die nosologisehe Bedeutung der Knotehen
sehr vei'sehieden Lfallen. Kamentlich mögen eimge stabd sein
mum, andere sehr wandelbar, wie die dureh Entzündung
raXsstek Knötchen, die rascher Umwandliuigen fähig sind.
Acut-entzüiidHche Knötchen, welche von einem Kalo um-
geben sind, werden noch besonders als Stippchen bezeichnet.
Tnbercula, Knoten, sind lunschriebene,. derbe, nn A 1-
eemeinen grössere, erbsen- bis hasehiussgrosse pathologische
Fo^ationL der Haut. Sie mögen ins Gewebe der Haut ganz
eingebettet sein, so dass sie nur mittels der tastenden Finger
umgriffen und erkannt werden, oder etwas aber die Flache
em;orragen , cUe Oberhaut vor sieh herwölbend. Der patholo-
gischen Bedeutung nach soUiessen sie sieh enge an die Knot-
chen an. n • i
Phyma, Knollen, nennt man umfangreiclieie, ge-
scWstartige Bildungen. Sie sitzen im subcutanen Bmdege-
webe oder Mer und im Corium, wölben oder stülpen diese vor
sich her und bilden in letzterem FaUe hängende Geschwülste.
Urtica, Quaddel, ist wohl die bekannteste Efflore-
scenzform. Sie stellt eine zartgeröthete oder glänzend weisse (Urti-
caria porcellanea) und roth-umsäumte, flache, plateauartig vor-
springende, derb anzufühlende Erhebung an der Haut vor. von
Linsen- bis Daumennagel-G-rösse und rundUcher oder unregei-
mässiger Gestalt. Jede Quaddel entsteht höchst acut, wie im
Augenblick, und hat ein sehr kurzes Dasein. Hire arundlage
ist eine begrenzte, vorwiegend seröse Exsudation m die FapiUen
^.j Yierte Vorlesung.
und die Sclileimscliichte. Die Quaddel kann nach der Periplierie
sich beträclitlicli ausbreiten, während sie im Centrum schwindet.
Es entstehen derart Kreis- und Gyrusformen von Quaddeln.
Jucken ist immer mit ihrer Anwesenheit verbunden.
V e s i c u 1 a , B 1 ä s c h e n , ist eine miliare, bis linsengrosse,
knötchenähnliche' Epidermiserhebnng , mit wasserhellem oder
milchig-trübem, seltener blutig-flüssigem Inhalt. Die wasser-
hellen Bläschen stellen den regelmässigen Typus vor. Ihr In-
lialt ist seröses Exsudat. Dasselbe quiUt nach Berstung oder
Verletzung der Bläächendecke als wasserheller Tropfen hervor.
Das Normalbläschen ist durchscheinend. Erst nach einigem Be-
stand wird der Inhalt durch Behnengung von Eormelementen
(Zellen, Kerne, molleculären Massen) nnd Metamorphose milchig-
trübe 'Hämorrhagie tritt zuweilen von Beginn an, meist erst
später hinzu und macht den Inhalt dunkelblauroth und trübe.
Auch trägt die Färbung des Bläschengrundes mit zur Färlnmg
des Bläschens bei, je nachdem derselbe blass oder roth oder
schwärzlich (hämorrhagisch) ist. Manche Bläschen sind halb-
kugelig vorgewölbt, andere zugespitzt, noch andere zeigen in
der Mitte eme seichte Vertiefung, Delle. Sie variiren weiters
nach ihrer Consistenz. Manche sind sehr derb, vertragen eine
starke Compression, ohne zu bersten. Solche haben eine dicke
Bläschendecke. Man sagt auch, ein derartiges Bläschen sitze
tief Andere haben eine sehr dünne Decke, welche leicht ein-
reisst und den Inhalt austreten lässt. Dies sind oberflächlich
sitzende Bläschen.
Das Bläschen ist immer das Product einer aus den Papü-
largefässen stammenden, acuten, serösen Exsudation imd kommt
•dadurch zustande, dass das Exsudat innerhalb der Epidenius-
• schichten stellenweise in grösserer Menge sich ansammelt Da-
durch werden zunächst die Zellen des Rete gequellt und aus-
einander geschoben. E. entsteht so ein Fächerwerk. imper-
meable Hornschichte dagegen wird vorgewölbt. Sie bildet die
■Decke des Bläschens. Je nachdem das Exsudat naher zur
Oberfläche, oder im (^egentheil in der Tiefe, näher den Papillen
sich staut, fällt die Bläschendecke dünner und zarter, oder
dicker und derber aus. .
Aehnlich kommen auch Bläschen zu Stande, wenn treie
seröse Exsudation zwischen die die Follikel- und Drüsenniundun-
gen umgebenden Epidermisschicliten und in jene selber austritt.
rrimäve Krankhoitsersclieinungon.
G3
Die feineren anatomischen Verhältnisse bei der Bläsclien-
hikhino- sind sehr lehrreich und haben bereits viele Untersnclier
beschäftigt. Vs'iv werden auf dieselben an einem anderen Orte
eino-ehender zu sprechen kommen.
Jedes Bläschen hat als solches einen kurz bemessenen
Bestand Es sinkt entweder diirch Aufsaugung seines Lihaltes
ein oder es geht durch eiterige Umwandbmg seines Inhaltes
in 'eine andere Efflorescenzform, die Pustel, über.
Da^'selbe gilt von der Bulla , Bl a s e, genannten Ettlore-
scenz. Dieser konunen in allen Punkten dieselben Eigenschaften
zu wie dem Bläschen, von welchem sie nur durch ihren
oTÖsseren Umfang, Bohnen-, Nuss- bis Eigrösse, sich unter-
scheidet. Es gibt Blasen mit vorwiegend serösem, andere mit
trübem und blutigem Inhalt, solche, die oberflächHcch sind imd
eine sehr dünne Epidermisdecke besitzen , wie bei Pemphigus,
andere, die sehr tief reichen, die ganze Schleimschichte in sich
■einbezogen haben, wie manche Brandblasen.
Pustula, die Pustel, steUt eine mit Eiter gefüUte,
also gelb , gelbgriüi, oder von beigemengtem Blute braungrün
erscheinende Erhebung der Epidermis vor. Ihre Basis wird
zumeist von gerötheter Haut gebildet, indem das Zustande-
kommen von Eiterung an und für sich schon sowohl eine in-
tensivere örtüche Entzündung voraussetzt, als auch zur Folge
hat. Häufig ist die Pustel derart entstanden, dass ein Haar-
foUikel das Centrum derselben eiiuiimmt, in dessen Ausführungs-
canal dann ebenfalls Eiter angesammelt erscheint. Man hat
ehemals von den Pusteln mehrere Arten unterschieden: Achor,
eine Pustel der letztgenannten Art, deren Mitte von einem
Haare durchbohrt ist , vorwiegend auf Pusteln des behaarten
Kopfes bezogen; Psydracium, eine derartige Pustel von
grösserem Umfange, und Phlyzacium, eine grössere Pustel,
welche blutig gefärbten Inhalt zeigt. Doch sind diese Begrifee
•keineswegs feststehend und in der praktischen Terminologie
wenig gebräuchlich. Viel häufiger dagegen begegnet man den
Namen Impetigo für kleinere und oberflächliche und E c-
thyma für grössere und tiefer greifende Pustebi.
Obgleich zu dem Begriffe der Pustel gehört, dass Eiterung
•nur innerhalb der Epidermisschichten stattfindet, so gilt letzteres
.doch nur durchschnittlich und für die erste Zeit ihres Bestandes.
Im weiteren Verlaufe kann auch das Papillargewebe , das
Vierte Vorlesung.
64
ihre Basis bUdet, eitrig schmelzen. Wofern nur Epidermis bei
e em Processe zu Grunde geht, wird der Ersatz wieder
SrEpidermis geleistet, d. h. die Pustel wml ohne Narbe
heüe^^ Sie heilt aber mittelst Bindegewebe neuer Formation,
d i mittelst Narbe, sobald auch ein bindegewebiger Theü der
Haut, die Papillen, in der Eiterung consumart sind.
Es ist schon wiederholt angedeutet worden, dass die
bisher besprochenen primären Erkrankungsformen einmal ge-
s tzt in ihrem gesetzmässigen Verlaxxfe zu örtl chen Verande-
^:^er.n.lerer%^.er ebenfaUs typischer Art führen müssen
die sich demnach den ersteren gegenüber ab secundare dar-
stellen. Wir fassen ihre Charaktere als secundare Kranli-
heits er scheinungen zusammen.
Solche sM: 1. Exeo.iationes Hautab.churfu.ge .
2 TJlcera cutanea, Hautges chwure, 3. Rhagaden,
Hautsclirnnden, 4. S(l.iamac, Schuppen, o. Grustae,
Borken 6. Crustae lamellosae, Schuppengrinde,
7. Cicatrix, Narbe, 8. Pigmentation.
35xcoriationes, Haut- oder Oberhautab.chui-
fungen, «ind, wa. ihr Name besagt, Ablösungen der Oberhau ,
vorzili h de; Ho.-nschichte. Sie spielen trot. iljrer anatom>-
sZ'GeringfUgigheit eine grosse EoUe '^^r De^ato o^^^^
diagnostisch und pathologisch. Ihre G-t^lt'.^'XSeu
Nation und die obiectiven Erscheinungen ihrer hautgeien
»hdung sind massgebend für die Diagnose gewisser
KrInkheLprocesse. Eitzt man »^V^™ p T^^'nurro tiS'
Kratzen oder mittelst einer Nadel die Epidermis nui so tiet,
als o Verhornt ist, so entsteht eine entsprechende, von feinen
E^id rmTstrümmern'begrenzte Furche. Durch den "leehanischen
röthen sich die gleichzeitig getroffenen ^-^^ ^l
Excoriatiou erscheint als rother Strich, »"f t'f , ^ ^
sehwinden alsbald, erstere rasch, l«*f ft
dermis neuen Nachschubs. Wenn aber an Ort -i-J-'^^^H
in gleicher Weise gekratzt, geritzt wird so e^^^^^
so oft wiederkehrenden Hyi>ei-äniien Austritt ™" »
zur Folge haben. Es bleiben i^muach braune Streifen lan e^^^^
Zeitznriek. Eitzt man so tief, dass die Sch"-^'»^^^^^^^^^^^
gelegt wird, so erseheint die Excoriation graugelb «ml na.seii(l.
t tZrt Serum aus den succulenten Eetescluchten , das als-
Secundäre Ki-ankheitsersclieimingen. 65
I .1,1 7U einer ffell>bravu>en Masse eintrocknet und nach Tagen
bald zu einer gel ^ ^ Epidermis abgehoben, abge-
dui-ch die i^--^.2fZl.ooriL. bis auf den PapiUar-
stossen wml «f '''^ ^^„^f.,,,, jes letzteren theilwcise verletzt
'"T™ "s 1 e wa! Huf ausgetreten - blutende Excoriation.
II diese he len schUessEch ohne bleibende Spuren, da ja
ft ts nm Ep dermis verloren gegangen Es können ate Exeo-
liwrf a-eschweUt, verletzliclier geworden war; deimiacli,
ÄnötÄ^ P-teln zugegen waren, über denen
E^rktlnen ierbeigefüln-t worden sind. Alsdann smd d.ese
troff enen Entzünd^n^gssteUe am tiefsten und je nach
Z L^ der letzteren aucb verschieden gestaltet. lieber Ur
tria^Quad^eln z. ^^^^T^^^
tS:^ S 'SSitten da^;tellen über den Meinen
Sen der Prurigo werden sie als birsekorngrosse, blut.g
gefärbte Epidermisverluste erscbeinen.
U 1 c e r a c u t a n e a , Hautgescbwure, sind ebenfalls secun
däre Krankheitserscbeiiiungen. Sie entstehen mu- m emer
' her entzündlich oder anderweitig erkrankten Hautpaa.^^
nnd stellen das Corium betreffende Substanzverluste dar welche
2 vot nornialen Eiter in der Beschaffenheit abweichendes
Secret absondern und deshalb nicht oder nur ^o,ernä^^
heilunfi gelangen, weib die zum Wiederersatz des Substanz
terirsL'bestLnte Granulation durch örtliche oder allgemeine
Ursachen verzögert oder gestört wird. ^
Man unterscheidet an jedem G-eschwur (^^'^^^^^f^^.^,'
- das ist den inneren Begrenzungssaum, die Beschaffenhei beidei
namentlich den Rand als glatt, zackig, ausgeuagt , hoM , aut-
geworfen, die Form als rund, kraterförmig,
förmig, serpiginös; den Verlauf als acut, chronisch und mc e
ändert Momente, welche sich auf Ursache Bedeu u^g L^^
sation u. s. w. beziehen und in der speciellen Pathologie
Sprache kommen werden. ^
Kaposi, Hautliranküeiten.
Vi«rte Vorlesung.
DO
Rhagades, Rimae cutis, Hantschrunden, sind
furchen- oder spaltenartige Risse und Zerklüftungen der Epi-
dermis Sie reichen oft auch tiefer, bis in's Corium und sind
dann von steilen Rändern begrenzt und im Grunde blutend
oder verschwärend. Die letzteren betrefFen eine verdickte,
schwielige, die ersteren auch dünne, trockene Epidermis. Sie
entstehen in Folge von Zerrung und Dehnung von Seite der
unterlagernden Muskeln, bei verminderter Elasticität der er-
krankten Haut und Sprödigkeit der Oberhaut.
Squamae, Schuppen, heissen die von der Hautober-
fläche sich ablösenden Hornhautblättchen. Ln physiologischen
Zustande findet eine im Ganzen imperceptible, aber doch zweifel-
lose Abschülferung der Epidermis statt, mit welcher eine
Regeneration von den Retezellen her gleichen Schritt halt.
In krankhaften Verhältnissen geht diese Abstossung m sinn-
fälliger Weise vor sich. Die Abschuppimg als solche heisst
Desnuamatio, wenn sie als Folge eines örtlicheii Erkran-
kungsvorganges sich einsteUt; als selbständiges Uebel Pity-
riasis Die Schuppen lösen sich ab in Gestalt von kleinen,
kleienähnlichen, oder auch grösseren, dünnen, weissen, glan-
zenden oder schmutzig weissen, trockenen oder fettigen Blatt-
chen, oder von dickeren, plattenähnlichen Schalen, oder endlich
von grossen, zusammenhängenden, pergamentähnliclien btucken,
welche z. B. handschuhfingerförmig , einem Finger entspre-
chend, erscheinen. Darnach spricht man von einer Desqua-
matio furfuracea, membranacea, siliquosa.
Bei gewissen Krankheitsformen (Psoriasis) baUen sich die
Schuppen zu Häufchen oder verscliieden mächtigen Platten
zusammen, welche in lockerer Verbindung mit den tieferen
Zellen stehen, aber als Ganzes doch länger auf der Haut
haften und nur in ihren obersten Lamellen schülfern. _
Schuppen werden auch von den Fettdrüsen geliefert, indem
aus ihnen eine abnorme Menge fetthaltiger Epidermis m steti-
ger Folge ausgeschieden wird und über die Hautoberflache
sich lagert (Seborrhoea sicca).
Crustae, Krusten, Borken, Grinde, nennt man
die Massen, welche durch Vertrocknung von ausgetretenem herum,
Eiter oder Blut auf der Haut entstanden sind. Die ersteren
sind in frischem Zustande von der Farbe des Gummi, Homg
die letzteren braun bis schwarz. Anfangs massig weich und
SecTindäre KraiiklieitsersoheimingeTi. 67
elastisch werden sie mit znnehmendem Alter trocken, hart,
W io- und dnrch innere Metamorphose nnd verschiedene Be.
Z^^,.. nüsslarlng. Ihre Mächtigl.e.t entsprich rm AUge-
inen der Menge der ausgetretenen Flüssigkeit, n.id sie koanen
1-dick werdet wenn längere Zeit nnd in allmählicher We.se
Exsndat , Eiter und Blut neuerdings an iure untere Flache
herantritt nnd vertrocknet. ^
Der Gestalt nach entsprechen sie im AI gemeinen der Con-
ficuration der verletzten Hautstelle , von welcher beriim, Eiter
..^d Blut anstritt. Besondere Formen erlangen sie , ^^^nn der
ilnien zu Grunde' liegende Eiterungsprocess von' einem Centrum
stetig peripher vorrückt. Die Krusten Schemen ^^-^^'^'^^
centSschen Ringen oder ans Scheiben --^---^P^^^' /
mittlere die kleinste nnd dem Charakter nach die älteste dai-
stellt. Dabei ist die Kruste in der Mitte genabelt, coucav, oder
konisch, convex, ersteres, wenn der Exsudationsprocess im Cen-
trum erloschen, letzteres, wenn derselbe trotz des peripheren
Fortschreitens hier noch besteht und von unten her Materiale
zur Verdickung der Kruste liefert. Die letztgenannten Formen
der Krusten geben den Charakter der sogenannten Rupia
Crustae lamellosae sind ein Gemenge von Krusten
und Schuppen. , . n 4.^
Cicatr ix. Narbe, ist die der Haut eingepflanzte Ge-
websformation, welche einen Substanzverliist des bindegewe-
bigen Antheüs (nicht der Epidermis) der Haut ersetzt. Sie
erscheint an der Oberfläche glatt, glänzend, ohne die die nor-
male Hautoberfläche bezeichnenden, regelmässigen Hugelchen,
Linien und Furchen, ohne Poren, Haare und Papillen; frische
Narben sind roth, ältere glänzend weiss , an der Peripherie
bisweilen braun pigmentirt; ihre Consistenz verschieden derb.
Ihre Oberfläche liegt im oder etwas unter dem Niveau der
normalen Haut, überragt aber auch oft diese (hypertrophische
Narbe). Umfang und Form der Narbe entspricht nicht voll-
ständig dem sie ersetzenden Substanzverluste, weil sie wahrend
ihrer Bildung nnd auch später noch schrumpft _ Eine schone
Narbe ist dünn, .weich, glatt, beweglich; eine hassliche Narbe
wulstig, höckerig, hart, emporragend, gestrickt, genetzt
Die Narbe besteht ans einem unregelmässigen ± üz a on
neugebildetem Bindegewebe. In jungen Narben ist dieses mehr
l>omogen, reich an lebensvollen Bindegewebskörperchen Rund-
Vierte Vorlesimg.
Zellen und Gefässen. Mit zunehmendem Alter wird die Inter-
ceUiüarsubstanz deutlicher faserig, saft-, zellen- und gefässarm.
Pigmentation findet sich als Folgesymptom voraus-
gegangener, mit Hyperämie verbundener Processe , also so-
wohl ^entzündlicher als neoplastischer Vorgänge. Die Fär-
bung entspricht nach Ausdehnung, und Form der Oertlichkeit
und dem Crange des Processes, ist dauernd oder vorübergehend
und im letzteren Falle an der jüngsten Stelle der Erkrankung
am intensivsten, an der ältesten auch am frühesten vermindert,
oder ganz geschwunden.
Zu den geschilderten morphologischen Eigenschaften
der Efflorescenzen gesellt sich eine Reihe von für die Sympto-
matik sehr wichtigen Erscheinungen, welche aus den Eigen-
thümlichkeiten ihrer Vertheilung , Anordnung und Aus-
breitung hervorgehen, für welche es kein Analogon in der
Pathologie anderer Organe gibt und auf die ich hiemit Ihr
besonderes Augenmerk lenke.
Die Efflorescenzen finden sich auf der Haut vereinzelt
(Efflorescenciae solitariae), oder zu vielen getrennt (E. discre-
tae) und zerstreut (E. dispersae) oder unregelmässig zusammen-
gedrängt (E. aggregatae , confertae) , in regelmässige Haufen
zusammengeschoben (E. corymbosae), in einfachen Kreisen (annu-
laris, circinatus) angereiht, und es scheint in diesen Beziehungen,
wenn auch nicht die örtliche und allgemeine Ursache, so docli
die G-esetzmässigkeit zu fehlen.
Vorwiegend jedoch macht sich eine merkwürdige Bestän-
digkeit, imd für viele Fälle eine bis an's Gresetzmässige strei-
fende Regelmässigkeit geltend in der Localisation und Anord-
nung der Efflorescenzen, in der Vertheilung ihrer Gresammt-
heit, welche als Hauteruption oder Exanthem bezeichnet
wird. Sie findet ihren theilweisen Ausdruck darin, dass die
Efflorescenzen im Allgemeinen in symmetrischer Weise
auf den correspondirenden Hautstellen der rechten und linken
Körperhälfte auftreten, auf beiden Handtellern oder beiden
Handrücken, an beiden Knie- oder Ellbogen-Gelenken. Weiters
in dem Umstände , dass dieselben bei manchen Processen vor-
wiegend die Streckseiten, in anderen regelmässig die Beuge-
flächen der Gelenke und Extremitäten, oder die Umgebung der
Eingangsöfi'nungen in die Körperhöhlen mit Vorliebe occupiren.
YertheiluDg der Efflorescenzen. t)9
Für diese Arten von Gesetzmässigkeit fehlt nns vor der Hand
iede Handhabe zur Erklärung. ^ -u
^ Da^i-eo-en geben die anatomischen nnd architektonischen
V^vV^l+rSss^e der Haut ziemliche Erlänterimg über eine Reihe
^:^:^s^E^e^^ in der Yertheüung nnd Ai.breitnng
"rEfflorescenzen. Es ist zweifellos, dass diese häufig ganz
1 Ir in ihrem Auftreten und ihrer Ausbreitung der Rich-
:::^/r Hartnerven folgen. Dies ist der EaH beim Herpes
Zoster bei manchen Warzen- und Pigmentmälern und Erythe-
men A- den classischen Arbeiten von Tükck, welche von
WEBL veröffentlicht worden, und denjenigen von YoiaT, kann
In über Verlauf- und Verästlungsgebiete der Hautnerven sich
Tweit genauer unterrichten, um diese Congruenz zu erkennen.
ZI hat auch ein System von Linien und i;e,gelmaBsig situir-
ten Wirbeln auf der Haut nachgewiesen, welche der Anordnung
der Haartaschen entsprechen. Da nun selir oft und bei manchen
Krankheiten, z. B. bei Liehen scrophulosorum, regelmassig die
^^:^nTwüore..e.zen die Eollikel selber betreffen, so ist es
hegi^ifiich, dass sie alsdann auch in der Anordnung d. Confi-
^Sation der Eollikel-Vertheilung wiedergeben und m Kreis
Len oder regelmässigen Gruppen --f^f^'^'^^^^^^^^^^
oft sieht man die Efflorescenzen, z. B. bei Psoriasis, Herpes
t n^rans maculosus, in mehrfachen, parallelen, angen Reihen
ZeorLt, welche an verschiedenen Körperstellen zwar_ ver-
Xdene ichtungen, aber an entsprechenden Körperregionen
doch wieder stetig in derselben Weise sich darsteUen.
laufen an der seitlichen Thoraxgegend paraUel _ den Rippen, in
der Schultergegend, am Nacken, in concentrischen Kreisen,
welche in allen EäUen dieselben Punkte als Centren haben.
Daneben gibt es gewisse Regionen, die wie todte Punkte
zwischen den Wellenkreisen liegen. Ein höchst interessantes
Bild, auf welches Hebba schon frühe aufmerksam gemacht hat.
Diese Verhältnisse sind in verschiedenen Momenten be-
gründet, zunächst in den Spaltungsrichtungen der Lederhaut.
Man hat längst gefunden, dass die Lederhaut an bestimm-
ten Körperregionen vorgezeiclinete Spaltungsrichtungen hat.
Sticht man mittelst einer spulrunden Schusterahle m die Haut,
bekommt man kein rimdes Loch, sondern eine längliche bpalte
und diese hat an verschiedenen Körperstellen eine verschiedene,
aber für die Oertlichkeit constante Richtung.
rjQ Vierte Vorlesung.
Langer hat diese an einer grossen Zahl von Leichen
eriürt, indem er an denselben mittelst des Pfriemens die Stich-
spalten erzeugte mii durch Zeiclmung fixirte. In der beige-
gebenen Copie der verjüngten LANCxEß^schen Zeichnung ^ sehen
Sie, wie und in welchen Richtungen die Stichspalten sich zu
Linien formiren (Fig. lo).
Fig. 13.
Die Spaitrichtiingen der Haut, nacli Laug
VertUeilung der Efttorescenzen. '^i
Die SmltricMnng gibt aber die Hauptricl>timg der J?a«e-
D eser folgen aber aiicl. die Hauptstämme der Nerven
'■"?Blt a auelr die Follikel, nnd die Hanptriehtag
und aurch gewisse Fixationspunlrte
rder'Sf lI und Faseien gegeben, andererseits dnreU die
^.altKnn.riobtnng des gan.n ^ns..n n— de.
L Gefässe nnd Nerven, derart, dass sie von der Wubekanle
dl.e" an den Thoraxseiten parallel den Kippen, an den
vl te"wn von oben nnd anssen, naeb nnten nnd mnen m
SpSen zkhen. Die Anordnnng nnd VertheUung der Efflor-es-
cerzl Lt nnn bald durcb das eine, bald dnroh das andere der
«Znten Momente in directer Weise, bald dnrcb die Snniine aller
t Zev Art Resiütirenden vorbestiinmt. 0. Smo. bat demonstnrt
W Te Kchtinig von Gesehwiiren, welebe W™ arf die^e
Basis ziirliokgembrt bat, sofort sieb ändert, '^^ «^^^^^^^
oder Ansscbneiden die Spannniigsrichtnng der Haut antgehoben
'^'^'AJle Eigentbiimliebkeiten in dieser Beziebnng wden
aUerdm-s dui4 diese Verbältnisse nicht autgeklärt lob glaube,
"a ürsäeblicbes in der feineren
vertbeilnng liegt, die aber noch sebr wenig studirt ist. A be ten,
wTe toinngste LAKGER's über die feinere Ge assvertbei ung
Tden lug'enHdem, wurden sielierlieb bezUgUeh der Verbrei-
tunr der Prooesse in der Haut Vieles aufbellen.
* Auch die einzelne Effloreseenz sebeint auf ibrem weiteren
Wege dnrcb die Spaltriolitungen der Haut E"}'--^'- 2^^;
Wenn die Effloreseenzen, selbst das ta*''
peripher sich ausdehnen, so aequiriren sie die J^^^^
gegend allgemein geltende Richtung. So zeig n «»««»^^Jl«^^
und die Flecke des Herpes tonsurans an den Thoiaxseiten
ovale Formen mit zu den Rippen paraUeler Langsa hse^
Doeb schreiten die Effloreseenzen in ^r -« e«"
Wicklung auch über diese Gesetze hinaus. /"J^f,!
tretenden Formen werden in der Symptomatik .''»tbwe.id^g«
^eise zur Orientirung nnd CharakteristA J.'^.^.
natus, annularis, wenn eine Effloreseenz durch peripbe es J! oi
schreiten und centrale Involution Kreisform "-"« f ■
heisst das Auftreten von Effloreseenzen in zwei- und menr
Viei-te Vorlesxmg. — Vertheihmg der Efflorescenzen.
fachen concentrisclien Kreisen oder solclien mit einer im Centrum
stehenden Primär-Efflorescenz. Gryratus heisst die Form der
gesclilängelten Linien, welche entstehen, wenn mehrere Efflo-
rescenzkreise im Wachsthnm aneinander geratlien. An den
Beriihriingsstellen erlischt alsbald der Process, die Rothe, die
Lifiltration iind es bleiben nur die peripheren Bogen übrig.
Die gleichen Formen, circinär, Iris, gyratus etc. entstehen
dadurch, dass mehrere Efflorescenzen von vornherein eben in
der dem Namen entsprechenden Weise sich zu einander stellen.
Man bezeichnet auch gelegentlich die Ausbreitungsweise
der Efflorescenzen und damit der Hautkrankheit „per conti-
nnum" , wenn dieselbe stetig von einem Ursprungspunkte auf
die angrenzende Haut übergreift, und „per contiguum", wenn
mit ihr in Berührung befindliche andere Hautstellen in gleicher
Weise erkranken.
Eine Menge anderer Charaktereigenschaften oder neben-
sächlicher Merkmale werden noch nach Umständen näher be-
zeichnet, wie z. B. die Form mit discoides, scheibenförmig,
scutiformis, schildförmig, figuratus, circumscriptus, marginatus,
confluens, diffusus ; die Färbung mit variegatus , intertinctus ;
xuid eine grosse Zahl von Eigenschaften, begleitenden Sympto-
men und Umständen, welche das Alter und Geschlecht der
Kranken, die Intensität der Krankheit, die Jahreszeit, geogra-
phische und geschichtliche Daten u. s. w. betreffen , deren
Bezeichnungen im speciellen Falle die Charakteristik mehr
weniger ergänzen und im Allgemeinen nicht mehr besagen
wollen, als ihre Etymologie lehi^t, wie vernalis, aestivus,
antnmnalis, hiemaHs, septemtrionalis, tropicus, seniUs, infantum,
acutus, chronicus, febrüis, apyreticus, pruriginosus , agrius,
mitis etc. etc.
Fünfte Yorlesung.
. , • ,Hior,«thisehe und symptomatische Dermatonosen.
Allgemeine Aetiologie.
Als drittes Moment, welches den patliologisclien Processen
der Haut, bei all' ilarer wesentliclien Uebexeinstnnmvmg mit
den Krankheiten anderer Organe, ein eigenthümlxclies Gepräge
.ibt, habe ich ibi^e Ursachen angegeben. Diese sind zum Tbeüe
solche, wie sie auch den Erkrankungen anderer Systeme zu
Grunde liegen, zum grossen Theile jedoch für che Hautkrank-
heiten specifisch, insoferne manche derselben andere Organe als
die Haut gar nicht zu beeinflussen vermögen. Ueberdies kommt
den lirsächlichen Momenten auch noch die besondere Bedeutung
zn dass ihrer specifischen Art häufig ganz specifische Formen
der Hautkrankheiten entsprechen, während wieder manche
andere Krankheitsursachen doch auch verschiedene Art von
Erkrankung zu veranlassen vermögen, oder endlich dieselbe
Form von Hautkrankheiten durch verschiedene Ursachen be-
dingt sein kann. , . ,
Die Congruenz zwischen Krankheitsform und Ursache ist
also keineswegs aUgemein durchgreifend. Dieser Umstand,
sowie der zweite, dass für viele Hautkrankheiten die Ursachen
überhaupt nicht bekannt sind, machen es auch derzeit unmög-
lich, die Dermatonosen auf Grundlage ihrer Ursachen zu
svstemisiren. •^
Im Allgemeinen theilen sich die Haxitkrankheiten iliren
Ursachen nach in zwei Kategorien:
1. Solche, die durch eine in dem Organismus selbst, seiner
Blut- und Säfte-Beschaffenheit, seiner Gesammt-Constitution,
r-^ Fünfte Vorlesung.
oder in der Erkrankung einzelner Organe und Systeme ge-
legene Ursache, oder in der hereditären Anlage begründet
sind und wesentliche oder gelegentliche Symptome dieser Verhält-
nisse darstellen — symptomatische Hautkrankheiten.
2. Hautkrankheiten, welche durch eine auf das Haut-
organ^direct einwirkende Schädlichkeit hervorgerufen worden
gina — idiopathische Dermatonosen.
Man hat in früherer Zeit so ziemlich -alle Hautkrank-
heiten als symptomatische, also in die erstgenannte Kategorie
gehörig aufgefasst , indem man annahm , dass eine allgemeine^,
als „psorische" bezeichnete Dyskrasie, oder eine Art „Schärfe"
des" Blutes, Acrimonia sanguinis, oder „herpetische" Blut-
beschaffenheit in dem Individuum vorhanden sein müsse, wenn
eine Hautkrankheit bei demselben entstehen soll. Selbst wo
nachweislich ein örtliches Agens , wie die Krätzmilbe bei der
Krätze, oder ein Pilz, wie bei Favus, zugegen war, hat bis
vor niciit langer Zeit jene Ansicht sich bei manchen Aerzten,
von Laien nicht zu reden, erhalten können.
Seit zunächst für Krätze, alsdann für eine Reihe anderer
Hautkrankheiten experimentell und Minisch der Beweis ge-
liefert worden, dass solche Affectionen rein örtliche und wie
z. B. Hebra bezüglich der Krätze und des Eczem demonstru-t hat,
beliebig an jedem Individuum hervorbringbare Krankheiten
darstellen, hat die psorische Kraseiilehre jeden positiven Halt
verloren.
AUein, wie gesagt, Hebra und seine Schule anerkennen
auch eine grosse Zahl von allgemeinen und dyskrasischen Zu-
ständen und Erkrankungen innerer Organe, welche direct oder
gelegentlich zur Entstehung von Hautkrankheiten führen, theüs
solche, welche genau gekannt sind, theüs derartige, die vor
der Hand noch nicht näher definirt werden können.
Zu diesen durch allgemeine Ursachen veranlassten,
also symptomatischen Krankheitsformen gehören
zunächst die durch specifische Contagien hervorgerufenen acuten
Exantheme, Blattern, Masern und Scharlach , die Zoonosen,
Syphilis , Rotzkrankheit und Pyämie , bei welchen Processen
neben der specifischen Blutvergiftung die Hautki'ankheit m
Form von verschiedenen Röthungen, Knötchen, Bläschen,
Pusteln, erysipelatösen und furunculösen Entzündungen als
nothwendiges oder wesentliches Krankheitssymptom erscheint.
Allgemeine Aetiologie. 75
Bei anderen Allgemeinerkrankungen komnien gelegentlich, aher
^e^^om^i.^^e Hantaffectionen vor, bei TypkuB
a s Flecke, Knötchen und Bläseken (Hoseola, Purpura Müiana
^ko a laB DmTEL'scke Typkus-Exantkem), be. Cholera a s
Äa'nnd Er^^thema, Cholera-Exanthem), ber Uraan.e als
kx'nkhafteH^^ f^'^^
tCien bei Scrophulose , Tuberculose als Entzxmdung und
vSwärung, bei Lepra als Elecke , Knoten Anasthes.e.,
Ve . chwärnnt-en. Krebsdyskrasie, Chlorose, Anaxn.e, Cholamxe,
invohären seS^er eine krankkafte HautbesckafFenke.t , abnorn^e
Färbung, Jucken, Neubildung, oder dispomren, me z. B.
Chlorose , zu gewissen Hautkrankkeiten. _
Vo^ Affectionen einzelner Organe erwähne rck
chronischen Magen- und Darmkatarrh Leber- und Mxlz-
schweUuno-, allerlei Abnormitäten und functioneUe Zustande,
selbst physiologische, des weiblichen Genitalsyst.ms, chronischen
Morb Brightii, Albumimu-ie, welche die Veranlassung abgeben
könaxen fi5 Acne rosacea, Pruritus cutaneus, Ux^txcana acuta
et chronica , Anomalien der Hautsecretion und Pigmentation,
für Pemphigus, Impetigo herpetiformis. Herzfehler veran-
lassen Cy^iose und Oedem der Haut; Erkrankungen der
Nerven innerhalb ihres peripheren Antheiles, Herpes Zoster
und aUerlei Entzündungsformen, sowie Ernäln-ungs- und Empfin-
dungsstörungen; Affectionen des Centralnerven-
sy Sterns, namentlich des Eückenmarks , Zoster, Pruritus
cutaneus, Pityriasis rubra.
Das vasomotorische Nervensystem wird veiant-
wortlich gemacht für eine Reihe von Hauterkrankungen, welche
seit EOLENBUBG und Landois als Angioneurosen gerne be-
nannt werden, wie Urticaria, Acne rosacea Zoster Es soU
damit nur ausgedrückt werden, dass diu'ch eine Alteration
der Gefässnerven, welche wir seit den jüngsten besonders
Stkickee's Nachweisen als Vasodilatatoren und Vasoconstric-
toren zum Theile kennen gelernt haben, es örtlich zn Erwei-
terung oder Verengerung der CapiUaren und feinsten Gefesse
der Haut und damit zu Erscheinungen der örtlichen Anämie
oder Hyperämie und Exsudation kommt. Eine eigenthche
Erklärung der Krankheitsformen und Vorgänge gibt diese
Bezeichnung nur für die wenigsten Fälle. Für die meisten
ist sie eine blosse Umschreibung bekannter Erscheinungen.
rjQ Fünfte Vorlesung.
Auch die Heredität involvirt eine im Organismus ge-
legene Ursaclie für Haiitkrankheiten, entweder in directer Weise,
wie bei SypHlis, oder in mehr disponirender Weise, wie bei
Ichthyosis, Psoriasis, Eczem, Polytrichie, Alopecie, Krebs,
Naevus, indem die Nachkommenschaft mit dem ganzen eigen-
thümlichen Habitus im Allgemeiiien und dem besonderen der
Haarfarbe, der Hautbeschatfenheit etc. auch die Anlage oder
Disposition für manche Hautkrankheiten von den Eltern über-
kommt.
Als allgemeine disponirende Momente für Haut-
erkrankungen müssen auch die zum Theile äusseren Verhält-
nisse gerechnet werden, welche durch das verschiedene Alter,
Geschlecht, die Wohnungs-, Nahrungs- und Lebens-Verhältnisse,
die habituelle Beschäftigung, die klimatischen und physikalisch-
geographischen Bedingungen gegeben sind. So kommen im
Säuglingsalter und in den ersten Lebensjahren häufiger Eczem,
Urticaria, Seborrhoe vor, oder beginnt z.B. die Prurigo stets gegen
Ende des ersten Lebensjahres, während Psoriasis im kräftigen,
mittleren Lebensalter , dagegen bei Greisen häufiger Pruritus,
Epitheliom, Warzen angetroffen werden. Lupus erythematosus
findet sich häufiger bei weiblichen als bei männlichen Lidi-
viduen. Bei den Kindern der ärmeren und schlecht genähi-ten
Classen ist Liehen scrophulosorum tmd Prurigo öfters zu finden,
als in den wohlsituirten GeseUschaftsschichten. Manche Krank-
heiten sind in gewissen Land- und Erdstrichen häufiger als in
anderen, z. B. Prurigo bei uns häufiger als in England, hier
Psoriasis zahlreicher vertreten als bei uns; ja gewisse Krank-
heiten sind nur besonderen Zonen und Ländergebieten eigen,
wie Lepra bestimmten Districten Norwegens, den mittellän-
dischen Küstenländern und dem ganzen continentalen und
Inselgebiete der südlichen Meere.
Gewisse NahrungsstotFe bewirken bei einzelnen oder
vielen Menschen vom Digestionstracte , oder durch Keizmig
der Geschmacksnerven auf reflectorische Art Hautkrankheiten.
Urticaria in Folge des Genusses von Erdbeeren, Austern,
Hiunmern u. A., Erythem nach Genuss von Copaivabalsam,
Acne nach Jod- und Brom-Medication sind bekannte Vorkomin-
nisse. Nach Chmin ist in einzelnen Fällen das Gleiche beob-
achtet worden.
So zahlreich und in einem gewissen Sinne zweifellos nun
Allgemeine Aetiologie. '^'^
aie ano-efiihrten allgemeinen ,irsachUche,i Momente aueli sind,
,rweni. vermögen wir doch beziigUcli der mästen den d^ree en
Z„rn:e,ü>ang .wischen ünen und den duret s.e bed,ngten
Ha\itkrankheiteu ZU demonstriren. i -u
Unolei^ klarer Hegen in dieser Bezielinng die Verlxalt-
nlssefüx°die idiopatlüsclien Hantkrankkeiten, die-
Z Jn, welche durch dir-ect auf die Haut emwkeude, oder
soc.rnanute ä u s s e r e S c h ä dli chke it en hervorgerufen werden.
Brer Naüu- und Einwh-kungsweise entspricht auch sofort d.e
gesetzte Veränderung und die I^-^! ■ -^ "^"r".
scheinungen, welche aus diesen in gesetzmassiger Folge hervor
eehen müssen. , i • i „
Ihi-er Natur nach sind diese Schädlichkeiten mechanische,
dynamische (calorische) oder chemische ^^^d/)rga-
nfsmen, pflanzliche oder thierische , welche direct die Haut
iiifBstirGii
Für- die Wirkung der ersten der drei Kategorien_ von
Krankheitserregern der Haut, der mechanischen, bmigeii
^ wohl das leichteste Verständniss mit. Unter aUen Verhalt-
xiissen des praktischen imd gewerblichen Lebens setzen wir
die Haut solchen Schädlichkeiten aus, welche die Epidermis
oder die Haut bis in ihre tiefsten Schichten auf mechanische
Weise zerkratzen, verletzen , Serum- und Blutaustritt, Ent-
zündung und Verschwärung veranlassen. Häufiger Druck von
Seite der oft hantirten Werkzeuge, von Bandagen Lastgurten,
der Beschuhung, bewirken Verdickung und Verschwieliuig der
Oberhaut und organische Veränderung des Coriums und de
PapiUen; Contusionen haben Zerreissung von Blutgefässen und
Bluterguss unter die Oberhaut oder in die Cutis zur Folge. Das
Kratzen mit den Fmgernägeln aUein ist eine häufige Ursache
für Hautkrankheiten. Wir werden diese Art der Ki^ankheits-
erregung noch näher kennen lernen.
Uebermässig hohe Temperatur, die sengende Sonne,
wie die Ausstrahlung des Feuerherdes und Feuerflammen be-
wirken, sowie zu niedi-ige Temperatui-seinflüsse theils yoriiber-
gehende Röthung und Hautabschülferung, theils intensive Ent-
zündung oder Verkohlung. '
Chemisch schädlich wirkende Agentien sind alle starkei en
Säuren, Salz-, Essig-, Schwefel- und Salpetersäure, Aetziaiige,
«ine Menge Chemikalien und Farbstoflee, wie Anilinfarben, sowie
rülifte Vorlesung.
Pftanzen und rHanzensäfte , denen ein scliarfes Princip inne-
wohnt , Mezerenm , Arnica , Semina Sinapis , Brennnessel , die
meisten ätherischen Oele, wie Oleiini sinapis, Ol. Crotonis, Tiglii
XI. V. A., die theils zufällig oder absichtlich, wie in Gi-ewerbs-
übungen, oder gar in therapeutischer Absicht, in der soge-
nannten und ehemals sehr beliebten Methodus derivatoria, mit
der Haut in Berührung gebracht werden. Sie zerstören ent- .
weder direct die Oberhaut, oder auch die tieferen Gewebs-
schichten, oder reizen die Haut zur Hyperämie und Entziindimg.
Diese Schädlichkeiten sind als solche um so höher anzu-
schlagen, als sie nicht nur die Haut direct krank machen,
sondern dieselbe auch bezüglich ihrer Widerstandskraft
gegen Schädlichkeiten in toto schwächen, derart, dass sie nun
Einwirkungen als Hautreize verspürt, die ihr früher gar nichts
anziThaben vermochten. "Wenn beispielsweise Jemand durch
Application von einem Arnica-Umschlag auf einen verwundeten
Finger daselbst ein Eczem hervorruft , so wird nun die Haut
des Gesichtes schon durch einen geringen Hitzegrad des Feuer-
herdes, oder die Haut des Nackens durch einen anliegenden
gestärkten Kragen eczematös erkranken, während sie früher
das ßeiben des letzteren , die Hitze des Feuerherdes ganz gut
ertragen hat. Selbst der aUgemeine Nerveneinfluss wird durch
eine solche örtliche Schädlichkeit wachgerufen. Wenn in der
Schamgegend durch Quecksilbersalbe, die gegen Morpiones ein-
gerieben worden, Eczem entsteht, so wird durch die örtliche
Erregung auf neuro-reflectorischem Wege das Papillargefäss-
system im Bereiche der Ohrmuscheln und des Gesichtes derart
gereizt, dass er hyperämisch wird und exsiidirt, dass hier
Eczem entsteht, lange bevor das Eczem der Regio pubica
irgendwie diese Gegend überschritten hat.
Diese Verhältnisse sind \iel zu wenig allgemein gekannt,
weil sonst die Aerzte nicht so leichthin mit der Anwendung
der Hautreize wären. Es wird sich noch Gelegenheit bieten,
darüber Weiteres zu sagen.
Dabei verhalten sich viele der genannten Sehädlichkeiten
noch als relative, indem sie ein Hautorgan früher oder inten-
siver, ein anderes später oder gar nicht krank machen, mi
Allgemeinen um so rascher und intensiver, je mehr die Haut
bereits früher gereizt worden, oder von einer Krankheit be-
haftet ist, die sodann als Reiz wirkt.
Klinischer Begriff der Hautkranklieit. 71)
Selbst das cliemiscli indifferente Wasser ruft bei
••1 -o-pv \nnlication desselben in Form von Waschungen,
t"'"^^!!^!^, Umschlägen Hautkrankheiten hervor.
^:^^SZ^on der Epidermis, Erythem, Eczem,
'^""tdererseits ist der Mangel an Reinlichkeit und Haut-
nfleo-e die Ursache für manche andere Hautkrankheiten, die m
\nSiufung und Zersetzung von Epidermis und Hautsecreten
nnd der irritirenden AVirkuug der letzteren au die Haut,
durch Ausdelinnng der Fettdrüsen u. A sich kundgeben
Dass pflanzliche und thierische Organismen
als Ursachen von Hautkrankheiten sich geltend machen, ist,
wie der geschichtliche Ueberblick gelehrt, erst seit wenigen
Decemden%ekannt. Sie leben und vegetiren theils in de.^
Haut speciell der Epidermis - wahre Parasiten mid Epi-
Siyten - theils mir gelegentlich auf derselben - Epizoen. Die-
selLn bewirken örtlich Auflockerung der Epidermis Hyperamie
und Exsudation in Folge der mechanischen und chemischen
Reizung, oder Verletzung der Papillen, Blutaustritt und com-
plicirte Entzündung wie manche Epizoeen; endlich als irri-
tii-ende Potenzen auch auf reflectorischem Wege manche andere
Krankheitserscheinungen, wie Jucken und Eczem.
Wir haben bis nun in einer allgemeinen Ueberschau das
anatomische und physiologische Substrat der Hautkrankheiten
kennen gelernt; mit dem Hinweise auf die allgemeine Patho-
logie und pathologische Histologie auch die Veränderungen ^-
gedeutet, welche die Gewebs- und Organelemente, sowie^e
lunctionen der Haut in der Erkrankung erleiden können ^ich
mit den Symptomen der in der Haut möglichen ort ichen Ver
rnderungenid dem Schema ihrer regelmässigen Verlauf sweisen
rnsvertLt gemacht; endlich auch die Ursachen im Allgemeinen
aufgeführt, welche die letzteren zu veranlassen veinnogen.
Alleii; zu emer vollständigen allgemeinen Vorstellung von
einer Hautkrankheit im klinischen Sinne sind wir
:;;\ll' dem noch nicht gelangt. Und doch ^
der eigentliche Gegenstand unseres hier vorgesetzten Studiums.
In' die oben angeführten Merkmale zusanunen geben
.ämlich noch immer nicht den vollen Begriff von c^Bm^—
Wesen und Bilde einer Hautkrankheit. Es gehört vielmelu
Fünfte Vorlesung.
noch dazu der Charakter einer besonderen Verlaufsweise,
d. i. einer eigenen Art der Entstehung, Entwicklung, Dauer,
Verbreitung , örtlichen und aUgemeinen Wirkung, sogenannten
Folgen. Diese Umstände alle zusammen, vereint mit den oben
genannten, der Ursache und der örtlichen Gewebs- oder Eunctions-
störung, geben erst einen, als besonderes Krankheitsbild zu-
sammenzufassenden Symptomencomplex im kimischen Sinne, Be-
griff und Bild einer Hautkrankheit — einer Dermatonose.
Lassen Sie mich dies durch ein kui-zes Beispiel erläutern. Auf
der Streckseite des Unterschenkels findet sich bei zwei Kindern
eine Eruption von rothen, juckenden, also zerkratzten, mit
Börkchen bedeckten Knötchen auf einer gleichmässig ver-
dickten, etwas ödematösen und dunkel pigmentii'ten Haut. Die
örtliche Veränderung ist bei beiden Kmdern ganz und gar die-
selbe, nicht aber die Hautkrankheit im klinischen Sinne. Diese
mag sein bei dem einen Kinde Prurigo, ein sehr hartnäckiges
und schwer, oder gar nicht heilbares Uebel, bei dem anderen
eine chronische , sehr sicher heilbare Krankheit , ein Eczem.
Jeder von Ihnen kennt die Urticaria- Quaddel. Sie sehen
mehrere Individuen mit dieser Eruptionsform behaftet. Bei
AUen die gleichen Efflorescenzen, aUe diese bedeuten anatomisch
dieselbe Veränderung, sie verlaufen auch örtHch bei AUen auf
die gleiche Weise. Doch die klinische Bedeutung der Derma-
tonose mag bei AUen verschieden sein. Bei dem Einen ist die
Krankheit acute Urticaria in Eolge des Genusses von Erd-
beeren und wird in wenigen Tagen verschwinden; beim Zweiten,
einem Kinde, ist sie die Einleitung zu einem lebenslang dauernden
Uebel, der Prurigo; beim Dritten ein Theüsymptom emes
lebensgefährUchen Processes, des Pemphigus pruriginosus ; beim
Vierten durch örtUche Reizung von Wanzen entstanden; bei
einer Frau die Reflexerscheinung einer Lageveränderung des
Uterus u. s. f.
Der Unterschied Uegt in dem Gesammtcomplex von Er-
scheinungen, unter denen die des besonderen Verlaufes
das Entscheidende sind.
Sie werden die Bedeutmig des Gesagten in dem Masse
besser erfassen, je mehr Sie in der specieUen Pathologie vor-
schreiten, namentUch aber Gelegenheit haben werden, bei ver-
schiedenen Kranken äluiliclie Krankheitsformen klinisch ganz
ditferent zu deuten, d. i. zu diagnosticiren und darnach
Allgemeine Diagnostik. 81
auch bezüglich der Prognose n.d Therapie entsprechend
t::^SS^ndch nW^äss dahin, üher diese Mzteren
drei Sie noch einige allge.neine, das 1-^t-che StucW
llLsliche A^Kleninngen zugehen. Zv^achst nher Diagnostik
der Hautkrankheiten im AUgememen.
Diagnostik.
Ich habe zmn Belege des eben Gesagten Ihnen eine Eeihe
von Kranken vorgeführt. Den praktischen Zweck unseres Bei-
:L^e::is berüLichtigend, habe ich auch ^^^J^^^^^t:,
einzelnen EäUe bezeichnet und Entsprechendes zur Behandlung
aleorLt. Ich bin damit zugleich Ihren, berechtigten Wunsche
^' ..gekommen, dass Sie endlich nach Yernehmung so vxeler
lu und einleitender Worte in die specielle Materie der Derma-
tologie eingeführt werden imd Bxnen Gelegenhext werde die
eiiztbien Krankheitsformen am lebenden Objecte zu studiren,
sowie deren Behandlung zu verfolgen.
^ein die gesehenen Krankheitsformen machen auf S e
zunächst eiaien unbefriedigenden Eindruck, namentlich angesichts
r Raschheit und Präcision, mit welcher der geübte Lehrer
die einzelnen Eälle als Eczem, Psoriasis, Pemphigus^ Lupij^ n. s^w
bezeichnet. Dem angehenden Arzte , wie dem Praktiker dei
„ten Male solchen Krankheitsbildern sich gegeinibersieht
geht es jedesmal so. Bim scheint AUes zwar sehr bunt und
fonderbar, kaleidoskopartig, im Ganzen aber doch m der
Man^gfal igkeit einerlei und vor Allem fremdartig zu sein,
uncnfscheSit, als soUte er unmöglich dahin gelangen können,
r dem Gewirre von dem Auge sich darbietenden Erscheniungen
sieh jemals zurecht zu finden.
Dieser Zustand der Beunruhigung, der zugleich etwas
Entmuthigendes für den Anfänger hat, Avird sicherlach biimen
Kurzem verschwinden, wenn Sie durch Uebung zu sehen jd
zu unterscheiden erlernt haben werden. Sie werden ab r auch
sofort von demselben erlöst werden, wenn Sie erfahren da
die Aufgabe der Diagnose ganz anders geartet ist als
Zn gewöhnlich annimmt, und dass es mittelst einer riclrü^e^i
Methode auch in der Regel gelingt, diese ^nfg^^/! ^^^^^^
Viele stellen sich nämlich vor, dass sie beim Anblick
6
Kaposi, Hantkrankheiten.
g2 Fünfte Vorlesung.
eines dermatologisclien Kranklieitsfalles vor Allem und nichts
Anderes zu ihxm hätten, als denselben sofort als Eczem, Pso-
riasis , Herpes u. s. w. zu diagnosticiren. Das ist ein Irrtlium.
Das gelingt nicht einmal dem geübtesten und reiclierfahrensten
Praktiker jedesmal und sofort. Denken Sie, dass auch einem
solchen alljährlich ein und mehrere Kjrankheitsformen vor's Auge
kommen, derengleiclien weder er selber je gesehen, noch die
Literatur verzeichnet hat, die demnach wirkliche, oder relative
Unica sind. Und dennoch können auch solche Fälle richtig
diagnosticirt werden , insoferne damit gesagt werden soll, dass
■es gelingen kann, die Bedeutung, das "Wesen der einzelnen
Symptome richtig zu würdigen. Die Einreihung in das System
ergibt sich sodann von selber als das Resultat der ganzen
Simime von diagnosticirten Erscheinungen, der pathologischen
Veränderungen, ihres Sitzes, ihrer Verlaufsweise u. s. f.
Dies erreicht der geschulte Diagnostiker dadurch, dass
er bei der Diagnose eine gewisse Methode verfolgt und
schrittweise zurücklegt. Er thut dies auch den gewöhnlicheren
Eällen gegenüber, nur gestattet ihm die TJebuug dies hier
rasch, gewissermassen sprungweise zu thun. Der minder Er-
fahrene muss eben diesen Weg langsam zurücklegen und es ist
daher für ihn zu wissen nothwendig, nach welcher Methode
und Sichtung er zum Zwecke der Diagnose vorzugehen hat.
Zunächst sehen Sie von Allem ab, was die sogenannte
Anamnese ergeben mag. In der Privatpraxis, wo auf die per-
.sönlichen "Wünsche der Kranken gewisse Rücksicht genommen
werden muss, wird es nicht angehen, die Erzähliuigen und
Klagen, welche der Patient vorbringt, kurz abzuschneiden.
Allein man halte sich an dieselben zunächst niu-, so weit sie
rein sachlich sind, z. B. über die Oertlichkeit des vorgebrachten
Uebels Auskunft geben. Selbst da werden Sie finden, wie oft
das Mitgetheilte nicht mit den Thatsachen übereinstimmt, wie
oft z. B. wegen eines Uebels im Gesichte Klage geführt und
Rath erbeten wird, die vorwiegende oder eigentliche Erki-ankung
aber verschwiegen wird, weü dieselbe an einer ganz anderen
Körperstelle sich befindet, wo sie dem subjectiven Ermessen
des Kranken gemäss ihn nicht belästigt oder unwichtig er-
scheint. Um so grösser faUen die Irrthümer oder Unrichtig-
keiten der Anamnese aus rücksichtlich der anderweitigen
wichtigen Ki'ankheitsmomente , der Dauer, Entstehimgs- und
Allgemeine Diagnostik. Ö.i
Verlaufsweise, Ursaclxe u. s. f., so dass wir es uns zur allge-
Teinen Regel zu machen haben, der Anamnese ganz zu ut-
aXn haben dieselbe ruhig und theilnahmsvoU, aber ohne
sttuck iber uns ergehen zu lassen , _ niemals aber s.e vor
dem Krankhßitsexamen zu provociren
Dieses selbst hat mit der Prüfung der objectxv an
der Halt wahrnehmbaren Erscheinungen al exn
'rbegnneZundausdemobjectivenBefundeallexn
hat dfe Diagnose erschlossen zu werden. Wrr smd
in dieser Beziehung den Hautkrankheiten gegenüber nahezu in
ders ben glücklichen Lage, wie beim Studxum der exacten
Nlturwiss^xschaften gegenüber den Jf.^
und MineraHen, deren Natur wir einzig und allem aus deren
objectiven, physikalischen und chemischen Eigenschaften diagno-
liren. Die' Diagnose der Hautkrankheiten ^^ ^^t^
eine möglichst objective sein und an xhr wxrd erst dxe ßx htxg-
keit der anamnestischen Angaben gemessen, xxxcht umgekehrt
Um ein so befriedigendes Resultat zu erlaxxgen muss die
Untersuchung des Kranken nach Methode und Ziel eine
zweckmässige sein. ^ ^ . i
Eücksichtlich der ersteren sei Folgendes bemerkt.
Man untersuche die allgemeine Decke bex g^^tem Tages-
lichte und massiger Zimmertemperatxir. Ein grosser Theil der
dermatopathischen Symptome wird durch Eärbungs-Dxfferenzen
ausgedruckt: Röthung in aUen möglichen Nuancen ^^S-^-
tation. Künstliche Beleuchtung, sowie dxrectes Sonneiilxcht sind
der Wahrnehmung solcher Erscheinungen abträglich. Das
Gleiche gilt für hohe und zu niedrige Temperatur, in welcher
auch normale HautsteUen abnorm roth, blauroth oder blass,
marmorirt erscheinen können. p t xr +
Weiters soll die Untersuchung in der Eegel axxf die Haut
in ihrer ganzen Ausdehnung sich erstrecken und nicht aut jenen
Körpertheil allein, der als krank angegeben , oder zur Be-
sichtigung dargeboten wird.
Man geht hiebei rücksichtsvoH vor, namentlich dem weib-
lichen Geschlechte gegenüber, indem man schon besehexie Körper^
theile wieder bedeckt und die Genitalien nur m Bothwendigen
Ealle besichtigt. Bei Männern fällt diese Rücksicht eher ort.
Eine aUseitige Prüfung belehrt nicht nur über die allge-
meine Beschaffenheit der Haut und den Gesammthabxtus des
Fünfte Vorlesung.
Kranken, seinen Ernährungszustand und "besondere Verhält-
nisse, sondern ist auch zur Aufhellung der Demiatonose er-
spriesslich oder gar nothwendig, indem wichtige, das G-esammt-
bild ergänzende oder wesentlich char akter isir ende Symptome
derart aufgefunden und in der Anschauung zii einem einheit-
lichen Granzen zusammengefasst werden können.
Mit dem Gi-esichts sinne soll zuerst alles ihm Zugäng-
liche an Erscheinungen erfasst werden. Es ist ungeschickt,
gleich mit dem Finger nach den kranken Stellen zu tasten.
Man verdrängt derart die Injectionsrothe , also Färbung und
Gestalt mancher Efflorescenzen , verdeckt einen Theü des
Erkrankungsterrains, zerstückelt es in viele kleine Felder und
stört den Ueberblick.
Der Tastsinn komme erst als zweiter zur Hilfe, zur
Bemessung der Temperatur, der Consistenz und Flächen-
beschaffenheit der Hallt und einzelner kranken Partien, der
Unterscheidung von hyperämischen Flecken gegenüber von hämor-
rhagischen und Pigmentflecken.
Mittelst des Greruches haben einzelne Aerzte gewisse Krank-
heitsformen, Masern, Scharlach, Blattern u. a. unterscheiden
wollen. Wir trauen diesem Sinne nicht \'iel zu bei der Diagnose
der Hautkrankheiten.
Als wichtige und bisweilen entscheidende wissenschaft-
liche Behelfe zur Diagnose nehmen wir die Mikroskopik
lind Chemie zur HiKe. Letztere, leider noch in zu geringem
Masse , zur Aufklärung über die chemische Zusammensetzung
von pathologischen Bildungen und Ausscheidungen, erstere zum
Nachweise von parasitären Organismen und um Einblick m die
histologischen Verhältnisse der Krankheitsprocesse zu gewinnen.
Das nächste Ziel der Untersuchung sei noch nicht die
systematische Diagnose der Hautkrankheit, sondern vorerst
ein Urtheil über die aUgemeine Beschaffenheit der Haut und
inwieferne dieselbe in Bezug auf Färbung, Injection und Pig-
raentirung, die bekannten Poren , Linien und Furchen, ihre
Spannung, Glätte und G-esclimeidigkeit , ihre Behaarung, Be-
Ölung, Dicke, Fettpolster etc. grösstentheüs normal ist, oder
von der Norm abweicht. Man achte, ob diese Erscheinungen,
die auch innerhalb der Norm zwischen weiten Grenzen des Mehr
oder Weniger sich bewegen können, dem Individuum und seinen
•Verhältnissen , seiner Race, seinem Alter, Geschlecht, Gewerbe,
Allgemeine Diagnostik.
Berufe seiner Lebensweise entsprechend oder fremd sind. l)ie
^^Z^. sowie die vorangescHckten Andentnngen nber <^e
Ees^.Ue^heit der normalen Haut müssen das Urthed .n d.esen
Bezieliuno-en regieren. i • i
Hat man bei dieser aUgemeinen Prüfung amob irgend
einer Richtung eine Abnormität der Hautbeschatfenbert ent-
1 kt ist vor Allem zu entscheiden, in welcher Morphe sie
— , ob atypisch, als dif^se^ -^ftll^
dickung, ßöthung, Figmentation etc., oder ob typxsch, in Form
der soo-enannten Primär-Efdorescenzen. -, a .
Die genaue Besichtigung und klare Auffassung dem Auge
aufftXer Efflorescenzen, als Flecke, iKnötchen, Quaddehr etc.
vol secundären Krankheitserscheiiurngen als Scluxppe^
rlten Narben u. s. w., ist von grösstem Belange für dxe
Di tose. AUeinman glaube ja iricht, dass in diesen morphologi-
schen Eigenschaften die Bedingungen für die Diagnose des Krank-
Stspro^esses erschöpft sind, oder dass es dazu ^f^^
Effiorescenzen nach dieser Richtung -J-^ .. ^^^^^^ ^^^^
Es ist vielmelu' nothwendig, aufzuklaren, ob d e Efflo-
rescenz, resp. die pathologische Yeränderung wesenthch xn der
Epidermis oder im Corium und UnterhautzeUgewebe sitzt ob
xBit den Erscheinungen der Entzündung, der acuten odei
XoiLhen vergesellfchaftet, ob ^^.^^'^
Neubildung zukommt, welchen Verlauf dieselbe niinmt, ob sie
:nit oder ohne bleibende Veränderung der Haut, ob mit oder
ohne Abschiüferung, mit geschwüriger oder narbiger Destruction
der Haut verläuft; welcher Art dieselbe sich ausbreitet, ob m
typischer Weise, von Centraipunkten aus peripher oder atypisch ;
wiB die Anordmuig und Ausbreitung der Effiorescenzen zu einander
oder zu gewissen Hautregionen, Nerven- und Gefassverlauf
sich verhält und so fort vom Emzelnen zum Allgemeinen nach
der synthetischen Methode. _
Ich will hier nicht erst aus der allgemeinen Symptoma-
tologie die Merkmale der einzelnen Efflorescenzformen ihres
Sitzes ihrer Verlaufsweise und der Mannigfaltigkeit ihi-er
anatomischen Bedeutung wiederholen. Ich muss auf das damals
Gesagte verweisen. . ,
Hier, bei der Diagnose, ist es eben nothwendig , sich
über die dort aUgemein angegebenen Verhältnisse im SpecieUen
zu Orientiren.
gg rünfte Vorlesung.
Den Einblick in diese wesentliclien Verhältnisse erschweren
sehr oft auf der kranken Hautstelle auflagernde Krusten, als
Producte von eingetrocknetem Serum und Blut, oder auf-
lagernde Fett- oder Epidermisschuppen. Zu einer correcten
Diagnose ist vorherige Entfernung derselben nothwendig. Da
es jedoch nicht immer angeht, solche abzuheben, weil dies
mit Schmerzen für den Kranken verbunden sein kann, so ver-
schiebe man lieber die Diagnose, bis durch zweckmässige Mittel
(erweichende Eette, Pflaster, Wasser) ihre Beseitigung gelungen
und der freie Einblick in die wesentlichen primären Krankheits-
erscheinungen gestattet ist.
Man gelangt auf diesem Wege schrittweise, aber sicher,
ziir Anschauung über den ganzen Krankheitsv erlauf und
damit erst zur systematischen Diagnose. Indem ich aUe Er-
scheimingen zusammenfasse, construirt sich ein Bild, nicht
von einer oder einzelnen Efflorescenzen , sondern ein kHnisches
Ganzes. Erscheinungen der Gestalt, der Anordmmg, Ver-
theilung, der anatomischen Veränderung und, was ich nicht
genug betonen kann, der Verlaufsweise, all' das zusammen
gibt erst das Bild der Krankheit und den Gegenstand der
Diagnose, insoferne wir eine gewisse Summe solcher nach der
Erfahrung in typischem Zusammenhange auftretender Erschei-
nungen mit einem speciellen Krankheitsnamen belegen, und all'
die Momente desselben sind objective, ganz ohne
Zuthun des Kranken zu eruiren.
Selbst das objective Symptom des Juckens ist objectiv
zu erkennen. „Wen's juckt, der kratzt sich«, das ist nicht nur
ein Sprichwort, sondern eine naturgeschichtliche Wahrheit. Der
kratzende Finger zeichnet aber Linien auf die Haut. Diese
sind anfangs rothe Striche mit geringer Schiüferung, bei in-
tensivem Kratzen blutende, oder mit Borken bedeckte Excoria-
tionen, nach ihrem Verheilen pigmentirte Streifen. Je langer
nun das Individuum kratzt, desto mehr ältere Ki-atzspuren
finden sich neben neuen, tind je intensiver das Jucken, desto
tiefer die Excoriationen und desto mehr mit Entziindungs-
erscheinungen complicirt. Man kann also aus der blossen Be-
sichtigung der Haut diagnosticiren, ob und ob kurze oder lange
Zeit, massig oder intensiv Jucken vorhanden ist, ob eine
anderweitig sichtbare Hautkrankheit, eine juckende, wie Eczem,
Scabies, oder nicht juckende zugegen ist, wie SypliiHs. Es
AUgemeine Diagnostik. 87
ergeben sich sogar noch weitere diagnosüscKe Anhaltspunkte
lufcler Oertlichheit der Krätzerscheinnngen, xndem unter be-
; nmten Krankheitsbedingungen wieder nur bestnnm e Haut-
"n, oder ein andern^al die Haut aUenthalben xn atypscher
Weise iuckt und zerkratzt wird. _
Anführxmgen dürften als Anhaltspunkte lur das
alVenieine Vorgehen bei der Diagnose genügen Die besonderen
MoSe derselben gehören der specieUen Pathologie an.
Tch brauche kaSm erst noch darauf aufmerksam zu machen,
dass ein seinen Beruf erfassender Arzt auch da, wo_ es sich
'r dr Diagnose eines Hautleidens handelt, sich gleichzeitig
Ter den Zustand und die Functionen der übrigen Ivorperorgane
W Systeme namentlich bei weiblichen Hautkranken u^.er
Zdes t- 1 Genital-Systems, Aufklärung verschaffen wird
s 1 mit Rücksicht auf den in der allgemeinen Aetiolog^
hervorgehobenen Umstand, dass viele Hautkrankheiten ini Ei-
kralkungen und Zuständen innerer Organe ursächlich oder ge-
Wentlich zusammenhängen; abgesehen von der unter aUen
Ständen möglichen Complication von Hautkrank^^^^^^
jedem beliebigen anderweitigen pathologischen Zustande des
Gesammtorganismns oder einzelner Organe.
Sechste Vorlesung.
Verlauf, Bedeutung und Folgen, Prognose der Hautkrankheiten. All-
gemeine Therapie. - Systematik der Dermatonosen.
An die Diagnose der Hautkranklieiten knüpft sicli luimittel-
Taar das wissenscliaftliclie Interesse für deren Verlaufsweise,
Bedentnng und Folgen für das betroffene Haut-
organ und den Gesammtorganismus, sowie fürihi-e Heil-
barkeit, Momente, welche in ihrer Summe auch Gegenstand
der für die Praxis gewünschten Prognose sind.
Es herrschen in aU' diesen Beziehungen sehi' grosse Ver-
schiedenheiten und Mannigfaltigkeiten.
Manche Hautkrankheiten verlaufen stets acut, darunter
welche typisch; andere wieder stets chronisch, oder währen
auch durch das ganze Leben ; manche können nach beiden Weisen
verlaufen. Eiazelne sind stets oder gelegentlich, andere nie
von Fieber begleitet. Es gibt solche, die nur einmal, andere,
die wiederholt das Individuum befaUen köimen. Von emzebien
Formen kann vorausgesagt werden, dass sie auf eine oder auf
bestimmte HautsteUen beschränkt bleiben, oder dass sie im Gegeu-
theil sich über die Haut weit oder aUgemein verbreiten komien
oder werden. Dauer und Ausbreitung können überdies durch
zweckmässige Behandlung bedeutende Einschränkung erfahren.
Es können mehrere, ihrem Wesen nach ganz verschiedene
Hautkrankheiten, acute und chronische, gleichzeitig an emem
Individuum zugegen sein, z. B. zugleich Krätze, SyphiUs,
Psoriasis, Eczem und Variola.
Sehr unterschiedlich ist auch die subjective und objective
Bedeutung der einzelnen Dermatonosen.
Bedeutung der Hautkranklieiten. 89
Diircliweo-s iuvolvireu die Hautkranklieiten einen Scliön-
heitsfeliler für das betroffene Individuum, der moraliscli imd
praktisch von grossem Naclitlieil sein kann auck weim das
Uebel pathologisch ganz belanglos ist , z. B. Acne des Ge-
sichtes Ausserdem sind aber besonders die unmittelbaren ort-
liehen'und allgemeinen Wirkungen, sowie ihre spateren
Eolo-en zu berücksichtigen. , . . . .
Viele Hautkrankheiten bewirken auch bei jahrelanger
Dauer keine bleibenden Veränderungen der Haut , belastigen
also nur wähi^end ihi^es Bestandes durch die Yerunziermig,
Empfindung von Spannung, Jucken, Schmerz begleitende
Fiebererscheinungen, Behinderung im Berufe und geseUschaft-
lichen Verkehre. Andere Dermatonosen gehen gelegentlich, oder
o-ar ihi-er Natur nach jedesmal mit Verschrumpfung , Degene-
ration oder eiteriger Schmelzung der Haut einher, veranlassen
dem^emäss bleibende Veränderungen oder Verluste an der Haut,
die namentlich im Bereiche des Gesichtes, diu-ch Zerstörmig
der Nase, der Augenlider, des Auges selbst, an den Extrem^i-
täten, besonders unter Complications - Vorgängen , auch als
dauernde Verunstaltung, Eunctionsstörung , in der Beweglich-
keit der Gelenke, in der MotiHtäts- und Empfindungs-ßichtung
und vielen anderen Beziehungen sich geltend machen. _
Aba-esehen von jenen Hautkrankheiten, welche ätiologisch
mit pathologischen Zuständen der Blut- und Säftemasse, speci-
fischenDyscrasien oder Erkranluingen innerer Organe zusammen-
hängen , und , wie in der allgemeinen Aetiologie gelehrt, dem-
nach von Haus aus mit solchen vergesellschaftet erscheinen,
haben die meisten Hautla^ankheiten keinen nachtheiHgen Em-
fluss auf. den Gesammtorgsnismus , seine Ernähi^ung und Con-
stitution. Es gibt ^-iele, die ein ganzes Leben hindurch ertragen
werden kömien, ohne entfernte oder gar aUgemeine Störungen
zu veranlassen. Doch üben wieder andere eine unverkemibar
schädHche Wirkung aus auf den Gesammtorgaiusmus oder
einzelne Organe imd Systeme, und zwar steht die imgiinstige
allgemeine Wirkimg nicht immer in geradem Verhältmsse zur
Intensität des in der Haut stattfindenden pathologischen Pro-
cesses. Zunächst werden alle mit ausgebreiteter imd intensiver
Exsudat- und Eiterabsonderung, mit Eieber oder mit Jucken
einhergehenden Processe durch den materiellen Säfteverlust,
mangelhafte. Esslust und Verdauung, Schlaflosigkeit, Schmerz
Sechste Vorlesung
oder die solchen Erscheinungen zn Grunde hegende Nerven-
erresuug den Organismus herunterbringen.
Einzehie Hautübel, für deren Entstehung nach dem
.eeenwärtigen Stande unseres Wissens keinerlei innerhche
Erkrankung verantwortlich gemacht werden kann, die also an
einem bis daliin als vollkommen gesund geltenden Individuum
auftauchen, führen regehnässig mit der Zeit zu Marasmus,
Tuberciüose, wie Liehen ruber, Pityriasis rubra; oder zu
specifischer Cachexie, manchmal auf dem nachweislichen Wege
der Metastase, wie Krebs und Sarkom.
EndUch können auch Hautaffectionen, die von den meisten
Menschen ohne allgemeine Nachtheüe vertragen werden, wie
Prurigo chronisches Eczem, Lupus erythematosus, bei Ein-
zelnen Morbus Brightii, Pneumonie mit ihren möglichen Aus-
gängen, oder durch Lymphangioitis, Erysipel, Caries und Com-
plicationen aUerlei Art gefährliche und zum Tode fuhrende
Erkrankungen veranlassen.
Neben diesen im Verlaufe und in dem materiellen
Wesen der Dermatonosen gelfegenen Verhältnissen ist deren
relative oder voUständige Heilbarkeit oder Unheilbar-
keit für die Vorhersage massgebend. Manche Hautkrank-
heiten heilen jedesmal nach dem natürlichen Gesetze ihres
Verlaufes, einzelne mit, andere ohne örtUche oder allgemeine
Spuren ihrer Anwesenheit zu hinterlassen.
' Absolut uiiheübar ist keine Hautkrankheit, w"
auch nicht in der Lage sind, jede Art von Hautaffecüon -
beseitigen, so vermögen wir dies doch bei selir -elen ^d^^^^^^^
wir in der Lage, bei anderen durch Beseitigung oder ^üide
Zg'inzelner lymptome entweder den Verlauf abzukürzen i.^
bei diesen, wie' bei den relativ unheilbaren, ^eu Zustand foi
den Kranken erträglicher zu machen,
fährliche Eolgen der Dermatonose hintanzuhalten, und deiart
das Leben zu verlängern. ,
Es hängt also die Prognose zum grossen Theile aixch
von der Behandlung ab, deren Erfolg zum grossten Theüe
in der Hand des Ai'ztes liegt. Thpranie
Aus dem Grunde muss ich auch über die Therapie
der Hautkrankheiten einige allgemeine Bemerkungen an
Sie richten.
Allgemeine Therapie.
91
Allgemeine Therapie.
Es ist sonderbar , dass die Erkrankungen der Haut rück-
sichtlicli' der Möglichkeit und Anzeige für ihre Behandlung
noch immer in den Augen vieler Aerzte und. Laien nicht gleich-
gesteUt sind den Krankheiten anderer Organe und Symptome.
Während bei den Letzteren das Anstreben möglichst rasch wir-
kender Heilmittel und Methoden als selbstverständlich gilt,
meinen noch viele Aerzte und Laien, dass bei der Behandlung
der Hautkrankheiten eme „gewisse Vorsicht" beobachtet werden
müsse, damit von ihrer HeUung nicht ein Nachtheil für den
Organismus erwachse, wenn nicht gar das Hautleiden als
NoK me tangere hingestellt wird. Und es haben die Aerzte,
besonders die jüngeren, in der Praxis vielfach gegen diese
Meinung anzukämpfen.
Es ist zwar schon sehr verdächtig, dass diese meist da
laut wird , wo die Kenntniss und Fähigkeit zur richtigen Be-
handlung fehlt, und dass sie im Laufe der Zeit überall da
verstummt ist, wo sie zwar früher sich geltend gemacht hat,
aber durch die Wucht der Thatsachen erdrückt wurde, z. B. bei
ätz G
Allein ihre Herrschaft ist noch immer mächtig genug, dass
es Noth thut, derselben zu begegnen.
Die bezeichnete Meinung hängt noch mit der in früheren
Zeiten gangbaren ontologischen VorsteUung zusammen, der-
zufolge die Hautkrankheiten Deposita von KrankheitsstofPen
oder vicariirende Ausscheidungen für andere Se- und Excretionen
physiologischer und pathologischer Art wären, deren die Natur
sich spontan unter der Form von Hautausschlägen nach aussen
entledigt hat und mit deren „Zurücktreten" oder „Zurück-
getriebenwerden" in die inneren Organe die letzteren noth-
wendig erkranken müssten. Namentlich von den „äasserlichen"
Mtteln, Salben, Pflastern und Tincturen fürchtet man eine
solche repulsatorische Wirkung.
Die neuere Medizin hat aUerdings der ontologischen Vor-
stellung von den Krankheitsprocessen jede Basis genommen.
Wir wissen auch, dass eine irgendwie materieU zu bezeichnende
psorische, oder herpetische Dyscrasie, eine Acrimonia san-
guinis, die durch eine pathologisch-chemische Formel ausge-
drückt werden könnte, nicht existirt. Wir wissen ebenso, dass
Secliste Vorlesung.
in den Erzeugungsproducten und Ausscheidungen der Haut-
krankheiten keinerlei dem Organismus fremdartige Stoffe sich
vorfinden, sondern Serum- und Formelemente, sowie Korper
aUer Art, aber von derselben Natur, wie die im Korper nor-
Hial vorhandenen, dass also keine „psorischen", oder „scharfen
Stoffe sich in den Krankheitsherden und Krankheitsproducten
vorfinden. Es ist ferner physiologisch ganz unstatthaft, anzu-
Tehmen, dass es gelingen könnte, ein auf die Hautoberflache
ZTv^i abgeschiedenes Serum- oder Gewebspartike chen in den
Orgalsmus wieder hineinzutreiben. Und es ist endlich bekannt
dass sowohl die pathologische Histologie als das Experiment
den Charakter der meisten Hautkrankheiten als rem örtlicher,
in dem Hautgewebe sich entwickelnder Vorgänge daxgethaii
hat, die zum Theile an ganz Gesunden jederzeit willkürlich
hervorgerufen werden können. ,-, p,. i ;i
Ä„ sollte also glauben, dass die Statthafcgkert uBd
Anzeiee für die örtliclie Beliandlung und die Heilung über-
haupt Hautkrankheiten nur eine logisebe Folgerung aus
den'angefUhrten Thatsaehen wären imd iemnaeh wenigstens
von den Aerzteu, nicht bekämpft oder angezweifelt weiden
der That gesehieht dies aueh uieht -«l" -f/™ S^^"
weise auf theoretische Gründe, sondern m Bucksicht auf ge-
wisse thatsäcUiche Vorkommnisse. „ament-
Man bemerkt nämlich, dass viele Hautkrankheiten, uament
Heb solche die wesentUeh in hyperämischen und a^ut- odei
chtolte;tziiudlichen Yorgäugen bestehen, ^er auch mauche
NeubUdungsformen und selbst Scabies -nter der zufi^ge-
Concurren^ einer acuten ß^erhaften Krankheit ,
'Sftbaltungeu haben die Vorstellung erwe^
zum Theile bis heute erhalten, dass unter den S
ständen thatsäclilich die Hautkrankheit, »to/^^,'^,„'^;^Jge
haltenes psorisches Agens auf das innere Organ, Gehun, bun„
Allgemoiue Therapie. 03
zurücko-etreten sei, dort die Entziindimg, die zn Fraisen führende
Erreo-uno- etc. veranlasst habe und endlich durch die vis medi-
eatrix naturae wieder auf die Haut, nach aussen, geschleudert
worden sei, wodurch es sich erklärte, dass sodann die fieber-
iiaften und auf die Erkrankung des inneren Organes zu be-
ziehenden Erscheimingen nachliessen.
Die nüchterne Beobachtung hat aber gelehrt, dass das
angedeutete Verhältniss der thatsächlichen Erscheinixngen ein
o-anz anderes ist; dass in den entsprechenden Fällen die fieber-
hafte Pneumonie, die Symptome des Typhus etc. stets zuerst
vorhanden waren und erst im Verlaufe derselben die Derma-
tonose schwand; dass also die Rückbüdung der Hautkrankheit
erst im Gefolge jener anderweitigen Erkrankungen sich ein-
stellte, nicht denselben voranging; dass sie also auch nach der
Reihenfolge der Erscheinungen nicht als Ursache, eher als
Folge der inneren Erkrankung erscheinen könnte.
Und sie ist auch in diesem Sinne eher , wenn auch nicht
für aUe FäUe, erklärlich. Es ist begreiflich, dass da, wo die
Haut plötzlich anämisch wird, wie in der Synkope, bei Col-
lapsus, auch die Injectionsröthe und Infiltration, welche der
Psoriasis angehört, nicht bestehen kann, damit die Psoriasis
selbst sich rückbildet; oder dass die Krätzmilben in der abnorm
erhitzten und abnormen Circulations- und Ernähinmgsverhalt-
ni^sen unterworfenen Haut eines Fiebernden weniger gedeihen,
eventueU ganz absterben; und dass die Psoriasis neuerdings
auftaucht, die Milbeneier sich entwickeln, sobald nach Ablauf
der Anämie, der fieberhaften Krankheit die Turgescenz und
die Ernährung der Haut wieder normal und der Production
jener Processe und dem Leben jener Tliierchen günstig ge-
worden sind.
Zu all' diesen Momenten, welche die VorsteUung vom
„Zurücktreten", „Verschlagen", „Zurücktreiben" der Haut-
krankheiten als wissenschaftlich unzulässig und unbegreiflich,
als thatsächlich niemals erwiesen erscheinen lassen, wollen Sie
noch die höchst beredte Thatsache fügen, dass in hundert und
hunderttausenden von FäUen die Hautkrankheiten aUer Art
ohne jeglichen Nachtheü für die Constitution ihrer Träger mit
den Mitteln und Methoden der Wiener Schule behandelt und
geheilt worden sind; und so werden Sie damit jederzeit zur
Genüge gerüstet sein, um jenes gerügte Vorurtheü rücksichtslos
„ , Sechste Vorlesung.
94
ZU bekämpfen und zu besiegen, mag es von welclier Seite immer
Ihrem tberapeutisclien Vorhaben entgegengehalten werden.
Sie werden es zwar nicht verhüten können, dass gelegent-
lich, nachdem Sie ein Kind von Seborrhoe des Kopfes oder
einen Grreis ven einem Eczem des Unterschenkels befreit,
•jenes an Fraisen erkrankt, dieser von Lungenödem hingerafet
wird, und dass beide Zufälle auf das Zurücktreten der Haut-
krankheit geschoben werden. Allein zum Glücke trifft sich
ein solcher Zufall nur selten und müssen Sie schliessUch solche
Vorwürfe über sich ergehen lassen, nicht anders, wie die be-
kannten Zumuthungen, dass der unglückliche Ausgang einer
Pneumonie hätte verhütet werden können, wenn statt Dec.
Altheae eine Mixtura oleosa verabreicht worden wäre.
Macht der Arzt diesen Gedankengang zu dem seinigen,
so wird es ihm niemals an dem „Muth der VerantwortHchkeit"
gebrechen, der zum erfolgreichen Handeln in der Behandlung
der Hautkrankheiten, wie in der praktischen Chirurgie, unum-
gänglich nothwendig ist.
Es wird nun vortheilhaft sein, um spätere Wiederholungen
zu vermeiden, Sie im AUgemeinen mit den Mitteln und
Methoden bekannt zu machen, welche in der Therapie
der Hautkrankheiten zur Anwendung gelangen.
Die hier in Betracht kommenden Heilmittel sind vor-
wiegend sogenannte „ä usserliche", die direct auf die kranken
Hautsteüen appHcirt werden, und nur wenige „innerlich"
wirksame.
DenErsteren, den äusseren Mitteln und der ort-
lichenBehandlung, verdanken wir sehr befriedigende, zum
Theil sehr verlässliche und glänzende Heilwirkungen. Um
von denselben den gebührenden Gebrauch machen zu können,
müssen Ihnen vorerst besondere Umstände bekannt sein, von
denen der Erfolg oder Misserfolg ihrer Application abhangt.
Im Verhältnisse zu der grossen Zahl und Mannigfaltig-
keit von Krankheitsformen ist nämlich die Reüie von ausser-
lichen oder örtlichen Behandlungsmitteln und Methoden sehr
unansehnlich. Und doch, das wissen Sie und wissen die Kranken,
erreichen wir mittelst derselben zumeist den Heilzweck, erfreut
sich ja gerade die an unserer Schule geübte Behandlmigs-
Allgemeine Tlierapie. 95
methode der Haixtkranklieiteii des weitverbreiteten Rufes, eine
sehr verlässliclie und erfolgreiclie zu sein.
Dies führt micli zur Aeusserung über eüie Walirnelimung,
von der ich wünsche, dass Sie dieselbe in ihrem praktischen Be-
rufe nicht bei sich selbst zu machen und zu bestätigen ge-
zwungen sein mögen.
Täo-lich kann man erfahren, dass gut und allseitig unter-
richtete Aerzte mit den Hautkrankheiten ihi-e grosse Plage
haben und mit der Heilung eines aUtägUchen Hautübels, z. B.
eines Eczems, nicht zu Stande kommen, trotzdem sie die Mittel
a-enau kennen und benützen, mit denen wii- xxnd Andere sicheren
Erfolg erzielen.
"Woran liegt dies?
Zunächst an einer irrthümlichen Voraussetzung, vor der
ich Sie warne.
Viele meinen, dass sie vor AUem die systematische Dia-
gnose eines Hautleidens zu steUen haben. Ist diese gemacht,
und, ich wül es zugeben, gelungen, z. B. auf Eczem lautend,
so meint der Arzt, er habe nun nichts Eiligeres zu thun, als
in einem Lehrbuche oder Compendium der Hautkrankheiten
nachzuschlagen, da werde er finden, welche Mittel gegen Eczem
empfohlen werden, Diachylonsalbe, Theer u. A. Und nun habe
er diese einfach anzuwenden und das Uebel müsse heüen.
Wir besitzen aber nur sehr wenige Mittel überhaupt,
welche gegen den Krankheitspro cess als solchen wirksam sind,
und daher nach einer Art aUgemeiner Regel angewendet, in
dem betreffenden EaUe auch erfolgreich sind, z. B. Arsen inner-
lich gegen Liehen ruber , Leberthran gegen Liehen scrophulo-
sorum, Schwefel gegen Prurigo. Im Uebrigen kennen wir nur
solche Mittel und Methoden, welche einzelne Symptome von
Krankhelten zu bessern und zu beseitigen vermögen. Unsere
Behandlung muss also gegen die einzelnen Symptome gerichtet
sein, gleichgiltig zunächst, welchem Krankheitsprocesse die
eine oder andere Krankheitserscheinung angehört. Mit der Be-
hebung der einzelnen Symptome mag dann auch eo ipso die
Krankheit beseitigt sein, weü diese aus der Summe jener
besteht.
Wii- werden ferner erfahren, dass der einzelne Krank-
heitsprocess in verschiedenen Stadien seines Verlaufes sehr
differente Symptome darbietet. So z. B. sind die Erscheinungen
Sechste Vorlesiuig.
96
des Eczetns einmal ebifache Röthung und Sclinppnng, _ zu einer
anderen Zeit Bläschen, Entzündung und Schwellung in einem
dritten Stadium Nässen und Krustenbildung. _ Das M.ttel nun^
welches gegen das erstgenannte Symptom gunstig wirkt heüt
also auch das Eczem. Dasselbe Mittel aber im zweiten Stadmm
derselben Krankheit angewendet, hilft nichts, schadet viel-
Hiehr, indem es die Entzündungsvorgänge steigert
Die gleiche Bedeutung hat der Umstand, class derselbe
Process zur selben Zeit an verschiedenen HautsteUen d^Jfferente
Symptome darbietet. Die Behandlung würde sehr fehlerhaft
welche, weil die Krankheit überaU systematisch dieselbe
ist, auchfü^ alle, die verschiedenen Symptome darbietenden
TT^'n+^tellen dasselbe Mittel bereit hätte.
l^rJLn also die eten vorhandenen Symptome tezug-
Kct ieder einzelnen HautsteUe genau kennen und wiircbgen, und
otoeVlioksicM auf den allgemeinen Proeess Mittel und
»thoden der Behandlung derselben anpassen und d e Me^-
cation sofort ändern, sobald die Erschein^mgen wosenthch oder
«'^'":brA:^.^e gewachsen .u sein erfordert schon
grosse Id beharrliche Aufmerksamkeit ^™d fachwissenschaft-
Mem^wir in dem jeweiHgeu Symptome die wesentliche
Tndicato fü" die Behandlung in jedem Momente sehen smd
" uTer Lage, Hautkrankheiten Vis .u einem 8—»-^^
Wir m a«i 6 , wissenschaftbche Dia-
zweckmässig zu behandeln, Uber deren wi
trachte diese - '---t'^Hrn Td ^7^« dgentliche Heilung
viel Erleichterung verschaffen, und olt aie e g
^"'^Tr tfoi; der Behandlung hängt aber nicht "
der hSilieh dfs einzelnen "Ä^^ Es
steUe zweckmässig getroffenen Wahl »^f^ .„gewendet
„uss dieses Mittel nach exner f J ^.Xect auch sieher
werden, dass der ortUeh dam.t Eine mit
Allixomoiiu' 'nienqjie. -'^
Sache fördert. Ich rathe Ihnen also, die bewährte Methodik
wohl zu beherzigen und nicht leicht zu nehmen.
Vergessen Sie endlich nicht, dass die entsprechenden Mittel
richtio- und am rechten Orte angewendet , nicht nur eine heil-
saine Wirkung gegen die vorhandenen Kraiikheitssymptoine aus-
; i ndern'vLöge ihrer physikalisch-chemischen Eigen-
schaften auf die gesunde, .vie auf die kranke Haut eine b -
immte physiologische Wirkung äussern, die als Ivranldieit zu
Ce tritt. NicM nur, was ohnedieB bekanii , die Aetziuitt 1
köi^en gegen unsere Absicht neben den kranken SteUen auch
^e'esund^Haut zerstören. Selbst sonst indifPerente oder unschäd-
liche Substanzen, Oele, Leberthran, Brunnenwasser, können, indem
sie auf eine kranke Haut gebracht werden, sowohl örtlich die
Krankheitssymptome steigern, oder ungünstig ändern, als auch
die gesunden Hautpartien krank machen. Es ist also bei der
Handhabung der Medikamente auf diese möglichen Nebenwirkun-
gen zu achten und darnach das weitere Verfahren einzurichten.
dies bedingt aber zweierlei: Erstens, dass man die
Wirkung mögUchst genau kenne, welche die einzelnen Arznei-
körper auf der gesunden und kranken Haut lier vorbringen
können. Und zweitens, dass man in jeder Phase der Behand-
luno- iene örtliche Wirkung im Voraus planmässig festsetze,
die durch das Medikament erwünscht ist, und dieses sofort be-
seitige, sobald jene Wirkung thatsächlich erzielt ist. Denii es
verhilt sich ja nicht jedes Hautorgan gleich viilnerabel odei
reactionsfähig gegen äussere Schädlichkeiten, also ^i<^^^t
gegen die ArzneistofFe. Wenn beispielsweise die Eilahrung
le£-t, dass Schmierseife 12mal auf die Haut eingerieben werden
muss, um eine allgemeine Abschiebung der Epidermis zu be-
wirken, bei einem Kranken jedoch schon nach 4 Einreibungen
die Haut roth und ödematös erscheint, so wäre es höchst schad-
Hch noch 8 Einreibungen zu machen. Denn der gewünschte
Effect, der Process, durch welchen die Oberhaut abgestossen
werden wird, war ja schon mit 4 Einreibungen erreicht. Die
weiteren Einreibungen würden nur über das gewünschte Ziel
hinaus die Haut entzünden und eine neue Krankheit veranlassen.
Mit Absicht habe ich bei diesem G-egenstaude länger ver-
weilt. Sie werden erst im Verlaufe Ihrer eigenen praktischen
Thätigkeit die grosse Wichtigkeit der hier angedeuteten
allgemeinen Bedingungen einer rationellen Dermato - il.erapie
Kaposi, Hantkrankheiten.
Sechste Vorlesung.
ex'keiinen , zu Ihrer Grenugthuuug , wenn Sie sich an dieselben
halten, zu Ihrem Verdrusse, wenn Sie dieselben nicht beachten.
Es erschliesst sich aber nocb eine sehr schätzenswerthe
Lehre aus den vorgeführten Momenten, dass es weniger darauf
ankömmt, recht viele „ E e c e p t f o r m e 1 n " für die Behandlung
der Hautkrankheiten ängstlich zu sammeln und in der Gre-
(lächtnisskammer aufzuspeichern, weil das nach diesen bereitete
Medikament in der einen Hand nichts, in der andern Alles leistet.
Wichtig für die erfolgreiche Behandlung der Dermatonosen ist nur :
erstens, die einzelnen S^nnptome der Krankheit an jeder
Hautstelle und in j eder Phase der Krankheit richtig zu beurtheilen ;
zweitens, die Veränderung genau zu bestinnnen und zu
kennen, welche behufs der Heilung in diesen Symptomen ört-
lich bewirkt werden soU, und
drittens, die einzelnen Medikamente zu kennen und die
Methode ihrer Anwendung, durch welche eine solche Aenderiing
erzielt werden kann.
Die in der örtlichen oder äusserlichen Behandlimg
der Hautkrankheiten vorwiegend zur Verwendung kommenden
Mittel sind:
Das Wasser in Form von warmen oder kalten, einfachen,
oder mit medikamentösen Stoffen, Kali- oder Kalk-Schwefel-
leber, Soda, Alaim, Sublimat, Kochsalz versetzten Wannen-
Bädern, von Douchen, Dampfbädern, nassen allgemeinen (Priess-
NiTz'schen) und örtlichen Einhüllungen. Im Allgemeinen wii-d,
wo nicht mit der besonders niedrigen oder hohen Temperatur
ein specieller Zweck beabsichtigt wird, das warme Bad nach
dem subjectiA'-en Behagen des Kränken temperirt.
Die Dauer der Wannenbäder wird n^ch der gewöhnlichen
bürgerlichen Uebung bemessen, zu besonderen Zwecken aber
auf viele Stunden und Tage , ja auch auf Adele Wochen oder
Monate protrahirt. Die letzteren, „continuirlichen", Bäder sind
von Hebba eingeführt und durch eine von ihm angegebene Bade-
vorrichtung — HEBEA'sches Wasserbett — ermöglicht worden.
Wir werden seinerzeit Genaueres über dasselbe, seine Heil-
wirkung und Indicationen sprechen.
Im Allgemeinen wirkt das Wasser erweichend, macerirend
auf die Oberhaut und die auflagernden Krankheitsproducte,
Schup])eii und Krusten: speciell als kaltes, aber auch als
Allguniüiiie Thurapio. 99
warmes und heisses, Entzündung inlldeynd, wie bei Ftu^unkeh^
Dermatitis, Erysipel, Plüegmone ; bei längerem Contact nut dei
Haut ^^äeder irritirend, Eczem erzeugend. _
" Es wird demnach vorwiegend als Macerationsmittel zur Er-
weichuno-tmd Ablösung von Schuppen und Krusten verwendet,
Tolt alsVeluhel für medican.entöse Stoffe und Mr ^e Anwen
Lo-vonSeife.alsschützendeHiillebeiausgebx^itetemEpi^^^^^^^^^
Verlust (Verbrennung, PempHgus) uaad zur Antxph ogose.
Macerirend, zum Theil auch specifisch hexlend (bei Prurigo,
Pruritus. Psoriasis etc.) wirken die von Habby und von Hkbk.
eino-eführten Kautschuk-Umhlülungen, aus vrilcamsirtem Ivaut-
Ichuk oder aus Kautschuk-Leinwand angefertigte KleKUuig.s-
stücke Auf die blosse Haut luftdicht angelegt, verhindern sie
die Ye^dampfuiig der Perspirations-Elüssigkeit der Haut. Dieselbe
schlä-H. sich tropfbar flüssig nieder und wirkt somit macerireiid.
. Sehr fleissig kommen zur Erweichung von auflagernden
Krankheitsproducten Eette aller Art zur Verwendung : Oleum
Olivarum, Ol. jecor. aselli , Axung.porci, Glycerin, Petroleuiii
Bals. peruvianus, das in neuester Zeit aus Amerika emgefuhite
Vaseline, eine aus Petroleumrückständen gewonnene, gelee-
ähnliche. gelbHche, transparente, leicht verreibbare und vei^
flüssigende geschmack- und geruchlose, keiner Eettsaurebilduiig
fähige, eine Art Paraffin darsteUende, sehr weiche und ge-
schmeidige Substanz. '
Die Eette werden als solche , oder mit Quecksilber. Sub-
limat, Praecip. alb; Cupr. acet: Cupr. siüf: Plumb. acet;_ Jod,
Jodoform. Schwefel, Theer, Carbolsäure etc. zu Salben verrieben,
oder verkocht, eingeschndert oder auf Leinwand gestrichen,
mittelst Elan eilbinden auf die Haut applicirt. _
Von Pflastern sind besonders das Empl. hydrargyri, Empi.
lithargvr. fuscum, und Empl. saponat. in Verwendung : dagegen
Empl. ^ diachyl. composit. (Empl. adhaesivum) nicht ratlilich,
weil dieses bei vielen Individuen Eczem erzeugt.
Grosse Verwendung haben wir für die S chmier s ei± e,
Sapo viridis, eine geleeartige, nach Thran riechende Kali^Seite
von salbenartiger Consistenz,diewirdenhartenoder Natron-Seilen
in der Behandlung der Hautkrankheiten bei Weitem vorziehen.
Sie wird mit Wasser zum Maceriren und Abwaschen von i ett,
von erweichten Schuppen und Krusten verwendet oder wie
eine Salbe auf die Haut geschmiert, wodanu sie Abstossung
J Sechste Vorlesmi}t.
der Epidermis bewirkt , oder aiif FlaneU gestriclien aufgelegt,
woliei sie nebst der Maceration auch tiefere Ae'tzung veranlasst.
Von Seifen gebrauclien wir noch, nebst den mannigfachen
Toitetteseifen, zu therapeutischen Zwecken besonders Spirit. sapon.
kalinus, nach Hebra's Angabe aus Sapo virid. und dem halben Ge-
wichtstheile höchst rectificirten Alcohols durch Digeriren und
Filtriren gewonnen ; die flüssige Grlycerinseife von Saug, ebenfalls
eine Kaliseife ; ferners gewisse medikamentöse Stoffe enthaltende,
fabriksuaässig erzeugte Seifen, wie Schwefelseife, Schwefelsandseife
(Pulv. lapid. pumicis oder talcum venet. pulver. enthaltend), Theer-
seife, Schwefeltheerseife, Jodschwefelseife , Carbolseife u. v. A.
Eine grosse RoUe spielt in unserem Medikamentenschatze
der aus mehreren Holzarten durch trockene Destillation ge-
wonnene Theer, Oleum empyrheumaticum.
Wir verwenden den Theer von Buchen, Oleum fagi, von
Birken, Oleum Rusci und den von Juniperus oxycedrus, Oleum
cadinum, so wie eine nach Hebra's Angabe bereitete Theer-
ALcohol-Aether-Lösung, Tinctura Eusci, deren besondere Eigen-,
schaffen wir in der speciellen Therapie näher kemien lernen
werden. Resiueon, ein DestiUationsproduct des Theers, war eine
Zeit lang in G-ebrauch. Ein anderes aus Theer gewonnenes,
chemisches Product, die Phenil- oder Carbolsäure , benützen
wir in der Richtung, wie Theer , aber auch als Aetzmittel.
Eine Reihe von chemisch verwandten Körpern, Benzoesäure und
Benzoeharz, Saücylsäure, Chrysophan- und Pyrogallussäure
haben zum Theü sehr ausgesprochene therapeutische Wirkung.
Alcoholica und Aether, Schwefel-, Petroleumäther, Chloro-
form, Flüssigkeiten aus der Aethylgnxppe dienen theils allein,
theils in Verbindung mit in denselben gelösten Körpern nerven-
beruhigend, gegen Empfindung von Schmerz und Jucken.
Amylum oryzae, tritici, Pulv. rad. Ireos florent; Pulv.
talci veneti, Asbestinum pulverisat. werden pur, oder mit Zink,
Bismuthoxyd und iai verschiedener Combination als sogenannte
Streupulver benützt, welche, obgleich sie ein indifferentes
Mittel vorstellen, dennoch in der Behandlung der Hautkrank-
heiten selu' wichtige Dienste leisten. Sie werden erfahren, dass
bei gewissen Krankheitsformen die indifferente Behandlungs-
methode die einzig zweckmässige ist, dass aber auch zur
Durchführung einer solchen, in Bezug auf :\rethode und Mittel,
Positives geleistet werden muss.
Allgemeine Thuvayio. 101
Eine andere Reilie von Arzneimittebi dient zum Zwecke
der Zerstönmg von in der Haut eingelagerten entzündhchen
und gescliwulBtartigen pathologischen Bildungen, oder bei ge-
rino-erer Intensität in der Anwendimg. zur künstlichen An-
•eo^no- von Entzündung. Es süid die bekannten yegetabihschen
minerabschen Säuren: Acid. aceticum muriatn^um sulfu-
" 1 nitricuni, carbobcum, sabcybcum die Alkaben. Aniano-
^k AetzkaH, Aetzkalk, ferner Chlorzmk und Chlorantnnon,
Lapis infernabs, Lapis caiisticus . Wiener Aetzpasta Pasta.
Lan lolfi uncT Canquoin, Solutio Labaraque und Plencku, Piü^.s
Co^i über deren Zusammensetzung, specielle Wixkungswe.se
uud Indication Sie noch Näheres hören werden.
Hieran wäre noch die Galvanokaustik und das Elektri-
sb-en zu reihen. .
Bei innerlichem Gebrauche haben sich gegen gewisse
Hautaffectionen als wirksam erwiesen: Arsenik, Quecksilber,
Jod Oleum jecor. aselli, Theerpräparate, Chinin, Carbolsaure,
Dec' Zittmanni, während andere nur als die Ernährung, Blut-
bereitung verbessernde, oder gegen specielle, aUgememe oder
emzelne Organe betreiFende Krankheiten gerichtete Medi-
kamente, gewissermassen nur zur Unterstütziüig der örthchen
Therapie, zur Verhütung von Eecidiven verabreicht -«-erden.
So Amaricantia, Ferrum, alkalische und eisenhältige Mineral-
wässer, Bromkabum, Chloralhydi^at, die Narcotica und Hyp-
notica überhaupt, Milch- und Molienkuren, specielle diätetische
Mittel u V A., zu deren Verordnung mit Rücksicht aut indi-
viduelle Verhältnisse in der Dermatotherapie sich vielfache
Gelegenheit darbietet. ^n,
Dao-egen haben aUe sonst als eigentbch sogenannt biut-
remigende Mittel, Haematocathartica , empfohlenen Holztränke
und Abführmittel, sowie die als specifisch gegen Flechten und
die Disposition zu denselben gerühmten en- und exotischen
Droguen. wie die semerzeit famose Hydi^ocotyle asiatique, die
Hura brasüianensis, oder die bei den Franzosen üblichen Tisanen
von Viola tricolor, Dulcamara u. s. w. nicht den geringsten
Einfluss auf den Verlauf der Hautkrankheiten.
Wir haben uns bis nun mit einer beträchtlichen Summe
von Thatsachen bekannt gemacht, welche die Hautkrankheiten
im Allgemeinen betrefPen und über anatomischen Sitz . patlio-
^^y-, S^'cliste Vorlesung.
logisclie Bedeutung ,' klinisclie Symptome , TJrsaclien derselben,
über die Methoden und Mittel ihrer Diagnose und Therapie
uns so weit orientirt, dass wir nun mit Nutzen das inhalt-
reiche Gebiet der speciellen Dermato-Pathologie betreten können,
um die einzelnen Idinischen Krankheitsformen kennen zu lernen.
Vorher ist jedoch noch eine wichtige Formfrage zu er-
ledigen, die nach dem einzuschlagenden Wege, nach der Syste-
matik der Hautkrankheiten.
Ich habe nicht die Absicht, uns mit der eingehenden Er-
örterung dieses Gegenstandes zu lange aufzulialten. Wir wissen
ja aus der geschichtlichen Entwicklung imserer Doctrine, dass
das Bedürfniss nach einer zweckmässigen Eintheilung der Haut-
krankheiten sich geltend gemacht hat , seitdem überhaupt den-
selben Aufmerksamkeit geschenkt wurde; dass zahlreiche, theils
einfache, theils höchst complicirte Systeme der Dermatonosen im
Laufe der Zeit erstanden sind, und dass wir schliessHch auch
heute noch keines aufweisen können, welches aUen Anforde-
rungen der Pathologie und praktischen Brauchbarkeit entspräche.
Welche Principien vorwiegend bei den verschiedenen Ein-
theilungssystemen zur Geltung, aber kaum jemals zur Striefen
Durchführung kamen , habe ich ebenfalls angedeutet. Es hat
demnach auch kein actueUes Interesse für Sie, die speciellen
Formeln jener im geschichtlichen Theile wesentKch aufgeführten
oder angedeuteten Systeme bis in aUe Detaüs kennen zu lernen.
Bemerkenswerth scheint mir, dass seit dem niisslungenen
Versuche Plenck's die Hautkrankheiten einzig nach den Merk-
malen ihrer äusseren Erscheinung, als Maciüae, Papula, Bullae,
Crustae u. s. w. einzutheilen, das Bestreben der meisten Autoren,
welche die Hautkrankheiten klinisch beherrschten, dahin ging,
die anatomischen Charaktere und das sogenannte „Natürliche",
d. i. die physikaUschen Merkmale der Dermatopathien m einem
Systeme harmonisch zum Ausdruck zu bringen. ^
Bei der Ausführung dieses Planes sind Einige m s Extreme
gerathen. indem sie die anatomischen Verhältnisse ausschliess-
lich in den Vordergrund stellten. So Er. Wilson welcher
einmal die Hautkrankheiten in cHe der Epidermis, -des Kete
der Follikel, der Gefässe, der Nerven eingetheilt, was wohl
sehr unnatürlich ausfallen musste, da ja in Wirklichkeit diese ana-
tomischen Gebilde Wichst selten so abgesondert erkranken können.
Dagegen halben Andere wieder die „Natürlichkeit« m der Gvnp-
Systematik dev Hantkrankheiton. 10?)
,nvuno- vorwiegend berücksiclitigt . wie Altbert, wobei wieder
e positive naturwissenschaftliche Basis ganz verlassen seinen.
Eine mcht unpassende Eintheilnng ist d.e.iemge welcher
die anatomisch-physiologischen Verhältnisse zn (.runde liegen,
tun 1 ist wissenschaftlich und gestattet zug eich die &rup-
irunc^ ,1er Hautkrankheiten nach gewissen natürlichen Gruppen.
S BK^NSrHüHa hat sie am prägnantesten formu irt, indem er die
Hautkrankheiten eintheilt in: I. Innervationsstorungen, n. Se-
cretionsstörungen und TU. Nutritiousstörungen.
Die Systeniisirung der Hautkrankheiten nach den ihnen
.11 Grunde liegenden p a t h o 1 o g i s c h - a n a t o ni i s c h e n Charak-
"ren ist. wie Ihnen bekannt, Hbbka's Werk. _ Auch das
toKA'sche System ist, nach dem Geständnisse seines eigenen
S s nicht mängelfrei. Allein es scheint doch deii oben
aitedelten .Forderungen an eine wissenschafthche und prak-
Sh brauchbare Eintheilnng der Hautkrankheiten von allen
loderen bisher bekannten Systemen zumeist zu entsprechen.
D^halb ist auch dasselbe von den meisten neueren Bearbeitern
der Hautkrankheiten theils ganz, oder mit
ficationen seines Inhaltes angenommen, theils zur Stutze tni
die anderen Systeme verwendet worden.
Die Classen, welche nach diesem Systeme autgestellt smd,
bedeuten aber keineswegs Gruppen von Kranldieiten d^
logisch -anatomisch von einander scharf abgeschieden sind.
Solche Grenzen gibt es ja bekamitlich in den
gängen nicht, da ja vielmehi- von Hyperamie zur Entzundinig
L dieser zur Neubildung , Hyperplasie
möglichen Uebergänge zu constatiren sind. .Ulem m ihien
klinischen Merkmalen unterscheiden sich die prägnanten Voi-
gänge denn doch autfäUig von einander. Und damit wird eben
L hierauf Bezug habende Eintheilnng wissenschaftlich zugleich
und natürlich, und damit praktisch. .
Sie werden finden, dass schon nach den durch die patho-
logisch-anatomischen Charaktere markirten Grenzen die Haut-
krankheiten in natürliche Hauptgruppen sich abthei en. Denn
jene Charaktere bestimmen ja, wie schon aus der allgemeinen
Svmptomatologie ersichtlich war, den wesentlichsten l^ieü rlei
klinischen Erscheinungen. Die natürliche Zusammengehörigkeit
ist aber auchmit bestimmt durch eine Summe von Erscheinungen
die durch den verschiedenen Verlauf, die Ursachen und dnrch
Sucliste Vorlesung.
eio-eiitiiüiuliclie Umstände maiinigfaclier Art gegeben «lud. Nacli
cUesen Bedingungen der natürl leben Zusaminengebörigkeit können
uun cüe Hautkrankbeiten innerbalb des weiten Ealnnens der
ebizelnen Classen nocb in kleinere und natürKcbe Gruppen
unterabgetbeilt und übersicbtlicb gemacbt werden.
Wir balten luis demnacb in unserem Vorgeben an das
HEBEA'scbe System der Hautkrankbeiten, demzufolge diese in
XII Classen eingetbeilt werden, als:
I. Hyperaemiae cutaneae. In Hyperämie bestebende
Hautkrankbeiten.
II. Anämien.
m. Anomaliae Secretionis cutaneae etglandu-
larumcutanearum. HautaiFectionen, welcbe in funetioneller
und nutritiver Störung der Scbweiss- und Talgdrüsen besteben, ,
oder durcb solcbe bervorgerufen werden.
IV. Exudationes. Exsudativ- oder Entzün-
d u n o- s V 0 r g ä n g e. Li diese Classe reibt die numeriscb über-
wieo-ende Zabl von Hautkrankbeitsformen. Sie werden nacb
Urstcbe, Verlauf, morpbologiscbe Eigenscbaften , begleitende
Erscbeinungen in viele natürUcbe Gruppen unterabgetbeilt.
V. Ha emorrbagiae cutaneae. Li Hämorrbagie be-
stebende Krankbeitsformen der Haut.
VI Hypertropbiae, entbaltend die Dermatonosen,
welcbe anatomiscb als Hyperplasie aUer oder einzelner Gewebe
der Haut sieb darstellen.
Vn. Atropbiae. .
Vm. und IX. Neoplasma ta, u. z. VIH. die khniscb
o-ntartig imd IX. die als bösartig sieb gebenden Neu-
ais ö
bildungen.
X. Ulcerationes, Verscbwärungen.
XI. Neuroses. Hautaffectionen, welcbe, obne nacbweis-
bare Texturverändermig der Haut, in einer reinen Functions-
.störung der Hautnerven besteben, und
XIL Dermatoses parasitariae, die durcb pflanz-
licbe oder tbieriscbe Parasiten bedingten und diese m ibren
Sviuptomen mitbegreifenden Hautkrankbeiten.
■ Hiemit scbreiten mr zur Erörterung der speciellen
Patbologie der Hautkrankbeiten.
Specieller Theil.
I. Olasse.
Hyperaemiae cutaneae.
Durch Blutübermiung in ^T^'^'' Hautschichten
veranlasste Hautkrankheiten.
Siebente Yoiiesiing.
■ ■ ■ , H=„t aelive und passive, idioioathisehe und sympto-
Hyperäm.en der Haut, aelive ^""^J ' Anämie der Haut,
matisehe Hyperämien, Roseola, Erythems .
\ls Hyperaemiae cutaneae begreifen wir Krankbeits-
formen, welche bei mannigfacher Unterschiedlichkeit m Bezug
axxf Ansehen, Verlauf und Bedeutung doch durch den gemem-
schaftKchen anatomischen Charakter sich auszeichnen, dass ihren
Erscheinungen lediglich übermässige Blutfülle der ober-
flächlichsten Coriumschichten, zunächst des
Papillarstratums zu Grunde liegt. Damit ist auck
gesagt dass es sich hiebei lecUglich um Injection der
feinsten Gefässe, der CapiUaren und feinsten
Arterien und Venen, handelt. Und weiters, dass sobald
im Gefolge einer solchen Hyperämie kenntHchere Gewebsver-
änderungen sich eingestellt haben, der Krankheitsprocess nicht
mehr in die hier aufgestellte Kategorie gezählt werden kami.
Nun wissen Sie aus der allgemeinen Pathologie, dass die
Hyperämie die Vorstufe bildet für die meisten nutritiven
Störungen, speciell für Entzündung, Eiterung, Hyperplasie und
Neubildung, und dass in all' diesen Fällen weder klinisch, noch
^^.^ Siebente Vorlesung.
lOb
weniger niikroskopisoli eine scharfe Grenze gezogen werden
kann\ zwischen der Hyperämie nnd den erwähnten anderen
Processen, da im Gegentheil ein allmähliger Uebergang zwischen
der ersteren nnd dieser letzteren der natnrgeschichtliclien Wahr-
heit entspricht.
Es könnte somit scheinen, dass auch die systematische
Anfstellung einer dnrch blosse Hyperämie charakterisirten
Krankheitsgruppe nicht gerechtfertigt wäre.
Sie werden Grelegenheit haben , im praktischen Kranken-
studinm sich von dieser Berechtigung zu überzeugen. Es ge-
hören zwar hieher auch Processe, welche über den hyperämischen
Znstand hinaus zu den angeführten höhereu Graden der Er-
nährungsstörung sich entwickeln können, aber häufig genug auf
dieser ersten Stufe Halt machen und soniit hieher gezählt zu
werden verdienen. Nebstdem registriren wir aber andere Vor-
gänge , welche tvpisch über den Gräd der Hyperämie mcht
hinauskommen. Freilich wird iinter Umständen , bei längerer
Dauer des hyperämischen Zustandes, schon in Folge der örtlich
vermehrten Nahrungszufuhr und unter gewissen örtlichen Be-
dingungen, welche die Hyperämie begünstigen, z. 'B. Verände-
rung der (lefässwandung, Durchtritt von BlutfarbstoflP und
Blutplasma etc. schliesslich auch da eine palpable Gewebs-
alteration sich einstellen können. Vergessen wir jedoch nicht,
dass bei der Abgrenzung von Krankheitsformen immer typische
Symptomengruppen, das sind Durchschnittsbilder uns vor-
schweben. TT ^1 1
Die in Hyperämie bestehenden Hautkrank-
heiten erscheinen unter folgenden Symptomen: Blassrosen-,
lebhaft blutrothe, bis dunkelblaiu^othe, cyaiiotische, unter dem
Fingerdrncke erblassende, gleichmässig tingirte, gesprenkelte,
oder von deutlichen Gefässramificationen durchzogene, im Niveau
der Haut gelegene, oder etwas vorspringende, auch qnaddelartige
Flecke von linsen- bis fingernagelgrosser Ausdehnung —
M a c u 1 a e , R 0 s e 0 1 a e - oder von grösserem Umfmige, diftus,
von nnregelmässiger Gestalt, oder fignrirt. Die Temperatur
über denselben ist normal, oder massig bis bedeutend erhöht,
oder im Gegentheil unter das Normale gesunken. Ihr Antulüen
ist glatt, geschmeidig, gleich der normalen Haut, oder etwas
derb. Massiges Brennen oder Jucken, oder andere Emphndungs-
störnngen begleiten ihren Bestand, oder fehlen aucl. gänzlich.
Hyporaemiae ciitauoao. ^^'^
Ihr Verlauf ist acut, auch typisch, oft sehr fülchtig (volatile,
\ ,iav .^livduisch manchmal loersistirend.
'""^^e^l 'ilhermässiger Bluti^ection der ^h.sten
( -efäsJ hen der Papillarschicht, oder auch der obe.-en Cormm-
tP uw^^^^^^ '^^^ Follikelausführungsgange
schichte, j;.^^^^^^^ Wofern ihr Verlauf ein begrenzter,
IrSnu ■ oder folgt denselben durch kurze
t^ti::^^. oder .n£sige Sch« der Ober-
Lnt Manchmal veranlassen sie vermehrte Secretxon aus den
Tat imd Schweissdrüsen. Länger oder dauernd bestehende
Hv^erämien fuhren zu Oedem der Haut, sie, so .ne manche
^nt verlaufende HjTerämien durch gelegenthche Steigerung
des örtlichen Processes auch zu Entzündung , Verdictag und
Entartune; des Gewebes.
Da in Agone und aUgemein im Tode die Hautgetasse ihren
Inhalt nach den inneren Organen entleeren, andere Erscheinungen
aber als Gefässinjection, bei den Hyperämien nicht vorkommen,
so wird begreiflicherweise post mortem von den Ki-aiikheits-
iymptomen der in diese Classe gehörigen Krankheiten sich keine
Spur voriinden. -,. -.t ••
BekanntUch unterscheidet die Pathologie die Hyperam e
im Allgemeinen als active oder fluxionäre, und als
passive oder Stauungshyperämie. Ihi^e Erschemnngen
sind an der Haut am besten studirt. Unter der ersteren ver-
steht man eine stärkere, active, d. i. durch den Herz- oder
Irterienpiüs getriebene FüUung der Capillaren. Damit hangt
auch ein rascheres Durchströmen des Blutes durch den l^etroffenen
Gefässbezirk und die Erscheinung der lebhafteren Rothe und
Temperatiirserhöhung zusammen. Denn das rascher durch-
strömende Blut hat weniger Zeit carbonisirt zu werden und
von seiner Eigenwärme etwas an das umgebende Medium abzu-
geben. . ,
Umgekehrt fasst man die passive Hyperämie zwar aucli
als Blntiiberfiillung, aber in Folge von behindertem ßiickfiusse
dps Gefässinhaltes auf; demnach mit verlangsamter Strom-
geschwindigkeit, womit wieder die grössere Venification und
Wärmeabgabe und weiters das mehr dnnkelrothe Colorit und
die Depression der Temperatur zusammenhängen.
Wir theilen daher auch die durch Hyperämie bedingten
Hautkrankheiten zweckmässig nach diesen zwei pathologisch
, o Siebente Vorlesiing.
lUo
ano-enommenen Arten ab, als 1. durcli active Hyperämie,
2. durch passive Hyperämie bedingte -Hautkrank-
heiten. , ., TT
Es soll aber damit nur eine Unterscheidung nach den
vorwiegenden klinischen Merkmalen gemeint sein , indem die
ac'.tiven Hyperämien unter den Symptomen einer mehr
lebhaften, zuweilen mit Temperaturserhöhung, mässiger Schwel-
liTno- Reizungsempfindungen, Brennen und Jucken verbundenen
Rüthung. die passiven als mehr Hvide, mit kühler oder
herabo'eletzter Temperatur, kühler Schweissabsonderung mid
nervösen Depressionserscheinungen, wie Gefühl von Taubheit,
/bneisenlaufen, selbst Anästhesie gepaarte Hautfärbungen sich
darsteUen. Nach den örtlichen und entfernteren Ursachen, so
wie nach der Art des in dem betrofFenen Gefässbezirke statt-
findenden Vorganges ist die Unterscheidung praktisch nicht
durchführbar. Ich verweise in diesen Beziehungen aut die
betreffenden Capital von Vibchow, in dessen Handbuch der
speciellen Pathologie und von Stkickeb in des Letzteren aü-
gemeiner Pathologie. Es zeigt sich, dass fluxionäre und Stauuiigs-
Hvperäniie theilweise durch dieselben Ursachen bedingt sein
können, wie bei der so genannten Relaxations- oder paralyti-
schen Hvperämie, oder der Hyperaemia ex vacuo, oder Aspirations-
fluxion," in welchen FäUen das Gefässlumen durch Parese der
Gefässwandung erweitert worden. Oder weiters dass active
und passive Hyperämie, sich gegenseitig bedingend, örtlich mit
einander combinirt erscheinen, - bei der collateralen Hypei^mie
wobei im Centrum des Herdes Stauung, in der Peripherie Affluxus
herrscht. Oder endlich, dass die active Hyperämie mit den
Symptomen des raschen Blutströmens, in passive, mit den Ji.r-
scheinungen der Retardation im örtlichen Blutstrom, sich ver-
wandelt, was bei jeder längeren Dauer der ersteren unter zu-
nehmender Atonie der Gefässwand der Fall sein wd.
Die activen Hyperämien der Haut werden klinisch als
Erythema congestivum bezeichnet und unterschieden m
idiopathische und symptomatische. _
Die idiopathischen activen Hyperämien steUen
Dermatonosen sensu stricto vor. Sie entstehen durch Reize,
Schädlichkeiten im Allgemeinen, welche, indem sie direct die
Haut treffen, örtlich Hyperämie hervorrufen. Nach der ^el-
schiedenen Natur dieser Schädlichkeit unterscheiden wir:
Krvtlii'iiiii, Kosu'olii.
109
Erythematraumaticum. Es entsteht mxterW
Irl' duveh enganliegende Kleidungsstücke Mieder- btrumpf-
und Gnrtelbänder, an Hautstellen, welche im Liegen oder 5itzen
tkeren Pressionen ausgesetzt sind, durch das Ivrat.en niit
de F n^^^^^^^^ 5^-ttiren der Haut. Wenn diese Ursachen
IV kurfeZeit einwirken, ist auch das Erythem voriibergeliend;
be w irholten und dauernden solchen Reizungeir geht das
Erv ^Im in entzündliche Processe iiber, oder die acti.e Hyperamie
^. passive. Hautstellen, welche lange Zeit der Sitz eines Erythema
t aumaticiim gewesen sind, haben überhaupt schon die Dispo-
iZ zu ent^indlicher Erkrankung, in Folge der unter solchen
Umständen etablirten Relaxation ihrer Gefässe. Sie erkranken
daher gelegentlich, wie bei Variola, Scabies, -el -tensiver
als anctere Hautstellen. So sieht man über den Sitzknorren der
Schuster, bei Scabies, derbe Entzündungsknoten, an den Ein-
schnürungsstellen der Strumpfbänder, Leibriemen, der TaiUe bei
Frauen Variolenefflorescenzen in grösserer Menge erscheinen.
Erythema caloricum, als zumeist diffuse , anfangs
lebhaftrothe, später lividbraun erscheinende Röthungen, welche
durch den Einfluss von Sonnenhitze , bewegter warmer oder
kalter Luft entstehen und meist dunklere Pigmentation und
AbschiÜferung zur Folge haben. Zu warme, oder zu kalte
Bäder erzeugen mehr lebhaft rothe und flüchtige Erytheme
Erythema ab acribus seu venenatum heisst die
Hautröthe, welche durch chemisch-irritirende Substanzen hervor-
gerufen werden, wie Senfteige, Meerrettig, 01-Sinapis, Cantha-
riden eine Menge von Pflanzensäften, ätherischen Oelen, Pflanzen-
nnd Raupenhaare, wie der Processionsraupe, viele Farbstoffe.
Bei längerer Einwirkung der meisten der hier angeführten
Substanzen steigert sich das Erythem zur Entzündung.
Die besprochenen idiopathischen Erytheme müssen wir uns
derart entstanden denken, dass in Folge des direct auf die
CapiUaren und feinsten Gefässe einwirkenden mechanischen,
calorischen oder chemisch-giftigen Reizes zunächst Parese der
Gefässnerven, speciell der Vasoconstrictoren der betr offenen
Gefässe, damit Dilatation und übermässige Füllung der letzteren
erfolgt. Es entstehen aber auch diese Erytheme auf reflecto-
rischem Wege, wie beim Ki-atzen. Der mechanische Reiz wd
zum Centraiorgan geleitet. In der MeduUa oblongata und im
ganzen Rückenmark befinden sich die Ceiitren der Gefässnerven,
Siebente Vorlesung.
welche tlieils direct, theils auf dem Umwege durck den 8ym-
pathicus mit den Spijialuerven zur Haut laufen. (Goltz, Vulpiax,
Stbickee u. A.) Icli beziehe micli hierbei auf dasjenige, was ich
über die Innervation der Bhitgefässe der Haut und ihren Einfluss
auf das Gefässlumen und die örtliche Blutcirculation in der
2. Vorlesung (pag. 26) vorgebracht habe. So erklärt es sich,
dass in Folge des an einer Hautstelle ausgeübten Reizes auch
an entfernteren , vom Reize nicht getroffenen Hautstellen die
Wirkung der Irritation in der analogen Weise durch Gefäss-
erweiterung und Hyperämie sich kundgibt.
Die symptomatischen activenHyperämien, oder
s y m p 1 0 m"a t i s c h e n E r y t h e m e, sind begleitende, oder Folge-
Symptome anderweitiger allgemeiner, fieberhafter oder fieberloser
Zustände des Gesammt-Organismus und einzelner Systeme, be-
sonders des Centrai-Nervensystems. Sie sind eben vorwiegend
als solche, vom Centrai-Nervensystem direct oder reflectorisch
erregte Hyperämien aufzufassen. Als bekannteste Form führe
ich sofort die Schamröthe, die Rothe vor Zorn, Verdruss,
psychische Erregung überhaupt an.
Eine Sinneswahrnehmung (oder auch die einer solchen
Sinneswahrnehmung adäquate VorsteUung), der Anblick eines
anstössigen Gegenstandes, das Anhören eines verletzenden
Wortes wird vom Bewusstseins-Centrum percipirt. Von da folgt
die Erregiuig auf die Gefässcentra und weiters auf die peripheren
Gefässnerven-Endigungen. Der Efi-ect der Letzteren erscheint
als Erythema pudicitiae, iracundiae. Es ist also auch das durch
psychische Vorgänge erzeugte Erythem eüi reflectorisches.
' Im Säuglings- und zarten Kindesalter erscheuien häufig
Erytheme als Reflex der centralen Nervenerregung und Symptom
der Erkrankung, welche diese Erregung veranlasst hat . z. B.
bäufig wäiirend der Dentition, in Folge von Gastricismen. bie
sind entweder diffus — Erythema infantile — oder m
Gestalt von linsen- bis fingernagelgrossen Flecken über den
Körper zerstreut — Roseola infantilis.
Die durch das Blatterngift, die Vaccine, das Typliusgd't
und Choleracontagium veranlasste Blutveränderung reflectirt
sich häufig durch den auf die Gefässcentra ausgeübten
Reiz auf der Haut imter dem Bilde . des Erythem. Es
erscheint im Vorläxifer - Stadiixm der Blattern als Ro-seola
V a r i 0 1 0 s a oder E r v t h e m a v a r i o 1 o s u m . zumeist aiif den
Passive Hypei'iuuiüii.
III
Handrücken nud hu Sc-henkel-Leistenbug locahsirt. Wir werden
dasselbe in Verbindung mit dem Blatteruprocesse naher be-
surecben R o s e o 1 a c Ii o 1 e r i e a kommt im astbeiusclien fetadium
oder der Recoiivalescenz der Cholera vor in Form voivdauuieii-
nao-eloTosseniindai^ch diffiisen, meist lividen Flecken. Roseola
va°ccinia tritt zuweilen im Gefolge der Impfung mit humam-
sii-ter oder originärer Lymphe auf. Roseola typhosa ist
Emen bekannt. Und so mag es noch verschiedene, im Organis-
mus o-elegene Ursachen und Zustände der Blutmasse, «der eui-
zehierSvsteme geben, als deren Symptom oder Reflex Erythem
auf der Haut erscheint. Darauf beziehen sich die bei manchen
Autoren erwähnten Namen einer Roseola febrilis, rheiimatica,
feu de dents, Nirliis, Strophulus volaticus, Rash, Rosalia,
Wiebeln, Rittein, Peuermasern u. s. w. ^
Ich mache darauf aufmerksam, dass aUe diese Formen
von Roseola als HautafPection nicht viel besagen, da sie ja
weder subjectiv molestiren, noch örtliche Folgen zurücklassen;
dass sie ferners auch bezüglich des Verlaufes jener Krankheiten,
als deren Symptom sie erscheinen, nicht die geringste progno-
stische Bedeutung besitzen. Ihre Kenntniss ist dennoch_ nicht
nur pathologisch interessant, sondern auch praktisch wichtig,
schon ans dem Grmide, um die Kranken und ihre Angehörigen
über die geringe Bedeutung der Affection beruhigen und uns
vor deren Verwechslung mit Masern, Scharlach und ähnlichen,
bedeutungsvolleren Dermatonosen hüten zu können.
Eme Behau dl nng der Erytheme ist überflüssig. Gegen
Empfinduno- a^ou Brennen und Jucken können kühlende Appli-
cationen zur Anwendung kommen. Kaltes Wasser , Betupfen
mit Alkohol, einfach, oder mit Zusatz von Acid. carbohcum
(0-50 : 100-00), Acid. salicylicum, und Aehnliches.
Die passive Hyperämie erscheint unter dem schon früher
erwähnten Bilde einer mehr dunkelnuancirten , bläulichen bis
schwarzblauen Röthung, manchmal einer bleigrauen Lijection,
welche unter dem Fingerdrucke schwindet. Dabei ist die be-
tretfende HautsteUe sonst unverändert oder ödeniatös, von
normaler, oder verminderter Wärme.
Das wesentliclie der passiven Hyperämie ist iimuer eine
Verlangsamung des örtlichen Blutstromes , welche wieder die
Folge eines Missverhältnisses zwischen der Triebkraft und den
Widerständen (VmcHOw) ist. Aber die Umstände sind sehr
■j^j2 Siebente Vorlesung.
mannigfach, nntev welchen dieses Hissvevhältniss zu Stande
kommt. Es kann die Triebkraft vom Herzen selbst, oder von
den Arterien, bei der atheromatösen Erkrankung, absolut zu
gering, oder relativ geringer sein, weil die Reibungswiderstände
in den' Gefässwänden sich gesteigert haben. Es mag die locale
Verlangsamung des Blutstromes erfolgen, weil das Lumen der
Gefässcheii sich erweitert hat und das Letztere wieder, einmal
wen RückStauung des Blutes durch mechanische Hindernisse
des Abflusses stattfindet, oder die Gefässwandungen wegen
substantieller Erkrankung, oder neuroparalytischer Zustände,
oder durch Attraction bei der Wirkung ex vacuo nachgiebiger
und ausdehnbarer geworden. Und es können alle diese Momente
auch örtlich mannigfach sich combiniren.
Darnach wird auch die passive Hyperämie euanial vorerst
die Endarterien und Capillaren, ein andermal vorerst die feinsten
Venenmirzeln betreffen, mehr den arteriellen Lijectionen gleichen,
oder von vornherein den venösen Charakter an sich tragen.
Klinisch orientiren wir uns deshalb auch am besten, wenn
wir die passiven Hyperämien nach den hier angedeuteten
Möglichkeiten ihrer Entstehung registriren. Die passiven
Hyperämien entstehen zum Theile im Gefolge j euer TJ r-
sachen, welche als örtlich die Haut treffende Schädlichkeiten,
Traxxmen, chemische oder calorische Reize, zunächst active
Hyperämie zur Folge haben, indem nach längerer Einwirkung
jener Ursachen das lebhafte Roth in dunkleres Blauro th über-
geht. (Livedo traumatica, a venenatis, calorica.) Ich habe schon
früher angegeben, dass dieser Zustand einen höheren G-rad der
relaxativen Hyperämie bedeutet, die Folge einer vollständigeren
Atonie der betreffenden feinsten G-efässe. Wir sehen dies nach
Einwirkung der früher angeführten Hautreize, besonders aber
bei länger andauerndem Druck von Seite harter Unterlagen,
beim Sitzen, Liegen, von Gurten, enganliegenden Kleidungs-
\md Verbandstücken. Daran knüpfen sich zunächst die passiven
Hyperämien in Folge von mechanischer Behinderung des venösen
Blutstromes, die sog. Stauung shyp er ämie. Je mehr
peripher das Hinderniss liegt, desto kleiner ist das zur Ektasie
und Blutüberfüllung gelangende Gefässgebiet. Man nennt die
in diese Kategorie fallende Röthung Livedo, im Gegen satze
zwv Cyanosis, der allgemeinen .,B1 au sucht", deren Ur-
sache im Herzen, oder den diesem nahen grossen Gefässeu Hegt.
Passive Hyporämieu. Ll'.j
Die acute Torrn der idiopathischen Stauungshyperämie,
Livedo mechanica , ist am klarsten in den Erscheinungen
vepräsentirt, welche durch das Anlegen der Aderlassbinde um
die Circumferenz des Oberarmes hervorgerufen werden. Auspitz
luit diese Erscheinungen experimentell geprüft, sowohl bei sonst
oisimder Haut, als solcher, welche gleichzeitig der Sitz eines
Exanthems, Erythem, Urticaria, Scharlach, Variola und Variola
hämorrhagica, Eczem, Erysipel war. Abgesehen von den hiebei
o-emachten lehrreichen AVahrnehmungen , welche auf die Ver-
tlieihuig der grossen Gefässe bezogen werden müssen und zu
Erürteiningen von allgemein pathologischen Fragen Veranlassiing
o-aben. hat Aüspitz die Entstehung von verschieden nüancirter
Bläuung, daneben das schon von Hebra betonte Auftreten von
Zinnoberrothen Flecken hervorgehoben, welche nach Beseitigung
der Ligatur nicht sobald schwinden und braime Pigmentirang
znrücklassen , so wie das Erscheinen von weissen Flecken um
die cyanotischen oder die zinnoberrothen. Für die Entstehung
der zinnoberrothen Flecke scheint mir die Erldärung Auspitz's
plausibel. Derzufolge entstünden sie durch Beimengung von
durch die Gefässwand ausgetretenem Blutfarbstoff zu dem m
die Gewebe transsudirten Blutserum (Oedem). Die blassen, oder
weissen Flecke dagegen würden nach den AVahrnehmungen,
welche bei experiauentell veranlasster Stauung (Unterbindung,
Embolisiriing) der Circulation unter dem Mikroskope gemacht
worden sind (Stricker, Cohniieim), damit erklärt werden können,
dass einzelne Gefässstrecken ganz aus dem Kreislauf ausge-
sr.haltet werden, oder nur von farblosem Serum er^iillt bleiben,
also blass erscheinen, während andere von stagnirenden rothen
Blutkörperchen vollgepfropft sind. Bei Andauer der Stauung
könunt es auch zu Hämorrhagie, d. i. Austritt von rothen
Blutkörperchen in die Gewebe, theils durch Ehexis, Zerreissung
kleinster Gefässe , theils per Diapaedesin. Hat ja Stricker
erst jüngst nachgewiesen , dass bei Stauung durch die Wan-
dung der Capillargefässe rothe Blutkörperchen in mü^rosko-
pischen Häufchen durchtreten können.
Die Empfindung' von Ameisenlaufen, Taubheit, Lähmung
wird bei acuter Entstehung oder Steigerung von Livedo
mehanica empfunden. Bei längerer Dauer und gleichmässigem
Verhalten ist die Empfindung normal , die Temperatur jedocli
meist herabgesetzt. Als weitere Folgen können Oedem , Ent-
Kaposi, Hantkranlihciten. ^
114
Siebente "Vorlesung.
Zündung, Blutaiistritt (Eccliymosirung), Grewebszerfall (Nekro-
biose) lind Grangrän in imterscliiedliclier Ausdehnung sicli
einstellen.
Wenn auch häufig sich wiederholend, so ist doch jene Art
von Stauungshyperämie meist vorübergehend, welche peripher
A^on enganliegenden Bandagen, Grurten, Miedern, Strumpf-
bändern etc. veranlasst wird. Etwas länger währt die an oft
und lange gedrückten Hautstellen entstandene passive H;)'perämie,
wie am Gresässe, Kreuzbein, bei Personen die lange in derselben
Stellung sitzend, oder liegend zubringen. Hier concurriren aller-
dings nebst der Circulationsbehinderung durch mechanischen
Druck auch die Parese der G-efässwandung und die Eigenschwere
des Blutes, welches an den abhängigen Stellen sich mehr an-
sammelt.
An den TInterextremitäten kommt Livedo mechanica häufig
in chronischem Bestände vor, in Folge von Druck auf die rück-
führenden Yenen durch Tumoren, Exostosen, Knochencallus der
Extremität, oder in der Bauch- und Beckenhöhle lagernde
Geschwülste.
Auch die collaterale Hyperämie, bei Verstopfung
eines Haupt-Circulationsweges durch Embolie oder Thrombose,
anfangs fluxionär und activ , wird sodami eine passive oder
Stauungshyperämie, um so mehr, je weniger die örtlichen Ver-
hältnisse eine rasche Ausgleichung der Circulations-Hemmung
gestatten.
Je näher das mechanische Circulations - Hinderniss zum
Herzen, od^ wenn es gar in diesem selber liegt, desto allge-
meiner wird die passive Hyperämie. Sie heisst dann Cyanose,
Blausucht, Morbus coeruleus. Dieselbe entwickelt sich bei hoch-
gradigem acuten und chronischen Emphysem, Geschwülsten des
Mediastinum und allen organischen Herzfehlern, welche eine
E,ückstauung des venösen Blutes bedingen.
Viele örtlich beschränkte oder allgemeiner verbreitete
Bläuungen der Haut beruhen auf einer relaxativen oder
paralytischen Hyperämie, sind also bedingt durch eine
primäre Nachgiebigkeit der Gefässwandung und Ausdehnung
des Gefässlumens. So zunächst die sogenannte Hyperaemia
ex vacuo, oder die in Folge verminderten "Wider-
standes, verringerter Stützung der Gefässwände. Hieher
gehört die Hyperämie, welche dem Ansetzen des trockenen
Passive Hj'perämien.
115
Scliröpfkopies folgt. Hiedurcli wird ein luftverdünnter Eaum
o-escliaffen und das Blut nach hydrodynamiscliem Gesetze mit
grösserer Vehemenz nach demselben gejagt, respective durcli den-
selben aspirirt. Ebenso werden Grefässe, deren Stützgewebe durch.
Narbenretraction verzerrt oder , wie bei marantisclien, die Ge-
sanimternährung herabsetzenden Zuständen, relaxirt wird, ausge-
dehnt und der Sitz passiver Blutüberfüllung werden. Dabei macht
sich das Gesetz der Schwere insoferne geltend, als die venöse
Blutsäule, da, wo- sie im Rückfluss die Eigenschwere zu über-
winden liat, langsamer fliesst, sich staut und die Gefässe um
so leichter ausdehnt, je mehr deren Wandxing schon relaxirt
war, sei es durch die eben genannten, oder die noch anzii-
führenden Ursachen. Dies bezieht sich vorwiegend auf die
Unterextremitäten, an denen bei Personen, die habituell viel
stehen, die Beine herabhängend halten müssen, Yenektasien und
Livedo nebst den begleitenden und Eolgezuständen sich habili-
tireh, und um so leichter, je schlapper auch das übrige Gewebe
bei denselben ist.
"Weitere Ursachen der relaxativen passiven Hyperämie
sind in substantiellen Erkrankungen der Gefäss-
w a n d u n g e n gegeben, wie derj enigen, welche die Varicositäten
der Unterextremität- Venen theils einleiten , theils compliciren.
Endlich liegt ihre Veranlassung in einer neurotischen
Relaxation, deren wesentliche Bedeutung darin besteht, dass
die Vasoconstrictores paretisch oder gelähmt werden. Dies
kann beschränkte Gefässbezirke betreffen. So wären die im
Gefolge von Hautreizen und a venenatis entstandenen passiven
Hyperämien, welche der derart erzeugten activen Blutüberfüllung
zu folgen pflegen, hieher zu zählen. Eben so die Livedo
calorica, welche bei plötzlicher Abkühlung der Haut als
blaiu'othe Marmorirung der letzteren sich präsentirt, oder als
diffuse, dunkelblaurothe, mit zinnoberrothen Zeichnungen unter-
mischte Hautinjectionen an der Nasenspitze , an den Eingern
und Zehen von Personen sich einstellen, die lange Zeit in kalten
Räumen, oder in der freien Kälte sich aufhalten.
Literessant und literarisch vielfach ventilirt sind die Fälle,
bei denen im Verbreitungsbezirke solcher Nervenstämme, die
durch Narben gedrückt, gereizt, oder atrophisch geworden,
chronische Röthungen sich einstellen, verbunden mit herab-
gesetzter, manchmal erhöhter Temperatur, Empfindung von.
8*
■[ YC, Siebente Vorlesung. Passive Hyperämien.
Taubsein und Ameisenkrieclien, oder im Gegeiitlieil glüliendem
:Brenneii und Sclimerz (glossy skin der amerikanischen Autoren),
auiFallender Trockenheit, oder Absonderung kalter Scliweiss-
tropfen, Oder es kann der neuroparalytisclie Einfluss vom
Centrai-Nervensystem, vom centralen Sitze der Glefässinnervation
hergeleitet werden, wie bei der an den periphersten Körper-
theilen, Händen und Füssen und der Nasenspitze sich etabliren-
den Bläuung und Temperaturherabsetziuig Grehirn- und Rücken-
markkranker und chloranaemischer Personen.
Aus dem Angeführten ist ersichtlich, dass die nächste
'Ursache der passiven Hyperämie stets in einer mit Erweiterung
der feinsten G-efässchen und auch gröberen Venenstämme ge-
paarten Verlangsamung des venösen Blutstromes gelegen ist,
dass die entfernteren Ursachen aber theils örtKche und periphere,
theils allgemeine und centrale, im Grefässsystem, oder ausserhalb
desselben, in mechanischen oder neurotischen Einflüssen ge-
legen sind.
Dem entsprechend ist auch der Verlauf der Livedo und
Cyanosis einmal ein kurzer, ein andermal chronisch oder dauernd.
In letzterem Falle bleiben wohl bedeutendere Folgeerscheinungen
und CompKcationen, als Oedem, Entzündung, Muskelschwäche,
Grangrän u. s. w. nicht aus..
Von einer Behandlung 'der passiven Hyperämien kann
nur insoweit die Rede sein, als einzelne Symptome zur Bekäm-
pfung einladen oder geeignet sind , oder als eine Beseitigung der
nächsten oder entfernteren Ursachen des Uebels erreichbar wäre.
II. Olasse.
Anaemiae cutaneae.
Durch verminderten Blutgehalt ihrer feinsten Gefässe verursachte
krankhafte Erscheinungen der Haut.
Anschliessend an die Hyperämien will ich gleich die
Anämien der Haut besprechen.
Die Anämie der Haut bedeutet mangelhafte Füllung
ihrer feinsten Grefässe mit Blnt , oder bei genügender Injection,
doch Mangel an Gehalt von rothen Blutkörperchen. In ersterem
Talle haben wir eigentliche OKgämie , Anämie oder Ischämie
(YmCHOw) vor uns, im letzteren die als Leukämie, Leukokyth-
ämie bekannten Zustände.
Die anämische, im vulgären Sinne „blutleere" Haut er-
scheint blass, alabasterweiss, wachsfarben, leichenfahl, schmutzig-
weiss , weiss mit einem Stich in's Gelbliche. Diese Nuancen
der Färbung hängen davon ab, ob die Anämie plötzlich oder
allmälig entstanden, vorübergehend oder andauernd, mit oder
ohne qualitative Veränderung des Bkites und der allgemeinen
Ernährung verbunden ist, an einem turgescirenden oder welken
Hautorgan auftritt. Jede von Hau» sehr dunkel pigmentirte
Hautstelle, also auch die Haut der Neger, sieht im anämischen
Zustande nicht blass, sondern noch mehr dunkel gefärbt aus,
weil mit der Blutleere auch eine Verringerung der Gewebs-
durchtränkung mit Serum, d. i. des Turgors sich einstellt,
Corium und Epidermis sich falten (runzeln) und die pigment-
haltigen Zellen näher an einander rücken.
Mit dem anämischen Erblassen ist örtlich auch eine Ver-
minderjing der Hauttemperatur vergesellschaftet. Nur bei ge-
118
Siebente "Vorlesung.
wissen Formen der chronischen Anämie kann im Gegentheil
die Haiitwärme erhöht sein.
Abnorme Empfindungserscheinnngen, das Gefühl von Taub-
sein , Ameisenlaufen, vollständige Anästhesie, Frösteln, in
seltenen FäUen heftiger Schmerz, gehören zu den begleitenden
subjectiven Symptomen der Hautanämien.
Auffallende örtliche Ernährungsstörungen, mit Ausnahme
der erwähnten Verminderung des Turgor cutis sind zwar im
Allgemeinen nicht zu beobachten, doch kömmt es manchmal
zu Oedem, bei langandauernder Anämie zu Alterationen der
Secretion und Epidermisbildung, womit die Haut, einmal trocken,
spröde wird, oder im Gegentheil abnorm kalten Schweiss
oder Fett absondert, die Oberhaiit reichlich in feineren, fettig
sich anfühlenden oder trockenen Schüppchen abhielt (Defur-
furatio, Pityriasis tabescentium).
Andere begleitende und • Folgesymptome , wie allgemeine
schlechte Ernährung, Effluvium capillorum, Gangrän und tödt-
licher Ausgang bei Embolie in periphere Arterienstämme etc.
gehören nicht der Hatitanämie als solcher an, sondern jenen
Zuständen des Organismus, der Blutbeschaffenheit, des Centrai-
nervensystems, des Herzens u. s. w., welche die Anämie der
Haut als entfernte Ursachen verschuldet haben.
Die nächste Ursache der Hautanämie kann nur in einer
mangelhaften Zufuhr von Blut in die feinsten Hautgefässe oder
in der aUgemeinen Armuth des Blutes an rothen Blutkörper-
chen Hegen. In letzterem FaUe wird die Hautblässe sicher
allgemein, im ersteren einmal universell, ein andermal örtlich
bescliränkt sein können.
So entsteht aUgemeine Hautanämie bei plötzlicher Ver-
minderung der Blutmenge in Folge von Hämorrhagien nach
Aussen (Metrorrhagie, bei Operationen), oder nach inneren Or-
ganen, womit, bei excessivem Grade, in Folge der gleichzeitigen
Anämie des Gehirnes, die bekannten Ohnmachtserscheiiiungen,
Erblassen der Lippen, der Schleimhäute, Blässe und Kälte
der Haut, Flimmern vor den Augen, Lähmung der Muskehi,
Bewusstlosigkeit, StiUstand der Herz- und Athmungsthätigkeit,
eventuell der Tod eintritt. Auch eine plötzliche Verschiebung
des genügend vorhandenen Blutquantums kann örtlich Aaiämie,
bei gleichzeitiger Hyperämie anderer Partien und alle Folgen
jener veranlassen. Hieher möchte ich die Fälle von Ohnmacht
Anämie der Haut.
119
\md von plötzlichem TocTeseintritt reelinen, welelie nach Lösen
der nach Esmakch's Verfahren angelegten Binde beobachtet
worden sind. Indem in die dnrch die Umschnürung entleerten
und durch den Druck wahrscheinlich paretisch gewordenen
Gefässe einer. Unterextremität plötzlich ein grosses Quantum
Blut eingetrieben oder aspirirt wird, erblassen andere Haut-
partien und wird auch das Gehirn anämisch, womit dann der
weitere Symptomencomplex der Ohnmacht , eventuell der Ein-
tritt des Todes zwar sehr überraschend, aber doch erklärlich wird.
Allgemeine chronische Hautanämie ist Folge einer mangel-
haften Blutbildung nach Quantum oder auch nur Quäle, wie
solche als Symptom der Chlorose, als Folge von Scrophulose,
Milztumoren, Tuberculose, protrahirten, fieberhaften und depas- ^
cirenden Krankheiten sich einstellt.
Bei normalem Blutvorrath und normaler BlutbeschatFenheit
kann weiters allgemeine oder örtliche Hautanämie
durch N.erveneinflüsse bedingt werden. Man muss sich
vorstellen, dass hierbei die feinsten Arterien und die Capillaren
sich contrahiren und dem Eintritt von genügenden Blutmengen,
d. i. der normmässigen Injection mit rothem Blut ein Hinder-
niss entgegensetzen. Von der Contractilität der Arterien nicht
zu reden , steht heute nach den Untersuchungen von Golubew,
Tachanoff und neuerlichst von Stricker auch der Annahme
nichts im Wege, dass selbst die Capillaren einer Contraction
und zur Verengerung ihres Lumens auf Reize hin fähig sind,
Unter Umständen (wie im Eroststadium des Eieberanfalles)
mag auch die Contraction der in der Cutis verbreiteten organi-
schen Muskelfasern, welche streckenweise imter den Papillen
Netze bilden, zur Constriction der in die Papillen eintretenden
Gefässe und zur Entstehung der Hai^tblässe das Ihrige bei-
tragen.
So entstehen die örtlichen Hautanämien mit den Er-
scheinungen der Blässe und Herabsetzung der Temperatur und
Empfindung bei der behufs örtlicher Anästhesirung auf die
Haut applicirten Kälte, Spray von Schwefeläther und Chloro-
form, beim Elektrisiren ; eben so unter dem Einflüsse niedrig
temperirter Medien, kalter Luft, kalter Bäder iind Douchen.
Hier ist es der locale Reiz, welcher Contraction der von
Nerven versorgten Gefässe und Anämie veranlasst. Wie
schon bei den Hyperämien erwähnt , folgt allen diesen Zu-
^2Q Siebente Vorlesung.
ständen nacliträglich Ektasie und Bliitüberfüllung der Haut-
gefässe. Der gleiclie ElFect mit Anämie der Haut kann
Yom C entralnervensystem ansgeken und dann meist als
allgemeine Blässe der Haut zur Ersclieimmg kommen , wie im
Eroststadinm des Fiebers, bei der psyckiscken Erregung von
Schreck, Zorn, Angst, Neid und der Olmmacht überhaupt.
Oder diese Wirkung wird r eflectorisch hervorgerufen, z. B.
von den Hantnerven, wie bei der Hantblässe, eventuell Olm-
macht in Folge von selbst nur wenig schmerzhaften Erregungen
an der Haut, bei kleinen Operationen, oder reflectorisch von
den splanchnischen Nerven ans, bei der Blässe, welche bei
MagenüberfüUiing, Kolik etc. das Uebelsem begleitet, oder dem
Erbrechen vorangeht.
Noch möchte ich der Hautanämie in Folge von Com-
pression der feinsten Hautgefässe gedenken. Durch Liegen,
Druck von Bändern gedruckte Hautstellen erscheinen anämisch
blass, werden von Kriebel-Empfindung oder „Taubseiir', selbst
Anästhesie befallen. Doch ist dieser , Zustand stets vorüber-
gehend.
Dauernd ist die Hautblässe bei Compression der feinsten
Gefässe durch stagnirendes Grewebsödem. Die Haut ist dabei
gespannt , glänzend , alabasterartig oder von wächsernem An-
se hen.
(Verstopfun g grosser Arterien durch Embolie oder Druck
von G-eschwülsten führt rasch zu coUateraler Hyperämie, wofern
nicht Mumificirung eintritt.)
Nach der Verschiedenheit der angeführten veranlassenden
Momente wird die Hautanämie vorübergehend sein, länger
oder für immer bestehen.
Als HautafFection könmit ihr demnach durchwegs eine
mehr symptomatische Bedeutung zu, indem zugleich Prognose
und Therapie von den Ursachen der Hautanämie beeinflixsst
wird. AllenfaUs kann noch die Behandlung der früher aufge-
zählten Folgezustände Pityriasis , Alopecia etc. nebenbei zur
Aufgabe fallen.
Die d i a g n 0 s t i-s c h e FeststeUung der Hautanäniie ist aber
nichtsweniger von Wichtigkeit, sowolil zur Ergänzung des am Indi-
^iduum vorgefundenen pathologischen Gesanuntbildes als wegen
des EiuEusses, welchen die Hautanämie auf die Beschatfenheit
anderweitiger, gleichzeitig bestehender Dermatouosen und krank-
Anämie der Haut. 121
liafter rormatioiien ausübt. Insoweit nämlich ein wesentliclier
Charakter der letzteren in Injectionsrötlie und Turgescenz besteht,
wird derselbe mit dem Eintritt von Hautanämie sofort verwischt,
wie im Tode. So geringfügig diese Thatsache , so selbstver-
ständlich, so bedeutungsvoll war doch ihre Constatirung und
richtige Deutung. Mit derselben hat Hebea das alte Vor-
urtheS vom Ziirücktreten der Hautausschläge erfolgreich
bekämpft, indem er zeigte, dass nur die Hautanämie es
bewke, wenn z. B. eine lang bestandene Psoriasis nach einer
starken Hämorrhagie blass, wie plötzlich verschwunden er-
scheint, oder im Verlaufe einer depascirenden Krankheit, die
mit Blässe und Deturgescenz der Haut verknüpft ist, sich
thatsächlich zui'ückbildet. Denn mit der Rückkehr der nor-
malen Hautinjection und Turgescenz des Hautgewebes steht
das Exanthem ebenfaUs wieder kenntlich da, oder regenerirt
sich dasselbe.
Sie werden nicht in den Fehler der früheren Zeiten zurück-
fallen , sondern jederzeit den Thatsachen in dem angedeuteten
Smnei CoUegen und den Kranken gegenüber, Geltung ver-
schaffen.
III. Olasse.
Anomaliae secretionis cutaneae et
2:laDdulamm cutaneamm.
Durch Abnormitäten der Hantsecretion und der Hautdrüsen
veranlasste Hautkrankheiten.
Achte Vorlesung.
Anomalien der Hautperspiration und Schweiss-
secretion,
Bromidrosis. Physiologie der Sehweissabsonderung ; chemische Be-
schaffenheit des Sehweisses und krankhafte Sehweissabsonderung.
Quantitative Störungen: Hyperidrosis universalis et localis. Oertliehe
und allgemeine Folgen und Complieationen. Therapie. Anidrosis. Qu a 1 i ta-
ti ve Anomalien der Sehweissabsonderung. Anatomische Veränderungen
der Sehweissdrüsen,
Die in die 3. Classe unseres Systemes eingereihten Haut-
krankheiten bestehen wesentlich in Abnormitäten des
Drüsenapparates der Haut und manifestiren sich vorwie-
gend in zweierlei Art: 1. als f unctionelle , 2. als nixtri-
tive Störungen desselben.
DiefunctionellenStörungender Hautdrüsen bedeu-
ten eo ipso Anomalien der Hantsecretion. Von diesen
wollen wir zuerst handeln. Da aber die Hantsecretion einen
wesentlichen Einfluss auf die Beschaffenheit der allgemeinen
Decke, namentlich der Epidermis ausübt, so begreift es sich,
dass mit der Alteration jener auch die Zustände der letzteren
eine Aenderung erleiden können, die daher ebenfalls zu be-
rücksichtigen sind.
Zweierlei sind die Ausscheidungsstoffe 'der Haut, S c h w e i s s,
das Product der Knäueldrüsen, und Fett, das von den
Achte Vorlesung. Jlateria perspivatoria. Brnmidrosis.
123
Talgdvüseu geliefert wird. So wird es durchwegs darge-
stellt und ist es im Allgemeinen auch ganz richtig. Allein es
ist bisher trotz vielfacher Versuche der Physiologen nicht
o-elungeu, die Ausscheidungsstoffe der Haiit derart gesondert
zu gewinnen , dass man auch thatsächlich entweder nur
reines Product der Schweiss- oder nur der Talgdrüsen vor
sich gehabt hätte. Und so beziehen sich auch die von The-
nard, Anselmino , Schottin, Seguin, Funke und
Favre u. A. vorliegenden Angaben über die chemische und
morphologische Zusammensetzung des Schweisses und des
fettigen Hautsecretes durchwegs auf ein Gemenge beider, in
welchem bald das eine, bald das andere überwiegt.
Praktisch verhält sich die Sache genau so. AVir nehmen
ein Hautsecret für ein Product der Talgdrüsen, wenn es vor-
wiegend fettige Eigenschaften darbietet, und sprechen eine
überwiegend wässerige Ausscheidrmg auf der Haut der Leistung
der Schweissdrüsen zu. Unter normalen Verhältnissen befindet
sich aber ein Gemenge beider auf der Haut. Dasselbe, vereint
mit gewissen Exhalationsproducten , Gase und Flüssigkeit,
welche aus dem Papillargefässsysteme und durch die Epidermis-
decken aiistreten, bildet die Materia p er s pira t o r i a der
Haut.
Es kann nicht bezweifelt werden, dass schon bezüglich
der gesammten Hautperspiration Anomalien platzgreifen kön-
nen, indem bei manchen Personen das ganze Gemenge der
Materia perspiratoria quantitativ oder qualitativ von
den durchschnittlich geltenden Verhältnissen abweicht.
Während die quantitative Anomalie der Perspiration
symptomatisch nur schwer zu umgrenzen wäre , verräth sich
die qualitative Alteration derselben durch deutlichere Merk-
male, welche vorwiegend dem Geruchssinne sich aufdrängen.
Schon die vulgäre Auffassung spricht jedem Menschen eine
eigenthümliche „Ausdünstung" zu, die sicherlich vorhanden
\and durch den Geruchssinn percipirbar ist.
"Wir erfahren ja, dass mit feiaerem Geruchsorgane ver-
sehene Thiere, Hunde, derart die Spur ihres Herrn finden.
Abnorm muss es erscheinen, wenn das Individuum eine unge-
wöhnlich stark, oder auffällig charakteristisch riechende Per-
spiratio cutanea hat, welche seinen „Dunstkreis" erfüllt —
Osmidrosis, Bromidrosis. Von solchen Personen gilt
■j^24 Achte Vorlesung.
der sonst tropisch, genommene Ausdruck, dass sie in sclileclitem
G-eruche stellen, dass man sie niclit riechen könne oder möge,
wohl in realem Sinne.
Es lässt sich nicht genau angeben, welcke Substanzen
dem penetranten oder prononcirten Greruche der Hautausdün-
stung zu Grunde liegen. Es scheinen vorwiegend Fettsäuren,
also Producte der Talgdrüsen zu sein. Allein wir werden
hören, dass sicher auch das Secret der Schweissdrüsen seinen
Theil daran hat.
Jene Körperregionen , welche besonders grosse Schweiss-
und Talgdrüsen besitzen , wie die Achselhöhle , die Haut der
Genitalien, namentlicli der weiblicben, sind auch der vorwie-
gende Sitz der Osmidrosis. Darnach unterscheidet man diese
auch als Osmidrosis oder Bromidrosis localis gegenüber der
Osmidrosis universalis.
Hebea hat seinerzeit nachgewiesen, dass in vielen Fällen
der riechende oder Stinksckweiss nicht der eigentlichen Per-
spiration angebört, indem diese bei ihrem Erscheinen thatsäch-
lich nicht auffallender riecht , als bei den meisten Menschen,
sondern dass der üble Geruch erst entsteht , wenn die Per-
spirationsstoffe, namentlicb der Schweiss, bei längerem Ver-
weilen auf der Haut und Imprägnirung der Umhüllungsstoffe,
der Strümpfe , Schübe , Leibwäsche , sich zersetzen und Fett-
säuren allerlei Art bilden. Das wäre keine eigentliche
Bromidrosis.
Eben so wenig wäre hieber zu rechnen der besondere
Geruch, den die Emanation der Haut erlangt, wenn das Indi-
viduum gewisse Nahrungsstoffe und Medikamente innerlich
genommen oder inhalirt hat, oder überhaupt eine mit derar-
tigen Stoffen geschwängerte Luft längere Zeit eingeathmet hat,
welche sodann'durch die Hautdrüsen ausgeschieden werden, wie
Knoblauch, Terpentin.
Unter krankhaften Zuständen des Organismus, allge-
meiner Cachexie , Syphilis , Tuberculose , so\\de während der
Florition gewisser acuter exanthematischer und fieberhafter
Krankheiten, entströmt der Hautperspiration ein. intensiverer
G-eruch , den manche Aerzte (Heim , Schönlein) als so
charakteristisch wahrzunehmen erklärten, dass sie aus demsel-
ben die jeweilige Krankheit diagnosticiren zu können vorgaben.
Es wird wohl besser sein, seinem Geruchsvermögen nicht so
Physiologie der Scliweissabsoudernng. V^Ö
viel zuzumuthen und Scliarlach, ]\'[asern, Blattern dnrch andere
Symptome zu unterscheiden , als nacli dem Geruchseindruck
von frisch gerupften Federn , einer Menagerie , von frisch
o-ebackenem Brede u. s. w.
Betrachten wir nun die Anomalien der nach ihren Quellen
deutlicher unterscheidbaren Secretion, d. i. der Schweissabson-
derung und Fettsecretion. Zunächst die
Anomalien der Schweisssecretion.
Die Anomalien der Schweisssecretion werden
diu-ch die Berücksichtigung der P h y s i o 1 o g i e d e r S c h w e i s s-
absonderung unserem Verständnisse näher gebracht.
Wie schon früher erwähnt, bildet das G-efässsystem jeder
einzelnen Knäueldrüse ein kleines Wundernetz, indem der
zutretende Arterienast zu einem die Windiuigen des Drüsen-
schlauches umspinnenden Gefässnetze sich verzweigt, aus
welchem wieder eine Sammelarterie austritt. Wir haben hier
also ein Verhältniss wie bei den Malpighischen Körperchen der
Niere. Es wird somit , wie das Secret der letzteren , auch
das Secret der Schweissdrüse aus arteriellem Blute ausge-
schieden.
Diese Analogie findet auch ihren Ausdruck in der che-
mischen Zusammensetzung des Schweisses, soweit dieselbe bis
jetzt festgestellt werden konnte. Der Schweiss ist eine sauer
reagirende Flüssigkeit , welche um so weniger feste Bestand-
theüe enthält, je reichlicher sie abgesondert wird. Sein Haupt-
bestandtheil (etwa 990/0) ist Wasser, in welchem die auch sonst
im Körper vorfindlichen Salze (Chlornatrium , phosphorsaiirer
Kalk u. A.) in verschiedener , aber im Ganzen sehr geringer
Menge gelöst sind. Nebstdem hat man Milchsäure (bei Arthri-
tikern) , Harnsäure , Harnstoff und dessen Zersetzungsproduct,
Ammoniak , eine eigene Hydrotsäure imd Indigo in demselben
nachgewiesen. Die letzteren Bestandtheile bekunden wohl
deutlich die Analogie mit dem Nierensecrete.
Ausserdem hat man im Schweisse auch Fettsäuren gefun-
den , die schon durch den -eigenthümlichen Geruch sich ver-
rathen, und zwar rührt das Fett nicht etwa von dem äusser-
lich beigemengten Secrete der mit den Knäueldrüsen untermengt
situirten Fettdrüsen her , sondern sicher von den Schweiss-
drüsen selber , da solches sich auch dort gefunden hat , wo
126
Achte Vorlesung.
ausscMiesslicli Knäueldrüsen nnd gar keine Talgdrüsen vor-
kommen, wie an der Flachhand ; von den grossen Achseldrüsen
und den durch GtAY beschriebenen Circumanaldrüsen nicht zu
reden, deren Secret denen der Ohrschmalzdrüsen analog zu sein
scheint. Sicher rührt der eigenthümliche Greruch mancher
Schweisse und besonders derjenigen mancher Hautregionen
von solchen Bestandtheilen des Schweisses her.
Der Schweiss wird unter gewöhnlichen Verhältnissen in
imperceptiler Menge ausgeschieden. Er verdampft lüebei, kann
aber bei Verhinderung der Verdampfung , wie durch imper-
meable Umhüllungen, WachstafFet, Kautschuk, abgekühlt, sich
tropfbarflüssig niederschlagen. Bei activer oder passiver Erwär-
mung des Körpers und stärkerer Füllung der Hautgefässe
erscheint er in hellen Tropfen und reichlicher Menge.
Die Schweisssecretion hängt aber nicht nur von der durch
die Herzaction bewirkten stärkeren arteriellen Füllung der
Hautgefässe ab , sondern wird in hohem Masse vom Nerven-
system beeinflusst. Jedermann weiss, dass psychische und sen-
•«orielle Erregung des G-ehirns , Angst und Schreck , heftige
Schmerzen , Magenübligkeit etc. den Schweiss in grossen
Tropfen auf die Stirne oder au£ die gesammte allgemeine
Decke hervortreten machen. Contraction der feinsten Arterien,
wie unter dem Einflüsse der Kälte oder des Fieberfrostes, ist
mit Sistirung, Relaxation der G-efässchen, wie in der Wärme,
im Abfall der Fieberhitze, mit Steigerung der Schweissabsonde-
rung verbunden. Es ist also kern Zweifel, dass durch örtKchen,
centralen oder reflectorischen Nerveneinfluss, die Schweisssecre-
tion gefördert oder gehemmt wird. Seit den letzten Jahren,
seit das Studium der Gefässnerven und ihrer Centren so viele
Experimentatoren beschäftigt , haben wir erfahren , dass
die Bahnen der vasomotorischen Nerven auch diejenigen für
die Schweisserregung sind ; dass durch Trennung nnd Reizung
sympathischer Fasern und solche führender sensitiver Nerven
die Schweisssecretion experimentell unterbrochen und angeregt
werden kann, ganz so wie die Speichel- oder Pancreassecretion.
Neben den zahlreichen Arbeiten über die G-efässnerven und
deren Centren von Vulpian , Betzold , G-oltz , Samuel,
OsTBüMOFF u. A. sind hier besonders die von Stricker
über die tonischen G-efässnervencentren und über collaterale
Innervation und die von Luchsinger und von Naveocki
Physiologie dor Scliweissabsonderung.
127
Über den Einfluss der Nervenerregung auf die Thätigkeit der
Scliweissdrüsen in dieser Bezielinng besonders aufklärend.
Pathologisch belegt werden diese Verhältnisse durch die
Beobachtungen von abnormer Schweissabsonderung, Ueberfluss
oder Mangel, auf der Haut gelähmter Körpertheile, im Bereiche
von einzelnen sensitiven Nerven, welche gelähmt, oder im Gre-
gentheil erregt , gereizt sind , wie bei Migrän , Verletzungen,
Zerrung durch Narben (Mitchell) , also auf einzelne Inner-
vationsgebiete beschränkte Anomalien der Schweisssecretion.
Die Analogie mit den schon geschilderten neurospastischen
und neuroparalytischen Hyperämien der Haut ist unverkenn-
bar. Begreiflich , da ja auch die Schweisssecretion zunächst
und unmittelbar von den örtlichen Circulationsverhältnissen der
die Knäueldrüsen umspinnenden Grefässnetze regulirt wird.
Der nächste physiologische Zweck der Schweisssecretion
scheint die Wärmeregulation zu sein, da derselbe im Allgemeinen
bei erhöhter Körpertemperatur in bedeutendem G-rade sich ein-
stellt und durch seine nachträgliche Verdunstung dem Körper
Wärme entzieht. Nebstdem muss auch dem Schweisse ein
excretorischer Zweck zugeschrieben werden. Dies scheint nicht
nur durch die vorher aufgezählten Bestandtheile desselben
ausgedrückt , sondern auch durch die Erfahrung , dass die
Nierensecretion unter physiologischem Befinden des Indi-
viduums im AUgemeiuen zu der Schweissabsonderung quanti-
tativ in proportionalem Verhältnisse steht. Je reicher die
Transpiration , desto spärlicher und concentrirter die Nieren-
ausscheidung und umgekehrt.
Diese Alltagserfahrung hat sicherlich mit zu der Annahme
geführt, welche noch vielfach gelten^ gemacht wird , dass das
Zurücktreten des Schweisses oder die Unterdrückung der
Schweisssecretion , namentlich der pathologisch gesteigerten,
schädliche Folgen für den Organismus, Erkältungskrankheiten
oder noch viel ärgere IJebel nach sich ziehen könne.
Es ist nicht in Abrede zu stellen, dass, wie unter gestei-
gerter Nierensecretion bestehende Exsudate und Oedeme rascher
zur Resorption gelangen , dieses Resultat durch gleichzeitige
Steigerung der transpiratorischen Hautthätigkeit mit gefördert
wird. Allein diese Secretionsverhältnisse sind zunächst selber
eine Folge des Fiebernachlasses und der mit letzteren sich
einstellenden Gefässthätigkeit überhaupt. Keineswegs aber
128
Achte Vorlesung.
begründen sie die Annahme, dass mit einer geringeren Haut-
transpiration ein etwa vorhandenes Exsudat zunehmen oder
ein inneres Organ erkranken müsse, da ja die normal funetio-
nirenden Nieren unverhältnissmässig mehr an UmsatzstofFen
ausscheiden, als die Schweissdr äsen, deren Secret bekanntlich
fast pures "Wasser ist. Am allerwenigsten kann von einem
Zurücktreten des abgesonderten Schweisses die Rede sein.
Denn solches ist physiologisch eben so wenig denkbar , wie
das Zurücktreten von Harn , wenn dessen Abfluss keinerlei
Hinderniss im Wege steht. "Wir fürchten ein solches Zrunick-
treten darum gar nicht, weil es unmöglich ist, und scheuen
auch nicht die übermässige Secretion der Schweissdrüsen zu
bekämpfen, dort, wo sie pathologisch erscheint. "Wir trachten
vielmehr solche zu heilen , gerade so wie die Polyurie, und
haben so wenig , wie unser reich erfahrener Lehrer Hebra,
von einer solchen Heilung jemals Nachtheil gesehen. "Weim
wir über etwas uns in dieser Beziehung zu beklagen hätten,
wäre es gerade das Gregentheil, dass es uns nämlich oft schwer
oder gar nicht gelingt , die übermässige Schweisssecretion zu
hemmen.
Fast fürchte ich Ueberflüssiges zu sagen, wenn ich darauf
aufmerksam mache, dass das plötzliche Versiegen des Schweisses
in der kalten Luftströmung kein Zurücktreten des Schweisses,
sondern ein rasches Verdampfen des schon vorhandenen Secre-
tes bedeutet.
Für die allgemeine Pathologie wäre hier der Anknüpfungs-
punkt zur Erörterung der sogenannten „Erkältungskrankheiten"
gegeben, welche in der Medicin von jeher mit mehr oder
weniger Geschick , aber im Allgemeinen mit nicht viel Grlück
ventiürt worden sind. Wir haben aber den Weg einzulialten,
der, wie Sie bemerkt, von der Betrachtung der physiologischen
Schweissabsonderung uns zu der ihrer Pathologie geführt hat.
Die Schweissabsonderung erscheint pathologisch
in quantitativer oder qualitativer Beziehung.
In ersterer Rücksicht nimmt man als krankhafte Zustände
an die übermässig gesteigerte Schweisssecretion
— Dysidrosis s. Hyperidrosis und den Zustand ihrer
abnormen Verminderung — Anidrosis.
Man sj)richt von HyperidrosiS als einem krankhaften Zu-
stande, wenn eine übermässige Menge von Schweiss, also m
Quantitative Auomalieii des Schweisses. Hyperidrosis. 129
Tropfen , unter solulien Umständen anf der Haut erscheint,
nnter welchen dies bei den meisten Menschen nicht der Fall
zu sein pflegt. Es gehört also nicht hieher das excessive
Schwitzen, das bei erhöhter Körperwärme, durch Sonnen-
oder Feuerhitze , körperliche Anstrengung , bei der Arbeit,
auf dem Marsche, beim Tanzen etc. hervorgerufen wird.
Eben so wenig haben wir hier jene übermässige Schweiss-
absonderung im Auge , welche als begleitendes oder Folge-
SAonptom anderweitiger Allgemeinerkrankungen , des acuten
imd chronischen Fiebers, der Tuberculose , der chronischen
Cachexie erscheint und bei acuten Fieberzuständen (Typhus,
Pneumonie) auch als „kritisch" gedeutet wurde. In der Zeit
von 1485 bis 1550 hat, nach vorKegenden Berichten, in Eng-
land, Frankreich und DeutscUand eine durch übermässige
Schweissausbrüche charakterisirte Epidemie fünfmal geherrscht,
die als Sudor anglicus in der Geschichte der Krankheiten
aufgeführt wird. Eüie gleiche Epidemie wird vom Jahre 1718
aus der Picardie gemeldet, Suette de Picardie. Es
dürfte sich da um fieberhafte Krankheiten gehandelt haben.
Den Gegenstand der Dermatopathologie bildet die von
derartigen Ursachen unabhängige, als selbstständiges Hautübel
sich darstellende Hyperidrosis.
Dieselbe betrifft entweder die allgemeine Decke in ihrer
ganzen Ausdehnung — Hyperidrosis universalis, oder
ist nur auf einzelne Körperregionen beschränkt — Hyperi-
drosis localis.
In allgemeiner Verbreitung begegnen wir der Hyper-
idrosis zumeist bei fettleibigen , seltener bei massig genährten
Indi^nduen. Eine geringe körperliche oder geistige Anstren-
gung, der Aufenthalt in nur massig erwärmten Räumen, psy-
chische Erregung, Verlegenheit, Ungeduld veranlasst bei ihnen
eine plötzliche und profuse Schweissaussonderung. Die Haut
fühlt sich dabei entweder warm an und turgescent , oder^ sie
ist kühl , namentlich bei längerem Verweilen des Schweisses
auf der Haut. Letzteres rührt wohl von der Wärmeentziehung
durch die verdampfende Flüssigkeit her.
Die Hyperidrosis universalis tritt bei Manchen zwar
häufig, aber jedesmal nur auf kurze Zeit ein, bei Anderen ist
sie habituell und continuirlich. Die Personen diffluiren förmlich
fortwährend von Schweiss. Als krankhafte Function der Haut
K apo ai , Hautkrankheiten. 9
j.j^j AcMe Vorlesung.
bestellt sie meist viele Jahre hindurch und betrifft sie fast
ausschliesslich das mittlere Lebensalter. Doch trifft sich die-
selbe auch bei frühzeitiger Fettsucht im ersten Jünglings-
alter. , . , T
Dem Ausbruche des copiösen Schweisses geht meist die
unangenehme Empfindung des Prickeins und Stechens der Haut,
zuweilen auch das Gefühl der Beklemmung , Oppression , vor-
aus. Hebra leitet diese Empfindungen von der Blutüber-
füllung in den Papülargefassen her , durch deren Turgescenz
die Hautnerven gereizt würden. Es scheint dies sehr plau-
sibel. Nach dem Erscheinen der Schweisstropfen lassen diese
unangenehmen Empfindungen nach und die Kranken fühlen sich
behaglicher, erleichtert.
Mit dem Ausbruche der profusen Schweisse erscheint bis-
weilen auf der Haut ein Exanthem, bestehend aus hirsekorn-
grossen und etwas grösseren, massig juckenden, lebhaft rothen
und derben Knötchen, oder mit wasserheUer Flüssigkeit gefüll-
ten Bläschen. Es steUt die als Sudamina, prickley heat,
calori, Hitz- oder Schweissblätter chen bekannte
Hautkrankheit vor, welche bei jedem Menschen, besonders auf
zarter Haut, darum besonders leicht bei Kindern, aufzutreten pfle-
gen, wenn durch übermässige Hitze profuse Schweissabsonderung
bei denselben veranlasst wird. Man kann nicht sagen , dass
die Sudamina eine Folge des Schweisses sind, in dem Sinne,
dass dieser die Oberhaut erweichen und die Papillen irritia-en
würde, wie dies z. B. reizende Salben, heisse Bäder, protrahixte
Catapiasmen zu thün vermögen. Denn die Sudamma erschei-
nen fast gleichzeitig mit dem Schweisse, sie scheinen das
Product der wässerigen Ausscheidung aus den blutüberfüllten
Papillen zu sein. Wie durch die Schweissdrüsen Schweiss,
so tritt aus den PapiUargefässen Flüssigkeit zwischen die
Epidermisschichten aus und erhebt sie zu Knötchen und Bläs-
chen. Dennoch hat das Exanthem die Bedeutung der Haut-
krankheit, welche wir als Eczem kennen lernen werden , zu
dessen charakteristischen Formen es sich ohne weiteres ent-
wickeln kann, wofern die Haut durch die andauernde Benetzung
mit Schweiss oder durch unzweckmässige Behandlung gereizt
wird. Bei zweckmässigem Verhalten jedoch und im Falle die
Hyperidrosis nur vorübergehend war, sinken die Knötchen und
Bläschen alsbald ein. Letztere haben noch feine Abkleiung der
Hyperidrosis.
131
abgehobenen Epidennisblättclien zur Folge und die Haut kelirt
zur Norm zurück. , -n c< j '
Obgleich wir von der Behandlung des Eczema buda-
men unter dem Capitel Eczem noch sprechen werden, mache ich
doch schon hier darauf aufmerksam, dass beim Vorhandensein
der Sudanlina aus dem angeführten Grunde AUes vermieden
werden muss , was die Haut weiter zur Schweissproduction
veranlassen imd irritiren könnte. Bäder, Hitze, warme Beklei-
dung, echauffirende Getränke und körperliche Bewegung sind
zu meiden. Die Haut wird durch Benetzen mit Alcohol, Eau
de Cologne und Aehiilichem abgekühlt , der Schweiss durch
Bestreuen mit Amylum (Poudre) aufgesogen.
Als eigentKche Eolge der Hyperidrosis universalis ist die
Maceration der Oberhaut und ßöthung der Haut — Eratt,
Erattsein, Intertrigo, — an solchen Stellen zu beob-
achten, welche für das Verbleiben des Schweisses und der
erneuerten Production desselben besonders günstig sind , also
an den aneinanderHegenden Hautfalten der Genitalien, der
Hängebrust und des Stammes u. s. f. Auch dieser Zustand
kann sehr leicht zum Eczem sich steigern — Eczema Inter-
trigo — und wird seiner Zeit näher besprochen werden.
Häufiger und praktisch wichtiger ist die Hyp eridr o sis
localis. Sie stellt die auf einzehie Hautbezirke beschränkte
habituelle abundante Schweisssecretion vor. Gesicht (Stirne
und Kinn), behaarter Kopf, die Haut der Achselhöhle und des
Schenkelbuges, Elachhand und Eusssohle sind ihr häufig-
ster Sitz.
Die übermässige Schweissabsoiiderung der Achselhöhlen
findet sich besonders häufig bei Erauen und ist in der Regel
zugleich mit penetrantem Gerüche verbunden — Osmidrosis.
Sie belästigt durch diesen, sowie durch die Verfärbung, welche
die von dem Schweisse imbibirten Kleider erleiden. Bei län-
gerer Dauer hat dieselbe Eczem zur Eolge.
Hyperidrosis palmae manus ist ein höchst pein-
licher Zustand. Wie oft auch gewaschen und getrocknet,
bedeckt sich der Handteller und die innere Eläche der Einger
sofort wieder mit hellen Schweisströpfchen , die aus den
mit freiem Auge erkennbaren, erweiterten Mündungen der
Schweissdrüsen hervortreten.
HabitueU schwitzende Hände fühlen sich jederzeit feucht
•|^g2 Achte Vorlesung.
külil lind klebrig an. Ein solclier Zustand maclit die Hand
der schönsten Dame weniger begehrlich zum Erfassen und mag
gar oft selbst die Grlut entgegengebrachter Liebe abgekühlt
haben. Die Betroffenen fühlen dies. Sie wischen eilends ihre
Hand ab, bevor sie dieselbe zum G-russe reichen. Ihre Hand-
schuhe werden sofort dnrchnässt und verfärbt , ihre Hand-
arbeiten sehen immer schmutzig und fett aus. Demi es ist
sicher , dass die Schweissdrüsen auch Fett absondern. Sie
sehen, dass mit habituellem Handschweisse behaftete Personen
auch im Berufe und in der praktischen Carriere bedeutend
o-estört werden können. Im TJebrigen kann der Zustand jahre-
lang bestehen , ohne die Haut örtlich besonders zu verändern.
Höchstens erscheint die Epidermis zart, hie und da in Bläschen-
form abgehoben, sich abblätternd, an den Eingerspitzen gerunzelt.
Nur selten kommt es zur Bildung von grieskorngrossen und auch
grösseren Bläschen und Blasen, selbst Pusteln, ein Vorkommen,
das zur Aufstellung einer besonderen Krankheitsform durch Hut-
chinson (Cheiro-PompoHx), Tilbüry Eox Pysidrosis), Robinsgn
(Pomphoüx) Veranlassung gegeben hat , — mit Unrecht , wie
wir bei Besprechung des Eczems erfahren werden. Denn es
handelt sich hier thatsächlich nur um Erscheinungen von acu-
ten Eczem-Äusbrüchen.
Der geschilderte Zustand findet sich vorwiegend bei
jugendlichen Personen beiderlei Greschlechtes, öfters in Verbin-
dung mit Chlorose und schlechter Verdauung. Doch habe ich
denselben auch im mittleren Lebensalter beobachtet und zwar
auftauchend ohne die geringste nachweisbare Ursache und bei
andauerndem Wohlbefinden, Gleichbleiben der Lebensweise,
Berufsbeschäftigung etc. des Betroffenen. Ebenso pflegt • die
Hyperidrosis ohne merkliche Veranlassung nach Monaten oder
Jahren wieder zu verschwinden.
Immerhin gehört das Uebel zu den lästigsten und hart-
näckigsten.
Dasselbe gilt den von den habituellen Fussschweis-
sen, — Hyperidrosis pedum. Grelegentlich kann Jeder
von profusem Fussschweisse und dessen örtlichen Folgen be-
troffen werden , z. B. auf eiaem stärkeren Marsche in der
Sommerhitze. Durch den Schweiss wird die Oberhaut, nament-
lich an den aneinander liegenden Zehenflächen und Uebergangs-
falten, an den Zehenspitzen und Pusssohlen erweicht, losgelöst,
Hyperidrosis.
133
die Haut blossgelegt, rissig , liöchst sckmerzliaft. Das Klam-
mem mit den Zelien , das feste Auftreten wird erschwert , ja
unmöglich.
Nicht anders ist es bei habituellen Fussschweissen. Nur
dass hier der Zustand , wie die Hyperidrosis , anhaltend , oft
seit den frühesten Kinderjahren bis ins Mannesalter andauernd
ist, allerdings in der kalten Jahreszeit und bei ruhigem Ver-
halten etwas massiger, als im Sommer und bei vielem Umher-
gehen. Deshalb treten auch die Betroffenen vorsichtig , wie
beim Eiertanz auf. Hyperidrosis pedis wird aber in der Regel
zugleich zum Stinkschweiss — Bromidrosis — , wie Hebra
o-ezeifft, nicht etwa, als wenn der frisch secernirte Fussschweiss
schon einen besonders penetranten Geruch hätte, sondern weü
die Beschuhung von dem Schweisse imprägnirt wird und durch
die Zersetzung und Fäulniss des letzteren eben übelriechend wird.
Mit der Beseitigung der Beschuhung ist auch der Stink-
schweiss entfernt. Allein es ist ersichtlich , dass es nicht
Jedermanns Sache ist, in jeder kurzen Frist neue Beschuhung
zu nehmen. Somit belästigt der habituelle Fussschweiss den
Betroffenen nicht nur durch die anhaltende Maceration der
Füsse, die Behinderung im Grehen, sondern auch direct imd
indirect durch die begleitende Bromidrosis. Letztere macht
Um unerträglich für seine Umgebung. Er steht überall im
übelsten Gerüche und wird in Dienst und Amt , die dessen
persönlichen Verkehr bedingen, nicht geduldet. Ein trauriges Los.
Hand- und Fussschweisse finden sich zuweilen bei dem-
selben Lidividuum. Viel häufiger jedoch konuneu sie nicht
combinirt vor.
Ueber die entferntere Ursache der Hyperidrosis localis
sind wir vollkommen im Dunkel. Li \'ielen Fällen kann sie
als einfache Steigerung der physiologischen Hautfunction hin-
gestellt werden. Von den Handschweissen habe ich schon
gesagt , dass sie zuweilen mit Chloranämie und chronischer
Indigestion vergesellschaftet sind.
Die nächste Ursache der Hyperidrosis liegt aber immer
im Cajjillargefässsystem der Haut, zunächst der Knäueldrüsen
und der Papillen. Und zwar ist es eiimial eine active Bhit-
überfüllung , wie bei der durch Hitze gesteigerten Schweiss-
secretion der Achselhölilen , der Genitalien , oder eine passive,
auf (paretischer) Dilatation beruhende Lijection.
Aclito Vorliisung.
Wie icli nun bei Besprechung der Hyperämien ausein-
andergesetzt, so sind es die vasomotorischen Nerven, die diese
Verhältnisse reguliren. Und es sind darum auch • aUe jene
neurotischen Verhältnisse bezüglich der Hyperidrosis (univer-
salis) und localis zu berücksichtigen , welche bei den Hyper-
ämien zur Sprache gekommen sind, weshalb ich mich beschränke
auf das dort Gesagte hinziaweisen.
Wir begreifen unter diesem Hinweise ganz gut, wie
unter dem Einflüsse psychischer Erregung , Schreck , Angst,
Verlegenheit, oder örtlichen Schmerzes, durch einen vom Centrai-
organe ausgehenden oder reflectorischen Reiz , allgemein oder
örtlich eine profuse Schweissabsonderung erscheinen mag. Es
ist dies auch experimentell producirt worden , indem Claude
Bernard nach Durchschneidung des Halssympathicus mit der
eintretenden Gefässlähmung auch copiöse ■ Schweisse im Läh-
mungsbereiche auftreten sah. Dasselbe ätiologische Verhältniss
waltet in den zahlreichen Fällen ob, in welchen nach vereitern-
der Parotitis , im Bereiche verletzter , gereizter , gelähmter,
sensitive und Gefässnerven führender Nerven Hyperidrosis
beobachtet worden ist.
So reihen sich denn an diese naturgemäss jene Formen
von Hyperidrosis localis, welche bestimmten N e r v e nb e zir ken
entsprechen , z. B. bei Migrän die entsprechende Stirn- und
Kopfhälfte betreffen , oder in paraplegischen Fällen selbst aiif
eine ganze Körperhälfte ausgedehnt sind. Derartige Beobach-
tungen sind von Hartmann, Er. Wilson, Hebra und auch von
mir gemacht worden , dass z. B. bei einer Frau zeitweüig m
Verbindung mit Migrän die eine Stirnhälfte kühl und trocken,
die schmerzhafte, entsprechend der Ausbreitung des N. frontalis,
sanft geröthet und mit perlendem Schweiss bedeckt erschien. Li
einem solchen FaUe von Hyperidrosis der linken Körperhalfte
haben Frankel und Ebstein die Ganglien des entsprechenden
Halssympathicus bei der mikroskopischen Untersuchung ähnlich
erkrankt gefunden, wie ich dies bei Zoster gefunden — eine
Anschoppung von Blutkörperchen in Gefäss- oder Lymphräumen.
Dennoch bleiben noch immer die meisten Fälle von Hy-
peridrosis localis ätiologisch ganz unaufgeklärt.
Was die Vorhersage anbelangt, so haben wir für die-
selbe höchstens in den rein neurotischen Formen einige Grund-
lage. Auch da wird sie höchst unbestimmt lauten müssen.
Hyperich'osis.
135
Bei den gewöhnliclien Formen der Hyperidrosis der Achsel-
höhle , der Machhand nnd Fusssohle können wir die Prognose
insofern nicht ungünstig stellen, als häufig nach mehrjähriger
Dauer die Erkrankung spontan sistirt , und die Behandlung
zumeist von einigem oder selbst vollständigem Erfolge sein
kann. Leider widerstehen doch auch manche Fälle jedweder
Therapie.
Für die Behandlung der Hyperidrosis der Achselhöhle,
der Genitalien und Flachhand, sowie der leichteren Formen der
Fussschweisse empfelilen sich häufige "Waschungen mit Tannin-
(1 Gramm auf 250 Gramme Alcohol oder Wasser) , Alaun-,
Sodalösung , Decoct , cort. Quercus (20 ad 500) , Sublimat
(1 ad 400), Kali hypermangan. (5 ad 400), Natron ammoniat.
und Aehnlichem, einfachem Alcohol und Aether, oder mit
Zusatz von Extract. Aconiti (1 ad 200), Colombo u. dgl.,
für die Hände und Füsse solche Flüssigkeiten auch als locale
Bäder. Nebstdem muss für die Aufsaugung des Schweisses
und die Isolirung gegenüberstehender Hautfalten gesorgt wer-
den durch häufiges Einstreuen von Puder , Amylum tritici,
oryzae, pur oder mit Zuthat von Oxyd. Zinci, Plumbum car-
bonicum , Cremor tartar. pulverisirt , acid. salicyl. (1 ad 40
Amylum) und Einlegen von mit solchen Pulvern belegter
Charpie. Dies gilt namentlich für die Literspatien und Furchen
der Zehen , die G-enitalfalten und Achselhöhle. Bei den
Achselschweissen sind die von den Schneiderinnen beliebten
Kautschuk- oder WachstafFt-Achseleinlagen der Damenkleider
(Suette) höchst unzweckmässig. Sie veranlassen durch Behin-
deriing der Verdunstung nur bedeutendere Schweissansammlung
und Hautreizung.
Was speciell noch die Fussschweisse anbelangt, so
kann man mit den genannten Mitteln in den leichteren Fällen
ausreichen. Das Einlegen von Puder-Bäuschchen zwischen die
Zehen wnd die untere Zehenfurche muss täglich öfters wieder-
holt werden.
In höheren Graden der Hyperidrosis und Bromidrosis
pedis erweist sich die von Hebra schon vor vielen Jahren an-
gegebene Behandhing mittels dessen U n g u e n t u m D i a c h y 1 i
als sehr verlässlich.
Da diese Salbe einen heutzutage allgemein anerkannten.
Schatz in unserem Arzneivorrath bildet und in der Praxis die
-j^gß Achte VorlosuiiK.
verbreitetste Anweudung findet , so sollen Sie dieselbe aucli
näher kennen. Sie ist nrspribiglicb nach Hebea's Angabe au*
Eniplastr. Diacbyli simplex mit Oleum lini , spater mit
Oleiim oKvar. durch Verkochen bereitet worden. Seit Jahren
schon wird sie aus Lithargyrum und Oleum olivar. beschafft,
nach der Formel: Rp- Lithargyri 100, Olei olivar. 400, sub
leni igni et addendo pauxiUi aqu. font. coque usque ad fiat
Ungentum consistentiae spissioris, dein adde: Olei lavandul.
10. D. S. Ungu. Diachyli. _
Zur Bekämpfung der hochgradigen Hyperidrosis und Bro-
midrosis pedum wird nun diese Salbe auf je einen länglich vier-
eckigen , zur Einhüllung des Fusses genügend grossen Fleck
reiiier, gut gewaschener, grober Leinwand messerrückendick ge-
strichen. Der Fuss, der eine und der andere, reia gewaschen und
abgetrocknet, wii^d auf den Salbenfleck gestellt. Zöschen die Zehen
und in die Zehenfurche legt man mit Salbe bestrichene Plumas-
seauxund schlägt nun den Lappen kmistgerecht über den Fuss
zusammen. Darüber wird neue, d. i. früher von dem Kranken
nicht getragene Umhüllung , Strumpf und Schuh genommen.
Der Kranke kann dabei sehr gut seinen Geschäften nachgehen,
thut aber besser liegen zu bleiben , weü die Salbe derart
rascher günstig einwirkt. Nach 24 Stunden werden die Sal-
benflecke abgenommen, die Füsse nicht gewaschen, sondern nur
mit Charpie und Puder abgerieben und sofort wie Tags vorher
mit einem frischen Salbenlappen belegt. Diese Procedur wird
durch 10—14 Tage fortgesetzt. Nun lässt man die Salbe weg,
beschränkt sich darauf, den Fuss fleissig einzupudern und
Puder in die Falten eiaizulegen. Linerhalb der folgenden
Tage stösst sich die Oberhaut in dicken , gelbbraunen , perga-
mentartigen Schwarten ab, die Haut kommt mit schön weisser,
zarter Epidermis zu Tage und die HjTeridrosis ist geheilt.
Erst jetzt darf der Fuss gewaschen werden.
Noch durch lange Zeit, imd besonders nach längerem
Marsche und in der Hitze, ist es für den Kranken zweckmas-
sig , fleissig den Fuss und die Zehenfiu'chen mit Puder zu
bestreuen, in die Zehenfurchen Puderbäuschchen einziüegen und
selbst in die Strümpfe Puder zu geben.
Sollte der Erfolg nicht ein vollkommener sein , so niuss
das Verfahren sofort nochmals wiederholt .werden. Die blei-
bende Heilung ist derart bestimmt zu erreichen.
Anidrosis. 13'^
Wenii ich liier betone, dass weder Hebra bei seiner
reichen einsclilägigen Erfahrung, noch ich oder sonst Jemand
von der Behebung örtlicher profuser Schweisse nuttels ausser-
licher Mittel jemals eine nachtheüige Wirkung auf ein inneres
Oro-an oder das Gesammtbefinden des Behafteten gesehen haben,
so will ich damit Ihnen eine neue Waffe in die Hand geben
o-eo-enüber dem häufig zu begegnenden Vorurtheüe, dass gefähr-
liche Krankheiten des Organismus , selbst plötzlicher Tod ein-
treten könne, wenn die habitueUe übermässige Schweisssecretion,
besonders der Fussschweiss , durch Behandlung «i^tirt jyird,
oder spontan atifhört, oder selbst nur durch plötzliche Abküh-
lung vorübergehend verschwindet. Ich erinnere Her an das-
iemge was ich bezüglich des Vorurtheüs von den vermemt-
Hchen Folo-en des Zurücktretens und Zurückgetriebenwerdens
der Hautausschläge gesagt habe. Denn beide Meinungen sind
auf derselben Grundlage falscher Deutung klinischer That-
sachen entstanden und von gleichem Unwerthe.
Der angedeutete Vorwurf wird weniger gegen jene „inneren"
Medicamente erhoben , welche zur Bekämpfung der Hyperi-
drosis, besonders der Hyperidrosis universaHs empfohlen und
gerühmt worden sind, alsDecoct. CHnae, Extract. Aconita, Tonica
und Eoborantia , besonders aber- Diuretica , welche eine vica-
rürendeNiereii-Hypersecretion anregen soUten, — offenbar darum
nicht, weil dieselben überhaupt erfolglos sind und die patho-
logische Schweissabsonderung trotz ihres Gebrauches fort-
besteht.
Der der Hyperidrosis entgegengesetzte Zustand, AnidrOSlS,
bedeutet die mangelhafte oder vollständig mangelnde Schweiss-
secretion. Mit derselben ist eine trockene, spröde Beschaffenheit
der Epidermis und die subjective Empfindung der Trockenheit,
Spannung, Unbehaglichkeit des Gemeingefühls, Kitzeins und
Juckens verbunden.
Anidrosis cutis kennt man wohl nicht als selbstständiges
Hautül)el. Sehen wir von der Eigenthümlichkeit einzelner
Individuen ab , die bei Hitze und Anstrengung gar nicht oder
nur unmerklich in Schweis» gerathen , so ist Anidrosis als
Achte Vorlesung
pathölogisclier Zustand der Haut durchwegs ein begleitendes
Symptom gewisser allgemeiner Ernährungszustände, oder
mancher Hautkrankheiten von sonst noch mehr charakterisirtem
Gepräge, wie Prurigo, chronisches Eczem, Psoriasis, Ichthyonis,
Xeroderma mihi. Darnach ist die Anidrosis eintnal universell,
wie bei Diabetes mellitus und insipidus , bei von Tuberculose
oder Krebs kachektischen Personen. Hiebei kann der mangeln-
den Schwei sssecretion eine übermässige oder alterirte Secretion
aus den Talgdrüsen parallel gehen. Oder die Anidrosis
ist wie das bezügliche Hautexanthem mehr localisirt und
in beiden Fällen bald vorübergehend , bald dauernd. Bei
der mit Dermatonosen vergesellschafteten Anidrosis stellt
sich ein regelmässiges Wechselverhältniss zwischen beiden her-
aus, so dass jedesmal mit dem Kommen und Schwinden der
Hautkrankheit auch die Schweisssecretion versiegt und wie-
der erscheint. So ist z. B. eine von Eczema chronicum be-
haftete Hautstelle zugleich anidrotisch , sie transpirirt dage-
gen wdeder, sobald das Eczem abnimmt und schwindet. Auch
dieser Umstand ist im Sinne der Dermapostase gedeutet wor-
den, als wenn das Eczem , der Ausschlag , als eine Art Ab-
lagerung nach aussen deshalb erschienen wäre, weil der Schweiss
und dessen Producte im Körper zurückbehalten worden wären.
Man hat ganz übersehen, dass gerade jene Hyperämien, welche
die genannten chronischen Exantheme, Eczem, Psoriasis , bedin-
gen, zugleich auch mehr ProductionsstofFe den Knäueldrüsen
zuführen , und dass ebenso mehr Schw^eiss abgesondert werden
könnte, wie übermässig Serum exsudirt und Epidermis produ-
cirt wird. Wenn unter solchen Umständen die Schweissdrüsen
dennoch nicht functioniren, so muss eben die im Eczem, in der
Psoriasis gelegene Ernährungsstörung der Haut dies verschul-
den , wie denn auch thatsächlich die Haut wieder regelmässig
thaut , sobald die die Dermatonose darstellende Ernährungs-
alteration schwindet. Niemals findet aber ein umgekehrtes Ver-
hältniss statt.
Ihrer Ausbreitung und Localisation nach folgt denn auch
die Ajiidrosis genau der Ausbreitung und Localisation der Derma-
tonose, ein Umstand , der mit Rücksicht auf die gerügte An-
sicht von den Dermapostasen nicht genug hervorgehoben werden
kann und in der Symptomatologie der betreffenden Hautkrank-
heiten gebührende Beachtung finden wird.
Qualitative Anomalien des Schweisses. 139
Ausser der örtlichen Ernährungsstörung kann auch ein
nervöser Einfluss regionär Anidrosis veranlassen, so
dass im Bereiche von gelähmten, oder neuralgisch irritirten
Haxxtstellen, auf der von Migrän befaRenen Stirn — oder der
gelähmten KörperhäHte , wie einmal Hyperidrosis , so em
andermal Anidrosis sich geltend machen kann.
Die Therapie und Prognose der Anidrosis fäUt mit der
des sie bedingenden örtlichen oder aUgemeinen Krankheits-
zustandes zusammen.
Ueber die qualitativen Anomalien der Schweiss-
se cretion stehen uns nur sehr wenige positive Erfahrungen
zu Gebote, um so erklärlicher, als ja über die physiologische
Quaütät des Schweisses unsere Kenntnisse nur sehr lückenhaft
sind Sie beziehen sich auf unbestimmte Alterationen im be-
r,,che — Bromidrosis s. Osmidrosis, in der Färbung —
Chromidrosis, oder auf abnorme substantielle Bei-
mengungen.
Was von der Osmidrosis oder Bromidrosis zu gelten
habe , ist schon gesagt worden! Ich meine, dass bei manchen
Personen die gesammte Ausdünstung der Haut oder das Secret
gewisser Hautregionen, der Achselhöhle, der Genitahen durch
einen ganz specifischen Geruch sich charakterisirt (Osmidrosis)
und dass der eigentliche Stinkschweiss (Bromidrosis) nur die
Eolge der Zersetzung des in der Beschuhung imprägnirten
Schweisses ist. Ebenso habe ich mich über den AVerth der
Yon manchen Aerzten, Heim, Schönletn u. A., geäusserten
Behauptung ausgesprochen, derzufolge der Hautausdünstung
bei gewissen Allgemeinerkrankungen , Blattern , Scharlach,
Typhus etc., ein charakteristischer Geruch zukäme.
Als FäUe von Chromidrosis werden von den Autoren
solche angeführt, in welchen der Schweiss äufiaUige, gelbe,
grüne, schwarze und blaue Eärbung darbot. Als Träger der
blauen Färbung des Schweisses ist einmal phosphorsaures Eisen-
oxydul (Schereb) , ein andermal (Schwarzenbach) eine dem
Pyocyanin von Fordos analoge Cyanatverbindung, einmal ein
mikroskopischer Pilz (Bergmann), dessen Gonidienkerne blau
140
Aclite Vorlesung.
erschienen, und wieder einmal Indikan und Berlinerblau (Ap-
JOHN, Bizio) augegeben worden.
Als durch besondere substantielle Beimengungen
charakterisirte Anomalien des Schweisses werden angeführt:
Hämatidrosis , kein eigentliches Blutsch^AnLtzen , sondern
das gelegentliche, ohne Trauma veranlasste Austreten arteriel-
len Blutes aus den Hautporen , wie solches Finol , Schilling,
Lenhossek , "Wilson , Hbbea u. A. beobachtet haben. Grenau
erzählt Hebea, dass er einmal auf dem Handrücken eines jun-
gen Mannes, entsprechend der Mündung einer Schweissdrüse,
Blut in einem 1"' hohen tuid spiralig geformten Strahle her-
vorkommen gesehen. Es ist also eine Erscheinung der leichten
Zerreisslichkeit von Capillaren, wie bei Blutern. In einem'
Ealle (Tittel) , der ebenfalls ein zu Blutungen auch in ande-
ren Organen disponirtes Lidividuum betraf, hat Wagner die
Schweissdrüsen als Sitz der Hautblutung, sowie Eeanque in
einem analogen Falle Blutkörperchen in der ausgetretenen
Flüssigkeit nachgewiesen.
Von G-alaktidrosis sprach man nur, so lange man
noch an „Milchmetastasen" und „Verschlagen" der liilch bei
"Wöchnerinnen geglaubt und den Puerperalprocess , sowie die
ihn begleitenden Schweisse auf solches zurückgeführt hat.
Dagegen liegen der Annahme einer Uridrosis, d. i. einer
Beimengung von Harnbestandtheilen zum Secrete der Schweiss-
drüsen, positive Thatsachen zu Grunde. Schon die älteren
Autoren haben, ohne über die Mechanik der Harnsecretion und
der Schweissabsonderung besonders orientirt zu sein, von Sudor
urinosus gesprochen, lediglich nach den Wahrnehmungen eines
urinösen G-eruches am Schweisse. Seither liegen aber positive
Befunde vor, zunächst von Harnstoff , den Schottin, Dräsche,
Treitz, Hirschprüng, Kau]? und Jürgensen u. A. im Hautsecrete,
allerdings nur in Ausnahmfällen, nachgewiesen haben. Speciell
hat Dräsche bei Cholerakranken während der Epidemie von 1855
zwölfmal und Schottin in drei Fällen auf der Haut der Stirne,
des Gesichtes und anderer Körperstellen Scliüppchen abgesam-
melt , welche bei der mikroskopischen und chemischen Unter-
suchung sich als aus Harnstoff bestehend erwiesen. Die glei-
chen Beobachtungen von Kaüp und Jürgensen betrafen Lidi-
viduen mit atrophischen Nieren und solche ohne jegliche Xiereu-
und Blasenaffection. Die genannten Schüppchen waren 1 — 2
Auatoraiseliü Veriuulonmgon der Sclnveissdrüsen 141
Tage vor dem Tode auf der Haut erscliienen. Jedenfalls ist
die Beinieng-mig von Harnstoff und des ebenfalls nacligewiese-
nen Ammoniak ein Ausdruck der vicariirenden Function der
Nieren mid der Schweissdrüsen. In dem gelegentHch gemachten
Nachweise von Eiweiss im Sckweisse einzelner Kranker (Ledbe),
von Bilin, Biliphaein und Urerytlirin ist dieses Verkältniss er-
heblicli weiter commentirt.
Dass die meisten uropkanen StoflPe , die durch den
Digestionstract, oder eingeathmet in die Blutbahn und zur
"Ausscheidung diirch die Nieren gelangen, auch durch die Haut-
secretion ausgefördert werden, wie Terpentin , Theer , Balsa-
mica, Jod, Arsenik u. A., gibt nicht weiter Veranlassuxig zur
Aufstellung besonderer Arten von quaKtativen Anomalien der
Schweisssecretion.
Air die besprochenen Anomalien der Schweissabsonderung
scheinen von keinerlei nachweisbarer anatomischer Ver-
änderung der Knäueldrüsen abhängig zu sein. Nur
ViRCHOW gibt an , bei Pthisikern , die an profusen Schweissen
litten, manchmal Vergrösserung der Drüsen und fettige Meta-
morphose ihres Auskleidungsepithels gefunden zu haben.
Von anatomischen Veränderungen der Schweissdrüsen ist
überhaupt erst in den letzten Jahren etwas mehr bekannt
geworden. Dieselben stellen aber grösstentheils Theilerschei-
niuigen anderweitiger histologischer Veränderungen der Haut
vor, wie bei Lupus, Carcinom, Lupus erythematosus, Elephan-
tiasis Arabum et Graecorum. Hieher gehören die Befunde von
erweiterten und vergrösserten Schweissdrüsen bei Lepra
(Brücke, G. Simon), von Atrophie derselben in Hühneraugen
(v. Baeeensprung) von Entartung ihres Epithels bei chronischer
Dermatitis (Gay), von Entzündung des sie begrenzenden Binde-
gewebes bei Lupus erythematosus, die ich angegeben, u. s. f.
Sie betreffen auch nur die in das anderweitige Erkrankungs-
gebiet fallenden Drüsen, nicht aber den Schweissdrüsen-Appa-
rat im Allgemeinen. Ihre Erörterung ist also hier nicht am
Platze. Eben so werden die Schweissdrüsen selbstverständlich
in entzündliche Processe der Cutis mit einbezogen, und es
scheint daher überflüssig von einer Hydro sadenitis phlegmonosa
(Verneuil) zu sprechen, da eben eine solche als isolirter Process
nicht vorkommt.
j^^9 Achte Vorlesung. Anat. Veränderung der ScliweisBdrüsen.
Was dagegen die vielfach citirte, von Lotzbeck bescliriebene
Scliweissdrüsengeschwnlst" anbelangt , so darf icb sie wobl
für ein Epithelialcarcinom halten , in welchem oft handschuh-
fino'erförmige , gemindene , allerdings enorm vergrösserten
Schweissdrüsen ähnliche, mit proliferirenden Zellen erfüllte
Schläuche vorkommen. Ich selbst habe solche in einer cham-
pignonähnlichen Geschwulst von der Wange einer Person
gefunden, die gleichzeitig einen flachen Hautkrebs auf der
Nase hatte. Es ist aber nicht für alle Fälle noch erwiesen,
ob diese Schläuche Lymphräume sind (Köstee) , oder ausge-
wachsene ßetezapfen.
^ieunte Vorlesung.
Anomalien der Fettsecretion.
Phvsioloqie der Fettsecretion. Pathologie. Uebernnässige Sec-retion.
Seborrhoea localis et xxniversalis. Diagnose, Prognose, Therapie. Vernriin-
derte Seeretion. Xerosis. Qestörte Exeretion, ihre Folgen als Retemions-
formen. Comedo, Müium , Molluscunri verrueosiim s. contag.osunn.
Atheroma.
Wir kommen heute zur Besprecliung jeuer Hautkrank-
heiten , welche in pathologisclier Aenderung der zweiten Art
von Hautabsonderung, d. i. der Fettsecretion bestehen.
Erinnern Sie sich , dass das physiologisch zur BeÖlung
der Haut und der Haare bestimmte Fett von den Talgdrüsen
nicht in der Weise producirt wird, wie der Schweiss von den
Knäueldrüsen. Dieser, in dem Blute präformirt, wird aus den
Capillaren der Schweissdrüsen abgesondert und durch die letz-
teren als fertiges Product nach aussen an die Hautoberfläche
gefördert.
Die Fettbildung in den Talgdrüsen geht anders vor sich.
Es entstehen , analog der Epidermisregeneration im Eete , in
der Tiefe der Fettdrüsen , fortwährend junge Zellen , wahr-
scheinlich durch Proliferation der Epidermiszellen , welche die
Drüsenläppchenwand von innen bekleiden. Im successiven
Vorrücken nach der Höhle der einzelnen Läppchen und der
Drüse umwandelt sich ein Theil ihres Inhaltes , ihres Proto-
plasma, zu Fett und wird zugleich ihre Wandung trocken,
brüchig. Das Fett erscheint anfangs in kleinen , später in
zusammenfliessenden grösseren Tropfen im Innern der Zellen.
Diese fetthaltigen Zeilen nun und ihre Trümmer sind es , die
nach und nach von den nachrückenden vorgeschoben und in den
■^^^ Neiinte Vorlesxing.
eigenen , oder mit dem Haarbalge gemernschaftliclien Aus-
fiilirungsgang und endlich an die Hautoberfläclie zu Tage ge-
fördert werden. Es findet also tliatsäclilicli eine Ausscheidung
von Epidermiszellen aus den Talgdrüsen statt , gerade so wie
von dem Rete, aus dessen Anlage die Talgdrüsen entwicklungs-
geschichtlieh abstammen. Nur dass diese Zellen auf ihrem
Wege eine fettige Umwandlung erleiden. Und nur, indem sie
während ihrer Herausbeförderung zerbröckeln , tritt auch das
Eett ihres Inhaltes frei hervor.
Unter normalen Verhältnissen ist diese Zellenabsonderung
ebensowenig aufi'ällig , wie die der Oberhaut, und mir das
freigewordene Eett macht sich in dem EfPecte der physio-
logischen BeÖlung der Hautoberfläche und der Haare geltend.
IjTpathologischen Fällen jedoch kann das Talgsecret in grossen
Massen an der Hautoberfläche erscheiiien , welche fast aus-
schHesplich aus fettigen Epidermishaufen bestehen.
Es kann aber die Fettsecretion der Haut in zweifacher
Weise krankhaft erscheinen , indem erstens ihre Secretion
(Absonderung), zweitens ihre Excretion (Ausscheidiuig) von
der Norm abweicht.
Die anomale Fettsecretion der Haut bietet sich dar
einmal als abnorm gesteigerte, ein andermal als abnorm
verminderte Fettabsonderung.
Die erstere steUt den krankhaften Zustand vor, welchen
man mit S e b 0 r r h 0 e a oder Steatorrhoea, Schmeerfluss, Fluxus
sebaceus, bezeichnet, also eine Krankheit, welche sich durch
den Austritt und die Ansammlung von abnorm grossen Men-
gen Talgdrüsensecretes auf der Hautoberfläche charakterisirt.
Das Ausscheidungsproduct der Fettdi'üsen erscheint auf der
Hautoberfläche entweder als fast rein öHger Ueberzug, oder
als auflagernder, sehr fettreicher Schuppengrind, welcher ent-
weder dicke , missfärbige Krusten , oder einen dünnen , firniss-
artigen Ueberzug büdet — Seborrhoea oleosa s. adiposa,
Acne sebacee fluante nach Cazenave. Oder die auflagernden
Massen stellen zwar fettige, aber doch zugleich mehr trockene,
brüchige Epidermisschüppchen vor — , Seborrhoea sicca
s. squamosa, s. furfuracea, Acne sebacee seche (Cazenave). Beide
Formen können gesondert oder untermischt bei demselben In-
dividuum vorkommen, und zwar entweder nur auf einzelne
Körperregionen beschi-änkt, Seborrhoea locallis, oder m
Seborrhoea.
145
allgemeiner Verbreitung, Seborrhoea universalis. Dar-
nach, sowie je nachdem die Seborrhoe behaarte oder nicht
behaarte Hautstellen betrifft, gestalten sich auch die Symp-
tome und Folgen des Uebels vuiterschiedlich.
Der behaarte Kopf ist wohl der häufigste Sitz der Krank-
lieit Seborrhoea capillitii — bei Säuglingen und Er-
wachsenen beiderlei Geschlechtes. Ihr Product auf dem Kopfe
der Kinder ist der sogenannte Gneis, eine gelbbraune und
verschieden missfärbige, käsig-brüchige imd fettig anzufühlende,
bisweilen trocken-harte, oder blättrige Masse, welche in dünner
Schichte oder in mächtigeren, unregelmässig-höckerigen Agglo-
meraten auf dem Haarboden festklebt. Werden die Sebiim-
massen abgehoben, so erscheint die Kopfhaut blass und feucht.
Sie. bedeckt sich nach wenigen Minuten mit einem pergament-
ähnlichen, dünnen , glänzenden Häufchen , dem Product des
frisch secernirten Fettes. Oder die Haut ist etwas geröthet,
leicht verwundbar, indem die Oberhaut dünn und locker ist;
oder es finden sich sogar blutende , oder eine seröse klebrige
Masse absondernde, epidermislose, eczematöse Stellen. Letzteres
rührt von dem macerirenden und irritirenden Einflüsse her,
welchen die durch die Fettkruste zurückgehaltenen und zer-
setzten Hautsecrete auf die Epidermis und den Papillarkörper
ausüben. Die in die Schmeermasse einbezogenen Haare folgen
sehr leicht dem Zuge.
Der Gneis entwickelt sich als Ueberbleibsel und Fort-
setzung der Seborrhoe und copiöseren Epidermisregeneration,
welche beim Fötus und Neugeborenen über dem ganzen Kör-
per angetroffen wird (Vernix caseosa, Desquamatio neonatorum),
innerhalb der ersten Lebenswochen und besteht, aus Fett,
Schmutz, abgestossener Epidermis und Haaren sich aufbauend
und erhaltend, bis in das 2. und 3. Lebensjahr. Endlich wird
der Gneis, unter Abnahme der copiösen Fettabsondertuig , A^on
der Haut abgehoben, von dem wachsenden Haare vorgeschoben,
zerbröckelt und fällt ab.
Auch bei Erwachsenen kommt Seborrhoea capillitii
mit der Bildung solch' massiger Auflagerungen vor, welche die
Haare mit einander verkleben und verfilzen. Zuweilen stellt
sich das Product der Seborrhoe als eine auflagernde, giänzend-
weisse, schiefrig-blättrige, asbestähnliche Masse dar. Am äUer-
häxxfigst-en jedoch als dünne , schmutzig-weisse , in fortwähren-
Kaposi, Hautkrankheiten. 10
Nounte Vorlesung.
der Abstossung begriffene, dünne, kleienähnliche Sfliüppcheu —
Pityriasis capillitii.
Bei Erwachsenen ist die Seborrhoe des behaarten Kopfes
häufig die Folge' vorausgegangener örtlicher Entzündungs-
processe, wie Erj^sipel, acutes und chronisches Eczem, Variola;
die Form der Pityriasis noch besonders oft Folge und Symptom
von acuter und chronischer Anämie, bei Wöchnerinnen, schlecht
genährten Personen beiderlei G-esclilechtes ; namentlich auch bei
vorausgegangener, oder noch besteheiader Syphillis (Seborrhoea
syphilitica), ausserdem aber auch häufig genug ein idiopathi-
sches Uebel, ohne nachweisbare derartige Ursachen. Sie be-
steht diTrchwegs monate- oder jahrelang und heilt spontan,
oder durch Behandlung, nach Massgabe der sie veranlassenden
Ursache vorübergehend oder dauernd. Als örtliche Eolge ist
jederzeit Lockerung und reichlicheres Ausfallen der Kopfhaare
— Effluvium capillorum — und bei jahrelanger Dauer des
Uebels auch dauernde Lichtung des Haarwuchses und Kahl-
werden — Alopecia — zu bemerken.
Im Bereiche des Gesichtes sind vorwiegend Stirne,
Nase, Schläfe und Kinn , bei Männern noch der Bereich des
Bartes, der Sitz der Seborrhoe — S. faciei. Am bekann-
testen, weü häufigsten, ist hier der ölige Scluneerfluss. Manche
Personen, besonders brünette, sind während ihrer Pubertäts-
jahre damit behaftet. So oft sie auch ihr Gesicht mit Seife
waschen, erscheint doch dasselbe sofort wieder fett , glänzend
und beim Verweilen in staubgeschwängerter Atmosphäre noch
schmutzig, indem die Staubpartikelchen an der fetten Haut
leichter haften. "Was als Seborrhoea nigricans palpebra-
rum (Neligan, Wilson,) und Blepharomelaema (Law) be-
schrieben wurde, bedeutet wohl nichts anderes als derart
schmutzig und schwarz gewordene Sebumauflagerungen. Hitze
begünstigt die Ausscheidung des Fettes. Oft tritt der fettige
Erguss urplötzHch über das Gesicht auf. Stärkeres Ausfallen
der Augenbrauen und Barthaare in Eolge eüier m ihrem Be-
reiche localisirten Seborrhoe gehört zu den nicht seltenen Vor-
kommnissen. -11
Auf der Nase , der angrenzenden Wangenpartie und der
Nasenwurzel büden sich zuweüen durch Eintrocknung und An-
häufung seborrhoischer Producte dicke, schmutzig-gelbschwarze
Krusten, welche z. B. die Nase wie eüie aufgesetzte Düte aus
Seboi'i'lioea.
147
Papier-maehe umhüllen. Solche Fälle sind öfters für ein bös-
artiges Neugebilde , Krebs , angesehen worden. Hebt man die
Ki-usten mittels der Meisselsonde oder den Fingernägeln von
den Rändern her behntsara ab , was immer leicht möglich ist,
so gewahrt man von der nnteren Fläche der SebiBiila-nste her
zapfenlormige Fortsätze wurzelngleich in die erweiterten Mün-
dungen der Talgdrüsen sich einpflanzen. Die Krnsten sind
eben nur die flächenhaften Ausbreitungen der aus den FoUikeln
sich herausschiebenden Fettmassen. Endlich sind dieselben
Oertlichkeiten , besonders die Furchen der Nasenflügel, die
Augenbrauengegend, die Ohrmuscheln, der behaarte Theil des
Gesichtes auch oft der Sitz einer Seborrhoea sicca , indem sie
bei massiger Röthung hartnäckig mit dünnen, trockenen, aber
festhaftenden und in die Follikel zapfenförmig sich fortsetzen-
den Schüppchen bedeckt erscheinen. Die von der Auflagerung
befreite Haut ist blass oder massig roth, von grossen Poren,
klaffenden Talgdrüsenmündungen besetzt, glänzend und incru-
stirt sich leicht wieder ; selten ist sie stellenweise blutend oder
nässend. Bisweilen ist die Injection der Haut mehr ausge-
sprochen. Hebra hat seinerzeit solche Formen als Seborrhoea
congestiva besonders beschrieben. Seither hat es sich ge-
zeigt, dass diese die Vorstufe für den Lupus erythematosus
abgeben kann, eine Krankheit, von der wir noch ausführlich
handeln werden.
Zur Entstehung der zuletzt geschilderten Formen der
Seborrhoea faciei gibt, wie für den Schmeerfluss des behaarten
Kopfes, zuweilen nachweislich ein vorausgegangener Entzün-
dungsprocess die ursächliche Veranlassung, so besonders Ery-
sipel und Variola. Manche Fälle stehen mit der Pubertäts-
entwicklung, Anämie in Folge von Blutverlusten, fieberhafteii
Krankheiten etc. in CausaLaexus. Noch andere sind nicht wei-
ter ursächlich zu erklären, sondern als Ausdruck einer indi-
viduellen Hautbeschaffenheit hinzunehmen.
Als Complicationen und Folgen der Seborrhoea
faciei sind örtlich Eczem, Erweiterung und Entzündung einzel-
ner Talgdrüsen, Comedonen- und Acnebildung, nnd in einzelnen
Fällen der mit narbiger Veränderung der Haut einhergehende
Process zu verzeichnen, der eben als Lupus erythematodes
erwähnt worden ist.
Alle Formen von Schmeerfluss des Gresichtes pflegen nach
10*
-j^^g Neunte Vorlesung.
Andauern von vielen Monaten oder Jaliren spontan zu lieilen
imd weichen einer zweckmässigen Behandlung.
Von anderen localen Seborrhoeen erwähne ich noch zu-
nächst der des Nabels. Im grubig eingezogenen Nabel sam-
melt sich gerne Fett und Epidermis in grösserer Menge an.
Die Masse riecht ranzig, ihre Zersetzungsproducte reizen die
Haut zur Entzündung. Ferners die Seborrhoea genita-
lium Es ist schwer zu entscheiden, ob es sich da jedesmal
um eine thatsäclüiche copiösere Fettausscheidung, oder nicht
vielmehr um eine örtliche Anhäufung von normalen Abstos-
suno-sproducten von Epidermis und Fett handelt. Letzteres
scheint z B. für die Eichel und innere Fläche der Vorhaut
wahrscheinlicher, da hier nm^ wenige (TnysoN'sche) Drüsen
sich befinden und es zumeist bei enganschliessendem oder gar
phymotischem Praeputium zu dem hier angedeuteten Zustande
kommt. Besonders in der Kranzfurche sammeln sich die fetti-
gen und ranzig riechenden Absonderungen, Smegma praeputii, an.
Sie führen bekanntlich zu schmerzhaften Erosionen der Vor-
haut und Eichel, Nässen, Aussickern von eiterigem Secret, —
Balalnitis, Balanopostitis.
Auch die Clitöris und ihr Praeputium, sowie die Viüva
sind unter analoger Veranlassung der Sitz von Entzündung,
Gefülil von Brennen und eiteriger, einen Tripper vortäuschen-
der Absonderung. Bei jungen, schwäclüichen Kindern, sowie
bei erwachsenen weiblichen Individuen, welche durch Krankheit
lange Zeit an's Bett gefesselt und heruntergekommen wai^n,
habe ich öfters das acute Auftreten solcher Seborrhoea , Ba-
lanitis und Vulvitis gesehen.
Ungleich seltener als der örtlich beschränkte Schmeer-
fluss ist die Seborrhoea universalis zu beobachten Sie
stellt eine sehi^ interessante und praktisch wichtige Krankheits-
form dar. . , 1 1
Bei Neugeborenen wird sie repräsentirt durch eme
stärker und in den ersten Lebenstagen sich noch fort erneu-
ernde Vernix caseosa , welche die Haut incrustirt und zu
Spannung und Entstehung von schmerzhaften Euirissen \ er-
anlassung gibt. Betrifft dieser Zustand die ganze Haut , so
erscheint dieselbe schon wenige Stunden nach der Gebiu't braun-
roth, atlasartig glänzend, wie gefirnisst, oder, nach Heb^s
Vergleich, wie ein halbgebratenes cochon de lait. Es büden
Seborrlioca.
1-49
sicli im Gesichte, von den MnndWveln her, über den Gelen-
ken in den Backenfalten, schmerzhafte Risse ; die Starrheit der
Nase nnd des Mnndes, die Schmerzhaftigkeit der Rhagaden
machen das Saugen unmöglich ; die Kinder gehen binnen weni-
gen Tagen an Inanition und Wärmeverlust zu Grunde, wenn
?hnen Seht durch ausgiebiges Einfetten und Erweichen _ der
Incrustation, sowie durch künstliches Erhalten der Körperwarme
Hilfe gebracht wird. Man bezeiclmet diesen Zustand richtig
als Ichthyosis sebacea oder Seborrhoea squamosa neona-
torum; fälschlich ist er als Ichthyosis congenita von manchen
Autoren ausgegeben worden. ^ , ^ • ,
Bei Ei°wachsenen stellt sich die Seborrhoea univer-
salis dar entweder in Eorm von den Stamm und die Streck-
seite der Extremitäten vorwiegend bedeckenden,' m stetiger Ab-
schülferung begriffenen, fettig-glänzenden Schüppchen. Derart
findet sie sich zumeist bei älteren oder auch jüngeren, mara-
stischen Individuen uud heisst deshalb Pityriasis tabescen-
tium Oder es bilden sich jene selteneren Formen von Cutis
tetsacea, oder Ichthyosis sebacea, bei welcher der
grösste Theil der Hautoberfläche, namentlich des Stammes und
der Streckseite der Extremitäten mit grünHch - braunen und
schwärzlichen Krusten belegt ist. Die Krusten spalten sich
den tieferen Eurchen und Linien der Haut entsprechend m
Platten und Eelder, sind streckenweise dünn, an anderen Stel-
len aufgethürmt, stachel- und hornartig emporragend. Auch
diese Krusten können losgelöst werden. Die Haut erscheint
bis auf mässige Rothe normal, doch vielfach mit erweiterten
Talgdrüsenmündungen besetzt, in welche die Sebumkrusten mit
fadenförmigen Fortsätzen sich einpflanzen.
Die Diagnose der Seborrhoe ist bei Berücksichtigung
ihrer eben geschüderten Symptome im Allgemeinen ziemlich ge-
sichert. Dennoch ergeben sich unter Umständen manche
Schwierigkeiten, namentHch in Anbetracht der. Mannigfaltigkeit,
welche die verschiedene Form, Intensität und Localisation in
der Erscheinungsweise der Erkrankung veranlassen. Da Sie
jedoch bis nun die difeerentiellen Charaktere der Her in Be-
tracht kommenden ähnlichen Affectionen noch nicht kennen, so
beschränke ich mich darauf, hier nur auf dieselben hinzudeuten.
Sie werden in den späteren Erörterungen und in Ihren eigenen
wachsenden Kenntnissen die volle Ergänzung dieses Mangels
Neuute Vorlesung.
150
finden So bemerke icli denn nur zu Ihrer Orientirung, dass
die SelK.rrhoe des bellaarten Kopfes iin AUgemeinten mit aUen
Hautkrankheiten verwechselt werden kann, welche Auflagerung
von Krusten und Schuppen auf dem Haarboden mit sich brin-
o-en Formen, welche alle in früheren Zeiten mit dem noso-
loo-isch bedeutungslosen Namen Tinea (Kopfgrind) belegt
wurden; so vor Allem Eczema squamosum iind impetigmosum,
sodann Psoriasis, Herpes tonsurans und Favus. Bezüglich der
beiden letzteren handelt es sich um Ausschliessen der ihnen zu-
kommenden Charakteristika, des mikroskopisch nachweisbaren
Pilzes in Betreff der ersteren um Ergänzung des Krankheits-
bildes' aus den Veränderungen, welche mit denselben gleich-
zeitig an anderen Hautstellen sich vorzufinden pflegen.
''Die G-esichtsseborrhoe ist von Eczem, Psoriasis und Lupus
erythematosus abzugrenzen. Letztere bedingt jederzeit neben
der Eöthung auch narbige Schrumpfung , der Haut. Bei
Seborrhoe der Genitalien , namentlich gleichzeitiger Balanitis
lind Erosionen an der Eichel luid Vorhaut vergessen Sie nicht
die Möo-Hchkeit einer gleichzeitigen syphilitischen Ajisteckung
im Auge zu behalten und daher in Ihrem Urtheile vorsichtig
zu sein, d. h. wegen der Prognose sich die genügende Beobach-
tmigsfrist zu wahren.
Seborrhoea universalis neonatorum ist nicht zu verkennen.
Die der Erwachsenen dagegen kann leicht mit Ichthyosis ver-
wechselt werden. Bei Seborrhoea sind die Krusten mechanisch
und durch Erweichung vollkommen ablösbar und erscheint die
Haut massig roth, allenfalls mit grossen Poren besetzt , aber
sonst normal, geschmeidig, glatt. Das Uebel ist heilbar. Di^
Ichthyosis ist stets eine von Kindheit an bestehende unheil-
bare Krankheit. Die Schuppen bei derselben sind schwer und
unvollkoimnen abzuheben, die Haut bleibt verdicM, warzig,
von tiefen Furchen durchzogen ziu-ück (es besteht Hj^ertrophie
der Haut und der PapiUen) und die Krusten erzeugen sich
rasch wieder. .
Die Prognose der Seborrhoe, der örtlichen, wie dei
aügemeinen, ist günstig. Das Uebel ist jederzeit rasch zu
bessern und in den meisten Fällen dauernd zu heilen. Aussei
der örtlichen Entstellung, der Belästigung durch Spanniuig
Entstehung von schmerzhaften Einrissen, der zei weiligen
Complication mit Eczem, Comedonen und Acne im (xesichte,
Seljon'hoea. 151
hat die Krankheit keinerlei üble Wirkung auf das Gesanimt-
befinden Nur die Ichthyosis sebacea des Neugeborenen kann
für das Leben des letzteren, wie erwähnt, bedrohlich werden.
Für die Behandlung der Seborrhoe ist die Haiaptncht-
schmir durch die Principien vorgezeichnet, welche ich in der
lucemeinen Therapie (pag. 94) dargelegt habe. Da es sich
nämlich hier jedesmal um Auflagerungen von (secundaren)
Krankheitsproducten, Fett- und Epidermisschuppen und Krusten
handelt, so besteht die nächste Aufgabe der Behandlm^g in
der Beseitigung derselben; principiell in Erweichung, Los-
lösung und Entfernung der Schuppen und Krusten.
Ihre Erweichung und Zerbröckelung wird am raschesten
durch Einwirkung von flüssigen Fetten, ihre Entfernung so-
dann durch Waschen mittelst Seife luid Wasser zu Wege
gebradit. ^^^^ ^^^^ ^^^^ ^.^^^^^^^^^ ^.^^^^^^^ j^.tte empfehlen sich
einfaches OHvenöl, Leberthran, Petroleum, Butter Schweine-
fett. Zuthaten von Zink, Präcipitat, Carbol- und Salicylsaure
XI s w sind ganz nebensächlich und überflüssig. Die Haupt-
sache bleibt immer das Oel oder Fett, und^dass dasselbe iii
solcher Menge und nach einer solchen Methode m Gebrauch
kommt, dass der beabsichtigte Zweck auch voUständig und
möglichst rasch erreicht werde. . ^ .
Dies wird nun nach der Oertlichkeit und Litensitat der
Seborrhoe, so wie nach den äusseren Verhältnissen des Kran-
ken mancherlei Modalitäten gestatten oder erfordern.
Bei Seborrhoe des behaarten Kopfes trägt man das Uel
mittelst eines abgeschliffenen Borstenpinsels , oder mit emein
Stück Schwamm oder einem Charpiebausch auf, macht durch
Drücken und Frottiren, dass das Oel in grosser Menge m die
Borken eindringt und bedeckt dann den Kopf mit einer FlaneU-
haube, oder einer (nicht gefärbten) türkischen Mütze (Fez).
Derart wird das Oel täglich 4— 5mal applicirt und auch über
Nacht belassen. Binnen 12—24 Stunden können die mächtig-
sten Lagen von Schuppengrind derart erweicht sein , dass sie
nun unter dem Finger zerbröckehi und sich loslösen. Beim
Gneis der Säuglinge geht, man besonders sanft vor. Es liegt
ja in dem FaUe nichts an einem langsameren Erfolge, aber
sehr viel an der „ Vorsicht und Milde", weiche die Angst und
die Vorurtheüe der Mütter und Kindsfrauen am sichersten
Neunte Vorlesung.
besiegt. Bei erwaclisenen Männern kann das Verfahren dadurcli
erleiclitert werden, dass die Haare kurz geschnitten werden.
Bei weiblichen Kranken dürfen die Haare nicht abgeschnitten
werden, da das Gregentheil barbarisch mid unnöthig ist.
Sind die Borken und Schuppen vollends erweicht und
bröckelig, so werden sie abgewaschen. Man benützt hiezu
gewöhnliche harte Haus- oder eine Toiletteseife beliebiger Art,
oder Schmierseife; am zweckmässigsten wohl, bei zarter,
empfindlicher Haiit, wie bei Kindern, flüssige Grlycerinseife,
bei Erwachsenen dagegen Spiritus saponatus kalinus Hebra;
letztere deshalb, weil sie Alcohol enthält, der das Fett gut
löst und wahrscheinlich auch auf den Tonus der Talgdrüsen
einen anregenden Einfluss übt. Derselbe wird nach folgender
Formel bereitet:
Rp. Saponis viridis 100 grammes
solve leni calore in spir. vini . 200 ,,
filtra et adde:
Olei lavand.
„ bergamott. aa . . . . 3 „
Mise, filtra. DS. Kali-Seifengeist.
Bei der Handhabung des Waschens bedient man sich
eines rauhen (Flanell-) Lappens oder eines sogenannten Frottir-
schwammes , auf den die flüssige Seife geschüttet , oder die
feste bis zum Schäumen gerieben wird , und benütze genügend
viel laues oder kaltes Wasser. Derart gelingt es sicher den
Kopf vollkommen rein zu bringen.
Am Schlüsse wird noch die Seife mittelst Uebergiessen
von lauem oner kaltem Wasser, oder durch Abdouchen voll-
ständig abgespült und der Kopf abgetrocknet.
Bei diesem Vorgehen bemerkt man, dass zugleich ein
grosser Theü der Kopfhaare sich ablöst und abfäUt , ja dass
manche Kranke, die vor der Abwaschung genügend reiche
Chevelure zu haben schienen, nunmehr fast kahl geworden
siad. Die Kranken, darüber erschreckt, sind sofort geneigt,
den Haarverlust den „zu starken" Mitteln zuzuschreiben. Sie
wissen, worirm es sich handelt. Durch den seborrhoischen
Process findet, wie ich schon früher bemerkt, gleichzeitig
Lockerung und Ausfallen der Haare statt. Sind ja viele FäUe
von Alopecie einzig auf Pityriasis capitis zurückzuführen.
Die ausgefallenen Haare nun sind durch die Fettmassen
Seborrhoea.
153
zusammen- und auf dem Kopfe festgehalten worden, eine wirk-
Hclie Haarfülle vortäitschend. In Wirkliclikeit sassen sie lange
nicht mehr in der Haartasche oder auf der Papille, und so ist
es selbstverständlich, dass sie mit und gleich den Krusten nur
Auflagerungen vorstellen imd mit dem Waschen entfernt werden
müssen. Um solchen Missdeutungen vorzubeugen, ist es ge-
rathen, die Kranken auf dieses bevorstehende Ereigniss , und
dass es in der Krankheit gelegen sei, noch vor dem Abwaschen
aufmerksam zu machen, zugleich aber ihr Zutrauen durch das
Versprechen zu erwecken, dass der Haarverlust sich rasch
wieder ersetzen werde, — ein Versprechen, das auch vollends,
oder wenigstens bis zu einem gewissen Grade sicherlich in
Erfüllung geht.
Die rein gewaschene Haut erscheint nun massig roth,
glänzend, und je mehr sie trocken wird, gespannt. Gegen die
liieraus entspringende unangenehme Empfindung, das ßissig-
werden der dünnen Oberhaut u.nd die Erneuerung von Sebum-
auflagerungen , schützt man den Kranken diirch Einschmieren
von Oel oder Pommaden, z. B. Olei olivar. 50, Bals. peruv. 1 ;
oder Ungu. emoll. 25, Oxyd. Zinci 0-50, Aqu. laurocer. 2-50
und Aehnliches.
Hat nach Verlauf mehrerer Tage die Oberhaut sich in
genügender Dicke regenerirt und die Haut ihre Empfindlich-
keit verloren, so muss noch durch mehrere Wochen der Haar-
boden mittelst Alcohols, Spir. vin. gaUic. cum Acid. carboHco
(Spii-. 100, Acid. carbol. 0-15, Glycerrhin. 1-50) gebürstet
werden, u. z. im Verhältnisse der sich neu erzeugenden Schup-
pen täglich, oder 2 — 3mal wöchentlich.
Da sowohl die Seifen als die Alcoholica die Oberhaut
stark entfetten, spröde und rissig machen, so ist es zweck-
mässig, von Zeit zu Zeit ein indifferentes Oel oder Eett , eine
beliebige Pommade einzuschmieren.
Diese Nachbehandlung kann wochen- und selbst monate-
lang nothwendig erscheinen.
Gegen Balanitis ist das blosse öftere Waschen , wie dies
oft beliebt wird, nicht zweckmässig. Besser ist das Eialegen
von in Poudre getauchter Charpie oder Streifen Leinwand,
und weim nässende, wunde Stellen zugegen sind, Einlegen von
Leinwandläppchen, die in adstringirende Lösungen oder Salben
getaucht sind, wie: ßp. Aeruginis 0"15, Aqii. font. 25; oder
Keimte Vorlesung.
Phimb. acetici basici 0-50, Arj,u. fönt. 30 ; oder Ung-u. emoU. 20,
Oxyd. Zinci 0-25.
Nachdem ich Iluien nun zunächst an dem Beispiele der
häufigst ziu- Behandlung sich darbietenden Form der Seborrhoe,
der des behaarten Kopfes , die Methode der örtlichen Behand-
lung ausführlich geschildert, darf ich mich bezüglich der anders
localisirten Seborrhoe, besonders der nicht behaarten Ivörper-
steUen, kürzer fassen. Ueberall ist Erweichung der Auflage-
rungen, Ablösen und Abwaschen und nachträgliche Anwendung
voii'^Alcoholicis mit zeitweiligem Waschen und Einsalben Be-
dingmig des Erfolges. Ueber die Modalitäten der Ausführung
werdeif OertUchkeit und Umstände entscheiden. So z. B. wird
man dicke Krusten des Gesichtes am raschesten entfernen,
wenn Oellappen oder mit Salbe bestrichene Elecke aufgelegt
und mit weniger imbibirbarem Stofi-e , ElaneU, fest nieder-
gebunden werden.
Auch die sogenannten Streupulver, Amylum, Talcum
venetum piüverisatum (Eederweiss) etc. finden hier ihi^e gele-
gentliche Verwendung, z. B. zum Einlegen zwischen Präputium
imd Glans, zum Bestreuen und Abwischen des mit Pommade
bestrichenen Gesichtes, da man doch nicht dieses fettglänzend
belassen kann, u. s. w.
Nicht anders sind die Grundsätze und Mittel, nach und
mit welchen die universeUe Seborrhoe bekämpft werden muss.
Ein mit Cutis testacea behaftetes Kind muss mit Oel oder
Schmalz energisch eingerieben, oder in mit blander Salbe be-
strichene Lappen eingehüUt werden, u. z. methodisch derart
dass die Extremitäten, die Zehenfalten, das Gesicht etc. init
gesonderten und angepassten Elecken eingewickelt und nutt^elst
Elanelllarve und FlaneUbinden eingeroUt werden. Ausserdem
noch wird das Kind behufs Conservirung seiner Körperwarme
in schlechte Wärmeleiter, Feder- oder Baumwollhimen gegeben.
Täglich wird dasselbe im warmen Bade mit Seife gewaschen
und nach dem Abtrocknen wieder mit Fett behandelt. _
Das Aehnliche geschieht bei Ichthyosis sebacea Erwach-
sener. Bei solchen kann zur Erweichung der Krusten der
Kranke durch einige Tage mittelst Schnüerseife oder Leber-
thran geschmiert und zwischen Wolldecken geleg-t, oder m
Flaneimeider gesteckt werden. Nach erreichter Erweichung
der Krusten folgt die Behandlung mittelst täglicher Bader.
Asteatosis cutis.
155
Abseifen, Douclieii mid abermaligem Einfetten, so lange, bis
die Haut ihre normale Bescbaifenheit erlangt bat.
In Anbetracht dessen, dass . manche locale Seborrhoe, be-
sonders die des Kopfes und des Gesichtes, diirch besondere
Ursachen bedingt sein kann, als welche ich namentlicli
chronischen Gastricismus xmcl Chlorose der Frauen betont habe,
muss neben der örtlichen Behandlung auch eiue gegen jene
Ursachen gerichtete, zum Theüe innere Therapie zur An-
wendung kommen. Amaricantia, wie Gentiana, ßheum, alka-
lische und eisenhaltige Mineralwässer, Ferrum etc. werden m
geeigneter Form neben diätetischen und klimatischen Behelfen
den 'kranken angerathen und von diesen durchwegs durch
längere Zeit gebraucht werden müssen, wenn der ßecidive der
Seborrhoe vorgebeugt M^erden soll.
Gegen die bei Scrophulösen und Tuberculosen zu beob-
achtende Seborrhoea sicca universaHs empfiehlt sieb der iainer-
liche Gebrauch von Leberthran, woferne nicht besondere Um-
stände denselben gegenanzeigen.
Ueber das von dem bisher besprochenen entgegengesetzte
Verhalten der Talgdrüsen, d. i. die verminderte Fett-
secretion, Asteatosis cutis, weiss ich nur Weniges
zu sagen. Die der physiologischen BeÖlung ermangelnde Haut
zeigt eüie trockene, rissige, gelegentlich auch feinschülfernde
Oberhaut, Pityriasis simplex. Idiopathisch und selbst-
ständig findet sich dieser Zustand selten. Zumeist ist er
Theilsymptom einer anderweitigen angeborenen Hautkrank-
heit, z. B. der Xerodermie, Ichthyosis, Prurigo .oder eines er-
worbenen Leidens, wie Elephantiasis Graecorum, Psoriasis,
Liehen ruber, ganz so, wie die Anidrosis ; darnach auch selten
universell, sondern auf grössere oder geringere Hautstrecken
beschränkt und dauernd, oder, wie die bezüglichen Hautkrank-
heiten, vorübergehend und wechsebid.
Häufig ist die Asteatosis cutis künstlich erzeugt, durch
den Einfluss solcher Agentien, welche der Epidermis dauernd
zu viel Fett entziehen. Dies ist der Fall diu-ch Seife und
Lauge an den Händen der Wäscherinnen, durch Chemikalien
bei gewissen Gewerbetreibenden. Die Flachhand bietet dabei eine
meist verdickte und spröde, unelastische und deshalb rissige
Oberhaut dar. Die Personen halten die Finger darum gebeugt,
^P^Q Nennte Vorlesung.
oder vermögen sie selbst passiv nicht ganz zu strecken. Leute,
die gewohnlieitsmässig mit kaltem, Kalksake und Salpeter _ ent-
haltendem („hartem") Wasser sich täglich am ganzen Korper
zu waschen pflegen, bekommen ebenfalls eine entfettete schul-
fernde, trockene Haut. Jucken und Eczem sind nicht selten
die Folge davon. ,
Dauer tmd Heübarkeit der Asteatosis cutis hangt von
der jeweiligen Ursache des Uebels ab.
Wir kennen kein Heilverfahren, durch welches die
Thätigkeit. der Talgdrüsen angeregt werden könnte ^eben
der Beseitigung der veranlassenden Ursache, der Heüung des
concomitirenden Hautleidens, der Vermeidung _ der die Haut
entfettenden Schädlichkeiten, fällt der Therapie nur noch die
Wgabe zu, der Oberhaut von aussen Fett zuzuführen, durch
Einreiben von Leberthran, Schweinefett etc. Da aber aUe
Fette, sobald sie ranzig werden, die Haut irritiren, so müssen
sie öfters wieder durch Seife und Bad entfernt werden. Em-
reibung mit Vaseline dürfte deshalb sich am besten empfehlen.
Wir haben uns nunmehr mit einigen interessanten Krank-
heitsformen der Haut zu beschäftigen, welche durch gestorte
Ausscheidung aus den Talgdrüsen entstehen Anomaliae
excretionis glandiüarum sebacearum, oder Formen der
Fettretention. Sie kommen dadurch zu Stande, dass das von
den Talgdrüsen abgesonderte Secret, Epidermis und Fett, nicht
nach aussen gefördert, sondern im eigenen oder im gemein-
schaftlichen Ausführungsgaiig, oder in der Drüse selbst zurück-
gehalten wird. Mit dem Secrete der Talgdrüsen werden ge-
legentlich auch die zxxv physiologischen Ab.stossung gelangten
Wollhärchen im Ausführungsgange Hegen bleiben. _
Die Mebei obwaltenden Verhältnisse sind mannigfach
zum Theü sehr complicirt, zum Theü aber auch ganz unaut-
^'^^Die einfachsten Verhältnisse sind die der m e chanischen
Störung der Ausscheidung. Wenn der gememschafthche
^usführungsgang des Haarbalges durch fremdartige Substan-
zen wie Theer, Staub verstopft ist, oder der Ausführungsgang
der' Talgdrüse durch Narben verödet, dann ist das Liegen-
bleiben des Secretes begreiflich. Es versteht sich auch dass
da unter solchen Umständen die Talgdrüsen eine Zeit lang
Fettreteution. Comedo.
157
nocli imgestört Epidermiszellen und Fett absondern, die zurück-
gehaltenen Producta niechaiüsch den Ausfülirungsgang und die
Drüse ausdehnen und hierdurch, so wie durch chemische Um-
wandlung ii-ritirend auf die Talgdrüse wirken, dieselbe zu
üppigerer Proliferation und zur Entzündung veranlassen können.
Das wären also die einfachen ßetentionsformen aus
mechanischer Ursache bei v e r s c h 1 o s s e n e m A u s f ü h r u n g s-
gange, wie Theer-Comedonen , ]\Iilium in der Nachbarschaft
von Narben, manche Atherome.
Es kommen aber auch dieselben Eormen bei offenen
Ausführungs wegen vor. Da bleibt denn aiichts anderes
übrig, als eine qualitative Veränderung des Talgsecretes
als Ursache seiner Eetention anzunehmen, was um so eher
gestattet ist, als thatsächlich \mtev solchen Verhältnissen die
eino-eschlossenen Massen eine bedeutende chemische Differenz
p-ea-enüber dem normalen Drüsensecrete aufweisen, wie bei
Müium und Molluscum sebaceum.
Anstatt nämlich, wie physiologisch, eine fettige Umwand-
lung einzugehen, verhornen einmal die von der Drüse abge-
sonderten Zellen, gleich denen des ßete, wie im gewöhnlichen
Milium, oder sie degeneriren colloid, wie im Colloid-Milium,
oder amyloid, wie im Molluscum contagiosum. Beide Zustände
verhindern, dass die secernirten Zellen zerfallen und ausge-
stossen werden.
Doch bleiben wieder andere Verhältnisse, wie gesagt,
ganz dunkel.
Die vom dermatologischen Standpunkte hier vorzugsweise
in Betracht kommenden Formen sind Comedo, Mitesser,
Milium s. Grutiim, Hautgries und Molluscum verru-
cosum s. sebaceum, s. contagiosum; Atherom, Chole-
steatom, Cryptolithen sind besser Gegenstand der
Chirurgie.
Comedones, Mitesser (Acne punctata), sind nadelspitz-
bis stecknadelkopfgrosse, schmutzig-weissgelbe bis braune luid
schwarze Punkte der Haut, welche den freien Drüsenmündiin-
gen entsprechen. Sie stellen das zu Tage liegende Ende eines
den gemeinschaftlichen Ausführungsgang ausfüllenden Pfropfes
dar. Sie ragen nur selten mässig über das Hautniveau empor.
Bei seitlich angebrachtem Drucke drängt sich der Pfropf durch
die Mündung, wie durch eine Spritze getriebene Butter, in.
^-j^ Neunte Vorlesung.
Gestalt eines gesclüängelten Körpers. Mit dem von Sclinmtz
dunkel gefärbten oberen Theile, gleicbsam dem Kopfe, erscheint
derselbe einem Wurm älinlicli. Daher die Vorstellung von
einem THerchen xmd die banale Bezeichiitmg : Mitesser.
Der gewöhnliche Standort der Comedonen ist die Haut
der Stirne, Nase, Schläfe, Brust und des Rückens, an welchen
Oertlichkeiten sie bisweilen in enormer Zahl sich etabUren,
disseminirt oder zu Häufchen, oder selbst zu warzenähnlichen,
höckerigen Massen gedrängt (Sebumwarzen, Hebea; Comedonen-
scheibe, Ribbentrop) ; doch finden sie sich auch an anderen
Körperstellen, besonders auf der Haut des Penis.
Einzelne Mitesser kommen gelegentlich bei jedem Men-
schen vor. Nach kürzerem oder längerem Bestände wird der
Pfropf lose imd durch das nachschiebende Secret, oder durch
mechanischen Druck und Reibung beim Waschen nach aussen
befördert. Die Drüsenmündung sieht man durch einige Zeit
klaffend Viele und habitueUe Mitesser bilden eine lastige
und entsteUende Krankheit. Obgleich auch hier die einzelnen
Comedonen ausgestossen werden, erscheint doch das Leiden
durch fortwährendes Wiederauftauchen neuer und durch liire
absolute Menge stationär und auffällig.
Als solches entwickelt es sich in der Regel zur Puber-
tätszeit männlicher und weibHcher Personen, und besteht es
bei ersteren oft bis in die 20er, 30er Lebensjahre, wahrend es
bei letzteren gewöhnlich früher erlischt. Es ist häufig mit
Seborrhoea oleosa faciei vergeseüschaftet und fühlet eben so
oft zu entzündlicher Acne, in Eolge des Reizes, _ welchen die
in der Talgdrüse zurückgestauten Secrete auf jene und die
sie umgebende Cutis ausüben.
Insoferne ist auch die Ursache für Comedonenbildung
zum Theüe dieselbe, wie für Seborrhoea faciei (Chlorose,
Cachexie). Gelegentliche Ursachen sind Verstopfung der Drusen-
mündungen durch Theer und Schmutz beim Aufenthalte m
mit solchen Substanzen geschwängerter Atmosphäre (Theer-
fabriken), so wie das Unterlassen der gehörigen Hautreinigung
mittelst Seife und Waschen bei bestehender copioser i^ett-
secretion.
Für die ausserhalb dieser Verhältnisse entstellenden Co-
medonenbildung ist nur schwer ein plausibler Grund anzu-
Comc(li).
151)
o-ebeu. Am näclisten liegt es , denselben in den anatonaischen
Verhältnissen zu suchen.
Der Comedo besteht aus einer peripheren, aus epidermoi-
dalen Zellen zusammengesetzten Hülle, welche eine Hasse um-
scUiesst, die aus Fett (Cholestearin) , fetthaltigen und zer-
bröckelten Epidermiszellen , sowie einlagernden (3—12) Woll-
härchen gemengt ist. In alten, eingedickten, trocken-brüchigen
Comedo-Pfröpfen habe ich häufig solche Körper gefunden, wie
sie dem Moluscum als eigenthümlich zugeschrieben werden.
Extrahirt man das Eett mittelst Alcohol und Terpentin, so
bleiben nur die Härchen und epidermoidale Elemente, beson-
ders aber der periphere Theil des Mitessers, in Grestalt einer
tulpenartigen Hülse zurück. Die die letztere zusammensetzen-
den Zellen stammen von der Schleimschicht des Ausführungs-
ganges und von Resten der Wurzelscheide, die Bestandtheile
des Comedo-Innern , die WoUhärchen ausgenommen , aus den
Talgdrüsen.
Nebstdem findet sieb sehr oft der von Gr. Sbion entdeckte
Acarus foliculorum, eiae achtbeinige, mikroskopisch erkemabare
Mübe, die aber mit der Genese des Comedo nichts zu thun hat.
Als anatomischer Sitz des Comedo erscheint nach diesem
Befunde, sowie dem klinischen Ansehen, der Ausführungsgang
der Talgdrüse, oder der gemeinschaftliche Ausführungsgang
dieser und des Haarbalges, je nach der verschiedenen Oert-
Hchkeit.
Dort nun, wo vorwiegend der Sitz von Comedonen ist,
Stirne, Nase, Rücken etc. gleichzeitig der Standort von La-
migohaaren, ist das Verhältniss, wie es Biesiadecki besonders
anschaulich gemacht hat, derart, dass die Talgdrüsen mit
weitem Ausführungsgange frei zu Tage münden. Die Haar-
follikel bilden einen Anhang der Talgdrüsen rmd münden in
einem stumpfen, ja bisweilen in einem rechten "Winkel in den
Ausführungsgang der Talgdrüse, so dass das aus dem Haar-
balge kommende Haar mit seiner Spitze an die gegenüberliegende
Wand des Ausführungsganges anstösst , ja manchmal nach ab-
wärts sich rollt (Eig. 14, Biesiadecki). Dasselbe mag so aiif
diese Stelle irritirend wirken und eine Proliferatiou des den
Ausführungsgang auskleidenden Epithels bewirken, wodurch die
den Talginhalt umschliessende Hülle zu Stande kommt. Dass
die Comedonenbüdung gerade in der Pubertätszeit aufzutreten
i
IGO
Neunte Vorlesung.
Fig. w.
Durclisclinitt eines Comedo.
j„,v, Afitpa^pv erfüllt. In diesem zwei Woll-
ela; dam Hiuiv d »«JJ^J fJümmt .iol bei / B.cli «bwail..
^flert wäre auch Uemit erHärt. Denn um diese Periode
St J bekanntlich ein lebhaftem- Haarwuchs em. D e
Smloharchen werden rascher erzeugt und abgestossen ah-
T die ans dem Follikel wachsenden Härchen imtirend wir-
ken g Cu™ e im physiologischen Haarwechsel von der
Papffl? abgestossenen, älteren Härchen m den werten Ta g-
IXen-Ausl«aug und ^^J^^^^,^^^
von ZeUen, ZeUentrümmeru imd Fett liegen, J^estaii
des ^0^^^ "^^ß'^^l B den Extreinifäten , .vo
An anderen ^^^^f ' "^f^/^ie Talgdrüsen in den
das VerMltniss unigekelirt ist, so dass aie x ^„.„teren
T Jfnllilcel münden, ist der Ausfülirnngsgang des letzteien
HaartoUikei ninnueu, o-ele"-entliclien
für beide gemeinscliaftlicli und der Sitz eines geie^e
Comedo.
Milium.
161
Dass mechanisclie Verstopfang des Ausfüliruugsganges
durch Theer, Schmutz etc. zur Entstellung von Mitessern An-
lass geben kann, ist selbstverständlich und bereits erwähnt
worden.
Ich bin aber auch geneigt für aUe diese Vorkommnisse
eine Verminderung im Tonus der Wand des Ausführungsganges
zu beschuldigen. • j tp j.
Die Behandlung der Comedonen besteht m deren Jl^nt-
fernung. Man bewirkt dies durch einfaches Ausquetschen
mittelst der beiden Daumennägel, oder bedient sich hiebei des
von Hebra angegebenen sogenannten Comedonenquet-
schers. Derselbe steUt ein 4 Ctm. langes, konisches Metall-
röhrchen vor, dessen schmales Ende eine stumpfe Krampe, dessen
oberer Theü zwei Oesen seitlich trägt. Man drückt dasselbe
in raschem Tempo mit dem schmalen Ende senkrecht über je
einen Comedo auf die Haut und macht diesen derart in die
Höhle des ßöhrchens hervortreten. Nebstdem verwendet man
noch die gegen Seborrhoe früher empfohlenen Mittel : Seifen-
waschungen, Einpinselungen mit Alcoholicis etc., um die Eett-
secretion zu mindern und den Tonus der Drüsen anzuregen,
so wie weiters jene Verfahrungsweisen , welche gegen Acne,
die ja mit Comedonen zugleich vorzukommen pflegt, sich nütz-
lich erweisen und später zur Sprache kommen werden.
Das Milium s. Grutum, der Hautgries, stellt ein
anatomisch einfacheres Gebilde vor. Dasselbe bildet grieskorn-
bis stecknadelkopfgrosse, gelbKch- bis milchweisse, in die Haut
eingestreute, oder etwas emporragende, durch die Oberhaut
durchschimmernde, derb anzufühlende, rundHche, kugeKörmige
Körperchen.
Ihr Hauptstandort ist die zarte Haut der Augenlider
und deren nächster Umgebung , Wange und Schläfe; nächst-
dem der Lippensaum; an den männlichen Genitalien Penis
und Scrotum, besonders aber der Eichelkranz, welcher von
Miliumkörnern manchmal ganz eingesäumt ist ; und endlich an
den weiblichen Genitalien besonders die innere Eläche der
kleinen Schamlippen.
Ritzt man mittelst eines feinen Messers die Haut über
einem Miliumkorn , so blutet die SteUe mässig und man kann
Kaposi, Hautkrankheiten.
1^^^^2 Neunte Vorlesung.
das Körperchen als Ganzes mit den Danraennägeln aus seinem
Neste lieransqnetsclien, oder mit der Spitze des Bistouris lier-
auslieben. Es hängt manchmal mittelst eines dümien Stieles
an der Haut (dem Haarbalge) fest, der erst abgerissen werden
muss. Das Körperchen ist rund, kugeHg oder feingelappt,
glatt und kann leicht zerquetscht werden, wobei es schollig
zerklüftet. Es besteht aus einer einfachen oder gelappten
peripheren HüUe, einem feinen Häutchen und einem Inhalte
von trockenen EpidermiszeUen , welche um einen centralen,
epidermoidalen und Eett enthaltenden Kern zwiebelschalen-
artig angeordnet sind, also eine Epidermiskugel darsteUen, me
die sogenannten Cancroidkörperchen. Nur dass in letzteren
proliferirende Zellen vorhanden sind.
Djis Milium besteht aus einem einzigen, oder mehreren
Talgdrüsenläppchen einer oberflächlich gelegenen Drüse und
hat deshalb immer eine dünne Schichte des Corium mit seinen
PapiUen und das Rete über sich, die also erst eingeschnitten
werden müssen, wenn dasselbe herausgeholt werden soU. Es
kommt dadurch zu Stande, dass das oder die Läppchen von
der in ihrem Innern sich aufhäufenden Epidermis ausgedehnt
werden. . .
Die Ursachen einer solchen Ansammlung von Epidermis-
zeUen und Ausdehnung der Drüsenläppchen mögen verschiedene
sein. Bei dem auf gesunder Haut entstehenden Mümm und bei
offenem Ansführungsgang ist keine Veranlassung, eine mecha-
nische Störung für die Ausscheidung des Drüsensecretes anzu-
nehmen. Es scheint, dass hier eine chemische Störung statt-
findet, indem die producü^ten ZeUen statt sich fettig zu um-
wandeln und sodann zu zerfaUen, was für ihre Ausscheidung
günstig ist, einfach verhornen , wie die Zellen der Epidermis,
und deshalb liegen bleiben.
Ein gleicher Grund scheint in manchen oberflächlichen
Entzündungsprocessen der Haut gegeben zu sein. Wie B.^REN-
SPBTmG, haben nämHch auch Hebba und ich einmal wahrend
des Ablaufes von Pemphigus bei einem Manne, und ich noch
einmal bei einem sechsjährigen an Pemphigus leidenden Kinde
an den SteUen, wo Pemphigusblasen abgeheilt waren imd
endlich ich noch einmal bei einem Manne nach Ablaiü von
Rothlauf viele hundert, binnen Kurzem entstandene Müium-
kömer gesehen, welche z. B. am Arme und auf der Haut des
!JIilium.
163
Bauches in zievliclien Grnippen imd Kreisen angereiht waren.
Sie haben in diesem Falle nach vielen Wochen theüs sich
exfoHirt, theils mögen sie auch weiter verblieben sein.
Dagegen ist eine rein mechanische Ursache für die Ent-
stehxma- jener Müinmkörner anzusprechen, welche am Saume
von Hautnarben zu entstehen pflegen, mögen diese von Lupus,
Syphilis oder Verbrennung herrühren. Hier werden offenbar
einzelne Drüsenläppchen durch die Narbenstränge vom Aus-
führvmgsgange abgesperrt und derart in ihi-er Höhle die eine
Zeit lano- ungestört secernirten Zellen aufgehäuft.
GefegentHch kann aber auch bei in den Haarbalg ein-
mündenden Talgdrüsen das Milium eine cystenartige Aus-
sackung des Haarbalges, eben jener EinmündungssteUe ent-
sprechend, büden. Ja VmcHOW und Rindfleisch geben aus-
drücklich die Haartasche als Sitz des Milium an, ersterer
dessen Mündung, letzterer aber sogar den Fundus. Das Letztere
dürfte doch nicht ganz richtig sein, mit Rücksicht auf das
über den Standort des Milium und seine Entwicldungsweise
eben Gresagte.
Als anatomisches Curiosum erwähne ich noch das ^ von
E. Wagner im Jahre 1866 beschriebene Colloid-Milium,
das er bei einer 54jährigen Frau vorgefunden hatte. Stirne,
Nase und die nachbarliche Wangen- und Schläfehaut waren,
besonders die erstere, mit Längs- und QuerwiÜsten besetzt,
auf deren First zahlreiche , hirsekorngrosse, derbe , bläschen-
artig schimmernde Knötchen sassen. Dieselben konnten durch
den stärksten Druck nicht zum Bersten gebracht werden. Erst
nachdem die über ihnen Hegende Hautschichte eingestochen
worden, trat ihr Inhalt als blassgelbliche, homogene, matt-
glänzende, durchscheinende, an festes CoUoid gemahnende
Masse hervor. Nach Wagnbr's Auffassung lagen hier MiHen
vor, deren Epidermis-Inhalt durchwegs coHoid entartet war.
Es fanden sich keine erkennbaren Epidermiszellen vor , wohl
aber einzelne zarte Härchen.
Zur Behandlung des Milium wird man besonders von
weiblichen Kranken veranlasst , deren Antlitz , namentlich bei
zartem weissen Teint, durch eine grössere Menge von ein-
gelagertem Hautgries allerdings verunziert wird. Das beste
Mittel besteht darin , dass man der Reihe nach über jedem
einzelnen Knötchen die Haut mit der Spitze eines feinen
11*
Neunte Vorlesung.
Bistouris genügend tief einritzt und die Milien sodann lieraus-
quetscht. Die Ritzstellen bluten wenig und verheilen spurlos.
Bei acuter und massenhafter Entwicklung von Milium,
wie die hei PempHgus und Rothlauf geschilderte, hahe ich
durch Auflegen von Schmierseife Röthung und massige Ent-
zündung der Haut hervorgerufen , in deren Folge die Milien
sich rasch exfoHirten. Daraus schliesse ich um so sicherer,
dass in diesen FäUen die Communication zwischen Milium-
läppchen xmcl Ausführungsgang frei war. Denn bei Ver-
ödung dieser Verbindung würden dieselben sich höchstens mit
der Zeit durch Atrophie der über ihnen liegenden dünnen
Coriumschichte ausblättern können.
Ich führe nun noch das sogenannte Molluscum conta-
giosum als hieher gehörige pathologische Form an, über
dessen BegrifP noch ziemliche Verwirrung herrscht
Ich meine zunächst dasjenige Gebüde, welches der Schopfer
dieses Namens, Bateman, ursprüngHch als solches angeführt
hat Das sind in der Haut gelagerte, oder über diese hervor-
ragende, kugelige Gebilde von einiger Transparenz ziemkcher
Härte, glatter Oberfläche , breit oder gestielt aufsitzend und
mit einer kaum merklichen Oeffiinng versehen, durch die ein
milchig trüber Inhalt der Knoten herausgepresst werden kam.
Sie kommen einzeln, zu mehreren und sehr vielen vor, insbe-
sondere untermischt mit Acne und Comedonen. Dieselben
steUen zweifeUos ausgedehnte, von verflüssigtem Fett- und
Epidermisbrei erfüllte, cystenartig degenerirte Talgdi'usen vor
deren Wandung oft deutlich verdickt, deren Oeffnung verödet
oder sichtbar, selbst für eine Sonde passirbar ist, also Drusen-
balggeschwülste. t i ix j i,
Sie contrahiren sich entweder, nachdem ihr Inhalt durch
Auspressen, oder nach Function ein- oder melireremals entleert
worden. Andere können erst nach erfolgter Spaltung dui-ch
Eiterung zur Verödung gebracht werden. Noch andere smd
nicht anders, als durch Ausschälen des Balges zu beseitigen.
„Contagiosum" hat Bateman dieses Molluscum genannt,
weil er dasselbe bei mehreren in gegenseitigem Verkehr ge-
standenen Personen gleichzeitig beobachtet hatte und so ver-
muthete, dass es contagiös sei.
Molluscum contagiosum.
165
Seit den 20er Jahren ist aber vielfach, ja fast ausschliesslich
ein etwas anders aussehendes Gebilde als MoUuscum contagio-
sum aufgeführt worden.
Dasselbe erscheint auf der Haut in Gestalt von Stecknadel-
kopf- bis erbsengrossen, rundlichen, halbkugeligen, kugeligen,
emporo-ewölbten, weiss schimmernden, beinahe transparenten,
zuweüen von einem schmalen rothen Saum eingefassten, warzen-
ähnlichen Hervorraginigen oder kleinen GeschwiUsten. Die
grösseren zeigen in der Mtte eine dellenartige Vertiefuag,
welche iinverkennbar der Eonikelmündung entspricht. Sie sehen
derart den Efflorescenzen der YariceUa sehr ähnlich, mit denen
sie auch gerne verwechselt werden.
Quetscht man ein solches Gebilde zwischen beide Daumen-
uägel, so tritt das ganze Körperchen aus seinem Bette und
hinterlässt eine seichte Grube , deren Oberfläche ziemlich stark
blutet Dasselbe besteht' aus mehreren runden, glatten, weissen
Läppchen, die an einem kurzen Strange zu einem Traubchen
verbunden sind. Zwischen den Fingern zerreibt sich dasselbe
erst nach Berstung seiner strammen HüUe. Dann bekommt man
eine breiig-blättrige Masse, die sich unter dem Mikroskope als
fein vertheilte, platte Epidermiszenen, Eettkügelchen und ±ett-
krystalle darsteüen. Ausserdem finden sich grosse, eiförmige,
kernlose eigenthümlich mattglänzende Körper, theüs frei, theils
eine EpidermishiiUe ausfüllend, oder zum Theüe in einer solchen
steckend, zum anderen Theile nackt aus ihr hervorlugend
(Fig. 15). Diese Körperchen hat man
in den letzten Jahren als „M ollu s-
cumkörp erchen" bezeichnet und
eingehend studirt, weil man, seit
Henderson und Paterson auf die-
selben aufmerksam gemacht hatten,
vielfach der Meinung war, ^ass sie
ein dem Molluscum eigenthümliches
und charakteristisches Yorkommniss jj^uuscximkörperclien."
vorstellen und die Träger der An-
steckung seien , die man ebenfalls_dem Gebilde zuschrieb —
beides aber fälschlich, wie ich in einer besonderen ArBeiF dar-
gethan zu haben glaube.
Die geschilderten warzen- oder pockenähnlichen Gebilde^,
kommen ziemlich häufig zur Beobachtung. Sie finden sich am
j^Qß Neunte "Vorlesung.
Penis und Scrotuni, an den Labien, wesbalb sie aucli mit Tripper
in Beziehung gebracht worden sind; weiters am Stamme, an den
Extremitäten, u. z. vorwiegend auf der Beugeseite, im Gesichte,
am Halse, am Nacken, einzeln oder in grösserer Zalü zu 20,_ 50,
100 und darüber in den verschiedensten Grössen, dissemnnrt
oder steUenweise dicht aneinander gedrängt.
lieber ihre Entwicklung weiss man nicht viel zu sagen,
da sie meist unvermerkt erscheinen. Ihr Bestand ist chronisch,
durch Wochen, Monate oder Jahre. Viele bilden sich vom
kleinsten Umfange zurück und verschwinden. Die grossen
werden gelegentlich zerkratzt und faUen unter Blutung ihrer
Basis aus. Andere werden durch schmerzhafte Entzündung
und Eiterung ihrer Umgebung ausgestossen und hinterlassen
eine Narbe . was namentlich bei Localisation im Gesichte imd
bei Mädchen nicht gleichgiltig ist. Andere können, wie gesagt,
jahrelang unverändert fortbestehen.
Weder Jucken noch Schmerz ist mit ihrer Gegenwart
verbunden, die einzelnen in Entzündung begriffenen ausge-
nommen.
Bei Kindern sind sie häufiger als bei Erwachsenen.
Eczem, Prurigo, starke Schweisse, Maceration der Haut
scheinen zu ihrer Entstehung Anstoss zu geben. Unter solchen
Umständen haben ich und Andere auch acute Entwicklung
derselben über grosse Hautstrecken beobachtet.
Wie vielfach dieses Gebilde gedeutet wurde, kann man
schon aus der Menge von Namen ersehen, die neben M. conta-
giosum demselben gegeben worden sind, als subcutanes und
endocystisches Condylom, Condyloma porcelaneum, Sebiunwar-
zen (Hebra), Molluscum epitheliale (Viechow), Acne varioh-
formis (Bazin).
Die Idee von der Ansteckungsfähigkeit dieser Warzen
wird noch vielseitig behauptet und ist dadurch erregt und
wach erhalten worden, dass man wiederholt, so auch ich
selber bei mehreren Personen, besonders Kindern, die m gegen-
seitigem innigen Verkehr gestanden, contemporär dieselben
entstehen gesehen. .
Man hat sich aber noch weiter auf die anatomischen
Verhältnisse des Molluscum in dieser Beziehung stützen zu
können geglaubt, aber mit Unrecht. Denn es erweist sich,
dass die Molluscumwarzen nur von einem verdickten und eigen-
Mollusciun contagiosum.
167
thünilicli veränderten epitlieloiden Inlialt erfüUte, ausge-
delinte Talgdrüsen sind, so selir auch Manche sich Mühe
gegeben haben sie aus Wucherung und lappigem Auswachsen
der Retezellen, oder der Auskleidungszellen des Ausführungs-
gano-es zu erklären. Auf dem Durchschnitt zeigen sie wie
aUe'^Talgdrüsen einen lappigen . Bau , eine Begrenzungswand,
die nach der Höhle Septa sendet , und einen geschichteten
Inhalt. Dieser besteht peripher aus Enchymzellen und mehr
nach der Mitte fortschreitend aus Zellen, deren Protoplasma
anivloid entartet ist. Dies sind die früher erwähnten
„MoUuscumkörper«, welche die Träger der Ansteckung sein
soUten. Am aUerwenigsten hat man Grund, sie für Püze,
oder eingewanderte Gregarinen (Bollinger) anzusehen. Auch
kommen solche Körper überall vor, wo Epithel lange liegen
bleibt, in Epitheliomen, in alten Coniedonen u. A.
Es ist aber auch weiters weder casuistisch, noch experi-
menteU , die Uebertragbarkeit der Molluscumwarzen beweis-
ki-äftig dargethan worden. Deshalb halte ich mit Hebra und
den meisten Klinikern und Anatomen dieselben auch nicht für
ansteckend und ihren Beinamen „contagiosum" für ungerecht-
fertigt.
Sie bilden mit den früher geschilderten Balggeschwülsten,
dem ursprünglichen M. contagiosum Bateman, ein und dieselbe
Erkrankungsform und beide kommen auch gemengt vor. ^ Sie
sind beide Eetentionsgeschwülste der Talgdrüsen und heissen
besser nach Hebra Molluscum sebaceum. Nur schlage
ich zur klinischen Unterscheidung vor, die cystenartigen M.
atheromatosum, die zuletzt geschilderten, warzenförmigen
M. verrucosum zu nennen.
Die Behandlung der Molluscumwarzen ist eine mecha-
nische. Die einzelnen Warzen werden mit den Daumennägeln
herausgequetscht, was das praktischeste ist, oder mit dem
scharfen Löffel herausgekratzt. Die stark blutenden Wund-
stellen werden mit Charpie bedeckt und verheilen rasch. Sind
viele Mollusca dicht aneinandergedrängt auf einer ausgebrei-
teten Hautregion vorhanden, so kann man auch durch Auf-
legen eines Umschlages von Schmierseife Schrumpfung und
Exfoliation derselben veranlassen.
TV. Olasse.
Exsudationes.
Durch Exsudation und Entzündung bedingte Hautkrankheiten.
Zehnte Vorlesung.
Allgemeines über Exsudation und Entzündung.
Exsudation und Entzündung inn Allgemeinen, die Zellentheilung, ihre Be-
ziehung zu jenen und zu den stabilen und eingewanderten Form-
elementen. Symptome der Exsudation und Entzündung an der Haut.
Verlauf und Ausgang derselben. Resolution, Eiterung, Hypertrophie,
Atrophie, Degeneration.
Meine Herren! Ich gehe daran, Sie mit einer Serie
von Hantkrankheiten bekannt zn machen, die, wegen ihrer
vorwaltenden Häufigkeit, Sie von allen Dermatosen zumeist in
Ihrem praktischen Berufe beschäftigen werden.
Ausserordentlich verschieden nach Ansehen, Verlauf, Ur-
sache und Bedeutung wurzeln sie doch aUe in einem gemein-
schaftlichen pathologisch-anatomischen Grrunde, in dem der
Exsudation und Entzündung, Sie stellen Exsudativ-
oder Entzündungsprocesse xaT' e^oj^viv dar. Wir müssen uns
demnach zunächst darüber verständigen, was diese Processe
in der Pathologie im Allgemeinen und was sie für die Haut
im Besonderen bedeuten.
Sie wissen, dass die Vorstellung von der Entzündung
von jeher die medicinischen Studien beherrscht oder besonders
beschäftigt hat. Die Haut war es, von welcher man ihre
Erscheinungen am frühesten abgelesen hat, wie ihre traditio-
nelle Charakteristik als: Rubor, Calor, Turgor, Dolor
Allgemeines über Entzündung.
169
etFunctio laesa bezeugt, luicl ans der an der lebenden,
entzündeten Haut gemacbten 'Wahrnebmung wurde die Vor-
steUimg von der Entzündung aucb auf die inneren Organe
übertragen.
Zwei Jahrtausende bindurch war man darauf bescbränkt,
das Wesen dieser Erscbeinungen nicbt anders als speculativ
zu beleuchten. Erst die patbologiscbe Anatomie fübrte dabin,
in den materiellen Veränderungen der entzündeten Gewebe
selber aucb das Wesen des entzündlichen Vorganges aufzu-
suchen.
Bis in die 50er Jahre nun hat der grosse Meister dieser
Doctrine, Rokitansky und seine Schule das in entzündeten Gre-
weben vorfindliche Exsudat als wesentlichstes anatomisches
Symptom der Entzündung angesehen und den exsudativen
Process selber gleichbedeutend mit Entzündung.
Die Letztere betrachtete man als eingeleitet durch eine
Circulationsstörung, welche als Hyperämie begami, bis zur
Stase des Blutes sich steigern sollte, und sodann zum Aiis-
tritte von Exsudatflüssigkeit — zur Exsudation — führte.
Die Exsudation bezeichnete die Ahme des Entzündungs-
processes.
In dem eigentlichen Exsudate oder dem Entzündung s-
producte vorgefundene Formelemente, Zellen, Kerne, „Exsu-
datkörper chen" (Eiter, Corps pyoides) Hess man aus dem Plasma
der Exsudatflüssigkeit, gewissermassen per generationem aequi-
vocam, sich entwickeln.
Allein es wurde zugleich gelehrt, dass „diese sämmtlichen
Elemente keiner weiteren Entwicklung fähig sind".
Von dem Exsudate unterschied man in zweiter Eeihe als
Befund in dem entzündeten Grewebe die entzündliche Neu-
bildung, die G-ewebs Vegetation, die Fleischwärzchen-
bildung. Sie war nicht mehr als Attribut des entzündlichen
Vorganges selbst, sondern als dessen Folge hingestellt. Die
Entzündung selbst hatte mit der Exsudation ihr typisches
Ende erreicht. Die Grewebsvegetation war nur auf Anregung
der Exsudatflüssigkeit, oder durch die Verwendung des über-
mässig vorhandenen Plasma aus den präexistenten Bindegewebs-
elementen (auch Grefässen) hervorgegangen; und stellte dem-
nach nur eine Folge, einen „Ausgang" der Entzündung vor.
Die Eiterelemente, deren Entwicklung die entzündliche
^rjQ Zehnte "Vorlesung.
Gewebsvegetation (Graniilationsbildung) begleitete, mirden,
wie die entspreclienden Elemente des ursprünghclien Exsudates,
aus einem neuerlichen Exsudate hergeleitet, welches aus den
mit der Granulationsbildung gleichen Schrittes vorrückenden
neuen Blutgefässen ausgetreten war, und dieselben aus sich
erzeugen soUte.
Man sieht, dass der Entzündungsprocess , den man auf
der einen Seite mit der ursprünglichen Exsudation enden liess,
auf der anderen Seite wieder fortgesetzt gedacht wiu'de, indem
ia die Eiterbildung der Granulationen aus einem neuen Exsu-
date entstehen soUte, Exsudation aber nur meder Product
einer Entzündung sein konnte. _
Mit der Erfahrung, dass den stabüen Bmdegewebs-
elemen.ten eine Proliferationsfähigkeit zukomme, und mit
der auf dieser Erkenntniss durch Virchow aufgebauten ZeUen-
theorie(Cellular Pathologie) war die bisherige Bedeutung
■der Exsudation in den Hintergrund gedrängt. Die m den
entzündeten Geweben vorfindliche Neubildung von Formelemen-
ten (ZeUen, Eiter) und bleibenden Geweben wurde aus der
ProHferation der Bindegewebskörperchen hergeleitet. Zwar
konnte das Exsudat, d. i. dessen flüssiger Bestandtheil mcht
übersehen werden, und eben so wenig, dass es aus den Blut-
gefässen herstamme. AUein dessen Austritt war nicht diu'ch
die Gefäss- oder Herzaction erklärt, sondern es sollte dui'ch
die proliferii^ende Vegetation der Gewebselemente zum Aus-
tritte veranlasst werden (Viechow).
Man zwang sich demnach geradezu den Blick von den
Vorgängen in den Gefässen, von der Circulationsstörung imd
deren unmittelbarer Consequenz, der Exsudation, ab-, um ihn
ausschliesslich den Vorgängen in den Gewebselemeiiten selbst
zuzuwenden. ^ ,
Die Aufmerksamkeit der Histologen wurde auch eine
Zeit hindurch durch eine Reihe von neu entdeckten Erschei-
nungen an die Vorgänge in den Geweben selbst gefesselt.
Zunächst durch die Entdeckung Recklinghausen s der ande-
runc der EiterzeUen (ExsudatzeUen). Weiters diu-ch den Nach-
weis von Cohnheim , dass während des Entzündungsprocesses
Schaaren von weissen Blutkörperchen aus dem Lumen der
Gefässe durch deren Wandung hindurchpassiren und in aie
Gewebe auswandern. Schon früher hatte Stricker gezeigt,
Allgemeines über Entzündung. 171
dass bisweilen einzelne r o t Ii e Blntkörperclien auf diesem Wege
Äwvch die Grefässwand liindurcli den Gefässraum verlassen, wie
■Waller solches für weisse Blutkörperchen.
Die Entdeckung Cohnheim's von der massenhaften Aus-
wanderung der weissen Blutkörperchen war identisch mit dem
Nachweise einer unerschöpflichen QueUe für die Herkunft der
Eiterzellen. Weisse Blutkörperchen, Eiterzellen, Exsudat-
körperchen sind von einander nicht unterscheidbare , demnach
als identisch aufziifassende Elemente. Dadurch ward auch die
Lehre VmcHOw's in's Schwanken gebracht. Der eigentliche
Nachweis, dass die Bindegewebskörperchen sich theilen xind
die EiterzeUen aus sich herausbüden, war ja von YmcHOW
gar nicht geHefert worden. Die Auswanderung der weissen
Blutkörperchen per Diapaedesin konnte aber Jedermann unter
dem Mikroskope verfolgen. Viele Helten sich demnach lieber
an das Neue, was zugleich positiv und unbestreitbar erscHen.
Die Thatsachen häuften sich alsbald in überraschender
Weise an Zahl und meritorischer Bedeutung.
Dui-ch gründliche Untersuchungen ward dargethan , dass
die EiterzeUen durch endogene Bildung sich vermehren. Weiters,
dass auch die Epithelien durch endogene Zeugung EiterzeUen
hervorbringen, so wie durch TheUuiig ihrer Kerne und ihres
Protoplasma sich vermehren (Buhl, Rindfleisch , Osee, u. ^ A.).
Eerners , dass Auswanderer (WanderzeUen) aus dem Binde-
gewebsraume bis in die EpitheUalscHchten vordringen können.
Die von und seit Cohnhem angezweifelte Proliferations-
fähigkeit der Bindegewebskörperchen ward von Mecklinghausen
und in unzweifelhafter und eingehender Weise neuerdüigs von
Stkickee-Noeeis (für Hornhautkörper und Bindegewebskörper
der Zunge) dargethan. Die ZeUtheilung in entzündeten Geweben
wurde weiters der Reihe nach für die Muskelelemente, Nerven-
zellen und die Elemente der Gefässwand, für Knochen und
Sehnen etc. erwiesen.
Kurz, die Beobachtung lehrte, dass die lebenden Elemente
zum, Theil bewegungsfähig sind, zum Theil es werden können,"
imd dass sie weiters keimen und sprossen und proliferiren.
Nicht diese allgemeine ZeUenproliferation als solche war
es, durch welche die klinische Doctrine in die ärgste Schwebe
gerieth. Dass eine solche stattfinde und stattfinden müsse,
das war ja längst bekannt, wenn auch nicht, dass sie in einer
^^jj Zehnte Vorlesung.
solchen Li- und Extensität stattfinde. Verwirrend J«^'
blüffend für die klinische Lehre war nur die biologische belb-
ständigkeit, welche die einzelnen Formelemente in ihrer Pro-
dnctivität an den Tag zulegen schienen; die Zumuthung, dass
■ die Gewebseleniente auf directen Reiz in dem Sinne der
Proliferation reagiren; und dass diese reichen und fruchtbaren
Ereignisse innerhalb der Gewebe ohne Zusammenhang mit den
aUgemeinen Nutritionsvorgängen, namentlich aber ohne Bezie-
hung zu den localen Circulationsverhältnissen dargestellt wur-
den, von welchen wir sonst jede Nutritionsveränderung abhangig
zu machen gewohnt waren. „-u^^irlp
Zwar hat VmcHOW selbst, der erste epochemachende
Gründer der neuen Solidarpathologie , die Gefässaction nicht
ganz ausser Acht gelassen. Ln Gegentheile setzte er_, wie die
Iiinischen Beobachtungen es forderten, die Hyperamie als
Ursache der entzündlichen Nutritionsstörung voraus. Noch
Hiehr, er betonte ja, dass nicht jede Hyperamie Ent-
zündung zur Folge habe. -o . -
Auch das Exsudat war von ihm in semer Bedeutimg
■ nicht unterschätzt. AUein es war ihm mehr die Folge als die
Ursache der Gewebsveränderung
CoHNHEm's Entdeckung wies aber ganz deutlich auf d^e
Circulationsstörung hin. Unter ilirem E-A-se W 3^^^^^
Auswandervmg der weissen Blutkörperchen statt. Dennoch
trisT oder vernachlässigte man über die letzteren , über die
Verf W^r^r Wanderungen u.d weiteren Schicksale, über
IslnUse, welches weiters die I^-— ^^^^^^^^^^
der fixen Gewebselemente darboten, das Verhalten der Getasse
^ef X IT Lehre sehr hemmende einseitige
A_nffassunK soteint gegenwärtige ziemHcli überwunden,
^""seits sind'die Angaben «1^-/^ ProHfer^ende »
keit der stabUen Gewebselemente dnrcb neue E^peiimente
'"^''i^aretÄ neuestens aueb die Exsudation wieder
aufil^"nteritorischenundebronologiscben Platz m der Eeü^.
: ttzHndlieben Vorgänge gesetzt und die Bett«^^^^^^
fasswandnng im Entznndvmgsprooesse betont (Samüei., bTEiCKE ,
"e'r Vorgang der Entzündung ist demnaeh so aufzufassen,
AUgomeino Symptome der Entzündung der Haut.
173
class die Circulationsstörung, auf eiiieu dir ecten, oder
durcli die Nervenbaliii vermittelten Reiz entstanden —
(Hyperämie) — denProcess der Entzündung jedesmal einleitet;
sodann aus den Blutgefässen eine Exsudation von flüssi-
gen und geformten Elementen stattfindet; und dass Heraixf
erst die ^Tutritions Störung in den Geweben zu Stande
kömmt.
Die Exsudation, oder sagen wir das Exsudat, aber ist
niclit nur als Nalirungs- , als Baumateriale für die neu ^ zu
producirenden Elemente nothwendig, sondern die Exsudation,
die Strömung des Exsudates, wie Stbicker's Experiment anzu-
nebmen erlaubt, aucli als mecbaniscber Eeiz für die stabilen
Grewebselemente dienlich, indem sie durch denselben zu der
neuen Lebenstliätigkeit, zur ProHferation angeregt werden.
So ist denn die Kette der Erscbeiaungen wieder zu einem
Ganzen geschlossen, welches das klinische Bild der Entzündiuig
wiedergibt. Die vorübergehende Unterbrechiuig ihres Zusam-
menhanges hat dem Ganzen nui' Vortheil gebracht. Die ein-
zelnen Glieder der Kette sind eben in die verschiedenen Werk-
stätten gewandert, und da den Erfordernissen der Thatsachen
entsprechend neu umgearbeitet, erweitert, vermehrt und nun-
mehr wieder zusammengefügt worden.
Wir können nun wieder an der Hand der klinischen Er-
fahrung das Gebiet der von Entzündung befallenen Gewebe
durchwandern, um über die dortigen Vorgänge uns zu belehren.
Auf der allgemeinen Decke kommen die im Vorher-
gehenden erörterten histologisch-anatomischen Merkmale der
Entzündung, die Circulationsstörung, die Exsu-
dation, die Nutritionsstörung der Gewebselemente ia
besonders prägnanter Weise und unter folgenden Symptomen
zur klinischen Anschaiiuug :
1. Die Circulationsstörung als Hyperämie. Sie
erscheint als eine unter dem Fingerdrucke erblassende ßöthe
der Haut, in verschiedener Nuance und Ausdehnttng. Sie ist
der Ausdruck der abnormen Blutüberfüllung der kleineren und
kleinsten Gef ässe. Als solche ist sie auch mit erhöhter Wärme
der betroffenen Hautpartie verbunden (Rubor, Calor).
Allein an und für sich stellt die Hyperämie nicht das
einleitende Symptom der Entzündung dar. Sie wird es erst
mit Bezug auf eine nachfolgende Exsudation, Diese letztere
■^rj^ Zehnte Vorlesung.
gibt erst der vorausgegangenen Hyperämie ihre Bedeutung.
Mit anderen Worten, nicM jede Hyperämie führt zur Exsu-
dation, und demnach gehört nicht jede Hyperämie der Ent-
zündxmg an.
Diese von allen Physiologen und Experimentatoren aner-
kannte Thatsache (Brücke, Virchow, 0. Weber, Billroth)
müssen wir von unserem Standpunkte besonders scharf betonen.
Es gibt eben hyperämische Zustände der Haut, welche
nicht oder nur ausnahmsweise zur Exsudation führen; und
man kann es der Hyperämie nicht ansehen, ob sie eine Exsu-
dation zur Folge haben werde. Aber nicht nur das Ausblei-
ben der Exsudation, sondern dass solche Hyperämien einen
typischen Verlauf zeigen, stempelt dieselben zu eigenartigen
Krankheitsformen. Und darum haben wir derartige Hyperämien
der Haut in einer besonderen Classe abgrenzen müssen (I. Classe
der Hautki^ankheiten) , wenn wir den klinischen Thatsachen
Rechnung tragen wollten.
Die Entzündungsröthe ist entweder diffus, über grössere
Strecken ausgedehnt, oder beschränkt sich auf einzelne Punkte,
und dann am häufigsten auf das G-efässgebiet der drüsigen
Hautgebilde.
Wichtig ist ferner, ob die Hyperämie nur die oberüach-
lichen, die Papillargefässe betrifft, oder auch auf das Gefäss-
gebiet des Corium sich ausdehnt.
Endlich ist noch von Belang die Dauer der Circulations-
störung, ob acut, ob chronisch. Im ersteren EaUe ist die
Temperaturerhöhung oft eine sehr bedeutende (bis 41° C; und
etwas darüber), im letzteren kaum vqu der normalen ver-
scIiigcIgii»
2. Die Exsudation; der Austritt von Exsudat, d. i.
von flüssigen (Serum) und geformten (weisse Blutkörperchen)
Blutbestandtheilen aus den Gefässen in die Gewebe. Sie gibt sich
kund im Corium als dessen Schwellung (Volumsvermehrung)
und, bei intensiverer Entwicklung, durch bei Druck schmerzhalte
„Infiltration" (Turgor, Dolor, Functio laesa); an dessen
Oberfläche als Loswühlung und Emporwölbung der Epidermis
in Form von Knötchen, Bläschen und Blasen, deren
Inhalt eben das Exsudat darstellt; und nach Abhebung der
Epidermis als eine in Tropfen und in grösserer Menge an der
Oberfläche frei zu Tage tretende Flüssigkeit, welche chemisch
Allgomeiue Symptome der Entzündung der Haut.
175
und mikroskopisch die Charaktere des entzündlichen Exsudates
erkennen lässt.
Das Exsudat erscheint unter solchen Verhältnissen als
eine gelblichweisse, klebrige Flüssigkeit von schwach alkalischer
Reaction. Grekocht oder auf Zusatz von Salpetersäure lässt
sie ein grosses Quantum Eiweiss fallen. Unter dem Mikro-
skop erfindet man in derselben eine geringere oder grössere
Menge von geformten Elementen : einzelne rothe , mehr weisse
Blutkörperchen, freie Kerne.
An der Luft vertrocknet sie zu gelben, bräunlichen, honig-
oder gummiartigen Borken.
Die Schwellung und Infiltration und die freie Exsudation
entspricht in ihrer Localisation in der Regel der ihr zu Grunde
liegenden Hyperämie, sie ist demnach einmal mehr diffus, ein
andermal auf einzelne Punkte beschränkt.
In letzterem Falle erscheint sie meist tim die Mündungen
der einzelnen FoUikel, oder tritt aus der Mündung der letzteren
selber hervor, nachdem der Erguss in das Drüsen- oder FoUi-
cularhimen stattgefunden hat.
Die Menge des gesetzten Exsudates kann jedoch nicht
in ein stetiges Verhältniss zur Intensität der Hyperämie ge-
bracht werden. Es erscheinen massige Exsudate bei scheinbar
geringer Hjrperämie und umgekehrt.
Die Frage nach dem weiteren Schicksal des Exsudates
lässt sich nur insoferne beantworten, als bis zu einem gewissen
G-rade allerdings die Exsudation von der durch sie eingelei-
teten Nutritionsstörung getrennt werden kann.
Rasch zu Stande gekommene, an Formelementen arme
(mehr seröse) Exsudate werden v bisweilen so rasch wieder
resorbirt, dass sie wohl keine merkliche Störung in den
Nutritionsverhältnissen der Gewebe veranlassen konnten (Ery-
thema exsudativum multiforme, Urticaria). Insbesondere dürfte
es schwer fallen, unter solchen Verhältnissen an eine active
Betheiligung der stabilen Gewebselemente ("Wucherung der
Bindegewebskörperchen) zu glauben.
Bei massigerer, oder mehr zellenreicher Beschaffenheit
des Exsudates, bei längerem Verweilen desselben innerhalb
der Gewebsräume, oder bei häufiger Wiederholung der Ex-
sudation, oder endlich unter Umständen, die nicht näher definirt
werden können, aber aus der Natur des betreffenden Processes
^rjQ Zelinte Vorlesung.
herstammen, kommt es dagegen zu einer mehr oder weniger
auch klinisch erkennbaren Gewebsveränderung, die als Proli-
feration der Gewebselemente sich kundgibt.
Insoferne aber das Exsudat selbst mit seinen Bestand-
theilen, Serum und Zellen, nicht nur als verwendbares Materiale
in die Proliferation der Gewebe aufgenommen wird, sondern
auch selber durch Theilung seiner Formelemente an der Gewebs-
wucherung activ sich betheiligt, ist das weitere Schicksal des
Exsudates enge verknüpft mit dem der entzündeten Gewebe;
mit anderen "Worten die Nutritionsstörung ist für Beide iden-
tisch und kann nur in Einem betrachtet werden,
3. Die Nutritionsstörung des entzündeten Gewebes.
Sie manifestirt sich klinisch an der Haut durch eine
ausgedehntere, oder nur auf einzelne Punkte beschränkte
derbere Infiltration des Coriums, als Knötchen- und
Knotenbildung; in deren oberflächlicheren Schichten als
übermässige Bildiing, Anhäufung und Abstossung der Epi-
dermis imd der epidermoidalen Gebilde der drüsigen Haut-
organe (Schuppung, sowie Anhäufung von Pigment); endlich
in einzelnen, oder in allen Geweben des Hautorganes als Auf-
lockerung, Erweichung und Zerstörung, Zerfall der Gewebs-
elemente unter den Erscheinungen der Eiterung, oder als
Hyperplasie, oder Atrophie, mit oder ohne Erscheinungen
der retrograden Metamorphose.
, Die zunächst sich ergebende Nutritionsstörung der ent-
zündeten Haut besteht, wie die mikroskopische Unter-
suchung lehrt, neben dem Auseinandergedrängtwerden 4er
einzelnen Gewebselemente durch das flüssige Exsudat in der
Production von zahlreichen zelligen Elementen neuer
Bildung — Zellenproliferation — , welche inmitten
dem von der Entzündung befallenen Gewebe sich anhäufen —
zellige Infiltration.
Die Zeüen neuer Bildung sind meist runde, rundliche,
ovale, spindelförmige Gebilde von der Grösse der weissen Blut-
körperchen mit grossem, stark lichtbrechendem Kerne; nebstdem
solche mit zwei und mehreren kleineren Kernen und fem
granulirtem Protoplasmakörper.
Sie stammen zum grossen Theile, zugleich mit dem
flüssigen Exsudate, aus den Gefässen, deren Wandiuig im
Entzündungsprocesse krankhaft verändert mid derart für die
Ausgcang der Entzündung.
177
BliTtkörperclien leicliter passirbar angenommen wird. Diese er-
sclieinen aucli im Beginn der Entziindnng (sowie bei vielen Neu-
bildungen) in unmittelbarer Nähe der Capillaren und in dem so-
genannten Adventitial-ßaum der Gref ässe, diese umscbeidend. Zum
anderen Theile jedocli sind sie auf dem Wege der Zellen- und
Kerntlieilung oder Sprossung aus der Proliferation der exsudirten
Körpercben, sowie durcli Zeugung aus den früher stabilen
Gewebselementen , Bindegewebskörperchen ; aus epitheloiden
Gebilden, den Enchymzellen der Drüsen, den Epithelzellen der
Malpighi'schen Schichte, hervorgegangen.
Alle die zelligen Elemente neuer Bildung (junge Zellen,
Entzündungszellen, Granulationszellen, Infiltrationszellen) haben
zugleich die biologischen Eigenschaften der weissen Blut-
körperchen, die aus den Blutgefässen in die Gewebe gewandert
sind; d. h. in Sonderheit, sie haben die Fähigkeit der Orts-
veränderung, und finden sich darum bisweilen entfernt von
dem Orte ihrer Geburt, z. B. innerhalb der Malpighi'schen
Schichte, wenn sie im Coriiun erzeugt worden ("Wanderzellen).
Der Ausgang der Entzündung ist verschieden.
Nachdem nämlich die Zellenproliferation und die Infil-
tration der Haut kürzere oder längere Zeit angedauert, dann
kann entweder
a) der Process allmälig sich rückbilden und die Haut
vollständig zur Norm zurückkehren — Lösung, Eesolution.
Zuerst mindert sich die Hyperämie. Damit verringert
sich und sistirt auch die Exsudation. Und mit Letzterer bleibt
auch das Materiale und die Anregung für die stabilen Gewebs-
elemente zur Proliferation aus , i. e. die Zellenneubildung
hält inne.
Das in dem Gewebe vorhandene flüssige und zellige
Exsudat verliert sich allmälig ; wenn an der Oberfläche, in der
Epithelialschicht , theilweise durch Verdampfen, Eintrocknen.
Die mechanisch losgewühlten und abgehobenen Epithelzellen
werden als Corpora mortua abgestossen. Wenn dagegen inner-
halb des Coriums, dann wahrscheinlich durch Resorption.
Die zelligen Elemente mögen hiebei entweder in integro oder
vielleicht nach fettiger Metamorphose zur Aufsaiigung gelangen.
b) Oder es werden die beweglichen, amoeboiden, jungen
Zellen, unter der erwähnten Abnahme der Hyperämie und der
zur Proliferation anregenden Exsudation, wieder zu stabilen
Kaposi, Hautkrankheiten. 12
•l^-yg Zohnte Vorlesung.
Elementen, als welclie sie, imCorivim, zu Bindegewebe,
Gefässelementen n. s. w. sich umgestalten, indem sie zu
faserig-zelHgen Greweben sicli vereinen, wäbrend sie in der
Epithelialscliiclite die Elemente der letzteren an Zahl
vergrössern — entzündlicbe Hypertropbie. Sie ist
häufig Folge der cbronischen Entzündung, wie Dermatitis
chroiSca, cbroniscbes Eczem, Psoriasis, chronisclies (lympha-
tiscbes) Öedem und combinirt sich gerne mit den sogleich zu
erwähnenden Formen der Degeneration und retrograden
Metamorphose der Grewebselemente.
Oder endlich es kömmt
c) zui- Eiterung.
Klinisch charakterisirt sich dieser Ausgang durch die
acute Erweichung und Zerstörung der Gewebe unter der
Büdung einer dicklichen, grünlich gefärbten Flüssigkeit, —
des Eiters.
Der Eiter (Pus bonum et laudabile Chirurgorum) reagu't,
wie jedes Exsudat, schwach alkaUsch, und besteht aus einer
eiweisshältigen Flüssigkeit, Eiters er um, und aus in dieser
suspendirten zelligen Elementen, Eiterkörper che n.
So wie die Flüssigkeit mit dem flüssigen Exsudate, so
stimmen auch die EiterzeUen mit den ZeUen des Exsudates
in Aussehen und Beschafi"enheit überein. Allerdings findet
man dieselben einerseits in relativ grösserer Zähl als m den
sogenannten Exsudaten, und andererseits sind unter ilmen viel
mehr mit zwei und mehr Kernen versehen, und mit (Fett-)
Körnchen versetzt.
Man kann demnach sagen, Eiter ist ein Exsudat, in
welchem die ZeUenproliferation besonders acut und reichlich
vor sich geht. . 1 1 i
In der That kann ein jedes durchsichtig klare, also
zeUenarme Exsudat (z. B. einer Pemphigusblase) dadurch
eiterig und dann trübe werden, dass in demselben die zelligen
Gebilde durch Proliferation sich übermässig vermehi-t haben.
Zwei Fragen haben die Pathologen von jeher sehr ein-
gehend beschäftigt: 1. Woher kömmt der Eiter? und 2. Aut
welche Weise kömmt die unter der Eiterung bemerkbare Zer-
störung der Gewebe zu Stande? m • i
Die erste Frage findet ihre Beantwortung in der Gleich-
steUung des Eiters mit dem Exsudate. Wie dieses kömmt auch
Ausg.ang der Entziindnng.
179
jener mit seinem flüssigen Bestandtlieile gewiss aus den Ge-
fassen, und mit seinen Formelementen, theils aus diesen, theils
aus den stabilen Grewebselementen. Die rapide Vermehrung
geschielit dann durcli Proliferation der vorhandenen Eiterzellen.
Dafür spricht der so häufige Befund von mehrkernigen und
in Spaltung begriffenen Eiterzellen.
Wieso hiebei die Gewebe zu Grunde gehen, hat man zu
verschiedenen Zeiten verschieden zu erklären versucht.
Früher hat man dem Eiter als solchem fälschlich die
Eigenschaft zugeschrieben, dass er durch seinen Contact die
Gewebe schmelzen mache. Heut' zu Tage muss man sich die
Schmelzung, das Zugrundegehen des Gewebes in der Eiterung
anders vorstellen.
Was die Z eil en-Eormen anbelangt, so wäre ihre Er-
weichung und Vernichtung derselben nicht als solche, sondern
als identisch mit der ZeUenproliferation, mit der Eiterbildu.ng,
und nicht als deren Eolge aufzufassen.
Indem die stabilen Gewebselemente , Bindegewebskörper-
chen, die Epithelzellen, aus sich selbst junge Zellen, Eiter-
zellen, bilden, geht ihre Substanz eben in dieser neuen Bildung
auf. Oder, wie Steickee, sich ausdrückt : wir sehen, „dass viele
Gewebe durch den Entzündungsprocess ihren functioneUen
Zwecken entfremdet, und a.uf einen den Zeugungszwecken ent-
sprechenden Zustand geführt werden; das heisst, sie werden
bewegKch, nehmen an Masse zu und theilen sich total oder
partiell. "
Die Eiterung ist demnach der Ausdruck der acuten
massenhaften ZeUenproliferation.
Was aber die Schmelzung des faserigen Antheils des
Bindegewebes anbelangt, so haben die neueren Untersuchungen
gelehrt, — • was VmcHOW schon früher, allerdings vermuthungs-
weise, ausgesprochen, — dass die als Intercellularsubstanz bezeich-
neten Bindegewebsbündel allenthalben von feinsten Ausläufern
der Zellen (der Bindegewebskörperchen) durchsetzt sind, die
unter einander anastomosirende Netze bilden; dass ferners
diese Ausläufer, gleich dem Zellkörper selber, während der
Entzündung wahrscheinlich auf Kosten der intercellularen
(leimgebenden) Substanz anschwellen und. endlich den ganzen
Gewebsraum einnehmen. Man beobachtet also, dass die leim-
gebende Substanz in demselben Masse schwindet, als die Aus-
12*
j^gQ Zehnto Vorlesung.
läufer der Zellen dicker und das durch ilire Verbindungen
gebildete Netzwerk enger geworden. So dass schliesslicli der
Eiterungs- oder Entzündungskerd ausscliliesslich aus diesen
zusammengesetzt ersckeint, — ein purer Eiterherd. ^
Dieser Vorgang ist für die Hornhaut, die Sehne und
neuestens auch für das Cutisgewebe (Ravogli) nachgewiesen
worden.
Einmal zu Tage liegend, wird ein Theil der Eiterzellen
durch die Menge des nachschiebenden Exsudates weggeschwemmt,
andere vertroclmen, noch andere werden dui-ch Imbibition auf-
gebläht, bersten, und ein anderer Theil wii-d durch Eettkörn-
chen- Anhäufung metamorphosirt und zur Resorption gelangen.
Ein Rest endlich, die jüngsten, die am wenigsten durch
chemische und mechanische Unbilden gelitten haben, die zu-
nächst aus dem noch zurückgebliebenen stabilen Gewebe hervor-
gegangen sind, die auf und in dem Mutterboden der Eiterung,
tm^G-rundgewebe der Wunde sich befinden (plasmatische Schichte,
Thieesch), gelangen dann wieder unter Verminderung der ent-
zündlichen Proliferation zur normalen Stabilität und werden
zu stabilen Grewebselementen sich umgestalten.
Im Coriumgewebe (Bindegewebe) durch Eiterung zu Stande
gekommene Substanzverluste werden dann durch junges Nar-
ben- (Binde-)Gewebe ersetzt, indem aus den jungen Elementen
Bindegewebe, Gefässe, Nerven, wenn auch nicht in der physio-
logischen Gruppii-ung, sich wieder erzeugen.
Substanzverluste jedoch, welche die EpitheHalschichte
allein betreffen (Herpes, Pemphigus), heilen begreiflicherweise
ohne Narbe, da in solchem EaUe um- die Restitution mehi-
homologer, zelliger Gebilde zu geschehen hat.
Hieran wäre noch die Erörterung der anderen mögHchen
Ausgänge der Entzündung zu knüpfen : Nekrobiose m Eorm
der Gangrän, die sich durch das Absterben grösserer Ge-
websmassen von dem mehr die Gewebselemente im Einzelnen
betreffenden eiterigen Zerfall unterscheidet; der fortschi-eitende
moleculäre ZerfaU der Gewebe bei der fibrinösen Exsudation
(croupöse, diphtheritische Entzündung), weiters die verschie-
denen Formen der Atrophie und degenerativen Zer-
störung der Gewebe, die fettige', amyloide, schleimige
und colloide Entartung, Verkäsung und Verkalkung
Histologie nud Eintlieilung der exsudativen Dermatosen.
181
der Entzündiingsprocliicte und infiltvirten Gewebe. Icli begnüge
mich jedoch mit ihrer blossen Erwähming , da ich nnter den
besoncleren und seltenen Verhältnissen ihres Vorkommens bei
Hantkrankheiten dieselben noch hervorheben werde, ihre Be-
dentiing aber Ihnen ans der patliologischen Anatomie ohnehin
bekannt sein mnss.
Die überwiegend grösste Zahl von Hantkrankheiten über-
haupt reiht, wie schon erwähnt, in diese, diirch Exsndation
tmd Entzündung charakterisirte Classe. Bei aHen hierher ge-
hörigen Formen werden wir also die geschUderten Erscheinun-
gender Exsudation und Entzündung sowohl im klinischen
Bilde ausgeprägt finden, als auch mikroskopisch nachweisen
köimen.
Insoweit macht sich denn auch kein anatomischer
Unterschied zwischen den einzelnen Formen der hierher gehö-
rigen Hautkrankheiten bemerklich, höchstens nach der Intensität,
Ausbreitung und specieUen Oertlichkeit der entzündlichen Ver-
änderung, indem sie in manchen Processen vorwiegend m
circumscripten Herden, in anderen diffus auftritt, bei einigen
mxr die obersten Schichten, bei anderen das Corium in seiner
ganzen Tiefe, bei noch anderen vorwiegend die Drüsen imd
ihre Umgebung betrifft. Besonders die feineren histologischen
Verhältnisse, wie sie das Mikroskop bisher zu eruiren ver-
mochte, erscheinen bei allen ziemlich übereinstimmend, in dem
Stippcheu der Variola, wie in dem Knötchen bei Eczem, Pru-
rigo, Liehen urticatus und Psoriasis ; nicht anders im Bläschen
des Herpes, wie in dem des Eczem u. s. f. Damit reducirt
sich auch die Bedeutung, welche von Einzelnen dem histolo-
gischen Detail vindicirt wurde, auf ein richtiges Mass. Sie
wissen nun, dass wir durch dasselbe wohl sehr belehrende
Einsicht in die feineren Veränderiuigen der Gewebe und damit
auch manche Aufklärung für die klinischen Erscheimingen,
aber kaum unterscheidende Merkmale zwischen den einzelnen
analogen, hier den entzündlichen Krankheitsformen der Haiit
gewinnen.
Die letzteren unterscheiden sich aber sehr durchgreifend
nach ihrem klinischen Charakter, nach Ursache, Verlauf,
Ansehen, Bedeutixng und Folgen für das Hautorgan und den
Gesammtorganismus. Auf dieser Grundlage ordnen sich denn
■j^g9 Zehnte Vorlesung.
auch die entzündliclieii Dermatosen in mehrere Gruppen und
Unterabtheüungen und wird das Studiiun der einzelnen Foi-men
am besten ermöglicht.
Um Sie vorweg in der Menge der exsudativen Dermatosen
einigermassen zu orientiren, bemerke ich, dass sie m zwei
natürliche Hauptgruppen sich absondern, dadurch, dass die
einen stets, oder vorwiegend einen acuten und typischen,
d i nach einer bestimmten und bekannten Eegel abzusehenden
Verlauf nehmen, während die anderen aUe durchwegs, oder
vorwiegend chronisch verlaufen.
Unter den acuten Exsudativprocessen bilden die so-
genannten „acuten Exantheme", Masern, Scharlach und
Blattern, als contagiöse Krankheiten eine natürliche Gruppe
denen eine andere Gruppe nicht contagiöser acuter
Formen gegenübersteht. Unter diesen zeichnet sich eine
Reihe von Erkrankungen durch das Vorwalten vonRöthung
aus zu welcher sich aUenfalls noch massige seröse Exsu-
dat ion o-eseUt, — Erythem-Eormen: Erythema polymorphe,
Erythema nodosum , PeUagra , Acrodjaiia , Roseola , Urticaria.
Bei einer zweiten Reihe acut und typisch verlaufender
Krankheiten tritt die Exsudation in den Vordergrund, in-
dem es bei derselben zur Bläschenbüdung kommt, - ^^si-
culöse Formen: Herpes facialis, progenialis, Zoster ii'is et
circinatus, Miliaria, Pemphigus acutus. Bei der dritten
Reihe endHch kommen die Erscheinungen der Entzündung
Rothe, Temperaturserhöhung, Schwellung (Infiltration) und
Schmerz und aUe möglichen Ausgänge derselben zum vollen
Ausdrucke, - eigentliche Dermatitides, Hautentzündungen.
Die hieher gehörigen Formen können durch traumatische,
chemische oder dynamische Schädlichkeiten hervorgerufen sein,
_ Dermatitis idiopathica, als D. traumatica, a venenatis,
calorica (ambustionis et congelationis), oder, Theile immer,
zum Theile möglicherweise, das Symptom emer orthchen odei
allgemeinen Vergiftung mittelst solcher Stoffe darsteUen, welche
im weitesten Sinne animalischer Abstammung sind, u. z. solchei,
die theils vom menschlichen Organismus, theils von ihieren
herstammen, - Dermatitis infectionis : Erysipel, Furunkel,
Anthrax, Pseudoerysipel, Leicheninfectionspustel und die ex-
quisiten Zoonosen; Pustiüa maligna -^^..^^ .^^^^^^^^^^
Dabei kann die Entzündung entweder die oberflaclilichen Haut
Eintlieilung der exsudativen Dermatosen
183
schicliten aUein betreffen und mit Lösung enden, wie bei den
gewölinHclien Formen des Erysipel, oder bis in die tiefsten
Schichten di-ingen und zur Eiterung führen, wie bei der
Phlegmone; einmal diffus auftreten, wie bei den letzteren
Processen, oder circumscript, wie beim Evirunkel.
Der grossen Zahl von acuten Exsudationsformen
steht eine nicht minder grosse von chronisch verlaufenden
Exsudationsprocessen gegenüber, welche wieder nach besonderen
Charakteren in mehrere Unterabtheilungen gruppirt werden
können. An dieser SteUe sie aufzuzählen, dürfte für Sie
weniger Nutzen haben. Es wird viehnehr besser sein, nachdem
Sie aUe hieher gehörigen Formen gründlich kennen gelernt
haben werden, dieselben in einem übersichtUchen Schema Ihnen
noch einmal vorzuführen.
So wollen wir uns denn zunächst mit den acuten Ex-
sudativprocessen der Haut und unter diesen in erster
Eeihe mit den acuten contagiösen Formen, den so-
genannten „acuten Exanthemen" beschäftigen.
A. Acute exsudative Dermatosen.
a) Acute, contagiöse, exsudative Dermatosen.
Eilfte Vorlesung.
„Acute Exantheme."
Gemeinsehaftliche Charaktere der acuten Exanthenne. - Masern.
Masern, Scharlacli und Blattern bUden die
Gruppe der sogenannten acuten Exantheme oder Exan-
theme -/.aT sEoj^TiV.
Dieselben charakterisiren sich als durch specifische
Contagien hervorgerufene Krankheitsformen, welche neben
AfPection des Gesammtorganismus und acutem, fieberhaften,
typischen Verlauf, sich durch specifische Veränderungen an
der aUgemeinen Decke und regelmässige Reihenfolge der ört-
lichen und aUgemeinen Symptome auszeichnen.
Die TJebereinstimmung in den allgemeinen Symptomen
der Exantheme gibt sich, näher bezeichnet, wesentlich in
folgenden Momenten kund:
1. In ihrer Contagiosität, indem sie nur durch Ansteckung
entstehen und sich auf Andere übertragen.
2. Dadurch, dass vom AugenbHcke der Ansteckung bis
zum Ausbruche der Krankheit eine bestimmte Erist von
Tagen relativen "Wohlseins verstreicht (Incubation).
3. Darin, dass dem Ausbruche des Exanthems Fieber
vorangeht, welches nach Intensität und Dauer zu jenem m
einem gewissen regelmässigen Verhältnisse steht.
Allgemeiner Charakter der acuten Exantheme.
185
4. Dass die Veränderungen an der allgemeinen Decke
(Exanthem) nebst ihrem specifischen anatomischen Charakter
einen regelmässigen Typus im Verlaufe, Entwicklung, Dauer
und Eückbildung darbieten.
5. Dass sowohl während des Bestandes, als nach Ver-
schwinden des Exanthems die Mitleidenschaft des G-esammt-
organismus ausser durch Eieber noch durch mannigfache andere
begleitende imd Eolge-Krankheiten sich kimdgibt, der Process
sich demnach als Lifectionskrankheit darstellt.
G. Dass die acuten Exantheme, indem das ihnen ent-
sprechende Contagiiim in dem davon befallenen Organismus
sich regenerirt und auf Andere überträgt, hätifig epidemisch
auftreten.
7. Endlich darin, dass sie das Individuum in der Regel
nur einmal im Leben heimsvichen.
Die charakteristische Veränderung an der allgemeinen
Decke, das Hautexanthem, bildet semiotisch und pathologisch
den eigentlichen Knotenpunkt des ganzen Krankheitsprocesses,
um welchen die anderweitigen Erscheinungen sich in einer
diirchschnittlich geltenden Ordnimg gruppiren. Diese gestattet
demnach in dem Verlaufe der Exantheme bestimmte Etapen
zu fixii-en, welche die verschiedenen Stadien abgrenzen. Als
solche erachtet man üblicherweise:
1. Das Stadium incubationis, die Zeit, welche vom
Tage der nachweislichen , oder miithmasslichen Ansteckung bis
zum Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen verstreicht.
2. Stadium prodromorum. Es manifestirt sich mit
dem ersten Fieberausbruch und dem einem solchen angehörigen
Symptomencomplexe. Es dauert bis zum
3. Stadium eruptionis, das mit dem Auftauchen des
charakteristischen Hautausschlages gegeben ist. Dieses geht
unvermittelt über in das
4. Stadium floritionis, welches der Andauer der
Blüthe der Hautaffection entspricht. Mit dem Eintritt der
Rückbildung des Exanthems rechnet man das
5. Stadium exsiccationis, desquamationis s.
decrustationis , welches in die Reconvalescenz und Genesung
übergeht.
In Anbetracht des diirchwegs acuten Verlaufes der
Exantheme bemessen sich die einzelnen Stadien nur nach
-j^gß Eilfte Vorlesung.
Tagen, im TJebrigen aber nacli Charakter und Intensität des
Processes und nacli der Individvialität sehr verschieden. Nur
das Stadium decrustationis kann (bei Blattern) auf Wochen
sich erstrecken.
Trotz der auffälligen üebereinstitmnung in ihren all-
gemeinen Charakteren bilden aber die genannten Exantheme
drei specifisch differente Krankheitsformen, indem jedem iev
selben ein eigenartiges Contagium und ein besonderes patho-
logisches G-epräge zukommt. Ja sie schliessen sich bis zu einem
beträchtlichen Grade gegenseitig aus, sowohl individuell, wie
epidemisch.
Was Letzteres anbelangt, so ist es Erfahrungssache, dass
wenn eines der Exantheme in grösserer epidemischer Ver-
breitung herrscht, die anderen nicht oder nur sporadisch inner-
halb der betreffenden Bevölkerimg sich vorfindet, und dass
die Epidemien von Masern, Scharlach und Blattern sich gegen-
seitig ablösen oder folgen.
Das Individuum aber anlangend gilt es ebenfalls als
Eegel, dass dasselbe nicht gleichzeitig von zwei Exanthemen
behaftet sein kann, während andere Hautkrankheiten, wie
Eczem, Psoriasis, Scabies und selbst constitutioneUe und In-
fections-Exantheme , wie Syphilis mit Masern oder Scharlach,
oder Blattern ganz gut gleichzeitig- an einem Kranken sich
vorfinden.
In den letzten Jahren ist aUerdings von vielen Seiten,
namentlich von Kinderärzten , über gleichzeitiges Auf-
treten zweier acuter Exantheme berichtet worden,
Masern mit Scharlach, Blattern mit Scharlach. Nicht so, als
wenn sensu stricto gleichzeitig Masern und Scharlach bei
einem Kinde aufgetreten und mit einander bestanden hätten,
sondern derart, dass z. B. während das Masernexanthem noch
kenntlich da stand, plötzHch heftiges Fieber auftrat, dem am
3 Tage ein deutlicher Scharlachausschlag nebst den anderen
Symptomen der Scarlatina folgte, so dass jenes Fieber sich
als Prodromalfieber des zweiten Exanthems charakterisirte,
' und ähnliche FäUe mehi'. In aUen Fällen handelt es sich
formell aUerdings um ein rasches „Nacheinander" der zwei
Exantheme, in Wirklichkeit aber um eine Gleichzeitigkeit, da
ja das Contagium des zweiten Exanthems, wegen der durch-
schnittlichen Incubationsdauer, sicherlich schon zu einer Zeit
Masern.
187
im Organismus geweilt liaben miisste, als das erste Exanthem
in Entwicklung begriffen war.
Hebra hat wie auch andere Aerzte wohl die Aufeinander-
folge zweier acuter Exantheme gesehen, derart, dass das
zweite erschien, wenn das erste eben geschwunden war, nicht
aber die gleichzeitige Existenz zweier Exantheme, wie dies
von so vielen Kinderärzten angegeben wird. Es ist auch
kein Zweifel, dass manche dieser Angaben auf Irrthümern be-
ruhen können, üidem man den sogenannten „Nachschub", eine
neuerliche und stärkere Entwicklimg eines schon zum Erblassen
geneigten Exanthems, oder ein complicirendes Erythem, oder
Urticaria für ein zweites Exanthem ansah. AUein aUe ein-
schlägigen Angaben werden damit nicht entkräftet. Ich selbst
habe allerdings ebensowenig wie Hebra solches beobachtet.
Die Möglichkeit des Zusammentreffens zweier acuter Exantheme
wäre mir aber nicht gerade unerhört , da ja bei der raschen
Aufeinanderfolge solcher wenigstens die Contagien beider
gleichzeitig im Organismus existiren und schliesslich Masern,
Scharlach und Blattern denn doch wesentlich ganz differente
Processe vorstellen.
Wir wollen uns jetzt mit ihren specifischen Eigenthümlich-
keiten bekannt machen.
Masern, Morbilli.
Masern, Morbilli (Flecken, ßubeolae, ßötheln, Rou-
geole, Measles etc.) heisst eine Krankheit, welche durch die
Erscheinung von getrennt stehenden, unregelmässi-
gen, rothen Elecken und Knötchen auf der ganzen
allgemeinen Decke, nebst gleichzeitigem Eieber
und Katarrh der Athmungswege, acutem, typi-
schem Verlauf und Contagiosität sich charakterisirt.
In der Literatur längst angeführt (Rhazes) sind die
Morbilli durch Sydenham und Morton (1670—1674) zuerst in
durchgreifend charakteristischer Weise beschrieben worden.
Die wesentlichsten Symptome der Masern werden durch
das Exanthem, das Fieber und den Katarrh der Schleim-
häute der ersten Athmungswege repräsentirt. Es gehört aber
noch dazu, dass diese Symptome nach einem bestimmten, regel-
mässigen Typus sich entwickeln. Je mehr der Verlauf eines
Igg Eilfto Vorlesung.
KrankheitsfaUes diesem Typus entspricht, desto melir gilt er
als normaler Masernprocess. Dem stehen andere als anomale
gegenüber, welche in irgendwelchen Beziehungen von dem
normalen Typus auffallige Abweichungen aufweisen.
Der Beginn der Erkrankung muss von dem Zeitpunkte
an gerechnet werden, als das Individuum den Ansteckungs-
stoff von einem Masernkranken unmittelbar, oder mittelbar in
sich aufgenommen hat.
Damit beginnt das I n cub at i on s s t adium, dessen man
allerdings in der Regel nicht gewahr wird, weil es durch
keinerlei Krankheitssymptome sich verräth. Es muss aber mit
Rücksicht auf die folgenden Erscheinungen und in jedem FaUe,
gewissermassen retrospectiv in Anschlag gebracht werden.
Dasselbe beträgt durchschnittlich 8 Tage, seltener mehr, bis
21 Tage. Man hat diese Durchschnittsdauer des Incubations-
stadiums theils in solchen Fällen constatirt, in welchen die
Grelegenheit zur Ansteckung genau bekannt wiu-de, theils bei
der künstlichen (experhnentellen) Einimpfung des Maserngiftes
mittelst Thränen oder Nasensecret Morbillöser. Solche Impfun-
gen sind seit Home (1758) wiederholt gemacht worden und haben
die obige Dui'chschnittsdauer des Incubationsstadiums ergeben.
In seltenen FäUen nur ist dasselbe durch Unbehagen,
Mattigkeit einigermassen gekennzeichnet, oder stellt sich gar
gegen dessen Ende und immittelbar vor Beginn des zweiten
Stadiiims massige luid atypische Fieberbewegung ein.
Das Stadium prodromorum ist durch Fieber und
Katarrh der Schleimhäute charakterisirt. Es kündigt
sich durch einen Fieberanfall an, mit Frost und folgender
Hitze und dem bekannten febrilen Symptomencomplex , Abge-
schlagenheit, Gelenkssclunerzen, Kopfschmerz, heisse, trockene
Haut mit Temperatiir zwischen 39« und 40», selten Erbrechen
und, insoferne es sich vorwiegend um Kranke kindlichen Alters
handelt, in höchst seltenen FäUen mit rasch vorübergehenden
Convulsionen (Fraisen).
An den folgenden zweiten und dritten Tagen ist das
Fieber bis auf geringe Spuren, oder massige abendliche Exa-
cerbationen geschwunden , so dass die Kranken ganz wolil zu
sein scheinen.
Dagegen steigert sich der Katarrh der Schleimhaut,
welcher gleichzeitig die Anfänge des Respirationstractes
Masern.
189
befallen hat. Derselbe ist für die kommenden Morbillen bereits
pathognomonisch. Er beginnt auf der Nasenschleimhaut, be-
fällt bald aucli die Conjunctiva, die ScUeimbant des Graumens,
Rachens und Kehlkopfes. Häufiges Niesen, Injection, Chemosis
der Conjunctiva, Druck in der Stirngegend bilden die ersten
Symptome. Es folgt bald reiches Thränen, Lichtscheu, ge-
steigerte Secretion, auch zeitweüiges Bluten von der Nasen-
schSimhaut. Die Nasenlöcher sind oft verstopft, das Gesicht
gedunsen, die Lider ödematös. Auf dem weichen Gaumen
zeigen sich häufig neben stärkeren Gefässramificationen dunkel-
rotle Pünktchen und Elecke, welche Geübten ein charakteri-
stisches Vorzeichen der kommenden Masern abgeben können.
Tonsillarschwellung und Schlingbeschwerden sind meist unbe-
deutend. Trockener, hohlklingender, selbst bellender und
krampfartiger Husten mit mässigem Schleimaus wurf, Heiser-
keit verrathen den Katarrh des Kehlkopfs uaad der Luftröhre.
Exanthem fehlt noch um diese Zeit.
Nachdem das Prodromalstadium 3—5 Tage, selten, wie
bei anämischen, scrophulösen Kindern, länger, selbst 8—10 Tage
gedauert, eröffnet sich das
Stadium eruptionis, mit einer neuerlichen Exacer-
bation des Fiebers und dem Erscheinen des charakteri-
stischen Hautexanthems.
Das Eruptionsfieber zeigt eine anhaltende Steigerung bis
zu 40" und 41". Es dauert in gleichem Grade noch in das
nächstfolgende Stadium hinüber und erreicht sein Maximum
in der Regel mit der Höhe des gleichzeitig sich entwickelnden
Exanthems, was mit dem 2. oder 3. Tage, etwa den 15. Tag
von der Infection an gerechnet, zusammenfällt. Mit dem Fieber
gleichen Grades steigern sich auch die AUgemeinsymptome,
die Gedunsenheit und ßöthe des Gesichtes und der Katarrh
der Respirationswege.
Das Exanthem erscheint ^zuerst im Gesichte , auf der
Stirn und Schläfe, breitet sich rasch, binnen 24—36 Stunden,
über den Hals, Hinterkopf, Stamm und Schultern aus.
Im Stadium floritionis (4. — 6. Tag der Erkrankung)
erreichen Fieber und Exanthem ihr Maximum. Ersteres fällt
bald nach der höchsten Entwicklung des Ausschlages wieder ab.
Das Exanthem ist um diese Zeit am intensivsten
gefärbt, breitet sich alsbald noch über den Stamm und die
Eilfte Vorfosung.
Extremitäten aus , während es an den früher ergriffenen Stellen
stehen bleibt. Flachhand nnd Fusssohle sind nicht ausgenommen.
Es hält sich aber kaum länger als 12—24 Stunden auf dieser
Höhe. Alsdann beginnt dasselbe abzublassen.
Das Masernexanthem erscheint in Form von nagelglied-
grossen, gelblich-rothen , flachen , oder etwas erhabenen , unter
dem Fingerdrucke erblassenden Flecken (Morbilli laeves),
oder feinen, rothen, den Follikebnündungen entsprechenden
Knötchen (Morbilli papulosi), welche den Stippchen der
Variola ähnlich sind. Die Flecke drängen sich auch stellen-
weise bis zur Confluenz über grössere Strecken zusammen, doch
bleiben immer zwischen den ausgebreiteten Röthungen normal
gefärbte Hautstriche imd Flecke zurück. Niemals beobachtet
man allgemeine Confluenz. Manchmal sind sie an den Rändern
wie gezackt, unregelmässig, oft halbkreisförmig, aber niemals
an den Rändern verwaschen, sondern deutlich markirt. Bei
Neugeborenen kommt es ausnahmsweise in G-estalt feiner rother
Punkte zur Beobachtung. An Stelle der unter Fingerdruck
erblassenden Flecke ist die Haut gelblich tingirt, um so dunkler,
je .älter der Ausschlag. Mässiges Brennen oder Jucken be-
gleitet zuweilen denselben.
Nachdem sich das Exanthem dtirch wenige Stunden auf
der Höhe der Ausbreitung und Injectionsröthe erhalten, blasst
dasselbe ab, in der Regel in der Reihenfolge seines Erscheinens,
mit Hinterlassung von gelbbrauner bis brauner Pigmentii-ung.
Das Fieber hat inzwischen merklich nachgelassen. Eben-
so sind die SchweUung des Gesichtes und die katarrhaHschen
Erscheinungen an ihrer Acuität abgeschwächt, am wenigsten
die des Rachens und der Luftröhre. Damit ist die Krankheit
in das
Stadium des quamationis eingetreten, das ganz
fieberlos ist und. noch eine Weüe von den weiter sich ver-
ringernden katarrhalischen Affectionen begleitet ist. Es steUt
sich Schlaf und Esslust ein.
Auf der erblassenden und mässig transpii'irenden Haut
zeigt sich den ehemaligen exanthematischen Stellen ent-
sprechend, am deutlichsten an den unbedeckten Partien, Gesicht,
Hals und Händen, kleienförmige Abschuppung, welche oft
über 14 Tage, vom Tage der Eruption an gerechnet, anhält.
Das Individuum ist vollständig genesen.
Masern.
191
Derart gestaltet sich der normale V erlauf der Masern.
.Es kommen aber Masernerkrankungen mit Anomalien
der einen und anderen Symptome oder ihrer Bezieliungen zu
einander vor, welcke geeignet sind, entweder nur bezüglick
der Diagnose oder Prognose zu beirren, oder an und für sich
die Erkrankimg bedenklich oder gefährlich zu gestalten, oder
auch im Gegentheil ganz belanglos sind. Solche AnomaKen,
soferne sie bei einzehien Kranken vorkommen , sind entweder
individuell, oder in speciellen Verhältnissen des Organismus,
namentlich Krankheitszuständen desselben, Anämie, Tuberculose
und Scrophulose, oder in ungünstigen äusseren Verhältnissen,
schlechte Wohnung, Ernährung tind körperliche Pflege der
Betroffenen, begründet ; oder sie sind in der Eigenthümlichkeit
einzelner Epidemien gelegen, wodann sie bei vielen Erkrankungs-
fällen zur Beobachtung konunen und zum besonderen Charakter
der jeweiligen Epidemie gehören.
So kann das Exanthem ausserhalb der normalen Reihen-
folge statt im Gesichte zuerst am Stamme und an anderen
Körperstellen auftreten, oder überhaupt unvollkommen ent-
wickelt sein; statt 2—3 Tage 7—10 Tage in Blüthe stehen,
wodann es besonders dunkel colorirt erscheint und mehr
Pigment hinterlässt. Es kann mitten in der Blüthe plötzlich
erblassen imd dann nach 1—3 Tagen wieder zum Vorschein
kommen (secundäre Masern). Diese Erscheinung ist nicht
zu verwechseln mit einer nochmaligen Erkrankung an Masern,
zu deren Annahme nothwendig ist, dass zwischen dem ersten
und zweiten Exanthem mehrere Wochen, mindestens aber das
vollendete Desquamationsstadium liege. Das plötzliche Ver-
schwinden des Ausschlages ist stets die Folge einer fieberhaften
Complication und nicht die Ursache desselben. Ist diese rasch
vorübergehend, so kann der Ausschlag wieder hervortreten.
Dauert sie jedoch ihrer Natur nach längere Zeit, wie eine
Pneumonie, dann kommt auch das Exanthem nicht wieder
zum Vorschein. Da gar oft lebensgefährliche, oder gar zum
Tode führende Complicationen das rasche Verschwinden des
Exanthems verursachen, so ist es begreiflich, dass ein solches
Symptom nicht gerne gesehen und als übles Zeichen gedeutet
wird. Nur darf man pathologisch nicht Ursache und Wirkung
verwechseln. Dass während der Desquamation noch einmal
die Morbillen sich zeigen können, wie Manche angeben, scheint
-^0)9 Eilfte Vorlesung.
nicht richtig und auf Verwechslung mit Erythem und Urticaria
zu beruhen.
Endlich kann auch das Exanthem während des morbiUosen
Processes ganz fehlen , während alle Ül3rigen Erscheinungen
der Masern, Fieber im normalen Typus, katarrhalische Er-
scheinungen der Schleimhäute und die constatirte Gelegenheit
zur Ansteckung mit Masern, wie durch Contact mit morbillösen
Geschwistern, das Herrschen einer Masernepidemie, die Annahme
rechtfertigen, dass man doch einen FaU von Masern vor sich
habe Man spricht dann von Febris morbiUosa sme
Exanthemate, wie bei Gegenwart des Hautausschlages
aber mangelnden Fiebersymptomen von Morbilli apyretici.
Auch bezüglich des morphologischen Charakters und der
Intensität der morbillösen Hautaffection gibt es Abweichungen
von der Norm. So unterscheidet man darnach neben den
Morbilli laeves und den M. papulosi der normalen Masern
auch Morbilli vesiculosi s. miliares (Frieselmasern) und
M confluentes, die alle noch gute Vorbedeutung zulassen,
undMorbilHhaemorrhagici. Einzelne Petechien, d.i. durch
Blutaustritt entstandene und unter dem Fingerdrucke nicht
schwindende Flecke können bei jedem intensiver entwickelten
Exanthem untermischt mit den gewöhnlichen Flecken der
MorbiUen auftreten. Sie süid dann blos der Ausdruck einer
Steigerung der mit jeder activen Hyperämie verbundenen
Veränderungen der Gefässwände, ihrer steUenweisen grosseren
Permeabilität oder gar Zerreisslichkeit. Von Morbüli haemor-
rhagici spricht man aber nur beim Vorwalten solcher Blutaus-
tritte. Sie bedeuten dann einen gefährlichen Zustand, da sie
zumeist eine Thenerscheinung der aUgemeinen Disposition zu
Hämorrhagien sind und mit stärkeren und schwer stiUbaren
Blutungen aus der Nase — Ehinorrhagie — Magen- und
Darmblutungen, blutigen Sputis, den Zeichen von lobularer
und lobärer Pneumonie, mit allgemeiner Blutzersetzung und
entsprechenden Fiebersymptomen, anfangs vollem und fre-
quentem, alsbald schwächer werdendem, fadenförmigem Puls
Bewusstlosigkeit und raschem CoUapsus verbunden smd und
meist zum Tode führen. Sie sind ein häufiges Symptom der
Morbilli typhosi, s. nervosi, s. putridi, MorbiUen-
typhus.
Masern.
193
Diese Anomalie des Symptomencomplexe.s gehört dem
Floritions-Stadium an.
Aber auch ohne hämorrhagische Beschaffenheit des Exan-
thems können die Fiebererscheinungen und der allgemeine
Symptomen - Complex durch Steigerung der einzelnen Er-
scheinuno-en, oder durch Complicationen aUer Art, deren ich noch
mehrere ''erwähnen werde, den normalen Verlauf alteriren und ^
dem Processe eüien typhoiden Charakter aufprägen. Milz-
schwellung und copiöse Darmentleerungen begleiten m der
Regel einen derartigen Maserntyphus.
Als Complication der MorbiUen erscheint zuweilen .
während des Prodromalstadiums schwer stillbares und er-
schöpfendes Nasenbluten. Dasselbe kann bei hämorrhagischem I
Charakter des Exanthems auch noch während der Florition
anhalten und die Einleitung bilden eines thyphös sich ge-
staltenden Masernverlaufes, mit hohem Fieber, trockener Zunge,
Gehirndruckerscheinungen, oder die Vorstufe zu Scorbut,
welcher als Folge schwerer MorbiUen zurückbleiben kann.
An diesen reiht sich S t o m a c a c e und N o m a mit ausgebreiteter
G-angrän der Mundschleimhaut und des Gesichtes, hämoptoischer
Lungeninfarct, Lungengangrän. Laryngitis als sogenannter
falscher Croup gehört dem Prodromalstadium an und
charakterisirt sich durch rauhen oder bellenden, oder spas-
modischen Husten, bisweüen mit Lispirationskrampf. Der
Zustand ist nur der Ausdruck einer hochgradigen katarrhalischen
Erkrankung des Kehlkopfes und verschwindet mit dem Aus-
bruche des Exanthems. Die eigentliche Laryngitis crouposa
s. diphtheritica, der wahre Croup, tritt während des Blüthe-
stadiums des Exanthems, oder der Abschuppung auf, kündigt sich
durch neuerliche Steigerung des Fiebers an und charakterisirt
sich durch die bekannten membranösen Auflagerungen, welche
auch über die Eachenschleimhaut sich ausbreiten, und durch
bellenden, tonlosen Husten. Er führt in den meisten Fällen zum
Tode durch SufiPocation, oder Blutdissolution, oder Complicationen
von Seite der Lungen (croupöse Pneumonie und Bronchitis), des
Gehirnes u. s. w.
Neben katarrhalischer oder croupöser Tracheal- und
Bronchialerkrankung bildet Pneumonie diq häufigste Com-
plication der Masern, als lobäre meist in der Höhe oder selbst
schon zu Beginn der Erkrankung, als lobuläre öfters als
Kaposi, Hautkrankhelten.
194 Eilfto Vorlesung.
Nachkrankheit. Mit dem Auftreten der ersteren erblasst das
Exanthem. Doch verlaufen die meisten Lungenentzündungen
günstig, wofern sie nicht eine Fortsetzung des Croup sind.
Miliartuberculose , bei Kindern unter den Erscheinungen
des Hydrocephalus acutus sicli manifestirend , tritt bisweilen
schon im Beginn der Masern, oder auch während ilires Be-
standes auf miä führt rasch zum Tode.
AVas die Complication der Masern mit anderen .Haut-
krankheiten anbelangt , so bilden sicli solche schon früher be-
standene, wie chronisclies Eczem, Psoriasis, während der Mor-
billen theilweise zurück, verschwinden aucli ganz, oder tauchen
in der ßeconvalescenz wieder auf. Ausserdem erscheinen bis-
weilen Urticaria, Erythem, oder auch einzelne grössere
Blasen (Steiner).
Wie bei anderen Bhxtvergif tungen , so sind auch bei dem
eine solche darstellenden Masernprocesse die möglichen Com-
plicationen und Folgen kaum erschöpfend aufzuzählen. Zu den
häufigeren Nachk rankheiten der Masern gehören : 0 z a e n a,
katarrhalisch-chronischer Kehlkopf- und Lungen-
katarrh, Darmkatarrh, Oph,thalmien, chronische Ent-
zündung der Kieferdrüsen, der Bronchial- und Mediastinal-
drüsen (Widerhofer) , mit dem Ausgang in Vereiterung oder
Verkäsung, Scrophulose , Anämie u. v. A. , während Nieren-
afiFectionen wohl zu den seltensten Vorkommnissen gehören;
ausserordentlich häufig dagegen Keuchhusten.
Die anatomischen Veränderungen, welche dem Masern-
Exanthem zu Grunde liegen, sind sehr einfach; sie bestehen
nach dem klinischen Aspect in Injection der um die Follikel-
mündimgen gelagerten feinsten G-efässe, oder derjenigen ein-
zelner Papillengruppen, nebst mässiger seröser Transsudation.
Post mortem sind diese wesentlichsten Symptome geschwunden.
Mikroskopisch sind Veränderungen in den Epidermisstratis
und im Gewebe der Papillen, die auf Proliferation der Zellen
schliessen Hessen, bisher nicht gefunden worden, was bei der
geringen Intensität und kurzen Dauer der klinisch sichtbaren
Veränderungen auch erldärlich. G. Simon hebt stärkere
Prominenz des einem Masernknötchen entsprechenden Cutis-
antheiles hervor. Matb und Hebra erklären die Knötchen aus
einer Entzündung der Talgfollikel. Mir scheint, dass dieselben
zumeist den Ausführungsgängen der Haartaschen oder Talg-
Masern.
195
driisen entsprechen, aber an vielen Punkten auch durch Sclmel-
lung einzelner Papillen mu\ des über diesen lagernden Rete
gebildet sind.
In mit Petechien oder Bläschen combinirten Masern sind
die anatomischen Veränderungen örtlich solche , wie sie der-
artigen Morphen auch bei anderen Processen entsprechen.
Was die Veränderungen des Blutes und der inneren
Organe anbelangt , welche bei Sectionsfällen zur Anschauung
kommen, so entsprechen sie den jeweiligen auch im kHnischen
Bilde repräsentirten Complicationen der schweren und letal
endigenden Masern.
Die Ursache- der Morbülen liegt in dem ihnen eigen-
thümlichen Contagium, in der Gelegenheit und der
Disposition der Menschen, dasselbe in sich aufzunehmen.
Das Contagium physikalisch zu demonstrii^en , ist bisher
noch nicht gelungen. Es wird angenommen, dass dasselbe
organischer Natior sei, vielleicht ein pflanzlicher Organismus
voti dem Charakter der mikroskopischen Pilze. Es regenerirt
nnd vermehrt sich in dem davon inficirten Organismus , der
dadurch zivc Ansteckiingsquelle für andere wird. Träger des
Masern-Contagiums sind die Excretionsproducte der katar-
rhalisch afPicirten Schleimhäute, das Secret der Nase, die
Sputa, die Thränen und auch das Blut MorbillÖser (Home,
Speeanza, Katona u. A.). Mit denselben experimentell vor-
genommene Impfimgen haben den Ausbruch der Krankheit nach
der normalen Incubationsfrist zur Folge gehabt. Aber auch
die Exhalation der Lungen und der Haiit während des
Prodromalstadiums und des Bestandes des Exan-
thems führen das Contagiiim, welches somit als flüchtig
durch die Atmosphäre verbreitet wird. Es genügt daher
einige Zeit in der Atmosphäre eines Masernkranken zu ver-
weilen, um den Ansteclmngsstoff in sich aufzunehmen. Ueber
die Ansteckungsfähigkeit MorbillÖser während des Desqua-
mationsstadiums und der Producte der Abschuppung
sind die Meinimgen getheilt.
Die Disposition für die Erkrankung an Masern ist
so ziemlich gleich für alle Menschen, sie fehlt aber bei solchen,
die schon einmal die Krankheit überstanden. Doch sind zahl-
reiche Eälle von zwei-, selbst dreimaligem Befallenwerden mit
Intervallen von mehreren Wochen bis Monaten und Jaliren
13*
^Qß Eilfte Vorlesung.
nielit gerade selten. Kinder innerlialb des ersten Lebensjahres
und Grreise scheinen weniger zu Masern disponirt. Das grösste
Contingent liefern solche vom 2.— 10. Lebensjahre, so dass die
Morbillen eine exqviisite „Kinderhranliheit" vor.stellen.
Acute, fieberhafte Krankheiten schützen nicht vor Em-
pfänglichkeit gegen das Contagium. Doch pflegt dann der Aus-
bruch der Masern bis zum Ablauf jener sich zu verzögern.
Schwangere und Wöchnerinnen sind durch die Krankheit be-
deutend gefährdet. Es liegen auch Angaben vor, wonach
Kinder mit Masernexanthem geboren worden seien, deren
Mütter eben um die Zeit ihrer Entbindung von der Krankheit
befallen waren.
Die Ansteckung erfolgt durch directen Contact mit einem
Masernkranken, oder auch nur durch Einathmen der von
ilun ausgehenden Exhalation, beim Aufenthalte in der ilm um-
gebenden Sphäre. Wie lange Zeit hierzu erforderlich ist,
dürfte nach der individuellen Disposition mid der Litensität
des Contagiums, die nach Epidemien und EinzeKällen wechsebid
sein mag, sehr verschieden sein. Grewiss ist, dass eine nur
flüchtige Annäherung schon genügt, um inficirt zu werden.
Das Contagium haftet sicher auch an Kleidungsstücken und
Geräthen und kann so durch gesunde Personen verschleppt
und Anderen übermittelt werden. Doch scheint speciell das
Maserncontagiuni in dieser Beziehung, sowie bezüglich der
Lebensdauer seiner Wirksamkeit anderen Contagien nachzu-
stehen, so dass weder die absolvirten Masernkranken, noch die
Greräthe und Wohnungsräume über den letzten in ihnen ab-
gelaufenen Masernfall hinaus ihre Lifectiosität behalten.
Vermöge ihrer Ansteckungsfähigkeit auf unmittelbarem
und mittelbarem Wege befallen die Masern in der Regel aUe
zu einer Familie gehörigen, noch nicht durchmaserten Kinder,
und von dem Orte ihres Auftauchens aus alsbald eine grosse
Reihe von bis dahin masernverschonten Personen. Sie treten
also in Epidemien auf. Li grossen Städten fehlt es nie an
sporadischen Fällen von Masern und etablirt sich alle 3 bis
4 Jahre eine grössere Epidemie. Li vom grossen Verkehr ab-
seits gelegenen Gregenden, in welchen seit langer Zeit oder
überhaupt noch keine Masernepidemie geherrscht, demnach
viele oder alle Lidividuen nicht maserndurchseucht sind, befällt
die 'Krankheit, sobald sie dorthin eingeschleppt worden, den
Masern.
197
grössten Tlieil der Bevölkerung , alt und jung , und erreicht
demnach die Epidemie die grösste Ausdehnung.
Obgleich für alle Fälle und alle Epidemien das gleiche
Contagixim angenommen werden muss, zeichnen sich doch ein-
zelne durch besondere Milde der Symptome und des Verlaufes,
andere durch Intensität mul Grefährlichkeit aus. ^
Als Vorläufer von Masernepidemien werden in der Kinder-
bevölkerung herrschende katarrhalische Erkrankungen der Luft-
wege , Bronchialkatarrhe, Influenzen, besonders aber Keuch-
husten öfters constatirt, eben so wie derartige AfPectionen
nach Erlöschen der Epidemien zurückzubleiben pflegen.^
Die Diagnose der Morbillen gründet sich auf die Com-
bination und die regelmässige Entwicklungsweise der katar-
rhalischen Erscheinungen, des Fiebers und desExan-
thems. Das Letztere hat grosse Aehnlichkeit mit dem Pro-
dromalexanthem der Pocken, deren Ausbruch ebenfalls Katarrh
lind Fieber voranzugehen pflegen. Ein vorsichtiger und erfahrener
Arzt wird daher nur dann am ersten Tage des Ausbruches Masern
diagnosticiren, wenn auch die katarrhalischen Erscheinungen
und die constatirte Gelegenheit zur Ansteckung eine solche
AufPassung stützen. Sonst ist es besser, noch den nächsten
Tag abzuwarten. Im Falle Blattern vorlägen, würden die
Knötchen bis dahin sich deutlicher entwickelt, oder gar zu
Bläschen erhoben haben, während die Knötchen der Masern
sich nicht derart verändern. Scharlach präsentirt sich wohl
überhaupt anders. Miliaria und Roseola papulosa haben da-
gegen eine grosse Aehnlichkeit mit Masern. Nur fehlen bei jenen
der Katarrh und die Fiebererscheinungen , oder sind sie nur
höchst mässig, die letzteren übrigens nicht von dem regel-
mässigen Typus des Masernfiebers.
In neuerer Zeit wird auch mit dem Nachdruck wissen-
schaftlicher Begründung die Differentialdiagnose zwischen Mor-
bülen und Rubeolen, oder RjUh^ln_yerlangt. Unter diesem
Namen wircPnämlich seit din Sechziger- Jahren häufiger, als
dies früher geschehen, ein acutes, contagiöses, öfters epidemisch
erscheinendes Exanthem der Kinder aufgeführt, welches zwar
mit Morbillen sehr viel Aehnlichkeit besitzt, aber doch eine
von diesen verschiedene und von einem besonderen Contagium
herstammende Krankheitsform darstellen soU. Aus unserer
nächsten Nachbarschaft (Leoben, Dr. Bdchmüller) ist im
j^gg Eilfte Vorlesung.
Jalire 1877 über eine grössere Epidemie von Rubeolen berichtet
worden. Die Symptome, welclie von den „specifiscben'' Rubeolen
angegeben werden, nnterscbeiden sicli aber in Nichts von den-
jenigen mild verlaufender Masern. Auch ist der Uebergaug
solcher Formen in echte Morbillen nicht nur von Gegnern ihrer
Specifität erwiesen (Kassowitz), sondern auch von Anhängern
derselben zugegeben worden (G-erhaedt). Das gelegentliche
Vorkommen bei Kindern, die bereits Masern überstanden haben,
hat nichts AuffäUiges , da ja auch charakteristische Masern
zwei- und dreimal dasselbe Lidividixum befallen können. Dies
Alles lind meine eigenen Beobachtungen berücksichtigend, muss
ich mit Hebea und vielen Anderen die als ßubeolae ausgegebenen
Exantheme als Fälle yon Morbillen ansehen wnö. die Diagnose
„Rubeolae" mit dem Begriffe einer selbstständigen contagiösen
Krankheit als unbegründet erachten.
Unter Umständen mag endlich die symptomatische Roseola
mancher Krankheiten, wie Typhus, zu Verwechslung mit Mor-
Ijillen Anlass geben.
Die Prognose der Morbilli Amigares ist durchweg
günstig. In normalen Fällen und gewöhnlichen Epidemien luid
bei sonst gesunden Individuen ist stets Genesung zu erwarten.
In complicirten Fällen kann die Vorhersage nur insoferne
bedenklich, oder absolut migünstig werden, als die geschilderten
Zufälle an und für sich , oder vermöge der individuellen Or-
ganisation des befallenen Individuums den Verlauf der Ki^ank-
heit ungünstig zu beeinflussen geeignet sind. Mit Rücksicht
auf die fieberhaften Complicationen möchte ich dem Ausspruche
Thomas' mich ganz anschliessen: „Die prognostisch wichtigsten
Anomalien sind ungewöhiüich hohes Fieber und Verzögeriing
der kritischen Entscheidung desselben, ungewöhnlich reichliches
und lebhaft gefärbtes, so wie anomales Exanthem, ungewöhnlich
intensive Schleimhauterkrankungen , endlich complicatorische
Erkrankungen innerer Organe, oder compHcatorische allgemeine
Leiden." In diesen Beziehungen ist besonders der Intensität
und Verlaufsweise des Fiebers ein grosses Gewicht beizumessen
und „die grosse Bedeutung der Temperatiu-messungen für das
Studium der Masern liegt darin, dass es mit ihi«er Hilfe viel
besser als auf irgend welchem anderen Wege, imd insbesondere
viel sicherer, als durch blosse Berücksichtigung des Exanthems
gelingt, die normalen Fälle von den anomalen zu sondern, den
Masern.
199
Eiutritt von Anomalien und Complieationen zu bestimmen nnd
die Bedeutung derselben zu beurtheilen'-.
Nebstdem wird die Vorhersage noch durch die individuellen
und epidemischen Momente beeinflusst. Kinder im ersten Lebens-
jahre und G-reise, sowie anderweitig bereits Kranke, besonders
auch Wöchnerinnen und Schwangere sind durchschnittlich zu-
meist gefährdet. Ausserdem ergeben manche Epidemien über-
haupt mehr und gefährliche Complieationen und Todesfälle,
wähi>end in anderen fast alle Erkrankungen normal und tj^Disch
verlaufen und daher in Genesung enden. So finden sich denn
oTOSse Differenzen in den Mortalitätsverhältnissen bei
Masern, von kaum lo/o— 15°/o und darüber. Die erschreckendsten
Ziffern in dieser Beziehimg liefern die Epidemien, welche in
einer bis dahin von Masern ganz verschonten Bevölkerung anf-
getreten sind, wie auf manchen Inselländern dies erfahre;ji
wurde, die zum ersten Male von Masern heimgesucht wurden.
Der Tod, als directer Ausgang des Masernprocesses, tritt
selten im Prodromalstadium, häufiger während der Elorition ein,
bei sogenamitem Maserntyphus, Morbilli asthenici, sjniochales.
Derselbe kaim überdies während aller Stadien und auch noch
viel später durch jene Complieationen und Folgen der Masern
veranlasst werden, deren früher gedacht worden ist.
Die beste Behandlung der normal verlaufenden Masern
ist diejenige, welche sich aller umiöthigen und unnützen Ein-
griffe und Belästigungen der Kranken enthält. Eulie , gut
gelüftetes und auf 14—15° E. temperirtes, bei Lichtscheu
mässig verdunkeltes Krankenzimmer, dem Fiebergrade und den
subjectiven Empfindungen angepasstes Eegime, entsprechen am
meisten. Gegen übermässige Temperatur des Körpers können
kalte Waschungen, oder selbst methodische nasse Einhüllungen
vorgenommen werden. Man hat durch all' dies kein „Ziirück-
treten" des Exanthems zu befürchten. Wenn es plötzlich ver-
schwindet, so ist, wie schon erwähnt, das Auftreten einer
bedenklichen Complication daran Schuld.
Das tägliche Waschen des Körpers, das Wechseln der
Leibwäsche kann ohne Nachtheil vorgenommen werden und
wird nur für den Kranken angenehm sein. Gegen das Jucken
der Haut sind Einreibungen mit blandem Fett angezeigt. Voll-
kommen fieberfreie masernkranke Kinder dürfen ohiieweiters
tagsüber ausser Bett bleiben luid mässige Kost gemessen.
200 Eilfte Vorlesung. — Masern.
Complicatorisclie und Folge-Erlo-ankungen der Masern
werden nacli ihrer Natur iind den Regeln der Kunst behandelt,
ohne Rücksicht auf das Hautexanthem.
Nach vollendeter Desquamation, also etwa 14 Tage nach
Beginn der Erkrankung , können die Kranken ein lauwarmes
Bad nehmen und ohne (Gefahr für sich und Andere zum freien
Verkehre mit der Aussenwelt zugelassen werden.
Was die Mittel der Prophylaxis gegen Masern und
ihre Verbreitung anbelangt , so ist es mit denselben schlecht
bestellt. Die Impfung mit Secreten und Blut Morbillöser ge-
währt keinen Vortheü, da durch dieselbe nicht ein unbedeutender
örtlicher Process , sondern die aUgemeine Erkrankung hervor-
gerufen wii-d. In den Familien befürworten sogar die meisten
Aerzte die noch nicht durchmaserten Kinder von den mor-
billösen Geschwistern nicht zu separiren, da allgemein angeilommen
wird, dass sie früher oder später denn doch erkranken würden,
und praktisch die Absonderung thatsächlich selten voUkommen
und noch seltener frühzeitig genug geschehen kann. Da schon
im Prodromalstadium, also zur Zeit , wo noch kein Exanthem
zngegen ist, und die Diagnose noch nicht gestellt werden kann,
die Kranken Andere inficiren können, so erfolgt auch m der
Regel die Erkrankung bei solchen Kindern, welche schon zur-
Zeit separirt worden, als bei ihrem Geschwister der Ausschlag
noch nicht erschienen , wohl aber schon die katarrhalischen
Symptome zugegen waren.
Zwölfte Vorlesung.
Scharlach, Scarlatina.
Scharlach, Scarlatina (Febris scarlatinosa, Angina
maligna, Rossalia, Scarlet fever, Scarlatüie) charakterisirt
sich als acute, contagiöse, fieberhafte Krankheit,
durch gleichzeitige entzündliche Affection der
S chlingorgane und scharlachrothes Exanthem der
allgemeinenDecke.
Obgleich schon von Sennert und Döring im Beginne
des 17. Jahrhundertes kenntlich beschrieben, hat der Scharlach
doch erst durch Sydenham (1670 — 1674) eine für alle Folge-
zeit massgebende Beschreibung erhalten.
Wir haben auch hier , wie bei Masern , Erkranknngs-
formen mit normalem (typischem) und solche mit abnormen
(atypischem) Verlauf zu unterscheiden und bezüglich des erste-
ren vor Allem die vier Stadien der Incubation, Prodrome,
Elorition und Desquamation.
Das Incubationsstadium, mit dem Momente der
Ansteckung beginnend, dauert diirchschnittlich kürzer als bei
Masern, circa 8 Tage, oft genug aber constatirtermassen nicht
länger als 4 — 5 Tage, ausnahmsweise dagegen sogar 3 bis
5 Wochen , oder im Gegentheil sehr kurz , kaum 24 Stunden.
Man ist zur Bestimmuxig seines Beginnes nur auf die nachr
weisliche Gelegenheit zur Contagion von einem Scharlach-
kranken beschränkt, da experimentelle Uebertragungen des
Scharlach-Contagiums wegen der eventuellen Gefährlichkeit
2Q2 Zwölfte Vorlesung.
des derart provocirbaren Krankheitsprocesses zwar einigemal
vorgenommen worden sind, aber tlieils keinen Erfolg, tlieUs,
bei bewirkter Erki^ankung, selir difFerente Incubationsdauer
ergeben haben.
Während des Incubationsstaditims ist in der Regel keinerlei
Störung der Gesundheit, bisweilen nur 2—3 Tage vor Beginn
der Prodrome geringe Fieberbewegung, Unlust, Mattigkeit,
Eingenommenheit des Kopfes wahrzunehmen.
Das Stadium prodromorum führt sich mit plötz-
lichem heftigem Fieber ein. Die Temperatur erreicht 40» C.
und darüber, die Pulsfrequenz die Höhe von 140—160 Schlägen
in der Minute. Gleichzeitig zeigt sich Angina, Rötluxng und
Schwellung der Mandeln, des weichen Gaumens, hier mit
stärker markirten dunkelrothen Punkten, imd in ge-
ringerer Intensität meist über die Rachenschleimhaut , den
harten Gaumen, seltener auch die Nasenhöhle, Kehlkopf,
Trachea und Conjunctiva sich fortsetzend. Die Zunge ist
stark belegt. Stibjectiv siad Sclilingbeschwerden, Abgeschlagen-
heit, begleitende Erscheinungen des Fiebers, wie Durst,
Ueblichkeit, Kopfschmerz mir in massigem Grade zugegen.
Oder die concomitirenden Symptome sind bereits sehr intensiv.
Erbrechen, Betäubung, Hinfälligkeit, Convulsionen (bei Kindern),
drückender Kopfschmerz , Delirien oder Betäubung sind nicht
selten zu beobachten, und wenn an und für sich auch bedeutend
als Symptome eines intensiven ErgrifPenseins der Nervencentren,
doch bezüglich des weiteren Verlaufes der Krankheit noch
nicht entscheidend.
Dieses Stadium währt 12—24 Stunden, oder auch 2 bis
3 Tage und markirt sich gegen das
Stadium eruptionis nur durch den Ausbruch des
Exanthems ab. Denn die Fieber- und concomitirenden
Symptome halten ungeschwächt an, oder haben sich womöglich
noch gesteigert.
Der Scharlachausschlag tritt am Halse und der
Schlüsselbeingegend zuerst aiif in Form von dicht gedrängten,
nadelstichgrossen, blass- oder gesättigt-rotheu Pünktchen
welche, von der Entfernung gesehen, zu einer diffusen imd
gleichmässigen Röthe verschmelzen. Obgleich die Färbung des
Exanthems meist um diese Zeit nicht Scharlach-, sondern mehr
lebhaft roth ist, so kann doch aus der feinen Punktu-ung des-
Scliarlach.'
203
selben und die Abgrenzmig gegen den Kieferrand dessen
Bedeutung als scarlatinöse , wenn auch nicht diagnosticirt,
so doch als wahrscheinlich hingestellt werden. Das Gesicht,
wohl fieberhaft geröthet und etwas turgescent, bleibt doch
stets von dem Ausschlage selber verschont. Nur ausnahmsweise
kommen auch auf der Stirne und Schläfe Flecke vor, wogegen
die Umgebung des Mundes stets blass bleibt (Thomas). Dagegen
breitet sich derselbe im
Stadium floritionis rasch über Rücken und Brust,
Ober- und Unterextremitäten aus, mit besonders deutlicher
Entwicklung aiif Hand- und Fussrücken, der charakteristischen
Zusammensetzimg aus feinen Pünktchen und mit prononcirter
Scharlach-Tinte. Auf den Extremitäten erscheint das Exan-
them meist imterbrochen und an einzelnen SteRen in Form von
bis linsengrossen Flecken. Es schwindet unter dem Finger-
drucke, wobei die Haut sich etwas ödematös erweist. Am
2. Tage hat dasselbe die grösste In- und Extensität erreicht.
Es erhält sich so 1—3, manchmal auch 5—7 Tage, wobei die
Intensität der Färbung öfters wechselt,, und namentlich mit
den Exacerbationen u.nd Eemissionen des Fiebers sich steigert
und fällt.
Fieber und allgemeine Symptome halten an. Die angi-
nösen Erscheinungen sind mitiuiter mässig, diffuse Eöthe,
massiges Oedem des Velum und der Uvula, zuweilen aber
dui'ch intensive Entzündung der Tonsillen, bei Kindern, be-
lästigend, oder selbst unmittelbar gefahrdrohend. Die Mund-
schleimhaut ist difPus geröthet, die Zunge nach Abstossung
ihres grauen Beleges dunkel-fleischfarben und zottig (Katzen-
zunge), die Cervicaldrüsen oft deutlich geschwellt. Die Haut
ist trocken, heiss, brennend, die Diurese spärlich, oft deutlich
Eiweiss und Nieren-Epithelien im Urin nachweisbar (Eisen-
SCHITZ).
Nachdem sich das Exanthem durchschnittlich 1 — 3 Tage
auf der Ahme erhalten, beginnt dasselbe in der Reihenfolge
vom Halse abwärts abzublassen, unter gleichzeitigem Nachlass
der Temperatur und der anderen Fieber- und Begleit-
erscheinungen. Nur die Angina pflegt noch nngeschwächt fort-
ziibestehen, oder gar noch sich zu steigern.
Binnen 4 — 8 Tagen ist der Ausschlag mit Ziirücklassung
einer gelbbraunen Pigmentirung abgeblasst, die Haut normal
2Q4 Zwölfte Vorlesung.
temperirt, transpirirend, Angina und die Eeihe der begleitenden
Erscheinungen in Rückbildung begriffen, die Unruhe und
Schlaflosigkeit gewichen, Esslust eingetreten.
Das Stadium desquamationis macht sich von da ab
unter den Fortschritten der allgemeinen Reconvalescenz geltend
durch die entsprechend dem Exanthem sich darbietende Epi-
dermisablösung. Sie schülfert in kleineren und grösseren
Lamellen (Desquamatio membranacea) , besonders an den
Fingern, zuweilen in ganzen handschuhfingerförmigen Hülsen
(Desquamatio siliquosa), denen manchmal die Nägel selbst in
toto folgen ; an stärker transpirirenden Stellen nur in Schüppchen
(D. furfuracea). Binnen 14 Tagen ist die Abschuppung vollendet
und die Epidermis allenthalben gleichmässig regenerirt. Aus-
fallen der Haare, oder Ergrauen (Beigel) ist einigemal ge-
sehen worden.
Die Dauer des ganzen Processes vom Stadium prodromorum
bis zur Beendigung der Abschuppung beträgt zwischen 2 bis
3 und 5 Wochen.
Der geschilderte Symptomencomplex und Verlauf des
Scharlachs entspricht der Mehrzahl der Krankheitsfälle bei gut-
artigen Epidemien , oder sporadischem Vorkommen imd bei
sonst gesunden Individuen.
Von diesem an und für sich schon abwechslungsreichen
Typus zeigt der Scharlach oft, viel häufiger als die anderen
acuten Exantheme, sehr bedeutende Abweichungen, welche
einen in einzelnen Beziehungen, oder durchwegs anomalen
Symptomencomplex und Verlauf bedingen.
Die Incubation kann ungewöhnlich kurz, 4 — 5 Tage,
seltener abnorm lang, mehrere Wochen dauern, letzteres bei
rhachitischen oder sonst herabgekommenen Kindern. Das
Prodromalstadium fehlt ganz, oder macht sich nicht
durch Fieber kenntHch. FreiHch fehlt auch da kaum jemals
die Angina, welche jedoch wegen Mangels des Fiebers leicht
übersehen wird. Das Stadium eruptionis scheint dann ur-
plötzlich ohne Prodrome aufzutreten. Das Exanthem kann
unregelmässig, zuerst am Stamme, über den (jelenken und den
warm gehaltenen, oder gedrückten, oder gereizten Körperstellen
auftreten, oder überhaupt sehr spärlich, nach einzelnen Beob-
achtungen auch halbseitig , allmälig und zögernd , oder plötz-
lich über dem ganzen Körper erscheinen. An paralytischen
Scharlach. 205
Extremitäten pflegt dasselbe zu fehlen, oder im Gregentlie^l
stärker entwickelt zu sein und länger zu verbleiben.
Der Ausschlag hält in manchen Fällen kaum wenige
Stunden an, so dass er oft ganz übersehen wird, und nur die
Tonsillitis und die für eine Ansteckung sprechenden Neben-
umstände, eventuell die späteren Folgen (Desquamation, Hydrops)
den Cliarakter der Erkrankung verrathen. Daran knüpft sich
das Vorkommen einer Scarlatina sine exanthemate,
mit completem Fehlen des Ausschlages \mä der Abschuppung,
aber Gegenwart der Angina und aller übrigen, dem Scharlach
entsprechenden Erscheinungen und möglichen, selbst letalen
Folgen.
Im Gegentheil kann das Exanthem ungewöhnlich lange,
1_2 Wochen und darüber bestehen. Damit steht gewöhnlich
ein öfteres Erblassen und Wiederaufblühen und dunklere
Färbung, mit Austritt von rmter dem Fingerdrucke nicht
schwindenden Flecken (Blutfarbstoff), selbst Petechialflecken
in Verbindung, Es wird auch von E,ecidi^ären des Exanthems
nach vollendeter, oder beinahe vollendeter Desquamation be-
richtet. Allein es scheint sich da um Erythem und nicht um
wahres Scharlach-Exanthem zu handeln.
Auch die Desquamation kann ungewöhnlich verspätet
eintreten, sich lange hinschleppen, sehr intensiv sein, d. h. in
Form ausgedehnter und dicker Schwarten - Ablösung statt-
finden.
Bezüglich der morphologischen Eigenschaften des
normalweise als punktförmig, gleichmässig fleckig und glatt
erscheinenden Exanthems — Scarlatina laevis — findet
sich die Abweichung als Sc. laevigata, mit mehr vor-
springenden, glänzenden Flecken; Sc. papulosa und Sc.
miliaris mit deutlicher Knötchen- und Bläschenbildung auf
der diffus gerötheten Haut; Sc. variegata, mit der Bildung
grösserer, von den einzelnen rothen Punkten ausgehender
Flecke, welche durch ihr dunkleres Colorit von der blässer
gefärbten übrigen Exanthemfläche sich deutlich abheben;
endlich Scarlatina haemorr hagi c a s. septica, mit
anfangs punktförmigen, später bis Thaler- und Flachhand-
Grösse und darüber sich ausdehnenden Blutaiistritten mitten
auf den scharlachgefärbten Hautregionen, bei Kindern meist
am Stamme, bei Erwachsenen am Halse und über den Gelenken
2Qg Zwölfte Vorlesimg.
xind in Gesellscliaft mit scorbiitisclien Erscheinungen der Mnnd-
sclileimliaiit, — eine böse I'orm.
Was die Gleichzeitigkeit des Scharlachs mit anderen
acuten Exanthemen, Masern und Blattern anbelangt, von
welcher in den letzten Jahren wiederholt, namentlich Kinder-
ärzte , berichtet haben , so ist kein Zweifel darüber , dass die
den einzelnen Exanthemen entsprechenden Contagien gleich-
zeitig- im Körper aufgenommen sein und ihre specifische
Wirkung entfalten können. Sie macht sich aber in der Weise
geltend dass die eine erst auf der Haut erscheint, wenn die
des anderen bereits in Abnahme begriffen ist. So kann man
in Decremento Scarlatinae MorbiUen oder Variola und wechsel-
weise auftreten sehen. FäUe aber, in welchen das eme Exan-
them z B. Scharlach, durch einen Ausbruch von Masern
unterbrochen worden und nach Abblassen dieser jenes wieder
neu erblüht sein soll, dürften wohl anderer Deutungen
fähig sein. -■ -r> ^ i
Erytheme, Urticaria, einzelne Blasen und Pusteln, sowie
Petechialflecke kommen gelegentKch mit Scharlach vor , haben
aber keine weitere Bedeutung, als die der örtlichen Steigerung
der Gefässfüllung, Exsudation und PermeabiKtät der Gefass-
"^""'''^CWsche Exantheme, Scabies, Eczem, Psoriasis bilden
sich während der Blüthe des Scharlachs zurück imd reactiviren
sich wieder mit dem Eortschreiten der Eeconyalescenz.
Die Eeihe der weiteren AnomaHen, welche die Scarlatma
darbieten kann, ist eben so gross, als die der einzelnen über-
haupt möglichen, örtlichen und allgemeiaien Symptome^^ Es
gibt kaum eines, welches nicht durch abnorme Entwicklimg
L dem hervorragendsten des ganzen Symptomencomp exes
Sch herausbüden,'dadurch das Kraiikheitsbild des Schaidachs
wesentlich umgestalten und den Verlauf und
Erkrankung zu bestimmen geeignet wäre. Derartige abnoime
Symptome erscheinen dann entweder als Complicationen,
wofern sie ganz aus dem Rahmen des gewöhuHchen Kraukheits-
bildes heraustreten, oder als Nachkrankheiten, mdem sie
nach Ablauf des gewöhnlichen Cyclus noch andauern, oder gai
erst da entstehen. _
Am häufigsten ist eine abnorme Steigerung dei_ scai-
latinösen Angina zu beobachten - Angina scarlatmosa
Scharlach.
207
maligna. Es kommt schon während der Prodrome nnd zu
lieginu der Eruption zu parenchymatöser Entzündung der
Tonsillen, der Graunien- und ßachenschlelmhaut und des
retromucösen Bindegewebes. Hochgradige Schlingbeschwerden,
OtFenhalten des Mundes, reichlicher Speichelabfluss aus diesem,
heftiges Fieber, Grediiusenheit des Gresichtes, Unruhe, Delirien
begleiten den Zustand. Die enorm vergrösserten Tonsillen
lesen sich hart aneinander und können SufFocation veranlassen.
Ihre Abscedirung an ein oder mehreren Stellen ist ein relativ
günstiger Ausgang, Gefährlicher ist die Vereiterung des
retromucösen Bindegewebes. Besonders führen Retropharyngeal-
abscesse direct oder durch Eitersenkung unmittelbar, oder in
der Folge zum Tode. Rapid geht es zum Verderben, wenn
der entzündliche Infarct der Tonsillen und der Gaumenschleim-
haut zu Gangrän führt. Diese verräth sich durch den be-
kannten brandigen Geruch des Athems, breitet sich, von den
Tonsillen ausgehend, sehr rasch über die Gaumensegel, die
Mimd- vmd Rachen -Nasenschleimhaut aus und führt unter
Coma, Convulsionen, jauchigem Ausfluss aus Nase und Mund,
bis zur Undeutüchkeit beschleunigtem und geschwächtem Pulse
zum Tode. Das Exanthem besteht während des die Gangrän
begleitenden intensiven Fiebers und erblasst erst mit dem
Schwächerwerden des Pulses.
Ein andermal ist es Diphtheritis des Rachens, —
Angina diphtheritica — welche die Angina verschlimmert.
Die schmutzig-gelben , fibrinösen Auflagerungen können sich
über die Rachenschleimhaut und durch die Choanen auf die
ScEDJErDEß'sche Schleimhaut ausbreiten. Doch findet oft wieder
Lösung des membranartig auflagernden Exsudates statt. Mehr
Gefahr bringt die auf den Kehlkopf sich ausbreitende Diph-
theritis— Laryngitis crouposa — welche dutch SufFocation,
hinzutretende Pneumonie, Gangrän oder Blutzersetzung, oder
selbst nach Lösung des Croup durch nachträgliche plötzliche
Nerven- und Gefässlähmung dem Leben ein Ende bereitet.
An alle diese Afi'ectionen schliesst sich regelmässig be-
deutendere Schwellung oder Entzündung der Unter-
kiefer- und Speicheldrüsen. Zuweilen steigert sich die-
selbe zu einer ausgebreiteten Entzündung auch des umgebenden
Bindegewebes. Wangen-, Kiefer- und Halsgegend sind von
einer derben Geschwulst besetzt, welche gegen den Kehlkopf
Zwölfte Vorlesung.
dränft-t, das Oeffneu des Kiefers umnöglicli maclit. Es kommt
regelmässig .ur Abscedirung an mehreren Stellen, mit Nadi-
lass der örtlichen und allgemeinen Erscheini.ngen und mög-
licher Heilung; oder zu rasch um sich gi;eifender Grangran,
welche durch Erschöpfung, Fieberhöhe oder Arrosion der
grossen Halsgefässe und tödtliche Blutung das Leben ver-
nichtet- oder es bleibt bei sonst günstigem Verlaufe eine in-
dolente' Geschwulst noch monatelang fortbestehen. _
Affectionen des Intestinaltractes, durch massige
Diarrhoe in benignen Fällen sich manifestirend, können durch
Steio-erung zu croupöser Enteritis einen deletären Charakter
annebnen, unter profusen, blutig-schleimigen Entleerungen,
Meteorismus, noch während des Blüthestadiums des Exanthems
raschen VerfaU der Kräfte, Temperatursabnahme und den iod
herbeiführen. , p
Otitis catarrhalis et suppurativa des Mittelohres, Tei-
foration des TrommelfeUes und folgende Anchylose der Gehor-
knöchel, auch Entzündung und Caries des Warzenfortsatzes
Hiit complicirender Phlebitis und Meningitis, mit schleppendem
Verlaufe oder raschem, deletärem Ende compHciren mcht selten
den Scharlach schon in dessen frühen Stadien oder stellen sich
als dessen Folge ein.
UebeAaupt ist jede Angina scariatinosa pai^nchymatosa,
gangraenosa oder diphttaitica die QueUe ^^^'^'^t^S
Lnten und eine ganze Eeihe nodi zu erwalinender Compl -
"tionen, namentUoh Blutnngen, Embolie, Pya,n,e nnd meta-
statiscber Entzündungen in allen ß^^''«" ^^^"'"'p" ,
Obne noch dureh einen besonders loeahsn-ten Prooess
selbst Angina und Exanthem mcbt ausgenommen sich gdtend
gemacht zu haben, oder bei Gegenwart eines b^noi
fhagiseh sich gestaltenden Exanthems kann
Contagium der Scariatina gesetzte »"«^^
funetiL zerrütten, indem durch dasselbe
Blutzersetznng bewirkt wird. Sie ^^"f *"* , f g^;"
einem Symptomeneomplex. der als Scharlachtyphus, Sear
latina typhosa, -.septica, haCmorrhagica '^«f.^'f ,
Derselbe wird bezüglich der Intensität seiner Symptome
nach zwei Graden unterschieden (Mayk, Hebka).
Im ersten Grade macht sieh sogleich beim *™*;
des Fiebers grosse Muskelschwache und Eingenommenheit des
Scharlach.
^09
Kopfes geltend. Im Stadium eruptionis steigern sicli die Er-
scheinungen des G-ehirndruckes : häiifiges Erbrechen, Delirien,
Betäubung, Coma, Convulsionen, erweiterte Pupillen. Alsbald
stellt sich Bronchial- und Trachealrasseln ein, die Zunge ist
roth und trocken, der Unterleib meteoristisch, die Milz massig
gesehwellt, Urin spärlich. Der Puls, sehr frequent , wird
schwächer, die Temperatur sinkt und der Tod erfolgt nach
einem Krankheitsverlauf von zwölf Stunden bis fünf Tagen.
Das Exanthem erscheint bei raschem Decursus gar nicht,
sonst unregelmässig oder urplötzlich sehr intensiv, in grossen,
alsbald livid (oder hämorrhagisch) werdenden Elecken.
Im zweiten Grrade des Scharlachtyphus sind (nach
Löschner) die Gehirndruckerscheinungen massiger und ist der
ganze Krankheitsverlauf mehr träge, so dass auch das Exan-
them sich regelrecht entwickelt, oft allerdings mit P e t e c h i e n
und Miliari ab laschen gemengt. Erst später steigern sich
die Krankheitserscheinungen. Es tritt Albuminurie, Meteo-
rismus und Diarrhoe hinzu und erfolgt der Tod unter Coma,
verschwindendem Pulse und Temperaturabnahme.
Aus den in solchen Fällen sich ergebenden Sections-
befunden sind hervorzuheben: G-raue G-ranulationen auf den
Meningen, häufiger nach lentescirendem Krankheit s verlaufe zu
beobachten, Hyperämie des G-ehirnes, der Lujigen und der
Eingeweide, Schwellung der PEYER'schen Plaques, der
Solitärdrüsen des Darmes und der Drüsen des Mesen-
teriums : endlich seröse Ansammlung in den Höhlen der serösen
Häute.
Nierenerkrankung bildet wohl die häufigste Com-
plication des Scharlach, insoferne in den meisten, selbst sonst
normal verlaufenden Fällen, schon in den frühen Stadien
etwas Eiweiss und Nierenepithel, selbst mit Anzeichen der
Verfettung sich im Urin vorfindet (Eisenschitz, Steinee u. A.).
Doch fällt die vorwiegende katarrhalische und parenchymatöse
Nephritis in die Periode der Abschiippung und der späteren
Zeit, derart eine Eolgekrankheit des Scharlachs darstellend.
Durch die einer solchen Affection innewohnende Bedeutung
kann der günstigst verlaufende FaU von Scharlach noch nach-
träglich unglücklich enden.
Pneumonie, desquamative u^nd croupöse, letztere be-
sonders als Fortsetzung des Croup des Larynx ,' Entzündung
Kaposi, Hautkrankheiten. -'■^
21Q ZwöKte Vorlesung.
der serösen und synovialen Häute, Pleuritis, Perikarditis,
Peritonitis, Gelenksaffectionen gehören zu den selteneren Com-
plicationen. Keratomalacie tritt im Grefolge der septischen
Scarlatina und Grangrän auf. Geringere Bedeutung haben die
seltener auftretenden Blutungen aus der Nase, Aphthen des
Mundes, Vereiterung einzelner Unterkiefer- und Halsdrüsen,
wofern sie eine isolirte Complication des normalen Scharlachs
darstellen.
Als Nachkrankheiten des Scharlach werden solche
Erkrankungen anzusehen sein, die wohl während des Bestandes
des Scharlachs begonnen haben, aber die Abschuppungsperiode
als selbständige Uebel überdauern, oder gar erst nach derselben
zur Entwicklung gelangen, aber aus den der Scarlatina eigen-
thümlichen Veränderungen des Organismus herzuleiten sind.
In die erste Kategorie gehören andauernde Ozoena, als
einfacher chronischer Nasenkatarrh, oder intensivere Entzündung,
die zu Geschwüren, eitrigem Ausfluss, Caries und Necrose der
Muscheln und Nasenscheidewand, Erysipel und selbst Gangrän
führen kann ; Otitis mit den möglichen Folgen, als Zerstörung
wichtiger Gebilde, bleibender Schwerhörigkeit oder Taubheit,
selbst letal endigender Caries; Vergrösserung der Mandeln,
chronischer Darmkatarrh und consecutive Störung der Ernährung,
metastatische AfPectionen der Gelenke und serösen Häute,
Entzündung und Vereiterung der Lymphdrüsen, der Haut und
des subcutanen Zellgewebes an den verschiedensten Körper-
stellen. Besonders Parotis und Submaxillardrüsen schwellen
sehr oft in indolenter Weise und bilden durch Monate, ein bis
zwei Jahre fortbestehende Tumoren, eben so, wie Mumps, die
indolente Schwellung und Infiltration des periglandulären
Bindegewebes in der Kieferfurche, oft nach Scharlach zurück-
bleibt. Aus aUen diesen AfPectionen kann sich eine chronische
Ernährungsstörung des Organismus, namentlich Scrophulose,
entwickeLa, oder selbst ein acuter, letal endigender Process
hervorgehen.
Die häufigste und gefürchteteste Folgekrankheit des
Scharlachs bleibt jedoch die Nierenaffection, welche in
seltenen Fällen , sowie in früheren Stadien , auch später , als
acuter Morbus Brightii durch Erscheinungen der Urämie plötz-
lichen Tod herbeiführen kann, oder später und in allmäliger
Entwicklung bald an verschiedenen KörpersteUen wechselnd
Scharlach.
211
auftanchenden, bald vorwiegend auf die Unterextremitäteii
beschränkten Hydrops Anasarca, so wie Ascites veranlassen
kann. Die meisten Fälle mit späterem Hydrops keilen wieder,
andere führen zu erschwerenden Complicationen, oder gar, wie
durch Hydrocephalus acutus, Hydrothorax und Hydrocardiura,
Glottisödeni zum Tode.
Ich habe mich mit Rücksicht auf den Plan unserer
Vorlesungen darauf beschränkt, nur die Hauptmomente der
Complicationen und Folgezustände des Scharlachs hervorzuheben.
Aber schon das Angeführte wird genügen, um den schwanken-
den \md unbestimmbaren Charakter des scarlatinösen Processes,
zugleich dessen Gefährlichkeit Ihnen zur Ueberzeugung zu
bringen.
Die Prognose kann daher bezüglich der Scarlatina
nie anders als zweifelhaft lauten. Ich kenne keine hinterlistigere
Krankheit als den Scharlach. Man darf ihr gegenüber niemals
sich in Sicherheit wiegen. Jederzeit und in jedem Falle kann
man von den gefährlichsten Ziifällen überrascht werden. Der
normalst sich einleitende und mit mässigen und typisch sich
gebenden Symptomen einhergehende Fall kann plötzlich durch
Urämie, Gehirnlähmung, oder irgend eine der genannten Com-
plicationen mit Tod abbrechen, oder nach vollendetem gläck-
lichen Verlaufe noch durch Folgekrankheiten und Metastasen
entweder sich in die Länge ziehen, oder ' noch nachträglich,
gefährlich werden, oder selbst letal enden. Der Arzt soll
daher unter allen Umständen dem Scharlach gegenüber sich
skeptisch verhalten, auch die geringste Complications-Erscheinung
nicht als unwichtig beachten und den Patienten nicht für ge-
sund und von aller Gefahr befreit erklären, bevor nicht alle
Symptome des Processes, auch die über die Abschuppung sich
verlängernden, vollkommen beseitigt, der Urin vollständig frei
von Eiweiss ist und die Functionen des Organismus durchwegs
normal geworden sind.
Insbesondere ist auf den Gang des Fiebers und des
Exanthems zu achten. Zu hohes Fieber ist immer ein bedenk-
liches Zeichen, noch mehr dessen Complication mit bedeutenden
Erregungs- oder Depressions - Erscheinungen des Gehirnes.
Deutlich und zur rechten Zeit entwickeltes Exanthem , mit
massigem Fieber und katarrhalischer Angina gibt den besten
Symptomen - Complex. Pavenchymatöse Angina, Zcllgewebs-
14*
91^2 Zwölfte Vorlesung.
Entzündung der ßachensclileiraliaut und des Halses sind sein-
o-efalirliclie ; Diplitlieritis , Croup, Gangrän fast durcliwegs
letal endigende Complicationen. Das plötzliclie Verschwinden
des Exanthems deutet auf intensive Erkrankung innerer
Organe, der Lungen oder des Gehirnes; zögernder Ausbruch
desselben bei andauerndem hochgradigem Eieber und gleich-
zeitigen kephaUschen Symptomen ist ein böses Zeichen. Scar-
latina variegata ist oft von hartnäckiger Bronchitis und
Pneumonie gefolgt. Scarlatina miliaris, durch Auftauchen von
Bläschen auf dem schon bestehenden Exanthem charakterisirt,
deutet auf pyämische Blutvergiftung. Einzelne Petechien,
Nasenbluten bei sonst massigen Symptomen sind unbedenklich;
dagegen bei hohem Eieber, Delirien, Sopor, Gangrän, Vorboten
allgemeiner Blutdissolution. _
Dem Gang der Diurese muss von Anbeginn der Er-
krankuno- grosse Aufmerksamkeit zugewendet, der Gehalt
des Harnes an Eiweiss durch tägliche Untersuchung controllirt
werden. Albuminurie als solche ist noch kein gefährliches
Symptom. Sie fehlt fast niemals. Aber ihr Nachweis halt die
Gefahr vor Urämie und deren möglichem Ausgang oder nach-
folgendem Hydrops und zögernder Eeconvalescenz stets vor
A,^xo-en Diese imd jede andere Complication muss überdies
lach ihrem pathologischen Werthe und nach ihren möglichen
Eolo-en bemessen und zur Orientiruiig bezüglich der Prognose
verwerthet werden. Dasselbe gilt für die Eolgeerschemungen
lind Nachkrankheiten. • . n ^ j
Im Uebrigen bietet auch der aHgememe Charakter der
Epidemie und des „Genius epidemicus" einigen Anhalt für die
Vorhersage. Eine gutartige Scharlach-Epidemie gibt es nach
•dem Ausspruche erfahrener Kinderärzte überhaupt nicht. Doch
zeichnen sich manche durch besonderen ßeichthum und durch
Gefährlichkeit der Complicationen und Folgekrankheiten aus.
•Gegen Ende der Epidemie sind im Allgemeinen die Erki-aiikungen
o-utartiger. Während des Vorherrschens von Croup, TjT^hus,
Dysenterie, Cholera sind [auch sporadische Scharlachfälle mehr
zw fürchten. , . ^
Endlich sind auch die individueUen Verhaltnisse des
Alters, der allgemeinen Constitution, der gelegentlichen ander-
weitigen Complication, mit bei der Vorhersage zu beruck-
«ichtio-en, abgesehen natürlich von den im Krankheitsprocesse
Sclinrlacli.
liegenden Momenten. Jüngere Individuen sind im Allgemeinen
melir gelalirdet als reifere, obgleich auch diese eben so rasch
hingerafft werden können. Schlecht genährte, schlecht gepflegte
Personen, von häufiger Augina geplagte, mit infarcirten Ton-
sillen behaftete lünder, Wöchnerinnen, Blattern- oder Typhus-
kranke, oder Reconvalescenten smd durch Scharlach sehr ge-
fährdet. Ich schliesse diese Andeutungen mit der wiederholten
Mahnung, dass der Arzt jedem Scharlachfalle gegenüber zwar
nicht die Umgebung fortwährend beängstigen, sie aber auch
keineswegs in HofPtiungssicherheit wiegen darf,, bevor nicht
die allerletzten der Complications - und Folgesymptome voll-
ständig geschwunden sind.
lieber die anatomischen Veränderungen ist, das
Exanthem bezüglich, nichts zu sagen, was nicht schon aus der
klinischen Erscheinung desselben zu entnehmen wäre: Hyper-
ämie mit mässiger Exsudation in den normalen Formen, bei
Knötchen und Bläschen die dieser entsprechende stärkere Ex-
sudation und ZeUenvermehrung innerhalb der Papillen und
dem ßete, bei Petechien freier Blutaustritt in die Papillen
und die Cutis. Li cadavere ist die Hyperämie geschwunden.
Die in der Haut und in anderen Greweben und Organen sonst
vorfindlichen pathologisch - anatomischen Veränderungen ent-
sprechen den jeweiligen, im klinischen Verlaufe vorgekommenen
Erkrankungen und sind zum Theile bei deren Besprechung
bereits erwähnt worden.
Die Aetiologie der Scarlatina ist nicht weiter gediehen
als die der anderen acuten Exantheme. Es ist zweifellos, dass
die Ursache der Krankheit in einem specifischen Contagium
gegeben ist. Durch die an allen Orten und für die meisten
Fälle von Scharlacherkrankung erwiesene Gelegenheit zur
Ansteckung von einem anderen Scharlachkranken ist dargethan,
dass der Process nie anders als durch Contagion entsteht.
Dies muss daher auch für solche sporadische Fälle gelten,
in welchen der Nachweis der Ansteckungsquelle nicht gerade
gegeben werden kann.
Uebertragung auf Gresunde durch Ueberimpfung von Blut,
Schuppen imd Secret Scarlatinöser ist Einzelnen gelungen,
mit dem Effect einer oft schweren Allgemeinerkrankung, wes-
halb solche Versuche aufgegeben worden sind. Andere haben
überhaupt nicht Haftung erzielt. Nur Mtqcel gibt an, einzig
214
Zwölfte Vorlesung.
Örtliche Entzündung und Schutz vor weiterer Ansteckung
erlangt zu haben. Im Blute von Kaninchen, die durch Ein-
spritzung von Blut Scharlachlcranker rasch zum Tode gebracht
wurden (CosE und Feltz u. A.), hat man reichlich Bacterien
gefunden. Es steht sehr in Frage, ob diese mit dem Contagium
des Scharlachs etwas gemein haben.
Das Scharlach - Contagium ist flüchtig und erfüllt die
Athmungssphäre der Scharlachkranken. Es ist ferners in dem
Blute, wahrscheinlich auch den Abschuppungs- und Excretions-
stofFen der Kranken enthalten und haftet auch an Gregen-
ständen und Geräthen, mit denen es auf weite Entfernungen
verschleppt werden kann. Einathmeu der contagiumgeschwän-
gerten Luft, wie die directe Berührung des Kranken und
seiner Secrete, so wie der Verkehr mit den Personen und
Dingen, die das Contagium an sich zu heften vermochten, kann
die Ansteckung ermöglichen. lieber die grosse Lebensdauer
des Scharlach-Contagiums , seine Tenacität gegen Zeit und
Ortsveränderung , hohe Kälte und Hitze und Witterungs-
äuderungen liegen die sonderbarsten, vielfach sehr beglaubig-
ten Angaben vor. Darnach ist die Krankheit durch gesunde
Mittelspersonen , oder von Scharlachkranken oder ihrer Um-
gebung herrührende Gregenstände , Kleider , selbst Briefe viele
Meilen weit verschleppt worden ; oder sind Personen an
Scharlach erkrankt, die ein' seit Monaten von einem Scharlach-
kranken verlassenes und seither gründlich gereinigtes Zimmer
bezogen haben.
Das Contagium scheint nicht im Prodromalstadiutu, wohl
aber zur Eruptionszeit von dem Kranken ausgehaucht zu
werden. Daher bleiben Kinder, die zu jener frühen Periode
von ihrem erkrankten G-eschwister entfernt wurden, meist ver-
schont. Dagegen dauert die Ansteckungsfähigkeit Scarlatinöser
länger als die Morbillöser, wie manche Fälle annehmen lassen,
sogar noch einige Zeit nach vollendeter Desquamation, wofern
noch Folgezustände, z, B. Hydrops, zugegen sind.
Die Disposition für das Scharlach-Contagium ist all-
gemein geringer , als für das'^der Masern. Daher erkranken
meist in einer Familie nur einzelne Mitglieder, höclist selten
alle Kinder. Vom 2. — 7. Lebensjahre scheint die Disposition
zur Erlvrankiing am grössten. Doch ist mit Ausnahme etwa
des Greisenalters kein Lebensalter vor Scharlach gefeit. Ob
Scliarlacli.
115
die Affectiou aucli im Mutterleib acquirirt und zur Welt
gebracht werden kann, ist niclit entschieden.
Einmal vom Scharlach Absolvirte scheinen für das ganze
Leben vor einer neuen Infection geschützt zu sein. Wenigstens,
gehören Beobachtungen von zweimaliger Scarlatina zu den
grössten und jederzeit augezweifelten Seltenheiten.
Das häufigere Vorkommen der Scarlatina ist sporadisch.
In grossen Städten, wie bei uns, mangelt es nie an solcher.
Manche halten dafür, dass Diphtheritis und Scharlach zu ein-
ander in Wechselbeziehung stehen. Durch engeres Aneinander-
schliessen von Einzelfällen und damit vermehrte Gelegenheit
zu weiterer Ansteckung entstehen in grösseren Städten alle
3 4 Jahre Epidemien von Scharlach. Sie erreichen jedoch
niemals eine solche Maximalgrösse wie Masernepidemien.
Schwankende Entwicklung und zögerndes Erlöschen, längeres
Verweilen auf ihrem Maximum sind den Scharlachepidemien
eigen (Thomas). Sie unterscheiden sich als mehr gutartige,
oder durch besondere Complicationen und Verlaufsweiseu
charakteristische \mi bösartige. In entlegeneren Bevölkerungen
wird die Krankheit gelegentlich durch Afficirte oder Recon-
valescenten, oder auch contagium-behaftete Gregenstände ver-
sclileppt. Sie kann da wieder sporadisch bleiben, oder zur
Epidemie sich entwickeln.
Das Mortalitätsverhältniss varürt zwischen ö^/o
20— 25°/o der Erkrankten, je nach dem mehr gutartigen
oder perniciösen Charakter der herrschenden Epidemie.
Schliesslich bemerke ich noch, dass auch bei einzelnen Haus-
thieren eine für Scharlach imponirende Krankheit beobachtet
worden ist.
Eür die Diagnose des typischen Scharlachs bietet das
charakteristische Hautexanthem, dessen punktirte Röthe und
Abgrenzung gegen das Gesicht, die frühzeitige Angina, mit
der punktirten E,öthe des Gaumens, das begleitende Eieber
und die nach Abblassen des Exanthems folgende Desquamation
sichere Merkmale. In rudimentär entwickelten, oder noch vor
Ausbruch des Exanthems letal endigenden EäUen wird das
Herrschen einer Scharlach-Epidemie, oder die nachweisliche
Gelegenheit zur Ansteckung, und in nicht geringem Grade
der Nachweis von Albuminurie zur Diagnose verhelfen, wäh-
rend andere unklare Erkrankungsformen, wie Scarlatina siae
216 Zwölfte Vorlesung.
exanthemate , durch die Angina und den Genius epideniicus,
Scharlacli mit flüclitigem Exantliem durcli die deutliche Des-
quamation oder gewisse Folgekrankheiten, wie Mumps, Hydrops
— neben dem Nachweis der Ansteckungs-Gelegenheit — sich
zu erkennen geben.
Morbillen differenziren sich gegenüber dem Scharlach
durch die Fleckenform des Exanthems, dessen Gegenwart auch
im Gesichte, und die katarrhalischen Erscheinungen ; Erytheme
durch die Abwesenheit von Angina und geringes oder mangehi-
des Fieber.
Bei Puerperen kommt eine in der Eegel letal verlaufende
Affection vor, welche als Scarlatina puerperalis (Helm,
1837) bekannt ist. Sie ist nicht mit Scarlatina in Puer-
pera zu verwechseln. Letztere bedeutet Scharlach bei einer
Wöchnerin, erstere ein zumeist auf den Unterleib beschränktes,
zuweilen auch auf anderen Körperstellen localisirtes, oder selbst
universelles Erythem, charakterisirt durch diffuse, lebhafte
bis dunkle Scharlach-Röthe , Hitze der Haut, namentüch der
Bauchdecke, die oft gleichzeitig mit zahbeichen, miliaren
Bläschen besetzt ist. Zumeist ist Schmerzhaftigkeit des Uterus,
spärlicher und übelriechender Lochialduss und typhoider Zu-
stand mit hohem Fieber, trockener Ziuige vorhanden. Das
Erythem ist der Ausdruck eines von Metrophlebitis aus-
gehenden pyämischen Processes und durch obige Charaktere
leicht von Scharlach zu unterscheiden. Er endigt meist mit Tod.
In cadavere sind oft noch die Bläschen erhalten, oder dui-ch
punktförmige Abschülferung bezeichnet.
Die Therapie des Scharlachs möglichst wirksam zu
gestalten, ist von jeher das Streben der Aerzte gewesen, was
in Anbetracht der grossen Gefährlichkeit der Krankheit nur
erklärlich ist. Leider gebricht es uns noch bis an den heutigen
Tag an Mitteln, welche die Wirksamkeit des von den Scharlach-
kranken emanirenden, oder des in den Organismus bereits ^ ein-
gedrungenen Contagiums zu paralysiren vermöchten. Diejenigen,
welche die mycotische Natur des Scharlach-Contagiums, sowie
das der meisten Lifectionskrankheiten, als bereits erwiesen an-
nehmen, mögen immerhin glauben, durch innerliche Darreichung
von salycüsaurem oder borsaurem Natron, Carbolsäure, Chlor-
wasser etc. demselben innerhalb des Organismus begegnen zu
können. Thatsache ist, dass es bis jetzt weder durch diese
Scharlach.
217
Mittel , nocli cTurcli die früher gebräuchlich gewesenen Mineral-
säui-en gelungen ist, den Ausbruch des Scharlachs zu verhüten,
sobald dessen Contagium aufgenommen worden ist.
Deshalb besteht die erste Indication für die Behandluiag
in der P r 0 p h y 1 a X i s, der subjectiven und objectiven. Unter der
ersteren meine ich den Schutz des noch nicht inficirten Indi-
viduums durch dessen rechtzeitige und vollständige Isolirung
von der Krankheitsquelle; [unter der objectiven Prophylaxis
die möglichste Unschädlichmachung des Ansteckungsherdes,
durch dessen Separirung, durch Desinfection der mit dem
Kranken in Contact gestandenen Räume und Greräthe.
Gegen die Krankheit selber ist nach dem Stande der
heutigen Erfahrung nur eine symptomatische Behandlung
am Platze. Es ist da genug Grelegenheit für den Arzt zum
rationellen und erfolgreichen Eingreifen. Nicht in normal ver-
laufenden Fällen. Da ist die rein exspectative Methode am
besten. Der Kranke werde in einem fleissig gelüfteten, ge-
räumigen Zimmer, bei 14 — 15" R., im Bette leicht bedeckt
gehalten ; erhalte fleissig kühlende Gretränke, verdünnte Eleisch-
brühe, Milch, gekochtes Obst ; bei belästigender aber gutartiger
Angina EispiUen, Zuckereis (Gefrornes) zur Erquickung, ein
GiTTgelwasser zum Spülen. Reinhalten des Körpers durch
Waschen, Wechseln der Leib- und Bettwäsche ist nur wohlthätig.
Der Kranke darf erst das Bett verlassen, wenn der Puls
bereits durch mehrere Tage normal, die Haut weich und leicht
transspirirend sich erweist. Nach Ablauf der Desquamation
nehme der Kranke ein lauwarmes Wannenbad und von da ab
ein solches jeden 2. bis 3. Tag. Erst am Ende der 4. bis 5.
Woche, nach allseitig beendeter Abschuppung und wenn keine
Spur von Albuminurie zu finden, kann der Reconvalescent die
freie Luft aufsiichen.
In allen Fällen von hoher Fiebertemperatur und allar-
mirenden Gehirnsymptomen möchte ich der vielfach erprobten
hydrotherapeutischen Behandlung das Wort reden. Von
dem individuellen Falle und dem Ermessen des Arztes mag es
weiter abhängen, inwieferne dieselbe in Form von öfteren lauen
oder kühlen Halbbädern, Abwaschungen oder Einhüllungen etc.
angewendet wird. Wenn ich auch noch der methodischen Speck-
einreibvmgen (nach Schneemann) hier gedenke, ist es, um deren
Nutzlosigkeit zu bemerken.
218
Zwölfto Vorlesung.
Ich muss es mir versagen, auf die Mittel und Methoden
einzugehen, welche gegen das grosse Heer der complicirenden,
allgemeinen imd örtlichen Krankheitssymptome angezeigt und
anwendbar sind, wie die excitirenden hei G-ehirndruck, Collapsus ;
die Tonica und Opiate gegen Diarrhoe ; Chinin, Digitalis gegen
zu hohes Fieber und grosse Pulsfrequenz ; Ononis, Kali aceticum
bei spärlicher Diurese ; die Verfahren gegen Diphtheritis, Croup,
Pneumonie, Grangrän, GrelenhsafFectionen u. s. w. u. s. w. Alle
diese Atfectionen werden, auch wenn sie dem Symptomen-Cömplex
des Scharlachs angehören, nur nach den Regeln behandelt,
welche aus der speciellen medicinischen und chirurgischen
Pathologie Ihnen ohnedies geläufig sind.
Ich möchte nur als ein häufig nach Ablauf des Scharlachs
zur dermatologischen Behandlung kommendes Uebel die durch
Monate, 1—2 Jahre bestehende Intumescenz der Parotis und
der Submaxillardrüsen speciell hervorheben. Gegen dieselbe
habe ich die Application von Emplastr. hydrargyr. pur, oder
cum Empl. cicutae ää part. aequales oft von überraschender
Wirkung gesehen. Auch Einpinselungen von Jodoformü 1,00
ad 15,00 CoUod. elasticum wären zu versuchen.
Dreizebnte Yorlesung.
Geschichte. Variolation und Vaoeination. Variolosis, Varicella. Typische
Blattern, Variola vera. Atypische mit günstigem Verlaufe.
Blattern, Variola.
Blattern, Variola, Pocken, Petite veröle, Small-
pox, Vajuolo, nennen wir "jene acute contagiöse Krank-
heit, welcke sick durch eine unter Fieber und Ergriffen-
sein des Gresammtorganismus auf der allgemeinen Decke
erscheinende Eruption von Knötcken, Bläschen
und Pusteln und typischen V erlauf char akterisirt.
Unter den acuten Exantkemen ist Variola patkologisck
und epideniiologisck wohl die wichtigste. Dieselbe interessirt
die Dermatologie noch besonders durch dj.e ausgesprochenen
xmä charakteristiscken Veränderungen, welcke die allgemeine
Decke bei derselben erfäkrt. Das Exanthem bildet zweifellos
das hervorragendste Merkmal des Blatternprocesses. An das-
selbe knüpfen sich die entscheidenden Merkmale für die
Diagnose und Prognose. Deshalb findet man auch allenthalben,
wo kein besonderes Pockenhospital besteht, die Zuweisung der
Blatternkranken an die dermatologischen Sectionen als natur-
gemäss. Der hiesigen dermatologischen Abtheilung war die
Blatternstation für den ganzen Wiener Eayon bis zum Jahi-e
187.3 einverleibt.
Die Geschichte der Blattern zeugt davon, dass Laien
und Aerzte, Regierungen und Alle, welche das sanitäre "Wohl
der Menschheit zu berücksichtigen berufen sind, zu allen
Zeiten die hohe Wichtigkeit dieser Krankheit gewürdigt 'und
. sich bemüht haben, ihrer verderblichen Wirkung zu steuern.
Manche wichtigen Fragen, die ihre Pathologie betrelFen und
220 üreissehute Vorlesung.
zum Theile noch heute ihrer Erledigung harren, wurzehi in
historischen Momenten. Deshalb dürfen auch Sie nicht ganz
gleichgiltig über die letzteren hinweggehen.
Es ist sehr wahrscheinlich (Moore), wenn aiich nicht
gerade doctimentirt , dass die Blatternkrankheit schon ein
uraltes Uebel der Völker ist und von dem Osten Asiens, China
and Hindostan, her seinen Weg über die östlichen Küsten-
länder des Mittelmeeres nach Europa genommen hat. Grenauere
geschichtliche Angaben über Blatternseuchen in Arabien, Klein-
asien, Egypten will G-ekqoet zuerst im Procopids (544 n. Chr.)
finden. Jedenfalls muss von da die Krankheit sehr rasch sich
über die anderen Küstenländer des Mittelnieeres verbreitet
haben. Denn nach Hecker hat schon im Jahre 581 n. Chr.
Gregor von Tours eine über den ganzen Süden Europa's ver-
breitete epidemische Krankheit beschrieben, die wohl als
Variola angesehen werden darf. Noch deutlicher lässt sich
Rhazes (900 n. Chr.) über die Krankheit vernehmen, der zu-
gleich Aeusserungen des egyptischen Arztes Aheon aus dem
G. Jahrhundert n. Chr. übermittelt. Von den Arabern in un-
bezweifelbarer Weise geschildert, scheinen die Blattern, nach
einigen im British Museum zu London aufbewahrten Manuscrip-
ten zu schliessen, auch schon vor dem Jahre 900 n. Chr. unter
dem Namen Variola (Diminutivum von Varus, Knoten, oder
hergeleitet von aio).o?, varus) bekannt gewesen zu sein, obgleich
die Autorschaft dieser Bezeichnung gemeiniglich Constantlxüs
Africaküs (1087) zugeschrieben wird. Der deutsche Name
„Pocke" bedeutet „Beutel".
Während der Kreuzzüge trug der rege Völkerverkehr viel
zur Verbreitung der Krankheit bei, sowie zu der allgemeinen
Vorstellung von ihrer grossen Ansteckungsfähigkeit und Ge-
fährlichkeit. Die gegen Ende des 15. Jahrhundertes epide-
misch erschienene Syphilis, mit den ihr eigenthiünlichen
Pustelausschlägen auch „Blatterkrankheit" genannt, wiu'de
als „grosse Pocken" , „grande veröle" , von den eigentlichen
Pocken, „petite veröle", „small pox" , unterschieden. Im
Gefolge der vom Ende des 15. Jahrhundertes ab in die neu-
entdeckten überseeischen Erdstriche einwandernden Europäer
Helten auch die verheerenden Blattern mit dem gefürchteten
schwarzen Tod" ihren Einzug. Nach Millionen zählten ihre
Opfer während einzelner Epidemien dies- und jenseits des ^^ elt-
Blattern.
221
nieeres. Zalilreiclie Blatternliäuser wurden zur Unterbringung
und Absonderung der von der Seucbe Befallenen errichtet und
die Furclit vor Ansteckung und Tod dtirch dieselbe erzeugte
die mannigfachsten , im Sinne der Neuzeit selbst inbuman zu
nennenden Vorschriften bezüglich der Blatternkranken, wie
beispielsweise die Yehme jedes einen Blatternkranken bergen-
den Hauses durch einen an die Thüre des letzteren ange-
brachten Aushängezettel.
Wie jeder sanitätspolizeiliche Fortschritt, ging auch der
wider die Blatternseuchen geplante zunächst unvermerkt, so-
dann bewusst, von dem genaueren wissenschaftlichen Yerständ-
niss der Krankheit, hier von der sorgfältigeren Pathologie
der Blattern aus.
Wieder war es Sydenham, der in den letzten Jahrzehnten
des 17. Jahrhxmdertes über die Pathologie der Variola werth-
voUe Arbeiten veröffentlichte , während zu Beginn und im
Laufe des 18. Jahrhundertes Boerhave, van Swieten, Cotogno,
DE PTakn, Hoffmann, Saövages u. v. A. den Gegenstand klinisch
beleuchteten.
Von Wichtigkeit war zunächst die Thatsache , welche
von allen Beobachtern der Blattern constatirt wurde, dass
manche Epidemien derselben durch vorwiegend leichte, mit
geringer Schädigung der Haut verlaufende und in Genesung
endigende Erkrankungen gebildet wurden , während andere
Epidemien vorwaltend schwere, mit intensiver Zerstörung der
Haut und wichtiger Organe einhergehende und häufig letal
endigende Fälle aufwiesen. So hat schon Sydenham die Er-
krankungen der Epidemie aus den Jahren 1667 — 1672 als
Variolae reguläres, die von 1674 — 1675 als Variolae anomales
bezeichnet. Da man zugleich wusste, dass, wer einmal Blattern
überstanden hatte, vor einer neuerlichen Ansteckung geschützt
war, so lag der Gedanke nahe, zur Zeit, wo leichte Erkran-
kungsformen vorherrschten, die bis dahin blatterfreien Personen
der Ansteckung direct auszusetzen. Man konnte so darauf
rechnen, dieselben zunächst in ungefährlicher Weise erkranken
zu sehen xmd weiters vor der sonst wahrscheinlichen Gefahr
zu schützen, während einer kommenden bösartigen Epidemie
in gefährlicher Weise zu erkranken. So entstand der Gebraiich
der Impfung mittels Men s chenblattern , die Va-
riolation oder Inoculation.
222
Droizehiite Vorlesung.
Die ersten Anfänge dieses Grebrauches sind allerdings
unbekannt. Im Orient soll er nacli Eimer schon im 11. Jalir-
bimderte bestanden haben und gewiss ist derselbe von da aus
verbreitet worden. Historisch ist, dass die Gemahlin des eng-
lischen Gesandten in Constantinopel , Lady Montague, im Jahre
1717 daselbst ihren Sohn und 1721 in England ihre Tochter
mit Blatterninhalt impfte. Alsbald, da die Herrscherfamilien
mit dem Beispiele vorangingen , fand die Methode der
Blatternimpfung auch in die Länder des Continentes
allenthalben Eingang.
Die Wirkung der Blatternimpfung bestand darin, dass
zunächst an den Impfstellen am 3.-4. Tage, in den folgenden
Tagen auch in deren Umgebung, Knötchen entstanden, welche
zu Bläschen und Pusteln sich entwickelten, und dass unter
Eiebererscheinungen am 10. — 11. Tage eine allgemeine Blattern-
eruption erschien, die jedoch im Allgemeinen milde verlief.
Obgleich die derart Geimpften selber vor neuerlicher Er-
krankung im Allgemeinen geschützt waren, so konnte doch
die Variolation nicht auf die Dauer sich erhalten. Denn es
ist klar, dass die Variolisirten selber gerade so zur Ver-
breitung des Blattern-Contagiums und zur Entstehung von
Epidemien beitrugen, wie zufällig Erkrankte. Deshalb wurden
bereits gegen Ende des vorigen Jahrhunderts an einzelnen
Orten , und später allenthalben die Impfungen mit Menschen-
blattern behördlich auf's Strengste verboten.
Man konnte um so leichteren Herzens die Variolation
aufgeben, als inzwischen die segensreiche Impfung mittelst
Kuhpocken, die Vaccination, durch Jenner in London,
im Jahre 1798 zur Geltung gebracht wurde. Diese erzeugte
an dem Individuum nur örtHch einige Pusteln und keine
Allgemeinerkrankung, veranlasste auch keine Ansteckung auf
Distanz bei anderen Personen und schützte dennoch die Ge-
impften vor der gefürchteten Variola. Diese glänzende Wirkung
sicherte der Vaccination für alle Zukunft die Werthschätzung
aller Sachverständigen und iinbefangen denkenden Aerzte und
Laien. ' Sie ist heute ein werthvoll gehegtes Gemeingut aller
gebildeten Staaten und Gemeinwesen des Erdrundes, trotz der
Anwürfe und Verdächtigungen, welche von berufener und
unberufener Seite zeitweilig gegen dieselbe erhoben werden.
Ich will mich hier nicht weiter über die Kuhpocken-
Blattorn.
223
iinpfung ergehen, da icli im Capitel der Prophylaxis gegen
Blattern noch des "Weiteren über dieselbe sprechen werde.
Hier rausste ich derselben nur im Interesse der historischen
Darstellung gedenken und weil die Pathologie der Blattern
zum Theile von derselben und ihren Folgen beeinflusst wurde.
Nicht Jenner selbst, wohl aber viele seiner Anhänger
hegten und verbreiteten nämlich die HofFnung, dass mit der
voUzogenen Impfung auch die Fähigkeit, von Blattern ange-
steckt zu werden, absolut verloren gehe. Nun zeigte es sich
alsbald, dass einzelne regelrecht Geimpfte denn doch nach
etlichen oder langen Jahren von Blattern, wenn auch m der
Eegel leichteren Grades, befallen wurden. Um mm die Theorie
zu retten, versuchte man vielfach solche Erkrankungen nicht
als Blattern gelten zu lassen. Man nannte sie Variolois,
oder Varicella. Nach und nach machte man sich auch mit
dem Gedanken vertraut, dass auch Geimpfte an Blattern
erkranken können. Da jedoch die Fälle zumeist gutartig und
von den bei Nichtgeimpften vorkommenden ecliten Blattern,
Variola vera, in manchen Beziehungen günstig sich unter-
schieden, so betrachtete man dieselben als durch die Impfung
des Befallenen umgeänderte, mitigirte Blattern, Variola
modificata. In Wirklichkeit verhält es sich aber so, dass
alle diese Formen genetisch und pathologisch ein und die-
selbe Krankheit darstellen, dass auch Geimpfte, wenn auch
viel seltener als Ungeitnpfte, an Variola vera erkranken
können, dass leichte Variolois und Varicella eines Geimpften
die Quelle abgeben kann für schwere Blattern bei einem Ge-
impften oder Nichtgeimpften, und dass schliesslich auch Nicht-
geimpfte an so milden Formen erkranken können, wie solche
bei Geimpften in deren Erkrankungsfalle zur Regel gehören.
Die Vario]_o^is_betrefFend sind alle_ Meinungen überein-
stimmend. Man nennt so Variola milderen Grades, gleichgiltig,
ob sie an einem geimpften oder nicht geimpften Lidividuum
sich vorfindet.
Bezüglich der Varicella gehen jedoch die Ansichten
der Aerzte auch heutzutage noch aiiseinander. Schon vor
Einführung der Impfung war dieselbe als Varicella, Variolae
spuriae, "Wasserpocken, chicken pox etc. bekannt (de H.a.en)
und seit dem vorigen Jahrhunderte vielfach (Heberdeen,
Thomson, Diemerbröck, Heim, "Willan, Hesse u. v. A.) erörtert
224 Dreisnelmte Vorlesung.
lind bald als identiscli mit den Blattern (Thomson), bald als
eine durch die Impfung modificirte Blatternform, bald als von
Variola vollkommen verschiedene Krankheit hingestellt. Es
ist ganz unmöglich , aus dem älteren literarischen Materials ein
entscheidendes Urtheil zu schöpfen, so widersprechend lauten die
dort niedergelegten Daten. Eisenschitz, der neuerlich dieselben
in der objectivsten Weise neben einander gestellt hat, ist doch
zu Schlussfolgerungen gelangt, denen weder ich noch Ajidere
(Kassowitz) zustimmen können. Neben Hesse, Trousseau,
Vetter vertreten namentlich seit den 60er Jahren viele Kinder-
ärzte, Thomas, Steiner, Lothar Meyer, Gerhardt, Hönti,
Fleischmann, Henoch u. v. A. mit grosser Wärme die Ansicht,
dass die VariceUaei^^
KrankheirdiriTiiil_und n^r der Kinder vo_rstelle7~17en
Motiven, welche diese Autoren für die ÄufstelTung emer
„specifischen" oder „echten" Varicella aufbringen, haben Hebra, _
Kassowitz, ich u. A. sachliche Gründe entgegengestellt, welche
mir gewichiig g'enug erscheinen, um die Existenz einer von
Blattern vers^chiedenen Varicella in Abrede zu stellen. Eine
besondere Darlegung jener Gründe muss ich mir an diesem
Orte versagen. Hier möge es genügen, dass ich, wie Hebra,
nur eine Art von_MatoakrajaiMi, Variola schlechtweg,
kenne, die au!ch nur von einem Contagium herstammt, aber
einmal unter einem mehr minder schweren, oder selbst letal
endigenden Symptomencomplexe auftritt, ein andermal als un-
bedeutendes Uebel verläiift. Hebra hält es für praktisch, nach
dem In ten Sita ts grade drei Formen der Variola aufzu-
stellen: Variola vera, Variolois und Varicella, doch
immer mit der Betomuag ihrer Identität und der Thatsache,
dass aus der einen Form für ein anderes Individuum üe
anderen Formen hervorgehen können.
Nicht mehr also, denn eiiaen praktischen, ziu' gegen-
seitigen Verständigung über den aUgemeinen Intensitätsgrad
des jeweiligen Falles dienlichen Zweck hat Hebra mit der
Aufstellung dieser drei Variolaformen verfolgt, indem er cüe
leichteste, binnen 14 Tagen oder noch kürzerer Zeit ablaufende
Form als Varicella, die zwischen der 3.-4. Woche endigende
Variolois, die bis Ende der vierten Woche und darüber dauernde
als Variola vera bezeichnet. Ich halte aber diese oder eme
analoge Eintheilung auch für erspriesslich, insolange die leichten,
Blattern.
225
mit vorwiegend Bläsclien-Efflorescenzen einliergelienden Fälle
von einer AnzaU Aerzten alsXai'icella siü generis angesehen
werden, damit es nicht in Vergessenheit gerathe^ dass wir inul
mit uns viele andere Aerzte diäse Formen ebenfalls als identisch
mif Variola und zu ihr gehörig betrachten.
Grellen w nun zur S y m p t o m a t o 1 o g i e der B 1 a 1 1 e r n über.
Wenn Sie viele sehr verdienstliche Abhandliuigen über
Blattern durchstudiren , wird es Ihnen nur schwer gelingen,
ein einheitliches Kraukheitsbild der Variola aus denselben zu
gewinnen und die oft bedeutenden Abweichungen in der
Symptomatologie auszugleichen. Der Vorwurf dieses Mangels
trifft am wenigsten die Autoren, zumeist nur die Krankheit
selbst. Ich, der ich in der Lage war, als Assistent an der
hiesigen Klinik, innerhalb sechs aufeinander folgender Jahre
an 4000 und in der Folge noch ein fünftes Tausend Blatternkranke
zu beobachten, habe' ein voUes Verständniss für die Unver-
meidlichkeit solcher Differenzen in den Anschauungen. Es
Avird aber bei aU' Denjenigen fehlen, die zu wenig Blattern-
kranke gesehen haben. Nicht nur bietet jede einzelne Epidemie
.die grösste Mannigfaltigkeit der FäUe dar, sondern einzelne
Symptome präsentiren sich in der oder jener Epidemie dieses
oder jenes Jahres, oder Länderstriches in ganz besonderer
Weise. Der auf ein geringes Beobachtungsmaterial Besclu-änkte
geräth dann leicht in die Gefahr, Zufälliges als charakteristisch
aufzufassen und Einzelnes überhaupt nicht richtig zu deuten,
gerade so, wie Derjenige, der seine Blatternstudien nur in
einer einzigen Epidemie zu machen Grelegenheit gehabt.
Diese Bemerkungen schicke ich voraus , um Ihnen be-
greiflich zu machen, dass jede Schilderung der Blattern nach
streng gegliederten Einzelnformen gar leicht den Anstrich des
Schematischen gewinnt. In der Natur gibt es derartige scharfe
Grenzen nicht. Von den leichtesten, ungefährlichsten Formen gibt
es stetige Uebergänge zu den intensivsten und gefährlichsten.
Zählt man die beobachteten Fälle nach Tausenden und
wägt man nach einem Durchschnitt aus so Vielen die Symptome,
so kaim man die Erkrankungen doch in zwei Gruppen ab-
theilen, in typische, normale, Variolae reguläres, erethycae
und in atypische, Variolae anomales, wobei es in beiden
Gruppen leichte, ungefährliche, schwere und letal endigende
Formen gibt.
Kaposi, Hautkrankheiten. 15
226 Dreizehnte Vorlesung.
Für die Blattern mit normalem Verlaufe prä-
tendiren wir die deutliclie Ausprägung der für die acuten
Exantheme geltenden Stadien durcli die ihnen entsprechenden
charakteristischen Symptome, und unter diesen vor Allem die
typische Entwicklung der auf der Haut erscheinenden Blattern-
Efflor escenzen.
Dies triift vor Allem zu bei den meisten Fällen der als
Typus der Krankheit hinzustellenden
Variola vera.
Das Stadium incubationis, vom Tage der gele-
gentlichen Ansteckung an gerechnet, dauert in der Eegel
vierzehn Tage, zuweilen etwas länger, bis drei Wochen, häufiger
etwas kürzer, 10—12 Tage und verläuft bei vollständigem
Wohlbefinden des Betroffenen. Gegen Ende desselben macht
sich bei Einzelnen Unbehagen, Mattigkeit", verringerte Esslust,
unruhiger Schlaf geltend.
Das Stadium prodromonum beginnt urplötzlich mit
einem zumeist in den Abendstunden sich einstellenden Schüttel-
frost. Das so eingeleitete Fieber ist in der Regel durch
grosse Intensität der Temperatur (40— 41<'C.) und der beglei-
tenden Erscheinungen, Erbrechen, Kopfschmerz, grosse Unruhe,
Delirien, Convulsionen " (bei Kindern) und heftige Kreuz-
schmerzen gezeichnet. Die letzteren sind meist so heftig,
dass die Kranken sofort, auch oft ohne Befragen, über die-
selben klagen und von einer Verletzung oder Entzündung in
der Kreuzgegend befallen zu sein meinen. Das Symptom ist,
wenn auch nicht gerade pathognomonisch für die kommenden
Blattern, so doch in hohem Grade beachtenswerth. Am zweiten
und dritten Tage hält das Fieber fast gleichmässig an, indem
Hitzegefühl mit Horribilationen abwechseln , oder es steigert
sich noch einigermassen, ebenso wie die es begleitenden Symp-
tome, namentlich die Kreuzschmerzen.
Die Schleimhaut des Gaumens und des Eachens erscheint
oft schon da diffus oder fleckig geröthet , die Tonsülen ge-
schwellt, durch Schlingbeschwerden die Aufmerksamkeit des
Kranken erregend. Am dritten Tage sieht man, wofern später
Efflorescenzen daselbst sich bilden werden, da und dort auf der
Schleimhaut der Mundhöhle bereits rotlie , erhabene Knötchen.
Ebenfalls am zweiten oder dritten Tage taucht auf der
Bliittern.
227
allfemeinen Decke zuweilen, also durchaus nicht bei allen
Kranken, ein Exanthem auf, welches als Roseola vario-
losa, Erythema variolosuni oder Prodromalexan-
them der Pocken bekannt ist. Schon früher von verschiedenen
Autoren öfters erwähnt und verschieden gedeutet, ist es zuerst
von Hebra nach seinen vorwiegenden Eigenschaften genauer
geschildert und als der Prodrome der Blattern angehörig fest-
gestellt worden. Ich habe dasselbe in allen Jahrgängen und
iii allen Formen beobachtet. In einzelnen Epidemien hat es
sich besonders häufig und mannigfach geartet erwiesen. Unter
solchen Verhältnissen ist dasselbe besonders aus der Ham-
burger Pockenepidemie von Th. Simon, Knecht und Lothar
Meyer in den letzten Jahren sehr eingehend geschüdert worden.
Es erscheint als lebhaft- bis dunkelrothe, unregelmässig
gestaltete, zuweilen scharf abgegrenzte, flache, manchmal wenig
vorspringende Punkte, Elecke und Streifen, welche unter dem
Fina'erdrucke erblassen und selten mässig jucken oder brennen.
Seine Localisation betrifft zumeist den Leistenbug und die
angrenzende innere Oberschenkelfläche (Schenkeldreieck, Sniox),
die Regio pubica und hypogastrica, die Streckseiten der Knie-
iTud Ellbogengelenke, der Phalangen , den Eussrücken (längs
des grossen Zehenstreckers , Simon) , die Achselfalten rmd
Schlüsselbeingegend, die seitlichen Lendenpartien, kann -aber
auch auf jeder beliebigen Stelle des Stammes xtnd der Extremi-
täten sonst noch erscheinen.
In der Schenkel -Leistengegend und der Schamgegend,
sowie der Achselhöhle treten im Bereiche der erythematösen
Elecke öfters punktförmige bis liiisengrosse, dimkelrothe, unter
dem Eingerdrucke nicht schwindende Flecke, Haemorrha-
gien, Petechien auf, welche in den daratif folgenden Tagen
die bekannten Farbenveränderungen durch grüne, gelbe und
braune Pigmentirung eingehen.
Das Erythem zeigt sicli an vielen Stellen wandelbar, an
anderen dauernder, breitet sich auch, aus und besteht als
Ganzes, aUmälig erblassend \mi ohne Sckülferung endend, bis
in die ersten Tage deä Stadium eruptionis, selten noch länger.
Alsdann pflegen auch auf demselben miliäre und auch grössere
Bläschen oder Qiiaddeln aufzutauchen.
Im Allgemeinen findet sich das Erythema variolosum
häufiger bei Individuen jugendlichen und kräftigen Alters, bei
15*
228
Dreizehnte Vorlesunp;.
weiblicheil häufiger als bei männlichen ; bei ersteren namentlich
als petechiales , gewöhnlich in Gesellscliaft mit dnrch die
Krankheit präcipitirter ixnd profuser Menstruation,
Weder die Intensität der oben geschilderten fieberhaften
Erscheinimgen, noch Charakter und Ausdehnung des Prodromal -
exanthems gewähren Anhaltspunkte bezüglich der Intensität
der kommenden Variola. Es ist wahr, dass die von Erythem
besetzt gewesenen Stellen, namentlich des „Schenkeldreieckes",
in der Regel von Blatternefflorescenzen verschont bleiben, oder
nur von wenigen Blattern besetzt werden. Das hindert nicht,,
dass .im Uebrigen die Krankheit recht gefährlich werden kann.
Eine intensiv dunkle Röthung der ganzen Bauchdecke, wemi
selbe namentlich bis in das Eruptionsstadium imvermindert
fortbesteht und mit sich wiederholenden Hämorrhagien durch-
setzt wird, ist, wie bereits Hebea betont hat, ein ominöses
Symptom. Von dem abgesehen , habe ich , nach meinen Er-
fahrungen, das Erythema variolosum stets als hoffnungs-
volleres Zeichen für eine mässige Erkrankung ansehen dürfen.
Nach durchsclmittlich dreitägigem, selten um einen Tag
verzögertem Prodrom beginnt das
Stadium ernptionis. Auf dem Gesichte und behaarten
Kopfe zuerst und in reichlicherem Maase, zögernder nnd in
Nachschüben auf dem Stamme uird den Extremitäten, Flach-
hand und Fnsssohle , tauchen unter Empfindung von Stechen, .
Druck nnd Schmerz, stecknadelkopfgrosse und grössere, lebhaft
rothe, konische, derbe Knötchen auf, Stippchen. Am Stamme
zeigen sich einzelne von einem fingernagelgrossen, rosenrothen
Hof umgeben — hyp erämischer Halo. Die Knötchen
bilden sich zumeist um die Mündungen der HautfoUikel. Be-
steht auch noch ein Prodromalexanthem, so begreift sich die
täuschende Aehnlichkeit des Exanthems mit Morbilli papulosi.
Die Diagnose ist auch an diesem Tage unter solchen Um-
ständen kaum zu machen.
Mit dem Auftreten der Variolenstippchen fallen die
Eiebersymptome in der Regel plötzKch ab. Sie erhalten sich
aber in noch immer erheblichem Grade, wenn inzwischen die
Blatternefflorescenzen auf der Schleimhaut des Rachens und
Kehlkopfes sich iai beträchtlicher Menge entwickelt haben,
oder die Stippchen tief sitzen, zahlreich und dicht gedrängt
(als Vorläufer einer Variola confluens) erscheinen.
Blattern.
229
Mit dem Auftreten der Stippclien entscheidet sicli ancli
für die normalen Blattern die allgemeine Intensität der
Kranklieit. Kommen innerhalb des vierten und fünften Tages
nur wenige zum Vorschein und hat das Fieber fast ganz nach-
gelassen, so dürfte der ganze Verlauf der Krankheit am 12.
bis 14. Tage sein Ende erreicht haben — Varicella. Treten
dieselben in erheblicher Menge, aber durchwegs, namentlich
aber am Stamme, disseminirter Weise und grosse Hautstellen
zwischen sich freilassend auf, so wird das Exanthem innerhalb
der dritten Woche vollständig abgelaufen sein — Variolois.
In den Fällen der typischen Variola vera vermehren
sich nun am ersten und zweiten Tage des Stadium eruptionis
die Knötchen, immer schmälere HautinseLn zwischen sich frei-
lassend. Die am frühesten aufgetauchten Knötchen, also vor-
weg die im Gresichte , sind inzwischen grösser xmd durch An-
sammlung eines klaren, serösen Inhaltes zu durchscheinenden
Bläschen geworden. Viele derselben zeigen in der Mitte
eine seichte Depression, Delle. Damit hat das
Stadium floritionis begonnen, das vom sechsten
Krankheitstage gereclinet wird. Innerhalb dieser Zeit ist das
Fieber sehr mässig, der Puls 9G — 100, und iimwandeln sich
zunächst die meisten Knötchen zu Bläschen. Einzelne Stippchen
involviren sich in jedem Falle als solche.
Vom achten und neunten Tage ab trübt sich der Inhalt
der Bläschen in der Reihenfolge ihres Alters, also zuerst der
im G-esichte, und mit dem 10. bis 11. Tage, der Ahme des
Processes, beginnt allenthalben dasSuppurationsstadium.
Die Bläschen bekommen eiterigen Inhalt, sie werden zu
Pusteln. Dabei füllen sie sich stärker, sie wachsen bis zu
Erbsengrösse heran, die DeUe gleicht sich aus, die Pusteln
sind voll, prall, ihre Basis erscheint roth umsäumt, oft von
einem grösseren entzündlichen Halo iimgeben.
Mit der beginnenden Suppuration steigert sich auch
neuerdings das Fieber, — Eiternngsfieb er — und die
Reihe der subjectiven Unannehmlichkeiten, welche hierin, in
den Veränderungen auf der Mund-Rachensclileimhaut , sowie
in der Menge der in der Haut sitzenden Eiterherde und
der sie begleitenden Entzündungserscheinungen begründet sind;
als vor Allem Schmerz- und Spannungs-Empfindung in der
Haut, Schlingbeschwerden, Durst, Schlaflosigkeit, Wüst-
230
Dreizelmto Vorlesung.
sein des Kopfes u. v. A. Nicht selten werden Kranke ia
diesem Stadium von Fieber-Delirien zu Selbstmord-Handlungen,
Aus-dem-Fensterspringen, getrieben, weshalb sie da stets über-
wacht werden müssen.
Das Gesicht ehaes gleichmässig und reichlich mit Blattern
behafteten Kranken ist gedunsen, aufgetrieben, seine Augen-
lider ödematös und geschlossen, Nase und Lippen verdickt,
die Unterlippe durch das Grewicht der Pusteln herabgezogen,
der Mund offen, speicheltriefend, die Nasenlöcher von Pusteln
und Krusten verlegt, die Ohren dick, wulstig, das Antlitz
derart, selbst des Bestbekannten, geradezu unkenntlich und
wird im Allgemeinen um vieles älter geschätzt. Die Arme
und Hände verdickt , liegen schlaff darnieder ; sie sind zu
schwer geworden; die Finger in halber Beugung. Flachhand
und Fusssohle, wo die Blattern wegen der Mächtigkeit der
Epidermisdecke nicht emporgewölbt, sondern platt gedrückt
erscheinen , so wie auf der Kopfhaiit ist die Empfindung von
Schmerz und Spannung am quälendsten.
Die Vertheilung der Blattern ist im Allgemeinen eine
gleichmässige , am spärlichsten in der Regel am Unterleib.
Stellenweise sind sie zu Haufen näher gerückt (Variola
Gorymbosa) und fehlen dagegen meist sowohl in der Area der
von Erythem besetzt gewesenen Haut, wie im Schenkel-
Leistendreieck, auch an manchen Körperstellen, die nach der
von Voigt dargestellten Vertheilung der Hautnerven inter-
mediäre Zonen darstellen, wie über den Grluteis etc. Am
Stamme, der Schultergegend sind sie, wie schon Hebea
signalisirt, in parallelen Reihen angeordnet, die einerseits
den Langer' sehen Spaltrichtungen, andererseits zugleich dem
Nervenverlaufe entsprechen.
Hautstellen, welche vor der Erkrankung gereizt worden,
wie durch Sinapismen, oder längerem Drucke ausgesetzt waren,
wie von Bruch- und Tragbändern etc. sind in der Regel von
auffallend dicht gedrängten Blattern besetzt, offenbar, weil
sie der Sitz von zur Hyperämie und Stauung mehr vor-
bereiteten Hautgefässen sind.
Auf der Schleimhaut der nach aussen mündenden
Körperhöhlen erscheinen gleichfalls Pocken. Ihre Entwicklung
schreitet derjenigen auf der allgemeinen Decke bedeutend vor.
Schon gegen Ende des Prodromalstadiums kann mau häufig
Blattern.
231
auf dem weichen und harten Gaumen, der Zunge, der Wangen-
und Lippenschleimhaut, den Tonsillen, am Rachen, rothe Stipp-
chen bemerken, welche sehr bald mit einem gratdichen Häubchen
bedeckt erscheinen. Schon nach wenigen Tagen fällt dieses,
d. i. die durch die Wärme und den Speichel macerirte Epithel-
decke , ab und man sieht in der Mitte der Efflorescenz ein
Grübchen mit rothem Grunde, die blossgelegte oder dünn mit
Epithel belegte, roth injicirte Schleimhaut. Am 12.— 15. Tage,
nur in schweren Fällen später, ist auch der Rest des grauen
Beleges abgestossen und jede Efflorescenzstelle durch neu-
gebildetes Epithel überhäutet, ihre Spur erblasst. Die Menge
der Efflorescenzen ist meist proportional der auf der all-
o-emeinen Decke. Demgemäss erscheint oft der Zungenrücken
dicht von denselben besetzt. Schmerzen beim Schlingen, reich-
liche Speichelsecretion, Trockenheit im Halse sind ihre Folge.
Li intensiven Fällen besetzen dieselben auch reichlich den
Kehldeckel, das Lmere des Kehlkopfes und finden sie sich
(bei Sectionen) auf der Schleimhaut der Trachea und bis in
die Bronchien 2. und 3. Ordnung. Dass ihre Gegenwart hier
Aphonie, Glottisödem, Gangrän, Perichondritis veranlassen
kann, erfährt man nur in schweren Fällen. Bei Kindern und
Säuglingen ist schon Variola der Mundschleimhaut wegen der
behinderten Ernährung bedenklich. Sonst verlaiifen, wie gesagt,
die Efflorescenzen hier sehr rasch und ohne bedenkliche ört-
liche Complicationen.
Im Oesophagus finden sich Blattern oft in grosser
Menge.
Auf der Schleimhaut der Vulva und Vagina, sowie
des Anfangsstückes des Mastdarmes erscheinen die Pocken
nur spärlich und zögernd.
Der äussere Gehörgang ist in Fällen von Variola vera
bis in den knöchernen Theil mit Efflorescenzen besetzt. Der
tiefste Theil, wie das Trommelfell sind wohl immer frei. Das
Gehör ist während der Zeit kaum merklich abgestumpft.
Von den äusseren Gebilden des Auges trägt nebst
der Haut der Augenlider auch der Augenlidrand, ent-
sprechend den MEYBOM'schen Drüsen, Efflorescenzen. Auf der
Schleimhaut der Augenlider tauchen nur selten welche auf,
die auch bald macerirt werden. Auf der Conjunctiva bulbi
kommen keine Blattern vor, höchstens einmal ein rasch zer-
232
Dreizehnte Vorlesung.
fallendes Pustelclien am Limbns, besonders bei an Conjunctivitis
pustulosa (Herpes corneae, v. Stellwag) schon früber leidenden
lündern. Was von den bösartigen .Augenerkrankungeji bei
Blattern bekannt ist, bezieht sich auf Compllcationen und
Folgezustände, die noch zur Sprache kommen werden.
Das Stadium exsiccationis beginnt bei massigeren
Fällen um den 13. Tag, bei intensiven ein bis zwei Tage
später lind lauft bei ersteren langsamer, binnen 8 — 10 Tagen,
bei letzteren zögernder, binnen 10—14 Tagen, ab. Sein Ein-
tritt markirt sieb durch Nachlass des Eiterungsfiebers. Der
Puls, früher zwischen 112—120, fällt binnen 1—1 V2 Tagen auf
96 — 80, später noch unter das Normale ab. Schlaf und etwas
Esslust stellen sich ein. Die Blatternpusteln sind da und dort
im G-esichte geborsten und von gelben Krusten bedeckt. Die
übrigen, zumeist voll dicken eiterigen Inhaltes, sinken zunächst
an der Spitze ein (s e c u n d ä r e D e 1 1 e) und bilden sodann braune
Borken, das Product der Eintrocknung ihrer Decke samnit
Inhalt. Zugleich schwillt die Haut ab, das Gesicht bekommt
wieder die normalen Contouren. Die Eintrocknung der Pusteln
schreitet in den folgenden Tagen rüstig vor. Vom 16. Tage
ab lösen sich schon viele ab und hinterlassen eine seichte,
platte, weiss glänzende Depression. Amiängsten, 3— 4 Wochen,
bleiben die dunkelbraunen, linsenförmigen, und in der Epi-
dermis eingekapselten Körper in der Flachhand und Fusssohle
liegen, welche durch Eintrocknung der dort situirten Pusteln
entstanden sind. Mit Ausnahme dieser ist im Verlaufe der
vierten Woche allenthalben die Decrustation vollendet, der
Kranke, zu Beginn der Desiccation abgemagert, und nun sich
nährend, nimmt stetig an Körpergewicht zu, er ist hergestellt.
Die Blatternspuren, theüs weisse, glänzende (narbige),
theils seicht deprimirte, braune oder blaurothe Flecke , bleiben
jedenfaUs viele Monate kenntlich. Die ersteren persistiren
zeitlebens, die letzteren verschwinden nach Frist von vielen
Monaten.
Von diesem Typus der Variola gibt es mannigfache Ab-
weichungen nach den verschiedensten Richtungen. Es bleibt
Jedem unbenommen, solche Verschiedenheiten als Anomalien
oder Varianten der Blattern oder Variolae irreguläres
darzustellen. Es gibt eben keine Epidemie, wo mcht alle
überhaupt raöglicken Formen vorkämen, und zwar gluck-
Blattern.
233
lickerweise gerade die im günstigen Sinne von dem Typus ab-
weichenden als Meln-zalil.
Darum will icli auch unter den vom Typus abweichenden
Vorkommnissen vorerst die klinisch günstigen hervorheben.
Die Prodrome selber sind durch keinerlei Symptome
markirt. Der Kranke zeigt Variolen-Efflorescenzen und erinnert
sich kaum unwohl gewesen zu sein. Mancher stellt sich im
Ambulatorium wegen vermeintlicher Akne vor und hört erst
da, dass er Blattern habe. Viele Efflorescenzen sind da nie
vorhanden , doch gibt es solche Fälle , wo doch das Gresicht
genügend besetzt ist, später auch das Eiterungsfieber sich noch
gehörig entwickelt , ja unangenehme Folgeerscheinungen auf-
treten können.
Ein. andermal sind die Prodromalsymptome ausserordent-
lich stürmisch , bedeutendes Prodromalexanthem , am 4. Tage
Abfall des Fiebers und — parturiunt montes ... 10 bis 20
Stippchen , die rasch zu Bläschen oder bis bohnengrossen
Blasen sich entwickeln , grösstentheils als solche eintrocknen,
nur zum Theile pustulös werden, ohne Eiterungsfieber bei an-
daiierndem Wohlsein des Befallenen am 10. bis 12. Tage ein-
getrocknet sind, repräsentiren die ganze Variola, Variola
apyretica, Varicella, zumeist bei Kindern und geimpften
Individuen des jugendlichen und reifen Alters, gewiss oft auch
als Pemphigus acutus diagnosticirt.
Oder Prodrome wie immer , Eruptionsstadium typisch,
enorm zahlreiche Stippchen , die alle zu Bläschen mit und
ohne Delle sich entwickeln. Am 9. bis 10. Tage massiges
Suppurationsfieber, dann plötzlich allgemeine und gleichzeitige
Vertrocknung der kleinen Pusteln und Beendigung der De-
crustation am 14. bis 15. Tage. Offenbar kann dies nur bei
allgemein oberflächlich situirten Pocken stattfinden.
I
Vierzehnte Yoiiesuug.
Blattern (Fortsetzung). Ungünstige Atypie : Variola haemorrhagica,
Variola eonfluens. Complieationen und Folgen der Blattern. Anatonn.e.
Ungleich mannigfaclier sind die Atypien der Variola im
ungünstigen Sinne.
Vor allem wäre hier der bereits im Prodromalstadium
und im Beginne der Eruption als funest sich darstellenden
Variola haemorrhagica zu gedenken.
Variola haemorrhagica,
im Volksmunde als schwarze Blattern bekannt, ist bei Laien
und Aerzten gleich übel berüchtigt.
Nicht jedesmal, wenn im Verlaufe des Blatternprocesses
Hämorrhagien auftreten, hat man auch das Recht, von Variola
haemorrhagica zu sprechen oder, was nach dem bisherigen Usus
damit metonymisch, einen deletären Verlauf zu erwarten.
Es ist aber geradezu unmöglich, die Formen, welche als
eigentliche Variola haemorrhagica gelten sollen, demnach meist
deletär verlaufen, von denjenigen scharf abzugrenzen, bei
welchen die Hämorrhagien nur ein nebensächüches Symptom
darsteUen. Es finden sich nämlich Uebergangsformen zwischen
den absolut letal verlaufenden hämorrhagischen Blattern
und den, wenn ich sagen darf, indifferenten Hämorrhagien
bei Variolen.
Die Bedeutung der Hämorrhagien im Blatternprocesse
ist schon verschieden, je nach dem Stadium der Erkrankung,
in welchem, ixnd je nach der Oertlichkeit, an welcher sie
sich zeigen.
Blattern.
235
Die Menge der liämorrliagisclien Herde bildet jedenfalls
das wichtigste Moment. Demnäclist der Umstand, inwiefern
die Hämorrhagien in einem Schub entstehen oder in aufein-
anderfolgenden Stessen sich vermehren. Je mehr Hämorrhagien,
je eontinuirlicher dieselben sich erneuern, desto mehr stempeln
sie den Fall zu einem bösartigen, i. e. zu einer Variola hae-
morrhagica. Man darf aber keineswegs die Hämorrhagien als
solche, insoferne sie einen mehr minder bedeutenden Blutver-
lust darstellen, auch als nächste Ursache des deletären Ver-
laufes, und demnach als meritorisch hervorragendstes Symptom
der Variola haemorrhagica betrachten. Die Bkxtaustritte
erweisen sich vielmehr in den wahrhaft bösen Fällen nur
als Folgeerscheinungen der d e s t r u c t i v e n Gr e s a ni m t-
e r k r a n k u n g.
Fasst man die Variola haemorrhagica in diesem Sinne
auf, so können, wie ich bereits im Jahre 1872 dargethan, zu-
nächst zwei Tyjjen derselben aiifgestellt werden.
1. Form der Variola haemorrhagica, Purpura vario-
losa.
Durch zwei bis drei Tage empfindet der Kranke allge-
meine Abgeschlagenheit, Kopfschmerz, Appetitlosigkeit, Kreuz-
schmerzen. Am vierten Tage stellt sich heftiges Fieber, grosse
Unruhe und ein Exanthem ein.
Dieses besteht in einer D unkelpur pur röthe, welche
beinahe über die gesammte Körperhaut, Gresicht, Hals, Stamm,
Unterleib , Extremitäten fast gleichmässig ergossen erscheint.
Sie schwindet unter dem Fingerdrucke. Die Haut ist dabei
heiss, trocken , turgescirt. Man könnte glauben , einen inten-
siven Fall von Scarlatina vor sich zu haben.
Schon die gleichmässige Tingirung des Dunkelpurpurs,
das wie eine in die Haut ergossene (diffundirte) Tinte sich
darstellt, und dessen gleichzeitige Ausbreitung über das Gre-
sicht schützen vor dieser Täuschung. Noch mehr die anderen
begleitenden Symptome. Fieberhitze und Pulsfrequenz sind
bedeutend, die Cornea ist glänzend, die Pupille verengt. Der
Kranke wirft sich ungeberdig im Bette iimher. Die Kreuz-
schmerzen haben sich bis zu einem Grrade entwickelt, der
den Kranken stöhnen macht. Beinahe regelmässig beklagt er
sich vor Allem und einzig über dieses Symptom. Alle Ver-
suche, es zu mildern, sind vergeblich. Auch heftige Schmerzen
23(3 Vierzehnte Vorlosung.
in der Magengrube, Atliemnotli ohne objectiv nacliweisbaren
Grund werden von Manchen angegeben.
Schon um diese Zeit, also am 1. Eruptionstage, "ist das
Bewusstsein einigermassen alterirt. Der Kranke antwortet
zwar prompt auf die an ihn gerichteten Fragen; allein er
ignorirt im Uebrigen Alles, was um ilm vorgeht. Er ist wie
in sich und seinen heftigen Schmerz verloren.
Nun treten sehr bald Hämorrhagien auf. Am frühesten
in der Conjunctiva, wo sie in Gestalt einer dreieckigen Ecchy-
mosirung einen inneren oder äusseren Augenwinkel occupirt.
Demnächst auf fler allgemeinen Decke, zumeist am Stamme,
auf dem IJnterleibe. Hier erscheinen sie als stecknadelkopf-
bis linsengrosse, schwarzblaue, unter dem Eingerdrucke nicht
schwindende Flecke auf dem purpurrothen Grunde. Ueber
ihnen ist die Hautoberfläche glatt und geschmeidig. Sie tauchen
Anfangs vereinzelt und ohne alle bestimmte Anordnung da und
dort, zunächst am Stamme, aber auch im Gesichte, an den
Extremitäten auf. Die einzelnen hämorrhagischen Flecke dehnen
sich sehr rasch, binnen Stunden, peripher aus. Sie diffundiren
gleichsam, wie Fetttropfen in Filtrirpapier. Ein linsengrosser,
hämorrhagischer Fleck kann binnen wenigen Sttmden die Grosse
einer Flachhand erreicht haben. Dadurch, sowie durch das
Aufeinandertreffen nachbarlicher Flecke, entstehen ausgedehnte,
schwarzblaue , den Todtenflecken vergleichbare Verfärbungen.
Auch die Zahl der neuen Hämorrhagien nimmt rasch zu.
Allenthalben auf der Haut tauchen frische kleine und rasch
peripher sich ausbreitende Hämorrhagien auf.
Die anderen Gewebe werden schon im Yerlaiife wemger
Stunden auf ähnliche Weise von Blutaustritten betroffen. Die
Bindehaut der Bulbi, schon beim Auftreten der Scharlachröthe
in den Augenwinkeln ecchymosirt, wird binnen wenigen Stunden
fast durchgehends zu einem dunkelblaurothen Wulste infiltrirt,
welcher die stark glänzende Cornea wallartig überragt. Das
Epithel der Schleimhaut der Lippen, der Zunge trocknet zu
einer schmutzig braunrothen Kruste ein, durch welche deren
Beweglichkeit gehemmt wird. Es erfolgen Einrisse mit freiem
Blutaustritte, hämorrhagische SufFusionen unter dieselbe und
fleckenweise Hämorrhagien in die Schleimhaut selbst. Aus
dem Munde strömt ein fötider Geruch. Die Schleimhaut des
Gaumens und des Rachens ist braunroth, trocken, rissig, die
0 Blattern.
237
Stimme aplionisch, das Athraen wird rauh, heiser. Mit dem
zeitweiligen Husten räuspert der Kranke von hellrothen Streifen
oder schwarzen Blutgerinnseln durchzogene Sputa hei-aus.
Bisweilen stellen sich blutige Darmentleerungen, bei
AVeibern Gebärmutterblutungen ein.
Der Harn ist meist zurückgehalten, die Blase zeigt sich
bis über die Symphyse ausgedebnt. Mit dem Katheter wird
ein blutiger Urin entleert.
Das Bewusstsein ist bei Mancben bis nahe an's Lebens-
ende klar, bei den Meisten jedocli scbon bei Ausbruch der Er-
krankung insoferne getrübt, als die Kranken erst auf Ansprache
auf ihre Umgebung achten. Mit dem Fortschreiten des Pro-
cesses erlischt das Bewusstsein vollständig. Unter diesen Er-
scheinungen wird das Athmen scbwächer und unregelmässig,
der Puls klein, fadenförmig, und stellt sich unter Hervortreten
blutigen Schaumes aus dem Munde der Tod ein.
Dieser im ganzen so Symptomenreiche Verlauf geht inner-
halb 24 bis 36 Stunden vor sich. Von dem Augenblicke an,
als die Purpura variolosa sich erst als diiFuse Rothe einge-
stellt hat, ist bereits die Diagnose dieser Eorm der „Variola
haemorrhagica" möglich, und damit die Prognose des absolut
letalen und rapiden Verlaufes gestattet. Von Stunde zu Stunde
schreiten die Hämorrhagien und die Störung des Bewusstseins
vor. Es ist geradezu unmöglich, die Symptome über Momente
hinaus zu fixiren. Mit der nächsten kurzen Zeitfrist hat sich
die Scenerie bereits im scblechten Sinne geändert und so rasch,
wie kaum eine andere Allgemeinerkrankung, hat der Tod den
Process beendigt. In seltenen Fällen dehnt sich, der Verlauf
über zwei Tage aus , so dass erst später , aber docb längstens
am 3. Tage von der Eruption des Exanthems an gerechnet,
der letale Aiisgang sich einfindet.
Bei der Section finden sich kleinere oder ausgedehnte
Hämorrhagien beinahe in allen Greweben und inneren Organen :
in den serösen Häuten, den Muskeln, dem 'Periost., den paren-
chymatösen Organen, der Leber, den Nieren, zuweüen auch in
den Meningen , den Nervenscheiden etc. Das freie Blut im
Herzen, in den Venen und Parenchjonen ist schwarzroth, dünn-
flüssig, zwetschkenbrühartig.
Berücksichtigt man den eben geschilderten Symptomen-
complex, so wird es verständlich, dass hie und da ein Zweifel
238
Vierzehnte Vorlesung.
darüber sich erhebt, ob derselbe wirklich dem Blatternprocesse
angehört nnd dessen Auffassung als Variola haeniorrhaglca
gerechtfertigt ist. Es findet sich ja auf der ganzen Haut
nicht die geringste Andeutung einer Blatternefflorescenz oder
auch nur eine Anlage zu einer solchen, ein Stippchen.
Gegenüber solchen Bedenken ist zu bemerken, dass die
ätiologische Beziehung dieser Erkrankung zu gewöhnlichen
Formen von Blatternerkrankung gar nicht selten constatirt
werden kann. Eine Person, welche einen an gewöhnlicher
Variola oder Variola modificata leidenden Kranken gepflegt
hat, erkrankt nach dem ents])rechenden Zeitintervall an Purpura
variolosa. Ein drittes Individuum, welches mit dieser letzteren
Person umgegangen war, erkrankt an gewöhnlicher Variola,
üeberdies kommen nicht selten Fälle zur Beobachtung, in
welchen auch klinisch die Identität der Variola mit dieser Er-
krankungsform sich ergibt. In den etwas protrahirten , bis
ziTm 3. Tage sich hinziehenden Fällen von Purpura variolosa
kommt es bisweilen an einzelnen Hautstellen, meist der Unter-
extremitäten, zu kleinen, schlaffen, flachen, oft selber hämor-
rhagischen oder von Hämorrhagi e freien, als Blatternefflorescenzen
erkennbaren Eruptionen.
Bei dem gewöhnlich äusserst rapiden Verlaufe der Pur-
pura variolosa ist allerdings von einer Andeutung wirklicher
Variolenefflorescenzen nichts wahrzunehmen. Es ist jedoch
aus dem Verhalten bei protrahirten Fällen die Annahme ge-
stattet, dass der rasch eintretende Tod die Entwicklung einer
jedweden Efflorescenz unmöglich macht. Man hat hier im
wahren Sinne eine, wie die Alten sagten, „Variola sine varioKs".
Nicht minder spricht für die in Rede stehende Identität
das häufigere Vorkommen der Purpura variolosa während
grösserer Variolenepidemien.
Im G-anzen kommt die Purpura variolosa selten zur Be-
obachtung. Oft vergehen Jahre, bevor solch' ein unglücldicher
Fall gesehen wird. Ja auch bedeutendere Epidemien bieten
nicht immer derartige Formen dar. Vom Jahre 1866 bis 1871
war die Blatternepidemie in Wien eigentHch nie erloschen.
Unter den während dieser Zeit auf der Blatternabtheilung
des allgemeinen Krankenhauses behandelten 4088 Blattern-
fällen habe ich diese Form in reiner Entwicklung nur einmal
gesehen. In derselben Zeit sind mir in der Privatpraxis 2
Blattern.
239
exquisite Fälle vorgekommen, während im Jahre 1874 unter
209 Blatternkranken der Klinik 10 solche Fälle vorkamen. Aehn-
liches ist auch anderswo (Hamburg, Dr. Knecht) beobachtet
worden.
Abgesehen von der in der Bösartigkeit mancher Epidemie
gelegenen Ursache können wir, namentlich für das sporadische
Vorkommen der Purpura variolosa keinerlei Grund auffinden.
Die Impfung scheint in Rücksicht auf diese Erkran-
kungsform nicht den geringsten Schutz darzubieten. Pur-
pura A^ariolosa findet sich bei ihrer absolut geringen Zahl
so oft bei Geimpften, Revaccinirten und bei Personen, die
bereits Blattern überstanden haben , dass dieser Umstand
geradezii aufTällig ist. Auch in anderen, sonst massgebenden
Verhältnissen der Individuen finden wir keine Aufklärung.
Es sind nicht etwa alte, decrepide, kachectische , armselige,
den schlecht genährten, niederen Volksclassen angehörige In-
dividuen , sondern meist junge , blühende , im Alter zwischen
20 bis 30 stehende , oft in den besten Verhältnissen lebende
Personen , die der Purpura variolosa zum Opfer fallen. Wir
befinden uns liier , wie bei dem Versuche , den bösen Verlauf
anderer zymotischen Krankheiten, des Typhus exanthematicus,
zu erklären, vor einem Räthsel, das wir höchstens mit der
Annahme einer besonderen individiiellen Disposition decken,
aber nicht lösen können.
2. Form der Variola ha em orrh agi c a.
Die Prodromalsymptome gleichen denen der ersteren
Form und einer jeden bevorstehenden intensiven Variola.
Am Anerten Tage der Erkrankung werden die Erscheinungen
stürmisch. Eia Prodromalexanthem ist vorhanden oder
fehlt. Die Kreuzschmerzen sind sehr heftig. Grosse
Unruhe des Kranken , heisse , trockene Haut , fliegender Puls.
Im Verlaufe desselben oder des nächsten Tages klagt der
Kranke über heftige Schmerzen in den Unter extr emitäten.
Beim Zu.f üblen findet sich die Haut der letzteren, bisweilen
auch die des Unterleibes bis zur Nabelgegend, und die der
Vorderarme geschwellt, dabei bretthart, kaiim eindrückbar,
beim Druck sehr schmerzhaft, und für den über sie streichen-
den Finger fein-stumpfhöckerig.
Mittelst Tastens und der Besichtigung bei guter Be-
leuchtung kommt man zu dem Urtheile , dass die Schwellung
2ij.() Vierzehnte Vorlesung.
und Härte der Haut durcli kleine , harte , rundliche und nach
oben etwas zugespitzte, tief im Corium sitzende Knötchen
veranlasst ist, die in Unzahl und hart an einander gedrängt,
und in gleichmässiger Weise überallhin das Hautgewebe in-
farciren. Am ersten oder zweiten Tage der Eruption er-
scheinen erst punktförmige, anfangs je den Conis der einzelnen
Knötchen entsprechende, tiefsitzende, durch die Epidermis
durchscheinende, schwarzblaue Elecke — Hämorrhagien.
Von Stunde zu Stunde mehrt sich ihre Zahl, während auch
die einzelnen durch periphere Ausbreitung sich vergrössern
und zu confluirenden , ausgedehnten, hämorrhagischen Elecken
werden. Doch bleiben die meisten isolirt und höchstens in den
Grenzen der einzelnen knotigen Hervorragungen. Ja, es nekro-
sirt stellenweise die Haut in verschieden grosser Ausdehnung,
nachdem sie hämorrhagisch suffundirt werden, oder von vorn-
herein, zu einer missf ärbigen , trockenen, schwärzlichgrünen
Masse.
Die Haut des Stammes und des Gesichtes kann sich
dabei verschieden verhalten. Einmal sieht man massig viele,
in normaler Weise in Entwicklung begriffene, oder von vorn-
herein hämorrhagische Efflorescenzen ; ein anderesmal ohne
diese, oder nebst solchen, auf erythematösem Grimde auf-
tauchende hämorrhagische, sich rasch peripher vergrössernde
Flecke, wie bei der erst geschilderten Form.
Inzwischen haben die febrilen Symptome noch an Inten-
sität zugenommen, der Puls sehr frequent, die Zunge trocken,
rissig. Das Bewusstseiu wird getrübt, die Delirien und Un-
ruhe machen einem comatösen Zustande Platz, welcher all-
mälig in Sopor und zum Tode führt. Cüeschmann scheint mit
seiner V. haemorrhagica pustulosa diese Blatternform zu
meinen. . ,
Diese Form der Variola verläuft, wenn auch nicht so
rapid wie die erste, doch meist innerhalb 2-3 Tagen, kann
aber auch bis vier Tage sich ausdehnen. In letzterem Falle
kommt es immer zu den oben erwähnten deutlichen Efflorescenz-
bildungen im Gesichte und am Stamme. Ja es erheben sioli
auch über den bretthart infiltrirten Partien der Unterextremi-
täten einzelne flache, meist hämorrhagische Efflorescenzen.
Sie führt aber binnen der genannten Frist immer zum Tode.
Unter den Svmptomen fäUt hier besonders die grosse
Blattern.
241
Menge auf eii^e gewisse Partie der allgemeinen Decke, der
Unterextremitäten und des Unterleibes zvisammengedräugter
Efflorescenzen auf, welche schon als Stippchen tief gelagert
lind hart an einander stossend , die geschilderte harte, schmerz-
hafte Lifarciriing der Haut veranlassen. Die hier örtlich auf-
tretenden Hämorrhagien erscheinen unter diesen Umständen
•mehr als Effect der localen Circulationsstörung in Eolge der
dichten entzündlichen Infiltration, denn als Ausdruck einer
allgemeinen Blutzersetzung.
Wie diese Eorm durch die Production von InitiaKormen
der Blattern- Efflorescenzen den typischen Eormen der Blattern-
krankheit sich nähert, so schliesst sie sich auch nach der
anderen Richtung der Purpura variolosa in den Eällen an, in
welchen am Stamme auf efflorescenzfreier Haut sich die oben
erwähnten diffusen Hämorrhagien bilden.
Diese Form der Variola haemorrhagica kommt nach
meiner Erfahrung noch seltener vor, als die Purpura variolosa.
Ihre ätiologischen Momente scheinen dagegen nach
einer Richtung klarer als die der Purpura variolosa. Sie
findet sich immer bei Nichtgeimpften, oder bei Personen,
die weit ab von ihrer Impfung sich .befinden, das ist bei
Personen höheren Alters.
Sehen wir von den bisher geschilderten zwei Formen
der Variolen-Erkrankung ab, welche ich wegen des zeitlichen
Auftretens und der Intensität der Hämorrhagien und des ab-
solut letalen Verlaufes -caT s^opv als Variola haemorrhagica
bezeichnen möchte, so kommen noch Hämorrhagien unter
sehr mannigfachen Umständen bei Variola zur Beobachtung.
In den nun zu bezeichnenden FäUen treten die Hämor-
rhagien nicht allgemein auf, sondern meist nur auf die ein-
zelnen Variolen-Efflorescenzen und deren nächste Umgebung
beschränkt.
Sie erscheinen durchschnittlich zwischen dem 5. bis
11. Krankheitstage als hämorrhagischer Inhalt der entstehen-
den oder schon entwickelten Efflorescenzen, und als hämor-
rhagischer Erguss in die Papillarschicht und das Corium des
Grundes und der Umgebung der einzelnen Efflorescenzen.
Die betreffenden hämorrhagischen Efflorescenzen sind in toto
oder nur am Rande und der nächsten Umgebung dunkelroth
bis schwärzlich, dabei meist schlaff", flach, kommen nie zu
Kaposi, Hautkrankheiten. 16
2^2 Vierzehnte Vorlesung.
praller Füllung und trocknen viel rascher ab, als zu regel-
mässiger Eiterung kommende Efflorescenzen.
Viele solche Hämorrhagien treten schon in den Stipp chen
auf, und insoferne die letzteren sehr häufig den Follikeln ent-
sprechen, hat man stellenweise das Bild wie bei Acne cachecti-
corum. Solche Stippchen entwickeln sich nicht weiter zu
Variolen-Efflorescenzen , sondern trocknen als solche zu einer
schwarzen Masse ein , welche nach Abblätterung der sie be-
deckenden Epidermis ausfällt. Die hämorrhagischen Flecke
sind deshalb disseminirt und differiren blos in den einzelnen
Fällen an Zahl, nicht an Intensität und Ausbreitung.
Solche Art Hämorrhagien finden sich fast regelmässig
bei jeder universellen, confluirenden Variola, und in der auf-
fällig grössten Zahl im Gesichte, auf dem Rücken und an den
Unterschenkeln.
Ihre Ursachen sind aber sehr verschieden. Insoferne
confluirende Variola zumeist bei Nichtgeimpften sich
findet, gehören hämorrhagische Efflorescenzen auch zumeist
solchen Individuen an. Manche bösartige Epidemien zeichnen
sich durch das besonders häufige Auftreten nicht nur der
vorerwähnten zwei typischen Formen der Variola haemorrhagica
aus, sondern auch besonders noch durch das häufige Er-
scheinen von Variola confluens, mit und ohne Hämorrhagien,
bei Nicht-Greimpften. Zudem erscheinen sie fast regelmässig
bei Potator es. Ferners bei aus welch' immer Ursache
cachectischen Individuen, bei alten Personen. Endlich
an den Unterschenkeln bei Personen, die varicöse Venen
haben, oder viel gestanden haben, bei welchen alle entzünd-
lichen'Pro cesse und Exantheme mit Pigmentablagerung und
Hämorrhagien sich gesellen. In aUen diesen Fällen kann man
nicht so sehr von Variola haemorrhagica , sondern besser von
hämorrhagischen Efflorescenzen bei Variola sprechen.
Der Verlauf ist auch gar nicht von diesen Hämorrhagien
abhängig, sondern von den erwähnten, sie mit bedingenden
Umständen. Die Kranken sind gefährdet, nicht weü sie
Hämorrhagien in der erwähnten Form zeigen , sondern weil
confluirende Variola an und für sich eine gefährliche Krank-
heit darstellt, weil bei Potatores jedwede fieberhafte Krankheit,
z. B. auch eine Pneumonie caeteris paribus tödtlich zu ver-
laufen pflegt.
Blattern.
243
In der That, je geringfügiger das genannte allgemeine
Moment, auf welches die Hämorrhagie sicli mit bezieht, desto
geringer ist die Gefahr überhaupt, ob mit, ob ohne Hämor-
rhagien. Ein Potator ohne Hämorrhagien ist durch Variola
immer mehr gefährdet, als ein Bäcker, der nicht Potator, aber
wegen Varices an den Unterextremitäten Hämorrhagien zeigt ;
und eine confluirende Variola ohne hämorrhagische Efflores-
cenzen ist immer gefährlicher, als eine massige, mit schlappen,
theilweise hämorrhagischen Efflorescenzen untermischte Variola
modificata eines Tuberculosen.
Im Allgemeinen gilt es jedoch, dass je grösser die Menge
und Intensität der Hämorrhagien, diese ein desto bedenk-
licheres Symptom darstellen, sei es als Ausdruck der Bös-
artigkeit des Contagiums überhaupt, sei es als Symptom eines
in der Individualität des Kranken gelegenen Momentes. Ab-
solut letal sind aber die zuletzt geschilderten Formen von mit
Hämorrhagien gefüllten Variolen nicht, sondern die Gefahr
lieo-t in dem Zusammentreffen mehrerer der erwähnten Momente
und steigert sich mit der Zahl und Intensität der letzteren.
Die allergeringste Bedeutung haben jene Hämor-
rhagien, welche als Folge der localen Steigerung der Hyper-
ämie bei dem Prodromal -Erythem der Variola, dem Erythema
variolosum, auftreten, wie ich bereits besprochen habe.
Auf der Area, welche der Sitz solcher Hämorrhagien
geworden, kommt es meist zu gar keiner oder nur zu spär-
licher Entwicklung von Blattern-Efflorescenzen.
Die Darstellung der Verhältnisse ergibt nebenher, dass
unter allen Umständen auch beim Auftreten von Hämorrhagien
der klinische Charakter der Variola unverkennbar sich aus-
prägt, und dass selbst bei der Purpura variolosa, bei welcher
keine Efflorescenzen erscheinen, die Identität des Processes mit
Variola klinisch nnanf echtbar ist.
Ich erwähne hier nochmals dieses Umstandes, weil es
einmal versucht wurde, vom histologischen Standpunkte
der Variola haemorrhagica eine besondere Stellung zu vindi-
ciren (Erisman). Wenn man Hautstücke von Variola hämor-
rhagica verschiedener Form und aus verschiedenen Stadien
ihrer Entwicklung untersucht, kann man, wie auch die Unter-
suchungen von E. Wagner, 0. Wyss und Züelzer lehren,
sich zur Genüge überzeugen , dass die Art und Weise der
16*
2^4 Vierzehnte Vorlesung.
Efflorescenzbildung bei der Variola liaemorrhagica in gleicher
Weise vor sich geht, wie bei der gewöhnlichen Variola. Die
Extravasation von rothen Blutkörperchen und Blutserum ist
nicht auf die Localisation der Efflorescenzen beschränkt, er-
folgt oberflächHch, in den Papülen, und tiefer im Corium,
läno-s der Grefässe, imd stört nur die Efflorescenzbildung in
dent Masse, als sie zugleich auch in den Bereich der Efflorescenz
fällt, oder überhaupt relativ früh sich einstellt.
' "Während die geschilderten Formen der Variola haemor-
rhagica rücksichtlich der mangelnden oder mangelhaften Ent-
wicklung der Pocken und indem der Krankheitspro cess durch
den frühen Eintritt des Todes abgebrochen wird, gewisser-
massen zugleich Abortivformen der Blattern darstellen,
zeigt sich eine excessive Bildung von Efflorescenzen bei
jener Form, welche als
Variola confluens
bekannt ist.
Dieselbe wird ra der ßegel schon durch ein stürmisches
Prodromalstadium eingeleitet. Wenn die Symptome der Pro-
drome unbedeutend siad, ist Variola confluens wohl nicht zu
befürchten. Während der Eruption der Stippchen fäUt das
Fieber kaum ab, es erhält sich in beträchtlichem Grade wäh-
rend der Florition und steigert sich oft zu einem typhösen
Zustande (Variola typhosa) mit Delirien oder Stupor und
Coma während der Suppuration.
Die Stippchen sind derber als sonst, weü ihre entzünd-
liche Basis sehr tief im PapiUarkörper und Corium sitzt, ^ und
erscheinen in so grosser Menge, dass sie schon während ihrer
Entwicklung zu Bläschen durch ihr Breitenwachsthum dicht
aneinander stossen. Noch mehr drängen dann die entwickelten
Pusteln aneinander. Sie bilden stellenweise , namentlich im
Gesicht und an den Händen, eine confluirende , durch die
Spitzen der Pusteln höckerig gezeichnete, derbe Hervorragung
über der Haut, welche überdies durch Entzündung ihrer tieteren
Schichten und Oedem in toto enorm geschwellt ist. Die Tu-
mescenz und Spannung des Gesichtes, der Augenlider, der
Kopfhaut, der Hände ist auf's Höchste gediehen. An alleii
diesen Stellen, ebenso wie am Stamme, können die Pustel-
Flecken so dicht aufeinander treffen , dass sie zu einer con-
Blattern.
245
tiiiuii-licben Pusteldecke verschmelzen, welche von der Masse
des Eiters auf grosse Flächen abgehoben wird. Das Corium liegt
da bloss und bedeckt sich bald mit einem gelblichen diphtheri-
tischen Beleg. Oder es gangränescirt selbst die Haut,
streckenweise in eine missfärbige Pulpe sich verwandelnd, in
Folge der dichten Entzündungs-Infiltration der Pustelgrnndlage.
Dass viele Pusteln hämorrhagischen Inhalt unter solchen Um-
ständen bergen, ist schon gesagt worden.
Auch die Menge der Blattern auf der Schleimhaut der
Mund-, Rachen- und Kehlkopfhöhle ist bei Variola conflnens
stets sehr bedeutend. Die Zunge, zuweilen stark geschwellt,
(Grlossitis variolosa), presst sich gegen die Zähne und zeigt
diphtheritisch belegte Quetschstellen. Die Stimme ist apho-
nisch , das Athmen und Schlingen geht mühsam vor sich.
Schwer stillbares Erbrechen hat Cdeschmann beobachtet. Die
Schleimhaut des Rachens, des Kehldeckels und Larynx er-
scheint trocken, braunroth, wie gefirnisst. Oder es entstehen
diphtheritische Greschwüre. Perichondritis laryngea kommt meist
erstimDecrustationsstadium vor. Bronchialkatarrh ist bedeutend.
Dem ausserordentlich in- und extensiven Entzündungs-
zustande der allgemeinen Decke entsprechend , die , wie ge-
schildert, mit vielen hundert tiefen Pusteln, also eben so vielen
Eiterherden besetzt und überdies vielleicht streckenweise noch
von diphtheritischer Entzündung oder Grangrän befallen ist,
sind auch die allgemeinen und Fiebererscheinungen höchst in-
tensiv. Zur Suppurationszeit, 12. bis 15. Tag, ist das Fieber
continuirlich, die Kranken deliriren oder liegen im Sopor, aus
dem sie erst mit dem allgemeinen Eintritt der Vertrocknung
erwachen. Sie gehen aber oft schon früher zu Grrunde an
Lungenödem , Pleuropneumonie , Nervenparalyse , Suffocation
wegen Larynx- und Trachealcroup. Auch wenn sie bis in das
Stadium decrustationis anlangen, können sie noch durch meta-
statische Entzündungen der Haut und anderer Organe, die ich
noch erwähnen werde, und durch Erschöpfung das Leben ein-
büssen oder dauernde nachtheilige Folgen, als Larynxstricturen,
Augendefecte, Blindheit, Anchylosen u. v. A. davontragen.
Ueberdies sind Variola vera und confluens reich an sehr
mannigfachen Complicationen.
Unter diesen erwähne ich vor Allem als seltenere Vor-
kommnisse bei Variola (vera und) confluens Aphasie, Lähmung
246
Viorzehnto Vorlosung.
einzelner Muskelgruppen, Paraplegie, welclie ich, Westphal
u. m. A. beobachtet haben. Im Falle die Variola überstanden
worden, schwanden dieselben entweder mit dem Naclilass der
febrilen und Meningeal - Erscheinungen oder in der Recon-
valescenz, oder sie sind noch nach Ablauf der Variola zurück-
geblieben.
Albuminurie und Diarrhoe sind seltener und von gerin-
gerem Belang.
Dagegen sind von grösster Wichtigkeit die bereits ange-
deuteten, auf der Höhe des Suppurationsstadiums sowie im
Verlaufe der Decrustation eintretenden Metastasen.
Die häufigsten betreffen die Haut und das Unterhaut-
zellgewebe. Bis zu 50, 100 und darüber bilden sich successive,
iTnter jedesmaliger erneuerter Fieberbewegung, kleinere und
grössere Abscesse, Furunkel, circumscripte Entzündungen mit
Bildung von hämorrhagischen Blasen über denselben. Oder es
entsteht um einzelne Pockenkrusten ein entzündlicher Hof, über
welchem die Oberhaut zu einer Eiterblase emporgehoben wird,
die die centrale Kruste wallartig umgibt — P e m p h i g u s v a r i o-
1 0 s u s , Rupia V a r i 0 1 0 s a. Ein andermal entstehen zmschen
den vertrocknenden Variolen auf erysipelatös oder circumscript
entzündeter Haut einfache Pusteln und Furunkel — Impe-
tigo variolosa. Kaum von einzelnen solchen durch Operation
und Heilung befreit, kündigt ein Schüttelfrost eine neuerliche
metastatische Localisation an. Trotz sorgfältiger Untersuchung
ist nichts zu entdecken. Doch schon nach 12, nach 24 Stunden
zeigt sich an einer Körperstelle, zumeist über dem Knie oder
sonst wo, mässige Rothe der Haut und unter derselben bereits
Fluctuation. Beim Einschneiden entleert sich eine colossale
Menge jauchiger, mit nekrotischen Glewebsfetzen untermischter
Flüssigkeit. Nur selten ist Nekrose des Knochens die Folge.
Meist heilen alle diese Abscesse und Phlegmonen wieder sehr
schnell. Untermengt laufen Lymphangioitis und Erysipel,
Adenitis mit und ohne Vereiterung. Der mit all' diesen Zu-
fällen verbundene Säfteverlust, die begleitenden Fieber, Schmer-
zen, Schlaf- und Appetitlosigkeit führen durch Erschöpfung
zum Tode oder verzögern auf 6-8 Wochen die Reconvalescenz.
Oder es wird der Tod direct durch Metastase in inneren Or-
gane (Pleuritis, Pericarditis) veranlasst.
Die das Auge betreifenden AfFectionen, zu welchen
Blattern.
247
Blattern Veranlassung geben, maclien wohl unter all' diesen
folgenschweren Ereignissen den deprimirendsten Eindruck auf
den behandelnden Arzt. Ich habe schon der unbedeutenderen
Katarrhe und der Pustelbildungen am Limbus corneae gedacht.
Man hat aber' von Alters her gerade wegen der üblen Folgen
für das Auge die Blattern noch besonders gefürchtet. In der
That wird dasselbe bei Variola vera und confluens oft ge-
fährdet und vernichtet. Xerosis der Cornea, Keratonialacie,
Abscesse und diffuse eiterige Keratitis, aus einzebien Pusteln
hervorgehende Ulceration, Hypopium, Irido-Cyclitis , Perfora-
tion der Hornhaut und Irisvorfall, Panophthalmitis habe ich
selber öfters beobachtet. Alle diese Affectionen treten als
metastatische Processe zur Zeit des Suppurationsstadiums oder
später auf und stellen demnach ebenso wenig, wie die er-
wähnten Abscesse und Phlegmonen der Haut, eigentliche Symp-
tome der Variola, sondern Complicationen und. Folgen der-
selben dar. Hans Adlee hat eine sehr verdienstliche Arbeit
über diesen wichtigen Gegenstand veröffentlicht , in welcher
auch die, namentlich aus der Letztzeit reiche Literatur über
Augenerkrankungen in Folge von Variola verzeichnet ist.
Bei Complicationen mit anderen, schon früher bestandenen
acuten oder chronischen Hautkrankheiten bewirken die Blattern
gewöhnlich eine theilweise Eückbildung dieser Processe, und
zwar auf verschiedene Weise. So gehen die Milben der Scabies
in der Regel zu Grunde und involviren sich auch die Eczem-
erscheinungen. Allein in der Reconvalescenz entwickeln sich
die zurückgebliebenen Milbeneier und die Serie der Krätze-
symptome auf's Neue. Mit Verdickung der Epidermis und
chronischen Congestivzuständen des Coriums einhergehende
Hautkrankheiten, wie Ecz^m, Psoriasis , auch Lupus begün-
stigen eine copiösere Entwicklung von Blatterefflorescenzen an
den von ihnen besetzten HautsteUen. Nach dem Abfallen der
Blatterkrusten ist auch die Hautkrankheit verschwunden oder
geringer geworden. Sie erneuert sich aber zumeist später.
Ebenso vermindern sich oder verschwinden während des Blattern-
processes die Symptome der Prurigo, Ichthyosis, frühe Syphilis-
formen, ohne jedoch für die Dauer zu erlöschen.
Complicationen der Blattern mit Typhus habe ich öfters
gesehen , jedoch nur derart, dass die ersteren in der Recon-
valescenz des letzteren auftraten.
2^g Vierzehnte Vorlesung.
Was ihr Zusammentreffen mit Scharlacli und Masern
anbelangt, so liabe ich mich schon darüber geäussert. Die
meisten Fälle, welche eine Verwechslung des neu hinzuge-
tretenen Exanthems mit Erythema variolosum oder Erythema,
Urticaria, Erysipel ausschliesseu, stellen sich bei genauer Be-
trachtung als ein „Nacheinander" heraus, derart, dass das
Exanthem der Scarlatina, der Morbillen auftrat, wenn das der
Variola bereits die Höhe der Entwicklung erreicht oder über-
schritten hatte. Allerdings involviren auch solche Fälle noch
die gleichzeitige Anwesenheit der beiden Contagien im Orga-
nismus, mit Rücksicht auf die Incubationsdauer , welche auch
für das später sich geltend machende in Anspruch genommen
werden muss.
Als Nachkrankheiten und Folgen der Blattern
können alle jene Affectionen und deren weitere Wirkungen
betrachtet werden, welche ich im Vorhergehenden als Coni-
plicationen und metastatische Processe bei Variola geschildert
öder kurz erwähnt habe , wofern sie ihrer Natur nach den
Blatternprocess längere Zeit überdauern ; z. B. gewisse Augen-
und Gelenksaffectionen , bei schon früher dazu disponirten
Personen auch Tuberculose.
Als gewöhnliche Folgen derselben sind zu erwähnen:
Seborrhoe, Pigmentflecke und Narben.
Die Seborrhoe betrifit zumeist das Gesicht, besonders
die Nase und den behaarten Kopf. Ihre Symptome sowie ihre
specielle Form als Seborrhoea congestiva (Hebra) mit dem
möglichen Uebergang in Lupus erythematosus habe ich bereits
unter dem betreffenden Capitel (pag. 147) geschüdert. Mt
der Seborrhoe des behaarten Kopfes hängt auch rasches Aus-
fallen der Haare zusammen, Effluvium capillorum , die jedoch
meist wieder durch Nachwuchs ersetzt werden. Bleibender
Haarverlust betrifft nur solche SteUen, an denen durch tief
gehende Eiterung der Blattern die Haarfollikel zu Grunde
gegangen sind.
Die Nase erscheint bei Kranken , die Variola vera und
confluens des Gesichtes überstanden haben, von tiefen Gruben
durchfurcht, über welche warzige Zapfen, das sind Reste der
Haut, emporragen. Andere warzige Hervorragungen werden
durch Sebumanhäufung in den Talgdrüsen oder durch Narben
abgeschlossene Acini derselben bedingt; noch andere durch
Blattern.
249
dicht aneinander gedrängte Variolalinötchen , die nicht zur
Eiterung gekommen, sondern als papilläre und epitheloide
Hyperplasien einige Zeit bestehen. AU' dies figurirt unter
dem Namen Variola verrucosa, warty pocks.
Die regelmässigen Spuren der Blattern bleiben als Pigment-
flecke und Narben zurück. Die ersteren sind linsengross, gelb-
braun, alsbald in der Mitte weiss und etwas deprimirt, unter
dem Fingerdrucke nur wenig erblassend. Sie finden sich au
allen Stellen, wo oberflächliche, d. i. innerhalb der Epidermis
abgelaufene Pocken, seien es vesiculöse der Varicella oder
regelrecht zur Eiterting gelangte dieser und der Variola, ge-
sessen hatten. Sie verdanken ihre Eärbung einer bedeutenderen
Pigmentanhäufung im Eete und einer noch länger andauernden
stärkeren Füllung der Papillargefässe. Aus letzterem Grunde
erscheinen sie auch in der Kälte mehr blauroth. Nach Monaten
kehrt die normale Earbe zurück.
Die Narben sind von derselben Gestalt imd Grösse wie
die Pigmentflecke , anfangs blauroth , später glänzend weiss
und seicht deprimirt. Sie entstehen nur an den Punkten, wo
die Blatterpusteln bis in den Papillarkörper gereicht haben
und ein Theil dieses in der Eiterung mit zerstört worden.
Da, wo sie dicht aneinander stossen , bilden die dazwischen
übrig gebliebenen, unversehrten Hautreste Inseln und Brücken,
welche der betreff'enden Stelle ein gestricktes, genetztes An-
sehen verleihen. Charakteristische Pockennarben gibt es aber
nicht. Sie sehen aus, wie aus ähnlichen Efflorescenzen , z. B.
Syphilis, Acne etc. hervorgegangene Narben. Nur aus ihrer
gleichmässigen Anordnung und Verbreitung kann man auf ihre
Quelle schliessen.
Alle diese letztgenannten örtlichen Folgen der Blattern,
Flecke, Narben und Warzen sind also in der anatomischen
Veränderung begründet , welche die einzelne Pocke gesetzt
hat. Deshalb wollen wir jetzt diese etwas näher betrachten.
Die Anatomie der Variolenefflorescenzen bietet manche
Eigenthümlichkeiten dar, durch welche dieselben von den ana-
logen Morphen der nicht variolösen Entzündung , z. B. den
Knötchen, Bläschen und Pusteln des Eczems sich nicht unwe-
sentlich unterscheiden. Nach meiner Auffassung jedoch beruht
diese Eigenthümlichkeit nicht etwa auf nutritiven Vorgängen,
Vierzehntü Vorlesung.
die den anderen entzündlichen Processen fremd wären, sondern
ist sie die blosse Folge tind der Ausdruck des typisclien,
innerhalb einer bemessenen Zeit zur Entwicklung und zum
Abschluss kommenden, örtlichen Processes. Der Typus selbst
ist uns allerdings ein Eäthsel, wie seine Ursache, die variolöse
Erkrankung. Diejenigen freilich, welche in dem Inhalte der
Pocken und in dem unter diesen liegenden Corium auch die
Bacterien, Micrococcen und Mikrosphären der Blattern gefun-
den zu haben glauben, sind auch sofort bereit (Weigert), die
feineren anatomischen Vorgänge direct aus der Anwesenheit
jener Contagiumkörperchen zu erklären. Abgesehen davon,
dass diese Beziehung für andere Untersucher nicht ersichtlich
ist, herrscht auch noch rücksichtlich der anderen saclüichen
Befunde, wie ihrer Deutixng, grosse Memungsverschiedenheit.
Am reinsten bieten sich die Verhältnisse in der typischen
Blatter-Efflorescenz dar, welche innerhalb der Epidermis ihren
Sitz hat und in ihrem Wachsthum nicht über diese hinausgreift.
Die Efflorescenzbildung beginnt mit einer hyperämi-
schen, durch stärkere Inj ection der Gefässe (Rothe), seröse
Durchtränkung und mässige Zelleninfiltration bewirkten Schwel-
lung der Papillen des begrenzten Bezirkes, auf welchem sich
alsbald das Knötchen erhebt. Diesen Befund aus dem
Initialstadium, den Ausp]tz und Bäsch in ihrer bezüglichen
Arbeit zuerst, neben anderen auch heute als richtig anzu-
sehenden Thatsachen, angegeben haben, habe ich selbst
an Präparaten von Purpura variolosa zu verzeichnen. Der
Hauptantheil des über das Hautniveau sich erhebenden Knöt-
chens wird jedoch durch eine Wucherung der Malpighi sehen
Zellen beschafft. Sie beginnt mit einer „trüben Schwellung"
der Retezellen. Rindfleisch gibt von dieser Metamorphose der
Epithelzellen eine zutreffende Beschreibung, wornach dieselben
entweder nur feinkörnig getrübt oder von einer dunklen , die
Kerno-ebilde gänzlich verdeckenden Körnung befallen, ver-
grössert und zu plumpen Schollen verwandelt werden. Dieser
Veränderung unterliegen die Epithelzellen auch bei anderen
Processen Weigert's Annahme, dass diese Umwandlung eines
Theiles der Retezellen zu scholligen „kernlosen" Gebilden direct
durch den Contact mit dem aus dem Corium in die Epidermis
voro-edruiigenen Blatterncontagium , den supponirten Bacteneu
oder Mikrosphären veranlasst sei und eine „diphtheroide" Zer-
Blatteru.
251
Störung darstelle, hat demnacli nicht mehr als eine suhjective
Bedeutung.
E.1NDFLEISCU gibt die mittlere Schichte des ßete Malpighii
als den Ausgangspunkt der erwähnten Wucherung an. Unna
dagegen denionstrirt das Stratum lucidum, also die unterste
Hornzellenschichte, als jene, welche durch Wucherung und
weitere Umwandlungen ihrer Zellen den eigentlichen späteren
„Pockenkörper" bilden. Es scheint mir zweifellos, dass die
oberen Reteschichten in allen typisch sich entwickelnden
Pocken, ob mit oder ohne Stratum lucidum, an dem Processe
betheiligt sind.
Während die erwähnten Zellen sich durch Trübung zum
Zerfall vorbereiten , beginnt auch eine Proliferation der sie
umgebenden Zellen, deren vermehrte Massen eiue Art Schale
für die mittleren abgeben. Nur im Centrum , da wo Wkigert's
diphtheroider Herd und seine untere Delle liegt , werden die
Retezellen in ihrem Zusammenhange gelockert durch das aus
den Papillen emporsteigende seröse Exsudat , welches , die
Epidermislagen durchdringend, die obersten Hornzellenlagen
als Decke vor sich herwölbt. Man hat ein Bläschen mit trans-
parentem Inhalte vor sich.
Fig. 16.
Senkrechter Durchschnitt einer Pocke im Stadium der beginnenden Pustel-
bildung (nach Rindfleisch), verjüngt.
f Delle mit Schweissdrüseacanal, !> Fächer in der Epidermis, c kleiaate Fächer, in
ibneu Lymphe und Eiterzellen.
9^2 Vierzöbnte Vorlesung.
Durch die Exsudatflüssigkeit werden die obersten Zellen-
lagen der SchleimscHclite , vorwiegend jedoch zuerst die
unteren Hornzellenschichten auseinander gedrängt. Dieselben
bilden so die Wände und Balken eines Maschen- und Fächer-
werkes im Inneren des Pockenbläschens (Fig. 16). Ebstein
hat das Fächerwerk als ein oberflächliches, von Hornzellen
gebildetes und ein tieferes, den ßetezellen angehöriges, unter-
schieden. In die letzteren greift dasselbe jedenfalls erst in
dem Masse hinein, als die Pocke sich weiter entwickelt und
tiefer greift.
Die Maschenräume sind mit klarer Flüssigkeit erfüUt,
in welcher massig Exsudatzellen, Epidermistrümmer, amorphe
Massen imd kleine glänzende Körnchen von angeblich speci-
fischer Art und der Bedeutung von Schyzomyceten (Micro-
coccus, Hallier, Klebs, Ferd. Cohn u. A.) enthalten sind.
Die Bildung der Delle im ersten Bläschenstadium ein-
zelner Pocken (denn nicht alle haben eine DeUe) haben
Auspitz und Bäsch damit erklärt, dass die Ausdehnung der
mittleren Pockentheile durch Exsudat nicht gleichen Schritt
hält mit der Vergrösserung der Papel in ihrem peripheren
Theile, welche durch Wucherung des Epithels veranlasst
wird. Weigert meint, dass die diphtheroiden Epithelbalken
in der Pockenmitte der Ausdehnung durch Exsudat länger
widerstehen, als die peripher gelagerten Zellen und die Pocken-
kuppen fest halten, so dass sie erst später sich vorwölben
könnte, wenn diese Balken zerreissen. Ich schliesse mich
Hebra und EiNDFLEiscH an, welche das Hornstratum einer die
Pocke durchsetzenden Follikel- oder Schweissdrüsen-Mündung
für die Entstehung der Delle in Anspruch nehmen (Fig. 16, a),
indem dasselbe der in der Umgebung stattfindenden Erhebung
gegenüber sich wie ein Retinaculum verhält. Die Delle ist
auch nicht der Pocke eigenthümlich. Eine solche findet sich
unter gleichem anatomischen Verhalten auch bei einfach ent-
zündlichen Efflorescenzen. Sie verschwindet immer zu Beginn
der Eiterung. . • r» i
Die Umwandlung des Pockenbläschens m eine Pocken-
nustel geschieht durch Ansammlung von Eiterzellen im Innern
der Efflorescenz und Trübung ihres Inhaltes. Sie stammen
nach der gegenwärtig geltenden Vorstellung theils aus den
Gelassen der Papillen (Wanderzellen), theils smd sie Ab-
Blattern.
253
köiumlinge der proliferirenden Retezellen. Die Trabekeln der
Fäclierräume gehen tlieils durch eigenen eiterigen Zerfall,
eiterige Schmelzung, theils durch den Druck, welchen die sich
steigernde Flüssigkeitsmenge ausübt, in Trümmer. Der mittlere
und untere Theil der Pockenpustel wird von einer unregel-
mässigen Eiterhölüe eingenommen, in welche Epidermisfetzen
der oberflächlichen Fächerwände und der seitlich und unter-
halb lagernden ßetezellen hineinragen. Die Pustel ist auf der
Höhe ihrer Entwicklung angelangt.
In dem darauffolgenden Stadium der Eintrocknung ver-
mindert sich die entzündliche Blutüberfüllung der Papillen und
die aus ihnen stammende Exsudation. Aus den den Eiterherd
seitlich und von unten her umfassenden Retezellen gehen nun
solche junger Formation hervor, welche in ihrem physiologischen
TJmwandlungsprocesse zu Hornzellen durch kein nachschiebendes
Exsudat gestört werden. So formirt sich seitlich und von
iinten her eine genügend mächtige Hornzellenlage, welche an
die der Pusteldecke anschliessend, mit dieser vereint, eine voll-
ständige Kapsel um den Eiterherd bildet (Fig. 17, e), der auf
diese Weise von den ernährenden Stratis der Haut vollständig
abgeschlossen ist.
Durch Vertrocknung (Verdampfung oder Aufsaugung)
der flüssigen Bestandtheile bildet sich der Pustelinhalt in
Verbindung mit seiner Decke zur Kruste, welcher nach Tagen
oder "Wochen mechanisch sich herausbröckelt , um so später,
je dicker die sie bedeckende Hornschichte ist , wie in der
Flachhand und Fusssohle.
Die dem Grrunde der Efflorescenz entsprechenden Papillen
werden, obwohl im Beginn der Knötchenbildung in der Regel
geschwellt und hervorragend, im weiteren Verlaufe durch die
proliferirenden Retezellen der Bläschen-Basis , oder nach
Unna des Stratum lucidum, welche einen Druck nach der
Tiefe ausüben , comprimirt , abgeflacht. So sehen Sie dieselben
auch in Fig. 17 eingedrückt, im Vergleiche zu den peripheren
normalen Papillen bei g. Unter allen Umständen wird aber
bei diesen typischen Formen nach Abfallen der Pockenkruste
nur ein deprimirter und durch stärkere Pigmentirung des
Rete (unterhalb e, Fig. 17) braun gefärbter Fleck übrig bleiben,
aber keine Narbe, da die Papillen erhalten sind.
254
VievKehute Vorlesung.
Fig. 17.
Senkrechter Durchschnitt durch eine in Abkapselung begriffene Pustel (zur
Hälfte) nach Au.spitz und Bäsch.
a alte ETjidermi.s, h Retezellen oberhalb des Maschenwerkes, ä Maschenwerk mit
Lto beflS^^en Eiter.ellen, e neucebildete Epidermiszeilen 3 .Papillen, die, an der
Basis der Pustel abgeplattet, alle Zellen intiltviren.
So verlaufen anatomisch alle, oder die meisten Pocken
bei Varicella und Variolois, sowie viele auch bei Variola vera.
Ein andermal gedeiht jedoch die entzündliche Infiltration
der Papillen, welche jeder Pochenbildung vorangeht, bis zu
dem Grade, dass ein Theil derselben, oder noch ein angrenzen-
der Theil des Coriums zu eiterigem und nekrotischem Zerfall
gelangt. Auf dem Durchschnitt erscheint eine solche Partie,
wie schon Bärenspeüng bemerkt, gleichmässig weiss verfärbt
(diphtheritische Pocke), weil, wie Rindfleisch's Injections-
präparate leliren, selbst die zuführenden G-efässchen durch
das Exsudat und die Zelleninfiltration comprmirt werden.
So stirbt dieser Theil der Papillen und des Coriums ab und
dessen Zerfallproducte und Eiterzellen vermehren mit den aus
dem darüber liegenden Rete stammenden, das in solchen Fallen
selbstverständlich ebenfaUs vereitert, den Pockeninhalt. Die
Eiterhöhle erstreckt sich also in solchen Formen bis in die
Papülen und noch tiefer. Und es versteht sich, dass da auch
jedesmal eine Pockennarbe zurückbleiben muss , weil em binde-
gewebiger Antheil der Haut mit in Eiterung zerstört worden.
Darnach kann man auch bemessen, wie unrichtig es ist, wenn
Jemand glaubt, durch Salben, Pflaster etc., die zur Zeit der
Blattern.
255
beginnenden Suppuration applicirt werden , die Narbenbildung
verhüten zu können , da die Bedingung für diese bereits in
dem tiefen Sitze tind der Intensität der ersten Entzündungs-
vorgänge gegeben ist.
Die Efflorescenzen bei Variola liaemorrhagica , wofern
solclie überhaupt zu Stande kommen, bilden sich nicht anders
als bei Variola pustulosa; nur dass bei jener, neben weissen
Blutkörperchen und serösem Exsudat, auch rothe Blutkörperchen
dem Inhalt der Pockenhöhlen beigemengt sind und hämor-
rhagische Herde in den Papillen und im Corium sich finden.
Der Versuch Erismann's, für die Variola haemorrhagica in
anatomischer Beziehung von der gewöhnlichen Variola einen
durchgreifenden Unterschied geltend zu machen, ist von "Wyss,
E. "Wagner, Zdelzer als unbegründet dargethan worden.
Bei Purpura variolosa fijiden sich neben Zelleninfiltration
der Papillen an vielen Stellen, offenbar den Anläufen zur
Stippchenbildung, nur zerstreute Blutaustritte im Corium und
subcutanen Gewebe.
Ueber die feineren Veränderungen der auf der Schleim-
haut der Mund-Rachenhöhle, des Larynx , der Bronchien, des
Oesophagus situirten Pocken fehlen uns genaiiere Unter-
suchungen.
Was die anderweitigen pathologisch - anatomischen Ver-
änderungen anbelangt , Avelche bei zur Obduction gelangten
Variolafällen bisher sich vorfanden, so entsprechen dieselben im
Allgemeinen den auch klinisch wahrnehmbaren Complicationen,
z. B. bei Pneumonie, Lungenödem. In vielen Todesfällen bleibt
der anatomische Grund der unmittelbaren Todesursache ganz
unaiifgeklärt. Ich darf sagen, dass, so zahlreich auch die
vorliegenden Angaben über Post mortem - Befunde in den
inneren Organen bei Variola, dieselben doch noch nicht ge-
statten, allgemein giltige Daten aufzustellen, so widersprechend
lauten dieselben. Wenn z. B. Hebra gesehen hat, dass bei
Purpura variolosa die parenchymatösen Organe, Leber, Herz,
Lunge, Milz, ebenfalls von Hämorrhagien betroffen werden und
letzteres Organ oft zu einem fibrinösen Bhitklumpen ver-
wandelt erscheint, Cürschmann und Ponfick dagegen es sogar
als Unterschied gegen Variola pustulosa geltend machen
wollen, dass bei Piirpura variolosa die Milz stets klein und
derb ist und überhaupt in dem Verhalten der Unterleibs-
gp^ß Vierzehnte Vorlesung.
Organe bei den genannten Pockenformen eine durchgreifende
Differenz erkennen woUen, so dürften diese Meinungsverschieden-
heiten wohl erst durch die Zeit, oder besser durch ein Mehr
von Beobachtungen ausgeglichen werden.
SpecieU bezüglich der Variola haemorrhagica, bei welcher
auch noch die zuweüen gefundenen Blutaustritte in die
Nervenscheiden und Meningen (Neümann, Züelzer, ich) hervorzu-
heben sind, spielen die noch mehr fraglichen Bacterienschlauche
und Micrococcushaufen in den Augen der neueren Untersucher
eine grosse Rolle. Ja ein Autor lässt sogar dieselben von
der Epidermisoberfläche her eindringen und so jede Pocke er-
zeugen, wobei er vergisst, dass dann für das Vorangehen von
Fieber gar kein Grund wäre. Zu solchen Verkehi^theiten fuhrt
der blinde Glaube in der Medicin. Züelzee betont überdies
die Starrheit und Zerreisslichkeit der Gefässwandungen m
Folge körnigen Zerfalles der Elemente, besonders der Mus-
cularis. , t^t • i
Man hat auch in der Lunge, unter der Pleura, m dei
Leber, theils bei an Variola verstorbenen Menschen, theils
bei Thieren, die durch Injection von Blut an Variola hämor-
rhagica Verstorbener geendet hatten, Knötchen ^;i<i^^«|^;^
ge?unden. Sie haben wohl nur die Bedeutung metastatische
Intzündungsherde (nach WEiaEKT ebenfaUs Bacterien-ColonierO
nicht die von eigentlichen Pocken. Diese kommen ubei die
schon erwähnten Schleimhaut-Gebiete hinaus nicht weiter im
Innern des Körpers vor.
Fünfzeliiite Vorlesung.
Blattern (Schluss). Diagnose. Prognose. Einfluss der Impfung auf die
Schwere der Erkrankung. Aetiologie. Therapie. Proplaylaxis. Vaecination ;
originäre und hunnanisirte Lymphe. Variola vaeeina. Normaler und
abnormer Verlauf.
Die Diagnose gut ausgebildeter Blattern unterliegt woM
keiner Schwierigkeit. Die gescMlderten Symptome bieten
genügende Gewähr für dieselbe. Unter Umständen unterliegt
die Diagnose jedoch erheblichen Schwierigkeiten und kommen
auch thatsächlich unangenehme Irrthümer vor. Niemandem
ist es zu verdenken, wenn er im Anblicke des Prodromal-
Exanthems, oder selbst am ersten Tage der Eruption, beim
Erscheinen der ersten Stippchen, zwischen Erythema papulatum,
oder, selbst mit Eücksicht der fieberhaften imd katarrhalischen
Erscheintingen, zwischen Morbilli papiilosi und Variola in der
Diagnose schwankt. Ich rathe in solchen Eällen überhaupt,
die Diagnose in Schwebe zu lassen. Am nächsten Tage werden
die Symptome klarer, da im Falle der Blattern die Stippchen
des Vortages erheblich grösser geworden und namentlich im
. G-esichte bereits in vesiculöser Umwandlung begriffen sein
werden. Die vorschreitende und überwiegende Entwicklung
der Knötchen im Bereiche des Gesichtes spricht auch mehr
für Blattern. Vesiculöse Blattern, Varicella, werden \mtev
Umständen gegenüber von Impetigo faciei, oder beginnendem
Pemphigus (acutus) abgeschätzt werden müssen. In pnstulösem
Zustande sich präsentirende Variola wird wohl selten ver-
kannt. Häufiger ereignet sich das Umgekehrte , class ein
pustulöses Syphilid oder die selten vorkommenden
Pusteln der Eotzkrankheit für Blattern diagnosticirt
werden. Auf die Aehnlichkeit mit Syphilis deutet ja schon
die Bezeichnung „grande veröle", für Syphilis, gegenüber den
Kaposi, Hautkranklieiteii. 1'
253 Fünfzehnte Vorlesung.
Blattern, als „petite veröle", „small pox" hin. Beim Syphilid
(Varicella sypMitica, SypHHs pustulans varioloides u. A. der
Autoren) finden Sie stets Efflorescenzen der verscMedenen
Entwicklungsstufen gleichzeitig vor, grosse, linsen- bis erbsen-
grosse Knoten, in Blütbe und in Verscliorfung vom Centrum
her begriffene Efflorescenzen, und in der Peripherie der letzteren
einen deutlichen, derben Knötchen - WaU. Auch kann ein
solcher Irrthum nur wenige Tage bestehen, da auch dem
Mindergeübten der gleichmässige Bestand der syphilitischen
Eruption gegenüber dem jederzeit raschen Evolutions- und
Involutionsgang der Blattern auffaUen muss. Bei Rotzkrankheit
finden sich neben oberflächlichen Pusteln stets auch grössere
furunkelartige Knoten und Abscesse. Fieber kann bei beiden
Processen in kenntlichem G-rade zugegen sein, während bei
mässiger Variolois oder VariceUa das Fieber sehr gering zu
sein pflegt. , . . ■, x ;j
In der Betrachtung der Mund-Rachenschleimhaut werden
sich überdies differentiale Merkmale bei Blattern fast immer
ergeben. . ,
Mässige Fälle von Blattern, bei welchen vorwiegend und
in raschem Tempo im Gesichte, namentlich auf der Stirne
spitze und zumeist deutUch den FoUikeln entsprechende
Pusteln entstanden sind, während am Stamme verspätete, ver-
einzelte und abortiv verlaufende Efflorescenzen entstehen,
imponiren leicht für Acne pustulosa. In solchen Fallen
ist das rasche und gleichzeitige Auftreten der Pusteln zu
Gunsten der Diagnose Variola zu verwerthen, während bei
Acne in den Symptomen der ungleichzeitigen Entwicklung und
des chronischen Verlaufes, der Gegenwart von Comedonen, ent-
zündlichen Knötchen und Abscesschen Merkmale gegeben sind.
Medicamentöse Acne, wie die durch innerlichen Gebrauch von
Jod und Brom entstandene, ist, weü stets acut sich ent-
wickelnd, aUerdings im Beginne schwerer zu unterscheiden.
Zur Prognose der Blattern habe ich schon m der vor-
hergeschickten Schilderung der Symptome und des Verlaufes
der Krankheit sehr beachtenswerthe Momente vorgeführt, bie
müssen dieselben sich jedesmal gegenwärtig halten. _ Es ist
a-esagt worden, dass noch so stürmische Prodromalerschemungen,
wofern sie innerhalb des typischen Ralimeus bleiben, m All-
gemeinen keine Schlussfolgerung über die Schwere und den
Blattern.
259
Verlauf des folgenden Blatternprocesses gestatten, dass aber
bei Purpura variolosa der tödtliche Ausgang scbon aus den
ersten Symptomen zu entnebmen ist.
Hievon abgeseben , sind durchwegs die Menge der
Blatternpusteln, ob Variola vera, confluens, Variolois
oder Varicella zugegen , nebstdem das Individuum betreffende
specielle Verbältnisse für die Prognose von grösstem Belange,
als Alter, bei Frauen Gravidität und Puerperium, ob geimpft
oder geblättert, sowie der Charakter der eben berrscbenden
Epidemie.
Varicella verläuft durchwegs günstig, Variolois bei Ge-
impften wahrscheinlicher günstig als bei Ungeimpften, Variola
confluens ist auch bei Geimpften höchst gefährlich und in
ihrem Ausgang überdies mehr als die^Tmässigen Formen durch
die Verhältnisse des Individiuims beeinflusst; Variola haemor-
rhagica der geschilderten Formen ist stets tödtlich.
Das Alter anbelangend, so sind variolöse Säuglinge
wegen des behinderten Säugens fast unrettbar verloren, ältere
und sonst kräftige Kinder überstehen oft selbst schwere Blattern.
Im Greisenalter stehende Personen disponiren zu schlaffen und
hämorrhagischen Blattern und erlauben nur eiue zweifelhafte
Prognose , eben so wie Potatores , die meist an der Schwere
der Blattern, oder im Delirium potatorum ditrch Lungenödem
zu Grunde gehen.
Schwangere und Puerperae sind durch schwere Blattern
mehr gefährdet als andere weibliche Personen. Ich habe als
Assistent auf der hiesigen Blatternabtheilung unter 700 weib-
lichen Variolösen der Jahre 1866 und 1867 allein 120 Schwan-
gere und Wöchnerinnen beobachtet und ihre grössere Gefährdung
in einem ungarischen medizinischen Journal statistisch dar-
gestellt. Darnach starben — auch die Impfungsverhältnisse
berücksichtigend — von solchen jede 5., von den anderen
weiblichen Kranken jede 22. Die grössere Mortalität ist
bedingt durch complicirende Puerperalprocesse , zu welchen
Abortus und Frühgeburt Veranlassung geben. Damals sah ich
die meisten der letzteren im 7. und 9. Schwangerschaftsmonat.
Höchst wichtig ist bezüglich der Prognose der Umsta-nd,
ob das Individuum früher mit Erfolg geimpft worden, oder
ungeimpft ist. Zimächst erkranken Geimpfte durchschnittlich
mehr an leichteren Formen, Ungeimpfte mehr an schweren
17*
I
2ßQ Fünfzehnte Vorlesung.
Blattern. Aber ancli Variola vera lässt bei Geimpften einen
besseren Ausgang hoffen. Dabei darf aber niclit verschwiegen
werden, dass unter den gleichen äusseren Umständen Vaccinirte
an schwerer, und Nichtgeimpfte an leichter Variola erkranken,
und demnach auch die Gefahr in demselben Verhältnisse ver-
theilt sein kann. AUein im Allgemeinen verhält es sich un-
zweifelhaft so, wie ich gesagt. Ich kami hier nicht auf die
grosse Zahl von an Tausenden und Abertausenden Variolöser
hier und anderswo gemachten Beobachtimgen , auf die von
Einzelärzten mid Commissiouen gemachten statistischen Aus-
weise eingehen, die alle von der evidenten Abschwächung der
Blatternkrankheit durch die Vaccination und den relativ
grossen Schutz gegen die Erkrankung überhaupt, d. i. die
relative Immunität der Geimpften das unbezweifelbarste
Zeugniss geben. Im internationalen Aerzte-Congress zu Wien
1873 sind von 700, fast alle civiüsirten Länder vertreten-
den Aerzten , bis auf 3 , alle für den grossen Nutzen der
Impfung eingestanden. Treten Sie in ein Blatternspital, so
werden Sie bei einiger Erfahrung sofort die Nichtgeimpften,
mit seltenem Fehler, herauskennen - sie haben durchwegs
schwere Formen, universene und grosspustiüöse Blattern. In
Ländern, wo die Impfung nicht allgemein geübt wird, hausen
die Epidemien heute eben so verheerend, wie m früheren Jahi-
hunderten. Bei uns sterben durchschnittlich von Ungeimpften
18, 20 bis 450/0, von Geimpften 2, 5 bis 15«/o, je nach der
Bösartigkeit der Epidemie U3id der Grösse der m ßeclinung
crebrachten Zahl Erkrankter.
WoUen Sie sich von der Richtigkeit dieser Angaben durch-
dringen und nicht beirren lassen von gegentheiligen Be-
hauptungen, mögen sie von welcher Seite immer kommen.
Sie haben gewiss eine unlautere oder unrichtige QueUe Be-
denken Sie, dass durch die Lnpfung die Erkrankungstalle an
Zahl und Schwere geringer und damit die Gefahr tui' das
betroffene Individuum sowolü vermindert wird, als die Gelegen-
heit zur Ansteckung für Andere und für die Entstehung von
Epidemien. Halten Sie dagegen die Nachtheile. welche durch
Vernachlässigung der Vaccmation in der BevöUcerung ent-
stehen können und bei jeder Einschleppung von Blattern sich
sofort in erschreckender Weise geltend machen, so werden
Sie in Ihrem Berufe, als praktische und für das körperliche
ßlnttoni.
261
'Wohl Ihrer Mitmenschen begeisterte Aerzte , gewiss mit Gre-
sinuung, Wort und That allerorten für die mögliclist allgemeine
Durcliführiing der Vaccination einstehen.
Bemerkenswerth ist, wie Hebra betont, dass voraus-
gegangene Blattern prognostisch eine üble Vorbedeutung haben,
indem er wiederholt mit Narben von absolvirter Variola
besetzte Kranke bei ihrer zweiten und dritten Erkrankung
sterben sah.
Endlich wird selbstverständlich den jeweiligen Compli-
cationen und Folgen der Blattern, Phlegmone, Erkrankun-
gen der Gelenke, der inneren Organe, Herz, und Lungen-
krankheiten etc. das entsprechende Grewicht bezüglich der
Vorhersage zufallen.
Die Aetiologie der Blattern ist kaum weiter gediehen,
als die der anderen infectiösen Krankheiten. Wir wissen als
positiv nur, dass denselben ein eigenartiges Contagium zu
Grunde liegt, welches von den Blatternkranken emanirt, dem-
nach auch durch die Atmosphäre weiter getragen wird, also
..flüchtig" ist; dass es auch besonders im Inhalte der Blattern-
Efflorescenzen enthalten ist und mit demselben, sei dieser
flüssig oder zu Krusten eingetrocknet, auf andere Individuen
durch subepidermidale Impfung übertragen werden kann ; dass
es im Organismus erst nach einer Incubationsfrist von 12 bis
14 Tagen eine allgemeine Erkrankung veranlasst und hier
sich reproducirt, vermehrt. Ob es auch im Blute Variolöser
enthalten ist, schehat wahrscheinlich (Züelzer), aber noch nicht
erwiesen, unwahrscheinlich dagegen, dass in anderen Secreten
der Blatterkranken. Auf Thiere (Schaf, Pferd, Esel, Ziege,
Kuh) mittelst der genannten Vehikel übertragen, erzeugt es
an ihnen meist eine analoge , wenn nicht gar identische , ent-
weder nur örtliche oder allgemeine Krankheit. Sicher ist,
dass diese, auf den Menschen zurückverimpft, nicht eigentlich
als allgemeiner , sondern vorwiegend als örtlicher Process zur
Erscheinung gelangt (Vaccina).
Die in den letzten Jahren immer mehr sich geltend
machende Vorstellung von der organisirten Natur der Contagien
überhaupt, hat auch bezüglich desjenigen der Pocken (und der
Vaccine) eine concrete Eorm angenommen. Seit Kebee's Nach-
weis sehen Viele in kleinen (0-001 Mm.) Körnchen der Pocken-
lymphe , wenn nicht das Contagiiim selbst , so doch dessen
2Qi) FiiufKehnte Vorlesunj;.
wesentliclisten Träger. Ferd. Cohn liat durch neuere exacte
Arbeiten diese Ansiclat, gestützt und die Körperchen als vege-
tationsfähig und als eine den Blattern specifische Kugel-
bacterien- Art hingestellt. Trotz der genannten grossen Autorität
auf dem fraglichen Gebiete, und trotz analoger Funde von
LuGiNBÜHL, Klebs, Weigert , ZuELZER u. V. A., trotz experi-
menteller Versuche aller Art (Chauveaü's Filtrationsversuche)
und sogenannter Culturen , Injectionen an Thieren etc. kann
ich nicht anders als mich gegen die Sache höchst skeptisch
verhalten. . , ,t i
Auf sehr triftige Gründe gestützt, die ich wesentlich an
einem anderen Orte dargelegt habe, aber hier auszuführen
mir unthunlich erscheint, muss ich annehmen, dass weder die
pfianzUche Natur all' jener, als solche ausgegebenen Gebilde,
und noch weniger ihre Bedeutung als Contagien oder Gontagien-
träger, bis auf den heutigen Tag erwiesen, ja auch nur m
streng wissenschaftlichem Sinne wahrscheinlich gemacht ist.
Der AVeg auf dem der AnsteckungsstofP gewöhnlich
aufgenommen wird, ist der des ßespirationstractes. Die früher
o-eiäte Variolation hat erwiesen, dass die Uebertragung auch
durch verletzte Hautstellen möglieh ist. Bei dieser Gelegen-
heit bemerke ich, dass in Folge von Verunremigung kleiner
Wunden durch Blatternproducte heftige Lymphangioitis, E
sipel Phlegmone mit Schüttelfrösten, Pyämie, Icterus, selbst
Tod 'sich einstellen kann. Ich selber habe eine leichtere, em
College eine sehr complicirte derartige Erkrankung durchzu-
"""'^Dafs dt^Contagium durch Zwischenpersonen und Geräthe
verschleppt werden kann, scheint zweifeUos. Sehr hohe Tem-
peraturen vernichten dasselbe viel mehr als hohe Kalte.
' Durch Kranke, seltener durch Mittelspersonen, W die
Variola verbreitet. Für einzelne Bevölkerungen, wie für die
Ittdt Lyon durch EENon sehr schön ^^-nstni. worden^^^^^^^^
man sehr oft von Fall zu Fall den Weg ^^^^^J^
Krankheit durch Verschleppung nimmt. Aus EmzeltaUen
wLti daii^ auf engere ^^^^ ^^^"^
endlich Epidemien, die ganze Lander und Eidtheile ubei
"eh n Bei uns in Wien, wie in grossen Städten überhaupt,
hU es nie an sporadischen Fällen. Von ^f^f]^"^^
Zt ununterbrochene Epidemie geherrscht, die im Jahre 18.0 bis
Blattern.
263
1872 bezüglicli ihrer geograpliisclien Ausbreitung, Bösartigkeit
und Mortalität wohl als die bedeutendste des ganzen Jahr-
hunderts sich entwickelt hat. In Wien z. B. sind imter 25.000
Sterbefällen des Jahres 1872, 3300 Blattern-Todesfälle gewesen,
ein Verhältniss, dessen Bedeutung Sie ermessen können, wenn
Sie erfahren, dass im Jahre 1865 unter 21.000 Sterbefällen,
nur 137 in Folge von Blattern zählen. Auf der Höhe der
Epidemie sind die intensiven und letalen Erkrankungen
häufiger, abgesehen davon, dass die Epidemien unter einander
noch in vielen Beziehungen sich unterscheiden. In der 70er
Epidemie z. B. war die Häufigkeit von Variola haemorrhagica
geradezu unerhört.
"Was die Jahreszeiten anbelangt, so ist bei uns regel-
mässig in den "Wintermonaten, December bis Ende Eebruar,
die grösste Menge von Variolafällen zu verzeichnen.
Dass in einer durchwegs geimpften Bevölkerung die
Blattern derselben Epidemie niemals jene Verheerungen an-
richten, wie in einer nicht geimpften, kann man fort und fort
constatiren. BQerüber, sowie über den relativen Schutz der
Individuen durch die Impfung, habe ich bereits gesprochen, in
dem Sinne, dass die Empfänglichkeit gegen das Blattern-
contagium und dieses in seiner "Wirkung dauernd, oder für
lange Zeit aufgehoben oder wenigstens abgeschwächt wird.
Das Grleiche erweist sich für Personen, die bereits Blattern
überstanden haben. Doch sind zwei- selbst dreimalige Er-
krankungen an Blattern öfters beobachtet worden und der-
artige Personen sind in den späteren Erkrankungen mehr
gefährdet. Sie erweisen sich eben ipso facto als besonders
disponirt. Ich habe von einem Ealle berichtet, in dem 14 Tage
nach Ablauf einer Variolois eine zweite regelrecht auftrat
und verlief, und Kramee hat Gleiches mitgetheilt.
Von diesen Verhältnissen abgesehen, ist die Disposition
der Individuen sehr verschieden, am geringsten wohl bei
Kindern der ersten Lebensmonate und Personen hohen Alters.
Doch kann auch der Eötus im Mutterleibe an Variola er-
kranken, wobei derselbe fast durchwegs ausgestossen wird,
todt oder lebensschwach. Es ist strittig , ob jedesmal eine
Erkrankung der Mutter vorausgehen muss. Dass Schwangere
und "Wöchnerinnen gerade mehr als Andere für Blattern dis-
ponirt wären, wüsste ich nicht zu sagen. Ich weiss nur, dass
Fünfzehnte Vorlesung.
sie mehr gefährdet sind. Dasselbe gilt bezüglich der Neger,
die wohl durchwegs sehr bösartig erkranken, wahrscheinlich
aber nur, weil sie meist ungeimpft sind. Eine interessante
Thatsache ist, dass innerhalb der 30 Jahre, da Hebra die
Blatternabtheilung leitete, niemals von den dort continuirlich
beschäftigten Aerzten und Wartpersonen J emand erkrankt ist,
dagegen leider alljährlich mehrere Aerzte und. Studenten, die
auch nur ganz flüchtig die Abtheilung der Vorlesung halber
besucht haben. Man kann temporär immun gegen Pocken sich
verhalten, in einer Gelegenheit verschont, in einer scheinbar
weniger gefährlichen inficirt werden.
Dass die Infection mit Blattern durch anderweitige, von
früher bestehende Krankheiten der Haut und der inneren
Organe, auch das Puerperium, nicht behindert wird, ist schon
gesagt worden, eben so wenig durch acute fieberhafte Krank-
heiten, wie Typhus, Pneumonie und die anderen acuten
Exantheme , nur dass in den letzteren Fällen der Ausbruch
der Blattern bis in das Stadium decrementi jener Processe
sich verzögert.
Der Therapie bietet ein so symptomenreicher Process,
wie die Blattern, ein weites Feld, doch sind die auf demselben
zu gewinnenden Erfolge lange nicht so befriedigend, als dies
erwünscht sein mag. Wenn Einzelne glauben, die im Pocken-
inhalte oder im Blute von Variola-Leichen gefundenen feinsten
Körnchen als Bacterien oder Micrococcen und als das Pocken-
gift agnosciren zu dürfen, und demnach auch durch Dar-
reichxmg von salicylsaurem Natron oder Xylol (Borkärt,
ZuELZEB) bei Blatterkranken auf die Zerstörung dieser giftigen
Schizomyceten hinwirken und den Krankheitsprocess besänf-
tigen zu können, so habe ich nichts dagegen einzuwenden
da ja das Princip, welches hiebei leitet, richtig ist. Ich
zweifle nur an der Bedeutung der vemeintHchen Erfolge.
Eben so wenig vermögen grosse Dosen von Chinin, Brech-
weinstein, oder die bei Beginn der Blattern ausgeführte
Vaccination, oder subcutane Injection von Vaccine, etwas Er-
spriessliches zu leisten. Es verläuft sogar, wenn die Letztere
haftet, die Vaccine-Eruption ungestört paraUel der Variola.
Wir besitzen eben nach meiner Ueberzeugung kein Mittel,
welches die einmal perfecte Infection und ihre Wu'kung auf
den Organismus aufzuhalten oder zu beirren vermöchte, eben
Blattern.
265
so wenig, wie wii" die constitutionelle Syphilis zu verhüten
im Stande sind, Avenn einmal das Gift örtlich inocnlirt worden,
trotzdem wir noch Wochen vor dem Ausbruch derselben für
unsere Thätigheit zur Verfügung haben und sogar die ersten
Wege des Giftes ziemlich verfolgen können. Es. bleibt uns
auch für die Blattern nur die symptomatische Behandlung
übrig.
Da aber die Symptome bei den Blattern massigen Grades
nicht beunruhigend sind, und der Verlauf typisch sein Ende
erreicht, so ist auch da thatsächlich nichts wesentlich Thera-
peutisches zu leisten. Massige Zimmertemperatur, gute Lüftung
des Krankenraumes auch bei strenger Winterkälte ohne Gefahr
des Zurückgetriebenwerdens der Pocken, aber im Interesse
des Patienten und der mit ihm verkehrenden Personen, kühlende
Getränke , am besten frisches Wasser , das bei Blattern der
Mundhöhle am liebsten genommen wird, der Fieberbewegung
entsprechende Diät, das ist Alles, was in solchen günstigen
Fällen das Behandlungsprogramm ausfüllt.
Gegen durch die Variola der Schleimhaut veranlasste
Schlingbeschwerden und Stomacace können Gargarismen (Kali
chloricum, Alumen zu 5, auf 300, aqu. font. oder Infus, tiliae
und Aehnliches mit Tinct. laudan. croc. 2,50 und Meli, rosat.
10) gereicht werden. In schweren Fällen vermögen aber die
Patienten kaiim zu spülen und man reicht am besten frisches
Wasser und Eispillen.
Sobald die Decrustation allenthalben eingetreten, verhält
man den Kranken täglich, oder jeden anderen Tag ein warmes
Bad zu nehmen, sich gut mit Seife zu waschen. Es ist kein
Grund vorhanden , anzunehmen , dass ein derart von Blattern
Absolvirter, nach Abfallen aller Krusten, noch Andere an-
stecken könne.
Grössere Anforderungen treten an den Arzt heran gegen-
über der Variola vera und confluens. Doch vermögen wir nur
zum Theile denselben zu genügen. Dass gegen Variola haemor-
rhagica alle Mittel vergebens sind (Xylol , Ferrum sesqui-
chloretum , Ergotin innerlich und subcutan injicirt u. v. A.)
ist bereits nach den geschilderten Symptomen derselben voraus-
zusetzen. Dieselben laufen ja im Prodromal- und ersten
Eruptionsstadium zu Ende. Wir sind selbst gegen die oft
stürmischen Erscheinungen dieser Periode , Fieber , Unruhe,
2ßß Fünfzehnte Vorlesung.
Erbrechen, Kreuzschmerzen, Cardialgie, Oppression, nicht viel
zu leisten im Stande. Ich warne speciell vor Chloralhydrat,
Kali bromat., Opiaten und subcutanen Morphin- Inj ectionen,
um niclit die Nerventhätigkeit vorzeitig zu sehr herabzusetzen.
Nur wenn ohnedies, wie bei Purpura variolosa, der letale
Ausgang sicher zu erwarten steht, oder wenn das Individuum
im Fieberwahn Selbstmordversuche macht oder die Umgebung
bedroht, oder Delirium potatorum vorliegt, oder das Individuum
überhaupt anders nicht tractabel wäre, kann ich Opiate be-
fürworten. Chloralhydrat empfiehlt Curschmann als Klysma
zu verabfolgen (Hydrat. Chloral. 6,0—8,0, Aqu. dest. mucil.
g. arab. aa 25,0).
Auf Nebensymptome Bedacht nehmende Medicationen,
wie Aqu. lauroceras. gegen Uebligkeiten , kalte Umschläge
gegen Hitze im Kopfe, gegen Collapssymptome Cognac,
Campher etc. etc. können frei gehandhabt werden. ,
Im weiteren Verlaufe steht die grosse Meuge von dicht
gedrängten Pockenpusteln und die sie begleitende Dermatitis
im Vordergrunde der Symptome. Mit derselben sind Fieber,
Schlaflosigkeit, Delirien, Coma oder der plötzliche Tod durch
Herz- und Lungenlähmung im innigen Zusammenhange. Des-
halb sind auch diese Krankheitsmomente durch nichts in directer
Weise zu beeinflussen.
Aus diesem Grunde sowohl, wie auch, weil je zalilreicher,
mehr gedrängt und tief die Pusteln sitzen, auch die subjectiven
Symptome, Schmerz, Spannung um so grösser sind xmi weiters,
im späteren Stadium decrustationis um so mehr Metastasen
der früher geschilderten Art befürchtet werden müssen, endlich
in der Hoffnung, das Zurückbleiben von Narben verhüten zu
können, - aus all' diesen Gründen hat man von jeher sich
bestrebt, die Pustelbildung möglichst zu bekämpfen, die abortive
Rückbüdung der Pocken und die Eintrocknung derselben durch
Coagulation des flüssigen Inhaltes zu beschleunigen.
Bekannt ist die schon von Alters her geübte Methode
des Aufstechens der Pusteln, oder ihrer Aetzung mittelst
Lapis (ektrotische Behandlung), Verfahren, die bei wenigen
Pocken überflüssig, bei zahlreichen undui'chführbar und unnutz,
oder eigentlich schädlich sind.
Zur Verminderung der schmerzhaften Spannung im
Gesichte , an Händen und Füssen ist die Application von aut
Blattern.
267
Leinwand gestrichenen einfachen Salben, Einölen, Emschmieren
von Speck imd Aehnlichem zu empfehlen, besser noch das
Belegen und Einhüllen mit kühlen nassen Compressen , Um-
schlägen von Wasser -Glycerin oder mit Kautschuk-Leinwand.
Wichtiger sind die Verfahrungsweisen , welche dahin
zielen, die abortive Eintrocknung der Bläschen (vor der
Suppiu-ation) und Pusteln zu bewirken. Was die Hoffnung
anbelangt, derart Narbenbildung verhüten zu können, so darf
man nicht vergessen, dass tief angelegte Pocken eo ipso mit
Vereiterung des Papillarkörpers einhergehen, daher unter allen
Umständen Narben hinterlassen müssen, während im Rete ab-
laufende, also oberflächliche Pusteln eben so unter allen Um-
ständen ohne Narbe verheilen. Darnach können Sie den
Werth jener Anpreisungen ermessen, nach welchen das Auf-
legen oder Einschmieren dieser oder jener Salbe oder Tinctur,
oder das Abhaltendes Lichtes und vieles andere z. Th. Abenteuer-
liche die Narbenpocken verhütet habe. Die günstigere oder un-
günstigere anatomische Anlage der Pocken ist im voraus in
dieser Beziehung bestimmend. Man rühmt neben den oben
angeführten kalten Umschlägen und einfachen Salben noch
Unguent. cinereum, Empl. hydrargyri. Bepinseln mit Tinct.
jod. , Eintupfen mit Siiblimatlösung (Sublimat 0,20, Aqu.
dest. 100), oder Sublimatbäder (5,00 ad 300 Wasser, in's
Bad zu schütten). Doch vergesse man bei den Quecksilber-
präparaten nie auf die Grefahr der Salivation. In neuerer Zeit
ist das auch von uns schon in den Sechziger Jahren auf der
Blatternabtheilung angewendete LiSTER'sche Liniment (Acid.
carbolici 1, Olei olivar. 8, Cretae alb. pulv. 2,00) empfohlen
worden (Schwimmer). Wir haben nichts Eclatantes von seiner
Wirkung gesehen. Dennoch will ich behufs beschränkter
Applicationen im Gesichte, an Händen und Füssen diese und
ähnliche Mittel, die wir fast alle mit versucht haben, befür-
worten. Sie verringern alle die Spannung, verhüten die Eiter-
absperrung und damit einen Theil der Gefahr für Erysipel
und Metastasen.
Was ich in schweren Fällen von Variola vera und con-
fluens aus gleichem Grunde bestens und wärmstens empfehlen
kann, sind continuirliche Bäder nach dem Vorgehen von Hebra.
Man kann die Kranken vom 9. Tage ab, vom Beginn der
Suppuration , täglich in ein lauwarmes Bad bringen und
268
Fünfzehiito Vorlesung.
daselbst durch. 2 — 4 Stunden belassen , während dieser Zeit
stets durch Wasserwechsel das Bad in der dem Kranken an-
genehmsten Temperatur erhaltend. Aus dem Bade genommen
wird derselbe am ganzen Körper mit Poudre bestreut. Die
Patienten befinden sich höchst behaglich. Die Mühe ist nicht
gross, da selbst Schwerkranke ganz gut allehi In's Wasser
steigen und herausgehen, eventuell mit dem Laken hinein-
o-ehoben werden können. Die auffallendste Wirkung besteht
in raschem Einsinken der Pocken und Nachlass der Spannung,
in Beschleunigung der Abtrocknung und Decrustation, so dass
Fälle, in welchen die letztere sonst gegen Ende der vierten
Woche zu erwarten wäre, schon am 15. — 16. Tag in dieser
Beziehung beendet sind. Man hat dabei nichts zu befürchten.
Hat ja Hebra. den schwerstkranken Variolösen mit Pleuro-
pneumonie Tag und Nacht im Wasserbett erhalten und genesen
o-esehen. Ich habe als Assistent zahlreicke Fälle auf der
Klinik und viele privat derart behandelt. Der nächste und
grösste Vortheil dieses Verfahrens besteht in der zweifellosen
Verhütung oder Beschränkung der metastatischen Haut-
entzündungen, Abscesse und Gangrän, die bei copiösen und
confluirenden Pockenpusteln stets zahlreich und das Leben
gefährdend sick einsteUen. Solcke metastatische Processe ver-
laufen auch selber im continuirlichen Bade nach unseren
reichen Erfahrungen am besten.
Im Uebrigen werden sie lege artis chirurgicae behandelt.
Namentlicli müssen Abscesse, sobald sie durch Hautröthe, oder
auck nur Schmerz und geringe Fluctuation sick zu erkennen
geben, sofort eröffnet werden.
Von den Augenaffectionen erheiscken die metastatische
Keratitis, Iritis, Hypopium rasches Eingreifen. Punction der
Cornea, Atropin-Einträufeln, Druckverband, Einschmieren von
Belladonna mit Ung. cinereum (Extr. Beilad. 0,35, Ung.
cinerei 10,00) über den Augenbrauen etc. werden indicirt sein.
Bei intensiver Variola des Kehlkopfes mit Aphonie, In-
crustation der Sckleimhaut habe ich von der Tracheotoime doch
keine Rettung gesehen.
Nach Ablauf der Blattern zurückgebliebene Seborrhoe
ist nach den auf pag. 151 gegebenen Vorschriften zu behandeln.
Warzige Narben, Hautinsebi und Brücken im Bereiche der
Nase und der Stirne sind mittels Scheere abzutragen.
Blattern.
269
Icli schliesse diese therapevitisclaen Ratlischläge mit dem
Hinweise auf die Nothwendigkeit, dass der Arzt der Mannig-
faltio-keit der Symptome und ihrer Bedeutung jedesmal sein
Benehmen anpasse.
An die Massnahmen der Behandlung schliessen sich die
der Prophylaxis. Sie sind zunächst dieselben und auf der-
selben theoretischen Grundlage zu empfehlen , wie bei anderen
contagiösen Krankheiten, als möglichst strenge Isolirung
der Kranken sowohl in der Privat- wie in der öffentlichen
Pflege und Desinfection der von Blatterkranken innegehabten
Räume und benützten lüeider und Greräthe u. s. w. Nebst der
guten Lüftung ist das Aufstellen von Chlorkalk in dem
-Krankenzimmer oder Carbolspray , Trimethylammoniiun , mit
dem auch die Haut der Yariolösen zwei-, dreimal täglich
allenthalben arrosirt werden kann, Desinfection der Aborte
und Aehnliches zu empfehlen.
Die individuell imd epidemiologisch wichtigste Prophy-
laxis gegen Blattern bildet die Impfung mittelst
Vaccine — Vaccination.
Im geschichtlichen Theile dieses Capitels habe ich bereits
mitgetheilt, wie man zu der Ansicht gelangt ist, durch künst-
liche Einimpfung der Pocken, Inoculation oder Variolation,
die Menschen vor der Gefahr einer späteren Erkrankung zu
schützen, und dass dieses Vorgehen deshalb verlassen und be-
hördlich verboten wurde, weil die derart Erkrankten ipso facto
zur Verbreitung des flüchtigen Contagiums und zur Entstehung
neuer Blatternepidemien beitrugen, und dass schliesslich durch
Jenner's Entdeckung der Vaccination sowohl jener ange-
strebte Schutz erreicht, als die letztgenannte Gefahr ver-
mieden wurde.
Bei vielen Haiisthieren, Kuh, Schwein, Pferd (Mauke, am
Fiissgelenke), Ziege, Hund (und beim AfFen) hat man gelegent-
lich den Ausbriich von Pocken beobachtet.^ Bei der Kuh
sitzen sie auf dem Euter und den Zitzen. Sie stellen da eine
rein örtliche Krankheit vor, und man hat Grund zu glauben,
dass sie nie anders als durch directe Uebertragung und nie-
mals originär entstehen. Ihr Contagium ist aber nicht flüchtig
und überträgt sich demnach auf andere Thiere, sowie auf den
270 Fiinfzelinte Vorlesung.
Mensclien nur durch directen Contact mit einer verletzten
Hautstelle.
Gelegentlioli kommt eine sololie Uebertragung auf den
Mensclien vor. Ich habe zweimal an Männern, sogenannten
„Schweizern", das sind Kuhmeier, eine Eruption von Variola
vaccina gesehen. Sie erschien in Form von auf den Händen
und über dem Arm zerstreuten , stellenweise zu Gruppen an-
einandergedrängten , bis pfenniggrossen , mit heller Lymphe
gefüllten und zum Theile gedellten, flachen , von rothem Hofe
umgebenen Bläschen, die binnen 14 Tagen etwa unter Trübung
und Verkrustung verheilten.
Bei Schafen kommt auch die Pocke (Ovine) als ört-
liches Uebel , aber zuweilen auch als allgemeine Blattern-
krankheit vor, welche sich flüchtig-contagiös erweist und derart
zu verheerenden Ovine-Epizootien Veranlassung gibt, denen grosse
Schafheerden zum Opfer fallen. Deshalb hat man wiederholt
die Idee gefasst, die Schafe mit Menschen- oder Thierpocken
schutzweise zu impfen , und dieselbe scheint nur wegen der
materieUen Schwierigkeit der Durchführung und besonders des-
halb nicht durchzugreifen, weil bei solchen Impfungen ge-
legentlich statt örtlicher Pocken allgemeine Ovine auftrat, die
wieder zu einer Ovine-Epizootie führte.
Bezüglich der Einimpfung der Vaccine- auf den Menschen
ist Aehnliches nicht zu fürchten. Stets entsteht nur eine ört-
liche Eruption und von dem geimpften Menschen überträgt
sich deren Lymphe wieder nur durch directen Contact, sei es
auf Menschen, oder die Kuh und andere Thiere.
Man hat unmittelbar nach Jenner's PubKcation (1798)
nur mittels Kuhpocken direct auf den Menschen geimpft, was
man später Impfung mit o riginärer Lymphe nannte, nach
und nach aber diese Methode aufgegeben, weil die BeschaflPung
des Materials schwierig und kostspielig war und die Lymphe
zu oft fehlschlug, auch bei der Haftung heftige Entzündungs-
erscheinungen zuweilen auftraten. So kam man bald dazu,
statt von originären Kuhpocken, von den durch diese erzeugten
Menschenpocken zu impfen, deren Lymphe als humanisirte
Vaccine bezeichnet und bis heute allgemein zur Impfung ver-
wendet wird.
Die Schutzkraft derselben wurde vielfach direct erwiesen,
indem man geimpften Kindern sogar Menschenblattern ohne
Blattern.
271
"Wirkung oculirte, wie die von Auspitz veröfFentlicliten Proto-
kolle Peter Frank's (1801) sehr überzeugend darthun. Die san-
guinisclien Erwartungen der ersten Impfjahre wurden allerdings
nicht erfüllt. Sie wissen, dass auch Vaccinirte an Blattern
erkranken können. Allein selbst Variola schützt nicht absolut
vor einer zweiten und selbst dritten Erkrankung. Aber es liegt
ein geradezu erdrückendes Beobachtungsmaterial über die rela-
tive , aber doch bedeutende Schutzkraft der Impfung vor, gegen
dessen Beweise alle G-egen-Argumente verstummen müssen.
Man ist im Laufe der Zeit zu der Ueberzeugung gelangt,
dass die Schutzkraft der Vaccine zwar bei vielen Menschen
für das ganze Leben besteht, aber im Allgemeinen mit der
Zeit im Individuum sich abschwächt und bei Vielen nicht über
IQ 12 Jahre sich geltend macht. Darum dringt man mit
Recht auf Wiederholung der Impfung — Revaccination.
In der preussischen Armee hat sich diese Massregel glänzend
bewährt.
Weiters hat man die Schuld an der Infektion Geimpfter
durch Blattern damit motiviren wollen, dass die humanisirte
Lymphe, indem sie seit ihrer Entnahme von den originären
Kuhpocken du.rch so viele Menschen-Generationen durchgeführt
worden, an Schutzkraft nothwendig eingebüsst haben müsse,
und dass es darum räthlich sei, dieselbe durch ßetrovaccination
auf die Kuh aufzufrischen. In unserem Hauptimpfinstitute in
Wien wird aber in einzelnen Sälen die von Jenner selbst
gesandte Ljmiphe seit der Eiaführung durch de Carro, d. i.
seit 1802 fortgeführt , ohne dass sie nachweislich an Haft-
barkeit oder Schutzkraft eingebüsst hätte. Das Gleiche ist in
England der Fall. Obgleich demnach die Regeneration der
Kuhpocken durch Retrovaccination nicht nöthig erscheint,
ist sie doch wiederholt angerathen und öfters mit Erfolg
durchgeführt worden (Pissm).
Endlich hat man der Impfung mittelst humanisirter
Lymphe den Vorwurf gemacht, dass durch dieselbe allerlei
constitutionelle Krankheiten, Scrophulose , Rhachitis, Tuber-
culose, speciell Syphilis von einem Kinde auf's andere über-
tragen und derart das Menschengeschlecht systematisch körper-
lich deteriorirt würde.
Von allen diesen Vorwürfen haftet blos der eine bezüg-
lich der Syphilis. Es sind thatsächlich einzelne Uebertragun-
2-^9 PünfKehnte Vorlesung.
gen dieser Krankheit durch die Impfung vorgekonnnen —
Impfsj^philis. Allein die Zahl dieser unglücklichen Vor-
kommnisse ist geradezu verschwindend klein gegenüber den
Millionen schadlos durchgeführter Impfungen, und die genauen
Untersuchungen der Fälle haben theils Irrthümer ergeben,
theils, dass die betrefPenden Kinder schon vor ihrer Impfung
syphilitisch waren, theils dass bei gehöriger Vorsicht von
Seite des Impfarztes das Unglück hätte vermieden werden
können. Einige Fälle bleiben aUerdings noch unaufgeklärt,
ebenso wie die Art der Uebertragung. Auf keinen FaU ist
die Ansicht Viennois' richtig, dass in der Beimengung von
Blut zur Lymphe die einzige materieUe Ursache der gelegent-
lichen Syphilisübertragung ruhe, denn die reinste Lymphe
enthält einzelne Blutkörperchen. Köbner, Auspitz, Rineckee,
Bädmlee haben den Gegenstand in belehrender Weise be-
handelt. . .
Dennoch sind die angeführten, gegen die hnmanisu'te
Lymphe geltend gemachten Vorwürfe wirksam genug gewesen,
um einen Theil der Impffreruide ihr abwendig zu machen und
den Wunsch rege zu halten, dass nur originäre Vaccine füi'
die Impfung verwendet werde. Nachdem in Neapel schon über
50 Jahre ein Institut für Kuhpocken-Impfung bestanden hatte,
wurden seit 1864 der Reihe nach, theils auf Staatskosten,
theils durch Privatmittel, solche errichtet in Frankreich, Belgien,
Deutschland (Pissm's nnd Röll's Bericht) und neuestens zwei
in Wien selbst. Man impft da junge Färsen auf der Bauch-
wand und benützt die durch Anstechen oder durch Einklemmen
der Basis zum Austritt gezwungene Lymphe direct, oder ein-
getrocknet oder flüssig aufbewahrt zur Impfung. Obgleich
die Berichte der Institutsvorsteher selbst sehr günstig lauten
wird doch von anderer Seite die schwierigere Haftung und
die grössere Gefahr von complicirenden Entzündungen , ßotli-
lauf und Gangrän betont. Ich selbst habe derart em Kind
zu Grunde gehen sehen. Indessen kann man doch pnncipiell
die Impfungen mit originärer Lymphe nur gut heissen, da sie
gewiss in der Hand von Geübten auch möglichst von solch
fiblen Folgen frei bleiben und dem Theile der Bevo keru^
den Schutz der Impfung bieten, der die hnmanisirte Ljnip^^e
. aus irgend welchen Gründen perhorrescirt. Eb kommt abe,
bei der Prophylaxis der Bevölkerung durch die Impfung darauf
Bliittevn. 27;}
an dass sie mögliclist absolut allgemein durcligeführt werde,
weil jedes einzelne nicht geimpfte Individnum sowolil selber
inelir disponirt für Blattern und melir diirch sie gefährdet ist,
als auch die Ansteckungsquelle für Andere abgibt.
Bei uns ist die Impfung mittelst h um anisirt er Lymphe
allgemein gebräuchlich.
Man impft entweder von Arm zu Arm, oder mit m glä-
sernen Haarröhrchen aufbewahrter flüssiger oder auf Bein-
chen eingetrockneter Lymphe. Die flüssige kann im Falle des
Bedarfes nach Müllee's Vorgang mit Glycerin nnd Wasser
(je 2 Theile) verdünnt werden ; die eingetrocknete wird vor
der Anwendung in einem Tröpfchen "Wasser, oder durch Ver-
schmieren in dem von dem Impfstich des Impflings hervor-
quellenden Serum gelöst. Bei directer Impfung nimmt man
die durch oberflächliches Anstechen der 7—8 Tage alten
Impfpusteln des Stammimpflings zum Anstritte veranlasste
Lymphe. Man überträgt sie mittelst Impflanze \md subepider-
midales Einstechen, oder durch Aufstreichen auf die oberfläch-
Hch scarificirte Haut, am besten der Streckseite des Ober-
armes , bei Mädchen so weit oben , dass die Narben später
beim Biosstragen des Armes nicht zu sehr sichtbar werden.
Zwei Impfstiche beiderseits genügen. Gesunde Kinder können
nicht fiüh genug geimpft und vor Blattern geschützt werden,
besonders zur Zeit von Epidemien, oder bei grosser Nähe der
Blatterngefahr, z. B. Kinder von Aerzten. Ich habe meine
Kinder in der ersten Lebenswoche geimpft; sie haben den
Process ohne Eieber durchgemacht. Keine Jahreszeit oder
Witterung ist ein Hinderniss für die Impfung.
Bei normalem Verlaufe derselben entstehen an den Impf-
stellen am 3. bis 4. Tage kleine rothe Knötchen, welche am
5. bis 7. Tage zu Bläschen sich entwickeln und am 7. bis
8. Tage bis zu pfenniggrossen , praUen , oft gedellten , trans-
parenten Bläschen geworden sind. Ein mässiger rother Hof
umgibt dieselben. Vom 9. Tage ab trübt sich der Inhalt und
trocknet derselbe zu einer Borke ein , welche nach abermals
10—14 Tagen mit Hinterlassung einer Narbe abfällt.
Man sieht allgemein die „schöne" Narbe als Kriterium
für eine erfolgreiche Impfung an, ohne dass dies jedoch absolut
richtig wäre. Es ist gut, die Kinder während dieser Zeit
nicht zu baden, um die Entwicklung der Pocken nicht durch
Kaposi, Hautkranklieiten. 18
274
Fünfzehnte Vorlesung.
Maceretion oder mechanisclie Verletzung zu stören. Massiges
Fieber begleitet dieselben zumeist im Höliestadium.
Anomaler Weise bleiben die Impfefflorescenzen auf der
Höhe der Knötchen stehen, ohne sich zu Bläschen zu ent-
wickeln — Variola vaccina atrophica, Steinpocken. Oder
es entwickeln sich auf der Impfstelle und ilirer Nachbarschaft
juckende und alsbald vom Kinde zerkratzte Knötchen und
Bläschen — Eczempocken, V. vaccina herpetica; oder
grosse Blasen , nach deren Abtrocknen keine Narbe zurück-
bleibt — Blasenpocken, V. vaccina pemphygoides ; oder
es tauchen Furunkel auf. Zuweilen bleibt nach Abfallen der
Pockenkruste eine wunde Stelle zurück, welche durch Wochen
und Monate Serum und Eiter secernirt , sich peripher ver-
CTÖssert , an der Basis sich hart infiltrirt , mit wuchernden
Granulationen und, wenn nicht gepflegt, mit dicken Krusten
sich belegt, Schwellung der Achseldrüsen bedingt und ein
sypliilitisches G-eschwür vortäuscht. Sie heilt nach Aetzung
mit Lapis und Bedeckung mit leicht ad stringir enden Verbänden
(Kali caust. 0,1, Aqu. font. 25, oder Ung. simpl. 25, Nitr.
argent. 0,04).
Bisweilen entstehen Nebenpocken, Vaccinolae, das
sind den Impfpocken ähnliche Efflorescenzen , gleichzeitig mit
jenen, oder etwas später, an nicht geimpften Stellen, meist
am Arm , den Schultern und dem Thorax , zu einzelnen bis
20 — 30, discret, oder zu Haufen gedrängt. Sie bedingen stets
bedeutendere Dermatitis und Fieber, selbst Lebensgefahr.
Die häufigste Complication der Schutz-Pocken ist Ro-
seola vaccina, eine im Verlaufe des Pockenbestandes von
den Armen ausgehende und über einen grossen Theil der
Haut sich ausbreitende, da und dort auch in isolirten Flecken
erscheinende Rothe, die mit erhöhter Hauttemperatur und
mässigeni Fieber, aber immer ohne Nachtheil verläuft.
Gefährlich ist das Impf -Erysipel, Variola vaccina
erysipelatosa , welches, von den Impfstellen ausgehend, grosse
Ausbreitung gewinnen, zur Phlegmone sich steigern und selbst
zu Gangrän führen kann. Es kommt selbst bei Erwachsenen
(namentlich bei Revaccination) vor und kann da den Tod zur
Folge haben ; häufiger tritt es bei Kindern auf, und da wieder
öfters nach Impfung mit originärer Lymphe. Dass bei Kindern
ein unglücklicher Ausgang öfters uocli zu beobachten, braucht
Blattern.
275
nicht erst gesagt zu werden. Zu Zeiten , wo auch auf
chirurgischen Ahtheilungen Erysipel herrscht, kommen auch
Impfer3''sipele in grösserer Zahl vor. Es ist constatirt, dass
die Ursache wohl manchmal in einem verdorbenen Impfstoffe
gelegen sein mag, ^äel öfters jedoch in anderen Umständen,
die überhaupt für Rothlauf geltend gemacht werden. Denn
es sind Fälle bekannt , wo unter mehreren mit derselben
Lymphe geimpften Kindern m\v eines erkrankt ist.
Vaccine und Variola, obgleich experimentell ikre Identität
so ziemlich erwiesen ist, können doch ungestört neben einander
bestehen. So kami ein mit florescii'enden Schutzpocken be-
haftetes Eänd von Blattern befallen werden , deren Grift es
vor der Impfung aufgenommen , und kann an einem mit
Blattern besetzten Individuum durch Impfung schöne Vaccine
erzeugt werden. Beide Processe schliessen sich erst nach
vollendetem Decursus aus, mit welchem erst die Durchseuchung
des Organismus vollendet zu sein scheint.
Wenn die Vaccine fehlschlägt, ist das Kind nach Ablauf
von 2 — 3 Monaten neuerdings zu impfen. Manche Personen
erweisen sich nur zeitweilig und gegen eine besondere Lymphe
immun , wenige Individuen aber absolut ; ob auch gegen
Blattern ist wohl schwer zu ermitteln.
18
1
Secliszeliiite Yorlesung.,
b. Acute, nicht contagiöse, exsudative Dermatosen.
1. Erythemfomien.
Die nnalomischen Veränderungen bei den Erythemen identisch nur nach
dL Grad" verschieden. Erythema multiforme und Herpes Ir.s et crc-
natus, Erythema nodosum, Purpura rheumatiea.
Wir kommen heute zur Bespreclimig einer Reilie von
Krankheitsformen, welche ebenfalls durch acuten allezeit
typisch begrenzten Verlauf und Exsudation sich chaxakteri-
sii^en aber im Gegensatz zu der zuletzt abgehandelten Gruppe,
nicht co'ntagiös sind. Sie bieten höchst interessante
klinische Bilder und durch ihre eruirte, oder nur vermuthete
Beziehung zu den erst in den letzten Jahren näher studirten
Gefässnerven, nicht nur ein speciell dermatologisches, sondern
auch ein allgemein pathologisches Interesse.
Das anatomische Wesen der hier zur Sprache kommen-
den Processe besteht darin, dass zunächst auf eine begmnende
Entzündung hindeutende, durch Hyperämie bedingte, rothe
Flecke, mit mässiger seröser Imbibition, Exsudation, d i
obersten Hautschichten sich präseiitiren. Diese Gruppe steUt
die vielgestaltigen Erytheme vor. _
Es braucht jedoch nur einer geringen Steigerung der
H.T)erämie uiad der serösen Schwellung, damit gleichzeitig
Knötchen, Knoten oder Quaddeln erscheinen Ja es l^ann
noch weiters unter denselben Verliältnissen durch die Menge
des exsudirten Serums die Epidermis zu Bläschen oder
Blasen emporgehoben werden, so dass klinisch sich eine
Combination von rothen Flecken, Knötchen, Knoten, Quaddeln,
Erytliema multiforme.
277
Bläsclien und Blasen gleichzeitig an verschiedenen Punkten
desselben Krankheitsherdes und im Verlaufe desselben Processes
einstellen können, ohne dass dadurch die Berechtigung oder
Veranlassung entstände, die verschiedenen Morphen auch als
differente Krankheiten anzusehen. Denn immerliin bildet auch
bei solch' combinirten Tonnen die erythematöse Erkrankung
den Typus des Processes.
Eine zweite Gruppe von hieher gehörigen Krankheiten
charakterisirt sich durch die typische Bildung von B 1 ä s c h e n ,
Phlyktänosen, die also durch TJeberwiegen der Exsudation
innerhalb der Papillarschichte und des Rete zu Stande kommen.
Bei einer dritten Gruppe endlich kominen die Symptome
der Entzündung, wie sie pag. 173 geschildert worden sind,
in durchgreifender Weise zum Ausdrucke, eigentliche Haut-
entzündimg, Dermatitis.
Zunächst vom
Erythema exsudativum multiforme.
"Wie schon der von Hebra ihm gegebene Name besagt,
fällt dieser Process durch seine Vielgestaltigkeit auf, und
durch die demselben zu Grunde liegende Exsndation tmter-
scheidet sich derselbe von dem durch blosse Hyperämie ge-
bildeten Erythema congestivum (pag. 109).
Nach dem fast ausnahmslos sich wiederholenden Typus
des Erythema multiforme entstehen (symmetrisch) auf beiden
Hand- und Fussrücken und den angrenzenden Partien
des Vorderarmes und Unterschenkels Stecknadel-
kopf- und alsbald zur Linsengrösse heranwachsende,
zinnoberrothe, unter dem Fingerdrucke erblas-
sende, flache, oder nur mässig über das Niveau
emporragende, normal, oder etwas derb und
ödematös sich anfühlende, scharf begrenzte, dis-
seminirte Flecke (Erythema laeve).
Binnen wenigen Stunden entwickeln sich diese Flecke,
peripher fortschreitend, zu grösseren Dimensionen, während
zwischen ihnen und weiter nach dem Vorderarme hinauf neue
Efflorescenzen auftauchen. Schon nach wenigen Stunden zeigeii
sich die ältesten Erixptionspunkte , das sind also die Centra
der grösseren Flecke, eingesunken und cya notisch, während
278
Sechszehntü Vorlesung.
der jüngere, peripliere Theil einen zinnoberrotlien Saum
darstellt.
In dem so rasclien Waclisthnm kommt es alsbald zu
kreuzer- und tlialergrossen Flecken, die nach, demselben Typus
entstanden sind, weshalb die centrale Partie blaurotb, die
peripberische zinnoberotli erscheint, und endlich confluiren auch
diese grösseren Flecke, so dass schon am zweiten bis dritten
Tage der Eruption der Handrücken diffus blauroth, cyanotisch
erscheint, dabei sich kalt anfühlt, beim Druck, unter Ver-
schwinden der Blauröthe, gelbbraune Pigmentirung aufweist,
während am Vorder-, Oberarm vmd im Gresichte vielleicht erst
linsen- bis kreuzergrosse , disseminirte , im Centrum blauröthe,
peripher zinnoberrothe , und am Stamme die eben erst aufge-
tauchten Stecknadelkopf- bis linsengrossen, zinnoberrothen Flecke
sich vorfinden.
Da die nach der lebhaftrothen Hyperämie so rasch fol-
gende cyanotische Lijection auf eine Stagnation in den venösen
Capillaren hindeutet, so ist es begreiflich , dass neben gelegent-
lichem Oedem der tieferen Hautscliichten und des Unterhaut-
zellgewebes, z. B. am Augenlid, auch alsbald etwas Blutfarb-
stoff austritt , ja wirkliche Hämorrhagie stattfindet und dem-
nach in den folgenden Tagen die Flecke durch die Farbennuancen
von Blau zu Gelb , Grün , Gelb und Braun durchgehen , und
zwar in der Reihenfolge vom Centrum nach der Peripherie,
entsprechend dem Erkrankungsalter der einzelnen Punkte.
Blassen die Flecke rasch im Centrum ab, während der
rothe Saum centrifugal sich ausbreitet, so entsteht die Form des
Erythem a annulare; durch Aufeitiandertreffen mehrerer
Kreise, die an den Berührungspunkten sich verwischen, entstehen
o-eschlängelte Linien und aUerlei zierliche Figuren, — Ery-
thema gyratum, figuratum.
Wenn im Centrum der sich vergrössernden Flecke neuer-
lich ein rother Fleck auftaucht, hat man Ery thema Iris.
Wenn der ursprüngliche Fleck zu einem etwas erhabeneren,
derberen Knötchen sich entwickelt hat, in Folge Steigerung
des exsudativen Vorganges, so nennt man das Ery thema
papulatum, und ist es etwas grösser an Umfang, so dass es
einer Urticariaquaddel entspricht, Ery thema urticatum
oder Liehen urticatus.
Da im letzteren Falle die Knötclien gewöhnlicli lieftig
Erytlionm nuiltiformo. Herpes Iris et circinatus.
279
jucken, so werden sie alsbald nach ihrem Auftauchen zerkratzt
und demnach mit einem schwarzen Blutbörkchen besetzt er-
scheinen. Da inzwischen auch bei den Knötchen der o-leiche
Entwiclvlxmgsgang stattfindet, wie bei den einfachen Flecken,
so bekommt man zierliche und charakteristische Bilder von
linsen- bis pfenniggrossen Flecken, deren Centrum ein Blut-
börkchen trägt, worauf dann eine blaurothe und eingesunkene,
von einem rothen, erhabenen Saum umfasste Area folgt.
Endlich kommt es auch durch weitere Exsudation in die
Knötchen bisweilen zur Bläschenbildung und zwar in der Form
von wässerig schimmernden, oder mit einer grösseren Menge
wässeriger Flüssigkeit erfüllten, in der Regel sehr derben Efflo-
rescenzen, die selbstverständlich auch wieder nach dem beschrie-
benen Typus fortschreiten. Das Centrum des Knötchens
sinkt nach wenigen Stunden ein, sich blauroth färbend, indem
dessen Flüssigkeit aufgesogen und die Cyanose der Basis sichtbar
wird; peripher schreitet die Bildung eines rothen, erhabenen,
steü abfallenden, derben Saumes fort, auf welchem ein Kranz
solcher Bläschen aufsitzt. Man hat soErythema vesicu-
losum und im letzteren Falle Herpes circinatus.
Bisweilen findet sich im Centrum noch ein altes oder
frisch aufgetauchtes Bläschen , peripher ein Bläschenkranz , ja
zuweilen an diesen angrenzend ein dritter centraler , —
Herpes Iris.
Endlich kann auch an irgend einer oder mehreren Stellen,
im Centrum, oder an der Peripherie der Efflorescenzen die
Oberhaut zu einer grossen Blase emporgehoben werden —
E r y t h e m a b u 1 1 o s u m.
Ich habe mit dieser Schilderung die möglichen Typen der
Erythemen twicklung , von dem einfachen Erythem zum Ery-
thema papulatum und Herpes Iris imd circinatus geschildert.
Sie können daraus entnehmen, dass aUe diese Formen aus
einer Grundform hervorgehen, demnach nur ein und denselben
Process darstellen.
Die Mannigfaltigkeit ihrer Gestaltungen rechtfertigt ihren
Gattungsnamen Erythema multiforme oder polymorphe, und
die vielfachen schon angeführten Benennungen sind ganz geeignet,
die in jedem speciellen Falle vorwiegendste Form damit zu
bezeichnen. Die einzelnen Flecke enden also mit Hinterlassung
einer braunen Pigmentirung, ohne Schuppung. Nur wo ober-
2gQ Sechszehnte Vorlesung.
flächlicli stärkere Exsudation statthatte, bei den Bläsclien-
und Blasenformen, kommt es durch Vertrocknung solcher Efflo-
rescenzen zu Krustenbildung und Schuppung.
Ausser diesen objectiven Erscheinungen sind keine bemer-
kenswerthen subjectiven Symptome anzugeben, manchmal
ein leichtes Brennen bei der Knötchenform, bei Liehen urticatus
heftigeres Jucken, zuweilen nicht unerhebliche Schmerzen in
den Gelenken der Finger, der Handwurzel, dem Sprunggelenke.
Der Verlauf des Erythema multiforme ist, wie schon
erwähnt, ein typischer. Binnen 14 Tagen bis 4 Wochen, läng-
stens C. Wochen ist in der Regel der ganze Process zu Ende.
Er dauert länger, wenn die Eruptionen, wie in selteneren Fällen,
nach und nach auch den ganzen Stamm befallen und an den
schon krank gewesenen Stellen neue Nachschübe auftauchen,
weil jeder neue Fleck bis zur vollständigen Abblassung noch
8 bis XO Tage braucht.
Ebenso wird ein mit intensiverer seröser Exsudation com-
binirtes Erythem , also Er. urticatum , herpeticum , im All-
gemeinen länger verlaufen als ein flüchtiges Er. laeve.
Ausnahmsweise kann aber das Erythem auch mehrere
, Monate und über's Jahr dauern, aber immer nur durch Wieder-
\ holung von Ausbrüchen. Die einzelnen Proruptionen verlaufen
aber auch da immer acut. _ _
Ich habe im Wintersemester 1877-1878 einen Warter
vorgestellt, dessen Erythema, Herpes Iris und circinatus seit
dem Mai 1877 immer fort Nachschübe gemacht hat.
Unter solchen Umständen ist das Pigment im Centrum
der einzelnen Flecke so intensiv, und die Umwallung der-
selben meist so derb, dass man zu dem Irrthum verleitet
werden könnte, im Centrum sich involvirende syphilitische
Papeln vor sich zu haben.
Ueberhaupt kommen sehr bemerkenswerthe Ab weich un-
o-en von dem geschüderten Typus vor in Bezug auf Localisation,
die Intensität der örtUchen oder begleitenden Erschemiingen
und Complicationen. So kann, die Localisation betreffend,
Hand- und Fussrücken gar nicht, oder erst später betailen
werden und die Eruption vorwiegend Gesicht und Stamm
betreffen, einmal auf eine kleine Hautregion sich beschranken,
ein andermal universell erscheinen. Die Intensität der
Symptome betreffend, kann es örtlich zu starker, derber, bis
Erythema multiforme. 281
in's subcutane Gewebe reichender Infiltration und Hämorrhagie 1/j
kommen. Es können heftige gastrische Erscheinungen, ErostjM
hohes Fieber , intensive Entzündung der ßachenschleimhaut,
psychische Depressionssymptome (Leavin) , intensive G-elenks- '
affectionen zugegen sein. In einem Falle meiner Erfahrung
sind durch mehrere Monate periodisch (aUe 14 Tage) wieder-
kehrende Blutungen aus der Niere dem Ausbruche des Erythems :
vorangegangen.
An Complicationen und Folgen des Erythema
multiforme, allerdings vorwiegend des Erythema nodosum,
werden noch angeführt Endo- und Pericarditis, Meningitis, Tuber-
culose, Klappenfehler, Pleuro- und Pneumonie und es ist in
einer beträchtlichen Zahl (unter 70 von Lewin aus der Literatur
angeführten FäUen 10) unter solchen CompKcationen der Tod
eingetreten. Offenbar hat in all' diesen Fällen das Erythem
nicht die Bedeutung des wesentlichen Processes, sondern nur
ein er symptomatischen Erscheimmg , wie auch viele Ro-
seolen. Man kann deshalb auch nicht dem Erythem den unglück-
lichen Ausgang zuschreiben. Ich glaube darum auch die Unter-
scheidung eines benignen und malignen Verlaufes bei
Erythema multiforme nach Lea\tn, oder einer „ominösen" Form
nach Uffelmann nicht befürworten zu sollen.
Diese seltenen Fälle nun abgerechnet, gestattet der Pro-
cess in der Regel nur eine günstige Prognose, da er ja
unter allen Umständen spontan abläuft.
Die Diagnose des Erythems ist bei einiger Aufmerk-
samkeit ziemlich leicht. Die Erscheinung von, wie geschildert,
disseminirten Flecken, deren grössere unter allen Umständen
die centrale blaurothe Depression zeigen, ist so autFallend, dass
sie gar nicht mit irgend einem anderen Krankheitsbüde ver-
wechselt werden kann. Nicht minder sind die mit Knötchen
und Bläschen combinirten Formen sehr charakteristisch.
"Wenn man nun aus der BeschafiFeuheit der einzelnen
Flecke ihren regelmässigen Entwicklungsgang von einzelnen
Centren absehen kann und zugleich erkennt , dass der Process
symmetrisch an beiden Hand- und Fussrücken begonnen haben
muss, wen dort die Erscheinungen des grösseren Alters der
Flecke (confluirende blaurothe Färbung) sich zeigt, während
vielleicht am Stamm eben auftauchende sich befinden, ferners
den raschen , binnen Stunden vor sich gehenden Wechsel der
282
Secliszehnte Vorlenung.
Ersclieinmigen iii Betracht zieht, dann ist ja ein Irrthum über
den Charakter der Krankheit gar nicht möglich.
Von den ebenfalls in Kreisform erscheinenden Herpes
tonsurans und Psoriasis ist Erythema leicht durch den Mangel
an Schu.ppung , von Syphilis annularis durch den Mangel an
eigentlicher Infiltration, die unter dem Finger nicht schwindet,
nebst den genannten positiven Eigenschaften zu unterscheiden.
Ueber die Ursache dieses merkwürdigen Processes sind
wir vollständig im Unklaren. Dass wir es mit einer Capillar-
hyperämie und nachträglicher Parese der feinsten Papillar-
gefässe zu thun haben, ist zweifellos, das ist ja aus den klini-
schen Erscheinungen zu deutlich zu entnehmen.
Wenn demnach einige Autoren, wie Landois, oder neuer-
dings Lewin denselben als Angioneurose hinstellen , so ist
damit nichts mehr erklärt, als was uns schon bekannt ist ; denn
wir wissen dann noch immer nicht, ob die peripheren Grefässnerven,
oder ihr Centraiorgan und wodurch es afficirt ist. Wir wissen
nur so viel, dass in gewissen Jahreszeiten der Process regel-
mässig in einer grösseren Anzahl zur Beobachtung kommt,
speciell März, April, October, November, gleichzeitig mit Fällen
von Zoster, vereinzelt aber auch in anderen Monaten zu sehen
ist ; dass einzelne Personen manclimal noch zwei bis drei J ahre,
circa um dieselbe Jahreszeit von Erj^them befallen werden (Tj^dus
annuus) und dass schliesslich im Allgemeinen jugendlichere
Individuen männlichen und weiblichen Greschlechtes ein grösseres
Contingent dieser Krankheitsform liefern, als Erwachsene und
ältere Personen'. Die Lebensweise, äussere Verhältnisse, all-
gemeiue Constitution, speciell bestimmte Nahrungsmittel, Ge-
tränke scheinen für die Entstehung der Krankheit ganz belanglos.
Hebra erklärt ausdrücklich, dass örtliche Ursachen
nicht Erythema multiforme hervorrufen, ohne andere positi-^^e
angeben zu können. Aber bei einem so gar nicht aufgeklärten
Processe dürfen alle Thatsachen wenigstens erwähnt werden.
Ich habe einmal Erythema Iris in Folge von Einreibung mit
Unguentum cinereum gesehen und in einem exquisiten Falle
von Erythema Iris und papnlatum, einem Falle, der rasch wech-
seLide Formen, keine Schuppung und keine Bläschen zeigte,
demnach nicht mit Herpes tonsurans, für de» ihn Pick ansieht,
verwechselt werden konnte — ich besitze die Abbildung —
zweifellos einen parasitären Pilz demonstrirt. Es würde aus
Ervthoiiiii multiforme.
283
diesen zwei Beobaclitungen wenigstens soviel liervorgelien, dass
denn doch zuweilen durcb. einen örtlichen Reiz ein derartiges
Er-s'them hervorgehen kann. Lkwin glaubt in einigen Fällen
auf Reizung der Harnröhre durch Erosionen (auch experimentell)
auf reflectorischeni Wege die Angioneurose des Erythem zurüclc-
fiihren zu können. Es handelt sich zweifellos um eine Alte-
ration der G-efäss-Innervation, und sie dürfte thatsächlich einmal
peripher d. i. direct an den Endgefässchen, ein andermal von
den Gefässnervencentren aus sich geltend machen. Durch
Avelche Schädlichkeiten aber , das ist vor der Hand nicht näher
erwiesen.
Keinesfalls sind die erwähnten vereinzelten Beobachtungen
für die Aufstellung einer Aetiologie genügend und namentlich
für die Erklärung der typischen Localisation auf Hand- und
Eussrückeu. Das letztere Moment dürfte bezüglich mancher
Fälle wenigstens eher mit einem anderen Verhältnisse in Be-
ziehung gebracht werden können, unter welchem an den peri-
phersten Körpertheilen — Händen und Füssen — Capillarstasen
eben am leichtesten entstehen, und, wie aiich bei Erythem der
Fall, Hände und Füsse in der Regel sich kalt anfühlen.
Da will ich denn gleich anfügen, dass man bei einzelnen
weiblichen Individuen , welche an Amenorrhoe in Folge von
pueriler Entwicklung des Uterus, Dysmenorrhoe , Chlorose, Ste-
rilität leiden, durch mehrere Jahre von Zeit zu Zeit Erythem
der Hände und namentlich der Stirne sieht, sub forma des
Erythema urticatum et Iris. In diesen Fällen sah ich zuweilen
die Flecke der Stirne sehr träge verlaufen, mit sehr derbem
Circumvallationsrand und dunkelbraunem, deprimirten Centrum,
so dass Ungeübtere ohneweiters die Diagnose Corona venerea
machten.
Damit möchte ich auch die Blasegeräusche im Herzen,
die Klappenfehler vortäuschen , in Verbindung bringen , von
denen Lewin in einzelnen Fällen von Eiythem berichtet. Sie
sind wohl ein Symptom der Chlorose, nicht des Erythem.
"Wir werden erfahren, dass Urticaria und Roseola eben-
falls in Kreisen imd Gi-yris auftreten , und so den analogen
Formen des Erythema multiforme gleichen können. Da jene
Processe zweifellos durch Ingesta , gewisse Speisen und Medi-
camente, oder örtliche Schädlichkeiten, z.B. die Processions-
raupe , veranlasst werden , so ist es begreiflich , dass einzelne
234 Sechszelinte Vorlesung.
dieser Ursachen ancli für Erytliem geltend gemacht werden,
wenn der Hantaussclilag eben in dem letzteren Sinne diagnosti-
cirt worden ist. Dahin gehören Fälle, wie der von Madee,
in dem derartige Eruptionen mit heftigen Kolil?;en sich wieder-
holt einstellten, oder der von Arnold Pick bei einer Blödsinnigen,
wo die Ausbrüche mit den Menses wiederholt zusammentrafen.
Hebra hat eine ganze Reihe von pathologisch-analogen Formen
mit Functionsstörungen des Uterus in Beziehung gebracht.
Thatsächlich bieten alle diese Processe, Erythema, Roseola,
Herpes und Urticaria, so viel Uebereinstimmendes dar und
kommen sie in so mannigfachen Uebergangsformen vor, dass
es manchmal nur schwer hält, dieselben klinisch strenge aus-
einander zu halten.
Wir sehen dies gleich bei dem folgenden Processe, dem
Erythema nodosum.
Dieses, auch D ermatitis contusif or mis oder Urti-
caria tuberosa genannt, schliesst sich pathologisch un-
mittelbar an das Erythema multiforme an. Dasselbe erscheint
in Gestalt von haselnuss- bis nussgrossen Beulen und geschwulst-
ähnlichen Knollen von derber Beschaffenheit, zumeist an beiden
Unterschenkeln und Fussrücken, weniger häufig an den Vorder-
armen, Oberschenkeln und Nates, höchst selten gleichzeitig auch
an anderen Körp erstellen.
Die Knollen des Erythema nodosum ragen mässig über
das Hautniveau empor, oder liegen im Niveau und fallen nur
durch die an der Peripherie rosenrothe und in ihrem Centrum
mehr blaurothe Färbung auf, werden dagegen mit dem Finger
deutlich als derbe KnoUen gefühlt und sind sowohl spontan
als namentHch bei Druck ausserordentlich schmerzhaft. Sie
finden sich vereinzelt, manchmal aber in grösserer Zahl oft
15_20 an jeder Extremität, disseminirt.
Ihre Entwicklung erfolgt sehr acut, über Nacht, manch-
mal unter begleitenden Fiebererscheinungen, allgemeinem Unbe-
hagen, gastrischen Symptomen, Schmerzhaftigkeit m den Ge-
lenken, namentlich der betroffenen Extremität. Die einzelnen
Knollen bestehen selber mehrere, 8-14 Tage. Der frisch ent-
standene Knoten bleibt nämlich dureli 2-3 Tage scheinbar
unverändert, alsdann verwandelt si(;h das lebhafte Roth der
Erytlioma iiodosum.
285
über demselben befindlichen allgemeinen Decke, zunächst im
Centrum, dann peripher fortscshreitend, in Blauroth, Gelb, Grün
imi. während auch die Masse des Infiltrates sich vermindert,
bis endlich nach einem Zeitraum von anderthalb bis zwei
Wochen jede Spur desselben, bis auf etwas braune Pigmen-
tiiung der betreffenden Hautstelle, geschwunden ist. Bisweüen
erfolgt in die infiltrirte Hautstelle ein wirklicher hämorrha-
gischer Erguss, wodann die mit jeder Hämorrhagie verbundene
Reihe von Involutionserscheinungen und Farbenveränderungen
etwas länger für sich in Anspruch nimmt. Manche Knoten
fühlen sich mehr weich-elastisch an, so dass sie für einen ent-
zündlichen Abscess imponiren. Sie schliessen aber nie eine
Höhle ein. nocli verflüssigen oder vereitern sie_jemal3.
Was den Verlauf der Krankheit in toto anbelangt, so
erscheinen innerhalb der ersten 8 bis 14 Tage in der Eegel neue
Knoten, welcke die geschilderten Veränderungen durchmachen,
so dass die Ki-anklieit im Ganzen auf einen Zeitraum von
drei bis sechs Wocken, auch nock länger, ausnakmsweise sogar
durck Monate sich ausdeknt. Auck die Fieberersckeinungen,
welcke in intensiven Fällen und bei sensibleren Personen selten
feklen, kalten mit der Eruption gleicken Sckritt und bleiben
mit dem Beginn der allgemeinen Involution vollständig aus.
Als Begleitersckeinungen sind neben den GelenksatFectionen
besonders Dyspepsie, seltener Koliken und Diarrkoe, nack Ein-
zelnen auck sckmerzkafte Knoten der Zunge und der Mund-
Eackensckleimkaut zu erwäknen.
Das Erytkema nodosum belästigt sowokl durck die Inten-
sität der örtlicken Affection als der begleitenden subjectiven
Erscheinungen des Fiebers und der Schmerzkaftigkeit in den
Knoten, den ßökrenknocken und Gelenken in viel kökßrem
Grade, als die früker gesckilderten Erytkeme. Dock stellt
dasselbe im Wesentlicken mir einen analogen Process vor,
insoferne dem Erytkema nodosum entspreckende Knoten auck
mit den Flecken des Erytkema multiforme gemengt vorzu-
kommen pflegen, beide Processe die gleicke Localisation der
Eruption zeigen, zur selben Jakreszeit und unter gleicken Ver-
kältnissen vorkommen und acut und typisck verlaufen, Deim
auck die Knoten des Erytkema nodosum gelangen unter allen
Umständen vollständig zur Resorption.
Anatomisck bedeuten sie vorwiegend seröse Infiltration
286
Sechszehnte Vorlesung.
aller Gewebsscliicliten bis ins subcutane Bindegewebe mit gleich-
zeitiger, anfangs arterieller, später venöser Capillarstasis und
mit Rücksicht auf das Plötzliche ihres Entstehens und ihrer
vollständigen Rückbildung nur eine intensiver entwickelte
Urticariaquaddel.
"Was das ätiologische Moment anbelangt, so ist das-
selbe ebenso unklar , wie bezüglich der anderen Erythemformen.
Dasselbe findet sich bei zarten weiblichen und jugendlichen
Individuen in überwiegender Anzahl, Säuglinge und Kinder
mit inbegriffen, nicht selten mit dem auch für das Erythem
hervorgehobenen Typus annuus, dem häufigen Vorkommen in den
Frühlings- und Herbstmonaten.
Die Prognose kann in Anbetracht des von dem Pro-
cesse Ausgesagten nicht ungünstig lauten, obgleich eine unter
Umständen auch mehrere Wochen durch sie veranlasste Bett-
lägerigkeit immerhin bei Schulkindern, der dienenden und
erwerbenden Classe angehörenden Personen ein für die Praxis
belangreiches Moment sind.
Bei kleinen Kindern ist die Krankheit schon etwas bedenk-
licher, obgleich sie auch hier in der Regel gut abläuft. Allein
es kann doch durch bedeutende Herabsetzung der Ernährung
während der andauernden Appetitlosigkeit, die häufigen Fieber
und zufällige Complicationen , wie Nierenbhitung , zu einem
unglücklichen Ende kommen, weshalb da immerhin die Prognose
vorsichtiger gestellt werden soll. Ueberhaupt darf man bei
allen diesen Processen nicht vergessen, dass sie für einen zarten
Organismus um so mehr bedeuten, je mehr sie zu Hämor-
rhagien neigen ; also weniger als Erytheme, .mehr als Erythema
nodosum und noch mehr als Purpura.
In di agn OS tischer Beziehung wäre zu erwähnen, dass
bei dem Auftauchen vereinzelter solcher Knollen an den Unter-
schenkeln, oder gar an einer anderen Körperstelle, z. B. am
Arme, an einem Augenlid, welches dadurch enorm geschwellt,
in den bekannten Farben vorangegangener Hämorrhagie schil-
lernd erscheint, leicht der' Irrthura begangen werden könnte,
diese Beulen von einem Trauma, Schlägen, Anstossen u. s. w.
herzuleiten. Wenn man jedoch einen Fall von typischer Loca-
lisation am Unterschenkel vor sich hat, und dabei Knoten von
verschiedenem Alter, namentlich aber frische, demnach an der
Oberfläche rosenroth erscheinende sieht, welche letztere in
Purpura rhenraatica.
287
dieser Bescliaffenlieit niemals durch ein Trauma hervorgerufen
werden können, wird eine irrthüraliche Diagnose selbstverständ-
lich vermieden werden können.
Nicht ulcerirte Grummaknoten der Unterschenkel können
mit Erj'thema nodosum verwechselt werden , weim , wie ich
neulich au einem Mädchen gesehen, dieselben an beiden Unter-
schenkeln sich vorfinden. Die syphilitischen Knoten sind stets
scharf umschrieben und umgreifbar. Die Erythemknoten an
der Peripherie sich verlierend. Literarische Angaben , welche
von Ulceration der Erythemknoten berichten, dürften auf solchen
Irrthümern beruhen.
Noch ein dritter Process ist hier anzuschliessen :
Purpura rheumatica
oder Peliosis rheumatica.
Bei diesem entstehen unter dem Fingerdruck nicht schwin-
dende, blaurothe und später braun werdende Flecke, Hämor-
rhagien, welche ebenfalls in einem typischen Zeitraum von
drei bis sechs Wochen zu entstehen und zu verlaufen pflegen.
Ein solcher Process gehört vom streng systematischen
Standpunkte nicht hierher, sondern in die Classe der Hämor-
rhagien ; allein es vsdrd Ihr Verständniss von dem eigenthüm-
lichen Charakter der schon geschilderten exsudativen Vorgänge
nicht wenig fördern, wenn Sie wissen, dass auch die hier
gemeinten Blutaustritte typisch an den Unterschenkeln und
Vorderarmen zuerst auftreten, von Grelenksschmerzen und Ex-
sudationen um und in die Gelenke begleitet zu sein pflegen und
ebenfalls einen Typus annuus erkennen lassen.
Thatsächlich hat man von dem Erythema laeve exsuda- \
tivum durch das Erythema urticatum zum Herpes Iris und
circinnatus nach aufwärts, sowie von dem Erythema urticatum
durch das Erythema nodosum zur Purpura rheumatica fort-
laufend, eine in continuirlichen Uebergangsformen sich präsen-
tirende Krankheitsciasse vor sich, welche durch den schon
geschilderten allgemeinen Typus der eigenthümlichen Locali-
sation, der acuten typischen Verlaiifsweise, der im Allgemeinen
benignen Bedeutuug , des vorwiegenden Erscheinens in be-
stimmten Jahreszeiten vor sich.
Während in der Regel die einzelnen Unterarten dieser
Erkrankungsciasse nach ihrem Typus gesondert vorzukommen
288
SouhsSKehnte Vorlesung.
pfleo-en, findet man doch auch nicht selten alle Formen an
einem Individuum gleichzeitig vertreten, z. B. Erythema annu-
lare laeve, diffusum, Iris an den Oberextremitäten, Herpes Ins
und circinnatus am Handrücken und im Gesichte, Urticaria
papulata und Erythema nodosum an den Unterextremitaten und
zwischen den Knollen des letzteren eingestreut linsengrosse und
grössere, flache Hämorrhagien , nebst Gelenkschwellung, Pur-
pura rheumatica.
l-'ig. 18.
Durclischnitt eines Bläscliens von Er. papnlo-vesiculosum.
ijuruuoiiuu.i"»'
„ Hornsclüclite, ^ Bete «^..»f f^Crliagfe^Ä BlXörperchen j-?' l'apiHären und
seröse Bxsudati9n erweitert c (Ha>no^^^^^^^ Schleimschichte mit Serum
subpainllären Bindegewebe, / Blasc^Uemao^^^^^^^^_^^^^^^
Ich gebe Ihnen hier die Abbildung (Fig. 18) eines Durch-
Schnittes von einem in Umwan Uung .um B räschen begriffenei.
Knö chen des Erythema painüatum bei starker Vergrosserung
""t am Grunde zweier Papillen frei ausgetretene - ^
S;i:;::^vchen(mmorrhag^^^ iVber ^ ^^^^^
TJpfe Malpiffhii theils aufgequollen und gelockert, tbeils
Tl^^ - Balken und Scheidew.nd^^^^^
Fächerwerkes auseinander gedrängt. Dasselbe is mit Serum
Lei rzelnen Exsudatkörperchen erfüllt, stellt also em Bläs-
chen mit dicker Epidermisdecke vor.
Eoseola.
289
Was die Behandlung aller dieser Krankheitsformen
anbelangt, so sind wir nicht in der Lage, jenen Nerveneinfluss
zu paralysiren, durch welchen einzelne Capillargefässbezirke in
so merkwürdiger Weise in ihrem Tonus alterirt werden, dass
in denselben zunächst arterielle, später mehr venöse Hyperämie,
dann seröse Exsudation und Hämorrhagie stattfindet , mit
einem Worte , die eigenthümlichen Erscheinungen von Flecken,
Knötchen, Quaddeln, Bläschen, Blasen, Härmorrhagien mit der
typischen Tendenz zum peripheren Fortschritt bedingt werden.
Wir sind also nicht in der Lage, weder den ersten, noch die
erneuerten Ausbrüche hintanzuhalten, ebensowenig aber auch
die Rückbildung der vorhandenen zu beschleunigen und so den
Krankheitsverlauf m toto abzukürzen. Es ist demnach eine
eigentliche Behandking all' der genannten Krankheitsformen
gar nicht nothwendig.
Die Fälle von gewöhnlichem Erythema polymorphe werden
ohneweiters sich selbst überlassen, indem man dem Kranken
mit aller Beruhigung einen günstigen spontanen Verlauf ver-
sprechen kann und nur selten durch eine ungebührlich lange
Dauer des Processes Lügen gestraft wird. Gegen etwaige
Juckempfindung , welche bei der Liehen urticatus , Erythema
urticatum et papulatum genannten Form immerhin belästigend
werden kann, wird zeitweiliges Betupfen mit Alkohol, Spii'itus
vini gallicus ohne oder mit Zuthat von 1 -0 Acid. carbol. oder
salicyl. auf 200 Gr. der Flüssigkeit und darauf Application
von Amylum, oder auch kaltnassen Einhüllungen erleichternd
wirken. Bei Gegenwart von Gelenksschmerzen, oder bedeutender
Schwellung der Gelenke, sowie bei andauernden Fiebererscheinnn-
gen werden die Kranken besser im Bette behalten, weil sicherlich
beim Herumgehen sowohl Oedem als Schmerzen sich steigern
und vielleicht neue Hämorrhagien producirt werden können.
Zugleich werden Umschläge mit Eis, kaltem Wasser, Plumbum
aceticum basicum solutum Erleichterung verschaffen. Es ver-
steht sich von selbst, dass gegen etwaige allgemeine Symptome,
Fieberhitze, gastrische Erscheinungen etc. ebenfalls eine ent-
sprechende innere Medication, Acidum phosphoricum, Elixirium
acidum Halleri, diätetisches Verfahren am Platze sein wird.
Ich muss hier noch anhangweise der Roseola gedenken,
von welcher bereits früher (pag. III) die Rede war. Die
IQ
K a p 0 s i , Hautkrankheiten.
29Q Sechszehnte Vorlesung.
Flecke derselben können dnrch Steigerung der ihnen zu Grunde
liegenden Hyperämie und Exsudation zu Knötchen sich ent-
wickeln und würden dann den früher besprochenen exsuda-
tive]! Erythemen zugezählt werden, insofern sie dem hier
geschilderten Typus entsprechen, wie Roseola autumnalis, ver-
nalis (Willan), oder Roseola cholerica und varlolosa. Bei den
letzteren , sowie bei der Roseola typhosa ist es wahrscheinlich
der specifische Krankheitserreger, oder nur die Fiebererregung,
welche die Gefässnerven derart beeinflusst, dass an der Haut
die genannten Exantheme erscheinen.
Das Prodromalexanthem der Pocken ist bereits geschildert
worden (pag. 227), ebenso Roseola cholerica (pag. lU). Das
T y p h u s e X a n t h e m , theils als Flecken , theils als Knötchen ,
kommt sowohl bei Ileotyphus, als bei dem exanthematischen
Typhus vor. Manchen Epidemien ist eine besondere Form desselben ^
eigenthümlich. Es findet sich da meist am Stamme, Bauch und
Innenfläche der Extremitäten, gleich Anfangs, oder im Ver-
laufe. Es ist mehr stationär als das typische Erythema exsu-
dativum multiforme. Das DiETEL'sche Typhusexanthem erscheint
in Gestalt von weizenkornähulichen , länglichen, glanzenden
Knötchen auf der Brust und. dem Bauche.
Die Roseola syphilitica stellt ebenfalls Flecke dar, die
ihre Gestalt nicht verändern, sondern in der Form und Grösse,
in der sie aufgetaucht, bestehen und ohne Schuppung schwinden.
An die geschilderten Erytheme schliesst sich naturge-
mäss eine Gruppe von Krankheiten an, bei welchen zwar die,
Hautröthe nur ein Theüsymptom einer Allgemeiiikraukheit
darsteUt, aber doch als einleitendes, oder äusseres Merkmal
der letzteren geltend gemacht wd. Es sind P ell^.gr a,,und
Acrodynie.
Pellagra
Risipola lombarda. Mal rosso, Mal.,d4..sole;, der lombar-
dische Aussatz, wird als eine en demis:cha, Kranklieit ausge-
geben, welche besonders unter der ärmeren Bevölkerung der
lombardischen Ebene, Piemonts, Venatiens und Südfrankreichs
sich vorfindet. In den letztpn .Jahren, ist aiich über eine grossere
Zahl solcher Erkrankungen aus Rumänien (Schkiber), Spanieii
und dem südlichen Frankreich .berichtet worden. Ich wüL
gleich hier bemerken, dass die. I.itßratur. über die Pellagra
Pellagra. 2P I
seit der Mitte des vorigen J alirliunderts zwar zu ausserordent-
licli starken Bänden angeschwollen ist, aber, trotzdem sie fast
ausschliesslicli mit den Vorkommnissen in den oberitalischen
Ebenen sicli beschäftigt, es nicht zu einer einheitlichen und
allgemein überzeugenden Darstellung über die Symptome, Ur-
sache und Bedeutung des Uebels gebracht hat. Deshalb ist
auch zeitweilig ein Zweifel über die Existenz einer Pellagra
zu nennenden Krankheitsform aufgetaucht und Winternitz hat
erst im Jahre 1876 auf Grund eigener, an so genannt Pel-
lagrösen gemachter Beobachtungen, und eingehender litera-
rischer Studien die Schlussfolgerung machen zu können geglaubt,
dass eine so zu. nennende einheitliche Krankheit gar nicht
existire, und dass die Aerzte allerlei Krankheiten, die in den
bekannten pathologischen Systemen bei guter Diagnose ihren
Platz fänden, auf unmotivirte Beurtheilung hin als Pellagra
zusammenfassen.
Allein es stehen diesem Autor ausserordentlich zahlreiche,
gediegene Beobachter entgegen, welche die Krankheit aus eigener
Anschauung kennen und als besonderen Process hinstellen.
Hebra selbst sagt, dass er Pellagrakranke in grosser Anzahl
beobachtet und gefunden hat, dass das Krankheitsbild unzwei-
felhaft die grösste Aehnlichkeit habe mit anderen, durch ver-
dorbene Vegetabilien herbeigeführten Intoxicationen. Auch
ich habe, wenn auch nur einzelne Fälle gesehen, die ich aber
immöglich anders als in die Symptomenreiche Gruppe der
pellagrösen Erkrankungen einzureihen vermöchte.
Die Symptome der Pellagra werden in sehr divergirender
Weise angegeben. Ich glaube, dies hängt eben damit zusammen,
dass die Ejrankheit thatsächlich unter mannigfacher Eorm und
Verlaiifsweise sich darstellt , mehr acut, oder äusserst lente-
scirend verlaufend, mit wenigen, oder vielen Erscheinungen oder
nur rudimentär.
Durchschnittlich werden mehrere Stadien angegeben. Das
erste Stadium wird durch Erythem gekeruizei chnet. Auf
den Handrücken, dem Gesichte, auf Hals und Brust, so weit
sie überhaupt u.nbekleidet und den Sonnenstrahlen (bei Arbei-
tenden) ausgesetzt wird, erscheint die Haiit dunkelbraunroth.
Es tritt im Frühling und Sommer auf, verschwindet unter
geringer Schuppung im Herbst und Winter und stellt sich
mehrere Jahre hindurch mit der wärmeren Sonne wieder ein.
19*
992 Sochszehnte Vorlesung.
Bei Öfterer Wiederkelir wird die Epidermis über den erytlie-
matösen Stellen dunkelolivbraun gefärbt und schält sicli dieselbe
in sebr dicken Schwarten ab. Es gesellt sich Muskelschwäche,
aUgeuieine Verstimmung dazu. Von da kann das Uebel sich ganz
zuriickbilden. Oder es tritt in das zweite Stadium ein, welches
durch erhöhte Muskelschwäche, Kriebeln, fortwährendes Kälte-
gefühl und weitere Veränderungen an der Haut gekennzeiclmet
wird. Die Haut erscheint dann allgemein, besonders im Gesichte,
an Händen und Füssen, blauroth, oder broncebraun, glänzend, mit
verdünnter Epidermis, atlasartig, sie ist höchst empfindlich. In
den Fingern fülden die Kranken Kriebeln, oder Pamstigsein. Sie
frösteln stets. Die Finger werden gebeugt gehalten ; die Berüh-
rung des Bodens ist für die Haut des Fusses schmerzhaft. Stö-
rungen der Sinnesempfindungen, Krämpfe, Diarrhoen, Delirien,
Stupor, Melancholie (religiöser Wahnsinn) und Blödsinn gesellt
sich allmälig dazu. Die Kranken sterben an Marasmus, coUi-
(pativen Diarrhoen, oder acuten und chronischen Erkrankungen
der Lungen, Nieren, des Herzens.
Ausser den solchen Complicationen entsprechenden patho-
logiscb-anatomischen Veränderungen haben sich bei der Section
(Labus, Sgheiber u. A.) Pachymeningitis, Induration des Gehirnes
und Rückenmarks und oft anämischer oder atropbischer Zustand
der inneren Organe, wie nach chronischer Inanition, ergeben.
Unter den mannigfachen Ursachen, welcke für die
Pellagra geltend gemacht wurden (als persönliclies Elend über-
haupt, telluriscbe und kUmatische Verbältnisse, Sonnenbrand,
(Erythema solare), Heredität, da man aucli bei Säugliiigen das
Uebel angetreten haben wiU etc.), wird die ausschliesslicbe
Ernährung mittelst Mais (Kukurutz, Zea Mais, Polenta der
Italiener) besonders betont und darauf hingewiesen , dass es
nur die von solchem lebende arme Bevölkerung gewisser Ge-
genden sei, die von Pellagra befallen werde. Seit dem Vor-
walten der Pilztheorie in der Aetiologie der Krankheiten ist
es ein Pilz des Mais (Sporisorium Maidis), der beschuldigt
wird, namentlicb mit Rücksicht darauf, dass man Grund hat,
nur die Ernährung mittelst verdorbenen, schimmeUgen Mais-
mebles anziüdagen. Lombboso hat experimentell, durch Dar-
reichung von aus verdorbenem Mais bereiteter Tinctur , die
Symptome der Pellagra erzeugt (18G8). Hierdurch hat er
sowohl die Existenz der Krankheit positiv erwiesen, weiters
Pellagra, Acrodyiiie.
293
den Mais als Ursache dargetlian, zugleich aber aus dem Crange
der Experimente sich veranlasst gesehen, nicht den Maispilz
lind nicht den gewöhnlichen Schimmelpilz, sondern eine in der
Verderbniss des Maismehles sich entwickelnde besondere Sub-
stanz als Ivranldieitsursache zu beschuldigen.
Die letztere Annahme ist sicher nicht allgemein giltig-,
da ScHEiBER, ich und Andere auch an solchen Personen Pellagra
gesehen haben, die nie von Maismehl, sondern wie wohl situirte
Städter sich genährt haben. Da darunter auch Personen
waren, die nie in der Sonne gearbeitet haben, einer meiner
Pälle auch aus Böhmen war, wo Pellagra nicht endemisch vor-
kommt, so ist ersichtlich, dass noch Vieles bezüglich der Pel-
lagra im Dunkel liegt.
Therapeutische Erfolge erwartet man nur in den
frühen Stadien der Krankheit diu-ch Aufenthalt in gesunden
Verhältnissen, gute Nahrung und.roborirende Diät, Kaltwasser-
curen , Eerrum u. s. w. Manche Fälle werden auch spontan
gut. Die weiter gediehenen und namentlich mit Geisteskrank-
keit gepaarten Formen führen regelmässig zum Tode.
Acrodynie , oder Erythema endemicum , bietet viele Ana-
logie mit Pellagra dar. Dieselbe hat nach Alibert's Aus-
sage im Jahre 1828 und nach Hiksch auch 1829 und 1830 in
Paris epidemisch gekerrscht. Hände und Füsse der ßetroifenen
waren der Sitz eines Erythems mit folgender Schuppung, oder
auch Bläschen- und Blasenbildung , Ablösung der verdickten
Epidermis in Schwarten, wie bei Pellagra, während die Haut
der Brust und des Unterleibes fast schwarz pigmentirt erschien.
Elriebelii , Taubsein in den Fingern und Zehen , auch heftige
Schmerzen in denselben, Erbrechen, Durchfall, Ischurie gesellten
sich hinzu und führten oft zum Tode. Man beschuldigte all-
gemein (Chomel , Recamiek u. A.) eine Verderbniss der zum
Genüsse gekommenen Getreidevorräthe und brachte die Krank-
heit mit Pellagra in Analogie.
I
Siebzelinte Vorlesung.
Urticaria, Nesseln.
Formen und Bedeutung der Urticaria, idiopail.isehe und symptomatische,
acute und chronische Nessehi.
' Die Urticaria (Cnidpsis, Nesselsucht, Porcellanfriesel)
o-enannte Krankheit bestellt, wie der Name schon besagt, in der
Production von Quaddeln oder Nesseln, das sind fingeruagel-
o-rossen und grösseren , urplötzlich auftauchenden, rosenrothen
oder weiss schimmernden und roth umsäumten, flach erhabenen,
rundlichen oder unregelmässig gestalteten und etwas derb sich
anfühlenden Effloi^Gcenzen , welche sehr heftig jucken und
brennen und einen äusserst flüchtigen Bestand haben, indem
sie binnen wenigen Minuten oder überhaupt sehr kurzer Zeit
wieder vollständig zum Schwinden gelangen , ohne Schuppung
oder sonstige Spuren zu hinterlassen.
Die einzelne Quaddel breitet sich entweder rasch der
Fläche nach aus, indem ihr rother Saum peripher vorruckt,
bis zur Grösse eines Kreuzers, Thalers und darüber, wobei ihr
Plateau weiss schimmert, U r t i c a r i a p o r c e 1 1 a n e a eben oder
im Centrum etwas deprimirt ist. Alsdann sinkt dieselbe em und
.-erschwindet spurlos, oder mit Hinterlassung geringer brauner
Pigmentirung. Oder sie verschwindet schon im Centrum wahrend
die Peripherie fortschreitet. Dann entstehen Quaddelringe,
Urticaria- annularis, und durch die Vereinigung mehrerer
solcher Ringe Gyri, Urticaria gyrata, figurata, odex
mehrere concentrische und excentrische Kreise, die al e, w_egen
der Flüchtigkeit der Eruption, wieder sehr rascli ihre iorm
ändern Da wie wir sehen werden, die Haut ,edes Ur icaria-
k aXn auch an ..uaddelfreien Stellen höchst emphndhch ist.
Urticaria.
295
so wird cliircli jede Eeriihvung mit dem Finger, durcli den über
sie fahrenden Fingernagel, wieder Urticaria hervorgerufen und
man kann daher auch Quaddehi in Gestalt von Striemen nnd
Streifen sehen, ja ganze Quaddelzeichnungen, Buchstaben etc.
sofort in Quaddelerhebung auf der Haut durch den Finger pro-
vocii-en — Urticaria f a, c t i t i a. Unter dem Striche entsteht
erst ein weisser Streifen, der sofort roth wird mid dann weiss
schimmernd , qnaddelartig vorspringt , sich verschieden lange
erhält und auch weiter ausbreiten kann.
Es können ferner an einzelnen Punkten einer oder
mehrerer Quaddeln durch Ansammlimg von grösseren Serum-
Mengen in der Epidermis Bläschen und Blasen sich erheben,
Urticaria vesiculosa et bullosa, nach deren Platzen
sich Krusten bilden; oder es entstehen nur serös infiltrirte
Knötchen, Urticaria papulosa.
Die Krankheit nun , welche aus der Formation solcher
Quaddeln sich zusammensetzt, heisst Urticaria. Es kommt
nämlich aus verschiedenen Ursachen, die wir alsbald erörtern
werden, zum Ausbruch von Urticariaquaddeln, die theils gleic h-
zeitig an verschiedenen Körperstellen, theils successive erscheinen,
zu fünfzehn bis zwanzig und viel mehr solchen über dem ganzen
Körper in xmregelmässiger Situation, so dass man gleichzeitig-
alle möglichen Entwicklungs- imd Rückbildungsstufen vor sich
hat. An den Augenlidern, am Präputiiim veranlasst die Quaddel
bedeutendes Oedem, so dass z. B. das Auge, natürlich nur auf
kurze Zeit, geschlossen erscheint.
Auch auf der Schleimhaut des Mundes, Rachens und
Kehldeckels kommen manchmal gleichzeitig flüchtige ßöthungen
und den Quaddeln entsprechende, ödematöse Schwellxxngen vor,
durch welche z. B. das Zäpfchen enorm vergrössert, die Epi-
glottis bis zur Erstickungsgefahr angeschwollen sein kann.
Doch sind derartige Vorkommnisse gewiss höchst selten imd
speciell beider als Riesen u,Tticaria (Milton) mitgetheilten
Form gesehen worden , bei welcher auch auf der Haut enorm
grosse, beulenartige Geschwülste entstanden sind, die durch
plötzliches Auftauchen , Schrherzlosigkeit , flüchtigen Bestand
als Quaddeln sich zu erkennen gaben.
Wie viele Quaddeln immer auftauchen mögen, imjuer ist
ihre Dauer nur eine sehr flüchtige. Aber auch der Process als
solcher ist ein höchst acuter, insoferne man in der Regel den-
cjgg Siebaehiito Vorlesung.
selben nicht länger als ein bis einige Tage zu sehen bekommt,
U r t i c a r i a a c u ta , e V a n i d a. Doch kann unter Umständen
der Nesselausschlag viele Wochen, Monate und Jahre in gleich-
massigen oder aus Exacerbationen und Remissionen sich zu-
sammensetzenden Eruptionen bestehen, U r t i c a r i a r e ci d i v a,
chronica, oder U r t i c a t i o , Nesselsucht. Darnach wird die
Bedeutung der sonst scheinbar so harmlosen Krankheit grösser,
sowie die Art und Zahl der complicir enden und beglei-
tenden Symptome verschieden sein, als: auf der Haut, Exco-
riationen, Pigmentation , Knötchen und Pustebi , wie sie dem
Eczem angehören; weiters: Dyspepsie, Uebligkeit , Erbrechen,
Diarrhoe, Fieber, remittirend und intermittirend, und viele
andere, deren Besprechung sich am besten derjenigen von den
verschiedenen Formen der Urticaria anschliessen wird.
Die Wichtigkeit dieser Krankheit wird erst einleuchten,
wenn man die verschiedenen Ursachen kennt, durch welche
Urticaria veranlasst werden kann. Darnach steUt sie ein-
mal eine ganz unbedeutende, vorübergehende Molestirung, ein
anderes Mal ein recht schweres Leiden dar.
Praktisch am besten unterscheiden wir die Urticaria nach
ihrerUrsache als idiopathische uud symptomatische.
Die i d i 0 p a t h i s c h e Urticaria ist diejenige, welche durch
äussere SchädKchkeiten, durch directe Reizung der Haut
hervorgerufen wird, als deren vulgäres Beispiel der Nesselaus-
schlag in Folge von Brennessel bekannt ist. In praktischer
Beziehung wäre hier zunächst hervorzuheben, dass die bei uns
häufigen Epizoen, Flöhe, Pulex irritans, Wanzen, Cimex
lectuarius und Läuse, Pediculi, nebstdem noch andere Insecten,
die Processions- und andere Raupen , Mücken (Gelsen , Culex
pipiens) die häufigste Ursache für Urticaria sind.
Es entstehen zunächst an den Punkten, wo das Lisect,
z B die Wanze, einsticht und saugt, um die Einstichstelle
herum quaddelartige Erhebungen, durch welche bis auf eine
gewisse Circumferenz das Rete Malpighü serös imbibirt und
aufgequoUen ist. Da nun die Quaddel juckt , so kratzt sich
der Betrefi-ende und trifft mit zwei bis drei Fingernagebi das
aufgelockerte Epidermisstratum. Dadurch werden zwei bis drei
parallele Excoriationsstriche hervorgerufen, welche an der Biss-
stelle der Wanze selber gewöhnlich in einer rundHchen Blut-
borke sich vereinigen. Es entstehen aber nicht nur an den von
Urticaria.
297
den riöheii und Wanzen diirch SaiTgen direct irritirten Stellen
Quaddeln, sondern aucli an vielen anderen Körperstellen, aut
welcte die betreffenden Insecten nur springend oder kriechend
einen Reiz hervorgerufen haben, und endlich an solchen Haut-
stellen, welche von den betreffenden Tliierchen gar nicht berührt
worden sind.
Es ist nämlich eine Eigenthümlichheit, dass das auf einem
Punkt der Haut vorhandene Jucken ein Irritaiiient der Art
abgibt, dass, auf dem Wege der sensitiven Nerven vermittelt,
reflectorisch an einer ganz anderen Köperstelle, und an vielen
solchen, Urticariaquaddeln auftreten und dass besonders die von
Urticaria schon befallene Haut in dieser Beziehung die grösste
Ii-ritabilität bekundet, so dass schon die Berührung mit dem
Finger, noch mehr das Kratzen, die Eeibung durch gesteifte
Wäsche, Druck von Strumpfbändern etc. neue Quaddeln hervor-
rufen. Wir begegnen darum der Urticaria in allen den Krank-
heitsformen, wo Jucken überhaupt vorhanden ist. Es werden
die bereits vorhandenen Quaddeln noch viele Tage, wenn die
ursprüngliche Schädlichkeit auch beseitigt ist, durch reflec-
torische Irritation neue Quaddeln hervorrufen.
Man kann z. B. bei einem Kinde , welches sehr rein ,
gehalten wird und eine empfindliche Haut hat, bei sorgfältigster
Untersuchung nur einen Eloh auffinden, mit einem einzigen
Elohstich am ganzen Körper und sofort Quaddeln in grosser
Zahl über den ganzen Körper zerstreut, welche durch mehrere
Tage und in allmäliger Decrescenz sich erneuern. Da aber
Wanzen in manchen Wohnungen in grosser Menge eingenistet
sind, so werden diese zu exquisit chronischer Urticaria Ver-
anlassung geben. Man findet an einer solchen Haut allent-
halben zerstreut theils frische, theils nur in Eorm von braunen
Streifen gekennzeichnete Excoriationen , in der Grestalt von
zwei- und dreifach gezogenen und sich gegenseitig dukaten-
zeichenähnlich kreuzenden Linien, so dass man aus dieser Er-
scheinung die Diagnose Urticaria chronica mit der wahrschein-
lichen Aetiologie e cimicibus machen kann, auch wenn im
Momente der Untersuchung nicht eine einzige Quaddel da ist ;
und die Diagnose ist fast jedesmal richtig, wenn angegeben
wird, dass das Jucken immer nur in der Nacht vorhanden ist.
Seltener hat man Grelegenheit , und zwar in Sommer-
monaten vereinzelt oder nahezu in endemischer Verbreitung
298 Siebzehnte Vorlesung.
Urticaria in Folge von Culex pipiens, Leptus autumnalis oder
der Processionsranpe, Gastropacha processionea zu sehen , zu-
meist als Urticaria papulosa.
Die symptomatische Urticaria erscheint als lieflex-
symptom einer von einem anderen Organe oder Systeme, als
die Haut, ausgehenden Nervenreize, rein reflectorisch, oder als
begleitendes Symptom anderer Hautkrankheiten und darnach
auch wieder entweder acut, oder chronisch.
Am häuiigsten ist dieselbe bedingt durch Reizung der
G-eschmacks nerven und des Gastroi n testin alt ract es,
wobei einmal durch die betreffenden Ingesta ein ausgesi^rochener
Magen- und Darmkatarrh mit Erscheinungen der Ueblichkeit,
Erbrechen, Diarrhoe, choleraähnlichen Znständen, belegter
Zunge , Fieber u. s. w. auftreten , oder auch ohne alle derar-
tige begleitende Sjanptome. In allen diesen Fällen muss eine,
für viele Personen wenigstens, ganz besondere Idiosynkrasie
gegenüber von speciellen Speisen oder Getränken angenommen
werden. Man kann nicht annehmen, dass überhaupt , oder
wenigstens nicht dass in gewissen Fällen erst durcb eine von
Seite des Magen-Darmtractes resorbirte und in das Blut ge-
langte Substanz, welche chemisch auf die betreffenden Nerven-
centra einwirken würde, die Urticaria hervorgerufen wird. Denn
es ist notorisch, dass sehr häufig fast unmittelbar, sobald die
betreffende Stibstanz oder das Medicament auf die Mundschleim-
haut gebracht wurde, scbon die Urticaria auftritt, was selbst-
verständlich nur auf reflectirtem Wege von den Geschmacks-
nerven aus erklärt werden kann.
Solche bei vielen oder einzelnen Individuen zeitweilig, oder
regelmässig einen Urticariaausbruch veranlassende Speisen und
Substanzen siud: Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren, Fische
aller Art, insbesonders Seefische, Hummern, Austern. Fluss-
krebse, Schnecken, Würste aller Art, Schinken, Champagner,
Majonnaise, Schweinefleisch, geräuchert, gebraten oder gekocht,
manche Sorten Käse, Gefrorenes (Fruchteis). An Medica-
menten: Copaivabalsam, Terpenthin, verschiedene Mineral-
wässer, Chinin in seltenen Fällen (KöbneeI, auch blosse Inha-
lation von Balsamicis, Terpenthin und eine Menge anderer
Stoffe, die unter Umständen für ein bestimmtes Individuum
Urticaria producirend sind.
Manche glauben, dass ein grosser Theil der Schuld in
Urticaria.
299
solchen Fällen an sogenanntem Ekel oder in der Einbildung
liegt, indem ein Lidividunm, welches nach einer bestimmten
Speise ein oder mehrere Male einen so unangenehmen Zustand
erfahren hat, vorkommenden Falls schon mit einer gewissen
Furcht an den neuerlichen Grenuss der betreffenden Speise
herangeht. Das ist ein Irrthum, wie mir bekannte Beispiele
beweisen, nach welchen es gelungen war, solche Personen über
den Genussgegenstand zu täuschen, dieselben aber doch wieder
Diarrhoe, Erbrechen und Urticaria bekamen.
Gastrische Zustände überhaupt disponiren aufPallend
für Urticaria und insoferne ein solcher Gastricismus monate-
lang persistiren kann, wird auch die durch denselben bedmgte
Urticaria häufig sich wieder einstellen, also als chronisch sich
präsentiren.
Ein solches Individuum ist nicht nur subjectiv sehr gequält,
insoferne dasselbe fortwährend von Jucken geplagt wird, mit
der Gesellschaft nicht verkehren, an keinem Mahle theilnehmen
' kann , sondern es magert auch im Verlaufe der Zeit ab , da
sowohl der Schlaf gestört ist, als auch seine Ernährung enorm
leidet. Es kann vorkommen, dass ein solcher Kranke tagelang,
und manchmal durch viele Wochen mit geringen Unterbrechungen
höchstens ganz indifferente Flüssigkeiten, Thee oder Wasser,
kaum etwas Suppe zu sich nehmen kann, oder nur warme oder
nur kalte Speisen, weil in dem Momente, als das eine oder das
andere in den Mund gebracht wird, über dem ganzen Körper
Urticaria ausbricht.
Bei kleinen Kindern ist diesen Verhältnissen besonders
Eechnung zu tragen, denn häufig ist wochen- und monatelang
andauernde Urticaria nichts anderes als der Ausdruck eines
chronischen Magenkatarrhs, der durch unzweckmässige Ernäh-
rungsweise, schlechte Milch, fette Speisen, welche dessen Magen
noch nicht verträgt, hervorgerufen ist.
Ich habe bei diesen ätiologischen Momenten der Urticaria
etwas länger verweilt, weü deren Eruirung für die prak-
tische Hilfeleistung von grossem Belange ist.
Durch Gemfi thsaffecte plötzlicher Art, Scham, Ver-
legenheit. Zorn kommt wohl auch ein Urticariaausbruch zu Stande.
In die Reihe der durch irritirende, in die Blutmasse auf-
genommene Substanzen bedingten Urticariaformen gehört auch
das Auftreten von Urticaria neben Scarlatina imd Morbilli oder
noo
Siebzehnte Vorlesung.
im Prodromalstadium der Variola neben dem Erythema vario-
losum, in welchen Fällen eben das specifisclie Kranklieitscon-
tagium als das irritirende Moment angesehen werden muss.
Mit Intermittens oder unter intermittirendem Fieber ist
wiederholt Urticaria gesehen worden — Febris urticata inter-
mittens oder Intermittens sixb forma tirticariae larvata (Scor-
czEWSKi, Zeissl, Neümann).
Höchst wichtig ist noch das Auftreten von Urticaria als
Vorläufer und Begleiter der den Pemphigus constituirenden
Blaseneruptionen.
Entweder erscheinen über den Körper zerstreut zahlreiche
Erythemformen in Combination mit Urticaria und es entwickeln
sich über einzelnen Quaddeln Pemphigusblasen , während der
grösste Theil des Erythems wieder schwindet. Oder es kommen
consequent nur einzelne Urticariaquaddeln und nur an solchen
Stellen sodann auch Blasen. Das letztere ist speciell bei
Pemphigus pruriginosus der Fall.
Prurigo beginnt auch in der ßegel mit den Erschei-
nungen der Urticaria derart, dass durch mehrere Monate bei
einem Kinde nur Quaddeln auftauchen und erst im Verlaufe
des zweiten Lebensjahres die charakteristisch localisirten Pru-
rigoknötchen erscheinen.
Wir kennen weiters chronische und symptomatische Urti-
caria , als Ausdruck einer theils nachweisbaren Erkrankung
irgend eines inneren Organs, theils nicht näher definirbarer
allgemeiner Zustände, somatischer wie psyschiseher. So in
Folge von gewissen Functionsanomalien des weiblichen Sexual-
systems, Dysmenorrhoe, Amenorrhoe, chronischem Infarct,
Sterilität, chronischer Albuminurie (auch bei acuter Urti-
caria ist Albuminurie beobachtet worden, Leube) chi^onischem
G-astricismus , Reizung des Darmtractes durch Eingeweide-
würmer, Intestinalkatarrh, Leberanschoppung, Diabetes, oder
als Ausdruck eines allgemeinen Marasmus, namentlich des
Marasmus senilis, als Begleitung des Pruritus senilis, depri-
mirender, lang andauernder Gremüthsalfecte , Trauer über Ver-
lust theurer Familienmitglieder, Aenderung der materiellen
Verhältnisse u. s. f., und da die letzt angeführten Ursachen in
der Regel ihrer Natur nach lang andauern, so wird auch die
von ihnen veranlasste Urticaria in der Regel eine Urticaria
chronica sein.
Urticaria.
301
Sie sehen, meine Herren, zu welch' bedeutendem Leiden
diese anscheinend so harmlose AfFection unter Umständen sich
herausbilden kann, und Sie werden es dadurch gerechtfertigt
finden, daas ich, obgleich die örtliche Hautveränderung der
Urticaria jedesmal eine höchst unbedeutende, flüchtige ist,
dennoch der Urticaria als Erkrankungsform des Organismus
etwas grössere Aufmerksamkeit geschenkt habe. Denn Sie
sehen schon ein. wie schwierig im Allgemeinen die Frage zu
beantworten ist, ob die Urticaria eine günstige oder ungünstige
Prognose gestattet.
Ein in Folge von Wanzen oder des einmaligen Genusses
einer Selchwurst entstandener Nesselausschlag ist eine nicht
redenswerthe Affection ; sie geht ja in wenigen Tagen von selbst
vorüber. Eine Urticaria, welche mit Amenorrhoe zusammen-
hängt, oder mit einer gar nicht eruirbaren Ursache, oder nach
jedem Speise- und Getränkegenuss recidivirt, ist ein sehr schweres
Leiden, welches den Kranken und die Umgebung belästigt, den
BetrotFenen in seinem Berufe stört, an Körper und Gemüth
herunterbringt und bis zum Lebensüberdruss treiben kann.
Die Prognose wird demnach wesentlich abhängen von dem
jeweiligen ätiologischen Momente des Nesselausschlages , oder
was ein und dasselbe ist, von der speciellen Diagno s e.
Die Urticaria nämlich als solche zu diagnosticiren unter-
liegt ja keinerlei Schwierigkeit, eine Urticariaquaddel kann
ja mit nichts Anderem verwechselt werden. Die specielle Dia-
gnose bezieht sich darauf, dass man in dem jeweiligen Falle
die Art ihrer Veranlassung herausfinde , ob dieselbe durch ein
äusserliches Moment und durch welches, durch ein inneres vor-
übergehendes oder dauerndes , ein solches , welches beseitigt
werden kami oder unheilbar ist, bedingt ist.
Um nun in dieser Richtung sich zu Orientiren, muss'man
vor Allem zu entscheiden sich bemühen, ob ein Fall von acuter
oder chronischer Urticaria vorliegt. Man ist hierbei vorwie-
gend , aber nicht ganz , auf die Angaben des Kranken ange-
wiesen. Denn bei chronischer Dauer der Urticaria werden
neben frischen Excoriationen auch zahlreiche Pigmentstreifen
sich vorfinden. Ueberdies sind dieselben bei Pediculi vestimen-
toru.m besonders localisirt, am Nacken, der Schrdtergegend im.d
am Kjreuz ; bei anderen Ursachen unregelmässig über den
Körper zerstreut.
302
Siebzehnte Vorlesung.
Urticaria in Folge von Epizoen , Insectenstichen etc. int
in der Regel acut und vorübergehend. Nur bei Bettwanzen
kann durch die Andauer der Ursache auch die AfFection chro-
nisch sein. Hier ist die Erfahrung, dass die Schädlichkeit in
der Regel nur in der Nacht auf die Haut wirkt, zur Orienti-
rung zu benützen. Die Kinder wachen in der Regel mit Urti-
caria auf, verlieren sie aber im Laufe des Tages und zeigen
in der nächsten Nacht und Morgens wieder Urticaria.
Ebenso wird der einmalige Grenuss von gewissen Speisen
der aufgezählten Sorten auch eine vorübergehende Urticaria
veranlassen. Sind namentlich auch gastrische Erscheinungen
vorhanden, so wird man durch Aiifzählen der erwähnten Speise-
und G-etränkesorten dem Gredächtnisse des Kranken nachhelfen
und auf diese Weise von ihm die Bestätigung erhalten, dass
er ein oder zwei Tage vorher Erdbeeren, G-.efrorenes, Hummer
etc. gegessen habe, womit die specielle Diagnose Urticaria ab
ingestis und die günstige Prognose gesichert ist.
Schwieriger ist die Orientirung, sobald es feststeht, dass man
eine Urticaria chronica, Nesselsucht, vor sich hat. Man
muss dann per exclusionem vorgehen und der Reihe nach alle
jene früher geschilderten Verhältnisse zu eruiren oder auszu-
schliessen trachten, welche eben chronische Urticaria zu veran-
lassen vermögen, und darnach den betreffenden Krankheitsfall
specificiren, z. B. Urticaria chronica ex morbo Brightü oder ex
hysteria.
Nach den aufgezählten Verhältnissen richtet sich auch
das Vorgehen bei der Behandlung. Eine acute flüchtige
Urticaria bedarf ja keiner solchen , obgleich es auch da wün-
schenswerth sein wird, wenigstens der momentanen Jnckempfin-
dung entgegen zu wirken.
Im Allgemeinen wird man zunächst die Ursache der Urti-
caria zu eruiren und womöglich zu beseitigen sich bemühen.
Dies güt namentlich für die Urticaria in Folge von Bettwanzen,
zu deren Nachweis in ihren bekannten Schlupfwinkeln, Bilder-
rahmen, Fussdielen etc. man bei Urticaria der Kinder sich die
nothwendige Mühe nehmen muss. Bei Urticaria ab ingestis
wird vielleicht ein Abführmittel die Entfernung der betreffenden
schädHchen Substanz aus dem Darmtract befördern und den
Urticariaanfall abkürzen.
Bei Nesselausschlag in Folge von chronischem Magen-
Urticaria,
katarrh wird man durch eine sorgfältige, dem Individnniii ange-
passte Diätverordnung, Soda, Magnesia, Rheum, Amaricantia,
eventuell Brunnencaren, wie Marienbad, Karlsbad, Franzensbad,
bei Kindern durch Verabreichung leicht verdaulicher , guter
Milcli, Vermeidung fetter Substanzen u. s. w. die Quelle der
Urticaria beseitigen.
Ebenso werden die etwa eruirten Anomalien von Seite
des Grenitalsystems bei Weibern entsprechend behandelt werden
müssen, wenn die durch sie bedingte Urticaria ihr Ende er-
reichen soll.
In Bezug auf die durch Gemüthsaffecte bedingte Nessel-
sucht hat die Erfahrung gelehrt, dass sie nach plötzlichen
Schicksalsschlägen wie urplötzlich auftritt und nach verschieden
langem, oft Jahre langem Bestände entweder wie die Seelen-
zustände selbst allmälig erträglicher, so auch die Urticaria
selbst in ihrer Intensität abgeschwächt wird und endlich ver-
schwindet, oder dass die Urticaria bei plötzlicher Wendung in
den Gemüthsstimmungen , ja selbst der äusseren Lebensver-
hältnisse der Individuen auch urplötzlich verschwindet. Man
kann sich dies auch für die Therapie zu Nutze machen und
durch den jeweiligen Verhältnissen angemessene allgemein
diätetische Verordnungen, günstige psychische Einwirkung, Zer-
streuung und Umstimmung bei den Kranken hervorzurufen sich
bemühen.
Manchmal hört die Urticaria urplötzlich auf, wenn der
Kranke seinen Aufenthalt wechselt, z. B. auf Reisen geht.
Sobald er das Weichbild seiner Leidenstätte verlassen , kann
er Alles essen und trinken, in heisse Locale gehen, marschiren,
sich aufregen, die Urticaria bleibt weg, und kehrt er nach drei
bis vier Monaten zurück, bleibt er von seinem Uebel verschont.
Ein anderes Mal kehrt alsbald nach wenigen Wochen die Urti-
caria wieder.
Sie sehen, wie precär unsere ätiologische Therapie in der
Urticaria ist, indem wir nur in sehr wenigen Fällen die Ur-
sache der Krankheit zu beseitigen vermögen. Wir sind noch
übler daran mit der Bekämpfung des Nesselausschlages selbst ,
mit der symptomatischen Behandlung.
Ihre Aufgabe ist in diesem Falle, das durch die Quaddeln
bedingte Jucken möglichst zu mildern und die Schädlichkeiten,
welche den Auisbruch steigern oder erneuern könnten — ■ und
Siöbzelinte Vorlesung.
(las.lucken selbst ist ja eine solche Schädlichkeit möglichst
hintanziihalten.
Im Allgemeinen sind es solche Mittel, welche der Haut
Wärme entziehen, durch welche die Kranken einige Erleich-
terung erfahren, also Abwaschungen mit kaltem Wasser, gemengt
mit. aromatischen flüchtigen Substanzen, Acetum vini, Acetum
aromaticum, Spiritus vini gallicus, Mindereri, Aether sulfiiricus,
Abreiben mit Citronenscheiben u. s. f., kalte Einhüllungen,
Douchen (lauwarme Bäder entsprechen seltener) , Fluss- und
Seebäder.
Am besten ist es, dass der Kranke sich möglichst kühl
verhalte, im kühlen Zimmer schlafe und sich nur leicht zu-
decke. Die Bettwärme, der Aufenthalt in dicht bewohnten,
stark geheizten Räumen, Theater u. s. w. sind zu vermeiden.
Nicht nur, dass Wärme und Gaslicht bei dazu Disponirten
Urticaria producirt, wirkt auch die Angst vor einem solchen
Ausbruch als psychisches Erregungsmoment der Urticaria,
wenn die Betreffenden sich mitten in der Gesellschaft befinden,
z. B. einer Sitzreihe im Theater , wo sie dem Drange nach
Kratzen nicht folgen können und auch nicht, ohne Aufsehen zu
erregen, sich entfernen können.
Da die Urticariaausbrüche im Laufe des Tages nur zwei
bis dreimal , gewöhnlich ein paar Stunden nach dem Essen
und unmittelbar beim Schlafengehen, oder beim Entkleiden,
oder ein paar Stunden nach dem Einschlafen erscheinen , so
kann man jedes Mal beim Beginn des Ausbruches deii
Körper mit eiuer der genannten Flüssigkeiten benetzen, z. B.
Rp. Spir. vini gaUici 200, Aeth. petrol. 5, Glycerini 2,o.
S zum Einpinseln. Oder: ßp. Spir. lavand. 100, Spii'. vini gall
150,0, Aeth. sulf. 2,5, Aconitini 1,0. S. Zum Einpinseln. Auf
die benetzten Hautstellen wird Puder gestreut.
Gelingt es die ersten Quaddeln rasch ziu' Rückbildung
zu bringen, so wird das Kratzen verhütet und denmach auch
ein allgemein vehementerer Ausbruch.
Gegen einzelne Quaddebi von Insectenstichen , Mucken-,
Bienenstichen ist das Betupfen mit Ammonia pura liquida als
günstig wirkend befunden worden.
Medicamentöse Bäder mit Soda, Kilogramm, gut
aufgelöst ins Bad geschüttet, Alaun 500 Gramm, Sublimatbader
Urticaria.
5 ^0 Gramm pro Bad, werden in verzweifelten Fällen immer-
liin versucht werden müssen.
Im UeLrigen wird bei einer unter so mannigfachen Ver-
liältnissen auftretenden Krankheit der Umsieht und Erfahrving
des einzelnen Arztes es überlassen bleiben müssen, sowohl in
Bezug auf die allgemein diätetische, als auch psychische und
örtKche Behandlung nach dem speciellen Falle das Eichtige zu
treffen.
Die Behandhmg der mit den erwähnten anderweitigen
Hautkrankheiten, wie Pemphigus, Prurigo, Scabies etc., symp-
tomatisch vergesellschafteten Urticaria fällt mit derjenigen
.eben dieser Krankheiten zusammen.
K ap 0 .s 1 , Hautkrankheiten.
SO
AcMzelmte Yorlesung.
2. Phlyctänosen, Bläschenausschläge.
Herpes.
Es gibt kaum eine dermatologische Kranklieitsbezeiclinuug,
welche eine mannigfachere Verwendung gefunden hätte, als die
des Herpes.
Etymologisch bedeutet der Name etwas was kriecht, und
daher haben die alten Schriftsteller als Herpetes solche Haut-
ausschläge bezeichnet , welche von einer Stelle aus in schlei-
chender Weise sich ausbreiten , und damit vorwiegend chro-
nische HantaflPectionen benannt, u. z. theils oberflächliche, theils
üi die Tiefe der Gewebe dringende und diese zerstörende Pro-
cesse. Im ersteren Sinne hat sich das Wort leider noch heut-
zutage bei sehr vielen Aerzten erhalten , welche bei jeder
chronischen, im Allgemeinen „trockenen" Hautkrankheit ebenso
unterschiedslos, wie die Laien, von einer Elechte, einem Herpes,
einem herpetischen Ausschlag sprechen. Im zweiten Sinne
haben wir noch in dem Herpes esthyomenus , exedens, rodens,
devastans, ferus der Autoren für ein fressendes, kriechendes
Geschwür, also, nach unserem heutigen Begriff, für emen serpi-
ginösen Krebs oder Lupus Belege bei Alibert und manchen
Chirurgen der Vierziger -Jahre. ^
Nach unseren heutigen, möglichst festgestellten Begriften
ist es nicht gestattet, von einem „herpetischen Ausschlag" zu
sprechen, wie dies manchen Aerzten beliebt, welche eine eben
sich ihnen darbietende HautafFection nicht zu beurtheilen m
der Lage sind und mit einer solchen Bezeichnung etwas gesagt
zu haben glauben.
Herpes Zoster.
J307
Wh' verstehen seit Willah unter Herpes eine acut
und typisch verlaufende gutartige Hautkrankheit,
welche sich durch die Bildung von in Gruppen gestellten,
mit wasserheller Flüssigkeit gefüllten Bläschen
charakterisirt, gewisse, theils anatomisch beson-
ders vorgezeichnete, theils wenigstens topogra-
phisch markirte Regionen des Körpers occupirt
und jedes Mal in einem bestimmten, auf relativ
kurze Zeit bemessenen Cyklus abläuft.
Wenn Sie sich also den Typus eines Herpes vorstellen
wollen, so kann demselben nur folgendes Krankheitsbild ent-
sprechen.
An einer bestimmten Eegion der Haut entstehen, in acuter
Weise , eiii oder mehrere Gruppen von kleinen Epidermidal-
elevationen, Knötchen, welche sich rasch durch Ansammlung
von Serum zu Bläschen entwickeln; damit ist die Höhe des
Processes erreicht.
Den weiteren Verlauf kann man sich nach allgemein patho-
logischen Gesetzen a priori construiren.
Die Bläschen bestehen ein paar Stunden, oder ein bis
zwei Tage und trocknen durch Resorption des Serums zu Borken
ein. Unter diesen erfolgt, in Folge Rückbildung der Entzün-
dung und Aufhören der Exsudation, normale Epidermisbildung,
die Borken fallen ab, die Bläschenstellen erscheinen überhäutet,
der Herpes ist zu Ende.
Nach den besonderen Typen, unter welchen der Herpes
sich zu präsentiren pflegt, unterscheidet man :
1. Herpes Zoster.
2. Herpes praeputialis s. progenitalis.
iJ. Herpes labialis s. faciaKs.
4. Herpes Iris et circinatus.
Ich will Sie gleich mit der ersten, unstreitig der kKnisch
und pathologisch interessantesten Form, welche vielleicht aucli
für die folgenden zwei Arten den Schlüssel abgibt , mit dem
Herpes Zoster bekannt machen.
Herpes Zoster, Zoster, Gürtelausschlag.
Wir bezeichnen jene Krankheitsform als H e r p e s Z o s t e r.
welche nach dem Typus des Herpes, das ist mit acut
auftretenden Bläschengruppen an einer Körper-
20*
•jQjj; Aclitzelmte Vorlesung.
liälfte, liöclist selten an beiden, des Stammes, des
Kopfes oder der Extremitäten sich localisirt und
mit seiner Eruption die durch die Nerven vor-
gezeichnet'e anatomische Richtung einhält.
Da ich schon in der Definition der Krankheit als wesent-
lichen Cliarakter eine genaue Beziehung des N e r v en v e rl auf es
zur Haiiteruption hervorgehoben habe, so wird es Sie sicher-
licli interessiren , zunächst über diese neue Beziehung einige
Aufklärung zu erhalten.
Schon zu einer Zeit, als man die hier zu besjjrechende
Hautkrankheit noch nicht, wie heute, als Herpes zu bezeichnen
in der Lage war, sondern, wegen des mit der Eruption ver-
bundenen Gefühls von heftigem Brennen, sie als Ignis sacer
benannte, hat man in dem h a 1 b s e i ti g e n Auftreten desselben
das auffallendste Symptom gefunden, und schon Plinios sagt:
Ignis sacri plura sunt genera, quorum quod medium honiinem
ambiens Zoster appellatur, und de Haen sagt von demselben:
Haec tarnen perpetua lex, ut ab anteriore parte nunquam
lineam albam, nunquam a postica spinam transcenderet.
Diese Erscheinung hätte schon frühzeitig auf die Idee
führen müssen, dass das Cerebrospinalsystem, oder wenigstens
die Spinalnerven mit der Krankheit in inniger Beziehung
stehen. Doch hat erst 1818 Mehlis, später allerdings Rayee,
Homberg, Hebra, Häusinger auf eine solche Beziehung liinge-
wiesen. Aber erst Bärenspeung hat diesem Verhältniss einen
concreten Ausdruck gegeben, indem er aus dem Studiuui der
Verlaufsweise vieler Zosterfälle erst theoretisch, und dann,
nach einem Sectionsbefunde , auch objectiv demonstirte, dass
der Zoster immer in seiner Richtung einem Spmahierven ent-
sprechen müsse und dass eine Erkrankung des Intervertebral-
o-ano-lions die Ursache des Zoster sei, das ist jenes Ganglions,
durch welches die hintere sensitive Wurzel des Rückenmarkes
hindurchstreicht und von welchem sie einzelne Fasern aufnimmt,
bevor sie, durch die letzteren verstärkt, mit der vorderen, moto-
rischen Wurzel zu dem gemeinschaftlichen Stamm eines Spi-
nalnerven sich vereinigt. Da von den Hirnnerven nur der
Trio-eminus es ist, in dessen Bereich erfahrungsgemass Zoster
auftritt, derselbe aber auch, analog den Spinalnerven, ein
Ganglion besitzt, das Ganglion Gasseri , so hat er für den
Zoster im Bereiche des Gesichtes eine Erkrankung des Gang-
Zoster.
lion Gasseri verantwortlich gemaclit. Erklärt liat B. dies
speciell damit, dass von dem betreffenden G-anglio]i Fasern zu
dem Nervenstaram ziehen, welche im peripheren Verbreitungs-
bezii'ke die feinsten Blutgefässe der oberen Haut- und Papü-
larschichte versorgen, demnach auch bei ihrer Alteration Ent-
zündung und Exsudation daselbst veranlassen können, was
unter dem Bilde des Herpes erscheint.
So hat BJvRBNSPRUNG denn auch die Zosteres nach ihrer
Verlaufsweise, genau dem Verlaufe der Nerven entsprechend,
eingetheilt als :
1. Zoster facialis, a) labialis. 2. Z. occipito - collaris.
o. Z. cervico - subclavicularis. 4. Z. cervico-brachialis. a) bra-
chialis. 5. Z. dorso-pectoralis. 6. Z. dorso-abdominalis. 7. Z.
lumbo-inguinalis. 8. Z. lumbo-femoralis. 9. Z. sacro-ischiadicus.
a) genitalis.
Dieser interessante Eund von Bäkenspetjng, mit welchem
in einem Male das Wesen der Zostererkrankung enträthselt
zu sein schien, hat durch analoge Befunde von Rayee , Daot-
ELSSEN, Weidner, Charcot und Cotard, E. Wagner , 0. Wyss,
Sattler und mir Bestätigung gefunden. Speciell haben hier
Fig. 1!).
Längsschnitt durch das 'd. rechtseitige Leuden-Spinalgangüon bei einem Zoster-
lumbo-inguinalis, (Loupen-Vergrösserung).
aa Ganglion. Die schwarzen Punkte innerhalb desselben entsprechen den dunkel
]iigmentirten Ganglienzellen, die dunkeln Striche den strotzend erfüllten Blutgefässen .
abcde das Ganglion einhüllendes Kettgewebe, / Fettzellen, bei (/ and allenthalben,
wo dunkle Schattiruiig Hümorrliagie und strotzende Gefässe. bb ein- und austretendu
Nervenbündel im Längsschnitt, bei cc im tiuerachnitt.
•MO
Aclitzelinte Vorlesung.
Fig. 20.
Hämorrliagisclier Herd im Ganglion, (.starke Yergrösseniug).
n- .Invin abs-eblasste Gaiielienzellen in der Linie h. bbf mit BlutUörperclien erfüUte
oÄenÄln bd Eeilie erfüllt, d normale Ganglienzellen, a solche mit
^ Nervenanslaufer.
in Wien Sattlee und icli in je einem Falle von Zoster fron-
talis Hämorrliagien und Zerstörung im Ganglion Gasseri, luid
ich nocli ausserdem bei einem Zoster lumbo-inguinalis bedeu-
tende Erkrankung in den Spinalganglien der dem Zoster ent-
spreclienden Körperbälfte und Nerven nacbgewiesen.
Sie seben in der Abbildung (Fig. 19) den Durcliscbnitt
eines solchen Intervertebral-Ganglion. Darin die Gefässe von
Blut strotzend. In Fig. 20 ist ein hämorrhagischer Herd aus dem
Ganglion dargestellt, in welchem mehrere Ganglienzellen durch
den in ihre Kapsel erfolgten Bluterguss verändert, oder zer-
stört worden sind. In Fig. 21 sehen Sie innerhalb einer ein-
zelnen Ganglienzelle, deren Protoplasma und Kern noch gut
erhalten sind, rothe Blutkörperclien eingedrungen.
Trotz dieser positiven Befunde von Anderen und mir
liabe ich aus verschiedenen, tlieils klinischen, thells anatomi-
Zoster.
311
Fig. 21.
f Intrao-anelionäres Bhitgefäss mit Körperchenstase , 6 innerhalb der Ganglienzellen-
kapsei rothe Blutkörperchen, Zellenkörper und Kern a erhalten, c Bindegewebe,
e E.vsudatzellen.
seilen iTiicl physiologischen Gründen mich an einer anderen
Stelle dahin ausgesprochen , dass die Erkrankung der Spinal-
ganglien gewiss nicht für alle Fälle die Ursache des Zoster
abgibt. Sie müssen vielmehr der Ueberzeugung sein, dass ein
Zoster auch entstehen kann in Folge von Erkrankung im Ner-
vencentruni selbst , z. B. im Rückenmark. Dafür spricht das
zeitweilig doppelseitige Auftreten von Zoster; oder durch Er-
krankung an irgend einer Stelle des peripheren Verlaufes des
Nerven, wofür der Umstand spricht, dass sehr häufig der
Zoster nicht im Bereiche des ganzen Nervenverlaufes, sondern
nur entsprechend dem periphersten Theile eines Nervenstammes
oder nur einem Zweige desselben auftritt.
Soviel geht aber aus den bisher bekannt gewordenen Ver-
hältnissen hervor, dass eine Erkrankung im Bereiche des Nerven,
an seinem Ursprünge oder im Spinalganglion, oder in seinem
Aveiteren Verlaufe die Ursache des Zoster ist, und dass der
anatomische Verlaixf des Zoster jedesmal den anatomischen
Verlauf jenes Nerven deckt, in dessen Bereich das ätiologische
Erkrankungsmoment liegt.
Sie werden darum auch jedesmal sich Mühe geben müssen,
beim Anblick des Zoster aus seiner Ausbreitungs weise den
betreffenden Nerven herauszulesen , wie dies Bärenspeüng in
der oben angeführten Eintheilung der Zosters zum Ausdruck
gebracht hat.
Weil aber aus Gründen , die Sie der Praxis entnehmen
werden, nicht jedesmal diese anatomischen Verhältnisse am
3] 2 Achtzehnte Vorlesung.
Lebenden zu eruiren sind, so dürfte es genügen, nacli dem
Beispiele von Hebra, mehr die gröberen, topograpliiscli-anato-
niischen Verhältnisse, nach welchen am häufigsten Zoster auf-
zutreten pflegt, zu berücksichtigen und demnach als Typen des
Zoster anzunehmen :
1. Zoster capillitii. 2. Z. faciei. ;-3. Z. nuchae et colli.
4. Z. brachialis. 5. Z. pectoralis. 6. Z. abdominalis. 7. Z.
femoralis.
Ich gehe nun zur
Symptomatologie des Zoster
über.
Dem Ausbruche des Zoster gehen bisweilen mehrere Tage,
manchmal selbst drei bis sechs Wochen, neuralgische Schmerzen
voran, die entweder in dem ganzen Bereich des späteren Er-
krankungsherdes sich kundgeben, oder vorzüglich auf einzelne,
genau fixirbare Punkte sich beschränken, welche letzteren in
der Regel Theilungs- oder Anstrittstellen von Nerven oder
Nervenästen entsprechen.
So befindet sich bei Zoster pectoralis ein schmerzhafter
Punkt in der Nähe der Wirbelsäule, da wo die hinteren Aeste
der Spinalnerven hervortreten, ein anderer Punkt in der Axil-
larlinie, an der stärksten Vorwölbung der Rippen, da wo der
vordere Zweig des Spinalnerven in einen oberflächlichen und
tiefen Zweig sich theilt und der erstere, die Muskelschichte durch-
bohrend, zur Haut tritt. Seltener ist ein dritter schmerzhafter
Punkt an der vorderen Medianlinie, also an dem periphersten
Verbreitungspunkte des Nerven, gelegen. Die Neuralgien sind
zuweilen sehr heftig, behindern beim Sitze an dem Thorax das
Athmen und können eine Pleuritis vortäuschen. In vielen Fällen
mangeln diese Prodromalneuralgien vollständig.
Der Ausbruch des Zoster erfolgt, ob mit oder ohne der-
artige Vorläufer, höchst acut. Unter dem Gefühl von Brennen
schiessen an einzelnen SteUen der Haut, auf vorher gerötheter
Basis, einzelne Gruppen von hirsekorngrossen ixnd etwas grös-
seren, lebhaft rothen Knötchen auf, welche binnen wenigen
Stiuiden, ein bis zwei Tagen, sich zu Bläschen von Stecknadel-
kopf- bis Schrotkorn- und Erbsengrösse entwickeln. Die Empfin-
dung des Brennens ist ziemlich heftig. Die Eruptionsdauer
kann sich auf vier bis acht Tage ausdehnen, indem nämlich
Zoster.
niclit alle Gruppen scliou am ersten Tage auftanclien. — Die
Efflorescenzen der einzelnen Gruppen aber sind coaevi, erreiclien
deninacli gleichzeitig die Höhe ihrer Entwicklung und es kann
eine Gruppe schon vollständig entwickelt sein , während eine
andere eben erst auftaucht. Die Bläsclien der einzelnen Gruppen
stehen entweder ganz isolirt von einander , oder sind , wenn
grösser geworden, dicht an einander gedrängt, ja sie können
zu einer grossen, an der Oberfläche höckrigen Blase confluiren.
Der Inhalt der Bläschen erhält sich durch drei bis vier
Tage ziemlich hell, wasserklar, sodann trübt er sich, wird
eitrig und trocknet mit den Bläschendecken zu gelbbraunen
Borken ein. Darüber vergeht für jede wohl entwickelte Gruppe
ein Zeitraum von acht bis zehn Tagen, und da innerhalb der
ersten Woche häufig noch Nachschübe kommen, so kann auf
diese Art der Gesammtverlauf auf vierzehn Tage bis vier
Wochen durchschnittlich sich erstrecken. Nach Abfallen der
Borken bleibt eine vollständig mit Epidermis bedeckte , für
einige Zeit etwas braun pigmentirte Haut zurück.
Die Menge der Bläschengruppen ist ausserordentlich
variabel. In den mässigsten Fällen findet sich blos eine ein-
zige Gruppe, entweder am Austritt, oder an dem peripheren
Ende des betreffenden Nerven, oder in dessen Verlauf. In
mässigen Eällen sind mehrere Gruppen, sechs bis acht, in ziem-
lich gleichmässiger Vertheilung im betrefi'enden Nervengebiete
zu finden. In sehr intensiven Erkrankungsfällen sind nicht
nur die Bläschen der einzelnen Gruppen sehr dicht gedrängt,
sondern auch die letzteren selber hart aneinander gerathen, so
dass das ganze Territorium fast gleichmässig mit grossen Bläs-
chen besetzt erscheint, und nur an der peripheren Umrandung
erkennt man aus der Configuration die Zusammensetzung aus
einzelnen Gruppen.
Selbstverständlich werden in einem so gearteten Falle
auch die Sclnnerzen viel intensiver sein , die begleitenden
Fi eb e r er s cheinung en , sowie die ganze Ablaufsdauer
viel länger sich bemessen.
Von dem hier geschilderten, an und für sich schon zwischen
ziemlich bedeutenden Extremen sich bewegenden Typus des
Zoster , der jedoch immerhin als normaler bezeichnet werden
muss, gibt es Abweichungen in auf- und absteigender Linie,
durcli welche der Zoster sich als abnorm charakterisirt.
Achtzehnte Vorlesung.
Wenn mit dem Ausbruche der Zostereruption die Pro-
dromalneuralgie nicht nachlässt, sondern imGegentheil sehr vehe-
ment fortbesteht oder, was ebenso geschehen kann, selbst nacli
Ablaiif des Zoster die Neuralgie persistirt, ist der Krankheits-
fall jedenfalls ein ungewöhnlicher. Es kann weiters der Zoster
abortiv verlaufen, indem alle Gruppen nur in Knötchen bestehen
und letztere gar nirgends zu Bläschen sich entwickeln, sondern
alsbald wieder unter Abblättern und Abschuppen sich verlieren.
Einzelne unvollkommen entwickelte Gruppen finden sich bei-
nahe bei jedem Zoster, manchmal als ziemliche Spätlinge.
Eine sehr bemerkenswerthe Abnormität im Zosterverlauf
wird durch den Eintritt von Hämorrhagien in den Bläschen-
inhalt und die Papillarscliichte gegeben. Bei jedem inten-
siven Zoster werden einzelne Efflorescenzen ,' oder alle Efflo-
rescenzen einzelner Gruppen, statt wasserhellen Inhalts ein
blaurothes Contentum, also Hämorrhagien zeigen. Allein solche
Efflorescenzen können noch immer sammt dem hämorrhagischen
Inhalt ganz gut abtrocknen. Bei dem sogenannten Zoster
haemorrhagicus erscheinen dagegen die meisten Efflores-
cenzen hämorrhagisch. Alsdann ist die Schmerzhaftigkeit ausser-
ordentlich heftig, die betreffenden Efflorescenzen und Efflores-
cenzgruppen trocknen nicht einfach ein, sondern jede Decke
platzt, wird abgeschoben und es bleiben nun der Configuration
der Efflorescenzen und ihren Gruppen entsprechende, verschieden
tiefgreifende, mit einem durch Hämorrhagie zerwühlten Gewebs-
grunde versehene Substanzverluste zurück, welche ausserordent-
lich empfindlich sind und erst einen Eiterungsprocess durchzu-
machen haben, bevor das zertrümmerte Gewebe abgestossen
worden und es zur Ueberhäutung kommt. Selbstverständlich
heilen solche Stellen nur mittelst Narben, da ja em Theil des
bindegewebigen PapUlarkörpers mit zerstört worden, und kann
der Verlauf eines derartigen Zoster sechs Wochen bis drei
Monate dauern.
Abnorm auch kann sich der Zoster gestalten durch seine
Folgen, indem nach manchem Zoster für Monate oder selbst
das ganze Leben hindurch Neuralgien oder Lähniungserschei-
nungen oder Atrophie der Muskeln, Ausfallen der Haare oder
Zähne, Lähmungen im Bereiche des von Zoster befa len
gewesenen Territoriums zurückbleiben. So haben wir schon
wiederholt nach Zoster facialis solche Neuralgien beobachtet,
Zoster.
315
Neuralgien im Bereiclie des K. maxillaris, durch welclie die
Kranken sehr herunterkommen, weil sie bei jedem Versuche zu
kauen oder zu sprechen einen neuen Anfall von Tic douloureux
sich producirten und demnach von allen Versuchen zu essen
und trinken abstehen nuissten.
Von diesen, im Allgemeinen doch seltenen, aber immerhin
genügend oft beobachteten Abnormitäten abgesehen, kann man
den Zoster nur als eine gutartige Krankheit bezeichnen, welche
durchschnittlich mit vollständiger Heilung und ohne bleibende
Veränderung der Haxit verheüt ; wie gesagt bleiben Narben nur
nach Zoster haemorrhagicus zurück.
Merkwürdig ist auch , dass der Zoster in der Regel nur
einmal das Individuum befällt. Von zweimaliger Erkrankung
an Zoster sind ia der Literattir nur zwei Pälle angegeben, und
bei diesen waren nicht beide Erkrankungen von einem und
demselben Arzte beobachtet worden. Nur ich habe von einer
bis nun schon neunten Recidive des Zoster bei einer und der-
selben Kranken berichten können und bei derselben seither noch
einen zehnten und elften abortiven Ausbruch gesehen. Allein
in diesem Falle war der Zoster auch in allen anderen Rich-
tungen eine so merkwürdige Ausnahme, dass dieser eine Fall
die Regel nicht erschüttert, dass man vom Zoster nur einmal
im Leben befallen wird.
Was die typische Halbseitigkeit der Eruption anbelangt,
so kennt man seit Hebea's bezüglichen Mittheilungen schon
ziemlich viele Ausnahmen , namentlich haben ich und Andere
schon doppelseitigen Zoster facialis und cervico - brachiaKs
gesehen und ich selbst habe noch vor einem Jahre den ersten
Fall von doppelseitigem Zoster sacro-femoralis et ischiadicus
beobachtet.
Was das Vorkommen des Grürtelausschlages anbelangt,
so findet er sich sowohl bei jugendlichen, als bei dem reiferen
Alter angehörigen Personen, selbst bei G-reisen, im Allgemeinen
doch viel seltener bei Kindern.
Merkwürdigerweise zeigt sich die Gürtelkrankheit in
gewissen Jahreszeiten in grösserer Zahl, gewöhnlich zu der
Zeit, wo auch Lungenentzündungen und die früher geschilderten
Formen von Erythemen sich in häufigen Fällen präsentiren,
während in anderen Monaten manchmal gar keine oder mir
sporadische Erkrankungen vorkommen.
Aclitzelinte Vorlesung.
Abgeselien von diesen mehr als begleitende Umstände zu
bezeichnenden Verhältnissen können wir über die eigentliche
Aetiologie des Zoster wohl zum Theil positivere Momente
anführen. Als solche sind die schon früher angegebenen, als
Hilmorrhagie und entzündliche Reizung constatirten Erkran-
kungen der Spinalganglien und des Ganglion Gfasseri anzu-
führen.
Als gelegentliche Ursachen können noch angeführt werden
Neoplasmen, Krebs, Tuberculose, Eiterherde und Periostitis,
entzündliche Exsudate und Entzündung überhaupt , Pleuritis,
durch welche den betreifenden Erkrankungsherden nachbar-
liche Nervenstämme gereizt und entzündlich aft'icirt werden.
Auch nach Vergiftung von Kohlenoxydgas hat man Zoster
beobachtet, sowie nach Einigen während des innerlichen Ge-
brauches von Arsenik. Allein für die meisten Fälle von
Zoster sind eben derartige Ursachen nicht zu eruiren und spe-
ciell ist eine solche Aetiologie nicht durchwegs vereinbar mit
der Erfahrung, dass eben der Gürtelausschlag nur einmal im
Leben auftritt, da ja derartige Verhältnisse bei einem und
demselben Menschen wiederholt sich ereignen können.
Endlich hat man noch im Gefolge von traumatischen Irri-
tationen der Nerven nach Schuss , Hieb, Schlag, einem Peit-
schenhieb z. B. im Bereiche des N. frontalis, Zostereruption im
Bereiche des betreffenden Nerven auftreten gesehen.
Ich schliesse aber jene difPusen ßöthungen („glossy skin"),
schmerzhafte Entzündungen, Bläschen und Blasenbildungen aus,
welche im Verbreitungsbezirke von verletzten, von Narben
oder Neoplasmen gezerrten Nerven in chronischer Weise aufzu-
treten pflegen (Mitchel, Morehouse und Keen, Schieferdecker,
u. m. A.) und auch oft unter dem Titel Zoster mitgetheilt
worden sind; ihnen mangelt der typische Verlauf des klinischen
Manclie, nicht unwesentliche Eigenthümlichkeiten bietet
der Zoster dar nach seiner besonderen
Localisation.
Nach dem, was wir über die bekannte Ursache des Zoster
vorgebracht haben, speciell über die innige Beziehung desselben
zu dem Kervenverlaufe, ist vorauszusetzen, dass an jeder Körper-
stelle Zoster auftreten kann, da eben die allgemeine Decke
Zoster.
allenthalben mit Nerven versehen ist. Für die Analyse eines
vorfindlichen Zoster in dem Sinne, dass man die Eruption in
jedem Falle auf das betreffende Nervengebiet anatomisch zu
reduciren vermöge, wäre es nothwendig, die peripheren Verbrei-
tungsgebiete jedes einzelnen Spinal- und sensiblen G-ehirnnerven
zu kennen.
Voigt hat in dieser Beziehung allerdings Ausgezeichnetes
zu Tage gefördert, indem er durch die mühsamste Präparation
so ziemlich die cutanen Nerven bis in ihre periphersten Endi-
e-una-en blossgelegt und so die Grrenzgebiete der einzelnen
Nerven bestimmt hat. Dabei hat es sich aber gezeigt, dass
sowohl in der Medianlinie des Körpers, als auch an anderen
Bezirken die einzelnen Hautnerven in das nachbarliche Grebiet
übergreifen und eigentlich strenge Grenzen oder vollständige
neutrale Zonen kaum existiren. Dazu kommt, dass auch nahe
ihrem Austritt aus dem Eückenmarke zunächst die Spinal-
nerven nach auf- und abwärts, sowie nach rechts und links,
durch anastomatische SchKngen verbunden sind, so dass die
Erkrankung des einen noch Reizung und Entzündung im Ver-
laufe des nachbarlichen oder entgegengesetzten Nerven zur
Folge haben kann; abgesehen davon, dass, wie bei doppelsei-
tio-em Zoster, sicherlich von einem im ßückenniarke selbst
befindlichen Krankheitsherde die Reizung nach beiden Seiten
ausstrahlen mag.
Wegen der vielfachen Anastomosen zwischen den Zweigen
des Trigeminus, Facialis und den oberen Halsnerven ist darum
auch der Zoster facialis in Bezug auf das betroffene Ner-
vengebiet der allervariabelste.
So tritt der Zoster facialis sehr häufig auf als Zoster
frontalis, entsprechend der Ausbreitung des Ramus frontalis
des ersten Astes. Es erscheinen mit einer scharfen Begren-
zung nach der Medianliaiie dichtgedrängte Bläschengruppen
über der einen Stirnhälfte , entsprechend der Ausbreitung
des N. supraorbitalis , welcher vom Foramen supraorbitale
austritt, am oberen Augenlid und bis zum Scheitel; ebenso bis
zum Augenwinkel sich ausbreitende Efflorescenzen, dem N. supra-
trochlearis entsprechend. Sehr oft ist dieser Zoster ein hämor-
rhagischer. In Folge der Mitbetheiligung des R. ethmoidalis
und infratroclilearis vom Nervus nasalis pflegt auch Schwellung
der Nasenschleimhallt, Eruption auf der betreffenden Hälfte
3][g Achtzehnte Vorlesung.
des Nasenrückens bis zur Nasenspitze vorhanden zu sein. Fer-
ners können bei weiterer Ausbreitung durch Betlieiligung des
Zygoniaticus und Lacrymalis die nachbarliclie Partie der Schläfe
der Sitz einer Erviption werden. In einer solchen Ausbreitung
stellt er eben den Zoster ophthalmicus dar.
Er gehört zu den schmerzhaftesten und wird unter Um-
ständen lebensgefährlich, ja kann zum Tode führen. Zunächst
wird durch Betheiligung des ßamus ciliaris und der Radix
longa ganglii ciliaris Injection der Ciliargefässe, ja Iritis auf-
treten können ; in Folge Affection des R. Iacr3nnalis entzündliche
Erscheinung der Conjunctiva, Greschwüre auf der Cornea, ja
Xerosis der Hornhaut. Die neuralgischen Schmerzen, Licht-
scheu sind in solchen Fällen ausserordentlich heftig. Endlich
kann es, wie in dem Falle von Wyss, zu Plilebitis \\m und
innerhalb des Bulbus, zu Panophthalmitis und durch Fort-
setzung der Phlebitis in die Schädelhöhle zu Pyämie , Menin-
gitis und zum Tode kommen.
Eine zweite Localisationsform des Zoster facialis ist die-
jenige, welche ihren Hauptsitz auf der Wange aufschlägt und
den Verästlungen des R. maxillaris superior entspricht mit
auslaufenden Gruppen gegen den Nasenflügel und am unteren
AugenUde, welche vom R. infraorbitalis, dem Endausläufer des
Oberkiefernerven, versorgt werden. Gleichzeitig können im
Bereiche der Wangen , Gaumen und Rachenschleimhaut der
betreffenden Seite theils diffase schmerzhafte Röthungen, theils
Efflorescenzgruppen von ephemerer Dauer auftreten durch Be-
theiligung der R. palatini und pharyngei. Nicht selten sind
bedeutende Schlingbeschwerden, heftige Zahnschmerzen die Folge
der Affection , ja es kann dauernd oder für längere Zeit Läh-
mung des betreffenden Gaumensegeltheiles zurückbleiben. Ebenso
sind nachträglich andauernde neuralgische Zahnschmerzen, Aus-
fallen der Zähne und Atrophie des Alveolfortsatzes als Folge
der Erkrankung im Bereiche des N. alveolaris posticus beob-
achtet worden.
In das Bereich des dritten Astes des fünften Paares, des
Maxillaris inferior, fällt ein Zoster, der liauptsächUch dem
Ramus inferior desselben entspricht, welcher vorwiegend sensi-
tive Fasern führt. So treten Bläschengruppen auf an der
vorderen Partie der Ohrmuschel und der angrenzenden Schlafe,
im äusseren Gehörgang bis zum Trommelfell (N. aunculans
Zoster.
319
anterior) ; ferners Eruptionen im Bereiche des Kinnwinkels dem
II. mentalis entsprechend , und Reizungszustände , bisweilen
Epithelialabsehürfungen, auf der betreifenden Seite der Znnge,
entsprechend dem N. lingualis.
Es können aber auch noch an der hinteren Fläche der
Ohrmuschel ein paar Gruppen auftreten, entsprechend dem N.
aiu'icularis posterior vom Facialis, sowie im Bereiche der Schläfe,
der Jochgegend, der Wangen, des Unterkiefers xmä der oberen
vorderen Halsgegend durch die Betheiligung der Rami tempo-
rales, zygamatici, buccales und der mit dem Mentalis zu einem
Plexus sich vereinigenden R. maxillares und subcutanei colli
snperiores.
Es kann die Ausdehnung des Gresichtszoster noch grösser
werden durch Einbeziehung jener Grebiete , welche von den
oberen Halsnerven versorgt werden, nämlich vom N. occipitalis
magnus , welcher am Nacken und an der Hinterfläche der Ohr-
muschel sich ausbreitet und vom dritten Halsnerven entspringt.
Häufig erscheinen in dem beschriebenen Gebiete des Ge-
sichtes nur ganz vereinzelte Zostergruppen. Ein anderes Mal
kann das ganze beschriebene Gebiet der Sitz des Zoster sein,
entweder mit einer beinahe confluirenden , dicht gedrängten
Gruppenbildung hämorrhagischer Efflorescenzen, oder mit disse-
minirten , normal entwickelten Bläschen, worunter auch viele
Gruppen mit abortiv sich rückbildenden Knötchen. Seltener
ist schon eine gleichzeitige Eruption am Hinterhaupt und
Nacken, also eine Betheiligung der Ansa cervicalis von den
ersten drei Halsnerven (Zoster occipito-collaris). Endlich am
seltensten, aber doch schon wiederholt gesehen, ein doppel-
seitiger Zoster facialis, wie ihn zu allererst Hebra be-
schrieben und in seinem Atlas abgebildet hat.
Beim Zoster occipito-collaris finden sich ausser den
Gruppen im Bereiche des Hinterhauptes, vom Occipitalis major
und minor noch entsprechend dem Auricularis magnus Gruppen
an der hinteren Fläche der Ohrmuschel, am Ohrläppchen, an
der hinteren Fläche des Gehörganges, endlich noch nach vorne
gegen die Medianlinie des Halses und unter dem Kinn hin-
streichend, Gruppen entsprechend dem R. subcutaneus colli aus
den oberen Cervicalnerven.
Beim Zoster cervico-subclavicularis beginnt die
Eru])tion am Nacken , an der Grenze des behaarten Kopfes,
g20 AclitKohnte Vorlesung.
steigt an der Seite des Halses nach abwärts nnd aussen zui-
Scliulter, xon da nach vorne über die Haut zwischen Clavicula
nnd Brustwarze nnd einen Theil des Halses oberhalb der
Clavicula. Die Verbreitung ents])richt dem des vierten Cervi-
calnerven. der N. subclaviculares und der aufsteigenden Nacken-
nerven.
Der Zoster cer vico-brachialis geht aus einer Er-
krankung im Bereiche des Plexus brachialis hervor, welcher
aus einer Vereinigung der vorderen Aeste der vier unteren Hais-
und des ersten und zweiten Brustnerven gebildet wird.
Es entstammen aus diesem Nervengeflechte Hantäste für
den Nacken nnd die Schulter, von dem zum Plexus gehörenden
ersten und zweiten Brustnerven gehen Hautäste zum hinteren
und inneren Theile des Oberarmes und einige Hautäste für den
vorderen TheU der Brust im Bereiche der ersten und zweiten
Rippe ab. Ein solcher Zoster erstreckt sich sowohl an der
Streck- als Beugeseite des Armes verschieden tief nach abwärts,
manchmal am Vorderarm bis zum kleinen Finger herab, nebst
Gruppen im Bereiche der ersten und zweiten Rippe bis zum
Sternum. Es kann aber durch gleichzeitige Betheilignng der
mit dem Plexus verbundenen mittleren Halsnerven eine Erup-
tion im Bereiche des Nackens bis zum Hinterhaupt und auch m
der Schultergegend stattfinden, letzteres entsprechend dem N.
cutaneus brachii superior.
Ich habe einmal einen dopp eltseitigen Zoster occi-
pito-collaro-brachialis mit bis an die Fingerspitzen und zur
Hohlhand sich fortsetzenden Bläschen gesehen.
Beim Zoster pectoralis kommt der Nerventypus der
Erkrankung am schönsten zur Ansicht.
Ein ieder Rückennerv theilt sich sofort nach dem Aus-
tritt in einen hinteren und vorderen Ast. Der hintere Ast
durchbohrt die Rückenmuskelschichten, zum Theil diese ver-
sorgend, und schickt Hautäste in die Nachbarschaft der
Medianlinie. Der vordere Zweig, als N. intercostahs nach
vorne laufend, theilt sich in einen Ramus externus und intea-nus^
Der erstere durchbohrt die Intercostalmuskeln versorgt d
Haut der seitlichen Rückengegend nnd läuft als Hautast nach
vorne bis zur Medianlinie in der Brustgegend, die Nerv, cmtan^
pectorales , am Unterleib die N. cutanei abdonuna es bildend.
^ Der Z. pectoralis präsentirt sich nun einmal als eine, von
Zoster.
321
der "Wirbelsäule bis zur vorderen Medianlinie des Stammes
fortlaufende üeilie von Bläschengruppen , die die Breite von
ein bis drei Intercostalräumen einnelimen können. Nicht selten
confluiren die GrrupiDen. Sie sind oft zum Theil , oder auch alle-
sammt hämorrhagisch, in welchem Falle derselbe ausserordent-
lich schmerzhaft ist und selbstverständlich mit Eiterung und
Narbenbildung, oft erst nach drei Monate langem Verlaufe heilt.
Ein anderes Mal findet sich nur eine sehr beschränkte Zahl von
Gruppen, z. B. eine in der Nähe der Wirbelsäule, eine seit-
liche, entsprechend dem Austritte des ß. externus und eine
am peripheren Ende, in der vorderen Medianlinie. Oder es
findet sich ttberhaiipt nur eine Gruppe. Die Endgruppen am
Rücken sowohl wie in der vorderen Medianlinie überschreiten
die mittlere Grenze in der ßegel um Etwas.
Der Z. pectoraKs ist sehr häufig von einer Prodromal-
neuralgie eingeleitet. Es sind Fälle bekannt, in welchen Jahre
lange Intercostalneuralgie dem Zoster vorangegangen sind. Mit
pleuritischer Reizung complicirt, oder von einer Pleuritis ange-
regt, oder von Caries oder Ejrebs der Wirbel, ist schon öfters
Zoster pectoralis beobachtet worden. Ebenso ist während des
Bestandes des Zoster Seitenstechen, Athembeklemmung gewöhn-
lich vorhanden, und endlich bleibt nach Zoster pectoralis auch
die Neuralgie öfters zurück.
lieber den Zoster do r s o- a b d o minalis und Z. lumb o-
inguinalis ist nicht viel mehr zu sagen, als sein Name selbst
bedeutet; nur ist zu bemerken, dass die hinteren Aeste der
Lumbalnerven zur Haut des Gesässes und an die äussere Seite
des Oberschenkels, bis zum Trochanter, Zweige abgeben und dem-
nach vom Kreuzbein nach dem Trochanter hin über den Glu-
taeis ebenfalls Gruppen von Zoster vorkommen, sowie am Möns
veneris, der Leistengegend und am Scrotum, entsprechend dem
Beo-inguinalis und scrotalis.
Der Z. lumbo-femoralis entspricht einer Erkrankung
des zweiten bis vierten Lendennerven und es erscheint die Erup-
tion über dem Lumbal- und Sacraltheil der Wirbelsäule, dem
Gesäss, der vorderen Fläche des Oberschenkels an seiner
äusseren und imieren Fläche bis zum Knie Lerab und der Wade
entlang, sowie am Scrotum und an der grossen Schamlippe, ent-
sprechend dem N. cataneus anterior externus femoris, dem Ge-
Kaposi, Hautkrankheiten. Ol
gpc, Achtzehnte Vorlesung.
nito-cruralis, dem sensitiven Ast des N. obtnratorius nnd dem
Cutanens medins mu\ saplienns vom Crnralis.
Der Z. sacro-ischiadicns nnd s acro-genitalis
bestellt ans Ernptionen im Bereiche des Gesässes des Kreuz-
beins, des Perineum, der hinteren Eläcbe des Hodensackes,
der Aftergegend, der Schamlippen und am Scheideneingang.
Die letzteren Localisatioiien , sowie eine Eruption auf dem
Rücken des Penis, entsprechen dem N. pudendus , Eruptionen
im Bereiche des Trochanter und des Tuber ischu dem N.
cutaneus posterior magnus, während der Iscliiadkus am Ober-
schenkel gar keine, und nur am Unterschenkel mittelst des Pero-
naeus für Fussrücken und Fnsssohle Hautäste abgibt und dem-
nach auch einem dort localisirten Zoster entspricht.
Bezüglich der AfPection im Bereiche des N. pudendus
kann ich die interessante Thatsache mittheüen, dass ich wieder-
holt auch am Penis nnd Scrotum einen genau m der ]\Iedian-
linie des Penis begrenzten Zoster gesehen habe. _
Die anatomischen Veränderungen bei Zoster beziehen
sich einestheils auf die bei demselben betheiHgten Nerven,
anderntheils auf die Bläscheheruption. Bezüglich der ersteren
habe ich bereits die Art der Ganglienerkrankung dargestellt
fna^ 309 Eig. 19-21). Ueber Veränderungen der Nerven selbst
liegt nichts Entscheidendes vor (BlBENSPEUKa, Weidner ti. A.).
Der Fund von Haight einer entzündlichen ZeUenmfiltration
vmi eine Nervenfaser der tieferen Hautschichten kann bei
ieder Hautentzündung gemacht werden und ist dem Zoster
'ebensowenig eigenthümlich, wie das Fehlen des Achsencylin-
ders in einer oder der anderen Nervenfaser.
Was die Veränderungen in der Haut anbelangt so sind
sie die schon für die Büdung entzündlicher Bläschen bekann en
wie ich für das Erythema vesiculosum geschildert habe. (Fig. 180
HAxanx hat sie noch besonders studirt. Es ist a"i,i^^^^
formen, also auch dem Zoster eigenthümlich dass ^1- B a chen
in den tieferen Schichten des Rete entstehen, so dass_ clre
ZeUen des letzteren zu einem Fachwerke auseinander gedrangt
erscheinen, dessen Räume ^on ¥i}^vingevn^nsdr. , ^e^^^^^
Exsudatzellen (Wanderzellen) erfüllt sind. ^J^^^^^^^^^^
Panillen sowie des Coriums ist ebenfalls von Exsudatzeiien
!Äser Infiltration betroffen, die Gefässe_ sind erwei^^%
die Maschenrämne des Bindegewebes geräumiger. Je mten
Zoster.
323
siver die örtKclie Entzündung , desto tiefer reicht anch die
Zelleninfiltration iind Exsudation längs der Gefässe, vind desto
o-rösser die Bläschen, desto mehr ist auch ihr Fachwerk ent-
wickelt. Bei hämorrhagischen Formen wird durch den Blut-
austritt in die Papillen und oberen Coriumschichten ein Theil
des Bindegewebes mechanisch zertrümmert und ein Substanz-
verlust gesetzt, der erst auf dem Wege der Eiterung und
Narbenbildung heilt. Bei den gewöhnlichen Bläschen wird nur
ein Theil des Rete abgehoben. Ueber den unversehrten und
zum Theil noch mit unversehrten Zellen besetzten Papillen
bildet sich normale Epidermis, durch welche die eintrocknende
Bläschenmasse, die Borke, abgehoben wird und die Heilung
erfolgt ohne Narbe.
Bezüglich der Diagnose verweise ich auf die geschil-
derten Symptome des Zoster , bei deren Berücksichtigimg selbst
ein abortiver oder rudimentärer Zoster noch leicht zu erkennen
ist. Ebenso finden sich in der geschilderten Symptomatologie
aUe Anhaltspunkte für die Prognose, die darnach im All-
gemeinen günstig ist.
Was die Behandlung des Zoster betrifft, so sind wir
weit entfernt davon einen seiner ganzen Natur nach so typisch
angelegten Krankheitsprocess irgendwie beeinflussen oder ab-
kürzen zu können; was wir zu leisten berufen oder befähigt
sind, beschränkt sich auf die Bekämpfung der vorhandenen
lästigen Symptome.
Am günstigsten und mit der geringsten Belästigung ver-
laiift der Zoster, wenn die Bläschendecken erhalten bleiben und
die Efflorescenzen eintrocknen. Aus dem Grunde ist davon
abzurathen, dass man allenfalls zur Bekämpfung der Empfin-
dimg von Brennen kalte oder warme Umschläge applicire, weil
durch die"selben die Epidermisdecke macerirt wird; die ihrer
Decke beraubten EruptionssteUen schmerzen alsdann ausser-
ordentlich, weil der Papillarkörper nackt, oder von einer
geringen Schichte Epithels bedeckt, zu Tage liegt. Am
besten ist es um diese Zeit der schmerzhaften Empfindung mit
Einstreuen von Amyliim, mit oder ohne etwas Opiumpulver zu
begegnen; dadurch wird sowohl das Eintrocknen beschleunigt,
als auch verhütet, dass die Leibwäsche die Bläschen reibt und
zerstört und an nässende Stellen anklebt. Wenn jedoch die
Bläschen durch übermässige Füllung, bei intensiverer Steige-
21*
324
Achtzelinte Vorlesung.
ruiig des Processes, xilatzen und auf diese Weise ausgedehnte
wunde Stellen blossgelegt werden , oder wenn , wie bei Zoster
luiemorrliagicus auf alle Fälle, ausgedehnte eiternde Wund-
fläclien sicli präsentiren, dann wird man am besten die Wunden
mit indifferenten Fetten und Salben bedecken, aber nicht Un-
guentum diachyli, welches ebenfalls selir heftig brennt, sondern
Unguentum simplex, Ceratum simplex, einer Salbe von Gera
flava und Oleum olivarum 1 : 3, welcher etwas Extractum Bella-
donnae oder Extractum Opii aquosum (0,5 auf 50,0 Unguent.)
zugefügt wird.
Heftige Neuralgien, sowohl des Prodromal- als Verlaufs-
stadiums, sowie intensive diffusse Schmerzen im Bereiche des
Erkrankungsherdes , und die häufig zu beobachtende Schlaflosig-
keit während der ganzen Eruptionszeit bekämpft man mit sub-
cutanen Morphiuminjectionen , innerlicher Verabreichimg von
Chloralhydrat , Opiaten oder örtlicher Application von Opiat-
pflastern, z. B. Emplastrum de Meliloto oder Cicutae supra
linteum extens. 25,0 insperge cum pulvere laudani 2,0.
Doch wird man von all dem oft genug in Stich gelassen,
und der Nachlass der Schmerzen, sowie der beruhigende Schlaf
stellen sich erst mit dem Beginne des Desiccationsstadiums em.
Eine schwer zu lösende Aufgabe für die Therapie bietet
die nach Zoster zuweilen zurückbleibende Neuralgie. Abge-
sehen von der gegen derartige Affectionen im Allgemeinen
üblichen endermatischen und subcutanen Anwendung von Nar-
coticis, kann man bei typischer Form der Neuralgie von Chinin
und, wie mir einmal gelungen, von der methodischen Anwen-
dung von Solutio Fowleri Erleichterung oder Heüuug erlangen.
Man begimit mit 6 Tropfen de die in 25,0 Aqua foeni-
culi oder aiiisi, auf dreimal des Tages zu gebrauchen, und steigt
jeden dritten Tag um je 2 Tropfen der Tinctur bis auf etwa
30—40 Tropfen de die. Bei merklicher Besserung, oder beim
Eintritt von Magendrücken, Diarrhoe geht man stufenweise
auf 15—12 Tropfen herab.
Neimzelinte Yoiiesmig.
Herpes Jabialis, Herpes progenitalis, Herpes Iris et circinatus. Miliaria
rubra , alba et crystallina. Pemphigus acutus.
Nacli der eingelienden Sdiildening des Herpes Zoster
kann icli micli bezüglicli der anderen Herpesformen und acuten
Plilyctänosen etwas kürzer fassen.
Herpes labialis.
Als Herpes labialis, oder nach Hebra besser H.
facialis, bezeichnet man die bekannte Erkrankiuigsform, bei
welcher im Bereiche der Lippe , der Nasenflügel , in der Um-
gebung des Mimdes, in acuter Weise, eine bis mehrere Bläschen-
gruppen auftauchen.
Hire Entwicklung und die erste Zeit ihres Bestandes ist
ebenfalls mit der Empfindung von Brennen verbimden. Die
Bläschen bestehen ein bis drei Tage , worauf sie eintrocknen
und die Borken abfallen. Bisweilen finden sich analoge Er-
krankungsherde im Bereiche der Wangenschleimhaut und des
weichen und harten Graumens , der Zunge. Das Epiithel wird
an einzelnen oder gruppirten Punkten grau getrübt , abge-
stossen, worauf die betrefi'enden Stellen roth und für einige Tage
empfindlich zurückbleiben. Schlingbeschwerden , Belästigung
beim Sprechen und Kauen sind begleitende Erscheinungen. Es
ist bekannt, dass dieser Herpes im Verlaufe von ephemeren
und überhaupt acuten fieberhaften Erkrankungen, Schnupfen,
Pneiimonie, Typhus, also bei vollständig geringfügigen, sowie
auch bei intensiven Erkrankungen aufzutreten pflegt. (Hydroa
febrilis). Dass das Erscheinen von Herpes labialis s. facialis
eine günstige Bedeutung für den Verlauf des Processes habe,
als dessen Begleiter er sich eingefunden , wird von keinem
g2ß Neunzehnte Vorlesung.
Unbefangenen geglaubt, da derselbe aucb während eines letal
endigenden Typlius erscheinen kann.
AA^ir sind überhaupt nicht in der Lage über die Ursache
dieses merkwürdigen Processes etwas aussagen zu können.
BAUENSPRUNG hat zwar die Meintuig geäussert, dass der Herpes
facialis einen gewissermassen auf die aUerperiphersten ^erven-
zweige des Trigeminus beschränkten Zoster darstelle, dessen
Ursache vielleicht in der Reizung eines peripher eingestreuten
Gano'lions z. B. des Ganglion incisivum, läge. Allem er
feÄ diese Meinung nicht bezüglich alW in der Eor.
von Herpes labialis auftretenden Eruptionen auirecht. Diesei
Tterscheidet sich auch vom Zoster noch dadurch, dass desseii
Gruppen meist zu beiden Seiten der Medianlinie unregelmassig
"nem einzelnen Nervenaste entsprechend, situirt sind, das
:^^iX^olt ein und dasselbe Individuum befaUen kann so
oft eben, als eine fieberhafte Erkrankung zu demselben Vei-
"lassin; .ibt. Gbkhabbt dagegen mehit, dass er vielleicht
^rEelring der in Knochencanälen vei4aufenden Trig_
Aest V ranlasst würde, welche von Seite der sie begleitenden
icf iin Fieberzustaiide stark gefüllten Blutgefässchen einen
Druck zu erfahren hätten.
Herpes praeputialis s. progenitalis.
Man bezeichnet so eiaie acute Eruption ™ »f^«'!™-
.ru Jen der männlichen oder weibUchen 6 e s oh 1 e c h t s t he xl .
Ändort ist die Vorhaut des .nännUchenGhedes, d.e Iv«. -
urche und das angrenzende »-^J^^^J^^.
liehen Individuen das Praepuüum chtonis, '^^^^^^^^^^^^
Uppen und allenfaUs noch die angrenzenden Theile der
^nnttÄÄ^^^^
an den genannten Oertlichkeiten ein tas mehrere G upp«
miliarer, bis stecknadelkopfgrosser oder «twa« /''^^f „
dxen aui geröthetem oder geschwelltem 0 -
dabei ziemlich bedeutend un^ erstreckt s sehr^^^
die Umgebung, so dass dre Vorh ^^^.^^^
t^rten, dicken Y^'^J^'^'l^j*' ~ ,3 „ieht selten nach Ber-
geschwoUen ersohemen. Dabei pnCoi
stun" des Epithels auch zu Aussickern von bei um zu
uml^zu hegieitender katarrhalisclier Seeretion von de, Hain
Herpes progenitalis.
327
rölu-enschleimhaut und der Vagina. Aucli im vordersten Theile
der männlichen Urethra kann ein analoger Entzündungsherd
sich bilden mit der Erscheinung von eitrig-serösem Ausfluss
und Brennen beim Urinlassen.
Nach zwei- bis dreitägigem Bestände trocknen die Bläs-
chen zu Börkchen ein, und nach abermals so vielen Tagen
sind diese Börkchen abgefaUen iind die EruptionssteUen ver-
heüt. Wie beim Zoster können auch beim Herpes progenitaHs
einzelne, oder aUe Bläschen hämorrhagischen Inhalt bekommen.
Alsdann wird nach Bersten der Bläschendecken, in Folge hämor-
rhao-ischer Zertrümmerung der obersten PapiUarschichte, Eite-
rung eintreten , welche zehn bis vierzehn Tage anhält und nach
Abslossung des zertrümmerten Gewebes zur Narbenbildiing führt.
Die Diagnose dieses Uebels ist im Allgemeinen ziem-
Hch leicht, da ''die Bläschengruppen, auch wenn die einzelnen
Efflorescenzen zu einem pfennig- bis kreuzergrossen Plaque con-
fluirt sind, an dem kerbigen Aussehen des Randes die Zusammen-
setzung aus einzelnen Bläschen, und somit ihren Charakter als
Herpes erkennen lassen. Nur wenn durch mechanische Ein-
flüsse, Kratzen, Ankleben der Leibwäsche oder bedeutende
Exsudatmenge und Hämorrhagie die Bläschendecken entfernt
worden sind und ein gelblich belegtes, oder hämorrhagisch
gefärbtes Gewebsstratum zu Tage liegt, oder auch im^ Stadium
der Krustenbildimg, wenn unter der Kruste etwas eitrig gewor-
denes Secret abgesperrt worden ist, wäre primo intuitu die
AfFection von einem beginnenden Schanker, oder überhatipt einer
specifischen PrimärafPection nicht leicht zu unterscheiden. Wenn
es namentlich constatirt ist, dass das Individuum innerhalb des
entsprechenden Zeitraumes, das ist ad maximum einer Woche,
durch einen Cöitus sich der Gelegenheit einer Ansteckung aus-
gesetzt hat, muss man sein Urtheü in Schwebe lassen. Denn
auch bei zweifelloser Anwesenheit eines Herpes könnte doch
noch gleichzeitig eine Ansteckung erfolgt sein, deren Wirkung
sich erst im weiteren A^erlaufe sub forma eines Schanker-
geschwüres, oder einer Induration, kundgeben würde. Von dieser
Möglichkeit nun abgesehen, verläuft der Herpes progenitalis
immer als acute Krankheit und gestattet demnach immer eine
günstige Prognose.
Eigenthümlich ist die häufige Wiederkehr des Herpes
progenitalis. Es gibt Individuen, namentlich männliche, welche
328
Neunzehnte Vorlesung.
im Laufe des Jahres mehreremals von einem solchen befallen
werden. Viele Kranke geben ganz bestimmt an, dass sie jedes-
mal nach einem Coitiis auf eine Herpeseruption gefasst sein
müssen. Es lässt sich schwer sagen, inwieferne diese Angabe
begründet ist. Es würde dies eiae mechanische Ursache der
Entstehung des Herpes voraussetzen. Uebrigens sind wir selber
auch nicht in der Lage eine Ursache überhaupt anzugeben.
Bärenspkung hat auch diesen Herpes als eine Art peripheren
Zoster genitalis angesehen. Es ist zu bemerken, dass entgegen
von Zoster, bei H. progenitalis die Bläschengriippen keineswegs
auf die eine Hälfte des Grliedes beschränkt, sondern ganz unregel-
mässig situirt sind, ebenso wie die häufige "Wiederkehr des
H. progenitalis im Gegensatze steht zur regelmässigen Einmalig-
keit des Zoster.
Was die Therapie anbelangt, so wird bei dem typischen,
acuten Verlauf selbstverständlich keine eingreifende Behand-
lung nothwendig sein. Man beschränkt sich durch Einstreuen
von Amylum, und namentlich durch Einlegen von in Amylum
eingetauchter Charpie, oder Baumwolle, zwischen Vorhaut und
Grlans und in die Labialfurchen die Empfindung des Brennens
zu mildern, der Maceration der Bläschen vorzubeugen und ihre
Eintrocknung zu begünstigen. Im Falle der Blosslegung der
Herpesstellen und ihrer Eiterung wird man indifferente Deck-
mittel, durch welche die Krustenbildung verhütet wird, Ceratum
simplex, Emplastrum domesticum, anwenden.
Herpes Iris et circinatus.
Unter den acuten Bläschenausschlägen wird gewöhnlich
auch Herpes Iris und circinatus als besondere Eruptions-
art angeführt. Man versteht unter dieser Bezeichnung eine acute
Bläscheneruption , welche die bekannte Grestalt von Iris , das
sind concentrischer Kreise, oder nur eines Kreises, d. i. circinatus,
darbietet.
Die Irisform entsteht derart, dass ein Bläschen auftaucht
und während dieses nach ein- bis zweitägigem Bestände eben
einzusinken beginnt, ringsum auf der peripher fortgeschrittenen
Eöthung der Haut ein neuer Bläschenkranz imd sofort auch
ein zweiter auftritt. Hat das centrale Bläschen sich voll-
ständig involvirt, so bleibt nur der äussere Bläschenkranz
Herpes Iris et circinatus.
329
zurück, welclier eine geröthete oder bereits pigmentirte Haut-
steile einschliesst , und man liat dann den Herpes circinatus-
Die Bläschen des Herpes Iris und circinatus sind Steck-
nadelkopf- bis erbsengross, wobei gewöhnlich derselben Gruppe
angehörige Bläschen von gleicher Grrösse zu sein pflegen. Zu-
weilen confluiren die centralen mit den peripheren zu einem
continuirlichen Blasenringe, welcher nur durch sein gekerbtes
Ansehen die Entstehung aus einzelnen Bläschen erkennen lässt.
Die Bläschen fühlen sich in der ßegel sehr derb an, weil sie
durch seröse Exsudation in die Papillarschichte und Anfquel-
lung der tiefen Schichte des Rete gebildet sind. Darum platzen
sie auch sehr selten und ist daher auch fast niemals Nässen
oder Krustenbildtmg bei denselben zu beobachten. Sie invol-
viren sich im Gregentheile in der Regel nach acht- bis zehn-
tägigem Bestände durch Resorption ilires Inhaltes und hinter-
lassen etwas Pigmentirung, nur selten auch Schuppung.
Wenn ich Ihnen über die Bedeutung des Herpes Iris et
circinatus etwas Bestimmtes sagen soll, linde ich mich in sehr
grosser Verlegenheit. Sie werden sich erinnern , dass wir
eigentlich von demselben schon gesprochen haben , und zwar
bei Gelegenheit des Erythema Iris und circinatum. In der
That haben wir auch alle Veranlassung, diese beiden Processe
mit einander zu indentificiren (Hebea, Köbner). Zunächst
erscheint derselbe in der schon früher (pag. 279) geschilderten
Combination mit Erythema Iris und circinatum , aber auch in
der reinen Herpesform in derselben typischen Localisation am
Hand- und Eussrücken, mit dem gleichen typischen Verlauf
binnen zwei bis drei, Wochen, dem Typus annuus , kurz ganz
mit dem Charakter des Erythema multiforme.
Es hat eine Zeit gegeben, wo man den Herpes circinatus
als Formation einer Pilzkrankheit , unseres heutigen Herpes
tonsurans, angesehen hat. Das war vor Allem bei Batemann
der Eall, welcher denselben als Porrigo scutulata angeführt
und abgebildet hat, und ebenso später noch bei den Franzosen,
namentlich Cazenave. Ich habe erst in der jüngsten Zeit bei
einem sechszehnjährigen Schneiderlehrling und bei einem zwölf-
jährigen Mädchen auf dem Rückeü der linken Hand zwischen
Daumen und Zeigefinger und dann wieder am Vorderarme eines
Kindes einen thalergrosseu Doppelkreis von sehr derben, zwei
Linien hohen, zu einem gekerbten Ring confluirenden Bläschen
rjQQ Neunzehnte Vorlesung.
gesehen, während noch sonst auf dem Handrücken zerstreut
mehrere miliare isolirte Bläschen zu sehen waren. Bei der
mikroskopischen Untersuchung fand sich ein reichliches Geflecht
von Pilzfäden innerhalb der ßetezellen, so dass in allen diesen
Fällen an der Pilznatiu' der AfPection, die unter dem Bilde
des Herpes circinatus vorlag, nicht zu zweifeln war.
Sie sehen, meine Herren, wie schwer die Entscheidung in
dieser Frage ist, da man zur Schöpfung des Urtheüs erst emer
genauen mikroskopischen Untersuchung bedarf. Ich mochte
Ihnen rathen , die Sache so zu nehmen. Wenn beim Herpes
Iris und circinatus der Typus des Erythema exsudatnnim sich
manifestirt, dass nämlich beide Hand- und Pussrücken den
Ausgangspunkt, die erste und hauptsächlichste Localisation,
für den Herpes abgeben, dann wollen wir ihn eben mit dem
Erythem identificiren. Wenn derselbe dagegen an irgend emer
anderen KörpersteUe, z. B. im Gesichte, auf der Wange oder
'asymmetrisch, nur auf einer Hand sich darbietet, dann dürfte
1 die Vermuthung, dass man es mit einem Herpes tonsurans, das
ist einer ansteckenden und durch einen Pilz bedingten Ivrank-
1 heit, zu thun habe, gerechtfertigt sein und durch die mikro-
' skop'ische Untersuchung sich beweisen lassen.
■ Wenn wir hiemit schon in eine Art Dif f er entialdia-
n 0 s e gerathen sind, muss ich noch eiues Umstandes gedenken,
dass nämlich auch eine chronische, sehr gefährHche dui'ch
Blasenbildung charakterisirte Hautkrankheit, Pemphigus,
und zwar die gefährlichste Form desselben, der Pemphigus
foliaceus, mit der Bildung cir ciliarer und irisförmiger Blasen
zu debutiren pflegt. In .diesem FaUe ist aUerdings ^e Dia-
gnose pro momeiito gar nicht zu machen. Erst im Verlaufe
von sechs bis acht Wochen wird der Charakter der Krankheit
klar werden, indem der Herpes Iris et circinatus m der Eegel,
nach einer Eruptionszeit von zwei Wochen, binnen abermals so
langer Zeit sich voUständig involvirt und nur selten m^u-ere
Wochen persistii^t, während bei Pemphigus nach vielen Wochen
noch neue Blasen erscheinen und der Process sich als chronisch
™'es versteht sich von- selbst, dass die Behandlung
eines Herpes Iris und circinatus, in Anbetracht seines acuten
und typischen Verlaufes eine indifferente sem wird und nui
bei heftio-en und entzündlichen Erscheimmgen , im Falle gros-
Miliaria.
331
serer Blasenbildung ; oder wenn, wie bei Erythem, auch Gelenks-
affectionen sich dazugesellen, man von kalten Umsclüägen u. s. w.
Gebrauch machen wird.
Miliaria, Friesel.
Unter die acuten Bläschenausschläge gehört auch die
Miliaria, der sogenannte Frieselausschlag, welcher in
der Pathologie der früheren Zeit eüae grosse EoUe gespielt hat,
indem man sogar von J^üliaria-Epidemien zu wiederholten Malen
berichtet hat (ital. Migliaria).
Man führt dreierlei Arten von Miliaria an: 1. M. rubra,
2. M. alba, 3. M. crystallina.
Als MiUaria rubra bezeichnet man eine in acuter \\ eise,
und in der Regel unter profusen Schweissen über den Stamm
und die Extremitäten auftretende , dicht gedrängte Eruption von
hirsekorngrossen, rothen, an ihrer Spitze etwas klare Flüssig-
keit bergenden, also kleine Bläschen mit rother Basis darstel-
lenden Efflorescenzen. Wenn die Epidermisdecke derselben mace-
rirt, aufgelockert und der Inhalt trübe wird, so erscheinen die
Bläschen opalescirend und man hat dann die zweite Art, Mi-
liaria alba. • T\fl-
Hebra hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese Mi-
liariaform die Bedeutung eines durch Schweiss bedingten Ex-
anthems hat, und demnach eigentlich den Namen Eczema Sudamen
oder Sud am ina verdient (prickly heat engl, Calori der Ita-
liener). Häight hat einen belehrenden mikroskopischen Dui'ch-
schnitt eines MUiariabläschens abgebildet. Es zeigt sich da
die Hornschichte allein über einer Schweissdrüsenmündung als
Bläschendecke abgehoben. Man begegnet dem Ausschlag sehr
häufig in den heissen Sommertagen , bei Personen, welche in
starken Schweiss gerathen waren. Man kann sich überzeugen,
dass man es nur mit einem leichten Grade von durch Schweiss
bedingtem Eczem zu thun hat , weil bei Andauer der maceri-
renden und irritirenden Schweisse, des Kratzens in Eolge des
Juckens, der Ausschlag wirklich zu nässendem Eczem sich
steigert. Wenn dagegen die genannten Reize ferne gehalten
werden, involviren sich dieselben unter Abschiebung der Bläschen-
. decken, das ist geringer Schuppung.
Dem entsprechend kann man auch die MiKaria rubra und
alba in Begleitung fieberhafter Krankheiten sehr häufig beob-
332
Neunzehnte Vorlesung.
achten. Ihrer Entwickliing geht selir oft eine Empfindung von
Stechen, wie mit Nadelstichen, in der Haut voran. Nach erfolgter
Eruption dagegen ist es das Jucken , vs^elches die Kranken
belästigt.
Man hat aber mit Rücksicht auf diese Erscheinungen und
den erwähnten anatomischen Befund von Haight alle Ur-
sache, die Bläschen nicht durch den irritirenden Einfluss des
schon auf die Hautoberfläche ausgetretenen Schweisses zu
betrachten, sondern als Effect der Ansammlung des Schweisses
zwischen den die Schweissdrüsenmündung ausfüllenden Epider-
mislagen.
Dagegen gebührt der Miliaria crystallina unzweifel-
haft die Bedeutung eines eigenthünilichen Hautexanthems, sowohl
nach seinem klinischen Charakter, als nach seinem ätiologischen
Momente. Die Bläschen der M. crystallina stellen grieskorn-
grosse, wasserklare, blasse, thautr opf enähnliche, oft mit
dem Finger deutlicher als mit dem Gresichte wahrnehmbare Efflo-
rescenzen dar , welche sowohl am Stamm , namentlich auf der
Brust , am Unterleib , an der seitlichen Thoraxgegend , aber
ebenso gut an den Beugeflächen der Extremitäten, am Halse,
in grosser Menge sich vorfinden.
Sie bestehen mehrere Tage, bis eine und mehrere "Wochen,
je nach den Verhältnissen, unter welchen sie aufgetreten sind.
Ihr Lahalt reagirt schwach alkalisch, nie sauer. Sie persistiren
während der angegebenen verschieden langen Zeit, ohne jemals
im Einzelnen sich zu vergrössern — hie und da kommen auch
linsen- bis bohnengrosse Blasen darunter gemengt vor, aber
auch diese haben eine ausserordentlich dünne Epidermisdecke
— ihr Inhalt wird nie trübe, eiterälinlich, sondern sie bestehen
fort als solche thaup erlenähnliche Efflorescenzen, ja es ist das
einzige exsudative Exanthem, welches selbst noch an der Leiche
kenntlich sich erhält.
Sie verschwinden in der Hegel in der Art, dass ihre
Bläschendecken spontan oder unter dem Einflüsse von Schweiss
weggeschwemmt werden, so dass es zu einer eigentlichen Schup-
pung gar nicht kommt. Dadurch, dass ein Theil derselben auf
diese Weise zu Grunde geht, während sie überhäutete Stellen
zurücklassen und wieder neue Eruptionen auftauchen, kann der
ganze Process durch mehrere Wochen sich erhalten. Der ersten
Eruption wie den einzelnen Nachschüben pflegen Schüttelfröste
Pempliigus acutus.
333
voranzugehen. Hebea liat in nachdrückliclier "Weise darauf
aufmerksam gemacht, dass man allen Grrund hat, die M. cry-
stallina als den Ausdruck eines metastatischen Processes anzu-
sehen, bedingt durch solche Vorgänge in inneren Organen,
welche eben Metastasen auf die allgemeine Decke zu veran-
lassen geeignet sind, wie Endometritis, Metrophlebitis , der
Puerperalprocess in toto, Endocarditis, Typhus, Gelenksrheu-
matismus, acute Exantheme, wie Scarlatina (Miliaria exanthema-
tica), weil im Verlaufe aller dieser Processe, und zwar gewöhn-
lich in deren späterem Verlaufe, die Miliaria aufzutreten pflegt,
demnach man auch von einer Miliaria typhosa, puerperaUs s.
uterma, pectoralis s. cardiaca lesen kann.
Die Diagnose der M. crystallina ist nicht schwer, da
keinem Exantheme diese thautropfenähnliche Beschaffenheit
der Efflorescenzen zukommt. Da dasselbe weder durch J ucken,
noch - durch intensivere Veränderungen der Haut belästigt,
bietet es auch gar keine Veranlassung für die Erörterung
einer Prognose oder Therapie; sein Bestand hängt von
der es veranlassenden fieberhaften Krankheit, ab und es handelt
sich in dem betreffenden Ealle nur um die Prognose jener Krank-
heit, nicht um die der Miliaria.
Pemphigus acutus s. febrilis, Blasenfieber.
An die acuten Blasenausschläge muss ich noch den soge-
naimten Pemphigus acutus anschliessen.
Man versteht darunter eine Krankheit, bei welcher in
acuter Weise und mit einem acuten, auf einige Wochen
beschränkten Verlaufe, mit oder ohne Fiebererscheinungen,
Blasen, das ist erbsen- bis bohnengrosse und grössere, mit
wasserheller Flüssigkeit gefüllte Efflorescenzen, in unregel-
mässiger Weise, zerstreut im Gresichte, am Stamme, an
den Extremitäten auftreten , welche Blasen nach Bestand von
wenigen Stunden oder Tagen eintrocknen und nach Abfallen
der Borken rothe , später pigmentirte Flecke zurücklassen.
Der Verlauf der Krankheit ist ein acuter, indem inner-
halb der ersten acht bis vierzehn Tage in unregelmässigen
Nachschüben Blasen auftauchen, hierauf die Eruptionen spär-
licher werden, die alten Blasen abheilen und endlich der ganze
Process erlischt, um nicht mehr zu recidiviren.
gg^ Neunzehnte Vorlesung.
Der Pempliigus acutus ist auch in kleineren oder grösseren
Endemien bei Kindern beobaclitet worden.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass für viele Fälle Hebra's
Einwand ricbtig ist, wonacb solcbe acute Blasenprorui^tionen,
wie sie bei Variola modificata und Varicella bullosa, Erythema
bullosum, Herpes Iris iind circinatus, selbst bei Eczem, bei Ur-
ticaria bullosa vorkommen , endlicli eine eigentbiimliche Form
von Impetigo des Gesiebtes , welche wir beim Eczem kennen
lernen werden, dass diese Blasenproruptionen, welche ebenfalls
einen acuten Verlauf haben, von einzelnen Aerzten als Pem-
phigus acutus diagnosticirt worden sein mögen; oder dass man
gar die einzelnen acut ablaufenden Eruptionsperioden des
Pemphigus chronicus für einen Pemphigus acutus hielt.
Inzwischen haben in den letzten Jahren von so vielen
Seiten, namentlich von Kinderärzten, Mittheilungen stattgefunden,
wie von Thomas, Moldenhauee u. v. A., denen zufolge in
kurzer Zeit, bei einer grossen Zahl von Kindern einer Ort-
schaft, ein mit einem Stadium prodromorum, eruptioms und
decrementi verlaufender Blasenausschlag beobachtet wurde, der
aber unter allen Fällen günstig abgelaufen ist.
Obgleich nun selbst es niemals an gegentheüigen Stimmen
gefehlt hat, von denen einzelne, den betreffenden Blasenaus-
sclilao- als VariceUa diagnosticirten , was auch damit harmo-
niren würde , dass manche Aerzte diese Endemien von einem
Contagium herleiteten und die Krankheit als Pemphigus co n-
tagiosus infantum bezeichneten; andere dagegen, wie Bohn,
die Epidemie auf den Einfluss von zu heissen Bädern zurück-
führten, welche em und dieselbe Hebamme bei den ihrer Wartung
empfohlenen lündern anwendete; noch andere deshalb, weil
nur von derselben Hebamme gepflegte Kinder erkrankten den
Process durch Ansteckung von Seite dieser Personen entstehen
Hessen - kurzum die verschiedenartigsten und entgegengesetzte-
sten Ansichten über die Krankheit laut geworden sind: so kann
. ich doch über die mitgetheüten Thatsachen des Vorkommens eines
Blasenausschlages von acutem Verlaufe zumeist bei_ Kindern,
manchmal auch bei Erwachsenen (Köb^ee's FaU) mchts aus-
sagen da ich selbst eine solche epidemische P ä d o p h 1 y c 1 1 s oder
Febris pemphigosa s. bullosa, s. anipuUosa, epidemica
contagiosa, infantum etc. noch nicht zu sehen Gelegenheit
gehabt habe.
fl
Zwanzigste Vorlesung.
3. Dermatitides. Eigentliche Hautentziin-
clungen.
Identität der anatomischen Veränderung. Klinische Verschiedenheit durcA
Grac und Ursache der Entzündung bedingt. Idiopathische und symp o-
mal^sehe Dermatitis. D. traumatica, a venenatis et dynamxca. Calor.sche
Form: Verbrennxtng vind Erfrierung.
Die in die Gruppe der eigentliclien Haut entzün dün-
gen— Dermatitides — reihenden AfPectionen cliarak-
terisiren sich neben acutem Verlaufe durcli prägnanten Aus-
druck aUer der Entzündung angehörigen Erscheinungen , wie
sie im AUgemeinen (auf pag. 173) gescMldert worden sind, als:
ßöthung, SchweUung, erhöhte Temperatur, Infiltration, Schmerz-
haftigkeit , mit den Ausgängen der Entzündung in Lösung,
oder Eiterung, oder Nekrobiose en masse (Gangrän), oder dem
Uebergang in chronische Dermatitis. Den klinischen Erschei-
nungen entsprechen die ebenfaUs im AUgemeinen schon an-
geführten feineren histologischen Veränderungen. Insoferne
stimmen also auch die örtlichen Symptome bei aUen hieher
gehörigen Krankheitsformen der Hauptsache nach überein.
Unterschiede ergeben sich aber sowohl bezüglich der örtlichen,
wie der begleitenden Symptome nach dem Sitze, der Eorm,
Ausbreitung, dem morphologischen und chemischen Charakter
des Infiltrates, dem Ausgange der Entzündung und schliesslich
nach ihrer besonderen Veranlassung.
Damach kann -unter allen Umständen die Entzündung
entweder die obersten Hautschichten aUein, oder die Cutis in
ihrer ganzen Tiefe bis in's UnterhautzeUgewebe betrelFen, vor-
330
Zwanzigste Vorlesung.
wiegend durch ßötlie und seröse Durclitränkung sich mani-
festiren , die den Ausgang in Lösung nimmt — Dermatitis
erythematosa — , oder durch mehr plastische Lifiltration
des Parenchyms, die gerne zur Eiterung führt — Dermatitis
phlegmonosa; oder ein rasch gerinnendes fibrinöses Exsudat
setzen, das moleculären Zerfall bedingt — Dermatitis diph-
theritica; oder mit Absterben grösserer Grewebsmassen ein-
hergehen — -Dermatitis gangraenosa et escharo'tica;
oder, durch seröse Ausschwitzung in die Epidermisschichten,
mit Blasenbildung vergesellschaftet sein — Dermatitis bul-
losa; weiter circximscript oder diffus erscheinen, fix oder
fortschreitend, a febril oder mit Fieber und complicirten
Allgenieinsymptomen verknüpft sein.
In all' diesen verschiedenen Formen vind Graden kann
die Hautentzündung einmal durch Einflüsse entstanden sein,
welche die Haut direct getroffen haben, ein andermal als Theil-
' erscheinung einer anderweitigen Erkrankung auftreten. Dar-
nach unterscheidet sich dieselbe als a) idiopathische und
b) symptomatische Hautentzündung.
a) Idiopathische Hautentzündung.
Zu dieser führen alle jene bereits auf pag. 109 angeführ-
ten Schädlichkeiten, welche bei geringerer Intensität nur
Erythem hervorrufen, sobald ihr Einfluss stärker oder nach-
haltiger geworden, oder das getroffene Hautorgan reizbarer
ist. Nach dem allgemeinen Charakter jener Potenzen fülu-en
wir die durch sie veranlassten Hautentzündungen an, als:
Dermatitis traumatica, die Entzündung, welche durch
Schlag, Stoss, Druck von eng anliegender Beschuhung, Druck-
und Tragbändern, hantirten Werkzeugen, Rudern, durch
Kratzen mit den Fingernägeln (Excoriationes) , traumatische
Einwirkungen welcher Art immer, veranlasst ist.
Dermatitis a venenatis et causticis, die durch
chemisch giftige, oder ätzend wirkende Substanzen veranlasste
Hautentzündung , wie von Canthariden (A^esicantien) , Meze-
reum, Rhus toxicodendron , Terpenthin , Aetzkali, Aetzkalk,
Aetzpasten überhaupt und die starken Mineralsäuren. Endlich
Dermatitis dynamica et calorica, die durch exces-
sive dynamische und Temperaturs-Einflüsse, Elektricität, Blitz-
schlag, hohe Hitze und Kälte erzeugte Entzündung.
Combustio.
337
All' diese nach der allgemeinen und speciellen Qualität
ihrer Veranlassung angeführten Kategorien von Dermatitis
bieten wesentlich dieselben örtlichen Symi^tome dar , wie icli
im Eingange dieser Vorlesung angeführt habe, und wesentlich
auch dieselbe]} Anhaltspunkte für die Prognose und Therapie.
Dennoch ergeben sich auch manche praktisch sehr berücksich-
tigenswerthe Unterschiede, nicht nur rücksichtlich der allge-
meinen Momente, wie Intensität, Ausdehmmg, Bedeutung für
das betroffene Organ und den Gesammtorganismus etc. , son-
dern auch, wenn ich sagen darf, der Qualität. Indem es mir
unthuulich erscheint , nach dieser Richtung den Gegenstand
weiter zu verfolgen und ich rücksichtlich desselben auf die
allgemeine Pathologie der Dermatitis und die specielle Chirur-
gie verweise, hebe ich doch noch die diirch calorische Einflüsse
hervorgerufene Hautentzündung besonders hervor, sowohl wegen
ihrer eminenten praktischen Wichtigkeit, als auch weil deren
Symptome ein erschöpfendes Schema der verwandten Affec-
tionen überhaupt darbieten.
Die calorische Hautentzündung wird nach den zwei
Extremen ihrer Ursache als Verbrennung und Erfrie-
rung unterschieden.
Dermatitis ambustionis, Verbrennung,
Combustio, heisst die durch abnorm hohe Temperaturs-
Einflüsse veranlasste Hautentzündung.
Symptome, Verlauf und Bedeutung derselben sind
verschieden nach dem Grade der sie veranlassenden Tempera-
tur, der Zeitdauer ihrer Einwirkung, der Qualität des Mediums,
weiters der räumlichen Ausdehnung der Verbrennung und nach
der betroffenen Individualität.
Indem die zunächst augenfälligen örtlichen Erschei-
nungen zugleich einen Massstab abgeben für die begleitenden
und allgemeinen Symptome, Folgen, Bedeutung und die
Massnahmen der Behandlung , unterscheiden wir zum prakti-
schen Gebrauche die Verbrennung nach drei Graden, welche
aber nur Intensitätsstnfen, nicht streng von einander zu tren-
nende Formen der Erkrankung vorstellen.
Der erste Grad: Dermatitis ambustionis erythema-
tosa, charakterisirt sieh durch gleichmässige , diffuse, unter
dem ringerdrucke nicht ganz schwindende Röthung und mäs-
Kaposi, Hautkrankheiten. 22
ygg Zwanzigste Vorlesung.
sige Schwelhing der Haut, so weit sie von der höheren Tem-
]ieratur gettofFen wurde.
Die Rothe, anfangs lebhaft, alsbald dunkel nuancirt Ijis
blau- und braunroth, ist demnach meist scharf begrenzt. Durch
.Fingerdruck verdrängt, macht sie einer gelblichen Tingirung
Platz. Das G-efühl von lebhaftem Brennen und , bei grösserer
Ausdehnung und bei jugendlichen oder reizbaren Individuen,
t'.uch massige Fieberbewegung begleiten dieselbe. So stellt sich
das Bild dar nach Begiessen der Haut mit Wasser von .30 bis
45 '1 Wärme, bei Personen, die ihre Haut der heissen Julisonne
mehrere Stunden ausgesetzt haben, beim Schwimmen, Rudern,
Marschiren , oder deren Gesicht voni einer Flamme im Fluge, .
oder auch nur von strahlender Wärme getroffen wurde.
Der an atomische Effect solch' mässiger Hitzegrade be-
steht in einer sofortigen activen Hyperämisirung der feinsten
Hautgef ässe mit folgender Parese und passiver Blutüberfällung.
Am schönsten erweist sich dies bei dem Erythema solare , in-
dem die Rothe genau in der Linie sich abgrenzt , in der die
Nachbarhaut, z. B. von der Schwimmhose, bedeckt war. Die
Schwellung, und gelbliche Tingirung sind der Ausdruck eiiier
mässigen Exsudation.
Unter Abnahine der Schwellung , Hitze' und Schmerzhaf-
tigkeit der afficirten'Haut und Aufhören des Fiebers verwan-
delt sich binnen wenigen Tagen das Lebhaftroth in Braunrdth
bis Braun , die Oberhaut schiebt sich in Form von schmutzig-
weissen Kleien oder grösseren LameUen ab und cUeHaut kehi't
binnen 1-3 Wochen . zur . Norm zurück; allenfalls ist sie noch
durch einige Zeit etwas^ d-nnkler pigmentirt.
Der zweite Grad- der Verbrennung, Dermatitis am-
bustionis bullosa, durch heisses und siedendes Wasser (50^
bis 80«), flüchtige Berührung mit Feuerflammen, heisse Metalle,
starke Sonnenhitze, geschmolzenes SiegeUack u. A. veranlasst,
charakterisirt sich, neben den Symptomen des ersten Grades,
durch die Erscheinung von Bläschen und Blasen, als Effect
einer reichlichen serösen Exsudation in die Epidermis schichten.
Sie erheben sich unmittelbar, oder auch erst mehrere Stunden
nach stattgehabter Hitzeeinwirkung, auf. der diffus gerotheten
oder auch sonst scheinbar niclit veränderten, oft aber aucli
• noch intensiver 'afficirten Haut, iiu eiuzeluen und vielen Blasen,
. und in .-verschiedener Grösse, bis zum Umfange eines Huhner-
Combustio.
339
eies , prall gespannt ; da wo die Oberliaut dünn , gelb durcli-
sche'inend; wo die Epidermis dick, wie an den Händen, nur
als stramme Vorwölbung. An manchen Stellen wird die Ober-
haut durch die Exsudatmenge ganz losgehoben. Sie hängt in
Fetzen herab, oder erscheint über grössere Strecken zusammen-
geschoben oder aufgerollt.
Oberflächliche Blasen haben zur Decke die obersten Horn-
zellenlagen und entleeren beim Anstechen sofort ihren ganzen
Inhalt. Andere Blasen betreffen die ganze Dicke des Rete.
Da sickert, selbst nachdem die Blasendecke mittelst der Scheere
abgekappt worden, nur allmälig das Serum aus und die ge-
quollenen Retezellen liegen als gelblich-graue, sulzeartige Pulpe
zu Tage.
Auf mikroskopischen Durchschnitten von Brandblasen
zeigen sich innerhalb der verbreiterten Papillen ilirer Basis
und des obersten Corium die Gefässe erweitert, die Binde-
gewebsfasern gequollen, die Maschenräume erweitert, mässig
viele Exsudatzellen in ihnen und im adventitiellen Gefässraum^
im Bereiche der Blase selbst die Petezellen trüb , gequollen,
mit Zeichen von Kerntheilung abortiver oder proliferirender
Art, zu Easern und Balken ausgezogen, welche zwischen der
Blasendecke und den basalen Papillen oder noch auf diesen
haftenden Retezellen ausgespannt sind. Derart bilden diese
ein Eächerwerk, dessen Räume nebst Serum Exsudatzellen,
Epitheltrümmer und Fasergerinnsel enthalten (v. Biesiadecki,
Unna u. A.), Verhältnisse, welche der Blasenbildung unter
allen Umständen zukommen. Nebenbei bemerke ich noch, dass
die inneren Vorgänge der Blasenbi].dung stets dieselben sind,
sie mögen von geschmolzenem Siegellack oder Feuer, oder einem
Vesicans erzeugt sein (Unna), oder von einer inneren Ursache
herrühren, wie bei Zoster.
Der Verla u f des örtlichen Processes findet nun in typi-
scher Weise statt. Dort wo die Blasendecke erhalten ist, ver-
trocknet dieselbe, sobald die Entzündung und weitere Exsada-
tion sistirt, mit ihrem Inhalte zu einer Kruste, unter welcher
die über den erhaltenen Papillen nachschiebenden Retezellen
verhornen. Oder die Blasendecke wird mechanisch, oder durch
die Menge des Exsudates losgehoben und es erfolgt reichliche
ZeUenproliferation des blossliegenden Rete unter dem Bilde
. der katarrhalischen (epithelialen) Eitermig. Die Papillen liegen
22*
Zwanzigste Vorlesung.
als rothe Pünktchen, zum Theile hämorrhagisch zerwühlt, in
einem grauen, eiternden Netze bloss, dessen Maschen von dem
interpapillären Malphigischen Stratum gebildet werden.
AUmälig vermindert sich unter Rückbildung der Entzün-
dung die Abstossung und überwiegt die Festsetzung der neu-
gebildeten Zellen, welche in den oberen Lagen verhornen und
inzwischen auch über die Papillen hinübergewuchert sind. Es
erfolgt allseitig Ueberhäutung ohne Narben und nur an Punk-
ten, wo einzelne Papillen durch Bhiterguss zerwnihlt worden
und necrosirt sind, bleiben weisse Narben zurück.
Auch bei sehr beschränkter Ausdehnung dieses G-rades
von Verbrennung begleiten heftige Schmerzen die ersten Sta-
dien desselben. Bei grösserer Verbreitung, z. B. über beide
Hände und Arme, tritt wohl auck heftiges Fieber hinzu. Auch
complicirende Entzündung, Lymphangioitis , Drüsenschwellung
kann noch während der Eiterung eintreten. Ausserordentlich
schmerzreich ist das Stadium, in welchem nach Abstossung
der Blasenpulpe die Papillen über grosse Flächen blossliegen.
Mit dem Eintritte der neuen Epithelbekleidung, auch bevor es
zur Verhornnng gekommen, haben diese Beschwerden ein
Ende.
Ist aber eine noch grössere Hautregion von der Verbren-
nung zweiten Grades betroffen, etwa beide Hände und Füsse,
Vorderarme und Unterschenkel , das Gesicht und etwa noch
ein Theil des Rückens; oder trifft sich solches gar bei
einem jugendlichen Individuum, einem Kinde, dann kommt es
wohl leicht noch zu den gefährHchen Complicationen , welche
dem höchsten Grade der Verbrennung häufiger sich zuge-
Dieser dritte Grad der Verbrennung, Dermatitis ambu-
stionis escharotica, ist durch die Einwirkung höchster Hitze-
grade, wie durch Feuerflammen, glühendes oder geschmolzenes
Metall, explodirendes Gas, Dampf hoher Spannung, oder auch
nur siedende und ätzende Flüssigkeiten bedingt, wofern diese
nur durch längere Zeit mit der Haut in Berührung geblieben,
oder grosse Wärmecapacität besitzen.
Das Bestimmende für diesen Grad der Verbrennung ist
dieVerschorfung der Haut, die unmittelbare Mortification.
Je nach der Qualität des Verbrennungs-Mediums erschemt die
Haut so weit sie verscliorft, wie verkohlt, schwarz, braun,
Combustio.
341
missfärbig oder vertrocknet, lederartig, oder sclieinbar auch
gar nicht verändert, glatt mid weiss, alabasterartig, aber unter
allen Umständen beim Zufühlen starr, hart oder zähe und
immer empfindungs- und leblos. Li dem getroffenen Hautstücke
ist jede Lebensthätigkeit , Blut- und Säftebewegung und Er-
nährung sistirt. Dem chemischen Effecte nach handelt es sich
einmal um wirkliche Verkohlung , z. B. durch Eeuergluth , wo-
dann in dem braunen Schorfe schwarzbraune, baumartige
Zeichnungen, der verkohlte Inhalt der oberflächlichen Blut-
gefässe, bemerkt wird. (Wenn die Haut eines Todten , etwa
vorher Ermordeten, verbrannt wird, sieht man diese Gefäss-
injection nicht, was gerichtlich-medicinisch entscheidend ist
[E. Hofmann].) Ein andermal ist die nächste Wirkung Morti-
fication der Grewebe durch Grerinnung und Zersetzung der
Proteinsubstanzen, oder eine Umwandlung wie bei der Leder-
gerbung, z. B. beim Sturz in eine Kalkgrube, oder die
Haut ist gekocht, wie bei Verbrühung durch heisse Dämpfe
und "Wasser u. s. f. Ueber manchen weissen Schorfen ist
die Oberhaut zu Blasen erhoben, oder lamellös aufgeschwemmt
und man glaubt an der Stelle nur Verbrennung zweiten
Grades vor sich zu haben. Aber nach 2 — 3 Tagen gibt sich
auch da der Zustand zu erkennen, indem das Hautstück miss-
färbig und runzelig wird und an den Rändern gegen die Um-
gebung sich absetzt.
Zwischen dem 3. — 5. Tage entsteht nämlich unter re-
activer Entzündung der Umgebung eine eiternde Marke rings
um den Schorf; dieselbe wird zur breiten Fiu-che und setzt
sich in die inzwischen ebenfalls eiternde Basis fort. Durch
die Eiterung wird der Schorf binnen 8 — 12 Tagen losgehoben.
Die nun zu Tage liegende eiternde Wundfläche ist meist un-
gleich tief, unregelmässig grubig, ein Beweis dafür, dass fast
immer die Verschorfang sehr ungleichmässig nach der Tiefe
greift. Die oberflächlichen Brandschorfe schützen sehi- lange
die unterliegenden Gewebe vor dem Einfluss der hohen Tem-
peratur (Hofmann) und die Leichenverbrennungen haben im
Grossen erwiesen, wie überaus schwierig die Verkohlung nach
der Tiefe greift. Ich werde an einer anderen SteUe über die
intimeren Vorgänge bei der Wundheilung mittelst Eiterung
sprechen und beschränke mich hier auf die kurze Anführung
der leicht wahrnehmbaren anatomischen Erscheinungen. Es
Zwanzigste Vorlesung.
folgt also allenthalben üppige Fleischwärzchenbildung und
endlich Ueberhäutung. Die neue Epidermisdecke geht zum
grössten Theile von der randständigen Epidermis hervor. Doch
zeigen sich auch stets inmitten des grannlirenden Feldes neue
Epidermisinseln. Man hat nach den bis heute vorliegenden
Daten der experimentellen und histologischen Untersuchungen
alle Ursache zu glauben, dass diese nicht von dahin aus dem
Coriura oder den Randepithelien emigrirten Wanderzellen und
Bindegewebskörperchen stammen , wie dies angedeutet wurde
(BiESiADECKi, Pagenstecher) , sondern von präformirtem Epithel,
nämlich von Resten der Eetezapfen, die an solchen Punkten
stehen geblieben, wo die Yerschorfung nicht zu tief gedrungen
war. Und ich habe ja ausdrücklich auf den letzteren Umstand
hingewiesen.
Das Resultat der Verheilung ist also neugebildetes Binde-
gewebe, in welchem Papillen, Haare und Follikel fehlen —
eine Narbe. Sie entspricht schon im Momente ihres Ent-
stehens nicht mehr ganz der Form und Grösse des Brand-
schorfes, da schon während der Granulationsbildung ein Heran-
ziehen der Gewebsunterlage und Nachbarschaft stattfindet
(Billroth); noch weniger später , da das jange Narbengewebe
noch in der Folge schrumpft. So wird die Narbe um so un-
regelmässiger, zackig, strahlig, eingezogen, wiüstig, leisten-
artig vorspringend, genetzt, je grösser der Substanzverlust
und je zögernder die Heilung war.
Verkohlung, Yerschorfung kann aber stellenweise auch
die Cutis in toto und aUe unterliegenden Gewebe mitsammt
den Knochen betreffen. Findet solches in sehi' grosser Aus-'
dehnung statt, dann hat man freüich keinen Kranken, d. h.
kein lebendes Object vor sich , weil das Individuum sicherlich
lange vorher in den Flammen sein Leben ausgehaucht haben
muss, sei es durch Erstickung, oder durch den Shok.
Ich habe bis nun, so zu sagen, die a n a t o m i s c h e n Erschei-
nungen der Verbrennung geschildert, diejenigen, welche un-
mittelbar durch den Einfluss der hohen Temperatur an der Haut
erzeugt werden, und diejenigen, welche in physiologischer Gesetz-
mässigkeit nach den ersteren sich örtlich einstellen und m ihrer
Summe den Eliminations- undRegenerationsprocess vorsteUen. Sie
stehen zu einander in einem constanten Verhältnisse. Insoferne
hat also die Unterscheidung der Verbrennung nach bestimmten
Combustio.
343
Graden eine positive Basis. Allein- mit diesen örtlichen Symp-
tomen ist nicht das eigentliche Krankheitsbild der Verbrennung
erschöpft. Denn es gesellen sich zu jenen sehr mannigfache
imd bedeutungsvolle hinzu von Seite des Gr es ammt o r ga-
nismus, für welche nicht der Grrad der anatomischen Verände-
rimg an- der Haut allein, sondern vorwiegend die Flächen-
ausbreitung derselben den Grund und Massstab abgibt. Sie fehlen
z. B. gänzlich bei Verbrennung dritten Grades, wenn diese sehr
beschränkt ist, etwa eine Handbreite betrifft, können dagegen
sich einstellen, wenn im anatomischen Sinne nur Verbrennung
ersten und zweiten Grades vorhanden, aber ein grosser Theil
der allgemeinen Decke von derselben betroffen ist.
Nehmen wir einen Durchschnittsfall , wie er sich bietet,
wemi die Kleider einer Person durch Spiritus- , Petroleum-,
Gas- oder Feuerflammen überhaupt in Brand gerathen waren,
wobei die Flammen sofort nach oben schlagen, so dass Gesicht
imd Arme mehr in ihr Bereich gelangen , und nehmen wir
weiters an, dass der 'Brand schon nach 1—3 Minuten durch
anwesende Personen erstickt worden. Da findet sich gewöhnlich,
eine bis zwei Stunden nach der Katastrophe, folgendes Bild:
Die Haare im Bereiche des Gesichtes und Kopfes versengt,
die Hände und Vorderarme, einzelne SteUen der Oberarme,
das Gesicht, Hals- und Schlüsselbeingegend, der Nacken, die
obere Rückengegend und einzelne Stellen der Unterextremitäten
zeigen Brand Verletzungen. Wo die Kleider fest angedrückt
sind, oder Bänder einschnüren, ist die Haut, bei raschem Brande,
am wenigsten versehrt; so unter dem. Mieder, an, der Taille,
imter den Strumpfbändern.
Der überwiegende Theü der Verletziuig .ist ersten und
zweiten Grades; nur beschränkte Stellen des Gesichtes, der
Brust, meist auch des Rückens, zeigen braune Verkohlnng, oder
sind unter der durch die Essudation, oder .bei den Löschver-
suchen mechanisch losgewühlten Epidermis, weiss verschorft.
Es ist also gar nicht, oder nur in geringe^ Ausdehnung Ver-
brennung dritten Grades zugegen.
Der Verlauf ist nun folgender: Der Kranke, der un-
mittelbar, während und nach der Verbrennimg, im höchsten
Grade aiifgeregt war, und wie wahnsinnig sich geberdet,
Jammergeschrei ausgestossen hat, beruhigt sich, sobald die
Brandwxmden kunstgerecht., bedeckt worden. Die Empfin-
344
Zwanzigste Vorlesung.
clung von Brennen trägt er stille, oder äussert er höchstens
in leisem Stöhnen und Wimmern. Er ist übrigens wieder
ganz seiner Gedanken und moralischen Kraft mächtig. Auf
Befragen erzählt er die Einzelheiten des Ereignisses und
gibt er über Alles genaueste Auskunft. Er hat seither meist
nicht Urin gelassen. Führt man den Katheter ein, so findet
sich in der Regel keii^e Spur von Harn; oder manchmal doch
welcher in wenigen Tropfen, der eiweisshältig (Wertheim),
oder, seltener, hämorrhagischer Harn. Nach 5 — G Stunden
stellt sich von Zeit zu Zeit Gälmen imd tiefes Seufzen ein,
die Augenlider werden geschlossen gehalten. Auf Ansprache
blickt der Kranke auf und gibt noch richtige Antwort; aber
es ist eine gewisse Apathie nicht zu verkennen. Jetzt folgt
öfteres tiefes Inspirium und ßuctus oder Singultus. Das ist
schon ein schlimmes Zeichen. Bald kommt Erbrechen von
Speiseresten, galliger Flüssigkeit, selten auch Blut. Hebea
gibt an, beim Anstechen verschiedener Hautvenen (Venae-
section) keinen Blutstrom bekommen zu haben. Der VcLien-
inhalt schien eingedickt. Nun folgt rasch Unruhe, Verworren-
lieit, die Kranken werfen sich ungeberdig herum, bekommen
klonische Krämpfe, Opistotanus und verlieren ganz das Be-
wusstsein. Lärmende Delirien machen stillem Sopor Platz,
oder solcher geht aus der früheren Apathie unmittelbar hervor.
Unter diesen Erscheinungen und beschleunigtem flachen Re-
spirium, und fliegendem, erlöschendem Pulse, inmitten von
Schreien und Toben, oder stiUem Stupor erfolgt der Tod
innerhalb einer Zeit von 18—24—48 Stunden. Manchmal
kommen auch noch vorher Blutungen aus dem Magen und
der Harnblase. Ich habe noch keinen Kranken genesen
sehen, bei welchem einmal Ischurie zu constatii-en war,
oder Singultus und Erbrechen sich eingestellt hatte. Schon
das tiefe Seufzen und der öftere Euctus ist in meinen
Augen ein ominöses Zeichen. Doch mag immerhin von diesen
ersten Symptomen noch eine Lösung möglich sein. Ich
habe solches einmal bei einer Frau gegen Ende des 2. Tages
gesehen , und da die Diurese sich eingestellt und das Erbrechen
aufgehört hatte, die Kranke gerettet geglaubt. Aber nach
zweitägigem Wohlbefinden trat am Ende des 4. Tages in
rascher Aufeinanderfolge die ganze Reihe der genannten Symp-
tome wieder auf und binnen wenigen Stunden war Alles zu
Combustio.
345
Ende. Auch nacli einer Woche noch ist ein solcher Symp-
tomen-Complex beobachtet worden.
Bei der Section finden sieh zuweilen Greschwüre im Duo-
denum (Corrosionsgeschwüre nach Klebs und Hofmann), hämor-
rhagische Erosionen auf der Magen- und Darmschleimhaut,
körnige Degeneration der Glefässwände , Muskeln und paren-
chymatösen Organe, Hyperämie der Meningen, sehr früh schon
Nephritis (Wertheim), das Blut meist geronnen, im Uebrigen
aber meist keinerlei als eigentliche Todesursache anzusehende
Veränderungen.
Der ganze Symptomen-Complex dieser ersten, der Ver-
brennung unmittelbar folgenden Periode, der rasche Verlauf
und der rapide letale Ausgang machen den Eindruck einer
allgemeinen Litoxication. Es ist klar, dass die Läsion des
Hautorganes nicht in dem Sinne einer Entzündung diese Er-
scheinungen verschuldet. Denn innerhalb dieser ersten Sta-
dien ist ja von Entzündung und Eiterung kaum noch etwas
zu in'- ';en. So hat man denn versucht, diese räthselhafte un-
mitte.^:- 9 Folge der Verbrennung auf verschiedene Weise zu
erklären: Indem man mit Eirniss bestrichene Thiere rasch
verenden sah, vermeintlich durch Vernichtung der Hautper-
spiration innerhalb einer grossen Area, hat man mit Unrecht
beim Menschen analog geschlossen. Aber es ist bei Verbren-
nung zweiten Grades solches gar nicht erwiesen, und bleibt
räthselhaft, warum die unversehrten zwei Drittel der Haut-
fläche und die Nieren diesen Ausfall nicht rasch sollten decken
können; und warum die Nieren im Gegentheil gewöhnlich
ganz zu functioniren aufhören.
Wie zuerst Werthebi, haben auch Andere auf die Gegen-
wart kleiner Körperchen im Blute Verbrannter aufmerksam
gemacht, die als Derivate rother Blutköperchen anzusehen
wären. Ob diese, oder vorfindliches Melanin etwas mit dem
raschen Tode zu thun haben, ist fraglich; ebenso, ob der Tod
durch im Blute zurückgehaltene Exoretionsstoffe (kohlensaures
Ammoniak) oder giftige Stoffe veranlasst ist, die aus den durch
die Hitze zersetzten organischen Substanzen erzeugt und in's
Blut gelangt sein mögen. Vielfach, auch experimentell (Falk),
ist das rasche Sinken der Körpertemperatur nach ausgedehn-
ter Verbrennung constatirt worden, während Sonnenbürg
meint, dass die Ueberhitzung des Bltites direct Herzlähmung
ZwanaigBte Vorlesung.
zur Folge habe, bei langsam eintretemlem Tode aber derBhit-
druck in Folge reflectoriscber G-e£ässlähmung sinke. Ick meine,
so wie auch Hebba vorweg äussert, dass der Nerven- Skok
am höchsten in Anschlag zu bringen sei. Denn ich habe den
gleichen Verlauf gesehen auch da, wo von hohen Temperaturen
der Verbrennung nicht die Rede war und bei allen Arten von
Verbrennuugs- , Verbrühungs- und Aetzungstod, obgleich der
chemische Effect unter all' diesen Umständen doch verschieden
sein muss, z. B. anders bei Verbrennung durch Flammen , bei
Verbrühung, und beim Sturz in eine Löschgrube von Kalk.
Ueberlebt der Verbrannte dieses erste Stadium, erst dann
treten die Läsionen der Haut in den Vordergrund der Symp-
tome und der weitere Verlauf gestaltet sich nun in der schon
früher geschilderten Weise nach den allgemein gütigen Ge-
setzen, nach welchen Entzündung, Eiteriihg , Schorf- Ablösung,
Granulation und Ueberhäutung überhaupt vor sich gehen.
Wofern nicht noch im Verlaufe der ersten oder zweiten Woche
o-anz abnormer Weise jener Litoxications-Complex sich einstellt,
kann nunmehr ein übler Ausgang nur im Rahmen der allgemein-
chirurgischen Vorkommnisse erfolgen, wie solche aUen Eiterungs-
Processen zukommen, wie durch Rotlilauf, Pyämie, Erschöpfung,
Pneumonie, Morb. Brightii.
Die unmittelbare Prognose bei Verbrennungen hangt
nach dem Gesagten zunächst von der Litensität und Ausbrei-
tung der localen Läsion ab. Sie kann im Allgemeinen günstig
o-esteUt werden bei Verbrennung ersten und zweiten Grades,
ist aber bei der letzteren immerHn zweifelhaft, sobald diese sehr
ausgebreitet ist, oder ein zartes Lidixäduum (Säugling) getrof-
fen hat Verbrennung dritten Grades ist selbst m geringer
Ausdehnung bei jugendlichen Personen von schwerer Bedeutung
und endet fast immer letal, sobald dieselbe, wenn auch mit
Verletzungen zweiten Grades untermengt, ein Drittel der gan-
zen Hautoberfläche betroffen hat. Ist der Tod nicht m un-
mittelbarer Folge der Verbrennung eingetreten, so^ ist noch
der weitere Verlauf, so wie die materielle Folge (Ivrankheits-
dauer Berufstörung durch Functionsbehinderung der Fmger,
Schrumpfung der Augenlider etc.) mannigfach beeinflusst durch
die grössere oder geringere Tiefe der Verschorfung die be-
troffene Oertlichkelt, die Lidividualität und - man darf wohl
sagen — die Behandlung.
Combustio.
347
Der Therapie der Verbrennungen fällt als nnmittel^
bare Aufgabe zu die Linderung der heftigen Schmerzen. Bei'
dem erytheniatösen Grade kann man sich beschränken auf
Einstreuen von Amylum, Umschläge von kaltem Wasser, Blei-
wasser , bei geringer Ausdehnung desselben , Einpinseln mit
Collodium und Aehnliclies. Nach Eückbildung der Entzündung
erheischt die Desquamation keine weitere Behandlung.
Beim zweiten Grrade der Verbrennung ist zunächst die
Empfindung der Spannung zu beheben durch Anstechen der
Blasen an deren abhängigen Stellen, wodurch, sowie durch
sanftes Drücken mittelst in Poudre getauchter Charpieballen
der Austritt von Serum befördert wird. Die Erhaltung der
Blasendecke ist jedoch wünschenswerth , weil diese für die
entblössten Papillen den besten Schutz abgibt und unter diesem
die Ueberhäutung grösstentheils ohne Eiterung vor sich geht.
Da aber bei ausgedehnter Verbrennung aller Grade,
namentlich Blasen- und Schorfbildung, die Berührung mit der
Luft die Jieftigsten Schmerzen verursacht , besonders da , wo
die Epidermis losgelöst ist, so ist von jeher die möglichste
AbschUessung der verbrannten Theile mittelst milder und gut
siteh anschmiegender Verbandmittel angestrebt worden. Eür
Verbrennung innerhalb beschränkter Territorien sind Einhül-
Itmgen mittelst in Olivenöl, Eiweiss , Oleum lini cum Aqua
Calcis (aa part. aequales) eingetauchten Leinwandflecken oder
Baumwolle anzuempfehlen. Man lässt dieselben in den ersten
Tagen liegen, um nicht bei deren Ablösen auch die Blasen-
decken mit loszureissen, und verhindert ihre Eintrocknung
durch häufiges Betupfen mittelst der genannten Oele. Auch
kann man über dieselben noch kalte Umschläge appliciren,
wofern dem Kranken die Kälteempfindung angenehm ist. Wenn
nach Verlauf von 3 — 5 Tagen sich Eiterung unter solchen
Verbänden eingestellt hat, müssen dieselben allerdings zur
Verhütung der Zersetzung des Secretes entfernt und öfters
gewechselt werden. Dies ist selbstverständlich mit grossen
Schmerzen für den Kranken und, bei Gegenwart vieler Brand-
wunden überhaupt, noch mit unsäglicher Mühe für die Warte-
personen verbunden.
Li dem von Hebra eingeführten Wasserbette ist in
all' den genannten Beziehungen , sowie für die ganze folgende
Behandlung ein nicht genug zu schätzender Vortheil geboten.
g^g Zwanzigste Vorlesung.
Dasselbe besteht aus einer geräumigen Zinkwanne, die in
einem Bettgestelle sieb befindet. In derselben wii'd em läng-
lich viereckiger , mit Gurten querbespannter, eiserner Rahmen
mittels Ketten schwebend erhalten, die um je eine am Kopf-
und Fussende des Bettes verlaufende Welle laufen. Der
Rahmen hat einen Kopf- und Körpertheil. Der erstere kann
mittels gezahnten Charniers verschieden hoch aufgestellt werden
und ist der ganze Rahmen mittelst Kurbel und Zahnrad auf-
xinä niederzuwinden. Auf den gurtbespannten Rahmen wird
eine Matratze oder Wolldecke und darauf der Kranke gelegt.
Die Wanne ist nach gewöhnlicher Art zu füllen, worauf der
Kranke mit sammt seinem schwebenden Bette in das AVasser
hinabgesenkt wird. (Zum Behufe der Nothdurft-Verrichtung
wird er aus dem Wasser gewunden.)
Unmittelbar empfindet der Verbrannte das Wasser zu
heiss, weshalb es auf 25-26 ° R. gerichtet werden soll. Sofort
stellt sich Frösteln ein und das Bad wird rasch aiif 32-34^ R.
gerichtet. Alsdann befindet sich derselbe höchst behaglich.
Die Schmerzen haben fast ganz aufgehört. Ein Rettungs-
mittel gegen die ersten lutoxicationssymptome und den acuten
letalen Verlauf bildet das Wasserbett nicht. Die Kranken
sterben bei ausgebreiteter Verbrennung hier eben so, wie ausser-
halb • aber sie sind wenigstens sofort von ihren Schmerzen befreit.
Dageo-en ist das continuirliche Bad em wirkliches Heil-
mittel und eine wahre Wohlthat für den Kranken und die
Wartang in der ganzen Periode der Eiterung. Man denke
nur • AVährend solche Kranke im Bette nie genügend rem
gehalten werden können, weil die grosse Zahl und Ausdehnung
der eiternden Wunden zum Verband viel Zeit erfordert, dabei
dasHeben und AVenden der Kranken für diese höchst schmerzhaft,
ein Ankleben und Losreissen an und von dem Bettlaken nicht zu
vermeiden ist, da frische Blutmig, dort Absperrung und Stmkig-
werden des Secretes eintritt, das Fieber stetig unterhalten
wird, Gefahr für Sepsis allenthalben gegenwärtig, nervöse Aut-
reoung jeden Verbandwechsel begleitet - hat alle Muhe und
Q^ral im Wasser ein Ende. Der Kranke liegt und bewegt
sich wie er will, schläft und isst, beschäftigt sich, wenn ei-
nlebt fiebert, nach Lust und Neigimg, und die Wimden sind
fortwährend bedeckt, immer rein und granuliren prachtig.^ ot
zu üppig, so dass dieselben nach bekannter Weise eingeschränkt
Combvkstio.
349
werden müssen. Nacli diesen Andentungen ist also das Hebra' sehe
Wasserbett anfangs und später das beste Scliutzmittel gegen
Schmerzen, \md während des Suppurationsstadiums geradesiu
ein iinübertrofFenes directes Heilmittel, indem im Wasser die
Abstossiang der Schorfe rascher als ausserhalb erfolgt, Absper-
rung luid Zersetzung des Eiters kaum möglich, die Gefahr
für Sepsis, Rothlauf ferngehalten wird, das Fieber auch sofort
axifhört, Schlaf und Esslust sich einstellen, dadurch der Orga-
nismus in die Lage versetzt wird, den grossen Eiterverlust zu
ersetzen und schliesslich auch die aranulation niid Heilung,
unter Fernhaltung aUer dieselbe sonst begleitenden subjectiven
und objectiven Unannehmlichkeiten und Gefahren, im continuir-
lichen Bade ausserordentlich günstig verläuft.
Ich will nicht auf die theoretischen Daten eingehen,
welche das physiologische Experiment bezüglich des Verhal-
tens des Körpers im Bade ergeben hat. Hier ist wichtiger die
Thatsache hervorzuheben, dass erstens alle mit ausgebreiteten
Epdermisverlusten (wie Verbrennung, Pemphigus foliaecus),
Gangrän oder Eiterwunden behaftete Kranke im Wasserbette
sehr rasch ihr Fieber verlieren, Esslust und Schlaf gewinnen und
dass die Heilung der Wunden am raschesten erfolgt und dass
zweitens nach den an der hiesigen Klinik gemachten (von Hanns
Hebra schön zusammengefassten) Erfahrungen Kranke bis zu
250 Tagen und Nächten continuirlich im Wasser gehalten worden
sind, ohne eine andere Folge als ihre Genesung davon zu tragen.
In der Privatpflege richtet man sich eine, am besten, höher
gestellte lange Wanne, in welche Wolldecken und ßosshaar-
polster geleg-t werden, als Wasserbett her. Das Wasser ist
stets der Empfindung des Kranken entsprechend zu temperiren
und nach Bedarf zwei- bis dreimal täglich zu erneuern.
Beschränkte Brandwunden können auch mittelst continuir-
licher Irrigation behandelt werden.
Bei ausserhalb des Bades stattfindender Behandlung hat
man die Schorfe bei ihrer Lösung successive abzutragen und
die eiternden Wunden nach speciell chirurgischen Regeln zu
behandeln, indem sie mit Liniment, Ung. simplex, Geraten, mit
und ohne Zuthat von Zinc oxydatum, Cerussa, Alaun, Carbolöl,
Carbolpaste, Opiaten etc. bedeckt und fleissig gereinigt werden.
Werden die Granulationen zu üppig, so sind dieselben
mittelst Lapisstift, oder diirch tägliches Betupfen mit Lapis-
gr-,Q ' Zwanzigste Vorlesung.
lösiuig (1:1 aqu. dest.), Auflegen von Cliarpie, die in solche
oder eine schwächere Lösung getaucht worden, oder von einer
ätzenden Salbe (Ung. emoll. 50-00, Nitras argenti 0-1 5 -0-50)
zu beschränken. Durch letztere Mittel, oder durch energische
und, wenn nöthig, 'jeden oder jeden zweiten Tag ausgeführte
Aetzung sind die Fleischwärzchen im Niveau zu erhalten. Nur
so erzielt man glatte, weiche, später wenig schrumpfende Narben,
und nur so verhütet man Contracturen über den Gelenken,
am Halse, Blepharophimosis und ähnliche störende Folgen.
Namentlich aber kann die Verwachsung der Finger und Haut-
falten Überhaupt durch täglich, bis zur voUendetenUeberhäutung.
ausgeführte Lapisätzungen am sichersten verhütet werden.
° Dennoch kann die zweckmässigste Behandlung es nicht
verhindern, dass sehr ausgebreitete, z. B. eine ganze Extre-
mität oder den Rücken in toto einnehmende Brandwunden
auch nach zwei bis drei Jahren nicht gänzlich verheilt smd,
dass die jungen Narben bald da, bald dort wieder zerreissen,
zerfallen,' hämorrhagisch zerwühlt werden , oder dass schliess-
lich auch functionbehindernde Contracturen sich ausbilden.
Was in Bezug auf Symptome, Bedeutung, Folgen,
Prognose und Behandlung der eigentlichen Verbrennung ange-
führt worden, gilt im Allgemeinen auch für, die analogen Ver-
letzungen, welche als eigentliche Aetzungen z. B. durch
Begiessen mit Vitriolöl, Sturz in eine Kalkgrube u. s. w. ver-
anlasst werden. ■
Bei Blitzschlag finden sich auf der Haut unregel-
mässige rothe Flecke, oder braune und verschieden gefärbte,
baumartig verzweigte Zeichnungen, wie solche neuerlich Schefcik
abgebildet hat, die Gefässen oder Nerven entsprechen mögen;
oder auch gar keine Spuren von Verletzung;
Viel kürzer darf ich mich fassen rücksichtlich der durch
abnorm tiefe Temperatur-Einflüsse bedingten Hautkrankheit,
die als
Erfrierung, Dermatitis congelationis,
oder Congelatio bekannt ist. _ ,
Unter dem lang andauernden Einflüsse absolut .niedriger
Temperatur, bei dazu disponirten Personen aber auch schon
bei einer Temperatur von 4-5° über dem Gefrierpunkte,
erleiden die derselben ausgesetzten Hautstellen Veränderungen,
Congelatio. \
351
die, wie diejenigen nach Verbrennung, ebenfalls in drei Grade
unterseliieden werden können, als Dermatitis congelationis
erythematosa, bullosa et escharotica.
Die e r y t h e m a t ö s e Form stellt die sogenannten Frost-
beulen, Pernio nes, vor. Ihr Standort ist vorwiegend an
den Händen und Füssen , seltener an der Nase , den Wangen
und Ohren. Sie treten erst zu Tage, wenn die betreffenden
Hautstellen, nachdem sie der Kälte längere Zeit ausgesetzt
waren, sich wieder erwärmen, demnach zumeist in den Abend-
stunden und in der Zimmerwärme, wo sie durch stechenden
.Schmerz und intensives Jucken mehrere Stunden hindurch ihre
Besitzer quälen. Alsdann stellen sie daumennagel- bis thaler-
grosse, knotigerhabene Flecke vor, von peripher lebhaftrother,
in der Mitte livider Färbung. Schmerz, Hitzegeföhl und Jucken
steigern sich regelmässig des Abends, während sie in den
Morgenstunden höchstens gegen Druck empfindlich sind. Durch
die Kälteeinwirkung werden die Capillargefässe beschränkter
Bezirke zunächst zur Contraction veranlasst — die Hautstelle
wird anämisch, kalt, gefühllos. Es scheint aber , dass sie
zugleich paretisch werden, indem sie in der Folge sich über-
mässig ausdehnen, worauf Erscheimmgen der passiven Hj^Dcr-
ämie. Bläuung und Symptome der Stase , seröse Lifiltration
und träge Entzündung, eintreten. Die letztere führt auch zu
Austritt von blutigem Serum unter die Epidermis der Per-
niones, und nach Platzen der Blasen zu nekrotischem Zerfall
der obersten Coriumschichten sub forma von torpiden, sehr träge
verlaufenden, mit hämorrhagischer Basis versehenen Greschwüren
— Pernio ulcer au s. Von solchen habe ich zuweilen Phlebitis
und Adenitis mit heftigen Fiebersymptomen ausgehen sehen.
Diese Form stellt zugleich den zweiten G-rad der
Erfrierung vor und kann bei allen Menschen auftreten , deren
• Haut grosser Kälte dixrch längere Zeit ausgesetzt war.
Zur Accjuirirung von Frostbeulen disponiren ganz beson-
ders anämische Individuen beiderlei Geschlechtes. Bei solchen
treten dieselben schon während kalter Regentage des Herbstes,
oder selbst des Sommers ein, wenn die Lufttemperatur allen-
falls auf 4—5 ^ R. gesunken ist , während wohlgenährte und
genug Wärme producirende Personen selbst grosser Kälte sich
.aussetzen können, ohne Frostbeulen zu bekommen. Deshalb
• leiden auch die erste Art Personen in jeder kalten Saison
352 Zwanzigste Vorlesung.
durch mehrere Jahre — insolange ihre Anämie nicht weicht
— regelmässig an Frostbeulen, während allgemein robuste
Mensehen höchstens gelegentlich an einer Hautstelle sich
erfrieren können, und dann meist in zweitem oder drittem Grade.
Bei Erfrierung dritten Grrades finden sich entweder
grosse, mit blutig- seröser Flüssigkeit gefüllte Blasen, deren Basis
hämorrhagisch sufPundirtes Grewebe darstellt , oder die Haut
erscheint nur blass, blau marmorirt , dabei kalt, starr und
empfindungslos. Erst nach vielen Tagen bis Wochen ergibt
sich, wie weit die Gewebe zur Mortification gelangt sind. Es
zeigt sich dabei ein höchst ungleichmässiger Effect der Kälte,
indem die Mumificirung stellenweise bis auf den Knochen reicht
und dieser selbst nekrosirt, stellenweise nur die oberen Haut-
schichten verloren gehen, oder auf intermediären Stellen durch- -
greifetide Nekrosirung statt hat. An der Grenze der Schorfe
etablirt sich exfoliirende Entzündung und Eiterung, die mit
Fieber einhergehen. Verlust einzelner Phalangen oder ganzer
Gliedmassen ist die Folge solcher Erfrierungen, nicht selten
Phlebitis, Septikämie und Tod, auch wenn frühzeitig die opera-
tive Beseitigung der abgestorbenen Partie vorgenommen worden.
Die Prognose bei Erfrierung dritten Grades ist aus
den genannten Gründen sehr zweifelhaft, auch wenn dieselbe
nur einige Zehen oder Finger betrofleen hat. Ueberdies ist
noch zu bemerken, dass man über die Ausdehnung und Tiefe
der Erfrierung erst nach vielen Tagen ein Urtheil bekommt,
da die Reaction sehr spät und zögernd eintritt; und dass
viele leblos erscheinende Partien sich noch erholen können, da,
wie BtLLKOTH treffend andeutet, die Gefässe ja vielfach durch-
gängig sind und neuerdings mit Blut injicirt und für die Er-
nährung der Gewebe dienstbar werden können , insoweit diese
nicht durch directe Erfrierung ihrer wässerigen Bestandtheile
decomponirt worden sind. Li der Durchgängigkeit der Ge-
fässe liegt aber zugleich die grössere Gefahr für Septikämie,
indem der durchstreifende Blutstrom zersetzte Gewebspartikel-
chen fortschwemmt.
In der Therapie der Congelatio escharotica sind daher
von vornherein die Hände ziemlich gebunden. iMan versucht
durch Frottiren mit Schnee die erfrorenen Tlieile allmälig zu
beleben und für die Circulation durchgängig zu machen. Die
Notliwendigkeit partieller oder totaler chirurgischer Abtragung
Erfrieniug.
erfrorener Theile ergibt sicli in der Folge nach Massgabe der
sjpeciellen chirurgischen Erfahrung. Hierüber ist jüngst in der
k. k. Gesellschaft der Aerzte in lehrreicher Weise discutirt
worden, anlässlich eines interessanten Vortrages Billroth'.s
über Gangraena si^ontanea. Während Billroth nach seiner Er-
fahrung für möglichst frühe Amputation plaidirte , befürwor-
teten DüMUEiCHEE und DiTTEL , dass man die Begrenzung der
Gengraen abwarten soUe. Bei Erfrierung der Zehen und Finger
habe ich selbst das Zuwarten für den Kranken vortheilhafter
o-efnnden. da durchschnittlich mehr erhalten wurde, als an-
fänglich möglich schien. Bei Verschorfung bis in die Mitte des
Unterschenkels habe ich nach spät erfolgter Amputation und auch
während des Zuwartens septikaemischen Tod eintreten sehen.
Sind die Personen allgemein erfrierungsstarr aufgefunden
worden, so versucht man dieselben vorerst in einem kalten
Eaume durch Frottiren und die allgemein bekannten Belebungs-
versuche zum Bewusstsein zu bringen, worauf erst die ört-
lichen Erfrierungen in Betracht kommen.
Gegen erythematöse Frostbeulen empfehlen sich Einpin-
selungen von Jodtinctur , Jodglycerin , Collodium , verdünnte
Salpetersäure, Citronensaft , Tischlerleim, Salben von Plumb.
acet. basic. (5—10 ad 40), Creosot (O'ö, ad 20 Unguent.),
Campher (Camphor rasae l'OO, Cerae alb. 40-00, Olei lini SO'OO,
Bals. peruv. I'ÖO), Bals. peruvianus, Bierhefe, Druckverband
mittelst Emplastr. lithargyri adustum, Abreiben mittelst Schnee,
heisse Hand- und Fussbäder — mediciaische und Volksniittel
in so o-rosser Zahl, dass schon daraus ihre Unverlässlichkeit
entnommen werden kann. Geschwürige Stellen wären mit den
erwähnten, leicht ätzenden Salben oder Pflastern zu belegen,
Blasen zu eröffnen und deren Basis mittelst Lapis zu ätzen.
Wichtig istdie Prophylaxis, der zu Folge die zu Frost-
beulen Disponirten schon bei mässigem Sinken der Temperatur
warme Handschuhe und Fussbekleidung und genügend bequeme
Beschuhung tragen sollen, weü. die Erfrierung um so leichter
eintritt, je mehr der Körpertheil schon durch Druck anämisch
"gehalten wird. Ausserdem muss man bei Anämischen und Chloro-
tischen durch methodische Medication mittelst Ferruginosis
und Verbesserung der Ernährung die Disposition für Erfrie-
rungen überhaupt zu beheben trachten.
Kaposi, Hautkrankheiten.
Einundzwanzigste Yorlesung.
b) Symptomatische Hautentzündungen.
Diff^ase ervthematöse Entzündung, Erysipel; phlegn^onöse Form, P^eu-Jo-
D.ffuse erymem^ Formen: Furunkel, Anthrax (idiopathische und
Formen : Bouton d' Alep. Zoonosen : Malias-
mus, Leichenlnfeetionspustel, Pustula maligna.
Die symptomatischen Haiitentzündimgen bilden nacli
Ursache nnd Wesen einen nicht zu verkennenden Gegensatz zu
den früher besprochenen idiopathischen Entzündungen. Wahrend
diese einen directen Effect äusserer Schädlichkeiten darstellen
vmd in Allem und Jedem proportional sind der mechamschen,
chemischen nnd dynamischen In- und Extensität jener Causa
nocens, nehmen die symptomatischen Hautentzündungen einmal
angeregt, Gestalt und Verlaufsweise an, welche mit der sup-
ponnirten Ursache nicht gerade gedeckt werden kann
Die Schädlichkeiten, welche cUe symptomatischen Ent-
zündungen veranlassen, sind nicht eigentlich bekannt, sondern
nnr nach ihrem aUgemeinen Charakter abgeschätzt und gelten
als giftige oder irritirende Substanzen, welche direct oder m-
direct von animalischer Abstammung sind , sei es von dem
eigenen oder einem fremden menschlichen , oder von exnem
tHerischen Körper. Ob diese Stoffe nicht -g^sirte Zerfe^^^
producte thierischer Gewebe, oder organisirte " e M^^^^^^^^
coccen Bacterien, Bacteridien) sind, ist eine noch sehr stiittige
Frage.' Sei dem wie immer, man stellt sich vor, ^ass —
auf eine wunde HautsteUe, oder i.-gendwie m die Saftebahn
gebracht, eine Entzündung veranlassen, die als Hautaffec^-^
Sh ver chieden weit ausbreiten und als solche ablaufen, odei
auch den Gesammtorganismus in Mitleidenschaft ziehen kann,
Erysipelas.
355
wie das Leichengift , Milzbramlgift , Scklangengift , Rotzgift;
oder dass diese Schädliclikeiten von einem im betreffenden
Körper befindlichen Krankheitsherde, z. B. einem retrouteri-
nalen oder einem cutanen Eiterkerde , einer Pustel der Haut,
oder einer gar nicht nachweisbaren Quelle abstammend, in die
Gelassbahn gelangen und theils die Haut zur Entzündung, tkeils
den Gesammtorganismus zur Erkrankung bringen, wie beim
ßothlauf, Furunkel, Anthrax. Nach alledem können die symp-
tomatischen Hautentzündungen auch als örtliche oder allge-
meine Infectionskrankheit gelten. Doch, wie gesagt, ist eine
solche Auffassung nicht für alle Fälle, z. B. nicht für jeden
Furunkel, zu begründen.
Nach ihrem Idinischen Charakter erscheinen die sympto-
matischen Hautentzündungen entweder in diffuser Form,
wie Erysipel und Pseudoerysipel, ersteres mit mehr serösem,
dieses mit mehr plastischem Exsudate, oder in circumscrip-
ten Herden, wie Furunkel, Anthrax, Milzbrandpustel , Eotz-
krankheit, Bouton d'Alep. In Berücksichtigung der Intensität
der gesetzten Gewebsveränderung unterscheiden wir die hieher
gehörigen Entzündungsformen in erythematöse und phleg-
monöse.
Als erythematöse Entzündung ist anzuführen:
Erysipelas,
Rothlauf, Rose, d. i. eine in der Regel von Fieber ein-
geleitete undbegleitete Hautentzündung, welche
sich als diffuse, schmerzhafte Röthung und
Schwellung der allgemeinen Decke darstellt und
nach acutem Verlaiife grösstentheils mit Abschup-
pung endet.
Symptome und Verlauf der Krankheit lassen eine
gewisse Analogie mit denen der acuten Exantheme nicht ver-
kennen.
Dem Ausbruche des Rothlaufes geht gewöhnlich 12 — 2-i
Stunden voraus ein Schüttelfrost mit folgendem Hitzestadium,
gastrischen Erscheinungen, Erbrechen und allgemeinen Begleit-
erscheinungen, wie solche auch dem sogenannten Eruptionsfieber
der acuten Exantheme eigenthümlich sind.
Die erysipelatöse Entzündung tritt an einer beschränkten,
etwa thalergrossen Hautstelle auf unter Empfindung von Span-
23*
Eimindzwanzigstü Vorlesung.
nimg lind niässigem Sclimerz oder Jucken, als ein unregel-
mässig begrenzter, meist steilrandiger, rother, erhabener Fleck,
in dessen Bereich die Haut glatt, glänzend erscheint — Ery-
sipels glabrum — lieiss, derb und gegen Druck schmerzhaft
sich anfühlt und nach Verdrängen der Rothe gelblich tingirt
erscheint.
Im Verlaxife der nächsten Tage breitet sich die Entzün-
dung ziemlich gleichmässig auf die nachbarlichen Hautstel-
len aus , so dass der Eleck binnen zwei bis drei Tagen schon
eine flachhand- oder doppelt so grosse Ausdehnung erlangt
hat. In massigen Fällen hat der Process mit einer solchen
Ausdehnung iind binnen wenigen, etwa 3—5 Tagen, semen
Höhepunkt erreicht und steht von da ab stille — Erysipelas •
fixiim. Das Fieber, welches mit abendlichen Exacerbationen
und Temperaturen von 39—41° C. denselben begleitet hatte,
Schlaflosigkeit, Eingenommenheit des Kopfes , leichte Delirien,
Trockenheit der Zunge etc. schwinden und die Hautentzündung
bildet sich allmälig zurück. Das lebhafte Roth der erysipela-
tösen Stelle verwandelt sich in Blau- bis Braunroth und Blass-
braun, die Turgescenz und Derbheit der kranken Hautstelle
weichen allmälig, die braungefärbte Epidermis löst sich in
Schüppchen oder Lamellen ab und die Haut erscheint normal.
Esslust und Schlaf stellen sich allmälig während der Rück-
bildung der HautafFection ein.
Je nach der Ausdehnung des Processes kann ein solcher
Verlauf 8 — 14 Tage in Anspruch nehmen.
Von diesem sehr häufig zu beobachtenden Typus gibt es
Abweichungen im günstigen und ungünstigen Sinne und nach
verschiedenen Richtungen. So nach dem gesammten Symp-
tomen-Complexe , indem sowohl die Hautafi'ection äusserst un-
ansehnlich, etwa thalergross ist, von vornherein fixirt bleibt
und ohne alle concomitirenden Fieber- und AUgemeinerschei-
nungen einhergeht. Doch kann auch da die örtliche Affection
viele Tage bestehen und sich nur zögernd rückbilden.
Weiters nach der Intensität und Ausbreitung der Ent-
zündung. So kann die erstere sich derart steigern, dass die
seröse Infiltration innerhalb des Epidermisstratums zur Bildung
von Bläschen und Blasen führt, die da und dort über der
derb geschwellten Haut sich erheben — Erysipelas ve.^i-
cnlosum et bullös um. Aus diesem geht durch Eiterig-
Erysipelas.
;3Ö7
■werden des Blaseninhaltes die Form des Erysipelas pustu-
losum, und dnrch Vertrocknnng desselben die des Erysipelas
criistosum hervor. Auch im Corinna selbst kann die In-
iiltration sehr intensiv werden nnd dnrcli mechanischen Druck
und Compression der Gefässe zu Gangrän führen, wie zuweilen
an den Augenlidern , am Penis und Scrotum , am Kreuz ; oder
zu eiterig-cellulärer Schmelzung der Gewebe, Furunkel- und
Abscessbildung.
Wichtiger als diese Eigenthümlichkeiten der örtlichen
Erscheinung ist für den allgemeinen Verlauf das sogenannte
Wandern des Rothlaufes — Erysipelas migrans. Während
bei normalem Verlaufe die Entzündung, nachdem sie eine
massige Ausbreitung erlangt hat, sich fixirt und nach kurzem
Beharren sich allseitig rückbildet, schreitet dieselbe bei dem
wandernden Rothlauf nach einer oder mehreren Richtungen
continuirlich fort, während von der entgegengesetzten Seite
her die Rückbildung in gleichem Schritte nachfolgt. Die Aus-
breitung geschieht immer nach der Seite der gewulsteten,
steilen Ränder durch gleichmässiges Vorschieben dieser, oder
durch zackige Ausläufer, die, wie Pfleger gezeigt, den Langer'-
schen Spaltrichtungen der Haut folgen, während von der Seite
der flachen, verwaschenen Ränder die Rückbildung eintritt.
Derart fortschreitend kann der Rothlauf sehr grosse Haut-
strecken und auch die gesammte Hautoberfläche durchwandern,
ja, zur Ursprungsstelle zurückkehrend, den Cyclus ein zweites-
mal antreten. Auch mitten im abgeheilten Territorium pflegen
neue Rothlauf-Centra zu entstehen und getrennt stehende Roth-
laiifflächen können durch zartrosenroth gefärbte Striemen und
Linien, wie solche als Symptome der Lymphangioitis bekannt
sind, mit einander in Verbindung treten, längs solcher Strie-
men aufeinander wachsen und später difiiis verschmelzen.
Vier bis sechs Wochen nimmt ein solcher Verlauf in Anspruch,
während dessen die Kranken ausserordentlich herunterkommen,
theils durch den materiellen Verlust, welchen die ausgebreitete
Exsudation involvirt, theils durch das Fieber, das die ganze
Zeit über mit den Exacerbationen des Rothlaufes Schritt hält
und dieselben entweder durch Steigerung der Temperatur und
Pulsfrequenz , oder durch Schüttelfrost jedesmal ankündigt.
Chronische Exantheme, wie Syphilis, Psoriasis, Lupus bilden
sich während intensiven Rothlaufes, wie bei anderen fieber-
g^cj Einundzwiinzigstü Yorlosung.
haften Krankheiten, zurück („Erysipele salutalre"). In dem-
selben Masse, als der Rothlauf grössere Hautflächen durch-
schreitet und länger andauert, mehren sich auch die Gelegen-
heiten und Gefahren der Comp licationen, als welche zu
bemerken sind Delirien, Sopor, Gehirnödem , Meningitis , Lun-
genödem, Pneiimonie, Glottisödem, Pleuritis, Endo- undPericar-
ditis, metastatische Entzündung und Vereiterung der Gelenke,
der fibrösen Häute, der Haut und des subcutanen Zellgewebes,
pyämische Processe überhaupt.
Nach der Localisation ist der G e si cht sr o t h 1 a u f
— Erysipelas faciei — am häufigsten zu beobachten. Derselbe
geht meist von einer Stelle der Nase oder der Wange aus,
bisweilen nachweislich von der Nasen- oder Rachenschleimhaut,
in welchen Fällen man von einem Erysipel der Schleim-
haut sprechen kann. Das ganze Gesicht kann successive oder
gleichzeitig davon befallen sein. Dasselbe ist dann in toto
enorm gedunsen, die Lippen sind wulstig, abstehend, aus dem
Munde quillt reichlicher Speichel, die Zunge ist braunroth,
trocken, rissig ; Eachen- und Gaximenschleimhaut vne gefirnisst,
trocken, glänzend; die Augenlider ödematös , geschlossen, zu-
weilen brandig; die Ohrmuscheln dick, abstehend, der Gehor-
gfing beinahe durch die Schwellung verlegt; da und dort stehen
auf der Haut Blasen und Krusten. Der Kranke delirirt
bei hoher Temperatur (4P C.) und vollem beschleunigten Puls
oder bietet ein andermal Erscheinungen der Depression dar,
verlangsamten Puls, Apathie oder gar Sopor. Gefahrlich
pflegen insbesondere die Gehirnerscheinungen zu werden, wah-
rend der Eothlauf den behaarten Kopf besetzt, nach dessen
Durchwanderung derselbe erst auf Nacken und Schulter zur
Ansicht gelangt. An der behaarten Kopfhaut verräth sich die
Erkrankung mehr durch die grosse Schmer zhaftigkeit gegen
Berührung, da die Haare das Krankheitsbild verdecken. Nach
Ablauf der Entzündung fallen die Haare reichlich aus, ja
kommt es zu Verlust aller Kopfhaare in raschem Effluvium.
Dies erklärt sich dadurch , dass auch in die Follikel Exsuda-
tion stattfindet (Haight) , durch welche die Wurzelscheiden von
der Glashaut abgelöst werden, sowie durch die folgende Seborrhoe.
Der Gesichtsrothlauf endet noch während seines Bestan-
des zuweilen tödtlich durch die früher erwähnten Complica-
tionen, namentlich bei älteren Lidividuen und Potatores durch
Eiysipelas.
359
Lungen- oder Hirnödem, geht aber sonst grösstentheils in Grfe^-
nesung über.
Manche Menschen werden mehrere Jahre hindiu'ch wieder-
holt von Gesichtsrose heimgesucht. Bei solchen pflegt sich
eine bleibende Verdickung und Derbheit der "\\''angenhaut
herauszubilden.
An allen übrigen Körperstellen kann ßothlauf seinen
Anfang nehmen, bei Neugeborenen oft vom entzündeten Nabel
aus — Erysipelas umbilici — mit oft tödtlichem Ausgange ;
von den Impfstellen Vaccinirter — Vaccina rothlauf — von
den Genitalien beiWöchnerinnen — Erysipelas p u e r p e r a 1 i s — ;
von den Extremitäten bei mit Varices, Excorationes , PusteLa
behafteten Personen.
Die eben aufgezählten Gelegenheitsur Sachen des
Er3'sipel, sowie die Häufigkeit dieser oder jener Localisation
desselben hängt zusammen mit dessen besonderer Aetiologie.
Wie Hebra, Billroth tuad die meisten neueren Patho-
logen, meine auch ich, dass Rothlauf nie anders entsteht, als
durch Aufsaugung von irgend welchen Entzündung und Eieber
erregenden StofPen (phlogogene und pyrogene Substanzen,
Billroth) in die Lymphgefässe und Saftcanäle der Haut. Da-
für spricht sowohl das Auftreten jener früher erwähnten, den
Gefässen entlang laufenden rothen Streifen bei Rothlauf, so
dass ich das Erysipel als Lymphangioitis capillaris cutis an-
sehen möchte ; als auch der Umstand, dass man in den meisten
Eällen einen Entzündungs- oder Eiterherd nachweisen kann,
der eben solche pyrogene Stoffe, (organische Zersetzungspro-
ducte im Allgemeinen) zu produciren geeignet ist, \mi von
welchem die Lymphangioitis und der ßothlauf ihren Ausgang
genommen, sei es ein Abscess in der Haut, oder Caries einer
Kippe, oder ein Eiterherd im DouGLAs'schen Räume : und end-
. lieh noch die Erfahrung , dass zumeist die Entzündung sofort
sich rückbildet, wenn durch Ablösung der Krusten auf der
Haut, oder Eröffnung des Abscesses, dem Eiter Austritt ver-
schafft wird , von dessen Absperrung und Zersetzung eben
der ßothlauf, alsEolge einer Art Autoinfection, begonnen hatte.
Bezüglich des Gesichtsrothlaufes herrscht jedoch vielfach
die Meinung, dass derselbe genuin, durch „Erkältung" ent-
stehen könne. Ich betone, dass bezüglich dessen Ursache das-
selbe gilt , wie für Rothlauf an einer Extremität. Man muss
gßQ Eiulindawauzigste Vorlesung^
dessen. Quelle aiifsuclien und wird sie finden in Caries eines
Zahnes (Erysipelas odontalglcum), in Eczem , Lupus , Scrophu-
lose, Syphilis der Nasenschleimhaut, in einem retropharyngealen
Abscesse und Aehnlichem. Allgemein wird angenommen, dass,
wer einmal Gesichtsrothlauf gehabt, besonders disponirt ist zu
Recidiven. Das ist richtig, aber nicht, weil er sich leichter
erkältet , sondern weil die vorliegenden Ursachen solche sind,
dass sie chronisch bestehen (scrophulöse Rhinitis, Eczema und
Liipus nasi) und demnach öfters die bedingenden Stoffe für
Rothlauf hergeben. Die rationelle Therapie weiss auch diese
Verliältnisse gebührend zu würdigen.
Dennoch ist damit die Aetiologie des Erysipels nicht für
alle Fälle klargestellt. Zu gewissen Zeiten , bei uns nament-
lich im Frühling und Herbst, tritt sowohl bei sonst Gesunden,
als besonders in Spitälern zu bestehenden Wunden, Rothlauf
in grösserer Frequenz auf, und es wird angenommen, dass dieses
(septische) Erysipel sogar direct übertragbar sei, sei es ver-
mittelst eines flüchtigen Stoffes (Volkmakn), oder organischer
Krankheitskeime, Bacterien, Micrococcen, (Lukomsky, Orth,
PONFICK, ZuELZEE u. A.) , Injectioneu mittelst Erysipel-Producten
bei Thieren haben sich sehr giftig erwiesen. Doch ist damit
keineswegs dargethan, ob jenes Agens organisirt oder nicht,
■oder nur chemischer Natur sei.
Die anatomische Veränderung der Haut bei Erysipel
besteht wesentlich in einer Infiltration der gesammten Cutis,
also Epidermis, Corium und Unterhautzellgewebe, mittelst
eines vorwiegend serösen Exsudates. Doch ist dieses keines-
wegs zellenarm, wenn auch nicht so reicKhaltig an Exsudat-
zellen, wie das plastische Exsudat der phlegmonösen Hautent-
zündung. Quellung, Trübung, Kerntheilung , Zerriing und
Dehnung der Retezellen zu einem Fächerwerk (wie bei Blasen-
bildung) sind die Wirkung jener Exsudation im Bereiche der
Epidermis ; im Corium Aufquellung der Bindegewebsfibrülen,
Erweiterung der Safträume, während um die erweiterten Blut-
gefässe reichlich Exsudatzellen sich reihen. Ebenso findet
Exsudation in die Talgdrüsen und Haarfollikel statt, welche
Lockerung der Wurzelscheiden, nachträgliches Ausfallen der
Haare und langandanernde Zellenproliferation sub forma von
Seborrhoe zur Folge hat. Die erwähnte Beschaffenheit des
Exsudates und der Gewebe erklärt die klinischen örtlichen
Erysipelas.
361
Symptome , sowie die Restitutio ad integrum nach erfolgter
Resorption des Exsudates.
Acut kann sich der Zellengehalt und die Plasticität des
Exudates steigern. Dann kommt es stellenweise zu den Symp-
tomen der phlegmonösen Hautentzündung , mikro- und makro-
skopischen Abscessen und Grangrän.
Bei an derselben Stelle häufig sich wiederholendem Ery-
sipel, wie im Gresichte, an den Unterschenkeln, bleibt ein Theil
des serösen Exsudates jeweilig zurück. Es siiramirt sich so-
dann zu einem chronischen Oedem von dem Charakter des so-
genannten lymphatischen (Vieceow), das sehr viel Exsudat-
zellen enthält. Diese wachsen mit der Zeit zu Bindegewebs-
körperchen aus und vereinigen sich zu Eibrillen (Youku). So
geht aus denselben neues Bindegewebe und Verdickung der
betreffenden Haiit hervor — Pachydermia. Man kann, wie
gesagt, derart die Wangen dauernd verdickt finden nach häufig
wiedergekehrtem Rothlauf, und eben so die Unterschenkel.
Die Diagnose des Rothlaufs ist unter "Würdigung
seiner geschilderten Charaktere nicht schwierig. Verwechs-
lungen kommen vor gegenüber von Erythem, Dermatitis phleg-
monosa, und bei der Blasenform, mit Eczem.
Die Prognose ist im Allgemeinen günstig. Die meisten
Eälle enden in Genesung. Dennoch ist Voi sieht in der Vor-
hersage unter allen Umständen geboten, da man nie wissen
kann , welche Ausdehnung der Process nehmen und ob nicht
schwere Complicationen zu demselben ti'eten werden.
Dass Erysipelas faciei und migrans im Allgemeinen, und
besonders bei Trinkern und alten Personen bedenklich werden
kann, ebenso Erysipelas umbilici infantum gefährlich ist, habe
ich bereits erwähnt.
Die Therapie des Rothlaufs ist rücksichtlich seiner
allgemeinen Symptome in der Weise zu leiten, wie bei allen
fieberhaften Krankheiten, und nach den für diese geltenden
Indicationen. Darnach wird man einmal die übermässige Körper-
wärme, Delirien, Unruhe, durch kalte Einhüllungen, Eisbeutel,
u. s. w. zu mitigiren trachten, bei regelmässigem Typus der
Exacerbation Chinin verabreichen , bei mässigem Fieber oder
afebrilem Verlaufe in dieser Richtung ganz unthätig bleiben
können. Entschieden sind Venaesectionen, Blutegel und Schi'öpf-
köpfe zu verdammen.
3ß2 Einiiiid/.wanzigslu VorlBSung.
Vielfach waren von jeher die Bestrebungen, durcli ört-
liche Eingriffe und Mittel die erysipelatöse Hautentzündung
zu begrenzen und am Fortschreiten zu hindern, doch, man kann
sagen, vergebens. Weder das Ziehen einer Grenzmarke mittelst
Lapisstiftes hat sich als Hinderniss für die Ausbreitung des
Erysipels ergeben, noch lässt sich dieses durch Bestreichen
mit Collodium oder Jodtinctur an Ort und Stelle festbannen.
Die rationelle Behandlung macht sich zur ersten Aufgabe,
den Ausgangspunkt des ßothlaufes zu eruiren und unschädlich
zu machen. — Bei Gesichtsrose muss man nachsehen, ob etwa
ein Zahuabscess vorhanden ist und ihn eröffnen, besonders aber
die Nasenhöhle genau inspiciren, daselbst befindliche Pusteln
eröffnen, Krusten und Eiterherde durch Einlegen von Salben-
xind Oeltampons erweichen; und ich habe schon manchen Fall
von seit Jahren recidivirendem Gesichtsrothlauf dauernd geheilt,
indem die Patienten gelehrt wurden, auch nach Ablauf der
Krankheit Krustenbildungen im Bereiche der Nasenhöhle zu
verhüten. Analog müssen an anderen Körperstellen, z. B. an
den Unterschenkeln leicht auffindliche oder auch verborgene
Eiterherde, z. B. Periproctitis bei Erysipel der Nates, auf-
gesucht und durch Erweichung der sie deckenden Krusten,
oder operative Eröffnung ihrer Decken erschlossen Averden.
Indem derart die Gelegenheit für neuerliche Resorption ent-
zündungserregender Substanzen beseitigt wird, ist auch der
erysipelatöse Process am ehesten zu begrenzen.
Die in Entzündung befindlichen Hautstellen selbst werden
entweder gar nicht, oder mit trockener YerbandwoUe, mit Eis-
blasen oder Kataplasmen bedeckt, je nachdem man die Kranken
für das Eine oder Andere subjectiv mehr disponirt findet, d. h.
sie dies oder jenes angenehmer , behaglicher empfinden. Auf-
legen von auf Leinwand gestrichenem Unguent. hydrargyri ist
bei Gesichtsrothlauf beliebt. Doch achte man dabei auf die
Gefahr von Salivation. Li neuerer Zeit haben Hüeter, Neü-
DÖRFER U.A. angegeben, durch täglich 10-20malige subcutane
Liiection von ein- bis zweipercentiger Carbollösung den Roth-
lauf örtlich coupirt zu haben. Ich habe darüber kerne Er-
. fahrung. . . , .,j
Die Application von auf Leinwand gestrichenen müden
Salben (Gerat, simplex, Zink- oder Präcipitalsalben (1:40),
Glycerin" Vaseline, LiSTER'sche Paste, Phunbum aceticum und
Pseudoerysipel. Furunkel.
3G3
Aehnliclies kann die Spannung etwas mildern und beson-
ders zur Zeit der Decrustation als zweckmässig empfohlen
werden.
Die phlegmonösen Hautentzündungen charakterisiren
sich durch intensive, schwer verdrängbare Rothe, BQtze,
Schmerzhaftigkeit und sehr derbe, bis zu bedeutender Härte
gesteigerte Infiltration und Schwellung der betroffenen Haut
und dui'cli den gewöhnlichen Ausgang in eiterige Schmelzung
oder Massennekrose (Gangrän) des Gewebes.
In diffuser Form stellt dieselbe das sogenannte Pseudo-
erysipel (Phlegmone) vor. Meist mit Schüttelfrost und
Fieber eingeleitet , entsteht dasselbe als eine über grosse
Strecken, z. B. eme Extremität, sehr acut sich ausbreitende,
derbe, schmerzhafte Schwellung und Röthung der Haut. Die
Entzündimgserscheinungen können mit Nachlass des Fiebers
nach einigen Tagen sich verlieren, unter Zurücklassung von
brauner Pigmentirung und Desquamation. Häufiger kommt es
sehr rasch , binnen ein bis drei Tagen , zu weitverbreiteter
eitriger Schmelzung des Gewebes, die durch gesteigertes Fieber
und örtlich durch Fluctuation sich zu erkennen gibt. Nach
EröfiFnung und Entleerung des oft jauchigen und massenhaften
Eiters , dem immer auch gröbere Gewebsfetzen beigemengt
sind, zeigt sich oft eine enorme Verwüstung des Unterhaut-
zellgewebes, oder gar noch der unterliegenden Gewebe, Fascien,
Muskel, Entblössung oder Nekrose der Knochen, Eröffnung der
Gelenke. Am übelsten in dieser Beziehung ist die Phlegmone
der Hand, welche frühzeitig die Phalangealknochen und Gelenke
gefährdet.
Neben den örtlichen Folgen sind fortgeleitete Adenitis,
ferners Pyämie, Icterus, Metastasen, langwierige Kachexie oder
rascher Tod bei Pseudoerysipel zu fürchten.
Die Ursache desselben ist wohl immer eine, sei es von
aussen her durch Leichengift , Variolainhalt , Puerperalsecret,
Jauche , faulende animalische Substanzen überhaupt , mittelst
Eintragung in eine "Wimde (Excoriation) erfolgte Intoxication ;
oder eine analoge Vergiftung , die von einem Eiterherd des
Individuums selbst durch die Lymphbahn ihren Weg genom-
men. In dem letzteren Falle stellt ihr Effect die eigentlich meta-
statische Phlegmone vor, wie' die nach Variola vera
geschilderten, oder die bei Wöchnerinnen zu beobachtenden.
Eimuldzwanaigste Vorlesuug.
Hielier würden aucli die durch Schlangengift, Biss von
Scorpionen etc. von den Bisswnnden her sich ausbreitenden
Phlegmonen gehören, die entweder als örtlicher Affect ab-
laufen, oder diirch allgemeine Blutvergiftung den Tod herbei-
führen.
Bezüglich ihrer Therapie , die aus der Chirurgie bekannt
ist, erwähne ich nur die Nothwendigkeit, so früh als möglich
und genügend tief Einschnitte zu machen, auch wenn noch
kein Sammelherd des Eiters zu constatiren wäre.
In cir cum Script er Eorm erscheint die phlegmonöse
Hautentzündung bei den als Furunkel und Anthrax be-
kannten Krankheiten, sowie bei den Zoonosen: Rotz-
krankheit, Leicheninfectionspustel mid Pustula
maligna.
Der Furunkel stellt einen umschriebenen , derben , ent-
zündlichen Knoten der Cutis vor, in dessen Centrum es ge-
wöhnUch zu Nekrose des Gewebes in Gestalt eines zur EHmi-
nation gelangenden Pfropfes kommt. Seine Entwicklung kündigt
sich durch eine umschriebene Schmerzhaftigkeit und Härte der
Haut an. Erst am folgenden Tage zeigt sich daselbst auch
ßöthe und vermehrte Wärme. Geschwulst, Härte und Rothe
breiten sich aus, so dass der nur mässig vorragende Knoten
hasel- bis wallnussgross erscheinen kann. Bei dem deutlich
um einen Haarbalg entstandenen Eollicular - Furunkel zeigt
sich schon frühe ein vom Haare durchbohrter gelber Punkt ; bei
den sogenannten Zellgewebs-Furunkeln dagegen sieht man einen
solchen erst nach mehreren Tagen , oder wölbt sich auch nur
die blaurothe und verdünnte Haut empor, indem es inzwischen
unter Andauer der Schmerzen und Gefühl von Pulsiren zu
eiteriger Schmelzung in dessen Mitte gekommen. Nach Er-
öffnung der Eiterdecke mildern sich in etwas die Schmerzen,
doch schwinden dieselben erst dann gänzlich, wenn sich nach
8—10 Tao'en die nekrotische Masse durch Eiterung losgelöst
hat. Dieselbe wird in Gestalt eines gelblich-grünen . zalien,
eiterdurchtränkten Pfropfes ausgestossen oder ausgelost^Hier-
auf erfolgt aUmäliger Verschluss der becherförmig klaffenden
Höhle durch Granulation.
Manchmal eröffnet sich der furunculöse Knoten aii melire-
ren Punkten und lösen sich mehrere Pfropfe aus. Die Haut
sieht dann daselbst wabenartig durchlöchert aus - i urunculus
Anthrax. Furiinculosis.
3G5
vespajiis. Es handelt sich da um mehrere zusammen-
gedrängte Funuikel.
Bei reizbaren Individuen begleitet wohl auch Fieber die
Entziindungs- und Eiterungsperiode des Furunkels.
Der Anthrax (Carbunkel) entsteht als eine furunkel-
o-lelche, aber über thaler- bis flachhandgrosse und noch mehr
ausgebreitete, sehr harte, kaum bewegliche Infiltration der
Haut und des Unterhautzellgewebes. Sein häufigster Sitz ist die
Nackengegend, doch kommt er auch im Gesichte, auf der "Wange,
Lippe, oder am Rücken, in der Kreuzgegend vor. Schmerz
und Fieber sind bei demselben oft sehr intensiv, ja, bei seiner
Localisation am Nacken und im Gresichte zuweilen auch Delirien
und Sopor zugegen. lieber demselben nekrosirt die Haut in
verschiedener Ausdehnivng und Form, indem sie zu einer bläu-
lich-schwarzen Pulpe, oder einem lederartigen trockenen Schorfe
verwandelt wird. Der Abstossung dieser folgt noch weitere
Exfoliation des tieferen Bindegewebes, das von Eiterherden,
geschmolzenen Grewebsfetzen, thrombosirten Blutgefässen in der
unregelmässigsten Weise durchsetzt ist. Erst nachdem die
infarcirten Massen alle geschmolzen und durch demarkirende
Eiterung ausgestossen worden, liegt eine rothe, granulirende,
oft sehr tiefe Wunde bloss, die regelrecht zur Verkeilung
kommt.
Auch bei so günstigem Verlaufe ist der Carbunkel eine
bedeutende Krankheit. Er wird aber gefährlich, wenn die In-
filtration und Gangrän fortschreiten und die Begrenzung nickt
eintritt, indem da durch Pyämie oder unter Erscheinungen des
Gehirnödems der Tod erfolgen kann. Aeltere Personen sind
durch Anthrax jederzeit sehr gefährdet und die Prognose
muss bei dieser AfFection immer vorsichtig gestellt werden.
lieber die anatomischen Verhältnisse des Furunkels
und Anthrax sind wir nur wenig aufgeklärt, da dieselben wohl
niemals vor Eintritt der Gewebsnekrose zur Untersuchung ge-
nommen worden sind. Soweit das klinische Bild und Form
und Be.standtheile des ausgelösten Pfropfes lehren, geht die
Entzündung und Mortificatien meist von einem Haarbalge oder
einer Talgdrüse (Billroth) und dessen Grenzgewebe aus ; wie
Rindfleisch meint, vielleicht von dem Bindegewebsstrang,
welcher vom Grunde des Haarbalges in die subcutane Zell-
schicht zieht (Werthefm). Manche meinen, dass eine Thrombo-
-.^QQ Einundzwanzigste Vorlesung.
sirung der den FoUikelgrund versorgenden Gefässe der Ent-
zündung und Gewebsnekrose zu Grunde liege, was jedoch noch
nie erwiesen wurde.
Bei Carbunkel sind die anatomischen Verliältnisse noch
complicirter.
Furunkel und Anthrax müssen übrigens pathologisch im
Zusammenhange betrachtet werden , indem beide unter den
gleichen Verhältnissen aufzutreten i.flegen und sehr oft eine
Eeihe von furunculösen Erkrankungen mit einem Carbunkel
abschliesst.
Die Furunkel kommen entweder sporadisch vor, oder zu
vielen in einer successiven Reihe, derart, dass durch mehrere
Monate und selbst Jahre , mit kurzen Unterbrechungen oder
continuirlich und au verschiedenen Kö rp erstellen , oder vor-
wiegend an bestimmten Regionen Furunkel auftauchen. Man
spricht dann von F u r u n c u 1 o s i s , als einem chronischen Uebel ,
das durch die häufigen Schmerzen, Fieber und Eiterungen den
Kranken sehr herunterbringen, oder durch Intercurriren eines
Anthrax auch gefährden kann.
Nach ihrer Ursache nun kann man idiopathische
und symptomatische Furunkel und Carbunkel iinterschei-
den. Die ersteren entstehen bei ganz Gesunden spontan und
dann meist solitär, oder einzeln und zu vielen successiven in
Folge von Reizung der Haut durch vieles Douchen, Kalt-
wassercuren (sogenannte Krisen) und Kratzen, wie bei den
jiickenden Hautkrankheiten Eczem, Prurigo, Scabies, Pediculi
vestimentorum.
Als symptomatisch können Furunkel und Anthrax
gelten, wenn sie, wie erfahrungsgemäss , als Folge oder Be-
gleiter von allgemeinen Ernährungsstörungen, chronischer In-
digestion, Marasmus senüis, Diabetes auftreten.
Die Therapie ist gegen die besprochenen AfPectionen
ziemlich ohnmächtig. Man kann weder durch AppHcation von
Eis oder feuchter Wärme, noch durch frühes Einschneiden den
Verlauf des einzelnen Furunkels alteriren oder abkürzen. Da-
her empfiehlt es sich , der Empfindung des Kranken gemäss,
das Eine oder Andere aufzulegen, was eben dessen bchnierzen
zumeist lindert. In der ersten Zeit behagt meist die Kulte,
zur Zeit der eiterigen Schmelzung die warme Jomentation
Boutou d'Alep. Mali.isniiis.
367
(liu'cli Kataplasmen oder indifferente Salben und Pflaster. Das
Ausheben des nekrotischen Pfropfes vor seiner vollständigen
Lockerung hat gar keinen Zweck.
Dagegen ist beim Anthrax die energischeste Anwendung
der Eiskälte und das möglichst frühe durchgreifende Ein-
schneiden — wobei das derbe Gewebe kreischt — nach vielen
Richtungen angezeigt ; letzteres um möglichst viele Eiter-
herde zu eröfthen. Mit dem Eintritt der Schmelzung sind
warme Eomentationen oder desinficirende Verbände (Carbol-
paste, Trimethylammonium) angezeigt.
Bei Eurunculosis werden die einzelnen Eruptions-
luioten gerade so symptomatisch behandelt, wie die sporadischen
Eurunkel. Ausserdem trachte man die eventuelle allgemeine
Ursache derselben zu eruiren und durch geeignete IVIittel,
Trink- und Nährcuren, Amaricantia, Soda, Ferrum, Thermal-
wässer von Franzensbad, Karlsbad, Marienbad u. A. zu be-
heben. Im Allgemeinen erweisen sich Bäder als nicht zuträg-
lich, doch sind wiederholt Alaun- und Sodabäder (1000 Gramm
auf ein Bad) , sowie Sublimatbäder (10 Gramm auf ein Bad)
angerathen und heilsam befunden worden. Ich selbst habe
derartige Verfahren oft angewendet, da die Furunculosis eine
überaus lästige Krankheit ist und zu immer neuen Heilver-
suchen auffordert.
In der Literatur wird auch von endemischen Furun-
keln berichtet, wie Anthrax hungaricus, esthonicus, bothnicus,
Bouton d'Aleppo. Von Letzterem sagen Pococke, Willemin,
RiGLEE, J. 'E. PoLLAK u. V. A. , dass derselbe in den Länder-
gebieten des Euphrat und Tigris und vielen anderen besonders
genannten Erdstrichen vorkomme und die Eingeborenen dvirch-
wegs zwischen dem 1. — 7. Lebensjahre, jeden Eingewanderten
aber innerhalb des 1. — 2. Jahres seines dortigen Aufenthaltes be-
falle. Der Bouton entsteht als ein entzündlicher Knoten im
Gesichte, auf der Hand oder sonst wo am Körper, zerfällt
oberflächlich, bildet ein indolentes Geschwür, das nach 6 — S
Monaten mittelst Narbe heilt und kehrt nicht ein zweites Mal
wieder. Geber, der jene Gegenden besuchte, hat zwar erklärt,
dass dort Vieles für Bouton angesehen wird, was nicht richtig
diagnosticirt worden , wie Lupus und Syphilis , hat aber nach
meiner Meinung damit die Existenz des Bouton doch nicht zu
widerlegen- vermocht.
Einuudzwanzigste Vorlesung.
An die geschilderten Krauklieitsformen sclüiesst sich eine
Gruppe von circurascripten , phlegmonösen Hautentzündungen
an, die durch thierische Gifte hervorgerufen werden —
Zoonosen; zunächst
Die Rotzkrankheit des Menschen, Maliasmus. (Malleus
humidus, MoEVE et Faecin), welche durch Uebertragung
der gleichnamigen Krankheit vom Pferde (Thiere) auf den
Menschen entsteht. Sie manifestirt sich entweder als ört-
liche AfPection in derselben Weise, wie aUe durch moculirte
organische Gifte erzeugten Phlegmonen, mit Entzündung.
Eiterung, Gangrän, Lymphangioitis , Adenitis, metastatische
Eiterung und kann durch Pyämie tödten, oder nach Abstossung
der Gangrän mit Genesung enden.
Oder es kommt zur maliatischen Allgemeinerkr an-
kuno- mit oder ohne vorhergehende LocalafiFection, Dieselbe
bekundet sich als allgemeine Blutvergiftung durch Schüttel-
fröste, Eieber, Gelenksschmerzeu und entzündliche Localisa-
tionen' an der Haut, an welcher zahlreiche Pusteln, Fnrnnkeh
hämorrhagische Knoten nnd Abscesse in der mannigfachsten
Grösse sich entwickeln. Anch die Nasenschleimhaut ist oft
geschwellt, entzündet, in reichlicher , eiteriger Secretion be-
grifleen. Das Leiden verlauft entweder unter heftigem Fieber,
kephalischen Erscheinungen, Complication mit Pneumonie, Mil^-
und Darmaffectionen binnen wenigen Tagen oder Wochen letal,
acuter ßotz; oder es entwickelt sich zur chronischen
Eotzkrankeit, indem die stürmischen allgemeinen Symptome
sich verlieren , aber die Abscessbildungen sich fort erneuern,
und der Tod erfolgt am Ende eines jahrelangen Marasmus ;
oder endlich es versiegt in seltenen FäUen auch die Reihe der
localen Entzündungen und die Kranken genesen.
Bei der Section an ßotzkrankheit Verstorbener finden
sich neben den Knoten und Eiterherden der Haut auch solche
der Schleimhaut der Nase, des Rachens und Kehlkopfes, der
Bronchien, herdweise Pneumonie und mannigfache Verände-
rungen der parenchymatösen Organe, Muskel und des Gefäss-
systems. , . i , • • „
Die Diagnose des Malleus humanus erheischt einige
Aufmerksamkeit, da dei^selbe sonst leicht mit Variola, noch
elier aber mit pustulöser und gummatöser Syphilis verwechselt
werden kann.
Leicheninfectionspustel. Milzbrandcarbunkel.
369
Zur Ansteckung durcli Rotz ist nicHt die directe Be-
rührung eines rotzkranken Tliieres nöthig. Es genügt das
Schlafen und der längere Aufenthalt in einem Stalle, der rotz-
kranke Pferde beherbergt, oder selbst die Beschäftigung mit
dem Aase eines solchen ; denn das ßotzgift ist erwiesenermassen
flüchtig.
Auch von Menschen auf Menschen ist Uebertragung der
Eotzkrankheit beobachtet worden.
Die Leicheninfections-Pustel kommt vor bei Personen,
welche mit menschlichen oder thierischen Leichen und
deren Producten (Felle von Thieren) zu hantiren haben,
bei Aerzten, Sectionsdienern , Abdeckern, Fellscheerern. Die
AfFection nimmt zumeist eine Stelle des Handrückens ein, sub
forma einer hämorrhagischen Blase , oder eines meist sehr
schmerzhaften Follicular -Furunkels. Der Verlauf ist ganz
analog dem bereits für andere Infectionsformen geschilderten;
entweder acute locale Entzündung mit Lymphangioitis , Gran-
grän , Nekrose der "Weicbtheile , der Knochen und Heilung ;
oder acute Pyämie und Tod; oder chronischer Marasmus mit
und ohne Grenesung.
Das G-leiche gilt für den Milzbrandcarbunkel, Pustula
maligna, welche dieselben Chancen des örtlichen oder all-
gemeinen, acuten oder chronischen, günstigen oder letalen Ver-
laufes darbietet.
Dieselbe entsteht unter Jucken und Brennen als rother,
erhabener Fleck , wie nach einem Insectenstich. Sehr bald
hebt sich über demselben die Epidermis durch hämorrhagisches
Serum zu einem Bläschen empor, das im Centrum eintrocknen,
peripher sich vergrössern, oder mit nachbarlichen verschmelzen
kann. Inzwischen ist an der Basis eine thaler- bis flachhand-
grosse , sehr derbe und wenig schmerzhafte Infiltration der
Haut entstanden, auf welcher bald eine hämorrhagische Blase
sich erhebt, oder ein Theil der Haut zu einem trockenen, miss-
farbigen Schorfe sich verwandelt. Die Localisation betrifft
meist den Handrücken , seltener das Gresicht , das Augenlid,
welches dabei enorm anschwillt und derb infiltrirt ist.
"Wenn der Process nicht rasch zum Tode führt, so ne-
krosirt der grösste Theil des infiltrirten Gewebes, nach dessen
Abstossung daselbst Granulation und Vernarbung erfolgt.
Lymphangioitis und eiternde Adenitis axillaris , oder Verjau-
Kaposi, Haiitki'ankUelten. 24
grjQ Eintmdzwanzigste Vorlesung.
chung des Pectoralimiskels kommt häufig vor. Die Prognose
ist nur bei localer Beschränkung der AfFection und mangehi-
den Allgemeinsymptomen günstig, sonst sehr zweifelhaft, denn
es kommt oft zu pyämischen AUgemeinerschemungen und
binnen kurzem Verlaufe zum Tode.
Die beste Behandlung ist die rein symptomatische.
Hebka befürwortet nicht die von anderer Seite empfohlene
Aetzuns der Pustula maligna, oder der anderweitigen Inlec-
tions-Knoten und Pusteln mittelst rauchender Salpetersäure.
Der Milzbrandcarbunkel kommt seiner Quelle gemäss zu-
meist bei Abdeckern, Yiehwärtern und Personen vor, die mit
dem Aas und den AbfäUen milzbrandkranker Thiere m Be-
rührung kommen; gelegentlich auch durch den Stich von Fhe-
cren die auf Milzbrand-Aesern gesessen hatten.
' Als Träger des Ansteckungsstoffes für Müzbrandcarbun-
kel werden die seit Pollekdee undDAVAiNE vielfach im Bkite
milzbrandkranker Thiere und im Gewebe des Carbunkels selbst
nachgewiesenen beweglichen Stäbchen,
sehen Ich verweise in dieser Beziehung, sowie bezüglich dei
Art und Gelegenheit der Ansteckung und der Symptome der
Tllgemeinen und Litestinalerkrankung bei ^lilzbrand (H^^kosi.
intLinalis) auf die Werke über specielle Chirurgie und
Pathologie.
Zweiandzwauzigste Yorlesimg.
B. Chronische exsudative Dermatosen.
Anatomische Bedeutung und klinische Eiotheilung der chronischen Exsu-
dat! vprocesse. Squamöse Dernnatosen. Psoriasis.
Meine Herren! Mit dem Studium der chronis clien
exsudativen Dermatosen befinden wir uns so recht
mitten in dem eigenartigen Gebiete der Dermatologie. Viele
von den bisber besprocbenen Affectionen , namentlicb die acut
entzündlichen, werden vermöge eines Tbeiles ihrer Symptome
jederzeit auch von der medicinischen und chirurgischen Patho-
logie gebührend gewürdigt und so zur Kenntniss der Studi-
renden gebracht werden. Nicht so die in dieser Gruppe zu
besprechenden, welche vorwiegend selbstständige Partien der
Haut darstellen.
Wie schon ihre allgemeine Charakterbezeichnung als
chronische exsudative Dermatosen besagt, liegt allen ein Nutri-
tionsvorgang zu Grunde, der chronisch sich abwickelt und als
entzündlich oder exsudativ bezeichnet werden kann, indem nur
einzelne Symptome der Entzündung, nicht aber der gesammte
Symptomencomplex derselben, bei ihnen sich vorfinden. Von
diesen überwiegt bald die Gefässinjection (Rothe), bald die Ex-
sudation, oder Proliferation der Gewebselemente. Zugleich
betreffen diese Vorgänge entweder vorwiegend die Papillar-
schichte, oder auch die tieferen Coriumschichten, oder nur die
Drüsen und deren nächste Umgebung, oder vorwaltend die
Epidermis. Da auch gelegentlich eine Steigerung des ent-
zündlichen Vorganges zur acuten, typischen Entzündung mög-
372
Zweiundzwanzigste Vorlesung,
licli ist, manclae dieser Formen, wie das Eezem, meist aucli
aus acuten Anfangen hervorgeht, so ist es kaum thunlich, auf
G rundlage dieser feineren anatomischen Unterschiede die grosse
Zahl der hieher gehörigen Krankheitsformen von einander zu
sondern.
Deshalb empfiehlt es sich besser, nach dem Vorgange
Hebra'b, neben den vorspringenden anatomischen Veränderun-
gen auch die sehr auffälligen klinischen Merkmale hier mit
zur Unterscheidung zu verwerthen und daraufhin die chroni-
schen exsudativen Dermatosen in folgende 5 Gruppen einzu-
theilen, als :
1. SquamöseDermatosen, Schuppenausschläge : Pso-
riasis, Liehen ruber. Liehen scrophulosorum.
2. Pruriginöse Dermatosen, Juckausschläge: Ec-
zema (Scabies), Prurigo.
3. Folliculitides, Finnenausschläge: Acne, Sycosis,
Acne rosacea.
4. Pustelausschläge: Impetigo, Ecthyma.
5. Blasenausschläge: Pemphigus.
Beschäftigen wir uns zunächst mit den in die erste Gruppe
gehörigen Krankheitsformen.
1. Squamöse Dermatosen.
Psoriasis,
Als Psoriasis bezeichnet man seit Wn.LAN jene Haut-
krankheit, welche sich durch trockene, weisse, glän-
zende Schuppenauflagerungen charakterisirt, die
in Form von punktförmigen Hügelchen, oder grös-
seren, scheibenförmigen Platten auf scharf be-
grenztem,, rothem, leicht blutendem Grunde auf-
lagern.
Die ausserordentlich variablen Formen der Krankheit
gehen allesammt aus Primärefflorescenzen derselben
Art hervor. Diese erscheinen als stecknadelkopfgrosse, braiin-
rothe Knötchen, welche unter dem Fingerdrucke bis zum Ver-
schwinden erblassen und binnen wenigen Tagen mit einem
weissen Epidermisschüppchen sich bedecken. Wird dieses mit
dem Fingernagel abgelöst, was sehr leicht geschieht, so er-
scheinen auf dem rothen Grunde viele feine blutende Punkte.
Diese entsprechen eben so vielen Gefässchen der Papillen,
Psoriasis.
373
welche, hyperämiscli geschwellt, hex'vorragten xind von dem
kratzenden Nagel verletzt worden waren. '
Viele solche Primärefflorescenzen, gleichzeitig anf der
Hant vorhanden, geben das Bild der Psoriasis punctata.
Aus dieser geht durch periphere Ausbreitung der Rothe,
Schwellung und Schuppenbildung die Form der Psoriasis gut-
ta ta iTud nu miliaris hervor, tropfen- und pfenniggrosse
Sohuppenauflagerungen auf eben so grossem, rothem, massig
o-eschwelltem G-runde ; und so fort binnen 1 — 3 "Wochen thaler-
grosse und grössere solche Scheiben , die stets dieselben Cha-
raktere zeigen, leicht ablösbare Schuppenauflagerung und leicht
verletzbaren rothen Grund. Bei den grösseren Scheiben ist
die auflagernde Schuppenplatte von einem rothen Saum um-
geben. Man erkennt so, dass auch bei dem Fortschreiten des
Processes ßöthe und Schwellung der Haut der Schuppen-
bildung über derselben vorangeht. Durch directe Aus-
breitung der einzelnen Plaques und Vereinigung mehrerer
nachbarlicher entstehen weiters ausgedehnte und unregelmässig
gestaltete, gleichmässig rothe und mit Schuppenauflagerungen
versehene, immer scharf begrenzte und roth umsäumte Pso-
riasisflecke — Psoriasis figurata, geographica, endlich
diffusa und univeraslis.
Zumeist aber bilden sich die einzelnen Plaques zurück,
nachdem sie thaler-, flachhandgross geworden und einige Zeit
stationär geblieben waren , was durch den Mangel des fort-
schreitenden rothen Saumes zu erkennen ist. Unter Abnahme
der ßöthe und Schwellung vermindert sich die Epidermispro-
duction und Auflagerung, die Schuppe wird dünner, lockerer,
und ist die ßöthe ganz geschwunden , dann fällt auch der
letzte ßest der Schuppe ab. Die Hautstelle ist mit glatter
Epidermis bedeckt und normal gefärbt oder braun pigmentirt ;
letzteres dort, wo die Hyperämie lange Zeit bestanden, oder
wie an den Unterextremitäten , der ßückstrom des Blutes mehr
gehemmt ist.
Zumeist erfolgt nun diese Heilung gleichzeitig in der
ganzen Ausdehnung des einzelnen Plaque , bei manchen Flecken
jedoch, und zuweilen bei allen vorhandenen in der Weise, dass
regelmässig zuerst die älteren, also centralen Stellen abblassen
und heilen, während peripher ßöthe und Schuppung fortschrei-
ten. So entstehen rothe, schuppende Kreise, die sich bis zu
Zweiundzwanaigste Vorlesung.
beträcMlichem Umfange vorschieben können - Psoriasis a n-
nularis (Lepra Willani) nnd durcli AnfemandertrefFen der-
artiger Kreise, wobei sie an den Berührungsstrecken aboliren,
serpiginöse Linien — Psoriasis gyrata. ^ . .
Die mannigfachen Formen, nnter welchen die Psoriasis
erscheinen kann, steUen demnach nur verschiedene Entwicklungs-
land ßückbildungsstufen desselben Processes vor, die selber m
einer fortwährenden Wandlung begriffen sind. Es ist also
besonders, wie Hebka gezeigt, auch die ringförmige Psoriasis,
nicht anders aufzufassen und daher nicht mit einem eigenen
Namen (Lepra Willani) zu belegen. . , ^ ■
Die Entwicklung und Rückbildung der einzelnen Psorias-
plaques geht manchmal sehr rasch, binnen wenigen Wochen,
manchmal sehr zögernd vor sich. Im ersteren Falle sind die
Schuppenmassen lockerer, weiss glänzend, leicht ablösbar , so
dass sie im Bette, oder beim Darüberstreichen mit der Elach-
hand in enormer Menge zu Boden faUen. Ihi^e Production und
Abstossung geht sehr rasch vor sich. Ueber solchen Plac^ies
iedoch, welche lange stationär bleiben , thürmen sich die Epi-
dermisschuppen zu mächtigen, festhaftenden, harten und meist
schimitzig-weissen bis braunen, schildförmigen Auflagerungen
hinan. ^ i \ ^
Li Bezug auf Localisation, Anordnung- mul Avis-
breitung bietet die Psoriasis die grössten Mannigfaltigkeiten
dar. Man sieht Fälle, wo nur ein oder einzelne Plaques zugegen
sind, und solche mit zahlreichen disseminirten Herden und Er-
krankungen von universeller Ausbreitung. Die Anordnung is
meist unregelmässig. Am Stamme pflegen die noch getrennt
teilenden Mecke l dem Eippenverlauf (der ^^^^
Haut) paraUelen Reihen gestellt zu sein.
der Extremitäten und besonders des Knie- und Ellbogen-Ge-
lenkes ferner der behaarte Kopf und die Sacralgegend bilden
"e hänfigstenLocalisationsstellen für Psoriasis und sind darum
a ich fast regelmässig mit stationären, alten, dicke, schmutzig
S huppen tragenden Flecken besetzt. Am behaarten Kopfe
häSsich dl Schuppen zu dicken, höckengen, einem eni-
^^^en Mörtel vergleichbaren, mit den Haaren verfilmten
Massen an, die sehr fest haften. ^ . i , 0+,,^
Aber auch jede andere Hautstelle, des Gesichtes^ Stam-
mes utd de^ Extremitäten kann der Sitz eines alten Psorias-
Psoriasis.
375
plaque sein, oder gelegentlich einer allgemeinen Eruption
befallen werden. Flachliand und Fusssolile allein bleiben regel-
mässig, selbst bei sonst universeller Erkrankung, frei von Pso-
riasis und werden nur selir ausnahmsweise davon betroffen,
im Gegensatze zu der Häufigkeit, mit welcher dieselben von
Sj-philis befallen werden, einer Erkrankungsform, die durch
iln-e vulgäre Bezeichnung als Psoriasis palmaris et
plantaris (i. e. syphilitica) oft miss verstanden wird.
Form, Localisation und Ausbreitung, d. i. das Gesammt-
bild der Psoriasis, sind auch bei jedem einzelnen Kranken
höchst wandelbar, je nach der Art und dem Stadium des
Krankheitsverlaufes.
Der Verlauf der Psoriasis ist nämlich äusserst chro-
nisch, aber nicht stetig, sondern aus unregelmässig sich ablö-
senden Perioden der Zu- und Abnahme des Processes zu-
sammengesetzt.
Nur selten tritt die Krankheit bei einem bis dahin pso-
riasisfreien Individuum, ohne Vorläufer, mit einer acuten
allgemeinen Eruption auf, oder mit einzelnen wenigen, dissemi-
nirten Flecken, welche in schleichendem Verlaufe sich ver-
grössern und durch spärKch neu auftauchende sich vermehren.
Das Gewöhnliche ist, dass ein Kranker Jahre hindixrch alte,
trockene, harte Plaques über Knie- und Ellbogengegend und
am Capillitium, selten an anderen Stellen, trägt, die sich fast
unmerklich verändern. Alsdann tauchen ohne nachweisbare
Veranlassung auch an anderen Körperstellen neue Psoriasis-
Punkte auf, einmal nur sporadische, ein andermal viele zu-
gleich, welche, in stetiger Ausbreitung und durch neu nach-
schiebende Efflorescenzen vermehrt und vergrössert, binnen
wenigen Wochen einen grossen Theil der Hautoberfläche occu-
piren. Nach einiger Zeit bilden sich die neuen Flecke zurück,
hört die Eruption frischer Knötchen auf und die Psoriasis
schwindet bis auf einzelne Reste, welche grösstentheils auf die
früher genannten Prädilectionsstellen sich beschränken. Dann
folfft ein Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten rela-
tiver Gesundheit und diesem wieder eine Periode von Exacer-
bation. So geht das fort viele Jahre hindurch, das ganze
Leben, wobei die einzelnen Etappen der Besserung und Stei-
gerung der Krankheit höchst ungleich sich erweisen, sowohl
bezüglich der Dauer als der Intensität der Exacerbation oder
1
g-jQ Zweiundzwanzigste Vorlesung.
Remission, und keinerlei Regeln rücksichtlicli der Jahreszeit,
der äusseren Verhältnisse n. s. w. erkennen lassen. Bei Ge-
legenheit einer solchen Exacerbation kann es auch zu uni-
verseller Psoriasis kommen, bei welcher vom Scheitel bis
zur Zebe die Haut gleichmässig rotb, mit abblätternden Schup-
pen verseben, beiss, trocken, streckenweise glänzend, atlas-
artig, empfindlicb, gespannt ist. Die Gesicbtsbaut erscheint
geschrumpft, das imtere Augenlid ectropiscb, die Kranken
halten sieb zusammengekauert, weil jeder Versuch der Streckung
in den Gelenken Einreissen der Oberhaut und blutige Rha-
gaden zur Folge hat. Die Kopfhaare fallen leicht aus, ja es
tritt Kahlheit vorübergehend oder bleibend ein. Fortwährendes
Frosto-efühl , heftiges Jucken, auch Fieber , gastrische Erschei-
nungen, Singultus, Schlaf- und Appetitmangel, Abmagerung,
gefährliche Zufälle begleiten diesen Zustand. Doch ist auch
von diesem nach Frist vieler Monate eine Rückbildung bis zu
dem mässigen Grade möglich. Manche Kranke erfahren wieder-
holt solche Steigerung ihrer Krankheit.
Ausnahmsweise kann Jemand sein Leben lang mit be-
schränkter Psoriasis der Gelenks - Streckflächen behaftet sein,
ohne intercurrirende Erkrankung anderer Hautstellen.
Wie die Haare durch rasches Ausfallen ihre Mitleiden-
schaft bekunden, so erkranken auch die Nägel bei jeder
langandauernden Psoriasis in der Art, dass sie trocken, getrübt,
bi'üchig, käsig werden.
Auf der Schleimhaut der Mundhöhle habe ich eben
so wenio- wie Hebea, jemals eine der Psoriasis parallele Er-
krankung gesehen; - wohl aber bei einzelnen Psoriatischen
o-raue Plaques, die jedoch von Syphilis herstammten.
Von s ub j e c t i V e n Erscheinungen erwähne ich neben
den schon genannten (Jucken , Schlaflosigkeit , Gastricismus)
noch rheumatische Gelenksschmerzen , welche die acuten Aus-
brüche zu begleiten pflegen, Empfindung von Durst und
Trockenheit im Munde.
Der anatomische Befund lehrt (Weetheim, Neumann),
dass der Psoriasis örtlich eine vorwiegend die Papillarschichte
betreffende, entzündliche Veränderung der Haut zu Grunde
liegt. Auf mikroskopischen Durchschnitten vom Lebenden
exscindirter, frisch-psoriatischer Hautstücke findet man die
Schleimschichte mächtig entwickelt, innerhalb der Papillen die
Psoriasis.
377
Gelasse und die Maschenräume erweitert und reichlich Zellen
eingelagert, besonders um die ersteren , an deren Wand auch
das Netzwerk verdichtet erscheint.
Die alten Psoriasisplaques entsprechende Haut zeigt das
Corium verdickt und bis in's Unterhautzellgewebe von Zellen
infiltrirt, ausgedehnte Gefässe, geringe seröse Durchtränkung,
da imd. dort pigmentirte Zellen.
Ueber sehr alten Plaques , besonders der Unterschenkel
und der Saeralgegend, habe ich öfters bindegewebiges Aus-
wachsen der Papillen in Gestalt von derben "Warzen con-
statirt.
Während jene, den frischen Psoriasisherden entsprechende
Veränderungen auch spontan spurlos rückgängig sind, können
letztere nur operativ (durch Aetzung, Schaben) beseitigt
werden.
Für die Diagnose bietet die in getrennt stehenden
Plaques erscheinende Psoriasis die geringste Schwierigkeit.
Man halte sich nur an die geschilderten Symptome, namentKch.
die dicke Auflagerung weisser Schupj)en, deren leichte Ab-
lösbarkeit mittelst des Pingernagels , die dabei erscheinenden
blutenden Pünktchen der rotken Basis unä die scharfe Be-
grenzung der umschriebenen Krankheitsherde. Schwierig da-
gegen kann die Entscheidung werden bei universeller und
diffuser Psoriasis, welche Eczema squamosum, Pityria-
sis rubra und Liehen ruber sehr ähnlich ist; bei auf
den behaarten Kopf beschränkter Psoriasis, die mit Eczema
capillitii, Favus, Herpes tonsurans, Seborrhoe
und Lupus erythematosus verwechselt werden kann; bei
vereinzelten Psoriasiskreisen, die gegen Syphilis annularis,
Herpes tonsurans, Lupus serpiginosus und Eczema
marginatum diflFerenzirt werden müssen, und endlich bei
acut und allgemein erscheinenden Psoriasisknötchen, welcke
innerhalb der ersten Tage für Syphilis papulosa, Her-
pes tonsurans maculosus, ja Yariolastippchen im-
poniren könnten. Neben der Berücksichtigung der für Psoriasis
geltenden Merkmale werden auch die Charaktere der genannten
Processe, die aus den betreffenden Capiteln ersichtlich sind,
zur Unterscheidung verwerthet werden müssen.
Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch Combi-
nationen anderer Hautkrankheiten mit Psoriasis vorkommen,
y-g ZweiunÜKwanzigstü Vorlesung.
nameutlicli oft mit Eczem, das direct auf dem psoriatischen
Fleck sich entwickeln kann. Im Falle variolöser Erkrankung
treten auf den psoriatisclien Stellen, als besonders liyperämi-
sirten Partien, die Blatternpusteln immer zablreicb und inten-
siv auf. . •, T. • • 2. ^
Die Prognose ist, was die durcb Psoriasis gesetzte
örtHche Veränderung anbelangt, insoferne günstig, als die Haut
allentbalben wieder vollständig zur Norm zurückkebren kann
und höchstens an den Unterextremitäten und an Stelle alter
stationärer Plaques dunkle Pigmentirung zuiMickbleibt Hunstig
ist die Vorhersage auch rücksichtlich des Allgemeinbefindens,
indem dasselbe oft durchaus nicht, oder höchstens wähi-end der
acuten Ausbrüche, besonders aber bei Psoriasis universalis
gestört ist, aber auch da nur in vorübergehender ^\ eise.
Dauernde Störung wichtiger Functionen in Folge von Psoriasis
ist nicht zu beobachten. . . -r, 4>
Daa-egen ist die Aussicht weniger günstig m Bezug aut
den ganzen Krankheitsverlauf und die Heilbarkeit. Man kann
nie bestimmen, ob, wie häufig, und welchen Grades Exacerba-
tionen sich einsteUen werden und kann von einer Heilbarkeit
überhaupt nur so weit sprechen, als es gelingt, die eben vor-
handene Psoriasis zu beseitigen, nicht aber ßecidiven zu m-
hüten oder zu beschränken. Im Gegentheil, jeder Pso— e
...ss der zeitweiligen Verschlimmerungen seines ^^^^^^J^
wärtig sein. Die Krankheit ist in diesem Sinne gai nicht
Auch dass die Disposition zur Erkrankung . an Psonasis
von den Eltern auf die Kinder sich vererben kann, ist em
ersohwerender Umstand. „ i i
Die Ursache dieser so belästigeuden, entstellen m„l
schwer heilbaren Krankheit zu eruiren, haben sich Viele be-
IttM da man in ihr anch das Uebel beseifgen zn können
Wen konnte. Leider vermögen wir keine solche anzugeben :
zunächst keine d y s k r a s i s c h e. Die Psoriatikcr smd durchwegs
gl'de robuste! prächtig sich befindende und aussehende In-
dividue; und Schwächlinge unter denselben smd p-*-« "
r.lhme. Was an beliebten allgemein ätiologischen Momenten
trsrlahllos vorgebracht wurde wie ^"T*- 1,! S'.
rische Dyscrasie, unterdrilckte Menses und AUeilei,
die objective Kritik Hkbra's längst zurückgewiesen.
Psoriasis.
379
Durcli äusserliclie Scliädlichkeiten kann Psoriasis
ebensowenig hervorgernfen werden. Nur wenn Jemand bereits
mit Psoriasis behaftet ist oder die Disposition dazu mitbringt,
dann pflegen an jenen Hantstellen, welche künstlich gereizt,
z. B. mit einer Nadel geritzt werden, oder A^on Eczem besetzt
sind, zur Zelt, als die Psoriasis Exacerbationen macht, reich-
liche Effiorescenzen aufzutreten.
C ontagiosität kommt der Psoriasis absolut nicht zu.
Sie kann also auch nie direct übertragen werden.
Als einziges unzweifelhaftes ätiologisches Moment ist die
Heredität anzusehen, indem man selten einen Psoriatischen
trifPt, ohne dass eines seiner Eltern, oder ein Familienglied
aufsteigender Linie nicht auch an dem Uebel litte oder gelitten
hätte. Da aber meist nur einzelne Kinder oder Familienglie-
der davon betroffen Averden, so handelt es sich hier nicht um
eine eigentliche Heredität der Krankheit, wie bei Syphilis,
sondern nur um Erblichkeit der Disposition, der Hautbeschaf-
fenheit.
Am häufigsten erscheint die Psoriasis um die Zeit der
Pubertät und des kräftigen mittleren Alters, oft genug aber
auch schon in den Kinderjahi-en. Ich habe schon ein acht-
monatliches Kind eines psoriatischen Vaters reich besetzt davon
gesehen. Die Krankheit erhält sich oft bis in das hohe Grreisen-
alter in luigeschwächter Weise.
Die Therapie der Psoriasis kann nach ihrem heutigen
Stande nicht mehr erreichen, als die Beseitigung der eben an
der Haut gegenwärtigen krankhaften Veränderungen, und die
Beschränkung der neu auftauchenden Eruptionen. Eine eigent-
liche Hintanhaltung der letzteren, oder gar eine bleibende
Heilung; zu erzielen , steht ausserhalb der Macht unserer
Kenntniss. Aber auch schon die Erreichung jenes erstgenannten
Erfolges ist ein grosser Grewinn für den Kranken und setzt
nicht gewöhnliche Gewandtheit in der Handhabung der uns zur
Verfügung stehenden Mittel und Verfahrungsweisen voraus.
Diese sind innerliche und äusserliche.
Zahlreiche Mittel sind schon empfohlen worden, durch
deren i n n e r 1 i c h e Verabreichung man die Psoriasis zu heilen
gehofft hat, wie Mineralsäuren, Mineralwässer, Diaj)horetica,
Leberthran, Antimon, Mangan, Graphit, Baryt, Quecksilber,
Eisen, Anthrakokali, blutreinigende Tränke, Sassaparilla, ver-
ßgQ Zwüiululzwanzigste Vorlusung.
dorbenes Maismebl, Citronensaft etc., oder besondere Diät, als
rein vegetabilische oder rein animalische Kost; — von allen
diesen ist nach den Erfahrxmgen unserer Schule absolut keine
Wirkung gegen Psoriasis zu erwarten.
Von Erfolg erweisen sich nur Arsenik, The er und
dessen Derivate (Carbolsäure).
Der Arsenik ist gegen Hautkrankheiten in der Form
von Solutio EowLERi (arsenigsaures Kali), der PEARSON'schen
Losung (arsenigsaures Natron), der Solutio Donavani (Arsen-
jodür und Quecksilber) und der asiatischen Pillen (Arsenik mit
Pfeffer, oder Arsenik mit Opium) in Gebrauch.
In der ersteren und der letzteren Form hat sich Arsen
bei uns am verlässlichsten erwiesen.
Man gibt Solutio Fowleei zu 6 Tropfen de die in
einem Quantum von 20,0 Aqua destillata oder Infusum Chamo-
millae auf dreimal den Tag über vertheilt. Wenn sich keine
gastrischen Erscheinungen einstellen, steigt man jeden dritten
bis vierten Tag um 1 Tropfen der Solutio Fowleei pro die.
Von 12 Tropfen angefangen steigt man in grösseren Inter-
vallen. Man kann so bis auf 30 Tropfen de die gehen, bleibt
auf der Höhe einer Dosis stehen, bei welcher eine Rückbildung
der Psoriasis sich bemerkbar macht, setzt aber auch bei ziem-
lich vollständiger Heilung nie plötzlich ab, sondern geht wieder
stufenweise bis auf 12 oder 6 Tropfen zurück. Man kann
so ungestraft die Solutio Fowleri viele Monate anwenden.
Professor Lipp in Graz hat zu gleichem Zwecke Acidum ^ ar-
senicosum (weissen Arsen) durch subcutane Injection
dem Organismus einverleibt, in der Dosis von 0,003—0,03, von
einer Lösung von 0,30 und einer anderen von 0,60 auf 35,0
Aqu. dest. , T -n 1
Pillulae asiaticae werden nach folgender iormel
verschrieben: ßp. Arsenici albi 0,75; Pulv. piper. nigri 6,
Gummi arab. 1,5; Rad. altheae pulv. 2, Aqu. f. q. s. ut f.
pillul. N. 100. Consp. pulv. pip. nigr. Sig. 3 Pillen täglich
zu nehmen.
Man beginnt mit der Dosis von 3 Pillen pro die, welche
unmittelbar vor dem Mittagessen genommen werden, steigt
laden 4.-5. Tag um je 1 Pille und kann auf diese Weise bis
auf 8 und 10 Pillen pro Tag kommen. 5 Stück und mehr,
werden in 2 Dosen abgetheilt, die eine für Mittag, die andere
Psoriasis.
381
für Abend zw n mid 2, zu 4 und 3 u. s. f. Audi hier bleibt
man bei der Dosis stellen, bei welcher eine "Wirkmig bereits
zu bemerken ist. Wenn Erscheinungen von Grastricismus sieb
einstellen, Ueblicbkeit, Kolik , Diarrhoe , so geht man mit der
Dosis wieder etwas herab. Koliken beugt man durch Zusatz
von Opium (0,15 auf 0,75 Arsen, alb. und 100 Pillen) vor.
Bei den subcutanen Injectionen hat Lipp bereits nach 8
Tagen Besserung der Psoriasis beobachtet. "Wir haben durch-
schnittlich erst im Verlauf der vierten bis sechsten Woche
eine auffallende Wirkung beim Arsengebrauch gesehen. Die-
selbe äussert sich nach meiner Beobachtung nicht im Abfallen
der Schuppen, sondern zunächst im Abblassen der Hyperämie,
welche die Basis der Schuppen bildet. Alsdann, in der 5. — 6.
Woche der Behandlung , fallen die Schuppen binnen wenigen
Tagen allesammt und als Granzes ab , so dass es scheint , als
wenn die Heilung plötzlich eingetreten wäre.
Wie viel in Summa asiatische Pillen gegeben werden
sollen und dürfen, lässt sich gar nicht vorausbestimmen. Dass
dieselben durch viele Monate hindurch und bis zur Summe
von 3000 und 4000 (d. i. 20 — 30 Grramm Arsenik) verabreicht
werden können, haben wir bei der Behandlung des Liehen
ruber erprobt. Bei Psoriasis ist dies nicht anzurathen. W enn bei
Erreichung von 400 — 600 Pillen die Psoriasis sich nicht bessert,
dann ist für diesen Eall eben nicht viel zu hoifen und eine
andere Behandlung zu beginnen. Es hat sich nämlich gezeigt,
dass nicht nur manche Individuen von Arsenik keine Besserung:
ihrer Psoriasis erfahren, sondern dass bei demselben Kranken
einmal die Wirkung günstig ist, in einem zweiten oder dritten
Jahre aber das Mittel fehlschlägt. Nach Arsengebrauch pflegt
an den PsoriasissteUen längere Zeit dunkleres Pigment zurück-
zxibleiben.
Was den innerlichen Grebrauch des Theers anbe-
langt, so ist dessen Wirkung gegen chronische Hautkrankheiten
beim Volke wie bei den Aerzten längst bekannt. Die Aqua
picea, sowie andere Theermittel werden jedoch wegen ihres
widerlichen G-eschmackes von den wenigsten Kranken vertragen.
Selbst die im Ganzen nicht übel schmeckenden, von franzö-
sischen und hiesigen Eabrikanten bereiteten Theerliqueure und
PastiUen werden von den meisten Kranken refusirt.
In der Carbolsäure besitzen wir nun ein treffliches
gg2 Zweiundzwaiizigste Vorlesung.
Theerpräparat, welches, in Form von Pillen verabreiclit , ganz
gut vertragen wird iind analog wie Arsenik wirkt. Man ver-
schreibt: Acid. carbol. 10,0, Extr. et pnlv. liquir. q. s. u. f.
piU. Nr. 100 nnd gibt davon täglich 5—10 Pillen. Man kann
das Medicament Wochen hindurch auch noch in stärkerer
Dosis geben, was ich jedoch für unnöthig halte. Mit Ausnahme
einer leichten Reizung der Nieren habe ich nicht den gering-
sten Nachtheil davon gesehen.
Von einigen Seiten wurden auch balsamische Mittel,
speciell Copaivabalsam, dann Cantharidentinctur , Phosphoröl,
Tinctura Maidis (Lombroso) u. v. A. zur innerlichen Medica-
tion empfohlen. Ich habe über alle diese keine Erfahrung,
doch auch nicht viel Bestätigendes gelesen.
Die örtliche oder äusserliche Behandlung der
Psoriasis ist mit vielen Umständlichkeiten verbunden, hat aber
den Vortheü, dass sie uns durchwegs zum Ziele führt, wofern
die Mittel und Methoden nur fachkundig gewählt und gehand-
habt werden. • i , +
Der eine Theil der Behandlung muss dahin gerichtet
sein sowohl die im Augenblicke auflagernden Epidermisschup-
pen' als die im Verlaufe von Tag zu Tag sich erneuernden zu
entfernen — damit der zweite Theil der Behandlung, die
directe Application von Medicameiiten auf die kranken Haut-
partien möglich werde. _
Die Beseitigung der auflagernden Epidermisschuppen
wird dadurch bewirkt, dass man die letzteren zunächst er-
weicht, zum Zerbröckeln bringt, und dann mechanisch oder
chemisch ablöst. Man bedient sich hiezu der Fette des
Wassers, der Maceration durch die Perspirationsflus-
sigkeit der Haut, der Seifen und der AetzmitteL
Von Fetten sind Oleum olivar um, Axungia porci, Oleum
iecoris aselli, auch Glycerin, Vaseline etc. zu verwenden. Sie
müssen nur in so bedeutender Menge und so consequent aut-
setragen, eingerieben und verrieben werden, dass die Macera-
tion und Ablösung der Epidermis über ihre Regeneration über-
wies Man kann bei beschränkt localisirter Psoriasis, _ z. B.
am Ellbogen und Knie Unguentum simplex , Ceratum Simplex
auf Leinwandlappen gestrichen auflegen nnd mittelst Flanell
u-ederbinden. Am intensivsten macerirend wirkt der Leberthran,
der auch von den Meisten gut vertragen wird. Er wird nur lastig
Psoriasis.
3S3
dtirch seinen Grerucli , durch die Verderbniss der Bettwäsclie
lind endlich dadurch, dass er auf einzelnen Hautorganen ein
sehr lästiges Eczema papulosiim producirt. In diesem Falle
wird mit der Beölung sistirt, die Haut mit Amylura bestreut,
die ölgetränkte Wäsche beseitigt, bis eben das Eczem ver-
schwunden ist und ein anderes Verfahren Platz greifen kann.
Li einzelnen Fällen von Psoriasis universalis habe ich unter
Leberthran eine Loshebung der Epidermis auf grosse Strecken,
Blosslegung des Coriums, in Folge dessen heftige Schmerz-
haftigkeit und Fieber, ja typhoide Erscheinungen wie bei Ver-
brennung gesehen, aus welchem Zustande die Kranken erlöst
wurden, indem sie in's continuirliche "Wasserbad gebracht
worden sind.
Das Wasser, als epidermismacerirende Potenz, kann
nach Art der PRiESSNiTz'schen Einhüllungen auf einzelnen
G-Üedmassen , Körpertheilen oder für den ganzen Körper ver-
wendet werden, je nach der Ausbreitung der Psoriasis.
Am consequentesten kommt das Wasser sub forma der
Bäder in Verwendung, und zwar in der Regel prolongirter
Bäder nach der Methode von Hebra, durch je 3 — 6 Stunden
täglich und darüber, theils als macerirendes Mittel, theils als
Medium für die methodische Anwendung der mechanisch-che-
mischen Behandlung mittelst Seifen und Frottiren, durch welche
die Epidermis an den psoriatischen Stellen energisch abgelöst
wird, endlich als Vehikel für die Anwendung besonderer Heilmittel,
z. B. des Theers (Theerbad) oder der Solutio Vlemingkx.
Insoferne sind auch indifferente und schwefelhältige Ther-
malbäder (Leuck, Baden bei Wien) und hydropathische Garen,
wofern die Haut täglich genügend lange ihrem Einflüsse aus-
gesetzt wird, bei Psoriasis heilsam; die letzteren übrigens
noch durch die Kälte, als die Hautentzündung mindernde
Potenz, wirksam.
Durch Einhüllung in Kaufs chuk g e wand e r, Hauben
für den Kopf, Jacke, Beinkleider und Schuhe für Stamm und
Extremitäten, Handschuhe für die Hand, wird eine sehr inten-
sive und rasche Maceration der Psoriasisschuppen, bei längerer
Anwendung selbst Abblassen der psoriatischen Stellen bewirkt.
Auch da kommt es manchmal ^u artificiellem Eczem oder
zu bedeutender Schwellung der Haut.
Die Seifen, am besten Sapo viridis und, für Gesicht
384
Zweiundzwanzigste Vorlesung.
und Kopf, Spirit. saponat. kalinus, dienen theils zur Macera-
tion der Epidermis, theils, in Verbindung mit Bädern, zur Ent-
fernung der sclion macerirten Scliuppen und der auf die Haut
gebrachten fettigen Medicamente, zum Tbeile aber auch als
directes Heilmittel.
Eine rasche Abschiebung der Epidermis bewirkt man
durch einen Cyclus von Einreibungen mittelst Schmierseife.
Dieselbe wird, etwas mit Wasser verdünnt, mittelst der Flach-
hand auf die Haut eingerieben und liegen gelassen. Das Ver-
fahren wird täglich 2mal durch G Tage wiederholt. Die Ober-
haut wird dabei braun, runzelig, mortificirt und löst sich in
den folgenden 3—4 Tagen in grossen Fetzen ab , worauf erst
ein Bad genommen wird (Pfeuffer's Methode).
Dicke, harte Schuppenmassen werden durch Auflegen und
Niederbinden von Flanelllappen, die mit Schmierseife bestrichen
worden, binnen 12—36 Stunden bis zum Wundwerden der
Haut abgelöst. Solches eignet sich zuweilen für Psoriasis der
Kniee und Ellbogen.
Stärkere Aetzmittel,wie concentrirte Kalilösung (1:2),
Essigsäure, Citronensäure, Salzsäure etc. werden nur zeitweilig
dort in Anwendung kommen, wo alle übrigen Macerations-
methoden die Entfernung der Epidermis nicht zu bewirken im
Stande waren.
Schliesslich kann man auch von dem rein mechani-
schen Verfahren mittelst des Schablöffels , Reiben mit Sand,
Bimsstein, an einzelnen Stellen Gebrauch machen, um sehr harte
Epidermisschwielen zu entfernen.
Die eigentlichen Heilmittel gegen Psoriasis sind die-
jenigen , welche die der Schuppenbildung zu Gründe liegende
hyperämische SchweUung und Entzündung der Haut zur RÜck-
büdung bringen können. Unter diesen ist neben den schon
genannten Mitteln, welche , wie die kaltnassen Einhüllungen,
Seifen etc., zum Theile auch in dieser Richtung wirken, vor
Allem der Theer zu erwähnen.
The er ist überhaupt das vorzüglichste Mittel, um chro-
nische oder subacute Hyperämie der Papillarschichte ver-
schwinden zu machen und wirkt darum bei Psoriasis aut s
glänzendste. Man macht hiebei die sonderbare Erfahrung, dass
bei Psoriasis der Theer auf die wunden, blutenden Hautstellen
applicirt werden kann, ohne die Entzündung zu steigern.
Psoriasis.
385
während derselbe bei Eczem die epidermislose Haut intensiv
reizt.
Von Theersorten wenden wir die sclion pag. 99 erwähnten
an: Oletim fagi, Buchentheer, Oleumßusci, Birkentheer,
seltener Oleum Cadinum von Juniperus oxycedrus und
Tinctura Rusoi (Olei Rusci 50, Aether. sulf. Spir. vin.
rectif. aa 75, Filtrat. adde : Olei lavandul. 2.)
Weniger zweckmässig ist ein Derivat des Theers , Re-
sineon, welches ebenfalls ein fettiges Oel darstellt.
Der Theer wird meist derart angewendet , dass derselbe
aiif die psoriatischen Stellen, nachdem sie im Bade mittelst
Seife von ihrer Epidermis befreit worden sind, in dünner
Schichte mittelst eines Borstenpinsels 1— 2mal des Tages, oder
nur des Abends energisch eingerieben wird, worauf der Kranke
sich in Wollkleider steckt; und dass diese Prooedur täglich
wiederholt wird.
Energischer wirkt derselbe als sogenanntes The erb ad.
Es besteht darin,, dass der Kranke im Bade zunächst mit
Seife tüchtig abgerieben, hierauf unmittelbar an allen kranken
Stellen eingetheert und sofort wieder in's Wasser gesetzt wird,
woselbst er 4—6 Stunden verbleibt. Am Schlüsse wird er
abgewaschen, abgetrocknet und dann mit irgend einem anderen
Medicamente tractirt.
Als mögliche schädliche Wirkungen des Theers sind zu
erwähnen : Erstens eine örtliche Entzündung der Haut, da wo
zwei Hautflächen gegenseitig aufeinander lagern und sich er-
wärmen, z. B. Scrotum und Penis. Man beugt ihr vor durch
Einlegen von in Puder getauchter Charpie oder Baumwolle.
Zweitens die Erscheinungen der acuten Theerresorption, Theer-
Intoxication. Es geschieht zuweilen, dass nach der ersten
ausgebreiteten Application von Theer so viel von dem letz-
teren aufgesogen wird und in die Blutmasse gelangt, dass ein
Complex von Intoxicationserscheinungen auftritt. Die Kranken
bekommen Eieber, Ueblichkeit, Aufstossen, belegte Zunge, Er-
brechen von theerhaltigen , schwarzen Massen, diarrhoische
Stühle von solchen Flüssigkeiten , Ischurie , Strangurie , Ent-
leerung theerhaltigen, schwarzen Urins. Nach 24 — 48 Stunden
stellt sich reiche Transspiration ein, die Erscheinungen lassen
nach: leichtere Diurese, anfangs olivengrüner, später heller
TJrin und Wiederkehr des Wohlbefindens. Gewöhnlich ver-
Kaposi, Hautkrankheiten.
1
ygß Zweiundzwanzigste Vorlesung.
tragen die Kranken hierauf das Mittel oluie Anstand. Man
thut aber gut, in Voraussicht einer solchen Complication , die
ersten Tage nur kleine Territorien einzutheeren und den
Urin zu invigiliren. Sobald dieser olivengrün scheint, setzt
nian eben mit dem Theer aus. Nach und nach gewöhnt sich
der Organismus ganz gut an das Eintheeren. Bei jugendlichen
Individuen und Kindern ist diese Vorsicht um so nothwendiger.
Als dritte schädliche Wirkung der Theerapplication ist das
Auftreten von zahlreichen Acneknoten, namentlich an der Streck-
seite der unteren Extremitäten und an behaarten SteUen zu
erwähnen, das sind schmerzhafte, harte, in der Mitte von einem
schwarzen Punkt oder Haar gezeichnete Knoten, bei deren Er-
scheinen der Theergebrauch sistirt werden muss.
Schwefel, als natürliche oder künstliche Schwefelbader.
Zur Bereitung der letzteren bedienen wii' uns der Solutio
Vlemingkx, einer Kalk-Schwefelleber, welche, nach der von
Schneider angegebenen Modification bereitet, gegenwärtig bei
uns officinell ist. Die Solution wird wie der Theer verwendet,
indem man den Kranken im Bade, nachdem er mit Seife abge-
rieben worden war, mit derselben einpinselt, tmd durch mehrere
Stunden sitzen lässt; oder indem sie nach beendetem Bade aut-
gestrichen und den ganzen Tag über auf der Haut belassen
wird In dem letzteren Ealle wird die Haut sehr trocken und
verursacht die Solution Brennen; sie kann daher am besten
in Abwechslung mit anderen Medicamenten verwendet werden
Auf zarte HautsteUen kann dieselbe sogar ätzend wirken und
zur Schorfbildung führen, daher sie für das Gesicht niemals
verwendet werden soU. . , tt +
Ausgezeichnet wirkt das vouHebra modificirte Ung^^ent.
Wilkinsoni, in welchem die Wirkungen von Schwefel,
Theer, Seife und Fett vereinigt sind (ßp.: Sulf. citrini, Olei
fagi aa 50; Sapon. viridis, Axung. porci aa 100, Pulv. cret.
alb 10). Die Salbe wird durch 6 Tage täglich zweunal em-
gerieben - ohne Litercurrenz eines Bades. Erst nach erfolg--
ter Abschiebung der Epidermis, am 10.-12. Tage, ist das Bad
räthlich. , -, i o n
Weisse Präcipitatsalbe nach der Formel von 2,0
bis 5,0 auf 40,0 Ung. emoU. auf die wund geriebenen Pso-
riasisstellen mittelst Borstenpinsels dünn eingerieben , eignet
sich wegen ihrer Färb- und Geruclilosigkeit für Psoriasis des
Psoriasis.
387
Gesichtes und behaarten Kopfes, und für vereinzelte Plaques
des Körpers. Bei allgemeinerer Application verursacht dieselbe
leicht Salivation.
Energischer noch wii'kt U n g u e n t u m II o c h a r d i , eine
Jodquecksilbersalbe, nach der Formel : Jodii puri 0,50, Calomel
1,50, Leni igni fusis adde Ung. rosat. 70,0. Dieselbe veran-
lasst oft unliebsames Eczem.
Ausser den genannten kann man noch Salben von Nitras
hydrarg. acid\ilus, Protojoduretum, Deutojoduretum hydrargyri,
Magisterium Bismuthi , Oxydum Zinci , Acidum salicilicum,
carbolicum (1 : 40 — 5 : 40) anwenden , welche Mittel aber im
G-rossen und Ganzen wenig directe Heilwirkung äussern.
Alle bisher bekannten ArzneistofFe übertrifft an actueller
Wirksamkeit gegen Psoriasis das Chrysarobin, welches im
Jahre 1878 durch Balmano Squire zuerst in die Praxis ein-
geführt worden ist. Dasselbe wird durch Extrahiren mittelst
heissen Benzols bis zur Menge von 80 — 85''/g aus Goa-
P 0 w d e r gewonnen, einem schmutzig-graugrünen Pulver , das
grösstentheils aus Holz- und Markfasern eines in Brasilien
heimischen Baumes (einer Leguminose) besteht und daselbst
sowohl , wie in Ostindien (G o a) , wohin es importirt worden,
seit längerer Zeit gegen verschiedene Hautkrankheiten, nament-
lich ßingworm, mit Nutzen in Anwendung stand. Durch einen
Kranken auf die Heilwirkung des Goa-Pulvers auch gegen
Psoriasis aufmerksam gemacht, hat B. Squire zunächst dieses
selbst, alsdann das durch Extraction desselben gewonnene
goldgelbe Pulver in Anwendung gezogen, welches anfangs für
Chrysophansäure gehalten wurde (Attfield), seit Lieber-
mann's Nachweis aber als Chrysarobin zu gelten hat.
Chrysarobin stellt eine gelbe, aus zarten, nadeiförmigen
Krystallen bestehende Substanz vor, welche der Phenolgruppe
angehört, in Wasser fast gar nicht, leicht in heissem Alkohol,
Benzol, Eisessig und heissem Eett und Vaseline löslich ist.
Zum Gebrauche eignet sich am besten eine Salbe von: Chry-
sarobini 10, Vaselini 40 und eine schwächere von 5 Chrysaro-
bin auf 40 Vaseline oder Ungu. emoUiens. Die wahrhaft über-
raschende Wirkung, welche B. Squire von dieser Salbe
angegeben hat , ist sofort auch hier , (zunächst von Neumann
dann Jarisch und mir) bestätigt worden.
Nachdem das Gros der Schuppen durch ein Bad und
25*
388 Zweiimdzwanzigste Vorlesung.
Seifenwasclaung abgelöst worden, wird die Chrysarobinsalbe
mittelst eines Borstenpinsels auf die Psoriasisstellen dünn ein-
gerieben, u. z. mehrere Tage bintereinander , ein-, höchstens
zweimal des Tages. Während dieses Cyclns wird nicht ge-
badet lind nicht gewaschen. Manche Flecke erscheinen schon
nach der 4.-8., andere erst nach 12—16—20 Einreibungen
auffallend weiss und schuppenlos, während die angrenzende
Haut blauroth, violettbraun verfärbt ist.
Neben der frappirend schnellen Heilwirkung auf die ein-
zelnen Psoriasisflecke hat das Mittel noch den Vorzug, dass
es geruchlos ist, auch auf wunden, blutenden Stellen gar nicht
schmerzt, die Haut geschmeidig erhält und das umständliche
und kostspielige Baden überflüssig macht.
Nachtheile desselben sind: die Missfärbung (in Violett-
braun) der Leibwäsche, der Nägel, Haare und der gesunden
Haut, weshalb es im Bereiche des Gresichtes nicht gut an-
zuwenden ist. Ferners die entzündungerregende Eigen-
schaft desselben, welche an den nicht psoriatischen, also ge-
sunden Hautstrecken als diffuse ßöthung, oder schmerzhafte
Schwellung, oder Acne- und Furunkelbildung erscheint —
Dermatitisformen , die oft über den ganzen Körper sich aus-
breiten, von Fieber und intensiver Störung des AUgemeinbefindens
begleitet sind und zwei bis drei "Wochen zu ihrem Ablaufe
erheischen. Noch schlimmer ist, dass nun auf derart gereizten
Hautstrecken acute Psoriasis-Eruption aufzutreten pflegt.
Am besten verhütet man diese störenden Nebenwirkungen,
wenn die Chrysarobinsalbe sofort bei Seite gelassen wii'd , so-
bald um die einzelnen Plaques intensiv rothe Halenes auf-
treten, und dieselbe erst dann neuerlich applicirt, wenn die Rothe
geschwunden ist. Im Gesichte überhaupt ist sie nicht anzu-
wenden , und bei diffuser Psoriasis nur mit grosser Vorsicht.
Acid. pyrogallicum hat A. Jarisch, als chemisch dem
Chrysarobin verwandten Körper (Bioxy-Phenol) gegen Psoriasis
versucht und erprobt. Die von ihm angegebene Salbe, Acid. pyro-
gallici 10, Vaselini 100, ist wie das Ungu. Chrysarobini geruchlos
und nicht schmerzhaft und wirkt zwar nicht so prompt wie
Chrysarobin, aber doch auch vortrefflich. Dagegen führt dieselbe
nie störende Entzündungen herbei, es wäre denn, wenn sie auf
Leinwand gestrichen aufgelegt wird. Als unangenehme Neben-
wirkung der Pyrogallussalbe stellt sich zumeüen die Empfin-
Psoriasis.
389
dung von Trockenheit iind Jucken ein, wodann ihre Anwen-
dung unterbrochen und die juckenden Hautstellen mittelst
einfachem Fett, oder mit Tinct. Rusci bepinselt werden. Etwas
allarmii-ender ist das Auftreten von Strangurie und Aus-
scheidung von olivengrünem bis theerschwarzem Urin unter
massiger Fieberbewegung und UebKchkeit, bei manchen Kranken,
bei densn das Unguent. pyrogallicum wiederholt über den
ganzen Körper eingerieben worden. Der Symptomencomplex
ist die Folge der massigen Aufsaugung der Pyrogallussäure
und ihrer Ausscheidung durch die Nieren. Auf dem "Wege
durch die Blutbahn wird dieselbe durch Oxydation zu einem
theerartigen Körper verwandelt (ähnlich wie Carbolsäure nach
erfolgter Resorption) , der den Urin schwarz macht. Der Zu-
stand geht rasch vorüber. Von diesen Zufällen abgesehen, ist
von der Pyragallussalbe keinerlei Nachtheil zu befürchten und
ihr Gebrauch daher für die Praxis sehr zu empfehlen. Sie
wird ebenfalls mittelst Borstenpinsels eingerieben, täglich
l — 2mal und so lange als nöthig. Intercurrirend kann ein
Bad genommen werden. Sowohl die psoriatische als die gesunde
Haut werden von dieser Salbe für längere Zeit braun gefärbt.
Aus dem angeführten reichen Vorrath von Heilmitteln und
Methoden hat nun der Arzt das Richtige zu wählen, indem er
auf die Form und Intensität der Erkrankung , die individuellen
und äusseren Verhältnisse des Kranken jederzeit gebührende
E/ück sieht nimmt.
Die Behandlungsdauer ist caeteris paribus bei verschie-
denen Individuen, und bei demselben Kranken zu verschiedenen
Zeitepochen sehr unterschiedlich, eiamal sehr kurz, das andere-
mal kaum abzusehen. Am raschesten ist Heilung zu erwarten,
wenn die Psoriasis eben im Stadium decremen ti sieh befindet;
es schlagen aber fast alle Mittel fehl, wenn der Kranke in
der Periode neuer Eruptionen zur Behandlung kommt.
Dass dauernde Heilung der Psoriasis überhaupt durch
keinerlei Heilverfahren zu erlangen ist, habe ich schon hervor-
gehoben.
Dreiundzwaiizigste Yoiiesuiig.
Pityriasis rubra. Liehen, Liehen serophuloeorunn. Liehen ruber.
Pityriasis rubra (Hebra).
Viele Autoren und praktisclie Aerzte gebranclien die seit
Bateman geläufige Bezeichnung Pityriasis rubra für alle Fälle,
in denen die Haut auf grossen Strecken , oder allgemein in
cbronisclier Dauer rotli und schuppend erscheint, und dies aus
dem Grunde, weil die etymologische Bedeutung des Wortes
dem Krankheitsbilde ganz entspricht (TuiTupov, Kleie und ruber).
Allein ein derartiger Zustand der Haut kann durch ganz
verschiedenartige Processe , Eczem , Psoriasis, oder Liehen
ruber bedingt sein, und in allen solchen FäUen bedeutet der-
selbe nichts anderes, als ein gewisses Stadium je eines der
genannten Processe. Darum gebrauchen wir auch für solche
Krankheitsformen keineswegs den Namen Pityriasis rubra,
sondern den der Krankheit, durch welchen die geschilderte
Röthung und Schuppung eben bedingt ist, also Eczem oder
Psoriasis, oder Liehen ruber.
Wir verstehen unter Pityriasis rubra eine ganz
eigenartige Krankheit, welche von Hebra zuerst beschrieben
worden ist, im Ganzen ausserordentlich selten vorkommt und
sich dadurch charakterisirt, dass bei derselben eben gar
keine anderweitige Proruptionsform, weder Knöt-
chen oder Bläschen, nochPusteln, sondern immer
einzig und allein vom Beginne an, wie während
ihres ganzen Verlaufes nur Röthung und Schup-
pung der Haut vorhanden ist.
Pityriasis rubra.
391
Man hat liöchst selten Gelegenheit die Krankheit in
ihren ersten Stadien zu sehen. Ich war nur zweimal in dieser
Lage. In diesen Fällen begann die Krankheit von den Grelenks-
beugen aus. Die Haut zeigte sich da in ziemlich circumscripter
Weise in der Schenkelfalte, Achsel und Kniekehle lebhaft roth,
von etwas erhöhter Temperatur und mit kleinen, feinen, in
massiger Abkleiung sich befindenden Schüppchen belegt, ohne
Infiltration, ohne Nässen, ohne Efflorescenzen.
Die meisten Fälle sind in vorgerückteren Stadien und als
über den grössten Theil der allgemeinen Decke, oder über den
ganzen Körper gleichmässig ausgebreitete Erkrankung zur
Beobachtung gekommen.
Allüberall erscheint die Haut lebhaft- bis blauroth, nament-
lich an den unteren Extremitäten livid ; ihre Epidermis in
feinen, kleinen Schüppchen oder in etwas grösseren dünnen
Lamellen sich loslösend, ohne dass es irgendwo zu einer
eigentlichen Schuppenauflagerung, oder andererseits zur gänz-
I liehen Abhebung der Epidermis und zu Nässen käme. Die Gre-
sichtshaut von derselben Beschaff'enheit und ebenso die des
behaarten Kopfes, während Flachhand und Fusssohle entweder
blass oder injicirt, dabei mit einer glänzenden dickeren Epi-
dermisauflagerung versehen sind. Die Hauttemperatur ist er-
höht. Auf Druck blasst die ßöthe ab, mit Zurücklassung einer
gelblichen Tingirung. Subjectiv empfinden die Kranken sehr
mässiges Jiicken und fortwährend die Empfindung des
Frösteins.
Die Krankheit entsteht ohne nachweisbare Veranlassun-
gen und ohne bekannte Vorläufer gleichzeitig an mehreren
oder vielen Körperstellen, namentlich den Gelenksbeugen, und
breitet sich binnen wenigen Monaten, eii; bis zwei Jahren, über
den ganzen Körper aus mit Beibehaltung des ursprünglichen
Charakters.
Der Verlauf erstreckt sich auf viele Jahre und zeigt
niemals eine Aenderung im Sinne der Rückbildung, sondern
nur in dem einer Steigerung der durch die chronische Hyperämie
eingeleiteten Ernährungsstörung in der Haut.
Während nämlich die wie geschildert beschaffene Haut durch
ein bis drei Jahre noch ihre Geschmeidigkeit und Elasticität
beibehält, so dass die Kranken ihrem Berufe nachgehen können
imd höchstens durch übermässiges Jucken, gestörten Schlaf,
gg2 Dreiundzwanzigste Vorlesung.
zeitweilige Indigestion und andauerndes Kältegefülil belästigt
werden, kommt es im weiteren Verlaufe zu stellenweiser Ver-
dicku.ng der allgemeinen Decke, theils durch ödematöse Schwel-
lung, tlieils durch etwas massigere Schuppenauflagerung. In
dieser Periode sieht das Bild dem einer chronischen Psoriasis
universalis oder eines Eczema universale am ähnlichsten.
Inzwischen etablirt sich allenthalben, statt des lebhaften
Roth eine mehr cyanotische Färbung , und nun beginnt ein
offenbarer Schrumpfungsprocess der Haut, so dass sie allmälig
gleichsam für den Körper zu enge wird. In Folge der Span-
nung der Haut kann der Mund nur unvollständig geöffnet
werden, die tinteren Lider sind ectropisch, die Finger in halber
Beugung; über den Streckseiten der Kniee und Ellbogen ist
die Haut glatt, glänzend , verdünnt ; über den Unterschenkeln
stramm angezogen, atlasartig glänzend, schwer in eine Falte
zu heben ; ebenso beschaffen ist die Haut der Fusssohlen, deren
Epidermislage ausserordentlich verdünnt ist, so dass das Gehen
durch die Empfindlichkeit der Fusssohle behindert wird. Auch
die Kopf- und Körperhaare werden dünn, fallen aus ; die Finger-
und Zehennägel sind dünn, zart, gläsern, brüchig oder ver-
dickt und käsig entartet. Inzwischen hat auch die Gesa mm t-
ernährung bedeutende Einbusse erlitten; das Unterhautfett-
gewebe ist grösstentheüs geschwunden; es hat sich ein all-
gemeiner Marasmus eingestellt.
An den stramm angezogenen HautsteUen, wie namentlich
über den Unters chenl^eln und Gelenken, wird die Epidermis
nun vielfach eingerissen , oder auch auf grosse Strecken los-
gehoben, wodui'ch bald da, bald dort theils flache, zuweilen
recht ausgebreitete wunde Flächen , theils selbst Decubitus
ähnliche Geschwüre zu Stande kommen.
In einem Falle habe ich im Verlaufe von zwei Jahren
dreimal über der rechten Schultergegend, am Oberschenkel und
vorne über den Rippen spontane Gangrän der Haut beobachtet,
welche im Umfange eines Kreuzers begann und diu'ch anfangs
gleichmässiges, später nur in einem Theil der Peripherie statt-
findendes Fortschreiten bis flachhandgrosse Substanzverluste
gesetzt hat , die erst binnen mehreren Monaten wieder zur
Verheilung kamen.
Dieses Individuum , sowie alle anderen, Hebra und mir
bekannt gewordenen Fälle sind nach mehr- bis vieljähriger
Pityriasis rubra.
393
Dauer ilires Leidens scliliesslicli im Marasmus, mit oder ohne
complicirende Pneumonie, Diarrhoe, Tubercvüose zu Grrunde
gegangen.
Inßiicksicht auf diese Erfahrungen kann die Prognose
des Uebels nur ungünstig lauten, obgleich ich glaube, einen
Fall geheilt zu haben, der mir aus den Augen gekommen ist,
und obgleich ein des Gegenstandes kundiger Collega mir münd-
lich mittheilte, dass er selbst einmal an Pityriasis rubra ge-
litten habe und nun genesen sei.
Ueber die Ursache der Krankheit sind wir in voll-
ständiger Unkenntniss. Hebra selbst hat von dieser Krankheit
bis jetzt etwa 15 Fälle , ich selbst habe deren nur 6 gesehen.
Sie alle betrafen männliche Individuen, darunter eines in den
Zwanziger- Jahren, die anderen in dem Alter von 40 — 50 Jahren,
und hatten meist in den genannten Altersperioden, in einem
Falle schon in früher Kindheit begonnen.
Die feineren anatomischen Veränderungen bei Pity-
riasis rubra hat Hanns Hebra an zwei zur Obduction
gelangten Fällen studirt und in belehrender Weise mitge-
theilt. Bei dem Einen hatte die Krankheit mehr recenten Cha-
rakter und zeigte die Haut mikroskopisch die Erscheinungen
einer mässigen entzündlichen Infiltration. In dem anderen,
sehr vorgeschrittenen Falle aber fand sich höchstgradige
Atrophie der Haut, welche in Schwund des Rete xmi der Pa-
pillen, Sclerosirung des Bindegewebes und Ueberwiegen der-
elastischen Fasern, reiche Pigmenteinlagerung im Corium , so-
wie Verödung der Schweiss- und Talgdrüsen und Haarfollikel
sich zu erkennen gab. In beiden Fällen fand sich überdies
Tuberculose der Lungen, des Darmes xind bei dem vorge-
schrittenen auch ein Tuberkelknoten im Kleinhirn.
Anlässlich des letzteren Sectionsbefundes hat Fleischmann
erinnert, dass er eine der Pityriasis rubra entsprechende Haut-
aifection bei Kindern gesehen habe, welche bei der Obduction
solitäre Tuberkel im Gehirn aufwiesen. Bei einem obducirten
Kranken habe ich leichtgradige atheromatöse Erkrankung der
Arterien gesehen. Für die Aetiologie des Processes bieten die
vorliegenden Befände noch keine genügende Grundlage.
Die Diagnose dieses Hautübels ist nicht gar leicht.
Seine positiven Merkmale sind, wie früher geschildert, nur
spärliche, und es ist daher zu dessen Feststellung auch der
1
gg^ Dreiundzwanzigste Vorlosung.
negative Thatbestand nothwendig , das FeWen der Symptome,
welche Psoriasis, Liehen ruber und Eczema sf^ua-
mosum cbarakterisiren. Es müssen daher in jedem Falle
diese zur Differentialdiagnose in Vergleich gebracht und aus-
geschlossen werden.
In Bezug auf die Behandlung dieser Krankheit sind
wir auf die symptomatischen Indicationen angewiesen. In
manchen Fällen haben wir gesehen, dass Theer und Fett den
localen Process nur steigern. In einem Falle, der über zwei Jahre
in meiner Behandlung stand, habe ich in methodischer AVeise
innerlich Arsenik, Carbolsäure, Decoctum Zittmanni ohne allen
Erfolg nehmen lassen und nur je nach dem Wechsel der Haupt-
symptome örtliche Mittel , continnirliche Bäder , Theerbäder,
modificirteWiLKiNSON'sche Salbe, Einhüllungen mit Ung. diachyU
mit Kautschukgewand, Beölen mit Oleum jecoris aseUi mit oder
ohne Theer, einfachem Fett u. s. w. mit dem Effecte der momen-
tanen Linderung einzelner Beschwerden angewendet.
In einem einzigen recenten Falle, bei einem jungen Manne,
ist unter dem innerlichen Grebrauche von Carbolsäure Heiliuig
eingetreten , nachdem alle örtlichen Mittel die Hautaffection
nur verschlimmert hatten.
Liehen.
Wie mancher andere von den Alten überkommene Krank-
heitsnamen, wird auch Liehen in der fremdländischen Litera-
tur lind von praktischen Aerzten in differentem Sinne gebraucht ;
meist aUerdings, nach dem Vorgange von Willan , zur Be-
zeichnung von kleinen Knötchen - Effiorescenzen überhaupt,
ohne Rücksicht auf deren nosologische Bedeutung; so dass
Processe von sehr differenter Bedeutung als Liehen figuriren,
wofern nur im Momente der Bezeichnung Knötchen zugegen
sind, z. B. solche des Eczem, oder der Urticaria, oder Acne.
NachHBBEA dagegen ist als Liehen nur jene Krank-
heitsform zu bezeichnen, bei welcher Knötchen
gebildet werden, die in typis eher Wei s e bestehen
und im ganzen chronischen Verlaufe keiue weitere
Umwandlung zu Effiorescenzen höheren Grades,
d.i. Bläschen oder Pusteln erfahren, sondern als
solche sich wieder involviren.
Mit diesem festgestellten Begriffe des Liehen kennen wir
Liclien.
395
mir zwei Krankheitsformen, welche Hebea zuerst pathologisch
festgestellt hat: 1. Liehen serophulosorum, 2. Liehen
r u b e r.
Liehen serophulosorum.
Diese Dermatonose charakterisirt sich, neben chro-
nischem Verlaufe, diirch in kreuzer- bis thalergrossen
Gruppen und Haufen, stellenweise in Ivreislinien und
Kreisen gestellte, hirsekorn- bis stecknadelkopf-
grosse, sehr flach e, wenig resistent e, blassrothe bis
braun- oderlividrotheKnötchen, welche an ihrer Spitze
ein kleines Schüppchen, seltener ein ganz kleines Eiterbläschen
tragen \mi nach längerem Bestände als solche sich involviren.
Sie jucken nur sehr wenig, bestehen monatelang fast
unverändert, bilden sich alsdann xinter geringfügiger Abblät-
terung der Epidermis und allmäligem Abblassen vollständig
zurück, ohne eine Spur ihrer Anwesenheit zu hinterlassen.
Die regelmässige und vorwiegende Localisation des
Exanthems ist der Stamm, Rücken und Unterleib. Anfangs
finden sich nur getrennt stehende Haufen von solchen Knöt-
chen , später können auch nachbarliche Grruppen dichter an-
einander gedrängt werden und dadurch scheinbar gleichmässig
diffuse Erkrankungen darstellen , in deren Bereich die Haut
schmutzig-braunroth und mit dünnen, leicht sich ablösenden
Schuppen besetzt ist. Doch erkennt man noch genau die Zu-
sammensetzung aus einzelnen G-ruppen , und dass letztere aus
kleinen Knötchen zusammengesetzt sind.
Neben den genannten Grruppen und confluirenden Plaqu.es
finden sich auch einzelne disseminirte Knötchen, sowie solche,
die in Kreisbögen angeordnet sind ; überdies pfennig- bis thaler-
grosse Stellen , welche dadurch kenntlich gezeichnet sind, dass
die Talghaardrüsen-Mündungen etwas hervorragen und schärfer
markirt erscheinen (Liehen pilaris, Cutis anserina) — der Be-
ginn der Knötchenbildung.
Die Entwicklung erfolgt ausserordentlich langsam
und unmerklich, der Verlauf äusserst träge. "Wenn nach
monatelangem Bestände die Eruptionen zahlreicher geworden
sind, dann erscheinen analoge Knötchen und Elnötchengruppen
auch an der Beugeseite der Ober- und Unterextremitäten, wo-
bei die am Unterschenkel befindlichen zu grösseren, mit einem
ggg DruiundKwanzigste Vorlesung.
lividen Halo versehenen Knötchen lierangedeilien (Liehen
lividus), sowie Efflorescenzen im Bereiche des Gesichtes.
Als begleitende Erscheinung findet sich in inten-
siven Fällen eczematöse Erkrankung des Scrotum und der
Regio pubica, mit Secretion einer höchst übelriechenden, serös-
fettigen Flüssigkeit, welche zu ranzig riechenden Borken ein-
trocknet; ferners aus Entzündung der einzelnen Haarfollikel
hervorgegangene Pusteln und Krusten (Eczema impetiginosum)
am Schamberge ; endlich durch Hämorrhagie und Exsudatbildung
in die HaarfoUikel der unteren Extremitäten entstandene
Knötchen und Pusteln, welche von einem hämorrhagischen
Hofe umgeben sind (Acne cachecticorum).
Fast ausnahmslos (ca. 90"/o) findet sich bei den mit Liehen
scrophulosorum behafteten Individuen eine nuss- bis faust-
grosse, indolente und manchmal sogar vereiternde Intumescenz
der sübmaxiUar-, Cervical- oder AxiUardrüsen , sowie zuweüen
Periostitis, Caries, Necrose, mit oder ohne scrophulöse Haut-
geschwüre und eine im AUgemeinen kachektische, eigenthümlich
trocken-fettig sich anfühlende Haut.
Durchwegs ist der Process nur bei jugendlichen uud ui
der geschilderten Weise als scrophulös charakterisirten Li-
dividuen zu finden, weshalb der Name Liehen scrophulosorum
wohl gerechtfertigt erscheint.
Damit wäre gleichzeitig die vermuthliche Ursache der
Affection gegeben. Nur selten haben wir die Krankheit bei
scrophulösen Personen der 20er Jahi^e gesehen , niemals aber
bei älteren und sonst sehr gesund aussehenden Lidividuen ; die
Mehrzahl dagegen im puerilen oder Pubertätsalter.
Ich nahe durch mikroskopische Untersuchung dar-
^ethan, dass der örtliche Process des Liehen scrophulosorum m
einer Zelleninfiltration und Exsudation in nnd um die Haar-
follikel und die dazugehörigen Talgdrüsen, sowie in die die i ol-
likelmündung zunächst begrenzenden Papillen bestehe. (Fig. 22.)
Jedes einzelne Knötchen entspricht demnach einer Follicular-
mündung und dessen Umgebung. Die PapiUarschwellung und
Infiltration repräsentirt das Knötchen, und die Anhäufung von
hvperplastischer Epidermis, oder von Exsudat m der Follikel-
mündung steUt das centrale Schüppchen oder Pustelchen dar.
Der Process ist im Wesentlichen als gutartig zu be-
zeichnen, insoferne er vollständig zum Schwinden kommen
Liohen scvopliulosorum.
Fig. 22.
397
Durchsclinitt eines Knötcliens des Liehen scrophulosornm.
n, Haartalg; 6b, Wurzelscheide des Haarschaftes (mit Zellen durchsetzt) ; c, Haare;
<J, Rete Malpighii, die Zellen länglich verschoben, zwischen ihnen Exsudatzellen ;
e, Epidermismasse der Follikelmündung; , Talgdrüse; 3, Entzündnngs- (Zellen-) Infil-
tration in dem perifollioulären Bindegewehe , sich fortsetzend in die Papillen ; h, an-
grenzendes normales Bindegewebe des Corinm; i. Blutgefäss. (Starke Vergösserung.)
kann und nur einzelne Follikel unter Eiterung und Narben-
bildung zu Grunde geben (Fig. 23).
Der spontane Verlauf kann mebrere Jabre betragen.
Die Diagnose des so cbarakterisirten Uebels ist nicbt
scbwer, wenn man die Grleicbartigkeit der Knötcben, ibr
Auftreten in Grruppen , ibre bauptsäcblicbe Localisation am
Stamme, ibre Scblappbeit und geringe Hervorragung und ibre
Complication mit den bescbriebenen Drüsenscbwellungen und
Zeicben der Scropbulose berücksicbtigt.
Verwecbslung ist möglicb, 1. mit Eczema papulosum,
welches bei kleinen Kindern zuweilen in Form von so flacben,
schuppenden Knötcben auftritt, die, weil sie den Haarfollikeln
398
Dreiundzwanzigste Vorlesung.
Durclisclimtt einer Efflorescenz von Liclien ««i'^P^'^^f , , ^^j.
a, Haarpapüle; », Muse arrector piU ; c W^^^^^^^ JSÄcheide' to^^
Exsuüatzeuen n von u ^^^^^^ Schweissdrüsenmundung.
entsprechen, gleich den letzteren in Kreislinien und Gruppen
angeordnet sei.1 können (Liehen eczematodes, figuratns dei
Antoren); doch ist hier die Loealisation nicht eine so typische
und kann es in acuter EntwickKmg zu Steigerung des Processes
bis zum Eczema vesiculosum kommen;
2. mitdemkleinpapulösenSyphilid, demsogenann-
ten Liehen syphiHticus. Hier sind die Knötchen ni der Regel
nicht gruppirt, sondern vorwiegend in Kreislinien angeordnet,
ausserordentlich derb und glänzend, über das Haixtmveau her-
vorragend, zumeist auf die Gelenksbeugen localisu't, und es
fehlt nur selten zwischen den kleinen Knötchen auch eme oder
die andere grössere, etwa linsengrosse Efflorescenz. Da solche
bei Liehen scrophulosorum niemals vorkommen, so wird mit dem
Nachweis einer einzigen grösseren derben Papel der Unter-
schied gegeben sein. .
Die sogleich zu besprechende Lichenart, der LicJien
ruber hat so prononcirte Charaktere, dass ihre Verwechslung
mit Liehen scrophulosorum wohl nicht leicht möglich ist.
Lichon ruber.
399
Die Heilung des Liehen srophtilosorum erfolgt mit
Sicherheit, wenn das betreffende Individnnm in Verhältnisse
gebracht wird, durch welche dessen Ernährung im günstigen
Sinne alterirt wird. Mit der Zunahme der Ernährung bessert
sich die allgemeine Beschaffenheit der Haut und bilden sich
die Knötchen zurück. Eine bedeutende Unterstützung bietet
der innerliche Gebrauch des Leberthrans mit oder ohne Jod,
z. B. Rp. : Jodii puri 0,15, Olei jecor. aselli 150,0 , Erüh und
Abends einen Esslöffel voll zu nehmen.
Wenn gleichzeitig auch der Haut noch durch fleissige,
2 — 3 Mal des Tages wiederholte Beölung mit Leberthran, Eett
zugeführt wird, geht die Besserung noch rascher von Statten.
Binnen 6 Wochen bis 3 Monaten kann man die intensivste
Form von Liehen scrophulosorum vollständig schwinden sehen,
wobei gleichzeitig auch die Drüsenschwelkuig und die Erschei-
nung;en der Acne cachecticorum, • des Eczema scroti etc. sich
verlieren.
Liehen ruber.
Diese merkwürdige , ebenso räthselhafte , wie gefährliche
Haiitkrankheit ist zuerst von Hebra als Uebel sui generis
erkannt und mit dem Namen Liehen ruber belegt worden.
Was von diesem Forscher in Bezug auf Symptomatologie
und Ausgang dieser Krankheit seiner Zeit gelehrt wurde, hat
durch spätere Beobachtungen Ergänzungen erfahren, auf deren
Grund wir heute von Liehen ruber zwei Formen unterscheiden
müssen : Liehen ruber acuminatus und Liehen ruber planus.
Liehen ruber acuminatus, ist die von Hebra ur-
sprünglich beschriebene Form. Sie charakterisirt sich
durch disseminirte, hir s eko rn- bis stecknadelkopf-
grosse, rothe, konische, an der Spitze ein dickes
Epidermishübelchen tragende, sehr derbe Knöt-
chen, welche, wenn sie dichter aneinandergereiht sind, rauh
wie die Stacheln eines Reibeisens sich anfühlen und endlich
zu diffusen, rothen, schuppenden Flächen verschmelzen.
Der Process nimmt seinen Anfang entweder mit einer
über den ganzen Körper zerstreuten, oder nur auf einzelne
Stellen (Gelenksbeugen , Stamm) beschränkten , also ziemlich
acuten Eruption der beschriebenen Knötchen, welche vorerst
unregelmässig disseminirt stehen und sich alsbald in Stri-
Dreiundzwanzigste Vorlesung.
eben oder Kreislinien anreihen, oder sich nnregelmässig an-
elnanderdrängen, indem zwischen den acuten Knötchen zahl-
reiche neue entstehen. ri • n.
Derart werden nun binnen 3—4 Monaten Stamm, Gesicht,
Extremitäten mit immer dichter gedrängten Knötchen^ besetzt
und die gesunden Hautinseln immer weniger und kleiner h.^
entstehen nunmehr durch stellenweise vollständige yerschmel-
zung der dicht stehenden Knötchen diffuse Krankheitsf eider,
in deren Bereich die Haut gleichmässig verdickt, roth, schuppig,
rissia- von tiefen Furchen durchzogen, trocken erscheint, ahn-
Hch wie bei einem alten Eczema sciuamosum. Nur am Rande
solch' diffuser Flecke findet man in mehreren Reihen die ge-
schilderten konischen, mit einem Schuppendache versehenen
Primärefflorescenzen des Liehen ruber.
Indem ein derartiges Fortschreiten des Processes, der
unverändert seinen Charakter beibehält, von vielen SteUeii
aus gleichzeitig stattfindet, kann es ini Verlauf von ein bis
mehreren Jahren zu universeller und gleichmässiger Ausbreitung
des Processes kommen, - Liehen ruber universalis, in
einem solchen Falle erscheint die Haut vom Scheitel bis
zur Zehe geröthet, verdickt, durch stärkere Ausprägung der
normalen Linien der Haut gefurcht, mit zahlreichen dünnen
Schuppen bedeckt , die Gesichtshaut trocken , rissig und
schuppig, die unteren Augenlider ectropisch, die oberen herab-
der behaarte Kopf schuppig, die Haare diuin J
AusfaUen begriffen (Effluvium ^-V'^''-'^\.^''t^^^^^^^
und Körperhaare gehen später verloren. Die Bew g^Hig m
den Gelenken ist durch die Verdickung und ^agad s he Be
schaffenheit der Haut gehemmt, schmerzhaft; ^andtel er
Fusssohle meist von einer dicken,
Schwiele besetzt, durch welche die Finger in «tarkexex Beu
gung gehalten werden; dieNägel an den Fmgern und Zek^
verc'clt, brüchig, getrübt. Dabei I—u- s - ^
.schlecht genährt, fortwährend fröstelnd. de^^aatig exc^^^
siver Grad des Liehen ruber kann mehrere Jahie be tehen
ohne, nach unserer Erfahrung, zur spontanen Involution zu
''''Tni.r dem Einflüsse einer so intensiven
allmählich Fmaeiation des f^^^^tr^^Z
oder unter einer accessorischen Eikiankun«
Liehen ruber.
401
L i c h e 11 r 11 b e r p 1 a 11 u s. Bei diesem entstehen durchwegs
platte, nicht schuppende und von vornherein zur Grrup-
pirung und Plaquesbildung neigende Knötchen von
eigenthümlichem, wa c h sar tigern Grlaiiz e undgedelltem
Ansehen. Die Ejiötchen sind hirsekorn- bis stecknadelkopfgross
und selbst viel kleiner, kaum nadelstichgross, die entwickelten
grösseren braun- oder blassroth oder ganz blass, mit einem
haarfeinen, rothen Saum an der Basis, von wachsartigem
Glanz , rundlich oder polygonal , sehr derb. Viele selbst der
kleinsten Knötchen zeigen im Centrum ein, wie durch einen
Nadelstich gemachtes kleines Grriibchen, das als flache Delle oder
feines Pünktchen sich präsentirt. Die gescliilderten Knötchen
stehen anfangs unregelmässig disseminirt und erscheinen zu-
meist an den Beugen des Ellbogens oder Handwurzelgelenkes,
in der Kniekehle, auf der- Gr-lans penis, oft auch an der Mach-
hand und Pusssohle, oder an dem Handrücken zuerst, aber
auch sonst wo immer am Stamm , an den Extremitäten , an
den Fingern , auf dem Lippenroth, auf den Augenlidern , an
der "Wange.
Sehr früh stellen sich die Knötchen in streifenförmige
Reihen oder , der Follikelanordnung gemäss , am Stamm in
Kreislinien; noch häufiger, und später an den meisten Stellen,
drängen sie sich mosaikartig aneinander. Indem dabei die
älteren , mittelständigen einsinken und dunkelbraun werden,
peripher wieder ein neuer Kranz von platten , wachsartig
schimmernden, gedellten Knötchen sich anfügt, entstehen linsen-,
pfennig- bis thalergrosse Plaques von eigenthümlichem Ansehen,
wie eine perlenumrahmte dunkle Gemme. Die grösseren,
älteren Plaques sind im Centrum deutlich eingesunken (atro-
phisch) , livid- bis säpiabraun. Endlich kann auch die Haut
über grössere Flächen gleichmässig von der Eruption besetzt
sein, wodann sie diffus braunroth, verdickt und körnig, wie
Chagrinleder , sich ansieht und anfühlt. Weder auf solchen
Stellen, noch über den einzelnen Knötchen und Plaques kommt
jemals bemerkenswerthe Schuppenbildung, noch eine Umwand-
lung zu Bläschen oder Pusteln vor.
Verlauf und Dauer der Krankheit ist äusserst chro-
nisch. Viele Knötchen schwinden nach mehrwöchentlichem Be-
stände, mit Hinterlassung von anfangs dunkelbraunen, später
glänzend weissen, atrophischen (narbenähnlichen) Grübchen;
Kaposi, Hautkrankheiten. 26
^Qi, Dreiundzwanzigste Vorlesung.
doch besteht und vermehrt sich im Uebrigen das Exanthem
durch continuirlichen Nachschub von Knötchen.
Im Gegensatze von Liehen ruber acuminatus, welcher
rasch zu allgemeiner Verbreitung sich steigert, bleibt Liehen
raber planus in einzelnen Fällen durch 1-2 Jahre auf einzelne
Körperstellen beschränkt. Ob derselbe derart auch noch langer
fortbestehen und binnen Jahren spontan zur Involution gelangen
kann weiss ich nicht, da die zur Beobachtung gekommenen
Fälle' sofort behandelt worden sind. Gewiss aber ist, dass die
meisten Fälle mit der Zeit eine universelle Verbreitung er-
langen können.
Obo-leich also diese beiden Formen nach dem Typus ihres
Ansehens und ihres Verlaufes sich von einander unterscheiden,
stellen sie doch, wie die klinische Beobachtung und die ana-
tomische Untersuchung lehren, wesentlich einen Process dar.
In der That findet man auch beide Formen sehr oft mitein-
ander combinirt, in der Art, dass z. B. am Penis und an den
Händen, Flachhand, Handrücken und Fusssohlen, Liehen
planus, am Stamm dagegen vorwiegend Liehen lacuminatus
sich darbietet. „ ., .
Was den Einfluss der Krankheit auf den Gesammtorga-
nismus anbelangt, so scheint er durchwegs geringer zu sein
als bei Liehen acuminatus.
Ich habe nur in einem Falle von Liehen planus rasch
fortschreitende Abmagerung, Schlaflosigkeit, Nebelsehen, Kopf-
schmerz beobachtet, welche Zustände erst unter der Behandlung
vollständig behoben wurden.
Als häufige Begleiterscheinung des Liehen ruber ist
Jucken zu erwähnen, welches zuweilen mässig, manchmal aber
so intensiv ist, dass dadurch der Schlaf durch lange Zeit ge-
stört wird. Erst mit der allseitigen, durch die Behandlung
bewirkten Involution des Exanthems hört das Jucken aut._
Die Prognose bei Liehen ruber ist insoferne nicht
Dünstig, als dasUebel, sich selbst überlassen, nicht heilt, sondern
L uiüVersellen Verbreitung sich steigert und endlich einen
tödtlichen Marasmus herbeiführt. ,Ml.Pvbannt
Dies gilt namentlich für Liehen acuminatus l^auP^'
und auch für universellen Liehen planus. Die ersten 141 alle,
tlZV... beobachtet hat, sind auch der Krankheit ei.egem
Seitdem aber nach Hebra's Indication eine erfolgreiche Behand-
Liehen ruber.
403
lungsmethocle uns zu Gebote stellt, können wir bei Liehen
ruber im Gegentheil eine günstige Vorhersage machen, da
Avir nun in der Lage sind, den Kranken mit Sicherheit zu
heilen , und zwar mit der Aussicht , dass auch keine Recidive
eintritt. Nur bei einem vierjährigen Mädchen habe ich zwei
Jahre nach erfolgter Heilung eine Erneuerung des Processes
gesehen.
Ueber die Ursache des Liehen ruber fehlt uns jede
Ivenntniss. Wir können keinerlei constitutionelles Moment
beschuldigen, da alle bisher beobachteten Erkrankungen bei
sonst ganz gesunden Personen aufgetreten waren. Auch ist der-
selbe weder ansteckend noch erblich. Wohl aber kann,
wie bei Psoriasis, auch bei schon bestehendem Liehen, ein Haut-
reiz, eine Nadelritze der Haut , die raschere Entwicklung von
Knötchen im Bereiche jener zur Folge haben.
Unter unseren Liehen ruber-Kranken zählen wir gut zwei
Drittel Männer und nur ein Drittel Weiber, Die meisten Er-
krankungen zeigten sich bei Personen zwischen dem 10. und
40. Lebensjahre. Einmal haben wir bei einem acht Monate
alten Kinde und zweimal bei drei- bis vierjährigen Kindern
das Uebel aligetroifen.
In den letzten drei Jahren habe ich allein mindestens
25 Liehen ruber-Eälle gesehen, darunter 17 Fälle von Liehen
ruber planus, theils rein, theils gemischt mit Liehen ruber
acuminatus. In der Spitalspraxis kommen die Fälle seltener
zur Behandlung.
Bei den zur Section gelangten, in Folge von Liehen
ruber verstorbenen Individuen hat man keinerlei positive An-
haltspunkte für die Erklärung jenes tödtlichen Marasmus ge-
funden.
Was die anatomischen Veränderungen in der Haut
selbst anbelangt, so sind sie seinerzeit von Hebra, später
wiederholt (von Neümann, Biesiadecki, mir und Obtdlowic) Ge-
genstand der Untersuchung gewesen. Uebereinstimmend wird
constatirt, dass die Haarfollikel und ihre nächste Umgebung
vorwiegend den Sitz der Erkrankung abgeben ; namentlich hat
sich eine Hyperplasie der Zellen der äusseren Wurzelscheide
in dem unteren Theile des Haarschaftes, zapfenartiges Aus-
wachsen derselben mit consecutiver Ausbuchtung der Haarfollikel,
sowie Zelleninfiltration der den Follikel iimgebenden Papillen
26*
404
Dreiimdzwanzigste Vorlesung.
lind Proliferation des sie bedeckenden Rete vorgefunden. Etwas
für Liehen ruber Cliarakteristisclies liegt in diesem Befunde
nicht. Man hat namentlich die zapfenförmigen Auswüchse der
Wurzelscheiden in das Corium hinein auch bei anderen chro-
nischen Entzündungsprocessen der Haut, wie bei Prurigo
(Deeby), Dermatitis chronica, chronischem Eczem vorgefunden.
Entsprechend der Delle der einzelnen Knötchen bei Liehen
ruber planus zeigt sich der Papillarkörper in der Aus-
dehnung mehrerer Papillen atrophisirt und Biesiadecki hat
darauf aufmerksam gemacht , dass diese Stelle nicht der
Mündung des Haarfollikels entspricht, sondern der Anheftungs-
stelle des jeweiligen Musculus arrector pili , von welchem er
meint, dass derselbe in einer Art dauernden Tetanus sich be-
finde. Sicher ist, dass im Beginne der Entwicklung des Liehen
ruber acuminatus bisweilen die Haut des ganzen Körpers
einen Zustand darbietet wie bei Liehen pilaris , also ein Her-
vorgedrängtsein der Haarfollikel durch Contraction des Haar-
streckers. Die das atrophische und später narbig aussehende
Centrum der einzelnen Knötchen umgebenden Papillen bieten
erweiterte Maschenräume und Gefässe und Zelleninfiltration
dar und kehren wieder zur Norm zurück.
lieber das Wesen des Processes gibt dieser anatomische
Befund .doch keine genügende Aufklärung. Es handelt sich
gewiss noch um eine ganz ernste Ernährungsstörung, die
in der örtlichen bedeutenden Gewebsveränderung (Atrophie)
und in dem folgenden allgemeinen Marasmus sich ausprägt.
Vielleicht hat die Angabe Biesiadecki's von colloider Entartung
der Wandung der Papillen-Gefässe diesbezüglich eine hervor-
ragende Bedeutung.
Die Diagnose des Liehen ruber ist durch die ausge-
prägten klinischen Charaktere desselben zwar jederzeit ge-
sichert, aber dennoch, in Anbetracht des seltenen Vorkommens
der Krankheit, für den minder Geübten ziemlich schwierig.
Im Stadium der disseminirten Knötchenbildung kann Liehen
ruber acuminatus leicht mit Psoriasis punctata oder
Eczema papulosum verwechselt werden. Die flachen
Psoriasisknötchen werden binnen wenigen Tagen zu charak-
teristischen , linsengrossen , schuppigen Elecken heranwachsen,
während die konisch hervorragenden Knötchen des Liehen ruber
als solche persistiren, und die Knötchen des Eczema papiüosum
Liehen rnbev.
405
sicli rasch in dem Sinne von Eczeni entweder zurückbilden
oder zu Bläschen entwickeln. Noch leichter wird Liehen ruber
in der Form diffuser Rothe und Verdickung der Haut mit
Eczema chronicum und Psoriasis diffusa verwechselt.
Man siTche daher in der Nachbarschaft jener difPusen Er-
krankungsherde nach den charakteristischen Primärefflores-
cenzen des Liehen ruber.
Bei universellem Liehen ruber ist die Diagnose gegen-
über von Psoriasis universalis am allerschwierigsten.
Im Allgemeinen zeigt sich bei Liehen ruber relativ geringe
Schuppenbildung und beträchtliche Verdickung der Haut,
während bei Psoriasis immerhin viel und reichlich sich ablösende,
und an anderen Stellen wieder dick auflagernde Epidermis-
schuppen sich vorfinden. Ueberdies macht Psoriasis selbst in
dem höchsten Grade der Entwicklung auch zeitweilige Livo-
lutionen, so dass wieder einzelne gesunde Hautinseln zum
Vorschein kommen können. Endlich werden Plachhand und
Eusssohle bei Psoriasis gar nicht, oder nie so intensiv krank
erscheinen, wie bei Liehen ruber.
Eczema chronicum universale ist wohl leichter
auszuschliessen , weil hier doch an vielen Stellen charakteri-
stische Erscheinungen des Eczems, des Nässens etc. sich vorfinden.
Pityriasis rubra universalis wird durch den
Mangel an Infiltration der Hatit, welche im Gegentheil ver-
dünnt, selbst atrophisch erscheint, und nur sehr dünne Blättchen
und kleienförmige Schüppchen producirt, leichter von Liehen
riiber difFerencirt werden können.
Was Liehen ruber planus, dessen disseminirte oder
figurirte, gedellte Knötcheneruptionen und dessen Eorm von
im Centrum eingesunkenen Plaques anbelangt, so wird der-
selbe am häufigsten irrthümlich als papulöses Syphilid
diagnosticirt, umsomehr als die Glans penis in der Regel auch
von Efflorescenzen besetzt erscheint. Ich muss auf die weiter
oben geschilderten -charakteristischen Merkmale dieser poly-
gonalen Knötchen und Plaques, ihren wachsartigen Schimmer,
die kleine Delle bei den einzelnen Efflorescenzen, auf die
trockene Beschaff'enheit der letzteren , selbst wenn sie an den
Genitalien localisirt sind, verweisen. Immerhin erheischt die
l ichtige Beurtheilung eines solchen Krankheitsbildes eine grosse
Aufmerksamkeit.
^Qg Dreiundzwanzigste Vorlesung.
Die Therapie gegen Liehen ruher ist eine ganz be-
stimmte. Während in den ersten 14 Fällen, welche Hebba
beobachtet hat, die verschiedensten innerlichen und äusserlichen
Mittel sich fruchtlos erwiesen haben und den letalen Ausgang
nicht aufzuhalten vermochten, sind alle seithervorgekommenen
Fälle unter dem von Hebra erprobten consequenten Gebrauche
von Arsenik genesen. Und wir können jetzt ohneweiters jedem
Liehen ruber-Kranken, den höchsten Grad des Marasmus bei
universellem Liehen ruber ausgenommen , mit vollster Sicher-
heit die Heilung versprechen. c ■, t. i •
Bei kleinen Kindern ziehe ich es vor, Solutio 1 owleri
zu 2 Tropfen de die und sehr langsam steigend zu geben.
Bei Erwachsenen machen wir die Medication mit asiatischen
Pillen in der gleichen Weise wie dies bei der Behandlung der
Psoriasis besprochen worden.
Yov 6—8 Wochen, d. i. bis der Kranke auf 200-2oO
PiUen angelangt ist, kann man in der Regel keine Besserung
wahrnehmen; es kommen noch immer eine Menge neuer Nach-
schübe und von den alten Efflorescenzen involviren sich nur
wenige Erst bei 500-600 Pillen wird die Involution merkhcher
und der Nachschub von Knötchen spärlicher. Letztere kommen
aber noch bis in die aUerletzten Stadien und nach voUkommenem
Verschwinden der alten Eruptionen. Deshalb verabreichen wir
,,och 3-4 Monate hindurch, nachdem die Krankheit vollkom-
men geschwunden zu sein scheint, den Arsenik in massigen
Dosen, etwa zu 6 Pillen des Tages. _
Man beginnt also mit 3 Stück de die, steigt jeden 4 bis
5 Tag um eFne bis auf 8 oder 10 Pillen per Tag, bleibt auf
dieser Höhe bis die Involution des Processes ziemlich voll-
tändig geworden, fällt allmälig bis auf 6 und bleibt bei dieser
Dosis 3-4 Monate hindurch, von der beiläufigen Heilung des
Processes an gerechnet.
In mässigen EäHen von Liehen ruber reichen bOO-1500
Pillen in Summa aus, doch haben wir .selbst unter unseren
Augen bis 30U0 nehmen lassen und ich kenne einen Kranken,
dessen Liehen ruber universalis nach einer zweijährigen un-
unterbrochenen Cur , bei der Gesammteinnalime von etwa 4o00
asiatischen Pillen complet geschwunden war. ...^^-^
Solche Beispiele vorzuführen durfte nicht ubeiflussi,
sein, weil jüngere Aerzte in ihrer Praxis vor einer grosseren
Liehen ruber.
407
Arsenikmeclication entweder zurückschrecken oder znrück-
o-esclireckt werden könnten, wenn nicht derartige Erfahrungen
Anderer vorlägen.
"Wie sehr der Organismus an einen methodisch gesteiger-
ten Arsenikgenuss sich gewöhnen kann, habe ich auf der
Grazer Natui-forscher - Versammlmig zu sehen Gelegenheit
gehabt. Daselbst wurden zwei „Arsenikesser" vorgesteUt
("diu-ch Dr. Knapp), welche a\\£ einmal je ein Stück von 0,25 nnd
0,40 Gramm Arsenik verspeisten und alle paar Wochen solches
zu wiederholen angaben.
Bei Befolgung der beschriebenen Methode, d. i. des all-
mäligen äteigens und Abfallens, und dass man auf der Höhe,
bei welcher eine Wirkung sichtbar ist, anhält, kann dem
Kranken kein Nachtheil widerfahren.
Was die oft sehr lästige Empfindung des Juckens und
der Schlaflosigkeit anbelangt, so bekämpft man dieselbe am
besten durch örtliche Mittel, wie Bepinselungen mit Carbol-
oder Salicylsäure (1 : 40 Alcohol und 1 Gr. Glycerin), Amyhim-
einstreuung , Dampf- und Douchebäder , Einschmieren von in-
differenten Fetten oder mit Carbol- , Salicylsäure , Zink ver-
setzten Salben. Doch lässt durchschnittlich trotz alledem
das Jucken nicht nach, bis nicht der Process überwiegend zur
Invokition neigt.
Theereinpinselung hat sich gegen das Jucken und den
Process als solchen nur wenig wirksam erwiesen, ebenso wie
Schwefel-, Soda-, Alaun-, Sublimatbäder etc.
Man könnte selbstverständlich subcutane Arsenikinjec-
tionen machen wie bei Psoriasis.
Von amerikanischen Collegen ist gegen Liehen ruber,
speciell planus, KaK aceticum in der Dosis von 5,0 auf 150,0
Aqu, dest. de die als besonders wirksam empfohlen worden,
indem durch dasselbe der Liehen binnen 3—6 Wochen complet
geschwunden sein soll. Ich habe diese günstige Wirkung nicht
bestätigen können.
Vierundzwanzigste Vorlesung.
2. Pruriginöse Dermatosen, Juckausschläge.
Eczema.
Definition Polymorphie und WandellDarkeit der Symptonrie ; typischer
Verlauf des acuten Eezems; chronisches Eczem; anatomische Grundlage.
Speeielle Loealisationsformen. Impetigo faciei ; Eczema marginatum ;
Diagnose.
Eczem, (ix-'^ew, aiisfliesseii) nässende Fleclite, ist eine
sehr oft acut, zumeist jedoch chronisch verlaufende, mit
Jucken vergesellschaftete Hautkrankheit, welche in Form
von theils unregelmässig zerstreuten oder dicht ge-
drängten Knötchen, Bläschen und Pusteln, theils
von diffuser Röthung und Schwellung der Haut
sich darstellt, deren Oberfläche alsdann schup-
pend, oder nässend, oder mit gelben, gummiartigen
Borken bedeckt erscheint.
Zu der hier skizzirten Vielgestaltigkeit (Polymorphie)
des Eezems gesellt sich noch eine grosse Wandelbarkeit seiner
Symptome. Daher rührt es , dass viele Aerzte und Autoren
noch nicht zm Ueberzeugung von der Zusammengehörigkeit
all' der genannten Formen gelangt sind, sondern viele derselben
als besondere Krankheiten ausgeben.
Man kommt jedoch zu dem bei uns geltenden, umfassenden
txnd einheitlichen Begriffe des Eezems , wenn man nicht die
Morphen allein, sondern alle Momente, Erscheinung, Verlauf,
Ursache die Geschichte des ganzen Processes berücksichtigt,
indem sich hierbei ergibt, dass erstens all' die genannten
' Krankheitsformen sehr häufig gleichzeitig auf der Haut neben
einander bestehen, zweitens die verschiedenen Morphen walirend
des Krankheitsverlaufes in steter Umwandlung m und aus
Eczeni.
409
einander begriffen sind, und dass wir drittens jederzeit in der
Lage sind, an jeder Hantstelle und jedes beliebigen Individuums
all' die genannten Tormen mitsammt ihrer Polpnorpliie und
ihren Uebergängen künstlich zu erzeugen.
Gehen wir gleich von dem letztgenannten Momente aus,
indem wir die Vorgänge betrachten, welche auf der Haut sich
darbieten, nachdem dieselbe künstlich, durch Hitze, Schwefel-
salbe, Arnicatinctiir, Terpentin, kurz irgend eine Schädlichkeit
gereizt worden.
Da hängt es nun von der Art, Litensität und Dauer der
schädlichen Einwirkung und der individuellen Reizbarkeit der
Haut ab, ob die eine oder andere Morph e des Eczems
entsteht , ob Knötchen , oder Bläschen , oder diffuse Röthung
mit Schuppung oder Nässen ; und von der Irritabilität der
Haut und der Wiederholung oder Einmaligkeit der Hautreizung,
ob das Eczem als acutes abläuft oder chronisch wird.
Bei geringer Reizwirkung erheben sich alsbald unregel-
mässig zerstreut stecknadelkopfgrosse, blasse oder rothe, derbe,
heftig juckende und zum Kratzen veranlassende Knötchen
— Eczema p a p u 1 o s u m. Ihre Zahl vermehrt sich innerhalb
der ersten Stunden oder Tage durch neu auftauchende. Als-
dann sinken die Knötchen ein und verschwinden sie unter Ab-
blätterung. Bei intensiver Irritation entwickeln sich die Knöt-
chen durch Vermehrung ihres serösen Inhaltes zu wasserhellen
Bläschen — Eczema vesiculosum. Auch die Bläschen
können binnen wenigen Tagen durch Verdampfung oder Auf-
saugung ihres Inhaltes einsinken und unter Abblättern vei*-
schwinden. "War aber die Reizung dauernder oder mächtiger,
dann wird zunächst die Haut über eine grössere Strecke diffus
geröthet, geschwellt, zugleich heiss, schmerzhaft, ödematös • —
Eczema erythematosum. Auch dieser Zustand kann
binnen wenigen Stunden oder Tagen sich rückbilden mit Hinter-
lassung von mässiger Abkleiung und dunkler Pigmentirung.
Im höchsten Grade der Reizung endlich tauchen auf der diffus
gerötheten und erheblich geschwellten Haut dicht gedrängt
Bläschen und Blasen auf — Eczema vesiculosum, welche
sehr bald grösstentheils platzen oder zerkratzt werden und
ihren flüssigen Inhalt in hellen Tropfen austreten lassen. Man
hat das nässende Eczem vor sich — Eczema madidans.
Werden die Bläschendecken mechanisch durch Abreiben ent-
Vierundzwanzigste Vorlesung.
fernt oder weggeschwemmt, so liegt die Hautfläche dunkelroth,
von blossem Rete belegt, mit feinen Grübchen besetzt, welche
den zerstörten Bläschen entsprechen (etat ponctueux, Dkvergie)
zu Tage — Eczema rubrum. Die Eczemflüssigkeit (luiUt
nun reiclilicher hervor. Dieselbe ist hellgelb, eiweissartig,
klebrig, reagirt neutral, lässt beim Kochen oder Zusatz von
Salpetersäure flockig Albumen ausfallen. Sie ist eben Blut-
serum und keineswegs ein pathologisch beschaffenes, oder
scharfes" Secret. Dieselbe vertrocknet an der Atmosphäre
zu gelben, gummiartigen Krusten und steift, gleich Sperma,
die damit imprägnirte Leibwäsche.
Mit dem Stadium der Bläschenbildnng hat das Kczem
seinen anatomischen, und mit dem des Nässens seinen klimschen
Höhepunkt erreicht. Auf diesem beharrt dasselbe nach Um-
ständen wenige Stunden oder, durch erneuerte Anregung un er-
halten, auch mehrere Tage, worauf dessen Rückbildung erfolg .
Zunächst trocknet die Eczemflüssigkeit zu gelben und durch
Beimengung von Blut gelbbraunen Krusten ein - Eczema
crustosum, unter welcher das nachschiebende Secret ab-
gesperrt und grün-eiterig wird-Eczema impetiginosum.
Da und dort bersten die schwappenden Borken, tritt die eitrige
Flüssigkeit hervor und wird die nässende rothe Papillarflache
sichtbar. Indessen vermindern sich die Entzündung Schwellung
die Haut sinkt ein, die spärlicher gewordene Secretion is
nicht mehr im Stande die Krusten abzuheben, welche demnach
Tocken, hart werden und festkleben ^nter ihrem Sc^^^^^^
bildet sich eine festhaftende Epidermisdecke von wel her e^^i
lieh die Krusten sich ablösen. Die erkrankte Haut liegt fre
zu Tage, kaum geschwellt, aber sie ist noch hyperamisch roth
nnd schilfert - Eczema squamosum. Schliesslich verliert
Tch aucl der letzte Rest von Blutüberfüünng -1 Schuppung
Die Haut ist normal gefärbt und überhäufet und zeigt uns
noch durch kurze Zeit dunklere Pigmentirung. Es ist ^oU-
ständiffe Restitutio in integrum erfolgt.
L mässig, etwa über einen Vorderarm ausgedehntes
Eczem dieser Ar! braucht zu seinem Verlaufe 2-4 Wochen.
Die geschilderten Symptome entsprechen zugleich den-
ipnie-en des acuten Eczems.
lus dieser Darstellung ist znnäcl.st Hehreres für das
Verständniss des Eczems Wichtiges zu entnelimen ;
Eczem.
411
1. Dass die Kranklieit mit punktförmiger oder diffuser
Rötliung und Schwellung der Haut — Eczema erythematosum
oder juckenden Knötcken — Eczema papulosum — beginnt,
dass aber das Eczeni übes diese niedrigen Stadien hinaus sich,
nicht weiter zu entwickeln braucht.
2. Dass das Stadium der Bläschenbildung — Eczema
vesiculosum — und des Nässens — Eczema rubrum, madidans
— die Acme des Processes darstellen.
o. Dass die Krustenbildung — Eczema impetiginosum et
crustosum — und das Stadium der rothen , schuppenden Eläche
Eczema squamosum — nur Eückbildungsformen des Eczems
sind, und endlich
4. Dass das acute Eczem einen typischen Verlauf be-
kundet.
Die geschilderten Veränderungen bilden die wesentlichen
Symptome des Eczems und finden sich unter allen Mannig-
faltigkeiten der Localisation, Verlaufsweise, Complication, Ur-
sache u. s. f. entweder allesanunt tind in der geschilderten
Reihenfolge, oder vereinzelt und in der buntesten Combination
miteinander vor.
Man begreift jetzt leicht, was ein ehr o ni sehe s E cz em
zu bedeuten habe. Nichts anderes als eine Hautaffe ction , bei
welcher die geschilderten Erscheinungen nicht in einem Aus-
bruche typisch ablaufen, sondern sich durch längere Zeit er-
halten oder wiederholt erneuern, u. z. entweder indem der-
artige Exacerbationen und Remissionen an einzelnen beschränk-
ten Hautstellen stattfinden, oder indem in jahrelangem Verlaufe
bald da, bald dort am Körper Eczem auftaucht. Dies sind
dann die zumeist polymorphen und wandelbaren Eczeme, indem
gleichzeitig alle möglichen Entwicklungs- und Rückbildungs-
formen der Krankheit sich vorfinden, die selber wieder in steter
Umänderung begriffen sind, da Knötchen, dort Bläschen, hier
rothe, schuppende, anderwärts nässende oder mit Krusten be-
legte Stellen, Pusteln, Rhagaden, Pigmentflecke und Streifen
— wesentlich aber doch dieselben Veränderungen, welche auch
dem acuten Eczeme angehören.
Anatomisch bedeutet das Eczem in allen Formen und
Stadien Entzündung mit vorwiegend seröser Exsudation
(Gr. Simon, Hebra, Wedl, Kaposi, Neümann, Biesiadecki) und
ich brauche nicht erst wieder auseinanderzusetzen, welcher Art
412
Vierundzwanzigste Vorlesung.
mikroskopiscli die Eczem-Knötchen und Bläschen sich er-
weisen, da die intimeren Veränderungen innerhalb der Epider-
mis, der Papillen und dem Corinm hier ganz und gar dieselben
sind, wie bei E ry thema paiuüatum und Herpes (siehe pag. 288
und Fig. 18). Je intensiver die örtlichen Entzünduiigserschei-
nungen (Eczema rubrum, madidans) , desto mehr betriift die
Exsudation auch die tieferen Coritimschichten, bis in die Fett-
zellenschichte, desto mehr sind die Maschenräume erweitert,
die Bindegewebskörperchen proliferirend und die Exsudatzellen
vermehrt, während innerhalb des Rete alle Veränderimgen
von einfacher Aufi^uellung und Auseinanderzerrung der Zellen
zu einem Balkenwerk bis zur Proliferation und eitrigen Schmel-
zung sich finden. Es ist auch begreiflich, dass von solchen
Zuständen, also des aciiten Eczems, eine vollständige Restitutio
in integrum jederzeit stattfindet.
Fig. 24.
Eczema chronicum. Senkrecliter Durchschnitt yon der , Haut des Ober-
armes (starke Vergrosserung).
Eczem.
413
Bei cbroiiiscliem Eczem dagegen, wofern dasselbe ein und
dieselbe Hautpartie jahrelang occupirt, kommen auch bleibende
Veränderungen des Gewebes zu Stande, welche klinisch als
dunklere Pigmentiruug vind Verdickung der Epidermis und des
Coriums, stärkere Ausprägung der normalen Hantfurchen,
sich zu erkennen geben und histologisch als dichte Zellen-
und Pigmenteinlagerung in's Corinna , namentlich um die
erweiterten Gefässe , Vergrösserung der Papillen , Erwei-
terung der Lymphgefässe (Neümann, Klebs) , Sclerosirung des
Bindegewebes, Verödung der Talgdrüsen und Haarfollikel
(Wedl), Degeneration der Schweissdrüsen (Gay), Schwund der
Eettzellen — kurz Veränderungen der degenerativen Hyper-
trophie, wie bei Elepliantiasis arabum, sich darstellen.
Es erübrigt nunmehr die durch die geschilderten Nutri-
tionsveränderungen der Haut gegebenen, also wesentlichen und
anatomischen Merkmale des Eczems noch durch diejenigen zu
ergänzen, welche nach den begleitenden Umständen, besonderen
Ursachen , der Localisation , Ausbreitung u. m. A. , besonders
aber nach dem acuten oder chronischen Verlaufe sich
ergeben.
Das acute Eczem.
Dieses erscheint an einer einzigen oder an mehreren
Körperstellen zugleich und macht an jedem Herde den früher
geschilderten Verlauf durch. Es breitet sich oft über den
ursprünglich ergriffenen Eayon hinaus fort per continuum,
wobei es meist im Centrum zum Grade des Eczema vesiculo-
sum, riTbrum, madidans gedeiht, während an der Peripherie,
durch gesunde Hautstellen getrennt, mir einzelne Bläschen
oder Knötchen, oder rothe Flecke sich vorfinden. Oder das
Eczem vermehrt sich zugleich dadurch, dass an entfernten
Körperstellen neue Ausbrüche erfolgen.
Um Letzteres zu begreifen, muss man wissen, dass mit
dem Auftreten eines acuten Eczems das Hautorgan in der
Weise krankhaft alterirt wird, dass dasselbe nunmehr auf
geringe Hautreize, durch das ßeiben der Leibwäsche, das
Kratzen, die Bettwärme, oder auch spontan, auf dem Wege
der reflectorischen Gefässalteration, von Eczem befallen wird.
Insbesondere zeichnet sich in dieser Beziehung das Ge-
sicht (Ohren, Augenlider) aus, das sofort reflectorisch an Eczem
Vierundzwanzigste Vorlesung.
erkrankt, wenn an einer entfernten Körperstelle , z. B. am
Scrotum, ein acuter Eczemausbrucli stattgefunden hat
Schon dem Ausbruche eines beschränkten acuten Eczems
gehen gewöhnlich Horribilation , selbst Schüttelfrost und
iieberhitze voran und solche begleiten nebst Schlaflosigkeit,
Unruhe und gastrischen Erscheinungen den Process bis zu
seiner Acme, und kündigen auch jede neue Exacerbation an.
Sie schwinden erst, wenn allenthalben die Nachschübe sistiren.
In der Periode der Rückbildung stört nur noch das Jucken
den Schlaf. ^ t i ß „„f
Der Morphe nach tritt das acute Eczem sehr häufig aut
alsEczema papulosum, veranlasst durch SonnenHtze oder
Schweiss, bei Säuglingen namentlich oft in allgemeiner Eruption
wodann meist den Follikeln entsprechend und daher figunrt
(Eczema lichenoides), auch als Begleiter aiiderweitiger jucken-
der Hautkrankheiten (Prurigo, Scabies). Als Eczema er ythe-
matosum findet es sich meist an sich macerirenden Haut-
falten. Die häufigste Form des acuten Eczems ist die
''^''Durch die specielle Lo calisation werden noch manche
Besonderheiten des acuten Eczems bedingt _ Als die frequen-
testen Oertlichkeiten desselben erscheinen die G-elenksbeugen
die dem Einfluss des Schweisses ausgesetzten Hautflachen der
Genitalien, der weiblichen Hängebrust, und überdies ganz be-
sonders das Gesicht sammt den Ohren und dem behaarten Kopf.
Das Eczema acutum faciei et capillitii, gewohiü; ^
Hiit einem Schüttelfrost, eingeleitet, tritt -ter dem GefoU^^^^^^^
Brennen in den Augen, mit Röthung , • SchweUung , ^f^"^'^^
des Gesichtes auf, die Augenlider sind — s und
können kaum oder gar nicht geöffnet werden , die Ohren sma
wTckt vo" dems'chädel abstehend, die Lippen wulstig, luid
Tel weniger Geübte, sowie die Laien pflegen dieses Krank-
heitsbild als Erysipel zu diagnosticiren
Bei genauerem Zusehen überzeugt man sich, dass de
RöthiL lind Schwellung keineswegs so bedeutend sind wie
? Zthlluf auch das Fieber nicht so intensiv; speciell sind
" Soir 0^^^^ wahrzunebnen
Bei s'hef i^^^^^^^^^^^ Licht, oder tastend, überzeugt
n dass die Haut dicht besetzt ist mit gneskorn-
Z^i^t: s^-ernden Hübelchen, das sind die im
Eczem.
415
Entstehen begriffenen Bläschen. Bimien 12 — 24 Stunden haben
sich diese zu kenntlicher G-rösse entwickelt, sie platzen und
es beginnt das charakteristische Nässen und die Krustenbildung.
Namentlich von den Ohren sickert eine grosse Menge Flüssig-
keit ab. Auch die Haut des äusseren Grehörganges ist ge-
schwellt bis zur Undurchgängigkeit desselben, so dass auch
Schwerhörigkeit und Taubheit vorhanden ist. Erst allmälig
kommt es auf dem behaarten Kopfe zu Schwellung, Nässen
und Krusten, durch welche die Haare büschelförmig miteinan-
der verklebt werden.
Der Verlauf eines solchen Eczems , im Uebrigen den
geschilderten Typus einhaltend, bemisst sich je nach der In-
tensität und Ausdehming der Erkrankung auf 3 — 6 Wochen.
Selbst noch vollständigem Ablauf bleibt auf dem behaarten
Kopfe noch lange Zeit der Zustand des Eczema squaniosum
und im Bilde der Pityriasis capillitii zurück, ebenso häufig
Trockenheit, Verdickung und ßissigsein der Epidermis in der
Eurche hinter den Ohrmuscheln. Von letzterem Ort aus kommt
es noch später sehr oft zu neuerlichen Exacerbationen.
Ueberdies recidivirt das Gresichteczem auf die verschie-
densten Einflüsse ausserordentlich häufig.
Beim acuten Eczem der Hände und Füsse sind die
Bläschen und Blasen meist sehr prall, mit dicker Decke ver-
sehen. Das Gefühl der Spannrmg und des Pelzigseins der
Finger, ja Schmerzhaftigkeit ist bedeutend. Es kommt oft zu
eitriger Umwandlung des Blaseninhaltes (Pustelbildung), be-
deutendem Oedem, schmerzhafter Blosslegung des Coriums,
Caro luxurians am Nagelfalz und, Abstossung einzelner Nägel,
Bei Kindern kommt ein grossblasiges Eczem an den Fin-
gern vor.
Das Eczema acutum penis et scroti ist mit sehr
bedeutender ödematöser Schwellimg der betroffenen Hautpartien
und intensivem Nässen verbunden.
Auf der Haut der G-elenksbeugen, der G-enit al-
falten, der Hängebrust vind allen durch gegenseitige Be-
rührung sich macerirenden Hautfalten entsteht das acute Eczem
häufig sub forma diffuser Röthung — Erythema Inter-
trigo, Frattsein — aus welchem durch Loshebung der Epidermis
nässende Flächen — Eczema Intertrigo — hervorgeht.
Dieses hat eine grosse Bedeutung bei Säuglingen, bei
Vierundzwauzigsto Vorlesung.
welclien es in der Tiefe der Hautfalten, am Halse, an der
inneren Oberschenlcelfläche entsteht. Es wird sehr häufig von
den Kindspflegerinnen übersehen, indem sie sich scheuen, die
Falten auseinanderzuziehen, weil die Zerrung Schmerz ver-
anlasst. Nicht selten steigert sich nun die Dermatitis und es
kommt höchst acut zu Gangrän, Phlegmone, diphtheritischer
Entzündung, welche im günstigsten FaUe zur Heilung mittelst
Substanzverlusten und Narben, oder, wie ich schon erlebt,
unter Eclampsie und CoUapsus bümen wenigen Tagen zum
Tode fülu^t.
Eine wahre Plage für den Kranken und den Arzt stellt
das universelle acute Eczem vor.
Eigentlich handelt es sich hiebei nicht um eine vom
Scheitel%is zur Zehe gleichmässig entwickelte eczematöse Er-
krankuno-. Vielmehr setzt sich dasselbe aus einzelnen Herden von
acutem Eczem aller möglichen Grade und Formen, Knötchen,
nässende undborkige Flächen etc. zusammen, die mit ihrenPeriphe-
rien mehr weniger aneinander reichen. Die begleitenden Fieber-
erscheinungen sind in der Regel ziemlich intensiv und die Ex-
acerbation desselben häufig (oft auch typisch , mit abendhcher
Steigerung) , iudem bald da, bald dort ein neuer Ausbruch
erfolgt Der Kranke ist aus dem Grunde auch gewöhnlich
bettlägerig, abgesehen davon, dass das Angekleidetsein und
Umhergehen, auch wenn subjectiv möglich, durch die Reibung
der Kleider, das Ankleben der Leibwäsche, nur schädlich wirkt.
Per Process braucht bei einer solchen Ausbreitung min-
destens 2-3 Monate , oft noch länger, zu seiner voUständigen
Rückbildung. Der Kranke kommt in der Ernährung durch das
Fieber, die Appetit- und Schlaflosigkeit und den thatsachlichen
Verlust an Blutplasma bedeutend herunter. _
Im Verlaufe steUen sich auch Lymphangioitides und
Furunkelbildungen ein. Aber auch nach Frist von niehreren
Monaten pflegt ein solches Individuum de merito nicht ganz
herges tem .u sein. Es bleiben an den Olutohen an den
Gelenksbeugen, da und dort rhagadische Stellen zimick welche
den Ausgangspunkt neuerlicher Eruptionen abgeben können
oder es wiecferholen sich die furunkulösen Entzündungen durch
lle Monate, 1-2 Jahre, und endlich behält die Haut enie
I LEmpfindHchkeit gegen aUe möglichen äusseren Einflus ,
welche Eczem zu erzeugen vermögen, wie Sonnen- und Feuei-
Eczoni.
417
Litze, Scliweiss , "Wasser etc. , dass dieselbe selir häufig neuer-
lich erkrankt, weil es in der Ausübung ihres Lebensberufes
nur wenigen Menschen gegönnt ist, von allen diesen Schädlich-
keiten sich ferne zu halten.
Das chronische Eczem,
Dieses entwickelt sich entweder als das Residuum eines
nicht ganz abgelaufenen acuten Eczems , oder , aus geringen
Anfängen, durch Persistenz der letzteren.
Ich habe schon auseinandergesetzt , dass das chronische
Eczem wesentlich dieselben Erscheinungen darbietet, wie das
acute, und dass nur noch solche Veränderungen der Haut sich
einstellen, welche durch die stellenweise häufig sich wieder-
holenden entzündlichen Vorgänge bedingt sind, als Verdickung
der Oberhaut und des Coriums und dunkle Pigmentirung, end-
lich auch degenerative Veränderung und Follicular-Atrophie.
Das chronische Eczem kann örtlich jeden Augenblick zum
acuten sich steigern und demnach als nässendes, oder crustöses
erscheinen. Doch präsentirt es sich meist als Eczema squa-
mosum.
Das begleitende JiTcken ist meist sehr intensiv und führt
zu energischem und häufigem Ejratzen. Dieses wirkt selber
als Hautreiz und veranlasst deshalb häufige Steigerung des
bestehenden, und Ausbruch neuen Eczems. Darum findet sich
meist neben einem Herde chronischen Eczems noch an ver-
schiedenen Körperstellen die Spur einer jüngeren Erkrankung,
Die Localisation desselben zeigt gewisse Eigenthüm-
lichkeiten, trotzdem es sich an jeder beliebigen Körperstelle
finden mag. Am häufigsten trifft man es auf beschränkten
Regionen , der Furche der Ohrmuscheln , den Gelenksbeugen,
und dann meist sy:nmetrisch, am behaarten Kopfe, im Gresichte,
an den männlichen Genitalien und ad anum, oft genug auch
in universeller Verbreitung.
Das Eczema capillitii chronicum ist sehr häufig,
meist in Verbindung mit chronischem Gesichtseczem, und prä-
sentirt sich unter dem Bilde des Eczema impetiginosum oder
squamosum. Der Haarboden erscheint mit Krusten oder
abkleienden Epidermisschuppen besetzt, nach deren Abkratzen
die Haut roth, stellenweise nässend sich erweist. Schuppung
und Röthung greifen mit scharfen Rändern, oder verwaschen
Kaposi, Hautkranklieiten. 2*7
^•j^g Vienindzwanzigste Vorlesung.
auf die Haut der Stirne und des Nackens über. Lockerung
und Ausfallen der Haare sind die regelmässige Folge
eines lange bestellenden Koiifeczems. Durch zeitweilige
Steigerung desselben zum nässenden Eczem kommt es zu Ver-
klebung und Verfilzung der Haare bei Frauen (Plica) , oder,
in seltenen Fällen, zur Entstehung von zalilreicben Follicular-
pusteln (Sycosis cai)illitii), auf der intensiv entzündeten Kopf-
haut, Es besteht oft viele Jahre, ist bei Männern seltener,
als bei Frauen und Kindern und hier häufig durch K opf lause
bedingt.
In diesem Falle finden sich meist inselförmige Eczemherde
am Scheitel und Hinterhaupt, auf welchen mächtige, trockene
oder schwappende, ranzig riechendes Secret absperrende Krusten
sich aufhäufen, nach deren Ablösung die Haut theils roth und
nässend aber glatt, theils jedoch mit kreuzer- bis thalergrossen
Scheiben von 2— 4 Mm. hohen, rothen, drusigen, leicht bluten-
den, nässenden, papillären Excrescenzen besetzt ist (Achor,
Mucor granulatus, Tinea granulata). Es versteht sich von
selbst, dass nebstbei die Erscheiniingen der Läuse und ihrer
Nisse nicht fehlen. Diese Eczeme sind regelmässig mit bedeu-
iender Schwellung der Cervicaldrüsen vergesellschaftet, welche
die irrige Diagnose Scrophulose veranlassen, während dieselbe
richtig nur Eczema e pediculis capitis lauten kann.
Eczema chronicum faciei. Im Bereiche des G-e-
«ichtes ist das Eczem entweder nur auf einzelne Hautstellen
beschränkt, oder, wenn auch aUgemein verbreitet, jedenfalls an
einzelnen Partien immer in ungleicher Intensität vorhanden.
Die Ohrmuscheln erscheinen meistens verdickt, starr, an den
Furchen die verdickte Epidermis eingerissen, oder mit Krusten
bedeckt , der äussere Gehörgang mit Epidermisschuppen zum
Theil verlegt. Es steigert sich an den Ohren sehr häufig zu
.acuten Ausbrüchen. Als krustöses und schuppiges Ec«em der
Säuglinge (Crusta lactea , Milchborke, MUchschorf, Porrigo
larvalis, Lactumen Manardi) occupirt es vorwiegend die Wangen,
Stirne und Ohren. Schmerzhafte Furunkel im Gehörgang smd
■dabei nicht selten, sowie in der Nasenfurche und am Muud-
•winkel schmerzhafte Rhagaden.
Chronisches Eczem der Nasenschleimhaut ist
bei jugendlichen Individuen sehr häufig, in Combination mit
scrophulösen Augenaifectionen, und veraiüasst durch Heizung
Eczcm.
419
der Nasensclileimliaut von Seite der Tliränen. Die Naseu-
öffmmgen sind durch die Eczemkrusten verlegt, die Kinder
athmen mit offenem Munde, die Rachensclileimhaut ist von
Nasenschleim inundirt, entzündet. Rüsselartige Verdickung der
Mundlippen bildet sich als Folge der begleitenden Lymphan-
o-ioitis heraus.
Bei Erwachsenen, häufig die Folge von chronischem
Schnupfen, belästigt das chronische Eczem der Naseuschleim-
haut dui-ch Krusten und Rhagaden und führt es oft zu Sycosis
oder Furunkel an Ort und Stelle und zu recidivirendem Gresichts-
rotlilauf.
Eczem der Mundlippen kommt in der geschilderten
Form in Begleitung von anderweitigem Gresichtseczem , beson-
ders Eczema nasi vor. Eigenthümlich ist die Form, welche
bei weiblichen Personen mittleren Lebensalters öfters beobach-
tet wird und hauptsächlich das Lippenroth betrifft. Dieses
ist rissig, mit hämorrhagischen Krusten besetzt. Dieses Eczem
juckt intensiv, macht häufige acute Exacerbationen luid ist
äusserst hartnäckig.
Im Bereiche des bebarteten Gesichtes und an den Augen-
brauen hat das chronische Eczem nicht selten Sycosis zur
Folge (Eczema sycosiforme).
Auch die Augenlidränder sind oft davon besetzt, wo-
dann Blepharadenitis sich dazu gesellt, wofern dieselbe nicht
das Eczem bedingt hat. In den Augenwinkeln stellt es sich
in Form von Rhagaden vor. Die Liddeckel selbst werden
durch langdauerndes Eczem dick, schwer herabhängend, wo-
durch die Lidspalte verengt erscheint (Kaniuchenauge).
Von dem am Stamm localisirten chronischen Eczeme
ist nichts Besonderes zu sagen. Nur das Eczem der Brust-
warze und der Mamma ist hervorzuheben. Es kommt höchst
selten beim Manne und dann meist einseitig , häufig dagegen
bei Frauen (Wöchnerinnen, Ammen, mit und nach Krätze)
vor. Die Brustwarze kann dabei bis zu Fingerdicke anschwel-
len und mit drusiger, rother, nässender Fläche hervorragen,
oder durch dicke Krusten verhüllt erscheinen, in welche oft
schmerzhafte und blutende Einrisse erfolgen. Der "Warzenhof
und dessen Nachbarschaft bilden eine derb infiltrirte, schmerz-
hafte, arg nässende oder inkrustirte Area. Mastitis complicirt
dieses Eczem nicht selten.
27
^20 Yierundzwanzigste Vorlesung.
Eczema umbilici betrifft meist den eingebuchteten
Nabel bei fettleibigen Individuen und ist durch Ansammlung
lind Zersetzung des Hautsecretes bedingt. Es ist schwer
heilbar.
Das Eczem der männlichen und weiblichen Genitalien
ist ein ausserordentlich lästiges und oft zur Behandlung kom-
mendes Uebel.
Es betrifft bei männlichen Individuen zumeist das
Scrotum, und zwar entweder nur an einzelnen Stellen, woselbst
die Haut mit der Schenkelfläche dauernd in Contact steht,
oder es verbreitet sich in einer jahrelangen Dauer über die
gesammte Scrotalfläche, zum Theil auch den Penis, die Raphe
perinei, sehr oft auch noch die Circumanalhaut, die Crena ani
und die bis zum Kreuzbein hinaufreichende Hautfläche
Ein durch 10 — 15 Jahre von Eczem besetztes Scrotum
erscheint verdickt , mit mächtig entwickelten Falten und
Grru.ben, da und dort zerkratzt, schuppend, nur wenig mit
Krusten bedeckt. Das mit dem Leiden verbundene Jucken ist
ausserordentlich heftig und steUt sich in der Regel mehrmals
des Tages anfallsweise ein.
Bei Eczem am After setzen sich die Rhagaden oft weit
in's Rectum hinein fort. Die Defäcation wird wegen der
Schmerzhaftigkeit retardirt und dann um so schwieriger. Es
•wechseln Verstopfung und Diarrhoe. Im Laufe der Jahre wird
die Rectalschleimhaut enorm gewulstet , leicht verletzlich.
Schleimige Secretion und zeitweilige bedeutende Blutungen aus
derselben machen den Zustand noch unleidlicher.
An den weiblichen Grenitalien etablrrt sich das
chronische Eczem meistens an den grossen Labien, seltener
auch den kleinen Lefzen und dem Introitus vaginae. Man
findet das Integument verdickt, excoriirt, die Haare daselbst
durch das Kratzen ungleich abgerissen. In der Regel ist
gleichzeitig Leukorrhoe zugegen, welche ihrerseits oft das
Eczem veranlasst und unterhält.
An den oberen und unteren Extremitäten sind die
Gelenksbeugen häufig Sitz des chronischen Eczems, in der
Regel symmetrisch auf beiden Seiten. Den Symptomen nach
entspricht es vollständig dem auch anderweitig localisirten
Eczema chronicum. _
Es belästigt vorwiegend durch die Behinderung im Gehen,
Eczem.
421
Schmerzliaftigkeit bei forcirtem Strecken und intensives Jucken.
Dasselbe findet sich entweder als isolirtes Uebel, oder in Be-
gleitung- von anderweitig localisirtem Eczem, namentlicli von
anderweitig juckenden und zu Kratzen disponirenden Processen,
speciell Scabies und Prurigo.
An den Händen und Fingern ersclieint das Eczem
unter sehr mannigfaltigen Bildern, als deren gewöhnlichstes
jenes zu betrachten wäre, welches als Folge der häufigen Ein-
wii'kung von die Haut irritirenden Substanzen, speciell Lauge
und Wasser bei Wäscherinen (Eczema lotricum), Dienstmäg-
den, Kellnern ; von pulverigen Substanzen, bei Gewürzkrämern
(Gewürzkrämerkrätze), Bäckern (Bäckerkrätze); von Mineral-
säuren, Terpentin, Sublimat, u. s. w. bei Fleckputzern, Schrift-
setzern, Spiegelbelegern, Hutmachern, kiu-z bei den verschie-
denen Gewerben und Hantierungen sich vorfindet. Je nachdem
diese Schädlichkeiten an einer oder der anderen bestimmten
Stelle der Hand, oder gleichmässig auf alle Partien derselben
einwirken, wird die Intensität, Ausbreitung und Gestaltung
des Eczems sich ebenfalls ändern, so dass aus diesen Erschei-
nungen sogar ein richtiger Schliiss auf die Beschäftigung des
Kranken gemacht werden kann.
Diese Gewerbe-Eczeme stellen sich meist in mehr weniger
scharf begrenzten Scheiben von verdickter, rother, mit schwie-
iiger Epidermis, Pusteln oder Krusten besetzter Haut dar.
Die Fingernägel erkranken unter solchen Umständen
alle oder theilweise, indem sie trocken, brüchig, gefurcht, rissig
werden und sich abbröckelu. Ueberdies verändern sich die
Fingernägel in der gedachten Weise auch ohne dass die Hand
der Sitz des Eczems wäre, auf sympathischem Wege, so oft an
irgend einer anderen Körperstelle, z. B. auch nur am Scrotum
sich ein jahrelang persistirendes Eczem vorfindet.
Eine interessante Form des nicht arteficiellen Eczema
palmae manus, auch zumeist bei weiblichen Individuen , mani-
festirt sich durch die Bildung einer schmutzig gelbbraunen,
trockenen , schwieligen , im Uebrigen glatten Epidermis- Ver-
dickung der Flachhand und der Beugefläche der Finger. Nur
das zeitweilige Jucken und die Erscheinung von miliären, gries-
kornähnlichen Bläschen während des Kratzens, oder unter dem
Einfluss von Kaliseifen gibt das Leiden als Eczem zu erkennen.
Auch bullöses und pustulöses Eczem kommt in chronischem
^{,2 Vierundzwanzigste Vorlesung.
Bestände, d.i. mit continiiirliclien NachscHiben an den Händen
clilorotischer Personen vor. ^ t tt 4.
Praktisch sehr wiclitig ist das vorwiegend anf die Unter-
schenkel beschränkte chronische Eczem, welches in der
Pathologie, namentlich der früheren Zeit, sehr merkwürdige
Deutungen erfahren hat.
Man hat nämlich dasselbe als eine Art nothwendigei
Derivation bezüglich entfernt liegender, snpponirter oder wirk-
lich vorhandener , pathologischer Veränderungen , B- M^"'
struationsanomalien, Hämorrhoiden, Leberaffectionen, Herzleiden
nnd. die mit dem Eczem verbundene seröse Ausschwitzung
unter dem Namen des Fluxus salinus, des Salzflusses, als heil-
sam und vielleicht sogar für andere Ausscheidungen wie der
Nieren, der Menses , yicarirende Secretion i^ad^t^t. I)eni
entsprechend wurde auch vor deren Heilung, als nicht rathhch
oder gefährlich, gewarnt.
iine unbefangene Beobachtung lehrt, dass das Eczem an
den Unterschenkeln wesentlich dieselben Erscheinungen dar-
bietet wie jedes anders localisirte. Nur insoferne, wie dies
aus d;r Aetiologie hervorgehen wird,_ bestimmte örtliche Ge-
websveränderungen vorhanden zu sein pflegen welche die
eigentliche Ursache der Äff ection abgeben, oder dasselbe unter-
halten, wieVarices, Hämorrhagien, aus solchen hervorgegangene
Geschwüre und Narben, Pachydermia glabra , tuberosa *
verrucosa, gestaltet sich das Bild des Eczema cruris different
von anderweitigem Eczem. „ , -r.
Den Weiften Grad der Erkrankung stellt Jcema
ehronicum universale dar, tei welehem vom Scheitel bi
„Zehe die Haut rotlr, verdiekt, da sctapp.g m«! <•"•
Xend oder mit Krusten bedeekt erscheint und ein aus all den
"eSdertenloealisirtenFormenznsammengeset.tes,kaleidosk^^^^
a Les KrankheitsMd sieh vorfindet. Die Kopfliaare smd .m
AusfaUen begriffen, die Nägel degenerirt, die Augenhder eetro-
tisS die Kranken frösteln, kratzen sich unauthorhch und
Cht eine unleidliche Existenz. Auch solche Zustande smd
■u -iVoT. wnfprn deren Ursache zu beseitigen ist.
Sh »nrnoel zwei besonderer Formen des Eezems ge-
denken Zunächst der als Impetigo faciei contagiosa
?Tl™irFox), oder parasitaria (mihi) bekannten, welche
Sh durch aci e Ernp ion von Stecknadelkopf- bis linsengrossen.
Eczem,
423
oberfläclilicli sitzenden Blasen im Bereiche des Gesiclites cliarak-
terisirt. Dieselben erscheinen disseminirt und vertrocknen sehr
rasch zw gnmmiartigen Borken , unter welchen sodann Ueber-
häutnng erfolgt. Intensive Schwellung der Submaxillardrüsen
begleitet die Eruption. Wie Tilbuey Fox , so habe auch ich
wiederholt mehrere Personen, hauptsäcldich aber die Kinder
derselben Eamilie, davon befallen gesehen. Daher die Ver-
muthnng, dass diese Krankheit contagiös sei, welche Annahme
noch dadurch bestätigt schien, dass ich zwischen der Epidermis
der Blasendecken einen, später auch von GtEber gefundenen,
Pilz nachwies. Dennoch glauben Geber und Lang , dass es
sich hier um eine Form des Herpes tonsurans vesiculosus
handle. Ich will für gewisse Fälle die Statthaftigkeit einer
solchen Antfassung zugeben , besonders wo einzelne Blasen,
peripher fortschreitend, Kreise formiren. Nebenbei ist es mir
aber axich zweifellos geworden, dass in den meisten Fällen von
Impetigo faciei die Eruption mit der Gegenwart von spärlichen
Kopfläusen und Nissen zusammenhängt. Ich vermag also heute
weniger als früher mich über die Bedeutung des Processes zu
entscheiden. Impetigo faciei verläuft spontan binnen 2 — 6
"Wochen, rascher unter Behandlung mit Zinksalbe.
Eczema marginatum (Hebra) ist ebenfalls ein eigen-
artiges Eczem. Es charakterisirt sich durch kreuzer-, flach-
handgrosse und noch grössere Kreise und Kreissegmente, welche
peripher ans rothen Knötchen, Bläschen und Börkchen sich
zusammensetzen, eine dunkel pigmentirte, zerkratzte Area ein-
schliessen und von einzelnen Knötchencentren durch peripheres
Fortschreiten sich entwickeln. Ihr gewöhnlichster Sitz sind
die Scrotal- und Schenkelflächen und die Falten der Hänge-
brust, doch finden sie sich auch zerstreut am Körper. Nament-
lich von den Genitalfalten aus breiten sich die Eczemkreise
weit über den Oberschenkel, die Nates und die Sacralgegend
aus. Die Maceration durch Schweiss (Intertrigo), sowie durch
Kaltwassercuren, nasse Leibbinden, ist eine zweifellose Gelegen-
heitsursache der Affection. Seit Köbner's, Pick's und meinen
Nachweisen ist die Gegenwart von Pilzen in den Epidermis-
stratis bei Eczema marginatum für Niemanden ein Zweifel,
wohl aber, ob dasselbe mit Herpes tonsurans zu identificiren
sei. Von diesem unterscheidet es sich durch seinen hartnäcki-
gen Bestand, durch 15 — 20 Jahre und darüber, das intensive
^24 Vierundzwanzigste Vorlesung.
Jucken, die geringe Ansteckungsfäliigkeit ixnd die grosse Nei-
gung zur örtKclien ßecidive. Ich komme übrigens auf dieses
Eczem nocli bei Herpes tonsurans zu sprechen.
Das zum Symptomencomplex der Scabies (Krätze) ge-
höri"-e Eczem werde ich an einer anderen Stelle abhandeln.
Zur Diagnose des Eczems bedarf es im Allgemeinen
keiner anderen Behelfe, als der durch die geschilderten Symp-
tome gebotenen. Man vergesse nur nicht, dass neben den
vorfindlichen Morphen auch der eigenthümliche Verlauf, die
"Wandelbarkeit der Erscheinungen, von der Haut mit abzulesen
ist; dass durch die Betrachtung und Vergleichung aller kran-
ken Hautstellen das Einheitliche des Processes am besten er-
schlossen werden kann; und dass schliesslich das Eczem unter
allen Umständen in einem entzündlichen A^organge besteht, so
dass im Gegensatze von neoplastischen Infiltrationen (Lupus,
Syphilis) die Höthe jedesmal imter dem Fingerdrucke schwin-
det und auch alle anderen Merkmale der Entzündung zu con-
statiren sind.
Nach dem Verlaufe z. B. ist es ermöglicht, das figurirte
Eczema papulosum des Stammes (häufig bei Kindern) von Liehen
scrophulosorum und ruber zu unterscheiden, dabei
letzteren die Knötchen stationär, bei ersterem rasch wandel-
bar sind, bald abblassen oder zu Bläschen sich steigern ; durch
die anatomische Verschiedenheit zugleich die Knötchen des
kleinpapulösen Syphilides, welche überdies unter
Fingerdruck nicht abblassen, da sie in einem dichten Infiltrate
bestehen.
Das Eczema vesiculosum wird nicht leicht mit Herpes
verwechselt werden, da bei diesem die Bläschen gruppirt, bei
jenem dicht gedrängt und ohne regelmässige Anordnung stehen.
Was das Eczema acutum crustosum et impetigiuosum
anbelangt , wird man nur die Krusten zu entfernen brauchen,
xxm sich den Anblick der rothen, nässenden Hautfläche des
Eczema rubriun madidans zu verschaffen und vor einer Ver-
wechslung mit anderen Krusten bildenden Processen (ulceröse
Formen) zu schützen.
Welche Unterschiede circumscriptes Schuppeneczein gegen-
über von Psoriasis und Pityriasis rubra erkennen lässt,
habe ich bei letzteren Krankheitsformen angedeutet. Schwie-
Eczem. 425
rig-er fällt die Unterscheidung bei Eczema ckronicum univer-
sale, und die Orientirung wird nur in dem Masse leichter, als
nässende Flächen eruirbar sind. Bei scheibenförmigem und derb
infiltrirtem Eczem beschränkter Hautstellen, namentlich des
Handrückens und der Elachhand, ist das Abreiben mittelst
eoncentrirter Ealilösuug deshalb sogar ein guter Behelf gegen-
über von s^qjhilitischen Plaques und Psoriasis, indem beim
Eczem sofort nässende Pünktchen und Bläschen zum Vorschein
kommen.
Zum Unterschiede von diffuser Psoriasis palmar is et
plantaris (syphilitica) ist das chronische Eczem derElachhand
und Fusssohle unregelmässig schuppig und am Rande theils
wie verwaschen, theils, wo es scharf abgesetzt ist, von normal
blasser oder hj^Derämischer Haut begrenzt. Auch mit Ichthyo-
sis ist hier Verwechslung möglich. Ueberhaupt sind die hier
localisii'ten Eczeme am schwierigsten zu diagnosticiren und oft
erst durch die Beobachtung des Verlaufes, oder die Wirkung
der Medicamente zu dilferenziren.
Bei Eczema squamosum capillitii sind die Erscheinungen
gegenüber von Psoriasis, Seborrhoe, Lupus erythe-
matosus abzuwägen, wie dies schon unter jenen CaxDiteln
besprochen wiu-de.
Endlich darf nicht vergessen werden, dass in sehr vielen
Fällen mit der Diagnose Eczem noch nicht der ganze Charak-
ter der vorliegenden Hautkrankheit erschöpft ist, wenn nämlich
dasselbe nur eine Complication , oder Folge einer anderen
Hantkrankheit ist, z. B. von Scabies, Prurigo, nässenden
Papeln am Scrotum und an den weiblichen Genitalien,
weshalb es neben der Diagnose Eczem auch jedesmal noth-
wendig oder wünschenswerth ist, die Quelle oder den ursächlichen
Charakter des Eczems zu präcificiren. Dies führt uns zur
Actio logie dieser vielgestaltigen Krankheit, mit der wir
uns nächstens beschäftigen wollen.
Fünfuiidzwanzigste Vorlesung.
E c z e m.
(Fortsetzung.) Ursachen, Prognose, Therapie.
Den Ursachen des Eczems überliatTpt , wie des im ein-
zelnen Falle nachzugehen, liat nicht allein einen theoretischen,
sondern auch einen praktischen Werth , welcher hei der Vor-
hersage und Behandlung zur vollen Geltung kommt.
Wir müssen die Eczeme ätiologisch iinterscheiden als
1 idiopathische und 2. symptomatische.
Als idiopathische Eczeme sind jene aufzufassen,
welche durch die Haut reizende äussere Schädlichkeiten hervor-
gerufen werden und demnach auch als artefi cielleEczeme
. zu gelten haben. Demnächst auch solche, welche als directe
Folgen gewisser örtlicher Veränderungen an der Haut seihst
entstehen. . ,
Die arteficiellen Eczeme spielen eine grosse Kolle m aer
Praxis, denn oft verschuldet . dieselben der Arzt selber. Sie
verdanken ihre Entstehung derselben Reihe von ^chemisch,
dynamisch, oder mechanisch reizenden Agentien, welche unter
Umständen nur Erythem veranlassen, indem bei intensiverer
Einwirkung derselben, oder bei grösserer Reizbarkeit der Haut
ihr Effect eben Eczem ist.
Als solche Schädlichkeiten sind anzuführen: Oleum Oro-
tonis Tiglii, Tartarus emeticus in wässeriger Lösung oder als
Un-uentum Autenriethi, Canthariden, Mezereum Oleum und
Farina seminum sinapis (Senfteig), Meerrettig Kalilauge, Sub-
limatlösung, Schwefelleber und Schwefel salbe. Dass durch
len in wohlmeinendster Absicht applicirten Senfteig univer-
Eczem.
427
selles acutes Eczem , mit mehrmonatlicher oder ancli mehrjäh-
riger Andaner der Erkrankung, verschuldet werden kann,
scheinen nicht alle Aerzte zu wissen. Ungnentmn hydrargyri
veranlasst oft ein papulo-pustnlöses Eczem (Eczema mercuriale)
an behaarten Stellen, oder anch Eczema vesiciilosum, ma-
didans , das sich also nicht von den anderen arteficiellen
Eczemen unterscheidet. Am heftigsten wirkt wohl Tinctnra
Arnicae, bekanntlich das medicinisch unnützeste Ding und
wahrscheinlich darum gegen alle Contusionen und frische Wun-
den so oft applicirt, welche bei einiger Concentration beinahe
auf jeder Haut kolossales Eczem mit erbsen- bis bohnengrossen,
confluir enden Blasen hervorruft. Ferner sind anzuführen die
Harz und Terpentin enthaltenden Pflaster, Emplastrum diachyli
compositum (adhaesivum), E. ad rupturas.
Hieher reihen sich die arteficiellen Eczem e in Folge der in
gewerblicher Ausübung mit der Haut oft in Contact gebrachten
Mineralsäuren, Pflanzensäfte, Harze, Terpentin, bei Anstreichern,
Buchdruckern; von "Wasser, Lauge, Seife bei Kellnern, "Wä-
scherinen (Eczema lotricum) ; von pulverigen Substanzen bei
Gewiirzkrämern, Müllern und Bäckern (^Bäcker-, Gewürzkrämer-
„Krätze"), Maurern, Feld- und Erdarbeitern; die Eczeme
(„kritischen Ausschläge") in Folge von Kaltwassercuren u. v. a.
Als durch dynamische Einflüsse entstanden wäre zu
erwähnen Eczema solare, meist papiilös , und Eczema
caloricum (von Feiierwärme) , das oft grossblasig erscheint;
kalte, trockene "Winterluft provocirt Eczema squamosum.
"Wichtig sind die durch Schweiss hervorgerufenen, papu-
lösen (Eczema Sudamen) und erythematösen (Eczema Inter-
trigo) Eczeme, zu welchen auch die unter Kautschuk-
gewandung entstehenden gehören.
Mechanische Einwirkungen, Druck und Reibung, machen
wohl selten originär Eczem, aber sehr häufig und in der lästig-
sten "Weise , wenn die Haut durch irgend eine der früher er-
wähnten Schädlichkeiten eczematös erkrankt war. Da kann
der Druck von der Hutkrämpe, vom Strumpfband, das Reiben
der Manchette , des Kragens etc. genügen , um sofort einen
frischen Eczemausbruch zu veranlassen.
In dem Sinne ist, wie Hebea zuerst aufmerksam gemacht,
das Kratzen als solches selbst ein Eczem hervorrufendes
Agens, indem durch Reizung der Follikel, der Papillen, es zu
^28 Fünfuadzwanaigsto A'^orlusung.
Hyperämie in Form von Strichen und Striemen und 7a\ dis-
seminirten oder aggregirten Exsudationsformen des Eczema
kommt. Daher ist jedes bestehende Eczem, vermöge des damit
verbundenen Kratzens, selber die Quelle neuerlichen Eczems,
und daher findet sich solches jederzeit bei allen juckenden
Hautkrankheiten, Scabies, Prurigo, Urticaria, Ichthyosis, Pem-
phigus pruriginosus, Pruritus cutaneus.
An diese reiht sich als in der Haut selbst gelegenes
Moment der Eczemerkrankung die V ar i c o s i t ä t an den Unter-
extremitäten. Varices veranlassen zunächst Jucken; in Folge
des Kratzens kommt es zu einzelnen Knötchen iTud Excoria-
tionen; binnen Monaten und Jahren zu zeitweiligen Hämor-
rhagien, Krustenbildung, Eiterabschluss und so fort zur Steige-
rung des Eczems nach seinen verschiedenen Formen.
° Symptomatische Eczeme sind jene, welche als Folge,
als Reflex eines krankhaften Zustandes des Organismus, semer
Ernährung, Constitution der Blut- und Säftemasse, oder eines
Organsystemes — die Haut ausgeschlossen — betrachtet werden
dürfen. So findet sich chronisches und häufig recidivirendes
Eczem der Hände , des Kopfes und auch an anderen Körper-
stellen, speciell bei Personen, welche an chronischer Dyspepsie
leiden '(auch in Folge von Malariaeachexie '? Poor) , Diabetes,
Albuminurie, besonders häufig aber bei weiblichen Individuen,
welche mit Dysmenorrhoe und Uterinalaffectionen behaftet,
oder überhaupt chlorotisch, anämisch sind. Es zeigt sich, dass
die eczematöse Erkrankung mit der Besserung und der Steige-
runa- jener Uebel ebenfalls regelmässig ab- und zunimmt
" Auch in rein neuropathischem Sinne entsteht unter solchen
Umständen Eczem, z. B. bei manchen Frauen wähi;Bnd einer
jeden Gravidität, oder umgekehrt, regelmässig nach, Beendi-
gung der Lactation.
Was das Alter anbelangt, so findet sich allerdings bei
Kindern sehr häufig Eczem, im Gesicht, als Crusta lactea bekannt,
bei chronischen Affectionen der Augen und Olireii, am übrigen
Körner oft nachweisbar durch den Einfluss von Schweiss oder zu
heissen Bädern hervorgerufen, während bei Erwachsenen und
älteren Personen wieder in anderen Umständen beruhende Eczeme
z B das von Varices, häufiger sind. Aber es scheint sonst
weniger das Alter , als die individuelle Reizbarkeit der Haut
in der Aetiologie des Eczems die Hauptrolle zu spielen.
Eczem.
429
Das Gesclileclit anlangend, dürften männliche und
weibliche Lidividuen so ziemlich ein gleiches Contingent für
Eczem liefern, obgleich unter den Spitalskranken die männ-
lichen zwei Drittel, die weiblichen ein Drittel der Behandelten
ausmachen.
Im Uebrigen kennen wir keine irgendwie zu bezeichnende
Dyscrasie, weder Ehachitismns noch Scrophiüose, Tnbercxilose,
welche direct als Ursache des Eczems beschuldigt werden
könnte, sondern höchstens in dem Sinne, wie die Anämie und
Chlorose überhaupt, indem diese Zustände eine derartige Reiz-
barkeit des Hautorgans setzen , dass dasselbe nunmehr durch
Einflüsse (Hitze, Wasser etc.) eczematös krank wird, welche
dasselbe Individuum wieder ganz gut verträgt, sobald dessen
Anämie behoben ist.
Weder Contagiosität noch Heredität ist dem Eczem als
solchem zuzusprechen; doch stimme ich darin mit Veiel über-
ein, dass eine Heredität der Disposition zu Eczem in manchen
Eamilien angenommen werden darf.
Die Prognose bei Eczem ist insoferne günstig, als
dieses niemals mit Gefahr für das Leben verbunden ist und
jederzeit vollständig heilen kann. Bezüglich dessen jedoch, ob
ein acutes Eczem als solches typisch ablaufen oder chronisch
werden würde, oder, ob nach Heilung eines chronischen Eczems
Recidiven zu befürchten seien, welche Ausdehnung und Dauer
selbst ein einzelner Eczemausbruch nehmen werde u. m. dgl.
— bezüglich all' 'dieser Momente wird die Prognose sehr ver-
schieden sein, je nach der Ursache des Eczems, der Irritabilität
der Haut, dem zweckmässigen Verhalten und dem Berufe des
Kranken , inwieferne dieser Schädlichkeiten zu vermeiden in
der Lage ist oder nicht, und endlich in nicht geringstem Grade
je nach der mehr minder zweckentsprechenden Behandlung.
Die Therapie des Eczems ist vielleicht das wichtigste
Capitel in der praktischen Dermatologie. Bei keiner Haut-
krankheit liegt es so sehr , wie beim Eczem , in der Hand
des Arztes, durch die Wahl des Mittels, der Zeit und Methode
seiner Application, das Zuviel oder Zuwenig im Thun und
Lassen, den Gang des Processes im günstigen oder ungünstigen
Fünfundzwanzigste Vorlesung.
Sinne zu beeinflussen; und nirgends macht sich die Wichtigkeit
jener therapeutischen Allgemeinregeln, welche ich im Früheren
(pag. 9L) aufgeführt habe, so geltend, wie in der Behandlung
des Eczems. Indem ich auf jene nochmals hinweise , will ich
nur dreierlei allgemeine Indicationen für die Therapie des Ec-
zems hervorheben: 1. Dass man an jeder kranken Stelle
den Grad der entzündlichen Veränderung, ob zu- oder abneh-
mend, acut oder chronisch, genau beurtheile. 2. Dass man
wisse, welche Veränderung das anzuwendende Medicament be-
wirken soll, und 3. dass man den Effect des angewendeten
Verfahrens jeden Moment controlire.
Ein principieller Unterschied besteht zwischen der Be-
handlung des acuten und der des chronischen Eczems. Jenes
wird im AUgemeinen durch die Entzündung mindernde und
verhütende, dieses durch reizende und entzündungerregende
Mittel und Methoden bekämpft. Dies wird in dem nun zu
besprechenden Detail noch deutlicher zum Ausdruck gelangen,
zunächst der
Behandlung des acuten Eczems.
In dem Entwicldungsstadium des acuten Eczems besteht
die wichtigste Aufgabe der Therapie in der Hintanhaltung
alles dessen, was die Entzündung und das Jucken steigern
könnte; also Vermeidung von Druck und Reibung ^er Leib-
wäsche, von Hitze, Schweiss, Benetzung. Demnach sind Wa-
schungen und Bäder zu untersagen. Die Anfangs-
formen des acuten Eczems, E. Intertrigo und E. papulosiun
können durch derart zweckmässiges Verhalten rasch zur In-
volution gebracht werden. Ein wichtiges Mittel zur Abhaltimg
des Schweisses und der Irritation der von Intertrigo besetzten
Hautfalten ist Streupulver (Poudre). Als solches kann jedes
beliebia-e indifferente Pulver dienen: Semen lycopodu, Aniyium
tritici, Oryzae, Pulvis Aluminis plumosi, d. i. Talcum venetum
pulerisatiun Federweiss) , oder Pulv. babtistae (Tuffstein ,
einfach, gemischt, oder noch mit Zusatz von Cervissa Oxyd.
zTncT Magist. Bismuthi, Bicarb. sodae. Durch Zusatz von
P üv rad. Ireos florent. gibt man dem Poudre etwas Parfüm,
während ätherisches Oel hiezu nicht geeignet ist; etwa nach
Z Fo mel: Rp. Amyli oryzae 100. Pulv. alumu. plumos
20 Flor Zinci, Pulv. rad. Ireos florent. aa 5. Oder Rp. Oxyd.
Eczem.
431
Zinci, Mag. Bismutli. aa 5. Cerussae 2-50, Piilv. talci venet.
50, Sig. Poudre.
Auf freie Hautstellen wird das Streupulver mittelst Charpie-
ballens oder Poudrequaste aufgestreut, in intertriginöse Hautfal-
ten müssen dagegen in Poudre getauchte Plumasseaux eingelegt
werden , welche die Hautflächen sorgfältig auseinanderhalten.
Namentlich bei Kindern muss dies genau geschehen. Die Poudre-
einlageu werden so oft gewechselt, als sie warm imd feucht
werden.
Bei Eczema papulosum ist oft das Jucken sehr heftig
und demnach zu bekämpfen, weil das unvermeidliche Kratzen
den Zustand rasch verschlimmern könnte. Eintupfen mit Spir.
xini gallicus , dem etwas Acid. carbolicum (1 : 200) zugesetzt
wird, z. B. ßp. Acid. carbol. (oder salicyl.) 1, Spir. vin. gall.
150, Spir. lavandul., Spir. Colon, aa 25, Grlycerrhin 2*50, worauf
sogleich Poudre kommt , erweisen sich kühlend und Jucken
mindernd. Einpinselnng mit Tinctura Rusci (ßp. Olei ßusci
50 , Aether. sulfur. ; Spir. vin. rectif. aa 75 , filtrat. adde :
Olei lavandulae 2) wirkt noch günstiger.
Hat sich ein Eczema vesiculosum, madidans, im-
petiginosum entwickelt, so wird während des Stadiums der
Acnität unter allen Umständen eine indifferente Beliandlung
platzgreifen, neben der sorgfältigen Verhütung der schon
genannten SchädKchkeiten.
Bei der intensivsten Erkrankung, das ist, im Ealle über
den grössten Theil des Körpers acute Eczemeruptionen in
den verschiedenen Stadien sich vorfinden, der Kranke auch
fiebert , wird derselbe am besten entkleidet , sogar seiner
Leibwäsche entledigt und einfach mit einem Laken im Bett
zugedeckt, nachdem sowohl das Bettlaken, als sein ganzer
Körper allenthalben mit Amylum oder einem beliebigen Streu-
pulver sehr reichlich bestreut und solches namentlich zwischen
die Hautfalten der Gelenke , Grenitalien etc. eingelegt worden.
Das Einpudern wird fleissig erneuert. Fiebert der Kranke, wird
die Diät darnach eingerichtet, innerlich ein Acidum gereicht.
Ueber nässenden Stellen zusammenbackende Krusten wer-
den diirch Druck mit dem Poudre-Ballen gesprengt, damit der
abgesperrte Eiter hervortrete.
Nur bei sehr intensiver Entzündung der Haut und hefti-
gem Schmerz- und Spannungsgefühl wird man zur Application
Fünfundzwanzigsto Vorlesung.
von Kaltwasser-Emliülliingen schreiten, die aber alsdann auch
durch fleissiges "Wechseln in der niedrigen Temperatur erhalten
werden müssen. Im AUgemeinen jedoch wird die Behandlung
mittelst Strenpnlver die beste sein.
An behaarten Stellen lässt man, ohne weiter einzugreifen,
den Process bis zum Abfallen der Krusten und zum Stadium
des Eczema squamosum sich zurückbüden. An nicht behaarten
Hautpartien hann man in Stadio Decrementi die Krusten durch
Eett ablösen und durch Bedecken der noch nässenden Flachen
mittelst geeigneter Salbe und Druckverband den Verlauf ab-
kürzen. Ambesten eignet sich hiezu das Unguent. Dia-
chyli oder das Ungu. Vaselini plumbicum. (Rp. Empl
Diachyl. simpl. 20, Vaselini 80, Hquef. misc.) Die Salbe wd
dick auf Leinwand gestrichen, worauf diese, in passenden Stucken
zugeschnitten, aufgelegt und mittelst ElaneUbinden (für « Gesxcht,
Elanelllarve) befestigt wird. Statt einschnürender Bandchen
bedient man sich der Sicherheitsnadeln als Verbandschluss.
Der Salbenbelag wird täglich ein- bis zweimal erneuert, nach-
dem jedesmal die macerirten Krusten und Epidermismassen
von der Eczemfläche weggewischt worden. Zuweüen schwillt
die Haut unter Ung. DiachyH acut an, dann verträgt sie vie -
leicht besser Zinksalbe oder ein anderes Fett , oft aber auch
keinerlei solches, dann muss eben Behandlung mittelst
kalten Umschlägen, Plumbum aceticum (10 ad 500 Aqu lont.)
oder Amylum zu Ende geführt werden, d. h. bis zum Stadium
des Eczema squamosum.
Von da all, kann nun em verschiedener Weg emgescUagen
werden. Der bequemste ist, die rauhe setappende Flache
tädich mehreremals mittelst Fetten geschmeidig zu machen
und darauf Poudre zu streuen, um auch die Eöthe zu verdecken
rchminhen). Dazu eignen sich Ungu. emoUiens. Slycento-
Crtoe (AmylipurilO, Glycerrhin. 40, coqu. misc), Salben
vrPraectit'alb. (1:40), Zinc. oxyd ; M^g. Bismuth : 4M.
das Unguent. Wilsoni (Benzoes pulv o, ^xung. poic. IW,
digere, cola adde: Zinci oxydat. 26, M,sc, f. ungu.), pures
^''"'i: TttZ:^"-^,—^ -gleich iucht, auch
manche di angeführten Mittel die Haut wieder reize, so r .
Eczem.
433
bei diesen Mitteln beharren mtiss, es doch am besten, in diesem
Stadinm T h e e r anziiwenden.
"Wir bedienen nns der bei Psoriasis erwähnten Theer-
sorten. Doch ist hier grosse Vorsicht nothwendig. Zunächst
darf bei Eczem — im Gegensatz zu Psoriasis — niemals der
Theer auf nässende Stellen applicirt werden. Aber auch die
nach Versiegen des Nässens überhäutete und noch lebhaft
rothe Haut wird durch Theer sehr leicht frisch entzündet und
acut nässend, namentlich an Stellen, die mit gegenüberliegenden
Hautfalten in Contact stehen \md sich erwärmen (Genitalfalten,
Hängebrust) ; und man kann nach einmaligem Eiutheeren die
unangenehme Ueberraschung haben , dass der Process mit
Schwellung und Nässen nun von vorn beginnt. Um diesem
sehr misslichen Zufall vorzubeugen, ist es rathsam, die ersten
Tage auf die eingetheerten Flächen wieder die Salbenflecke zu
legen. Erst wenn man nach mehreren Tagen die Epidermis
sich bräunen und die Hyperämie abnehmen sieht, die Haut
kühl bleibt, kann der Theer allein aufgepinselt bleiben. Auch
dann ist es gut, durch Aufstreuen von Poudre den Contact
nachbarlicher Hautflächen hintanzuhalten.
In dem Maasse als die Epidermisregeneration mit dem
fortschi^eitenden Abblassen der Haut zögernder wird, bleibt
die theerimprägnirte Epidermis haften und erscheint die Fläche
gleichmässig braun. Man wartet nun die Abstossimg der
braunen Schichte ruhig ab, worauf die Stelle weiss und glatt
erscheint, oder allenfalls noch schülfernd, und sodann mit den
früher erwähnten indifi'erenten Salben geschmeidig gemacht
werden kann.
Bei der Behandlung des chronischen Eczems
gelte als erste Indication die methodische Erweichung und
Entfernung nicht nur der etwa auflagernden Krusten, sondern
auch der im Allgemeinen verdickten, trockenen, bisweilen
schwieligen Epidermismassen.
In zweiter Linie hat die Therapie darauf gerichtet zu
. sein , dass die chronische Hyperämie , welche die anatomische
Grundlage der Hyperplasie der Epidermis , der zeitweiligen
Exacerbationen zur Knötchen- und Bläschenbildung und zum
Nässen abgibt, behoben werde. In Einem wird auch die Be-
handlung die Ilesqrption chronischer Infiltrate, des Oedems der
Haut, und die Beseitigung des Juckens bewirken.
Kaposi, Hantkrankheiten. 28
Fünfundzwanzigsto Vorlesung.
Da man es liier nicht mit acuter Hyperämie zu
tliun liat, so wird man mitunter aucli ganz energisch wir-
kende Mittel und häufig auch solche anwenden können,
durch welche thatsächlich eine acute Entzündung geringeren
oder höheren Grades, ja zuweilen geradezu der Zustand des
acuten Eczems veranlasst wird; weil erfahrungsgemass m der
lehhaften Blut- und Säftebewegung, welche mit der acuten
Entzündung vergeseUschaftet ist, dicke Epidermkschwielen
rascher abgestossen werden und alte entzündliche Infiltrate des
Coriums wie anderer Gewebe , leichter zur Resorption gelan-
gen Von der mehr weniger fachkundigen Ausführung dieser
Principien und der Kunst nach Ort und Gelegenheit das eine
oder das andere Zweckmässigere zu wählen, hängt der Erfolg ab.
Was nun jene die Epidermis und Krusten erweichenden
Mittel anbelangt, so sind sie die bekannten Fette, darunter
besonders der Leberthran, sodann das Wasser.
Die Oele müssen wiederholt des Tages und m grossen
Mengen aufgegossen und eingerieben werden, damit die Krusten
und Epidermisschuppen zerbröckeln und erweichen. Zugleich
wird man die betrefPenden Körpersteüen mit Wollstolfen um-
Millen , welche das Verbleiben des Fettes auf den Hautstellen
begünstigen. Die festen Fette. Salben werden ain besten
erweichend wirken, wenn sie, dick auf Leinwand oder Woll-
lappen gestrichen, auf die eczematösen Hautstellen genau
adaptirt und mit FlaneU iiiedergebunden werden.
Das Wasser kann in Form von Umschlagen oder Pfimss-
^iTz'schen Einhüllungen, Dampf-, Douche- und Wannenbadern
benützt werden. Sehr wirksam sind die schon erwähnten
Kautschuk-EinhüUungen, welche in Form von ganzen Kleidungs-
stücken, Hauben, Handschuhen, Jacken, Beinkleidern und
Strümofen oder durch Adaptiren von Kautschukbinden und
lell^n dJr eczematösen HauUen mittelst Kautschukflecken
oder Larven (Besniek) in Gebrauch kommen. Bei der luitei
Kautschuk, lowie durch Wasser stattfindenden Mac^. i.n
wird häufig nebenbei an den gesunden HautsteUen neuerliches
Eczem provocirt. . , ,
Zur Maceration und zur Entfernung der schon erweichten
Krankheitsproducte kommen noch zeitweilig Seifenwaschungen
^it Sapo viridis, Glycerinseife , Spir. sapon. kalinus zur
"Verwendung.
Ecssein.
435
Indifferente Thermalbäder wirken nur als Macerations-
mittel ; solche, die Schwefel enthalten, nur in gewissen Eczem-
fornien heilsam, und auch da nur bei anhaltendem Gebrauche.
Ueberaus schwielige Stellen, welche durch die erwähnten
.Mittel nicht erweicht, mmd und glatt werden, müssen mittelst
concentrirter Essig- oder Salzsäure abgerieben werden, oder
weichen der Application von Schmierseife, welche, auf Flanell
o-estrichen, 12 — 24 Stunden aufgelegt wird; oder am besten
der Aetzung mittelst einer Lösung von Kali caustic. 5, ad
Aqu. dest. 10. Die Letztere macht jede eczematöse Stelle wund
und wirkt geradezu auf Eczem,.wie ein chemisches Eeagens.
In Bezug auf die Methodik in der Therapie des chro-
nischen Eczems gilt nun Folgendes. Man beginnt mit der
macerirenden Behandlung und setzt diese, d. i. die Application
von Oel , Salben , Kautschuk , die abwechselnden Waschungen
mittelst Seife, Aetzungen mit Kali, Bäder etc., so lange con-
sequent fort, durch Tage und Wochen, bis die eczematöse
Haut geschmeidig und glatt ist und durch energische Seifen-
wasehung nicht mehr wund wird, und auch keine nässenden
Punkte auf derselben zum Vorschein kommen. Alsdann ist die
Haut in der Regel auch schon ganz gesund. Oder aber die-
selbe ist noch hyperämisch (Eczema squamosum). Alsdann
wird Theer applicirt und in der beim acuten Eczem beschrie-
benen Weise die Behandlung zu Ende geführt.
Eczema squamosum ohne erhebliche Epidermisverdickung
kann von A'ornherein mit Theereinpinselungen behandelt werden.
Der Theer wird mittelst Borstenpinsels in sehr dünner Schichte,
aber energisch eingerieben. Dadurch wird aueh das Jucken
am schnellsten behoben. Ist die Oberhaut wesentlich verdickt,
so kann man eine Mischung von Oleum oliv, oder Ol. jecor.
aseUi mit Ol. Rusci oder fagi (1 : 1 oder 1:2) in der ersten
Zeit verwenden. Die modificirte WiLKmsoN'sche Salbe (Schwefel,
Theer, Seife und Fett enthaltend) in einem Cyclus von 8 — 12-
maliger Eiapinselung wirkt auf alte Eczemstellen in jeder Be-
ziehung in kurzer Zeit sehr günstig. Auf geringfügig erkrankte
Hautstellen können Einpinselungen von Tinctura ßusci, Wa-
schungen mit fester Theerseife, flüssiger Theerseife (Olei Rusci
20, Spir. sapon. kaiin. 50, G-lycerin 10), Einschmieren von
Theersalbe (Olei fagi 10, Glycerin 5, Ungu. emoll. 50, Bals.
peruv. 2-.50), Carbolsalbe (l : 50), Zink-, Präcipitatsalben
28*
43ß Pünfundzwanzigste Vorlesung.
Kali-Creme genügen. Letzteres wird nach seinem Kali- Gehalt
mit Nr. I, II, m, IV unterschieden. (Rp. Glycerin 40,
Olei Rosar. Olei flor. aiirant. aa. gutt. 2, Kali carhon. solnt. 2,b
(Nr. I), 5 (Nr. II), 10 (Nr. III), 20 (Nr. IV).
Nachdem ich die allgemeinen Principien der Behandlung
des chronischen Eczems und die zur Verwendung geeigneten
Mittel und Methoden so ausführlich als thunlich dargelegt
habe , will ich noch bezüglich der Therapie der speciell locali-
sirten Eczeme einige Anleitungen geben.
Bei Eczema capillitii werden die Krusten mittelst
Olivenöl, Leberthran, Carbolöl (Acid. carbol. 1, Olei oliv. 100,
Bals. peruv. 2), oder Kautschukhaube erweicht. Letztere wird
mittelst Elanellbinde, nie mittelst Elastiks chnur nieder-
gedrückt. Die erweichten Massen werden täglich, oder jeden
3 _4. Tag mit Spir. sapon. kaiin. abgewaschen. Dass die
Haare bei Erauen reichlich ausgefallen sein und bei der
Manipulation mit entfernt werden können , ist den Kranken
vorauszusagen. Doch stellt sich später wieder meist der Haar-
wuchs ein. Bei Erauen die Haare kurz zu schneiden ist
überflüssig. Vom Stadium des Eczema squamosum ab werden
Einpinselungen mit Tinctura ßusci, später mit Carbol-Alkohol
txnd Pomaden von Praecip. alb. oder Zink, oder Ungu. Altheae
vorgenommen. Kalte Douchen und kalte Umschläge süid bei
stark entzündeter Kopfhaut sehr zu empfehlen.
Bei Eczema faciei impetiginosum müssen die mace-
rirenden Salbenflecke genau adaptirt und für jeden Gesichtstheil,
Nase, Stirne, Ohren, Lippen besonders ziigeschnitten , in den
Eurchen mittelst Charpiewieken und als Ganzes mittelst Elanell-
larve niedergedrückt werden. In die Nasenlöcher kommen Tam-
pons, die in Glycerin, Oel, Ungu. emoU. oder AehnHches {Aqn.
fontis, Glyceriniaa.lO,Sulf.Zinci015) getunkt worden. Hart-
näckige Rhagaden an der Nasenschleimhaut werden mit Lapis
geätzt. Gegen Eczem der Augenlidränder ist eine Salbe von
Praecipit. rubri 0-15, Ungu. emoU. 10 zweckmässig. Die Re-
sorption des Lippeninfiltrates wird durch Druck mittelst Salbe
und Elanellstreifen, oder Emplastrum Minii adustum befördert.
Eindet sich nirgends mehr Nässen, dann kann Theer, Zink-
oder Praecipitatsalbe, Unguent. "Wilsoni , Vaseline, Glycerni-
Creme etc. .zur Verwendung kommen. Die Rhagaden m den
Ohrenfurchen widerstehen am längsten.
Eczem.
437
Chronisches Eczem des Lipp en säume s weicht oft erst
einer wiederholten Aetzung mittelst concentrirter Kalilösung.
Dasselbe gilt für das Eczem der Mamma und Brustwarze,
deren Haut erst nach der Behandlung mit Schmierseifenum-
schlag, Aetzkalilösung , SublimatcoUodium (0,50 ^.Subl. ad 50
Collod.), Essigsäure sich rascher erweicht. Die Brustwarze
verträgt diese Einwirkungen, so wie Theer, sehr gut. Bei
Schwangeren habe ich nie Abortus in Eolge solcher Behand-
lung gesehen.
Eczema chronicum scroti wird nach denselben Prin-
cipien behandelt. Hier ist nur die Schwierigkeit für die Adaptiruag
von erweichenden Mitteln, Ungu. DiachyH, Ungu. Vaselini plumb.,
Kautschuk-Suspensorium etc. grösser. Bei altem Eczem kommt
man selten ohne Aetzung der einen oder anderen Stelle aus. Es
gibt im Verlaufe sehr schmerzhafte Momente für den Kranken,
und nervöse Zufälle zu der Zeit , wo die Scrotalliaut in toto
wund ist, sind nicht selten. Die täglich zweimal vorzunehmen-
den und nothwendigen Seifenwaschungen werden im Sitzbade
vorgenommen. Theer konxmt erst zur Verwendung, wenn auf
Kalilösung nirgends mehr Nässen eintritt. Unter 6 — 12 "Wochen
ist ein altes Scrotaleczem schwerlich zu heilen. Auch nach
erfolgter Grenesung muss der Patient durch das Tragen eines
Suspensoriums und Einpudern den Einfluss des Schweisses vom
Scrotum abhalten.
In gleicher Weise wird das Eczema perinaei et ani
behandelt. Das Unguent. Diachyli, oder, wenn dieses zu sehr
brennt, Ungu. simplex, oder Borsalbe, oder Kautschukflecke,
kurz, was eben zur Maceration und zur Deckung der wunden
Flächen verwendet wird, muss mittelst Flanell, T-Binde und
Suspensorium gut niedergedrückt werden.
In das rhagadische Rectum applicirt man Suppositorien
von Butyr. de Cacao 1,50; Oxyd. Zinci 0,15; oder mit Zusatz
von Extr. opii aquos 0,02, oder Extr. Bellad. 0,02 und kalte
Einspritzungen.
Das Eczem der Hände und Einger ist bequem
mittelst Kautschukhandschuhen und Fingerlingen, eventuell
mit systematischen Salben-Einhüllungen und Seifenwaschiuigen
zu behandeln, so lange eben wunde Stellen, Pusteln, Rhagaden
zugegen sind. In hartnäckigen Formen, namentlich bei schwie-
liger Verdickung der Flachhand und Finger und tiefem Sitz
_^gg Fünfundzwanzigste Vorlesung.
der Bläsclien sind Handbäder von Kali caiasticum 5 , ad 500,
A(iu. font. oder Sublimat (5:500) zu empfehlen, die einmal
des Tages durcli 10 Minuten genommen werden. Unmittelbar
darauf werden die Hände mit Wasser abgespiÜt, getrocknet
und wieder mit Kautschuk oder Salbe bedeckt. Beschränkte
schwielige Eczeme der Flachhand können neben Aetzung
mittelst Essig- oder Citronensäure , dtirch Belegen mittelst
Goldschlägerhäutchen (Peau divine) oder Traumaticm (Kaut-
schuk in Chloroform gelöst) erweicht werden. Wucherungen
am Nagelfalz werden abgetragen oder mit Lapis geatzt. _ Die
Schlussbehandlung mittelst Theer, oder der erwähnten weichen
Salben bleibt auch hier dieselbe wie bei den anderen Formen.
Bei Eczema umbilici werden Tampons mit fealben
oder Bleiessig, oder blossem Poudre eingelegt. Bleiben Rothe
und Jucken hartnäckig, wird eingetheert.
Sehr beschränkte EczemsteUen des Stammes, der Extre-
mitäten heilen manchmal nach Betupfen mittelst Sublimat-
lösuno- (1 ad 100 Alkohol oder CoUodium).
Die Behandlung des Eczems der G-elenksbe agen
geschieht nach dem allgemeinen Schema Das Eczem der
ichselhöhle ist oft mit Entzündung und Vereiterung c ei
Achsel-Lymphdrüsen complicirt, welche entsprechend zu be-
'"^'t welcher Weise bei universellem Eczema chro-
nicum vorzugehen sei, muss der Arzt in jedem speciellen
EaUe ermessen weil die Mittel und Wege verschieden sein
Iten Ii der Intensität der ganzen Erkrankui^ dem
Ueb wiegen der einen oder anderen Form und den Yerhalt-
Sss n de! Kranken, ob derselbe ausgehen muss oder ganz der
Pflege Sch hingibt. So wird einmal EinhüUuiig; des ganzen
K^fer s inKatitschiikgewand, ein andermal Einpinseln _ mit
Theer-Leberthran, oder mit Unguent. Wilkmsoni zweckmässig
sin oder es wei'den die verschiedenen Körperstelleii verschie-
den behandelt werden müssen, die einen getheert, die ander^^^^^^
xnit Ungu. Diachyli belegt, die dritten gepudert, die Meiten
geätzt u. s. f., secundum ingenium doctorum. _
Wie Sie gesehen haben, versprechen wir uns .on dei
.weckmälsigen Anwendung örtlicher Mittel m jedem Falle
iche e HeiLg des Eczems, nicht nur wo dasselbe durch ort-
i he der äusLe Ursachen ■ bedingt ist, sondern auch da, wo
Eczeni.
439
wir dasselbe durch nachweisliche oder supponirte Erkranktingen
des Organismus, z. B. Chlorose, Indigestionen, chronischen
Katarrh der Lungenspitzen, Dysmenorrhoe etc. bedingt glauben.
Bei derartigen Kranken legen wir aber zugleich grossen
Werth auf eine zweckentsprechende innere Medication,
durch welche die dem Eczem zu Grrunde liegende Erkrankung
des Gesammtorganismus und damit die Disposition zu Recidiven
beseitigt werden kann.
In dieser Absicht geben wir scrophulösen Kindern Leber-
thran innerlich ; chlorotischen, dysmenorrhoischen Frauen Eisen,
Eisen mit Arsen, Solut. Eowleri. Empfehlenswerth ist die
Mixtura ferro-vinoso-arsenicaKs nach Er. Wilson (Liquor, ar-
senic. chlorid. (Pharm, brit.) , Syr. simpl. aa. 10, Vini ferri 60,
Af[u. foenic. 80) täglich 1 EsslöfFel voü zu nehmen ; oder Solut.
arsen. Fowleri 5, Tinct. martis pomat. ; Tinct. Rhei Darelli
aa. 20, Aq. Menthae 140, täglich 1—2 EsslötFel voll zu nehmen.
Ferners Amaricantia , bei chronischem Lungenkatarrh oder
Dyspepsie, Thse von Sumitates Millefolii, Chenopodium, Liehen
islandicus, Milch- und Molkencuren; schwach alkalische Mine-
ralwässer, Grleichenberg, Marienbad ;' eisenhaltige, wie Franzens-
bad , Spaa , Pyrmont , Schwalbach ; im Sommer der Aufenthalt
in guter Land- und Gebirgsluft imd eine im Allgemeinen
kräftigende Diätetik. So ist bei derartigen Personen der
Genuss alkoholischer Getränke, starker, gekochter Weine und
guten Bieres geradezu anzurathen.
Unter keinen Umständen hingegen haben wir bei Eczem
überhaupt irgend etwas gegen den Genuss scharfer, gesalzener,
gewürzter Speisen, von Käse, Caviar etc. einzuwenden, da
solche weder das Eczem, noch das Jucken steigern, noch die
gefürchtete, aber nicht existirende „Blutschärfe" erzeugen.
Seclisundzwanzigste Vorlesung.
Prurigo.
Charakteristik, Prurigo agria und Prurigo mitis.
Nach älterem Beispiele gebraticlieii nocli ^^ele Aerzte der
Neuzeit den Namen Prurigo als Synonym von Pruritus, Haut-
jucken, indem sie ganz differente, tlieils mit, theils olme Knöt-
clieneruption einliergehende Krankheitsformen der Haut als
Prurigo anführen, wofern denselben nur das Symptom des
Juckens zukommt. So Prurigo pedicularis, senilis, localis.
Eine solch' nnterschiedlose Verwendung dieses Krank-
heitsnamens ist jedoch nicht mehr statthaft, seit Hebra den-
selben für einen Krankheitsprocess in Anspruch genommen hat,
der sich durch sehr prägnante Charaktere vor allen anderen
juckenden Hautkrankheiten und als Uebel eigener Art zu er-
kennen gibt.
Prurigo (Juckblätterchen) charakterisirt sich als
eine in frühester Kindheit erscheinende und meist das ganze
Leben hindurch bestehende Krankheit, bei welcher in chro-
nisch sich wiederholenden Eruptionen hirsekorn-
bis stecknadelkopfgrosse, blasse, blassrothe,
derbe, sehr heftig juckende Epidermisknötchen
auf dem Körper zerstreut , aber doch vorwiegend auf die
Streckseiten der Extremitäten localisirt erscheinen,
die Haut der Grelenksbeugen jedoch regelmässig von denselben
frei bleibt.
Die Symptome der Prurigo ergänzen sich noch weiters
durch jene Erscheinungen, welche als Folgen der erwähnten
Prurigo.
441
Eruptionen auftreten, so wie noch tlurcli die Eigenthümlicli-
keiten der Entwicklung und des Verlaufes.
Die Erscheinungen der Prurigo sind an dem neugeborenen
Kinde nicht vorhanden. Ihre Entwicklung beginnt erst im
Verlaufe des 8. — 12. Lebensmonates, u. z. vorerst nicht unter
dem später vorfindlichen charakteristischen Bilde, sondern unter
den Sjanptomen einer Urticaria, welche bis in's zweite
Lebensjahr hinein mit dem ihr eigenthiimlichen Kommen und
Verschwinden der Quaddeln, Jucken, Schlaflosigkeit, Excoria-
tionen anhält. Erst gegen Ende des 1. oder Beginn des 2.
Lebensjahres tauchen nebst den Quaddeln auch Knötchen auf,
und prägt sich die vorwiegende Localisation an der Vorder-
fläche der Unter- und Oberschenkel, dem Krenz und Gresässe
nnd der Streckseite der Ob er extr emitäten kenntlich aus. Die
Knötchen sind wenig vorragend, oft nur mittelst Tastens zu
finden, blass oder roth, jucken sehr heftig, treten beim Kratzen
grösser hervor nnd werden hiebei verletzt. Das Tröpfchen
austretenden Serums nnd Blutes trocknet bald zu einem brau-
nen Börkchen ein, welches die Spitze des Knötchens krönt
tmd noch haftet , nachdem dieses selbst durch Resorption seines
Exsudatrestes eingesunken ist.
Nun gesellen sich auch die weiteren durch das intensive
Kratzen veranlassten Symptome, Excoriationen in Form von
Striemen nnd Blutbörkchen, Pusteln und tiefgreifende Substanz-
verinste, streifenförmige und diffuse braune Pigmentirnng,
Abgerissensein der Lantigohaare , Oedem und Verdickung der
Unterschenkel, Schwellung der Lymphdrüsen im Leistenbuge
und Eczemerscheinungen aller Gerade hinzu.
Mit dem Ende des 2. oder Anfang des 3. Lebensjahres
ist das Krankheitsbild der Prurigo in typischer Form fertig.
An dem vollständig entkleideten Kranken fällt beim ersten
Anblick auf, dass die krankhaften Veränderungen, Efflores-
cenzen, Pigmentation , Excoriationen etc. im höchsten Grade
die Streckseiten der Extremitäten betrefi'en, u. z. vom Oberarm
zum Unterschenkel in steigender Scala , so dass an jenem die
Haut am wenigsten, am Unterschenkel am intensivsten afi'icirt
erscheint.
Da finden sich die meisten Knötchen , grossentheils zer-
kratzt und mit je einem kleinen Blutbörkchen besetzt, nebst
zahlreichen Pusteln und Excoriationen. Die Oberhaut ist dunkel-
' Sechsundzwanzigste Vorlesung.
braun pigmentirt und scbülfert unter dem kratzenden Fingernagel
feinmelilig ab. Mit der Flacbhand über die Haut vom Ober-
schenkel nach abwärts streichend, bekommt man die dexitliehe
Empfindung ihrer in derselben Richtung gradatim zunehmenden
Eaiihigkeit, Trockenheit und Verdickung. Die Lmxen und
Furchen über dem Knie sind mächtig entwickelt. Eine Haut-
falte der vorderen Oberschenkelfläche gefasst, erweist sich
abnorm mächtig. Am Unterschenkel kann die Cutis m inten-
siven Fällen sogar kaum in eine Falte gehoben werden, so
dick und stramm ist sie. Die Lanugohaare sind durch das
Kratzen ungleich abgerissen.
In geringerem Grade setzen sich die Veränderungen auch
auf den Fussrücken fort. Am Stamme finden sich oft viele
Knötchen und Excoriationen zerstreut, weniger noch auf den
Wangen, am Halse und auf der Stirne; hier entwickelt sich
meist schuppiges Eczem. -, -, -c^n i
Dagegen ist die Haut der Kniebeuge und des Ellenbuges,
der Achselhöhle und des Leistenbuges stets weiss, glatt, ge-
schmeidig, transspirirend und frei von Prurigoknötchen. Das
im Schenkelbug vorspringende Packet knollig vergrosser er
Lymphdrüsen vollendet das charakteristische Krankheitsbild.
Nach den bisherigen Erfahrungen besteht nun die Krank-
heit von da ab bis in das reife Mannesalter und selbst bis m
die Greisenjahre mit voUständiger Beibehaltung des ursprung-
then Typus. Man kann ein dreijähriges Kmd mi Prurigo
neben ein fünfzigjähriges pruriginöses Individuum hniste len
und wird das Krankheitsbild des ersteren als die veijungte
Copie desjenigen bei dem letzteren ansehen müssen.
Wohl aber ändert sich während des lebenslangen Ver-
laufes wiederholt der Zustand rücksichtlich seiner Intensität
und der begleitenden Symptome. So vermindert sich in_ der
Regel die Eruption und das Jucken während der heissen
Sommermonate, ja stellt sich sogar etwas T-nsspiration m
Bereiche der pruriginösen Haut ein und verschlimmeit sich die
P Sgo im Winter. Anhaltende Pflege der Haut hat einen
unverkennbar mitigirenden Einfluss auf den Grad der_ Erkran-
kung Umgekehrt steigern sich die Symptome bei gänzlichem
Unterlassen der Behandlung und namentlich auch die Folgen
und Complicationen der exsudativen Vorgänge und der mecha-
nischen Insulte. Zu jenen zählen die Pigmentirung , welche
Prurigo.
443
bis zum Scliwarzbraim gedeihen kann (Melasma) iincT die Ver-
dickung der Hant, welche am Unterschenkel endlich stramm,
fast narbenartig und nicht faltbar, glatt oder warzig-höckerig
wird. Weiters, als Complication, Eczema crnstosnm, welches
zumeist die pruriginösen Stellen deckt, aber, wie bei allen
juckenden Hautkrankheiten, auch an den bei Prurigo sonst
gesunden Hautstellen der Gelenksbeugen und des Gesichtes,
sowie am behaarten Kopfe sich etabliren kann , dessen Haare
wie bestäubt , glanzlos , dünn werden und ausfallen. Endlich
Lymphangioitides und, selten, auch Vereiterung der Leisten-
drüsen.
■ Praktisch wichtig ist es, die in Rede stehende Krankheit
nach zwei Graden zu unterscheiden.
Die eine, schwerere Form, Prurigo agria s. ferox
(Hebea), habe ich in der vorigen Schilderung vorgeführt.
Die andere Form, Prurigo mitis, stimmt mit jener
im Typus vollkommen überein, erscheint aber als milder, ent-
weder indem überhaupt die Menge und Häufigkeit der Knöt-
chen und die Intensität des Juckens, und daher auch der
Folge- und Complicationszustände viel geringer, oft sehr un-
erheblich sind; oder indem nur die Unterextremitäten, aus-
nahmsweise sogar nur die Arme davon betroffen sind (Prurigo
partialis).
Dabei verhält sich die Sache nicht so, als wenn Priirigo
mitis eines dreijährigen Kindes mit den Jahren zur Prurigo
agria sich steigerte. Vielmehr ist der Intensitätscharakter der
Krankheit schon ursprünglich gegeben und dann bleibend, so
dass ein fünfjähriges Kind mit Prurigo agria schon viel hoch-
gradigere Veränderungen seiner Unterschenkelhaat darbietet,
als ein 40jäliriges Individuum, das jedoch nur mit Prurigo
mitis behaftet ist.
Für die Prognose der Prurigo ist diese Unterscheidung
von besonderem Werthe. Denn für die schwerere Form der
Prurigo und auch der mässigen bei Erwachsenen gilt Hebra's
einstiger Aussprach, dass sie unheilbar sei, immer noch.
Nur im ersten Kindesalter kann Prurigo mitis durch überaus
sorgfältige und consequente Pflege vollständig geheilt und
auch Prurigo agria selbst in späteren Jahren wenigstens so
weit gebessert und in Besserung erhalten werden, dass der
Kranke von derselben sich zeitweilig frei fühlt.
444
Sechsundzwanzigste Vorlesung.
Sich selbst überlassen, bildet die Prurigo ein scliweres
tuid für das physische und moralische Leben des Betroffenen
einflussreiches Uebel. Abgesehen davon, dass die örtlichen
Vorgänge durch Säfteverhist, nervöse Abspanniang, Schlaflosig-
keit u. s. w. den somatischen Zustand des Kranken deterio-
riren, Pruriginöse meist fahl, schlecht genährt sind, ist der
ganze Lebenslauf des so hart Betroffenen von der Wiege an
übel vorgezeichnet. Als Kind die Mühe und Sorge der Pfleger,
in der Aneignung brauchbarer Schul- und Erwerbskenntnisse
durch das Befinden oft gehemmt, von Schul- und Zimmer-
genossen wegen des fortwährenden Kratzens gemieden, wird der
Pruriginöse meist unfähig zur Erwerbung einer dauernden
praktischen Lebensstellung. Nur Wohlhabenden ist es gegönnt,
durch sorgfältige Pflege den Fehler des Schicksals so weit zu
corrigiren, dass sie der gesellschaftlichen Vehme entgehen.
Für das eheliche Leben macht die Krankheit zwar nicht un-
tauglich, aber nicht sehr passend, — für den Militärdienst „un-
tauglich".
Die Diagnose der Prurigo ist in Berücksichtigung der
so prononcirten Krankheitserscheinungen kaum zu verfehlen.
Das Bild der braunen, mit Knötchen und punktförmigen Börk-
chen besetzten, zerkratzten, verdickten, trockenen Haut und
der Zunahme der Veränderungen nach den Unterschenkeln zu,
in Verbindung mit der Drüsenschwellung im Schenkelbug und
der schönen, weissen, excoriationsfreien Haut im Schenkel-
leistendreieck und in der Kniekehle ist so charakteristisch, dass
es mit nichts Anderem verwechselt werden kann.
Schwer diagnosticirbar ist das Uebel zur Zeit der ersten
Eruption, wenn vorwiegend Urticaria vorhanden ist. Weiters
kann Prurigo übersehen werden, wenn die Eczemerscheinungen
so mächtig entwickelt sind, dass die auflagernden Krusten die
Prurigoerscheinungen decken und auch von Prurigo verschonte
Hautstellen, wie die Gelenksbeugen, eczematös erkrankt sind.
Bei Ichthyosis nitida findet man auch genau an den
der Prurigo entsprechenden Localisationen, also an der Streck-
seite der Extremitäten , die Haut trocken, ihre Epidermis
schülfernd, und die Haut der Gelenksbeugen normal. Aber
es fehlen die anderen für Prurigo charakteristischen Erschei-
nungen , Knötchen , Pigmentation und Verdickmig der Haut,
obgleich massiges Eczem auch da sich findet.
Prurigo.
445
Bei allen mit intensivem Jucken verbundenen, besonders
clu'onischen Hautkranklieiten, Scabies, Excoriationen in Folge
von Pediculi vestimentorum , Urticaria chronica, Pruritus cu-
taneus, senilis kommt es zu Pigmentationen, Knötcken, Pusteln
imd EczemerscLeinungen. Diese zeigen aber niemals die ty-
piscke Localisation u.nd sind überdies vermöge der besonderen
Charaktere, welche jenen Processen zukommen , auf diese , als
ihre Ursache, zurückzuführen.
"Wenn man die ßesultate der anatomischen Unter-
suchungen in Betracht zieht, welche Simon, Hebra, Derby,
Neumann, G-ay und ich selbst vorgenommen, und hofft darin
für die Eigenthümlichkeiten der Prurigoerscheinungen eine Er-
klärung zu finden, so sieht man sich in seinen Erwartungen
vollkommen getäuscht. Es hat sich eben nichts anderes er-
geben , als im Bereiche der Knötchen eine massige Zelleninfil-
tration der Papillen und seröse Imbibition derselben , sowie
des ßete Malpighü, gerade so, wie bei den Knötchen des Ec-
zema papulosum; an Stellen dagegen, welche viele Jahre der
Sitz -einer intensiven Prurigo gewesen sind , Erscheinungen,
wie sie bei jeder chronischen Dermatitis, also auch bei chroni-
schem Eczem vorkommen, Verdickung, Proliferation in den
Reteschichten, zerstreute Pigmentablagerung im Coriiim, reich-
lichere Zelleneinlagerung im letzteren, namentlich um die Gre-
fässe, hie und da Erweiterung der Lymphräume, sowie ein-
zelner Schweissdrüsen durchProliferationihrerZellenauskleidung,
stellenweise Ausbuchtung der Follikel in Folge von zapfen-
förmigem Auswachsen der Wurzelscheiden, Verdickung der
M. arrectores; in veralteten Formen atrophische Degeneration
der Follikel und Talgdrüsen. Auf keinen Fall sind diese
Befunde geeignet , weder das intensive Jucken noch die eigen-
thümliche Localisation des Processes, noch diesen letzteren
selber zu erklären,
Dass die von den einzelnen Knötchen veranlasste Juck-
empfindung von dem Reize herrührt, welchen das plötzlich, auf-
tauchende, wenn auch minimale Serumquantum der einzelnen
Efflorescenz auf die Papillarnerven ausübt (Hebra) , ist wahr-
scheinlich. Aber es bleibt immerhin unerklärt, weshalb bedeu-
tendere oder ähnlieh circumscripte Exsudationen, wie bei Herpes
oder Erythema papulatum nicht so heftig jucken ; weshalb diese
Knötchen so hartnäckig sich erneuern und sich so eigenthümlich
Seclisundzwanzigste Vorlesung.
localisiren. Als eine reine Neurose, wie Pruritus cutaneus, dürfen
wir Prurigo nicht ansehen, da wir sichtbare Veränderungen an
der Haut vor uns haben, welche die Krankheitserscheinungen
vollständig decken und das Wesen des Processes ausmachen.
Denn es ist sicher, dass alle Erscheinungen mit der Zu- und
Abnahme der Knötchenproruption gleichen Schritt halten.
Was die Ursache der Prurigo anbelangt, so sind wir
höchstens in der Lage, gewisse allgemeine Verhältnisse angeben
zu können, unter welchen Prurigo häufiger vorzukommen pflegt.
Es ist z B. zweifellos, dass unter den ärmeren Volksclassen
Prurigo ungleich häufiger sich findet, als in den wohlhaben-
deren Familien; aber es ist nicht zu verschweigen, dass man
auch bei den Kindern der aUerbesten GeseUschaftsclassen
Prurigo antrifi't. ^ ^.
Weiters sind es häufig schwächliche, schlecht genährte,
physisch vernachlässigte, auch scrophulöse, einen vorgewölbten
Unterleib zeigende Kinder, bei welchen sich Prurigo entwickelt;
doch trifft man dieselbe oft genug auch bei prächtig genährten
Kindern, und darf nicht vergessen, dass die Prurigo selber bei
einiger Dauer die betreffenden Kinder ungemein herunter-
^™^Was das Geschlecht anbelangt, so scheüit das Uebel
bei männlichen Individuen häufiger als bei weiblichen.
In manchen Fällen kann eine hereditäre Anlage als
Ursache der Prurigo angesehen werden, schon mit Kucksicht
auf den Umstand, dass dieselbe jedesmal im Verlauf des ersten
oder zweiten Lebensjahres beginnt. Demgemäss findet man
auch nicht selten mehrere Geschwister derselben Familie mr^
dem Uebel behaftet. Es ist gewiss sehi' viel Kichtiges^ an
der Bemerkung Hebba's, dass tuberciüöse, rmi, nach meinei
Erfahrung, zur Zeit ihrer Gravidität mit ^^^^^^i^^^^^f
nischen Lngenspitzenkatarrh behaftete, anamische Muttex
Kinder zur Welt bringen, welche Prurigo l^«^«^
Die Krankheit ist nicht durch ausserliche Momen e
hervorzurufen und ebensowenig ^^^^^S^^'-^f'J!^}''.^^
gleich Hebe., aus der grossen Zahl beobachteter^ Falle ken
inhaltspunkt; dafür gewinnen können, dass Prurigo ^on
Eltern auf die Nachkommenschaft vererbbar wäre.
Li der Behandlung der Prurigo leisten Schwefel,
Theer und Seife wohl das Meiste zur directen Bekämpfung des
Prurigo.
447
Juckens und der Knötcheneruptionen. Schwefel kommt in Form
der Schwefelseife, Schwefelsandseife, Kali- oder Kalkschwefel-
leber-Lösung oder Scliwefelthermen zur Verwendung. Theer
wird pvir oder mit Olivenöl, Lebertliran gemischt , namentlich
gegen Jucken verwendet. Ne.bstdem kommen noch die bekann-
ten, indifferenten Salben und Fette, sowie Bäder in der mannig-
fachsten Combination in Grebranch, theils gegen die eigentlichen
Prurigo-Erscheinnngen, theils gegen das begleitende Eczem.
Die Methode der Behandlung wird der Intensität des
Falles angepasst werden, müd und einfach, oder energisch
und complicirt.
Bei Beginn der Prurigoerscheinungen und bei leichten
Formen, wo vorwiegend Urticaria und wenig Prurigoknötchen
da sind, genügt es, den Kranken allabendlich mit Schwefel-
seife oder Schwefeltheerseife tüchtig zu waschen, oder auch
mit Seifenschaum bedeckt durch eine Stunde im Bade zu belassen
luid hierauf mit Leberthran, Oel luid Theer, einfachem Fett
ein zuschmieren .
Bei intensiverer Prurigo ist Solut. Ylemingkx in protra-
hirten Bädern zu verwenden, derart, wie bei Psoriasis bespro-
chen worden.
Ein Cyclus von 10 — 12maliger Einreibung des Ungu.
"Wilkinsoni bewirkt bei Prurigo agria eine erhebliche Besserung
und namentKch sofort Aufhören des Juckens und guten Schlaf.
Auch Einhüllung in Kautschukgewand ist von gutem Effecte.
Es versteht sich von selbst, dass auch anderweitige, gegen
massiges Jucken, trockene Epidermis, nässendes Eczem indicirte
Mittel , wie Carbol- , Salicylsäure 1 : 200 , Alkohol , Zink-
salben, Unguentum diachyli, Borsalbe (Acid. boracici, Cerae
alb. aa. 10, Paraphin. 20, Olei olivar. 60) etc., nach Umständen
allgemein, oder auf einzelne Hautstellen applicirt werden
müssen.
"Was die natürlichen Schwefelthermen anbelangt, so sind
dieselben wie die künstlichen Schwefelbäder gegen Prurigo ausser-
ordentlich vortheilhaft , nur müssen sie nicht so flüchtig ge-
nommen werden, wie dies gewöhnlich in Curorten der Fall.
Bäder mit Sublimat 5, — 10, auf ein ganzes Bad, von Alaun,
Soda 1000 — 2000 Grrm. pro balneo, Cortex Quercus, können zeit-
weilig mit Vortheil verwendet werden, sind jedoch im Allge-
meinen in ihrer Wirkimg nicht verlässlich.
^^g Sechsundzwanzigste Vorlesung.
Die örtliclien Behandlungsmetlioden werden in der einen
oder anderen Weise so lange fortgesetzt, bis die Haut sich
glatt, geschmeidig anfülilt, kein Jucken, keine neuen Knötchen-
eruptionen vorhanden sind. Alsdann wird man in einer massi-
geren Form jeden zweiten, später jeden dritten Tag die Behand-
lung vornehmen und nur in den Tällen, wo nach monatelanger
Pflege und Beobachtung die Haut sich gut verhält, die Cur
ganz unterbrechen, dieselbe aber so oft neuerdings aufnehmen,
als die Prurigo recrudescift.
Von den innerlichen Medicamenten haben wir bei
Prurigo nicht viel zu erwarten. Ich habe in einigen Fällen
durch den innerlichen Gi-ebrauch von Carbolsäure 1 , — 1,5 de die
in Pillenform ein unzweifelhaftes Nachlassen der Prurigo-
erscheinungen beobacktet.
Arsenik hat sich gegen Prurigo unwirksam erwiesen;
dagegen ist der innerliche Grebrauch von Leberthran bei pruri-
ginösen Individuen, welche schlecht genährt, von fahler Haut-
farbe, von scrophulösem Habitus sind, wohl sehr zweckmässig.
Siebemmdzwanzigste Vorlesung.
Acne disaeminata. Acne vulgaris. Acne arteficialis. Theer-, Jod-, Bronnacne.
Acne rosacea.
3. Folliculitides , Acneformen. Finnenaus-
schläge.
Die hielier gehörigen Kranklaeitsformen , Acne disse-
minata, Acne rosacea und Acne Mentagra s. Syco-
sis, bilden vermöge gewisser üb er einstimmen der Momente, als
da sind, die Localisation im GresicMe, die Betbeiligung der
Hantdrüsen n. m. a., eine natürliche Krankheitsgruppe, unter-
scheiden sich aber doch durch viele Eigenschaften als geson-
derte Processe.
Acne disseminata.
Dieselbe besteht in der Bildung von stecknadelkopf-
bis erbsengrossen und grösseren, rothen, koni-
schen oder halbkugeligen, schmerzhaften Knoten,
welche entweder an der Spitze einen schwarzen
Comedokopf, oder eine Pustel tragen, oder in
ihrem Innern Eiter beherbergen.
Bei angebrachtem Druck tritt der Inhalt des Knotens,
der Mitesser, Eiter und rahmartiges Eett, zu Tage, dem reich-
lich Blut folgt.
Es ist nicht schwer zu. erkennen, dass jeder solcher Kno-
ten je einer Talgdrüse und deren nächster Umgebung entspricht
und aus Entzündung hervorgegangen ist. Die geschüderten
K a p 0 .s i . Hautkrankheiten. 29
Siebenundzwanzigste Vorlesung.
Knoten finden sicli im Bereiche des G-esicMes, des Sternums
und auf dem Rücken . viel seltener an anderen Körperstellen,
namentlicli an den Extremitäten und dann durch besondere
Umstände veranlasst, während Flachhand und Fusssohle bei-
nahe niemals derartige Erscheinungen darbieten.
Dem besonderen Symptomen-Complex nach unterscheidet
man Acne vulgaris (Fuchs), die gewöhnliche Finne
(Varus, Jonthus). Ihr Standort sind Stirne, Wangen, Nase,
Ohrmuscheln, Nacken, Sternum und Rücken, zuweilen auch der
Augenlidrand und Conjunctiva (Aelt). Ihre Formen sind die
Eingangs erwähnten: Knötchen mit einem central stehenden
Comedo — Acne punctata, oder mit eitrigem Inhalt —
Acne pustulosa; oder rothe, derbe, schmerzhhafte Knoten
— Acne indurata; disseminirt — Acaie disseminata, oder
weizenkornähnlich , länglich aneinandergereiht — Acne hor-
deolaris. Stets finden sich zugleich zahlreiche Comedonen und
ist die Haut von Fettglanz überzogen (Seborrhoea oleosa).
Während des chronischen, durch viele Monate oder meh-
rere Jahre sich erstreckenden Verlaufes ändern sich zwar
stetig die örtlichen Erscheinungen, aber bewahrt doch der
Process in toto wesentlich den gleichen Charakter. Immerfort
treten neuerlich entzündliche Knoten, Pusteln, Comedonen auf
während die ältesten Abscesse platzen oder vertrocknen und
an ihrer Stelle seichte Narben oder vorübergehende Pigment-
flecke zurücklassen.
Man findet dieselben von einzelnen wenigen, bis zu vielen
Hundert in verschiedensten Entwicklungsstadien bei einem uiid
dem andern Kranken. Darnach ist auch der Grad der zeit-
weiligen oder dauernden Belästigung und EntsteUung und die
Intensität der Krankheit überhaupt verschieden. Bei dicht-
gedrängter Acne ist das Gesicht unförmlich gedunsen, von
rothen, fluctuirenden und derben Knoten, Comedonen, Narben
in hohem Grade entstellt.
Zu den gewöhnlichen örtlichen Vorkommnissen gesellen
sich noch hinzu erbsen- bis haselnussgrosse , aus cyst^nartiger
Erweiterung der in der Wandung verdickten Talgdrüsen her-
vorgegangene Geschwülste, welche nach ihrer Eröffnung einen
schleimig-zähen, fettig-ranzigen Inhalt entleeren — Molluscum
atheromatosum. Manche derselben bleiben oft jahrelang be-
stehen und schrumpfen nach Eindickung ihres Inhaltes zu
Acne.
451
Fia:. 25.
harten, kugeligen, incystirten Körpern ein. Ferners bilden
sich an vielen Stellen perifoUiculäre Abscesse, deren Eiter die
eio-entlichen Drüsen-Abscesse umspült. Endlich kommt es zu
hämorrhagischer Unterwühlung und zottiger Zerreissung der
von grossen Acnepusteln besetzten Hautstellen , wonach ge-
strickte und überbrückende Narben zurückbleiben.
Der anatomische Sitz der Entzündung ist das die
Talo-drüsen imd HaarfoUUiel und deren gemeinschaftlichen
AusÄhrungsgang umgebende Cutisgewebe (G. Simon, VmcHOW,
Hebr ^-Kaposi, Biesiadecki). Die Veränderungen desselben ent-
sprechen dem Grade nach den jeweiligen klinischen Erschei-
nuna-en, wie aus einer von Biesiadecki und mir gemeinschaft-
lichen Arbeit hervorgeht. Bei Acne punctata shid die den
Comedo umgrenzenden Papillen und oberen Coriumschichten
von strotzenden Blutgefässen, Serum und Exsudatzellen in den
erweiterten Maschenräumen durchsetzt. Bei Acne pustulosa
findet sich eitriges Exsudat im Ausführungsgang , bei grösseren
Knoten und Pusteln weitgreifende
Entzündung in dem den Drüsen-
körper und Follikel umgebenden
Gewebe, Blut- und Eiteransamm-
lung in der Drüsenhöhle, im Haar-
follikel Loswühlung der Wurzel-
scheiden und eitriger Zerfall ihrer
Epithelzellen. Mit zunehmender
Intensität des örtlichen Processes .
geht die Talgdrüse in der Eiterung
ganz verloren, während der Haar-
balg noch erhalten sein kann,
was gegenüber von Sycosis sehr
bezeichnend ist. Denn es ist Verticalsclinitt durch eine Acnepustel.
sicher, dass die Talgdrüsen, resp. ™ Epu™,^e^nt^^^^^^^
die AnomaHe der Se- und Ex- Fom.ei^nm^^^^^^^^^
cretion aus derselben, den Aus- .^«--^f ^l^^Ä
o-nno-qTnmkf undGrund für die Detritus; d zur Drüse gehöriger Haar-
gangspuniix unu vriuiiu fouikel söWef getroffen (sohwaclie Vergr.)
Entzündung abgibt. In grossen
Acne-Abscessen geht allerdings auch der Haarfollikel selbst
mit zu Grunde und man findet nur eine grosse Eiterhöhle,
zuweilen mit einem einlagernden Haare , begrenzt von hoch-
gradig vascularisirter und entzündlich infiltrlrte]- Cutis. Dass
29
452
SiebenundzTvanzigste Vorlesung.
in letzteren Fällen nur Narbenbildnng und Follicular-Verödung
den örtliclien Vorgang abschliessen kann , ist klar , während
von Acne punctata und oberflächliclier Acne pustulosa noch
Restitutio ad integrum möglich ist.
Die nächste Ursache der Acne ist durch die Reizung
der G-ewebe von Seite der im Ausführungsgange oder in der
Talgdrüse stagnirenden Secrete gegeben (Virchow) und kann
demnach eine mechanische Excretionsbehinderung sein, wie bei
der Verstopfung der Follikelmündung durch Theer bei der
sogleich zu besprechenden Theeracne, oder eine functionelle
Störung, indem das Secret chemisch alterirt, oder zu massen-
haft wird. Letzteres scheint für Acne vulgaris zu gelten,
denn diese beginnt vorwiegend zur Pubertätszeit, wo mit
der lebhafteren Entwicklung der Körperhaare auch die Function
der Talgdrüsen sich steigert, u. z. bei männlichen und brünetten,
mit Seborrhoea oleosa behafteten Personen häufiger, als bei
weiblichen und blonden. Chronische Dyspepsie und Chlorose
scheinen zu Acne zu disponiren. Dass auch der Genuss
scharfer, gesalzener, pikanter Speisen, Käse, ferners die Ent-
haltsamkeit in sexuellen Genüssen als Ursache der Acne be-
schuldigt wird, ist zwar landläufig, aber ganz unbegründet.
Gewöhnlich versiegt die Erkrankung allmälig zur Zeit der
vollendeten Mannbarkeit, bei weiblichen Personen schon um die
20er Jahre, bei Männern später. Ausnahmsweise besteht die-
selbe auch bis in die 40er Jahre.
Die Diagnose der Acne vulgaris ist durch den geschil-
derten Symptomen-Complex , die gleichzeitige Gegenwart von
Comedonen , Knoten und Pusteln verschiedensten Entwick-
lungsgrades, sowie die entzündlichen Charaktere an denselben
im Allgemeinen sehr leicht. Bisweüen mag Variola des Ge-
sichtes für Acne genommen werden (pag. 258), sowie irrthiim-
lich auch ein pustulöses Syphilid.
Als Acne varioliformis bezeichnen wir eine eigen-
thümliche Acne, welche zumeist an der Haargrenze der Stirne
(Acne frontalis) und des Nackens in gruppenf örmig
gestellten, flachen Knötchen und Pusteln sich etablirt, in dis-
seniinirten einzelnen Efflorescenzen auch im Bereiche des Ca-
pillitium. Die Krankheitsform ist nicht zu verwechseln mit
Acne varioliformis von Bazin, welche mit unserem Molluscum
verrucosum (pag. 166) gleichbedeutend ist.
Acne.
«
453
Uebei' dem Centrum der linsengrossen , flachen, derben,
brannrotlien Knötchen bildet sich eine schlappe Pustel, welche
bald zu einer xmtev das Niveau einsinkenden Borke vertrocknet,
nach deren Abfallen eine narbige Depression zurückbleibt. Das
Bild erinnert lebhaft an Variolenefflorescenzen (daher der Name),
sowie andei'erseits vermöge der Anordnung in Grruppen, der
dunkeln Färbung und der centralen Depression die Aehnlich-
keit mit Syphilis corymbosa gross ist. Der Process dauert
durch hartnäckige "Wiederkehr solcher Eruptionen Jahre hin-
durch, lieber seine Ursache sind wir vollständig im Unklaren.
Acne cachecticorum (Hebra.) kommt bei herabgekom-
menen, marastischen und scrophulösen Individuen, daher auch
oft in Combinationen mit Liehen scrophulosorum vor, weniger
im Gesicht, reichlich am Stamm und an den unteren Extremi-
täten. Sie besteht in der Bildung von Stecknadelkopf- bis
linsengrossen, flachen, schlappen, livid rothen Knötchen und
Pusteln, welche syphilitischen Efflorescenzen sehr ähnlich sind.
Sie unterscheiden sich von diesen hauptsächlich durch den
Mangel eines derben Infiltrates und dadurch, dass sie niemals
zu charakteristischen Geschwüren, höchstens zu schlappen,
hämorrhagisch durchwühlten, oberflächlichen Gewebslockerungen
Veranlassung geben.
Ihre Ursache liegt in der Depression der Körperernährung,
welche hier zu einer Combination von Talffdrüsenerkrankuns:
mit hämorrhagischem Exsudat in die Gewebe , oft auch zu
Scorbut führt. Einmal sah ich Acne cachecticorum bei einem
wohlgenährten und gut situirten Menschen im Gefolge von
psychischer Depression. Sie schwindet nach Besserung der
ursächlichen Zustände, kann aber jahrelang bestehen.
Hieran reihen sich Acneformen, welche in Folge von
Reizung der Talgdrüsen durch gewisse Arzneistofi'e künstlich
hervorgerufen werden , u. z. entweder , indem die schädlichen
Substanzen von aussen in die Drüsenmündungen gelangen, wie
Theer — Acne picealis — oder von innen her, indem die-
selben, in die Blutbahn gelangt, durch die Drüsen ausgeschie-
den werden, wie zuweilen Theer, dann Jod und Brom — Jod-
und Bromacne.
Von Theeracne, Acne picealis, Acne ex usu picis.
haben wir schon bei Gelegenheit der Psoriasisbehandlung
mittelst Theer gesprochen (pag. 386). Es entstehen zahlreiche
I
Siebenundzwanzigste Vorlesung.
Stecknadelkopf-, schrotkorn- bis erbsengrosse, rothbraune Knöt- ;
eben derenCentrumdurcb einen schwarzenPunkt,
das die Follikelmündung verstopfende Tbeerpartikelchen cba-
rakteristiscb gezeichnet ist; nebstdem auch bis baselnuss-
grosse, derbe Knoten, Abscesse, Furnnkel und schwarze Come-
donen Ihr hauptsäcblicbster Sitz smd die mit Haarfollikeln
reich besetzten Streckseiten der Unter extr emitaten.
Nebst Theer veranlassen auch Theerproducte mancher Art,
Resineon, Benzin, Kreosot, Acne, u. z. mögen dieselben direct
eingerieben worden sein , oder in geschlossenen Eaumen fem
veitheilt die Atmosphäre erfüllen und die Haut d,rect reizen
Ider indem sie eingeathmet und dann durch die Haut aus-
:^o^n werden.'Es ist wiederholt in Theerdestillat-Fabriken
und in Spinnereien, wo die Spindelachsen mit solchen Oelen
beschmiert waren, bei den Arbeitern endemisch Theeracne
'^^'t^L'^^e auch die Acne in Folge von Chrysarobin-
'-^'ul^:: ^olge des innerlichen (Gebrauches
von Jodkalium und Jodnatrium, manchmal schon -ch einer
.erino-en Dosis, zuerst im Bereiche des Gesichtes und oft m
Verbindung mit anderen Erscheinungen des Jodismus. Die
Stm sind konisch, mit lebhaft rother Basis, -snah—
hämorrhagisch (Fo.™ u. A.) , oder von «-em Blasen^^^^^^^
umo-eben (T. Fox). Die Form unterscheidet sich von A. viügaris
dZh c as acute Auftreten, die gleichzeitige Anwesenheit Wer
gleichartiger Acnepusteln und das Fehlen der e-m c W chen
Verlaufe angehörigen Pigmente und Narben. Ab^™^^ ^^f
Jod im Inhalt der Pusteln bei Jodacne nachgewiesen, bie
TJatrium zur Keimtniss der Aerzte gelangt. (Voisra, m
IZZ, u. A.) Bei derselbe, -^^^f^^'^^^^^^^^^
unter Fiebersymptomen, zwar auch Idemere und f o«^« 1"'° ™
nd Pusteln, wie bei der gewShnlicbe.. Aene, g'-^-;
ancb bei imnulirtem Genüsse der Bromin-aparate, kreuze
Zler-rosse. .Inrch dichtes Aneinandergedrängtsem vieler Acne
pusten gebildete Infiltrate, welche, nicht unaM.ch s ph -
Tchen Plaques, über das Hautniveau l-2L.men empouagu,
Acne.
455
und nach Entleerung der einzelnen Pusteln sicli wie ein Honig-
wabennest ansehen, oder zu unreinen Geschwüren zerJdüften;
ferners thaler- bis flachhandgTOSse , dunkelbraunrothe , diffuse,
harte Infiltrationen, welche in der Folge im Centrum einsinken
und um so mehr syphilitischen Knoten ähnlich sehen; endlich
warzige und kolbige Excrescenzen auf infiltrirter Basis. Diese
Productionen können bei unausgesetztem Bromgebrauch viele
Monate, 1 2 Jahre, fortlaufend sich erneuern und, wie ich
bei einem an Chorea leidenden Mädchen gesehen, über den
o-rössten 'Theil des Körpers sich etabliren. Sie schwinden
stellenweise mit brauner Pigmentirung , an anderen Orten mit
Hinterlassung von Narben. Wie Neumänn's Untersuchungen
gelehrt , handelt es sich hier um tief greifende entzündliche In-
filtration der Cutis, Zerstörung und Degeneration der Drüsen
und Follikel.
Die Veranlassung derselben ist sicherlich der ßeiz, welchen
das durch die Haut, resp. durch die Talgdrüsen sich ausschei-
dende Brom auf diese ausübt, dessen Gegenwart im Pustel-
inhalte P. Gutmann chemisch nachgewiesen hat.
Die Prognose auch dieser arteficiellen Acneform ist in-
soferne günstig, als dieselbe nach Beseitigung ihrer specieUBn
Ursache sich spontan verliert. Arg ist jedoch die narbige
Veränderung an Stelle der tiefen Infiltrate der Bromacne.
Die Behandlung der Acne vulgaris ist bei entspre-
chender Methodik stets von Erfolg gekrönt.
Vor AUem müssen die vorhandenen sichtbaren und mit
dem tastenden Einger herausfindlichen Drüsen- und subcutanen
Abscesse mittelst Spitzbistouris der Reihe nach eröffnet und
ihres Inhaltes befreit werden. Man muss dabei oft sehr tief
mit der Messerspitze eindringen und braucht manchmal 10 bis
14 Sitzungen, bis das Gros der Abscesse entleert ist. Die
Blutung bei den Operationen ist bedeutend, aber durch
Charpie-Compression zu stillen. Nach jeder Sitzung können
kalte Umschläge applicirt werden. Hämorrhagische , schlappe
Infiltrate werden ausgelöffelt, Hautfransen und Eetzen mit der
Scheere abgetragen.
Erst wenn nach 10—14 Tagen durch derartig fortgesetzte
Eingriffe die fluctuirenden Knoten beseitigt, die Gedunsenheit
der Haut geschwunden sind und nur noch kleinere Knoten
und Pusteln vorliegen, beginnt jene Behandlung, welche aucli
^gg Sieljemindzwanzigste Vorlesung.
sonst Tbei Acne massigen Grades sofort begonnen werden
kann. Sie besteht wesentlick in Folgendem: Erstens meclia-
niscbes Auspressen von Comedonen mittelst des Comedonen-
quetscbers und Eröffnung axiftaucliender Abscesse. Zweitens
regelmässig zu wiederbolende energische Wascliungen mittelst
Seifen, Toilett-, feste oder flüssige Glycerinseife , Sclimier-
seife, Spirit. sapon. kalinus, Scbwefelsandseife , Jodscbwefel-
seife, in Verbindung mit Dampf- und Doucbebädern. Drittens
die metbodiscbe Application von solchen Mitteln, welche unter
massiger Reaction eine rasche Abstossung der Epidermis, also
auch der Auskleidungszellen der Talgdrüsen bewirken, dadurch
diese von ihrem Inhalt entlasten und zur Contraction (Erhö-
hung ihres geschwächten Tonus) veranlassen. Zu dem Zwecke
dienen Schwefelpasten, Jodtinctur und Jodglycerin, Emplastrum
hydrargyri. Viertens müssen noch Deckmittel, Salben, Wässer,
Poudres zu kosmetischem Zwecke angewendet werden.
Für die Methodik der Behandlung bei einem ambulanten
Ki-anken wäre etwa folgendes Schema passend:
Abends Abwaschen der Gesichts- und Rückenhaut mittelst
einer der obengenannten Seifen, dabei energisches Erottiren
und Pressen der Haut , damit die Mitesser auch mechanisch
entfernt werden. Hierauf Abdouchen und Abtrocknen. Nun
wird eine Schwefelpaste mittelst Borstenpinsels eingerieben
und über Nacht liegen belassen, z. B. Lact. sulf. 10, Spir.
vin. gallic. 50, Spir. lavand. 10, Glycerin. 1-50; oder: Sulf.
citrini 10, Spir. sapon. kaiin. 20, Spir. lavand. 60, Bals. peruv.
1-50, Spir. camphor. 1, Olei bergamott. gutt. quinque; oder
Lact. sulf. 10, Kali carb. 5, Spir. sapon. kaiin. 20, Glycerin.
50, Olei Caryoph., Olei Menthae, Olei ror. mar. aa. 1. Sig.
Paste, gut aufgeschüttelt einzupinseln. Statt solcher Pasten
kann auch blosser Seifenschaum oder Schaum von Schwefel-
seifen eingerieben werden. Solut. Vlemingkx wirkt auf zarter
Haut ätzend und ist nur gegen die Acne des Rückens an-
zuwenden. Lait siciHen, Kummerfeld 'sches Wasser sind ahn-
lich zusammengesetzte Schwefelemulsionen. Durch Auflegen
von Flanell nach der Einpinselung wird die Reizmrkmig
dieser Mittel erhöht. Des Morgens wird die applicirte
Paste abgewaschen und nun Decksalbe, Deckwasser, kurz
eine Schminke auf die rauhe und geröthete Haut gebracht,
etwa Ungu. Wilsoni, oder Rp. Zinci oxydat. 20, Ungu.
Acne.
457
emoll. 100 , Olei Resedae 2, Olei Eosar. gutt. 5 ; oder Magist.
Bismuth., Oxyd. Zinci aa. 5, Ungu. emoll. 50, Olei Napliae
gutt. qiiatuor; oder Coldcream 50, Ox^^d. Zinci 5, G-lycerin.
piu-. 1-50, Tinct. Benzoes 1. Die Salben werden in dünner
Schichte bis zum Verschwinden eingerieben, woraiif Pouder
gestreut und leicht abgestreift wird. Als Streupulver eignen
sich die schon bekannten. Blei- und quecksilberhaltige
Salben und Pouder sind bei Schwefelbehandlung und bei
reicher Fettsecretion überhaupt gegenangezeigt, weil Schwefel-
blei und Schwefelquecksilber braune Flecke auf der Haut
machen. Auch Sublimat-Lösung (O'l : 150 Flüssigkeit) ist des-
halb weniger zu empfehlen. Neben den schon bekannten Streu-
pulvern empfiehlt sich auch, das sogenannte Damenpulver : Up.
Pulv. lapid. baptistae, talci venetae, amyli oryzae aa. 30, Zinci
oxydat. 10, Olei Neroli gutt. duas, Olei Rosar. guttas quatuor ;
sowie Eau de princesse (Hebra), als flüssige, weisse Schminke :
ßp. Bismuth. carb. basici 10, Talci veneti piilv. 20, Aqu,
Rosarum 70, Spir. Colon. 3 — dessen feuchter Bodensatz ein-
zupinsebi.
Jodtinctur oder Jodglycerin (Rp. Jodi puri Kali hydro-
jodici aa. 5, Glycerin. 10) werden zweimal täglich, im Ganzen
6 — 12mal eingepinselt. — Nach Abstossung des braunen
Schorfes ist die Haut gewöhnlich roth und schuppig und wird
dieselbe nun ausschliesslich mit den Schminkmitteln behandelt,
bis wieder ein neuer Cyclus der irritirenden Behandlung
mittels Schwefel, Jod, Sublimat, platzgreifen kann. Je nach
der Intensität des Falles wird man nach 4— SmaHger Wieder-
holung des Cyclus binnen 6 — 12 Wochen die Heilung voll-
enden können.
Gegen gleichzeitig vorhandene Chlorose, Dyspepsie werden
die geeigneten innerlichen Mittel verabfolgt.
Theer-, Jod- und Bromacne erheischen eine symptomatische
Behandlung, Application von Kälte bei intensiver Entzündung,
Blei-, Zink -Salben, Gerate bei geschwürigem Zerfall oder
Nässen des Bromexanthems. Derbe Infiltrate und. Excrescenzen
des letzteren habe ich unter Empl. hydrargyri sich rasch
rückbilden gesehen. Ebenso kann Letzteres neben Präcipitat-
salbe (5:50) und Seifengeistwaschung als besonders wirksam
gegen Acne varioliformis empfohlen werden.
458
Siebehundzwanzigste Vorlesung.
Acne rosacea.
Man versteht iinter Acnerosacea (Grutta rosea , Couperose,
Kupferhandel) Kupferfinne eine auf die nictt behaarten
Stellen des Gesichtes, speciell Nase, Wangen, Glabella und
Kinn beschränkte und bisweilen über die seitliche Halsgegend
sich ausbreitende, chronische Erkrankung, welche durch die
Bildung lebhaft- bis dunkelrother, gleichmässiger
oder von deutlichen Grefässzweigen durchzogener,
unter dem Einger erblassender Flecken, sowie
rother, weich elastischer Knöt chen und Knoten,
oder selbst grösserer Höcker un d Aus wüchse sich
auszeichnet.
. "Wir unterscheiden in dieser Krankheit drei Grade. Der
erste Grad besteht in einer meist gleichmässigen , diffusen
Röthung der Nasenspitze und ihrer nächsten Umgebung.
Die Kranken glauben irrthümlich, sie hätten sich die Nase
erfroren. Doch ist dieselbe gar nicht schmerzhaft. Bei
manchen Kranken erscheint die ßöthe über beide Wangen,
Ohren', das Kinn diffus verbreitet. Bei längerer Dauer finden
sich jederzeit auch neugebildete geschlängelte Gefässe. Bei
grellen Temperatursunterschieden, wie im Winter, auch nach
Tische, bei Echauffement, werden diese Röthungen in der
Tinte dunkler und erregen sie Hitzegefühl und Brennen. In
diesem Grade kann der Process viele Monate, auch Jahre be-
stehen und dann complet schwinden; oder derselbe entwickelt
sich zu den höheren Graden.
Im zweiten Grade der Acne rosacea entstehen aUmälig
auf erythematösen SteUen Unsen- bis erbsengrosse , lebhaft
rothe, derb elastische, nicht schmerzhafte Knoten, welche ent-
weder isolirt, oder in dichten Haufen zusammengedrängt stehen
und an ihrer Oberfläche mit Gefässverschlängelungen gezeichnet
sind. Sie finden sich auf der häutigen Nase, am Kinn, auf
der Glabella und den Wangen.
Der dritte oder höchste Grad der Acne rosacea wird
von dem als exquisiter „Kupferhandel" bekannten Zustand
der Nase gebüdet, bei welchem auf derselben rundliche und
unregelmässig gestaltete, neben- und übereinander sich aufthür-
mende, manchmal auch überhängende, geschwulstartige, lappige
Acno.
459
Axiswüclise von weicli elastischer Consistenz entstehen, deren
allo-enieine Decke reichlich von feinen bis rabenkieldicken Ge-
fässen durchzogen, von Couiedonen und Acnepusteln besetzt
erscheint — die sogenannte Pfnndnase. Sie kann colossale
Dimensionen erreichen, die Lappen können bis auf die Ober-
lippe herabhängen und die abenteuerlichste Gestalt annehmen.
Eine andere Form entwickelt sich als gleichmässige Hyper-
trophie der häiTtigen Nase , welche verbreitert und mit rüssel-
artig verlängerter, wulstiger Spitze hervorragt.
° Sowohl die geschilderten Ideineren Knötchen des zweiten
Grades, als wie die lappigen und geschwulstartigen Neubil-
dungen der Kupfernase bestehen aus neugebildetem, gallert-
artigem Bindegewebe, welches wohl einer Organisation zu
festem bleibenden Bindegewebe fähig ist, aber ebensogut auch
zur Schrumpfung tind Resorption gelangen kann. Doch gilt
Letzteres nur für die jüngeren Productionen. Nebstdem ist
Ausdehnung und Hypertrophie der Talgdrüsen (Biesiadecki),
die Ausdehnung der bestehenden und die Neubildung von
oberflächKch lagernden Gefässen in der Haut, von Teleangi-
ectasien, ja auch Erweiterung der aufsteigenden Corium-
gefässe und deren Zweige, als die wesenthiche an at o m i s ch e
Grundlage der Acne rosacea anzusehen.
Die Diagnose des Uebels unterliegt in der Regel keiner
Schwierigkeit, auch wenn Acne vulgaris gleichzeitig vorhan-
den ist.
Acne rosacea mittleren Grades kann mit Lupus oder
knotigem Syphilid verwechselt werden. Die Acneknoten werden
durch ihren ausserordentlichen Gefässreichthtim , ihre weiche
Beschaffenheit und Comprimirbarkeit, sowie durch das Fehlen
von narbiger und ulceröser Involution von Syphilis unter-
schieden werden können.
Rhinophyma, Acne rosacea dritten Grades, muss gegen-
über von Carcinoni und Rhinosclerom differencirt werden.
Die Ursachen der Acne rosacea sind sehr mannigfach.
Der erste und zweite Grad derselben entwickelt sich häufig
bei weiblichen Lidividuen, und zwar sowohl zur Zeit der Puber-
tät als in den klimakterischen Jahren, seltener in dem mittleren
Lebensalter, aber nachweislich in Beziehung zu gewissen Stö-
rungen und Functionen der Sexualsphäre. Bei jüngeren Indi-
viduen sind Chlorose, Dysmennorrhoe, Sterilität, bei vorgerück-
460
Siebenundzwanzigste Vorlesung.
teren der physiologisclie Voi'gang der sexuellen Involution als
Ursache anzusehen. Bei Manchen ist jede Gravidität mit
Acne-Entwicklung in Verbindung. Ausnahmsweise kommt die-
selbe auch bei sexuell ganz gesunden Frauen vor.
Chronische Dyspepsie scheint bei vielen Personen beiderlei
Geschlechtes zu Acne rosacea zu disponiren.
Ein allgemein bekanntes ätiologisches Moment der Krank-
heit aller, und besonders auch des höchsten Grades von Acne
rosacea ist der übermässige , gewohnheitsmässige Genuss von
Alcoholicis. Bei Weintrinkern sieht man meist lebhaft
rothe Knoten, bei Biertrinkern mehr cyanotisches ßhinophyma,
bei Branntweintrinkern vorwiegend dunkelblaue und glatte Na-
senhaut neben sonst geschmeidiger, panniculusr eicher Haut.
Merkwürdig ist das Auftreten von Acne rosacea bei
Personen , die jahrelang in excessiver Weise Kaltwassercuren
machen.
Endlich beobachtet man den Zustand bei allen Personen,
die dauernd viel in der freien Luft, Wind und Wetter sich
aufhalten, bei Kutschern, Ligenieuren, Höckerinnen, Matrosen,
Maurern it. s. f.
Physiologisch ist der Process auf einen paretischen Zu-
stand der feinsten Hautgefässe an den periphersten Körper-
stellen zurückzuführen, mit welchem eine trägere Circulation
an jenen Punkten verbunden ist. Daher alle jene Momente
mit als Ursache der Acne rosacea gelegentlich sich geltend
machen, welche auch zu Perniones, Kälte imd Schweiss an
Händen und Füssen Veranlassung geben.
Die Prognose bei Acne rosacea ersten und zweiten Gra-
des ist um so günstiger, je leichter auch die sie bedingende
Ursache zu beseitigen ist, weil damit auch jene spontan sich
rückbilden kann und Recidiven ausbleiben. Bei Rhinophyma
ist solches nicht zu erwarten.
Die Behandlung der Acne rosacea ersten und zweiten
Grades muss sowohl gegen die Ursache derselben, als gegen
die örtliche Veränderung gerichtet sein. Li ersterer Beziehung
empfehlen sich, nach sorgfältiger Feststellung der ätiologischen
Momente, alle jene Mittel, welche die gefundene Genitalaffection,
oder die Chlorose, Dyspepsie etc. zu beseitigen geeignet erscheinen,
als locale gynäkologische Eingriffe, ferners Amaricantia, Ferru-
ginosa, Eisen- Arsen, Trink- und Badecuren in Marienbad,
Acne.
461
Franzensbad, Kissingen, Milch- nnd Molkencnren, leichte Hydro-
therapie, Mnssbäder (Vöslan), Seebäder, Sommeraufenthalt im
Gebirge, kräftigende Diät; zum Getränke bei Chlorotischen
starke Weine und gutes Bier; bei DysjDepsie Alkalien (Ep.
Bicarb. Sodae, Phosphat. Sodae, Magnes. carb. aa. 10 , Sacch.
albi , Elaeosacch. Macidis aa. 15 , Sig. 3mal täglich 1 KafFeel.
voll in Wasser zu nehmen) Giesshübler, Selters' Wasser u. s. w.
Acne rosacea geringen Grades verliert sich unter Besse-
rung jener allgemeinen AfPectionen.
Die örtliche Behandlung hat zum Zwecke die dif-
fuse ßöthung, die telektatischen Gefässe und Knoten rascher
verschwinden zu machen und die Verunzierung des Teints zu
cachiren. Die Abflachung der rothen Acneknoten gelingt
recht gut durch Application eines gut klebenden Emplastr.
hydrargyri , oder durch die bei der Therapie der Acne
vulgaris angegebenen methodischen Einpinselungen von
Schwefelpasten , Jodtinctur , J odglycerin. Letztere Mischung
wird 8 — 12mal binnen 3 — 4 Tagen auf die Haut gepinselt,
welche darauf mit Gutta - Perchapapier belegt wird. Die
Schwefelpasten itnd graues Pflaster mögen auch nur des
Nachts angewendet werden. Tagsüber, sowie jedesmal, wenn
durch eine der irritir enden Methoden die Haut roth und
schuppig geworden, kommen die ebenfalls aufgezählten Schmink-
salben und Poudre zur Application, nebst manchen anderen
Cosmeticis, die wir noch an einer anderen Stelle anführen
werden. Bei intensiven, difPusen Röthungen, Telangiektasien
und grösseren derben Knoten müssen methodische Scarifi-
cationen in wiederholten Sitzungen vorgenommen werden, um
die Gefässe zur Verödung zu bringen. Entweder führt man
viele seichte, parallele Schnitte mittelst eines feinen Scalpells,
oder stichelt mit der Stichelnadel, oder zerreisst die Gefässchen
durch Schaben mit dem scharfen Löffel. Zur Operation des
Sticheins hat Th. Veiel ein Instrument angegeben, das aus
6 parallel gestellten und in einen Grifi" eingepassten , mittels
Schraube verstellbaren, Lanzetten besteht. Aehnlich, nur aus
kurzen, fixirten Klingen zusammengesetzt, istSQUiRE's „Multiple
Scarificator". Ich ziehe zur Scarificirung ein feines Scalpell
vor und zur Stichelung die von Hebra angegebene Stichel-
nadel (Fig. 26), eine starke, zweischneidige lanzettförmige
Nadel, deren 2 j\Iillimeter lange Klinge am Kücken mit einer
Siebenundzwanzigste Vorlesung.
Gräte und an, der Basis mit einer Leiste (Abaptiston) ver-
sehen ist. Mit derselben führt man in die telektatische Haut
Fig. 26.
rasch hintereinander zahlreiche Stiche dicht mid parallel zu
einander Die oft bedeutende Blutung wii'd durch Compression
Xlst Charpie oder BKHKs'scher Woüe gestillt _ Dxe Appl.
Tttn von Lapisl--g oder Eisenchlorid anf d.e eroffne en
vasculisirten Flächen ist nicht -thhch. Nach dem Schaben
ist die Operationsfläche mit Gewebsdetritus bedecU, weichet
bald missfärbig wird, aber unter kalten Umschlagen oder
einfacher Salbe binnen wenigen Tagen abgestossen wu^. Die
Wundüäche erscheint schön überhäutet. Die -^^Ywochen
griffe müssen nach dem Grade der Acne rosacea durch Wochen
oder Monate wiederholt vorgenommen werden.
Die Entstellung der Acne rosacea dritten Grades ist nur
durch Excision und kunstgerechte Abkappung mittels Messers,
oder Abschnüren der prominirenden Knoten methodo chxrurgica
zu beheben. Man muss auf starke Blutung aus den groben
Yenen gefasst sein und derselben in geeigneter Weise begegnen.
\
Aclitundzwanzigste Vorlesung.
Sycosis, Bedeutung , Pathologie und Tlaerapie. Sycosis parasitaria. —
Infipetigo, Eetl-iyma. Imioetigo herpetiformis.
Sycosis.
AcneMentagra, Folliculitis barbae (Köbner), Bartfinne ,
ist eine an den mit dicken Haaren besetzten Hant-
stellen sieb entwickelnde cbroniscbe Krankheit,
bei welcber entzündliche, an ihrer Spitze je von
einem Haare durchbohrte Knötchen, Knoten und
Pusteln, nebstdem ausgebreitete entzündliche
Infiltrate mit Eiterung und Krustung und bis-
weilen papilläre, drusige Excrescenzen gebildet
werden.
Ihre häufigste Localisation ist der Barttheil des Gresich-
tes , also "Wangen , Kinn und Oberlippe , seltener die Augen-
brauen , der Bereich der Vibrissae der Nasenschleimhaut , der
behaarte Theil der Achselhöhlen , des Möns veneris und der
behaarte Kopf.
Bei Sycosis faciei entstehen an einer oder an ver-
schiedenen Partien einer oder beider Wangen zugleich einzelne
rothe, entzündliche, schmerzhafte- Knoten und Piisteln, welche
je von einem Haare durchbohrt sind. "Wird dieses mittelst
Pincette ausgezogen , so erscheint dessen Wurzelscheide ver-
. dickt, glasig aufgequollen , eitrig imbibirt. Nicht selten tritt
aus dem so eröffneten Follikel ein Eitertröpfchen aus. Zur
Sycosis wird nun dieser Process durch den "Verlauf, indem
einzelne der vereiternden Knoten sich eröffnen, mit Borken
bedecken und narbige Zerstörung zurücklassen, während in
j^Q^ Aclitundzwanzigste Vorlesung.
der Nachbarscliaft neue Knoten mit demselben Verlaufe auf-
tauchen und diese Vorgänge cbroniscb sich erneuern.
Derart breitet sich der Process in mehrjähriger Dauer
über Wangen, Kinn, Oberüppen aiis. Die Wange erscheint
ungleichmässig geschwellt, verdickt, höckerig, da und dort
mit Krusten belegt, mit zerstreuten oder dicht gedrängten
Pusteln besetzt, oder roth, schuppend, oder nässend. Im Krank-
heitsfelde sind die meisten Haare gelockert und leicht auszu-
ziehen. Die vielen narbigen Stellen und der wie ausgenagte
Bart erhöhen noch die durch die erwähnten Knoten, Pusteln,
Krusten gegebene Entstellung, Schmerzhaftigkeit und Belästi-
gung. Dazu gesellen sich bisweilen grössere Abscesse und
Blutschwäre, und als besondere EigenthLimlichkeit kreuzer- bis
thalergrosse Plaques von 2— 4 Mm. hervorragenden, rothen,
nässenden und leicht blutenden, papiUären, drusigen Aus-
wüchsen, deren viscides Secret zu dicken Krusten vertrocknet.
Solche finden sich an der Lippen- oder Kimigrube, oder an
den Kinnwinkeln, selten an den Wangen. Die Haare smd
auch hier gelockert. . -, -p i ••
Der Verlauf der Sycosis ist äusserst chronisch. J^s können
10-15 Jahre darüber vergehen, bevor der Process sich über
beide Wangen und in das Bereich der Schläfehaare ausge-
breitet hat. Doch gibt es auch FäUe mit beschleunigterem
^^""^^tle gleichen Symptome bietet im Wesentlichen die anders
localisirte Sycosis dar.
An den Augenbrauen ist der Process isolii% odei in
Verbindung mit Blepharadenitis und Sycosis des übngeii (xe-
Ihtes. Sycosis der Nasenschleimhaut -t gewoh^^^^^
mit gleicher Affection der Oberlippe vergesellschaftet. In der
Achselhöhle und amSchamberg, sowie am behaarten
Kopf e geht Sycosis meist aus eczematöser Entzündung hervor.
Doch findet sich auch Sycosis capiUitii mit ^^^--1^^-^^^;;;
Heuernden Knoten- und Pusteleruptionen und schmerzhaftei
S^Son der Cutis, in seltenen EäUen als idiopathische Er-
^"'tlf muss hier einer eigenthümlichen Krankheit.form des
behaarten Kopfes gedenken, welche ich als Dermatxtxs pa-
miliaris capillitii beschrieben habe. Bei dei selben eit
stehen stecknadelkopfgrosse, anfangs isolirte, spater dicht
Sycosis.
465
o-edrängte Knoten, welche zu narben ähnlichen Plaques ver-
schmelzen, auf denen die Haare büschelförmig zusammenge-
drängt erscheinen, während andere Stellen ganz kahl sich
ansehen. Die Haare werden sehr schwer ausgezogen, reissen
dabei ab und zeigen sich geschlängelt und atroiDhisch. Da und
dort kommt eine kleine Pustel vor.
Der Process begiimt in der Eegel an der Nackenhaar-
grenze und schreitet am Hinterhaupt empor bis gegen den
Scheitel. Einmal habe ich denselben auf letztere Stelle
allein beschränkt gesehen. Im Bereiche des behaarten
Hinterhauptes bilden sich nun 2—3 Cm. hohe, papillomartige,
stinkendes Secret liefernde, mit Borken bedeckte, leicht blutende
Vegetationen, welche da und dort durch intercurrirende Ab-
scessbildung zum Theil zerfallen und unterwühlt werden. Diese
Fis. 27.
■/-■
Dermatitis papillaris capillitii. Senkrecliter Durclisclmitt.
a hypertrophische Epidermis über den dendritisch aiisgewachsenen _Papmen c ;
b enorm erweiterte Gefässe; d dichte Zelleneinlagerang (entzündliche Inültiation)
des Corium. (Schwache Vergr.)
30
Kaposi, Hautkrankheiten.
46G
AcMundz-wanzigste Vorlesung.
b...J'
Aus dem entzündeten Corium bei D.
papillaris (Fig. 27 d).
c Randzellen, b einfach und mehrfach ver-
ästigte Zellen, a solche zu Fasern angereiht.
Fig- 28. Bildtingen , welclie aus enonn
gef ässreichen , papillären Ex-
crescenzen bestehen und mikro-
skopisch-anatomiscli ganz ana-
log wie Granulationen sich
verhalten, schrumpfen im Ver-
^ laufe von Jahren, indem sie
zu sclerotischem Bindegewebe
sich umwandeln (Fig. 28 a),
^ mit dem Resultate ausgebrei-
teter Atrophisirung der Haar-
follikel und Kahlheit , während
an anderen Stellen die noch
bestehenden Haare büschel-
förmig zusammengedrängt und
eingezwängt bestehen.
Der Process ist von Alibekt
als Plan ruboid beschrieben
lind abgebildet und mit Syphilis identificirt worden, während
Eayer denselben als Sycosis capillitii bezeichnet. Die gleiche
Auffassung hegt auch Hebra, welcher diese Form als Sycosis
fromboesiaformis bezeichnet. Ich glaxibe nachgewiesen zu haben,
dass, abgesehen davon, dass der Process mit Syphilis nichts
zu thun hat , derselbe nicht aus Follicularpusteln hervorgeht,
also keine Sycosis ist, sondern ein idiopathischer Entzündungs-
process.
Sycosis parasitaria (Bazin) , in der äusseren Er-
scheinung der gewöhnlichen Sycosis ähnlich, aber durch die
acute Entwicklung von champignonähnlichen , drusigen , zer-
klüftenden Wucherungen im Bereiche der Wangen (Köbnee,
Kaposi, Lewin u. A.) oder auch des behaarten Kopfes (Auspitz,
Lang) ausgezeichnet, oft mit rothen, schuppenden Kreisen ver-
geseUschaftet, ist durch einen, dem Herpes tonsurans entspre-
chenden Pilz bedingt und wird mit letzterer Krankheit zu-
gleich noch besprochen werden.
Nach den geschilderten Symptomen ist die Sycosis nicht
schwer zu diagnosticiren. Die entzündliche Lifiltration
und Pustelbildung, mit der Lockerung der Haare und Schwel-
lung der Haarwurzelscheiden, die Charaktere des chronischen
Verlaufes welche namentlich aus dem Nebeneinandersein xow
Sycosis.
467
frischen imd in Involtition begriffenen oder vernarbenden
Pnsteln, Narben und verödeten Bartstellen sich, kennzeichnet,
verrathen die Krankheit zur Genüge; da aber auch Lupus •
und knotig ulcer Öse Syphilis der Wangen und Lippen
und der Nasenschleimhaut mit Krustenbildung und Narben, ja
axich mit papillären Wucherungen einhergehen, wird man in
zweifelhaften Fällen auf die Charaktere der letzteren Bedacht
nehmen müssen. Bei Lupus geben die wie eingesprengten und
unter dem Fingerdrucke nicht schwindenden Primärknötchen,
bei Syphilis das scharf begrenzte, derbe Randinfiltrat , oder
ein charakteristisches, schmerzhaftes Greschwür die Unterschei-
dungs-Merkmale.
Sycosis gestattet eine günstige Prognose, da die Krank-
heit heilbar ist und selbst bei unbehindertem Bestände
ausser der örtlichen Störung keine Nachtheile mit sich bringt.
Spontanes Erlöschen des Processes erfolgt nur sehr spät, nach
Jahren luid nach ausgebreiteter Follicular - Verödung. Am
schwersten heilbar ist Sycosis der Nasenschleimhaut und des
Capillitium.
Als Ursache der gewöhnlichen Sycosis kann in manchen
Fällen örtliches Eczem gelten, indem mit der lang andauernden
oder sich steigernden Entzündung Folliculitis eintritt. Dies
gilt namentlich für Sycosis der Nasenschleimhaut und der
Oberlippe, die im chronischen Schnupfen ihre Quelle hat, für
Sycosis des behaarten Koj)fes, der Achselhöhlen und der Scham-
o-eo-end. Allein zumeist entsteht Sycosis des Bartes idio-
pathisch, ohne jede nachweisbare Ursache. Daher hat man
auch da allerlei supponirte Dj^scrasien , Erkältung , besondere
Nahrungseinflüsse, das ßasiren mit stumpfem Messer und vieles
Andere in's Feld geführt, doch ohne jede Grewähr.
Die Entstehung durch Contagion ist für Mentagra
seit Plinius behauptet worden, nach dessen Erzählung die
Krankheit aus Aegypten nach Rom verschleppt und dort durch
Küssen epidemisch verbreitet worden ist. Es ist aber mehr
als wahrscheinlich, dass jene Mentagra oder Ficositas die Be-
deutung von syphilitischen Feigwarzen, Plaques muqueuses,
hatte, wodann ihre Contagiosität allerdings begreiflich wäre.
Indessen hat dies mehr historisches Interesse. Sycosis
im Sinne von Celsus und der Neuzeit, wie sie seit Bateman
verstanden wird, galt doch im Allgemeinen für nicht ansteckend.
30*
468
Achtundz-wanzigste Vorlesung.
Erst seit G-ruby (1842) von einem Pilz bei Mentagra berich-
tete und Bazin die Existenz einer Sycosis parasitaria
feststellte , ist die Contagiositätsfrage wieder lebendig gewor-
den. KöBNEE, hat sie ganz richtig dahin entschieden, dass die
Contagiosität nur für jene specielle Form, die eigentlich dem
Herpes tonsurans angehört, gelte — Sycosis parasitaria —
nicht aber für die vulgäre Sycosis oder Folliculitis
barb a e.
Diese entsteht zumeist idiopathisch und vielleicht veran-
lasst durch gewisse anatomische Verhältnisse.
"Wie schon Gr. Simon und Wertheim gezeigt, stellt jeder
Sycosisknoten einen Abscess des Haarfollikels dar. Zieht man
das Haar heraus, so ist die Wurzelscheide eitrig aufgec|uoUen
und es tritt ein Eitertropfen aus der Höhle. Das interfoUi-
culäre Gewebe, Cutis und Papillen, zeigen selbstverständlich
den Zustand entzündlicher Infiltration und letztere wachsen
gelegentlich papillär aus. Die Anregung zur Entzündung mag
vielleicht mit einer energischen Reproduction der Haare zu-
sammenhängen, indem das am Follikelgrunde neu gebildete
Haar neben dem alten sich vordrängt und die Wandung me-
chanisch reizt. In der That trifft man da häufig zwei Haare
in demselben Follikel und Sycosis häufig . bei sehr dichtem
Bartstande. Wertheim leitet die Irritation daher, dass der
Querdurchmesser des Haares relativ zu gross wäre zu dem
seiner Haartasche.
In der diffusen Infiltration kommt es auch zu Abscedirung
der Cutis und der Talgdrüsen.
Bei Sycosis parasitaria ist ein dem Trichophyton ton-
surans Malmsten entsprechender Pilz mikroskopisch zwischen
den Elementen der ausgezogenen Haare und ihrer Wurzel-
scheiden nachzuweisen.
In der Behandlung der Sycosis müssen Patient und Arzt
sich einer gleichen Exactheit und Consequenz in der Ausführung
der nothwendigen Massnahmen befleissen. ^Yo diese Bedingung
erfüllt wird, kann eine ausgebreitete, seit vielen Jahren be-
standene Bartfinne binnen 3—6—12 Wochen gänzlich geheilt
werden, während im Gegentheil der Erfolg vergeblich erwar-
tet wird. _
Nvir ganz massig entwickelte Sycosis des Bartes
kann mit Erhaltung des letzteren geheilt werden, indem man
Sycosis.
469
die wenigen Pusteln eröffnet , die kranken Härclien auszieht
und die Stelle fleissig mit einfachen Salben besckmiert, bis die
excoriirten Punkte verkeilt sind.
Bei grösserer Verbreitung und langem Bestände des
Processes muss der Bart abgenommen werden. Derselbe wird
zunächst kurz geschoren. Sodann legt man TJngu. Diachyli
auf Leinwand gestrichen und mit Flanell niedergebunden, oder
Kaiitschukleinwand auf die "Wangen, Oberlippe, um die
IvriTsten zu erweichen. Nach 12 — 24 Stunden können
sie mittelst Seife abgewaschen werden und nun wird ra-
sirt. Das Rasiren kann von geschickter Hand und mit einem
guten Messer ohne Schmarz für den Kranken ausgeführt werden.
Jetzt liegt die kranke Haiitfläche, diffus geröthet, infil-
trirt, mit zahlreichen Pustehi besetzt, stellenweise nässend oder
blutend, bei Berührung massig schmerzhaft, frei zu Tage.
Und nun wird als dritte nothwendige Operation die von "Wert-
HEiM zuerst empfohlene Epilation vorgenommen, durch
welche die kranken Haare entfernt und der Austritt des Eiters
aus den Follikebi ermöglicht wird. Der Kranke wird in gute
BeleiTchtung gesetzt. Der gegenübersitzende oder stehende
Arzt spannt sich mit den Fingern der linken Hand die zur
Epüation bestimmte Hautstelle ziu^echt, fasst mit der rechten
Hand die Cilienpincette mit Daumen, Zeige- und Mittel-
finger, wie eine Schreibfeder, und zieht Härchen für Härchen
aus in ihrer natürlichen Richtung. Dabei stützt er die Hand
mittelst des kleinen Fingers auf imd legt jedes ausgezogene
Haar unmittelbar auf die Haut nieder, ohne die Hand zu ent-
fernen. Dadiirch hat der Operateur den Vortheil, die Zug-
richtung beizubehalten und rasch hintereinander 20 — 30 Haare
auszuziehen. Nachdem Blut und Eiter abgetupft worden und
dem Kranken eine kurze Pause gegönnt worden, setzt man die
Epilation fort. Am ersten Tage begnügt man sich mit eruer
kurzen Sitzung, da manche Kranke, des Eingriffes ungewohnt,
nervös erregt, selbst ohnmächtig werden. Die nächsten Tage
geht es schon ohne Anstand. Denn der Schmerz beim kunst-
gerechten Epiliren ist nur sehr gering, weil ja die Haare ge-
lockert sind. Nach der Epilation wird die Stelle .abgewaschen,
wenn starke Entzündung zugegen , mit kalten Umschlägen
durch 1 — 2 Stunden und sodann wieder mit Ungu. Diachyli,
oder Ungu. Vaselin. plumb. belegt.
^-jQ'. Achtundzwanzigste Vorlesung.
Diese Manipulationen werden nun täglicli regelmässig
fortgesetzt: Waschen mittelst Seife und Seifengeist, ßasiren,
Epiliren und Belegen mit erweicliender Salbe. Mit dem Epi-
liren geht man regelmässig vorwärts von einer Randpartie
her , nicht bald da , bald dort. Denn die gut epilirte Stelle
sieht sich schon den nächsten Tag besser an, flacher, weicher,
blässer, mit weniger Pusteln besetzt, so dass der Patient zu
dem Verfahren Vertrauen bekommt.
Derart vorgehend kann man bei Sycosis beider Wangen
binnen 2— 3 Wochen mit der allgemeinen Epilirung fertig sein
und hat nur noch zerstreute NachschübHnge zu berücksichtigen.
Ist die Haut überall weich , kommen nirgends mehr Pusteln,
sitzen die Haare, die stets nachwachsen, fest, dann ist
die Sycosis geheüt. Es braucht jetzt nur noch der Anwendung
einfach emoUiirender und deckender Salben und Poudre, wie
nach Heilung der Acne.
Doch muss der Bart mindestens ein Jahr hindurch regel-
mässig rasirt werden; denn die Sycosis stellt sich meist mit
dem Bartwuchs wieder ein. Erst nach Jahresfrist pflegt der
Versuch, den Bart stehen zu lassen, zu gelingen.
In vielen Fällen sind neben der angeführten regelmässigen
Behandlung noch andere Eingrifi-e nothwendig. Einzelne derb
infiltrirte SteUen müssen gestichelt oder scarificirt werden,
worauf sie erst abflachen und abblassen; gelockerte, reichKch
blutende Hautstellen müssen mit dem scharfen Löffel aus-
gekratzt, grössere Abscesse eröffnet werden. Bei hartnäckiger
Wiederholung zahlreicher Pustelausbrüche, oder Bestand der
diffusen Derbheit der Haut empfiehlt sich das Einpinseln von
Schwefelpaste wie bei Acne, oder von Waschung mit Jod-
schwefelseife (Zeissl), oder die Erregung einer acuten Ent-
zündung durch Auflegen von Schmierseife durch 12 Stunden,
oder Einpinseln von Tinctura jodina, oder Jodglycerin
oder Eintupfen von Sublimatlösung O'öO , ad 100 Aqu. dest.,
worauf wieder die oben geschilderte durchschnittliche Behand-
Kmgsweise mittelst Salben und Epiliren Platz greift.
Die erwähnten Vegetationen werden durch Aetzen mit
Essio-säure, Paste von Acid. acet. 10, Lact. sulf. 2-50, oder
eine Salbe von Cupri acetici 0-30, Ungu. simpl. 10, oder Ein-
tupfen mit Acid. muriat. concentr. und Auflegen von Calomel-
pulver entfernt.
Impetigo, Ecthyma.
471
Bei Sycosis vibrissanim müssen ebenfalls die Pusteln er-
öffnet, die Haare ausgezogen und in die Nasenlöcher emol-
liirende Salben, wie bei Eczem dieser Partie, eingelegt nnd
rbagadiscbe Stellen geätzt werden.
Bei Sycosis Capillitii versnebt man die ßebandlnng wie
bei Eczem des behaarten Kopfes, Erweichung der Pusteln
durch Fett, Kantschukhanbe, Waschung mit Seifengeist, Donchen
nnd niu' wenn dies nicht zum Ziele führt, muss rasirt nnd
epilirt werden. (Man deckt tagsüber die mit Salbe oder
Kautschnkleinwand belegte Kopfhaut mittelst Perrücke.)
Analog wird Sycosis der Axigenbrauen, Achselhöhle und
Schamgegend behandelt.
Gegen Dermatitis papillaris Capillitii hat sich
nur Empl. hydrargyri von einiger Wirkung erwiesen. Das
Gros der Gebilde muss mit Scheere und Messer abgetragen
werden. Die copiöse parenchymatöse Blutung wird durch
einfache Charpietamponade oder gleichzeitige Application von
Lapislösung (1 : 1) gestillt.
Bei Sycosis parasitaria erweist sich neben der
Epilation der kranken Haare das Eintupfen mit Sublimat-
lösung oder Auflegen von Essigsäure-Schwefelpaste heilsam.
An die hiemit abschliessende Besprechung der Acneformen
lind Sycosis fügen sich naturgemäss einige kurze Bemerkungen
an, die ich über
Pustelausschläge
zu machen für nothwendig erachte. Es werden nämlich seit
WiLLAN von vielen Autoren systematisch Impetigo, Ec-
thyma, Psydracion, Phlyzacion, theils in der Bedeutung von
einzelnen Pusteln, theils von ausgebreiteten Erkrankungen der
Haut verwendet, bei welchen zahlreiche Pusteln vorkommen
(Impetigo sparsa, figurata u. A.) , namentlich aber, wenn die-
selben auf den Unterextremitäten localisirt sind.
Hkbea hat in seinem grossen reformatorischen Eifer
gründlich dargethan, wie verwirrend nnd ungerechtfertigt eine
solche specificirende Auffassimg der Pusteleruptionen ist.
Eür uns wird es genügen, daran zu erinnern, dass
Pusteln, d. i. eitrigen Inhalt bergende Epidermisbläschen und
Blasen (Phlyzacion, Impetigo) und derbere, eitrig schmelzende
Knoten (Ecthyma) überall da vorkommen, wo diffuse oder
^•^2 Aclitundzwanzigste Vorlesung.
circiimscripte acute Entzüudung und Exsudation im obersten
Corium und in der Papillarschiclite vorkommt; demnach idio-
pathisch bei der traumatischen, calorischen und venösen
Hautentzündung, in Folge von Kratzen bei Eczem , Prurigo,
Scabies, nach Einreiben von Unguent. Antenriethi mercuriale,
bei manchen in der Haut selbst gelegenen Momenten zur Ent-
zündung, wie bei Acne, Sycosis ; s y m p t o m a t i s c h bei Variola,
Rotz, Syphilis, metastatischeu Vorgängen. Es stellen also bei
aüen diesen Processen die auftauchenden Pusteln nur Theil-
erscheinungen dieser vor und örtlich eine bis zur Eiterung ge-
diehene Steigerung der Entzündung. Wir haben also gar
nichts dagegen, wenn man zur gegenseitigen Verständigung
über den momentanen Chara^iter einer Eruption, wenn dieselbe
in der Gegenwart von Pusteln sich ausprägt , die Namen Im-
petigo und Ecthyma beibehält. Allein es gehört dazu die
Bezeichnung des Grundprocesses oder der Gelegenheitsursache,
z. B. Ecthvmapusteln an den Unterextremitäten in Eolge von
Prurigo oder Kleiderläusen, oder Impetigo in Folge von Eczem,
oder von Kopfläusen. Als selbstständige Krankheitsprocesse
sind aber die als solche ausgegebenen Impetigo und Ecthyma
nicht zu betrachten. Nur eine Form ist besonders anzu-
führen, die von Hebra als
Impetigo herpetiformis
bezeichnet worden ist.
Dieselbe ist bisher an der hiesigen Klinilc m 8 Italien
beobachtet worden , von denen ich 5 gesehen habe. Alle be-
trafen schwangere Frauen und waren m den letzten
Monaten der Gravidität aufgetreten.
Es entwickeln sich im Schenkel-Leistenbug, am Nabel,
an den Brüsten, Achselhöhlen, später auch an vielen anderen
KörpersteUen, dicht gedrängt, gruppirt, stecknadelkopfgrosse,
mit opakem, später grüngelbem Inhalte erfüllte Epidernndal-
erhebungen, Pusteln. Dieselben trocknen zu einer schmutzig-
braunen Borke ein, während unmittelbar rings um diese in
einfachem bis zwei- und dreifachem Kreise neue solche perl-
ähnliche Pusteln erscheinen, durch deren Eintrocknen die cen-
trale Kruste vergrössert wird. So breitet sich der Process
von einzelnen Ausgangspunkten, nach dem Typis des circi-
nären Herpes, über grosse Strecken und zur Conflueiiz mit
nachbarlichen Herden aus. Unter den sich ablösenden Borken
Impetigo lioi'petiformis.
473
ersclieint die Haut rotli und mit neuer Epidermis bedeckt, oder
epidermislos, nässend, wie bei Eczem, infiltrirt und glatt, oder
papillär, aber nie ulcerirt. Endlich, nacb 3 — 4 Monaten, ist fast
die ganze Hautoberfläclie von der Erkrankung befallen, grössten-
tlieils geschwellt, heiss, mit Krusten bedeckte, eingerissene
oder excoriirte Eläcken zeigend, die noch da und dort von den
Pustelkreisen umsäumt smd. Auch die Scbleimbaut der Zunge
zeigte in einem Falle circumscripte , graue, im Centrum de-
primirte Plaques. Continuirlich. remittirendes Eieber, mit inter-
currirenden, die neuen Eruptionen ankündigenden Schüttelfrösten
und hoher Temperatur, trockener Zunge begleiten die Krank-
heit, welche in 6 Eällen zum Tode geführt hat. Nur eine
Erau ist davon genesen, obgleich das Uebel sogar nach mehre-
ren Wochen recidiv sich eingestellt hatte.
Die intercurrirende Entbindung hat weder in diesem
Ealle den Krankheitsverlauf und die schliessliche Genesung,
noch in den anderen Eällen den letalen Ausgang alterirt.
(Eine Kranke war nur einmal im Ambulatorium erschienen.) Bei
der Sectioai hat sich nur in einem Falle Endometritis und
Peritonitis, in den anderen Fällen nichts Aufklärendes vor-
gefunden.
Mit Rücksicht auf das ausschliessliche Vorkommen bei
schwangeren Frauen müssen wir doch die Ursache der Impe-
tigo herpetiformis in den Zustand des Uteras verlegen und
den Process analog auffassen, wie andere von Uterinalzuständen
angeregte Hautaffectionen, z. B. Pemphigus hystericus.
In dieser Beziehung ist der Fall, den C. Heitzmann mit-
getheilt hat, interessant, nach dem bei einer in den klimakte-
rischen Jahren befindlichen Frau Impetigo herpetiformis Hebea
abgelaufen war und nun ein rasch tödtlich verlaufender Pem-
phigus sich entwickelt hatte. Für die Deutung der Krankheit
als metastatische Pustulosis (Neumaot) liegt vor der Hand ntu-
ein Befund vor. Auspitz hat die Form als Herpes vegetans
beschrieben.
Die Therapie bestand bei allen Fällen in kühlenden und
antiphlogistischen Applicationen, Amylum, kalten Einhüllungen,
später Soda- und einfachen coutinu.irlichen Bädern , einfachen
Salben, Carbol-, Grypstheerverbänden neben den gegen das Fieber
und das allgemeine ErgrifFensein des Organismus gerichteten
Mitteln.
Neunundzwanzigste Vorlesung.
4. B 1 a. s e n a u s s c h 1 ä g e.
Pemphigus.
Begriffsbestimmung des Pemphigus. Allgemeine Unterscheidung in P. vul-
garis und foliaceus. Allgemeine Symptomatologie. Speoielle Pemphigus-
formen und deren Pathologie, Anatomie, Diagnose, Prognose, Therapie.
PemxDhigus chronicus, Blasenaussclilag, cliarak-
terisirt sich, durch die in ehr onischer Daner sich wieder-
holende Eruption von Blasen der allgemeinen
Decke und der angrenzenden Schleimhaut.
Wir berücksichtigen also hier nicht die schon früher
(pag. 333) als P. acutus besprochene Krankheitsform. Denn
zum Charakter des Pemphigus (Sauvages), P. chronicus (Wich-
mann), Pompholix (Willan) gehört im Sinne Hebea's neben
der bullösen Form der Efflorescenzen auch der chronische Ver-
lauf, derart, dass die Blasen in continuirlichen oder periodisch
sich wiederholenden Ausbrüchen erscheinen.
Die überaus grosse Unterschiedlichkeit der Symptome des
Pemphigus hat zur AufsteUung zahlreicher Arten desselben
geführt, von denen z. B. H. Martius nicht weniger als 97
anführt.
Hält man sich an das für den Process wesentlichste
Symptom, die Erscheinung von B 1 a s e n auf der allgemeinen
Decke, so ist nicht zu verkennen, dass alle PemphigusfäUe,
sie mögen sonst wie immer noch sich individuell markiren,
nach der Erscheinungs- und Verlaufsweise der Blasen sich m
zwei Kategorien unterscheiden lassen. Bei der einen machen
Pempliigus.
475
die einzelnen Blasen einen typischen Entwicklungs- nnd ßück-
bildnngsgang durch, welcher damit endet, dass an ihrer Basis
vollständiger Ersatz der Epidermis , Ueberhäutung , erfolgt.
Diese Formen hebt Hebea als Pemphigus vulgaris hervor.
In anderen EäUen findet eine solche Verheilung nicht statt.
Die Oberhaut wird vielmehr von der ursprünglich ergriffenen
Stelle aus fortschreitend losgehoben, so dass das Corium
streckenweise roth und nässend blossliegt. Diese Formen
repräsentiren den Pemphigus foliaceus (Cazenave).
Pemphigus vulgaris
kennzeichnet sich durch gut ausgebildete, prall gefüllte Blasen.
In den häufigst zu beobachtenden Fällen gestaltet sich der
Process annähernd folgendermassen.
Die Erkrankung wird durch fieberhafte Erscheinungen
eingeleitet: Schüttelfrost, erhöhte Hauttemperatur und Puls-
frequenz, Ueblichkeit, Erbrechen u. s. w. Das Fieber begleitet
auch die weiteren Eruptionen mit continuirlich remittirendem,
manchmal regelmässig intermittirendem Typus, fällt allmälig
mit dem Nachlass der Blasenausbrüche und steigt plötzlich
vor jeder neuen reichlicheren Eruption.
Auf der allgemeinen Decke erscheinen in den meisten
Fällen lebhaft rothe Flecke , auch einzelne Qua'ddeln , welche
sich zu den bekannten Formen des Erythema annulare , gyra-
tum, figuratum, urticatum entwickeln und während der ganzen
Dauer der Blaseneruptionen an den verschiedensten Stellen
des Körpers wiederholt oder continuirlich sich erneuern.
Die Blasen erheben sich theils über einzelnen solchen
Erythemflecken und Quaddeln, theils auf vorher scheinbar nicht
veränderter Haut. Ihre Grösse variirt von der eines Schrotkorns,
einer Erbse, Haselnuss bis zu der eines Hühnereies und darüber
und eben so verschieden ist ihre Menge, von einzelnen wenigen
bis zu 50, 100 und 'darüber gleichzeitig vorhandenen. Sie sind
unbestimmt localisirt, unregelmässig zerstreut (P. disseminatus)
öder stellenweise dicht gedrängt (P. confertus, P. en grouppes,
Eayer), in seltenen FäUen um je eine centralstehende ältere
Blase zu 3 — 5 gestellt (P. c ircin atus), wodann sie nach Ver-
heilung der mittleren Blase Kreise bilden und in weiterer
Folge Schlangenlinien von Blasen (P. gyratus, serpiginosus).
476
Neunundzwanzigsto Vorlesung.
Jede einzelne Blase besteht in ursprüngliclier Grösse,
oder nimmt durch Einbeziehung nachbarlicher Blasen oder
eigenes "Wachsthum an Umfang zu und macht einen typischen
Verlauf durch. Ihr klarer, wasserheller oder weingelber, manch-
mal etwas hämorrhagisch gefärbter (P. haemorrhagicus) In-
halt wird bald lymphid, nach 1 — 2 Tagen eitrig trübe, die Blasen-
decke vertrocknet als solche oder, nachdem sie geborsten, mit
dem Exsudate und Blut zu einer Borke. Nach deren Abfallen
erscheint die Hautstelle in einer der Basis der Blase ent-
sprechenden Scheibenform mit junger Epidermis überkleidet,
blauroth, später für einige "Wochen braun pigmentirt.
Der Process dauert nun in der angegebenen Weise an,
indem Steigerung des Eiebers, der Erythem- und Blasen-
ausbrüche mit ßemissionen sich ablösen. Wo die Blasen und
Borken dichter gedrängt sind und unter den letzteren Exsudat
abgesperrt geworden , ist die Haut über grössere Strecken
heiss, ödematös, schmerzhaft, von Lymphangioitis gezeichnet
und diese mit Adenitis complicirt. An subjectiven Er-
scheinungen sind zu erwähnen: mässiges Brennen und Jucken
an Stelle der Blasen, Schmerz und Spannung an dicht mit
Blasen und Borken besetzten oder durch Losreissen dieser ex-
coriirten Partien, Schlaflosigkeit, Mangel an Esslust, Durst
während der Exacerbationsstadien. Die Kranken kommen durch
letztere Zustände, das Eieber und den directen Kräfteverlust
bedeutend herunter.
Nach 2— Bmonatlicher Dauer ist der Process beendet.
Das Eieber hat aufgehört, es kommen nur einzelne, bald gar
keine neuen Blasen, Schlaf und Esslust stellen sich wieder ein
und die Kranken erholen sich rasch. Der Betroffene kann nun
sein Lebelang gesund bleiben. Meist folgen aber in Zwischen-
räumen von Monaten oder einem Jahre mehrere neue Er-
krankungsperioden, mit denen die Krankheit endet. Oder die
Eruptionsperioden schliessen später eng aneinander und werden
zum continuirlichen Pemphigus (P. diutinus).
Die eben geschilderte Eorm des Pemphigus bezeichnet
Hebra als P. vulg. benignus. Er entspricht dem P. idio-
pathicuB dispersus infantum (nach Schuller), P. benignus
autorum.
Es gibt aber noch viel gutartigere Verlaufsweisen des
Pemphigus. Entweder indem bei kurzer Dauer und lieberlosem
Pempliigus.
477
Verlaufe (P. apyreticus) der einzelnen Eruptionsperioden immer
nur wenige Blasen erscheinen ; oder, wo zwar Adele J ahre, oft
das ganze Leben Hndurcli Blasen kommen (P. dintinus), aber
docb nie mehr als eine einzige (P. solitarins), oder vereinzelte
o-leicbzeitig zugegen sind. Auch der höchst seltene P. loc alis
wäre hieher zu rechnen, bei welchem nur auf einer beschränkten
Hautstelle, gewöhnlich der Finger, Zehen und der Nase auf
diffus blaurother, kühler Haut einzelne Blasen erscheinen.
Den benignen Pemphigusformen gegenüber steht der
P. vulgaris ma lignus, dessen gefährlicher Charakter auch
wieder durch verschiedene Momente ausgedrückt sein kann:
eine überaus grosse Menge und continuirlich nachschiebender
Blasen (P. diutinus Willan; P. permanente et continue),
anhaltendes Fieber, rasche Hinfälligkeit des Kranken, (P.
cachecticus infantum, Schuller); oder durch den Ueber-
gang des P. vulgaris in den P. foliaceus, indem an Stelle der
abgehobenen Blasendecken das Corium roth entblösst verbleibt,
oder mit graugelbem croupösem Exsudate sich belegt, ohne oder
mit gleichzeitiger derber Infiltration der Ciitis und Detritus
ähnlichem Zerfalle ihrer oberen Schichten — P. diphtheri-
ticus; endlich Formen, bei welchen auf der blossgelegten
Hautfläche der Achselhöhle, des Schenkelbuges, manchmal auch
an anderen Körperstellen, drusige, viscides, bald ranzig
riechendes Secret absondernde und theilweise nekrosirende
fiingoide Wucherungen in üppiger "Weise sich entwickeln (Hebra,
ich), die entweder lange stationär bleiben, oder rasch serpiginös
sich ausbreiten (Nedmann). Alle diese Formen können wohl
auch in Genesung enden, führen aber doch meist zum Tode.
Auch Pemphigus pruriginosus gehört zu den üblen
Formen. Das heftige Jucken, welches denselben auszeichnet,
bildet nicht nur eine subjectiv sehr belästigende, durch Störung
des Schlafes und nervöse Alteration den Kranken erschöpfende
Erscheinung, sondern begründet auch ein von den gewöhnlichen
ganz abweichendes Krankheitsbild. Es kommt nämlich höchst
selten zur Formation von Blasen, weil die Kranken sofort die
Urticaria-Quaddeln, auf welchen diese sich zu erheben anschicken,
zerkratzen. Dagegen finden sich alle Symptome, welche bei
jahrelang andauerndem Jucken und Kratzen (Priiritus cutaneus,
Prurigo) sich sonst vorfinden: Excoriationen , schuppiges und
crustöses Eczem, braune Pigmentirung in Form von Strichen
478
Neunundawanzigste Vorlesung.
und JFlecken, Trockenheit der Haut und all' dies ganz unregel-
mässig über den Körper zerstreut.
Pemphigus foliaceus
kennzeichnet doli neben schlappen Blasen, an deren abhängigen
Theilen der spärliche, bald trübe werdende Inhalt sich an-
sammelt, dadurch, dass an der Basis der Blasen keine Ueber-
häutmig erfolgt. Dies rührt zunächst daher, dass von der
lU'sprünglichen Blasengrenze aus die Loswühlung der Epidermis-
decke peripher fortschreitet, welche sich in Falten, ähnlich den
Blättern eines „Butterteiges" , zusammenschiebt („Patisserie
feuilletee", daher die Bezeichnung „foliaceus" von Cazenave).
So wird das Corium sehr bald über flachhandgrosse und aus-
gebreitete Strecken blossgelegt. Dasselbe erscheint, wie bei
Eczema rubrum, roth, nässend, das dünne Secret trocknet da
und dort zu dünnen, firnissähnlichen, leicht einreissenden Krusten
ein. Es bilden sich zwar immer auch an einzelnen Stellen
junge Epidermisdecken , diese werden aber bald wieder
mechanisch oder durch neue Exsudation abgehoben. Binnen
vielen Monaten oder Jahren hat der Process den ganzen Körper
occupirt. Nirgends ist dann eine Blase zu sehen, da die
Epidermis nicht dick genug ist , um sich vorzuwölben. Sie
reisst sofort ein. Die allgemeine Decke ist von unregelmässigen,
aus kleinen Bogensegmenten sich zusammensetzenden Rissen
durchzogen, während die Zwischenfelder theils mit Krusten
belegt, theils nässend, oder braunroth trocken, oder perganient-
artig erscheinen. Die Kopfhaare sind dünn, grösstentheüs
ausgefallen, die Augenlider sind ektropisch, das Lidividuum
abgemagert, die Nägel dünn, brüchig. Das Liegen und Wenden
des Kranken ist mit grossen Schmerzen, Losreissen der losen
Blasendecken und Krusten verbunden und das subjective Be-
finden meist sehr übel. Die Fieberbewegung ist sehr variabel,
anfangs kaum merklich oder intermittirend, im späteren Stadium
continuirlich.
P. foliaceus ist jedenfalls die bedenklichste Form der
Krankheit. Derselbe endet fast immer letal, wenn wir auch
Dank der vorgeschrittenen Therapeutik in den letzten Jahi'en
in mehreren Fällen theils Heilung, theils wesentliche Ver-
längerung des Lebens erzielen konnten.
Diese Form erscheint entweder von vornherein als solche,
Pemphigus.
479
oder entwickelt sich nach vieljähriger Dauer des P. vulgaris
aus diesem, wenn die Eruptionen continuirlich und das Indi-
viduum cachectisch geworden. Aus P. circinatus geht oft
P. foliaceus hervor, weil die hart an der Grenze der centralen
Blasen sich formirende neueEpidermisloshebung die Regeneration
der Epidermis im Centrum anatomisch erschwert.
Auch auf der Schleimhaut der Mund- und Rachen-
höhle und des Kehlkopfes kommen Blasen zur Entwicklung,
u. zw. sowohl bei P. vulgaris als foliaceus. Ihre Epitheldecke
wird bald macerirt, grau getrübt und abgestossen und
hinterlässt scharf begrenzte, lebhaft rothe oder graubelegte
Scheiben. So lange dieselben nur vereinzelt ersclieinen und
rasch überhäuten, belästigen sie nur durch die vorübergehende
Schmerzhaftigkeit. Beim Sitze am Kehldeckel bedingen sie
Suffocations-Gefahr. Höchst bedenklich wird der Zustand, wenn
die Blasen auch hier, wie bei P. foliaceus der aUgemeüien Decke
verlaufen, wobei über dem Isthmus faucium, der hinteren Rachen-
wand , den Kehldeckel das Epithel diffus abgehoben und die
Mucosa wie gefirnisst, braunroth und trocken erscheint, die
Kranken weder Speisen noch Getränke über die starre Schleim-
haiit zu befördern vermögen, auch das Athmen beeinträchtigt,
die Stimme bis zur Aphonie abgeschwächt wird ; denn dadurch
wird die Gefahr des Lebensendes ausserordentlich beschleunigt.
Auch an der Conjunctiva bulbi sind Blasen bei Pemphigus
beobachtet worden.
Pemphigus der Schleimhaut kommt zuweilen gesondert,
oder als Vorläufer des Pemphigus der allgemeinen Decke, in
der Regel jedoch nur in Gesellschaft mit letzterem vor.
Anatomisch unterscheiden sich die Blasen bei Pem-
phigus von denen bei Herpes, Eczem u. s. w. vermöge ihres
höchst oberflächlichen Sitzes. Ihre Decke wii'd von den obersten
HornzeUenlagen gebildet, ikre Basis von einem massig längs-
fächerigen Rete, dessen spärlich aufsteigende Balken bei
stärkerer Füllung der Blase sehr bald abgerissen werden, so
dass später die Blase fast rein einkämmerig erscheint. An der
unteren Fläche der Blasendecke hängen oft die aus den Follikel-
mündungen ausgelösten Epidermisfortsätze als conische An-
hänge. Die der Blase entsprechenden Papillen sind serös
imbibirt, von weiten Räumen durchzogen (Haight). Nach diesen
anatomischen Verhältnissen geht also bei Pemphigus stets nur
^gQ Neunundzwanzigste Vorlesung.
die oberste Epidermislage verloren und kann dalier auch bei noch
so langer Dauer und grosser Ausbreitung des Processes örtlich
kein Substanzverlust und keine Narbe entstehen, sondern es
folgt vollständige Restitution mit vorübergehender stärkerer
Pigmentirung. Doch bleiben Narben nach P. leprosus zurück
und hat solche einmal Steinee auch bei P. vulgaris gesehen.
Baerensprung, Hebra iTnd ich haben einigemal an den Händen,
Armen, ich auch am Stamme, nach Verheilung der Pemphigus-
blasen Hunderte von zierlich gruppirten, periweissen Milium-
körnchen gesehen, die erst nach Wochen und Monaten sich
auslösten. Bei P. foliaceus und cachecticus habe ich gegen
das Lebensende auf dem Unterleibe dicht gedrängt zahl-
reiche Furunkel, an anderen Stellen tiefgreifende Verschwärung
beobachtet.
Grosse Aufmerksamkeit hat man seit lange dem anatomisch-
chemischen Verhalten des ß 1 a s e n i n h al t e s zugewendet, immer
in der stillen Hoffnung, in demselben eine Materia peccans zu
finden, deren Gegenwart im Kreislauf als nächste Ursache der
gesam'mten Krankheit angesehen werden könnte imd deren Elimi-
nation durch die Capillaren der Haut örtlich unter gleichzeitigem
massigem Exsudataustritt und Blasenbildung erfolgte. Aber
nicht einmal über die Reaction der Blasenflüssigkeit, geschweige
denn über die einzelnen chemischen Bestandtheile derselben
finden sich übereinstimmende Angaben. Gewiss müssen diese
schon verschieden ausfallen , je nachdem frischer , klarer oder
bereits trübe gewordener Blaseninhalt untersucht wird. Die
Meisten stimmen doch darin Überein, dass der Blaseninhalt
wesentlich die Eigenschaften des Blutserums darbietet, neutrale
oder schwach alkalische Reaction, Ausfallen von mollecularem
Eiweiss beim Kochen, zuweilen hiebei ein membranöser Nieder-
schlag, in der heUen Flüssigkeit spärliche Formelemente , un
getrübten mehr Eiterkörperchen, oft auch rothe Blutkörperchen
(G SmoN Wedl u. A.). Saure Reaction, von freier Essigsam-e
herrührend, gibt Heineich an. Von älteren Untersucheru hat
Feanz Simon und Raysky neben Eiweiss, phosphorsauren Salzen,
milchsaurem Natron, Chlorsalzen und Cholesterin weder Essig-
säure noch Harnstoff, Dr. Heinrich freie Essigsäui-e angegeben ;
FOLWAEEZNY, SCHAUENSTEIN Leuciu Uud Tvrosm; bCHNEIDER
nichts von anderweitigem Blaseninhalt Auffälliges getunden.
Malmsten führt an Harnsäurekrystalle. Bambeegee und neuer-
Peiiipliigiis.
481
Hell C. Beyerlein haben freies Ammoniak im Blaseninlialt
nachgewiesen ; E. Ludwig kein solches , noch Lencin oder
Tyrosin, dagegen wenig Harnstoff neben Paraglobnlin , nnd
Sernm-Albnmin (NeuiMANn).
Eben so verschieden sind die Resultate der Harn-
imtersnchungen selbst bei ein nnd demselben Kranken
ausgefallen. Raysky, Heller, Hillier haben einigemale erheb-
liche Verminderung des Harnstoffes constatirt. Die Prüfung
des Blutes Pemphigöser (Kaysey , v. Bamberger) hat nichts
erheblich Abnormes ergeben. Vieles von den Befunden, wie die
Verminderung der Blutkörperchen (Bamberger), ist sicher auf
Rechnung der im Verlaufe des Pemphigus sich geltend machenden.
Anämie und Ernährungsabnahme zu stellen, gerade so, wie die-
durchschnittlichen Befunde bei der Obduction. So gibt Hebra
an : Anämie der Musculatur , Schlaffheit der Lungen und des
Herzens, seröse Durchfeuchtung des Grehirns, aUgemeine Anämie..
Auch die gelegentlich gefundene amyloide Degeneration der
Leber und Milz (Hertz) ist als Ausdruck der Cachexie anzu-
sehen. Als Resultat in einzelnen Eällen eingetretener Com-
plication und nächster Todesursache wären anzuführen : Pneu-
monie , Tuberculose , Eolliculärschwärung des Darmes , acuter
Morb. Brigthii.
Haben alle diese Eunde die innere Bedeutung der Krank-
heit nicht klarzulegen vermocht, so konnten sie auch nicht,
viel Positives ergeben bezüglich der
Ursachen des Pemphigus. Schon die relative Seltenheit
der Krankheit und die geringe Uebereinstimmung der ein-
zelnen Krankheitsfälle untereinander, ist ungünstig für die
Eruirung diirchwegs giltiger ätiologischer Momente. Liner-
halb der 13 Jahre, vom Jahre 1865 — 1877, sind auf der
hiesigen Hautkranken- Abtheilung 103 Pemphiguskranke (79 M.
+ 24 W.) behandelt worden , bei einem Summarkranken-
stande von 30.362 Hautkranken und 278.952 Kranken des
Spitales überhaupt. Von allgemeinen ursächlichen Momenten,,
als Nationalität , Beschäftigung , Lebensweise , Jahreszeit,
klimatische Verhältnisse u. s. w. hat sich nichts Massgebendes
gewinnen lassen. Das weibliche Greschlecht zählt unter
unseren Eällen mit einem Drittel der Männer. Das Alter
scheint von wesentlich disponirendem Einflüsse, da bei Säug-
lingen und Neugebornen Pemphigus viel häufiger vorkommt als.
Kaposi, Hautkrankheiten. 31
^g2 Neunundzwanzigste Vorlesung.
bei Erwaclasenen ; nacli Hebra und Steiner 1 : 700 Spitals-
krankeii und vorwiegend gegen den 2. Lebensmonat.
Contagiosität hat man bisher weder klinisch noch
experimentell bei Pemphigus nachweisen können. Heredität
der Disposition konnte selten, aber unzweifelhaft constatirt
werden, wie bei einem 22jährigen Manne auf der hiesigen
Klinik , der seit seiner ersten Jugend an Pemphigus litt und
angab, dass seine Mutter, Schwester, der Bruder seiner Mutter
und die eine Hälfte seiner Kinder an der Krankheit litten.
Die Vorstellung, dass chemische oder mechanische Störungen
der Harnsecretion den Pemphigus veranlassten, indem
die im Blute zurückgehaltenen ExcretionsstofFe von der Haut
als dem vicariirenden Organe der Nieren ausgeschieden würden
und da durch Eeizung die Pemphigusblasen hervorriefen (P. ab
infarctibus renum et ab calculosis) ist schon gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts von Braune und später wiederholt aus-
gesprochen worden. Auch hat diese Idee einigermassen eine
Stütze darin gefunden, dass einigemale Harnstoff, Harnsäure
und freies Ammoniak im Blaseninhalte gefunden wurde, sowie
durch das Zusammentreffen von Nierenerkrankungen mit Pem-
phigus. So hat Steiner mit solchem periodische Hämaturie
gesehen und jüngst Bbyerlein bei einem 9jährigen Knaben
nach Ablauf von Scarlatina unter Zeichen von acutem Morb.
Brightü. und von Urämie allgemeinen Ausbruch von Blasen
beobachtet, deren Inhalt von freiem Ammoniak alkaHsch reagirte.
Doch ist, wie erwähnt, in der Mehrzahl der FäUe solches
weder im Blaseninhalte, noch je im Blute (Bamberger) gefunden
worden.
Zweifellos ist manchmal der Pemphigus von hysterischeu
Zuständen herzuleiten — P. hystericus, sofern diese in
AnomaHen der weiblichen Sexualfunctionen beruhen. Bei ein-
zelnen Erauen ist die Krankheit regelmässig mit jeder Con-
ception erschienen und mit dem Ende der Schwangerschaft
geschwunden (Hebra); und in einem Falle von Köbner zwei-
mal kurz nach der Entbindung aufgetreten (Herpes gestationis,
BuLKLEY), Analoga der mit solchen Zuständen beobachteten
Urticaria 'chronica. Im Verlaufe von Pyämie und nach Variola
hat Steiner Pemphigusausbruch gesehen.
Bei Lepra haben Boeck und Danielssen Pemphigus mit
NarbenbUdung an Stelle der Blasen beobachtet _ P. 1 e p r o s u s
Pemphigus.
483
— bei Einen in Form von einzelnen Blasen, die auf anästhe-
tischen Hiutstellen auf Druck oder auch spontan plötzlich
entstanden (Epinjdvtis ? der Alten), bei Anderen Jahre hindurch
als Prodromen der eigentlichen leprösen Erkrankung.
Syphilis als Ursache des Pemphigus ist bekannt —
P. syphiliticus. Dieser erscheint als Symptom hereditärer
Lues entweder angeboren, oder 3 — 6 Wochen nach der Greburt.
An Stelle der Blasen ist die Haut geschwürig. Bei erwachsenen
Syphilitischen kommt es nur selten über ulcerirenden Knoten
zur Bildung von Blasen und dem Schema des P. syphiliticus.
Einmal habe ich mit Hebra bei einem seit Kindheit
an Prurigo leidenden 22jährigen Manne Pemphigus vulgaris
der Haut und Schleimhaut mit schweren Symptomen durch
etwa ein Jahr verlaufen sehen. Die charakteristischen Er-
scheinungen der Prurigo waren während des Pemphigus ge-
schwimden und nach Ablauf desselben wieder gekommen.
Die letztaufgezählten Formen von Pemphigus können mit
Rücksicht auf die eruirbare Ursache als P. symptomaticus
bezeichnet werden, gegenüber den bei'weitem häufigeren Fällen
des P. idiopathicus, welche noch ihrer ursächlichen Er-
klärung harren.
Zur Diagnose des Pemphigus gelangt man durch Fest-
stellung der für die einzelnen Formen der Krankheit früher
geschilderten wesentlichen Symptome, die also bei P. vulgaris
anders geartet sind als bei P. foliaceus, P. syphiliticus oder
P. pruriginosus. Wenn neben vielen Blasen auch Krusten und
Pigmentflecke verschiedenen Alters und in den Blasen ent-
sprechende Formen zugegen sind, aus welchen die chronische
Wiederkehr der Erscheinungen erschlossen werden kann, ist
die Diagnose wolil am leichtesten zu machen. Doch ist auch
hier Täuschung möglich, da das Bild auch bis zu gewissem
Grade künstlich, durch täglich bald da, bald dort applicirte
blasenziehende Mittel, Canthariden, Mezereum, hervorgerufen
werden kann (simulirter P.), wie dies Greisteskranken, Spitals-
Simulanten bisweilen gelungen ist. Jeder Pemphigus ist in der
ersten acuten Eruptionsperiode, bei dem Abgange der Sj^mptome
des chronischen Verlaufes, nur mit Vorbehalt zu diagnosticiren,
da Verwechslung mit Urticaria buUosa, Erythema bullosum,
Herpes Iris und circinatus, Impetigo faciei möglich ist. Eben
so muss man bei weit vorgeschrittenen, ausgebreiteten Formen
31*
4g4 Neumindzwanzigste Vorlesung.
\md universellem P. foliaceus die Täuschung gegenüber von
Eczema rubrum (E. pempliygodes) , Pityriasis rubra, Scabies;
bei P. pruriginosus rücksicbtlicli Pruritus cutaneus, Prurigo,
Urticaria chronica vermeiden — und überbaupt alle jene Krank-
beitsformen znv Differentialdiagnose in's Auge fassen, bei
welchen gelegentlich Blasen entstehen können, wie über gan-
gränöser (P. gangraenosus ?) oder anästhetischer Haut; oder
wo Krustenbildung und Epidermisloslösung in chronischer Folge
sich wiederholen können.
Die Prognose hängt zum Theile von der speciellen Eorm
der Krankheit ab. P. vulgaris gestattet im Allgemeinen
eine günstige, P. foliaceus und pruriginosus eine zweifelhafte
oder sofort ungünstige Vorhersage, da letztere Formen gewöhn-
lich in continuirlichem Verlaufe zum Tode führen. Im speciellen
Falle ist aber auch bei P. vulgaris keinerlei Anhaltspunkt
für die Beurtheilung des weiteren Verlaufes gegeben und daher
die Vorhersage nur mit grosser Vorsicht und nur für die
nächste Zeit zu stellen. Hiebei muss aber der gesammte
Symptomencomplex erwogen werden. Allgemein können Fälle
mit prall gefüllten und nicht zu zahlreichen, in zögernder
Weise erscheinenden Blasen (P. benignus, P. hystericus, P.
solitarius) und fieberlosem Verlaufe bei gut genährten, jüngeren
Individuen und Säuglingen zeitlich günstig angesehen werden,
' während solche mit reichlichen und continuii-lichen Nachschüben
von vielleicht gar matschen Blasen, bei gleichzeitig anhal-
tendem Fieber, KräfteverfaU und Marasmus des Betroffenen
ungünstig zu beurtheilen sind.
Für die Behandlung des Pemphigus gilt noch heute das
Urtheil Jos. Fkank's in vollem Masse, der da sagt, dass ihn
bei dieser Krankheit aUe möglichen internen Mittel, Diuretica,
Drastica, Diaphoretica, Amaricantia, Epispastica, Derivantia,
Antipsorica und sogenannte Specifica in Stich gelassen. "Wir
besitzen gegen keinerlei Form, weder des symptomatischen
noch des idiopathischen Pemphigus, ein specifisches oder direotes
Heilverfahren und es haben auch die in den letzten Jahrzelmten
versuchten und empfohlenen innerKchen Mittel, Arsen (Hutchin-
son), Karlsbader Thermen (Oppolzer), Acida (Rayer), Schwefel-
und Salpetersäure-Limonaden, welche namentlich Bamberger
der Absicht das zuweilen im Blute nachgewiesene Aiiimoniak
neutralisiren, empfohlen hat, nichts gefruchtet, ^sur
m
zu
Pemphigus.
485
inwiefern bei den ersteren ein ursäcliliclies Moment angenommen
oder erwiesen sein kann (pathologische Zustände der weiblichen
Sexualorgane) mag ein entsprechendes Verfahren Platz greifen,
sonst sind wir auf die symptomatische Local- und Allgemein-
therapie beschränkt. In der ersten Zeit des Ausbruches und
bei Gegenwart disseminirter Blasen begnüge man sich mit der
Inspersion von Streupulvern. Wo die Blasen dicht gedrängt
stehen, steche man sie an, um das Gefühl der Spannung zu
beheben. Mit Krusten belegte imd streckenweise der Epidermis
beraubte Stellen sollen mit indifferenten Salben, wie bei Eczem,
belegt werden. Kalte Umschläge, allgemeine nasse Einhüllungen
eignen sich bei stark entzündeter Haut, hohem Fieber und
ausgebreiteter Eruption. Das continuirliche Bad ist ein un-
schätzbares Deckmittel bei P. foliaceus und hilft am besten
die Schmerzen zu lindern, die Eieberbewegungen zu mitigiren
und durch Eückkehr des Schlafes und der Esslust den Kranken
über die Eruptionsperiode hinwegzubringen, der er sonst viel-
leicht vorzeitig erliegen würde. "Wir haben derart einen Kranken
über 4 Jahre erhalten, der, kürzere Zeiträume nicht gerechnet,
einmal 8 Monate Tag und Nacht zu seinem höchsten Gewinne
im Bade verlebt hat. Protrahirte Theerbäder sind sehr vortheil-
haft und manchmal geradezu heilsam gegen P. pruriginosus.
Alaun-, Sublimat- imd Schwefelbäder sind gegen P. vulgaris
empfehlenswerth.
Gegen die begleitenden Eiebererscheimingen und zufälligen
Complicationen sind die denselben entsprechenden innerlichen
Mittel, Chinin, Acida, Ferrum, Amara, Opiate, Chloralhjdrat
etc. nach Anforderung des specieUen Falles zu verwenden.
Y. Olasse.
Haemorrhagiae cutaneae.
Durch Blutavistritt bedingte Krankheitsfomen der Haut.
Dreissigste Vorlesung.
Bedeutung und anatomische Bedingungen, klinische Formen der
Haemorrhagiae eutaneae , Vorgang bei ihrer Involution. Idiopathische
und symptomatische Formen. Contusion, Verletzung, Purpura senilis,
P. variolosa , rheumatica , simplex, haemorrhagica. Scorbut. Hämophilie.
Hämatidrosis.
"Wiederliolt ist im Verlaufe der bisherigen Darstellung
von cutanen Hämorrhagien die Eede gewesen, wie bei Be-
sprechung der Blattern, des Zoster, des Erythema nodosum.
Bei diesen, so wie bei manchen anderen Processen, stellen die
Blutergüsse in die Haut mehr oder weniger bedeutungsvolle
CompHcationen vor; bei anderen bilden sie jedoch die wesent-
lichste oder ausschliessliche Krankheitserscheinung.
Wie der Name besagt, handelt es sich bei der Haemor-
rhagia cuitanea um freien Austritt von Blut aus den Capillaren
und feinsten Gefässen der Haut. Oft kann eine Zerreissung
(Rhexis) der Grefässwand angenommen oder erwiesen werden,
womit für den Blutaustritt (Extravasat) der Weg offen ist.
In anderen Fällen jedoch scheint der Durchtritt von rothen
Blutkörperchen bei unverletzter Grefässwand stattzufinden,
deren Permeabilität für einzelne Körperchen Strickee schon
vor Jahren und für ganze Zellhaufen erst jüngst demonstrirt
hat (Diapedesis). Oder es mag nur blutig gefärbtes Serum in
Hämorrhiagien.
487
die Grewebe diffuncliren, was eine cliemisclie Decomposition des
Blutes innerhalb der Grefässe, Trennung des Hämatins von den
rotben Blutkörpereben, voraussetzt.
Jene Läsion kann erfolgen dnrcb mecbaniscbe Einwirkung
von aussen (Stoss, Quetschung, Stieb), oder indem die Gefäss-
wandung dem inneren Blutdruck nicht "Widerstand zu leisten
vermag. £ei allgemein erhöhtem Blutdruck, wie in der Fieber-
hitze, bei gewissen Herzfehlern ist das nicht der Fall, wohl
aber, wenn in beschränkten Hautregionen durch behinderten
Rückflnss des Blutes der Druck auf die Gefässwände sich
steigert, z. B. im heftigen Hustenanfall, im Paroxysmus der
Epilepsie im Bereiche der Kopfhautcapillaren , an den Unter-
extremitäten bei Varicosität. Die gleiche Veranlassung Hegt
in der relativen Erhöhung des Blutdruckes durch Verminderung
der Widerstandskraft der Capillarwandungen. So wenn die
stützende Decke der PapiUengefässe , die Epidermis, abgängig
ist, wie bei der Blasenbikkxng ; oder wenn die Gefässwandung in
der Ernährung gelitten hat; wie örtlich in Entzündungsherden,
oder bei allgemeiner Ernährungsdepression an den abhängigen
Körperpartien. Hieher gehört auch die Bliitung in Folge
Herabsetzung des den Körper umgebenden Luftdruckes beim
Ersteigen hoher Berge, wobei auch der durch die gesteigerte
Herzaction erhöhte Blutdruck die Hämorrhagie begünstigt
(Blutung aus der Nasenschleimhaut, Lunge, Conjunctiva, den
Fingerspitzen); die beim Aufstieg in dünne Luftregionen
mittels Ballons ; die diirch örtliche Druckverminderung mittelst
Schröpfkopfes entstehende Blutung u. Ae.
Der Blutaustritt erfolgt entweder zwischen die Epidermis-
schichten, oder in die Gewebsmaschen der Papillen und der
Lederhaiit , seltener in die Drüsenhöhlen, und in's Unterhaut-
zellgewebe. Dabei werden die Gewebselemente entweder nur
auseinander gedrängt oder, bei massenhafter Extravasation,
auch theilweise von einander gerissen. Ztuneist erscheinen die
Hämorrhagien der Haut in getrennt stehenden und ziemlich
scharf begrenzten Flecken und Streifen von verschiedener
Grösse und Form, als 1. Petechien, das sind punktförmige
bis fingernagelgrosse , lebhaft- bis lividrothe, im Niveau der
Haut liegende, oder wenig vorspringende, zackig begrenzte
Flecke, welche unter dem Fingerdrucke nicht schwin-
den, 2.Vibices, streifenförmige und S.Ecchymosen, thaler-
488
Dreissigste Vorlesung.
bis flachliandgrosse solche , unter dem Eingerdrucke nicht
erblassende Verfärbungen. Seltener bilden dieselben kleine, den
rollikelmündungen entsprechende Knötchen — Liehen hae-
morrhagicus — oder geschwulstartige, derbe oder fluctuirende
Beulen, Ecchymoma; endlich subepidermidale Blutansamm-
lungen in Form von hämorrhagischen Blasen. Am
seltensten findet freier Blutaustritt bei unverletzter Oberhaut
aus den Schweissdrüsen oder Haarfollikeln statt (Hämatidrosis).
Die hämorrhagischen Flecke bestehen in ihrer ursprüng-
lichen Form und Grrösse so lange, bis das ergossene Blut seine
physiologische Umwandlung durchgemacht hat ixnd zur Re-
sorption gelangt ist. Sie sind deshalb auch an der Leiche zu
sehen. Aenderungen an denselben kommen nur durch neuen
nachbarlichen Bluterguss zu Stande. Die Flecke invohdren sich
unter bestimmten Farbenveränderungen, ohne Schuppung ihrer
Oberfläche, binnen eines der ausgetretenen Blutmenge adäquaten
Zeitraumes. Hiebei ändert sich die im Momente ihres Ent-
stehens lebhaft rothe Farbe rasch in Blauroth, später Gelblich-
grün und Braun um, welch' letzteres am längsten persistirt.
Diese Involutionserscheinungen hängen mit den Ver-
änderungen zusammen, welche das aus den Gefässen in die
umgebenden Gewebe ausgetretene Blut, speciell das Hämatin
erfährt. Dieses trennt sich entweder von den rothen Blut-
körperchen des Extravasates und tritt färbend in die um-
gebenden Flüssigkeiten, Fibringerinnsel und Gewebselemente
ein. Nach Auflösung, Resorption jener bleibt das Hämatin in
Form von punktförmig zerstreuten, oder zu Klümpchen aggre-
girten, orangegelb bis rostbraunen Körnchen zurück (G. Simon),
während die extravasirten Blutkörperchen durch Zerfall und
Aufsaugiing verschwinden. Oder die rothen Blutkörperchen
behalten ihr Hämatin und verschrumpfen zu solchen Körnchen-
haufen. Oder endlich, es scheidet sich Hämatoidin in
Gestalt von schön gelbrothen bis rubinrothen, rhombischen
Säulen und Tafeln aus (Viechow). Bei geringer Menge und
oberflächlicher Lage der Hämorrhagie können solche Pigmente
später spurlos schwinden. Nach tiefer im Corium stattgehabter
und ausgebreiteter Hämorrhagie bleibt manchmal dauernd braime
Pigmentirung zurück. Hat sich das Extravasat in eüier grösseren,
durch Aufwühlung entstandenen Höhle angesammelt, so trennt
sich zunächst das Blutserum von dem Fibringerinnsel. Dieses
Hämorrhagien.
489
schrumpft allmälig unter Verschwinden des Serums und Ab-
gabe der eingeschlossenen Blutkörperchen an die Umgebung
und schwindet durch einfache Auflösung (Langhans). Endlich
werden sehr umfangreiche Extravasate cj^stenartig eingekapselt.
Ihrer G-elegenheitsursache nach sind die Hämorrhagien
der Haut idiopathische oder Symptom ati sehe. Ausser-
dem hat sich die Unterscheidung der durch traumatische
Einwirkung entstandenen Hämorrhagien von den spontan auf-
tretenden eingebürgert, indem letztere allgemein als Purpura
bezeichnet werden; doch wird diese Begriffsbestimmung nicht
immer streng eingehalten.
Die idi opathischen Hämorrhagien verdanken ihre
Entstehung der Einwirkung von Traumen auf die Haut,
durch welche die Grewebe und Gefässe der letzteren mechanisch
zerrissen werden, oder sie werden durch örtliche und in der
Haut selbst gelegene Circulationshindernisse veranlasst.
Zur el'steren Art zählt die Quetschung, C o n t u s i o, welche
unter lebhafter Schmerzempfindung durch heftigen Druck einer
Hautstelle gegen einen harten Körper, Stoss , Einklemmen,
hervorgerufen wird. Der Mannigfaltigkeit der einwirkenden
Schädlichkeiten entspricht die grosse Variabilität ihrer Zahl,
Stellung, Intensität. Dort, wo die Cutis der einwirkenden
Schädlichkeit auszuweichen am meisten gehindert ist, über
Knochenvorsprüngen, findet sich die Quetschung am häufigsten.
Der Bkiterguss erfolgt nach Einklemmung oft aus dem Papillar-
körper in die Epidermisschichten , sub forma einer hämorrha-
gischen Blase, welche bald platzt, oder dieselbe trocknet mit dem
flüssigen Inhalte zu einer rostbraunen, krümeligen Masse ein,
die binnen 1 — 3 Wochen exfoliirt wird. Bei stärkerer Contusion
erhebt sich die Haut als lebhaft rothe , derbe , schmerzhafte
Beule, welche binnen 1 — 2 Tagen einsinkt und unter den
bekannten Farbenveränderungen schwindet. Das Blut ist hier
diffus ergossen , infiltrirt. Bei hochgradiger Contusion
sammelt sich das Blut in einer grösseren, durch Loswülilung
entstandenen Höhle, Blutbeule , Ecchymoma, an. Auch da
kann in der früher besprochenen "Weise allmälige ßesorj^tion
des Ergusses erfolgen. Oder es entsteht acute, schmerzhafte
Entzündung des umgebenden Grewebes und ein A b s c e s s, mit
dessen Eröffnung der hämorrhagische Inhalt, wie die mechanisch
abgetrennten und nekrosirten Gewebstrümmer ausgestossen
^gQ Dreissigste Vorlesung.
werden. Seltener bildet sich unter Nachlass der anfänglichen
Schmerzhaftigkeit , unter lentescirendem Verlaufe, eine unter
dem Einger auf ihrer Höhe fluctuirende, gegen den Rand hin
crepitirende Geschwulst. Man fühlt einen derben Wall um den
hämorrhagischen Inhalt, dessen Resorption umsomehr erschwert
wird, je mehr sich eine fibröse, cystenartige, nachträglich selber
Flüssigkeit secernirende Umgrenzungswand ausbildet. Eine
derartige hämorrhagische Cyste kann dauernd zurück-
bleiben.
Die Contusionen unterscheiden sich in ihi'em Ansehen
durchaus nicht von gewissen spontan entstandenen Hämor-
rhagien. Ihre Diagnose ist in forensischer Rücksicht oft
nothwendig (Scheby-BüCh) und muss sich stützen auf die
Congruenz der hämorrhagischen Elecke mit den supponirten
Schädlichkeiten, Werkzeugen, durch welche, und der Zeit, zu
welcher dieselben hervorgerufen sein sollen. Die SteUung der-
selben an den zumeist hervorragenden Körpertheileh, die
anamnestische Feststellung der Schmerz empfindung im Momente
ihrer Entstehung führen mit zur Diagnose. Die spontan ent-
standenen Hämorrhagien der Purpura unterscheiden sich noch
dagegen durch ihr gleichzeitiges Vorkommen an SteUen, welche
Trlumen nur schwer zugänglich sind (Beugeflächen) und durch
die Gegenwart sehr kleiner petechialer Flecke neben den
ecchymomartigen. Erythema nodosum, s. contusiforme, welches
die letztere Bezeichnung wegen der Aehnlichkeit mit Con-
tusionsknoten führt, kennzeichnet sich gegen diese durch die
vorwiegende Localisation an den Unterschenkeln und die
Hyperämie über den frischen Knoten.
Die Prognose der Contusionen ist im AUgemeinen
günstig und richtet sich bezüglich des Verlaufes und der Dauer
nach der Intensität und dem Umfange der einzelnen Quetschungen.
Mit Ausnahme der mit Entzündung sich complicirenden er-
heischen die Quetschungen keine Behandlung. Das yolks-
thümliche Verfahren, frische Contusionsbeulen sofort mittelst
Fingers oder einer Münze platt zu drücken, ist ganz rationell,
weil hiedurch der Erguss auf eine grössere Fläche zertheilt
nnd dessen Resorption erleichtert wird.
In Folge von V e r 1 e t z u n g mittels feiner Stechwerkzeuge,
Rüssel von Insecten , Nadeln, entstehen Hämorrhagien in der
Haut indem das Blut durch den engen oder bald sich ver-
Hämorrhagien.
491
legenden Sticlicanal nicht nacli aussen abfliessen kann. Bei
Insecten- oder Blutegelstichen concurrirt noch der Saugact des
Rüssels. Am häufigsten begegnen wir der als Flohstiche,
Purpura pulicosa, bekannten Form. Dieselben sind punkt-
förmig bis stecknadelkopfgross und unmittelbar nach ihrer
Entstehung von je einem doppelt so grossen rothen Injections-
hof umgeben. Erst wenn dieser nach kurzer Zeit abgeblasst
und geschwunden ist, bleibt der centrale hämorrhagische Punkt
kenntlich zurück. Nach dem Aufenthalt auf einer flohreichen
Lagerstätte kann die Haut mit Flohstichen besät sein tmd
Purpura simplex vortäuschen. Die Grleichmässigkeit der Punkte,
ihr Gredrängtsein an den Stellen, wo die Falten der Leibwäsche
enger an den Körper anliegen und die etwaige Gregenwart
einzelner Halones können die Diagnose sichern. Da auch
bei der orientalischen Pest ähnliche Petechien vorkommen, so
haben die Flohstiche letzthin in diiferentialdiagnostischer Be-
ziehung eine gewisse Berühmtheit erlangt.
Unter dem Einflüsse örtlicher Circulationsstörung,
durch welche in einem bestimmten Capillargefässbezirke der
Blutdru.ck abnorm erhöht wird, entstehen öfters Blutungen,
um so leichter, je mehr gleichzeitig das Stützgewebe der
Papillargefässe gelockert, die Ej)idermis dünn oder abgehoben
ist, imd um so häiTfiger, je dauernder jene Ursache der
Circulationsstörung ist. Hieher gehören die örtlichen Blutungen
bei acuten Entzündungs- und Exsudationsprocessen in Folge
von Stauung in den Capillaren. bei Herpes, Eczem, aus granu-
lirenden Wundflächen und die häufig sich wiederholenden
Hämorrhagien an den Unterschenkeln in Folge von Varicosität
der Venen. Sie treten um so sicherer auf, je mehr das Indi-
viduum durch vieles Stehen und Grehen zu stärkerer Füllung
der Venen Veranlassung gibt, oder wenn wegen vorgerückten
Alters oder nach schweren Krankheiten, Wochenbett, das
Stützgewebe bei demselben schlapp geworden. Willan scheint
mit seiner Purpura senilis diese Form gemeint zu haben.
So lange die Oberhaut noch unversehrt und die Cutis elastisch
genug ist, haben die häufigen Ecchymosirungen keine weiteren
Folgen als braunfleckige Pigmentirung. Wenn jedoch im Ver-
laufe der Jahre die Haut des Unterschenkels durch complicirende
Entzündung, Ulceration und Narbenbildung ihre Elasticität
und Beweglichkeit grösstentheils eingebüsst hat, führen die
492
Dreissigste Vorlesung.
Hämorrliagien leicht zu Zerwühluiig und Nekrosirung des be-
troffenen Gewebes und zu schwer heilbaren Geschwüren.
Auf die plötzliche Aenderung der Circulations Verhältnisse
ist wohl auch jene Purpura zurückzuführen, welche ich an
Neugeborenen bald nach der Geburt in Form flohstichähnlicher,
zahlreicher Petechien entstehen gesehen. Auf mikroskopischen
Durchschnitten solcher Haut fanden sich die Blutaustritte in
der oberen Coriumschichte , zugleich die tiefen Gefässe von
rothen Blutkörperchen infarcirt — P. neonatorum.
All' die geschilderten Formen von Hämorrhagien bedürfen
im Allgemeinen keine eigentliche Behandlung, da sie ja ihre
physiologische Rückbildung durchmachen. Gegen complicirende
Entzündung und Schmer zhaftigkeit ist die Application von Kälte,
bei Hämorrhagien der Unterschenkel die horizontale Lagerung das
Zweckmässigste. Bei Varicosität wird ein contiiiuirlich zu tragen-
der Druckverband der übermässigen Füllung der Hautcapillaren
und der Wiederholung der Ecchymosen am besten entgegenwirken.
Die symptomatischen Hämorrhagien geben sich
kund als Theilerscheinung eines krankhaften Zustandes des
Gesammtorganismus , der Blut- und Säftemasse, der Gefäss-
innervation oder der Erkrankung eines inneren Organes. In
solchem Sinne erscheint die tödtlich verlaufende Purpura
V a r i 0 losa, deren Grund theils in der durch die specifische
Blutintoxication bewirkten chemischen Decomposition des Blutes,
theils in der durch letztere veranlassten Alteration des Gefäss-
nerven-Centrums liegt. Ihre Symptome habe ich im Zusammen-
halte mit den Blattern (pag. 235) geschüdert. Gleiche Be-
deutung haben die bei der orientalischen Pesterkrankuug , bei
Einimpfung von Schlangengift, acuter Septikämie auftretenden
Petechien nnd lividen Flecke der Haut.
Hieran reihen sich die Beobachtungen von zumeist auf
die Unterschenkel localisirten Hämorrhagien bei marastischen,
mit Tuberculose, Krebs, Darmaffectionen (Henoch) behafteten
Personen (Purpura cachectica et nervosa). Endlich auch das
Auftreten von P. nach Gebrauch von Jod (Jodisme petechial,
FoußNiEE, Auspitz), nach Einathmen von Benzoedämpfen (T.Fox),
im Ergotismus (Laillee).
Andere Purpuraformen haben einen mehr selbststandigen
Typus und eigenthümlichen Symptomen-Complex. Vor Allem
die (pao- 2R7) erwähnte, dem Erythema multiforme verwandte
Häraorrliagien.
493
Purpura rhenmatica, Peliosis rhenmatica,
(Schönlein), Eheumatokelis (Fuchs). Unter leichten, selten inten-
siveren Fiebersymptomen, oder auch nur Mattigkeit, Appetit-
mangel, gestörtem Schlaf, körperlicher und geistiger Depression
(Lewin) stellen sich ziehende Schmerzen in den Gelenken der
Kniee und Füsse ein, mit oder ohne nachweisbare Schwellung
imd Exsudation in dieselben. Nach wenigen Tagen erscheinen
pxmktförmige, linsengrosse und einzelne grössere, lebhaft rothe
und bald livid sich färbende, unter dem Finger nicht schwindende,
flache Flecke — Hämorrhagien — auf der Haut der Unter-
schenkel, weniger zahlreich an den Oberschenkeln, über dem
Gesässe, am Unterleib, zuweilen auch auf den Vorderarmen. In
leichten Fällen weichen die Gelenksschmerzen mit dem Er-
scheinen der Blutaustritte und schwinden diese binnen 10—14
Tao-en. Meist wiederholen sich solche noch in zwei bis drei
Nachschüben binnen 3—6 Wochen unter gleichzeitiger Exacer-
bation der Gelenks afPectionen und des Fiebers, und die Krank-
keit ist damit zu Ende. In einzelnen Fällen kann dieselbe aber
durch Wiederholung der Ausbrüche auf 3—6 Monate sich hin-
dehnen, ja selbst mehrere Jahre andauern. Als besondere
Complicatiouen habe ich periodisch wiederkehrende Nieren-
blutungen während der Krankheitsdauer beobachtet. Bei einem
Kranken sind solche durch 6 Monate den Hämorrhagien auf
der Haut vorangegangen, und bei einer Frau meiner Behand-
lung hat wechselnde Albuminurie die durch mehrere Jahre
währende Purpura begleitet. Bei einem Mädchen ist durch
hämorrhagische Zerwühlung und Gangrän des Velum und der
Kehlkopfschleimhaut letaler Ausgang erfolgt. Schwere Compli-
cationen durch hämorrhagische imd anderweitige Affectionen
innerer Organe haben auch Henoch, Bohn , Lbwin u. A. mit-
getheilt.
Von diesen und den vereinzelten Fällen überaus langer
Dauer abgesehen, ist die Prognose der Purpura rhenmatica
günstig. Doch kann in keinem Falle über die Dauer des Pro-
cesses etwas Bestimmtes vorhergesagt werden. Die Diagnose
ist nicht schwer , wenn man die Hämorrhagien und ihre eigen-
thümliche Localisation in Verbindung mit den rheumatoiden
Schmerzen würdigt.
Ueber die Ursache der Peliosis rhenmatica wissen wir
nicht mehr, als über die des Erythema multiforme. Wie dieses
Dreissigste Vorlesung.
findet sicli auch die P. rheumatica liäufiger bei jugendlichen
und weiblichen Personen und in typischer Wiederkehr und
Häufigkeit in den Frühlings- und Herbstmonaten. Es bleibt
aber vollständig Tinklar, welches Moment vom G-efässnerven-
centrum aus die Innervation der peripheren G-efässe derart
alterirt (Angioneurose), dass deren "Wand für das Blut so
urplötzlich und doch vorübergehend permeabel wird.
Die Therapie beschränkt sich auf schmerzstillende
örtliche Applicationen (Kälte, Opiatsalben und Pflaster), hori-
zontale Lagerung und Euhe der Extremitäten, obgleich auch
das Liegen im Bette nicht zu verhindern vermag, dass neue
Hämorrhagien erscheinen. Bei hartnäckiger Wiederkehr der
Blutungen dürften innerlich Elixir acid. Halleri 1,50, Syr. rub.
idaei 40,00 pro potu, oder Ferrum sesquichloret. (0,50, ad 150,00
Aqu. cinnamomi) ; Extract. secal. cornut. (0,1 pro dosi in Pillen-
form) ; Ergotin (0,05) refracta dosi innerlich, letzteres auch in
hypodermatischen Lijectionen (Ergotin 1,00, Aqu. dest. 10,00,
[eine klare rubinrothe Lösung] zu V2 Spritze jeden zweiten
Tag) verwendet werden.
Als Purpura simplex wird eine Krankheitsform an-
geführt, bei welcher unter mässigen Fiebererscheinungen und
allgemeiner Abgeschlagenheit, oder auch ohne jede merkliche
Störung des Allgemeinbefindens in ganz unregelmässiger Weise
an den verschiedensten Körperstellen, später allerdings vor-
wiegend an den Unterextremitäten und Händen, flecken- und
streifenförmige Hämorrhagien oder auch quaddelartige Er-
hebungen mit hämorrhagischer Verfärbung — Purpura
urticans, Willah — entstehen. Der Process hat einen un-
bestimmten und im Allgemeinen flüchtigen, auf 10—14 Tage
beschränkten Verlauf.
Purpura papulosa (Hebea), Liehen lividus (Willan)
stellt hämorrhagische, hervorragende Knötchen vor, welche
einzelnen Follikeln entsprechend von je einem Haare diirch-
bohrt sind. Ihr häufigster Standort ist die Haut der Unter-
schenkel bei kachektischen, scrophulösen Individuen, bei welchen
alle Entzündungsproducte an den abhängigen Körperstellen,
Eczem, Psoriasis, Variola, leicht von Blutaustritt durchsetzt
werden.
Purpura haemorrhagica, Morbus maculosus
Werlhofii, Blutfleckenkrankheit, Landscorbut, wird zunächst
Hämorrhagien.
495
als eiii hämorrhagischer Process betrachtet, der nach seiner
Intensität zwischen P. simplex und Scorbut die Mitte hält.
Derselbe wird meist dnrch allgemeine Depressionserscheinungen
und Fiebererregung eingeleitet. Auf der allgemeinen Decke,
die Gesichtshaut meist ausgenommen, treten linsen- bis über-
flachhandgrosse hämorrhagische Flecke auf, und es erscheinen
auch solche auf leichte Insulte, die die Haut treffen. Charak-
teristisch ist das gleichzeitige Auftreten von freien Blutungen
aus der Nasen-, Mund- imd Rachenschleimhaut, von punkt-
förmigen Ecchjonosirungen derselben, Darm- und Nieren-
blntungen. Hämoptoe, mit welchen Zuständen auch hochgradiges
Fieber^ (P. febrilis? Willan) , Ohnmacht- und CoUaps-
Erscheinungen und schneller Tod sicli einstellen können. Die
meisten FäUe verlaufen günstig, aber äusserst träge, binnen
3_G Monaten. Obgleich zuweilen schlechte Ernährung der
Individuen als Ursache der P. haemorrhagica angenommen
werden darf, güt dies doch nicht allgemein, da der Process
oft bei früher gesunden und kräftigen Personen auftritt. Der-
selbe kommt meist sporadisch, selten in endemischer Ver-
breitung vor.
Als Scorbut wird die Purpru^a bezeichnet, wenn früh-
zeitig gleichmässige Auflockerung, hämorrhagische Loswühlung
und schmutzig-grauer Beleg des Zahnfleisches, mit fötivem
Gerüche aus dem Munde, erscheint und die Hämorrhagien der
Haut nicht nur umfangreicher als bei Purpura hämorrhagica
lind simplex sich gestalten, sondern auch das subcutane Binde-
gewebe, die Muskeln rmd Fascien betreffen. Es bilden sich da
stellenweise ecchymomartige , schmerzhafte, derbe oder fluc-
tuirende Ergüsse, welche zu Gangrän, Blosslegung der Knochen,
Geschwüren mit bkitig suffundirter Basis fähren. Die Com-
plication von Seite der inneren Organe ist da noch beträcht-
licher. Doch gibt es leichte Erkrankungsfälle mit den charak-
teristischen Erscheinungen des Scorbut (Auflockerung des Zahn-
fleisches) gegenüber von schweren FäUen der P. haemorrhagica.
. Scorbut kommt durchwegs nur als Folge schlechter oder
ungenügender Ernährung, Mangel an Fleischkost, Kochsalz,
frischer Luft, Bewegung vor, bei Seefahrern, Sträflingen u. s. w.
Nach UsKOw soU Entziüidung der tieferen Gefässe der Schleim-
haut örtliche Circulationshindernisse in dem Zahnfleische und
daher Blutung setzen.
496
Dreissigste Vorlesung.
In all' den znletzt erwähnten Kranklieitsformen wird die
Prognose nm so günstiger sein können, je weniger rasch und
häufig die Hämorrhagien auftreten, je oberflächlicher sie sitzen,
je weniger die allgemeine Ernährung gelitten und Fieber vor-
handen ist. So lange die Ernährung gut von Statten geht, kann
man das Beste hoffen. Das G-egentheil und alle Symptome, die
auf solches hinausgehen, sind ein schlechtes Zeichen.
Die Behandlung kann in all' den Fällen nicht zur
Aufgabe haben, die schon gebildeten Hämorrhagien zu beein-
flussen, die ja spontan sich involviren. Neben den schon
erwähnten Haemostaticis wird roborirende Kost, der Aufenthalt
in guter sauerstoff'reicher Luft, wohl den Haiiptbehelf abgeben
müssen.
Hämophilie (Bluterkrankheit) charakterisirt sich durch
die Leichtigkeit , mit welcher auf geringe mechanische .Ver-
anlassung, Stoss oder geringe Verletzungen, bedeutende Ecchj^-
mosen und freie, sehr schwer stillbare Blutungen auftreten.
Eine solche Disposition findet sich bei einzelnen Personen und
in manchen Familien erblich und vorwiegend bei Kindern und
jugendlichen Individuen.
Hämatidros is, das kein eigentliches „BM schwitzen"
bedeutet, sondern das gelegentliche, spontane Hervorquellen
oder Hervorsickern arteriellen Blutes aus den Schweissdrüsen,
ist bereits erwähnt worden (pag. 140).
Die betrofi'enen Stellen waren meist die Augenlider,
Wangen, der Handrücken, die innere Oberschenkelfläche.
Messedaglia und Lombeoso, welche die Erscheinung an einem
mit diversen Neurosen behafteten Kranken beobachteten und
daher Gefässlähmung als Ursache der spontanen Blutung
annahmen (Haematidrosis paralytica), haben Belladonna innerlich
gegen den Zustand erprobt.
YI. Classe.
Hypertrophiae.
In Massenzunahme bestehende Hautkrankheiten.
Einunddreissigste Vorlesung.
Allgemeines über Hypertrophie. Anatomische und klinische Sonderung
nach der Betheiligung des Pigmentes, der Epidermis und der Papillen und
der Cutis als Ganzen. Pigmenthypertrophie. Anatomischer Sitz. Naevus,
Lentigo, Ephelis, Chloasma, Morb. Addisoni, Melasma. — Anhang: Icterus,
Argyria , Tätowirung. — Keratosen : Schwiele , Leichdorn , Hauthorn —
Papillome: "Warzenmäler, Warzen.
Unter Hypertrophie begreifen wir jene Krankheits-
zustände der Haut, welche sich -als das physiologische Mass
übersteigende Massenzunahme des Organs oder einzelner
Theile desselben darstellen. Dieselbe setzt eine übermässige
Anbildung der normalen Grewebselemente durch örtlich abnorm
gesteigerte Ernährung voraus — Hyperplasie. Die Massen-
zunahme beruht zum Theile auf Vergrösserung der einzelnen
Gewebselemente (wahre oder elementare Hypertrophie), zum
Theile aber auch auf Vermehrung derselben (numerische oder
quantitative Hypertrophie). Sie ist demnach in dieser Rück-
sieht zugleich Neoplasie, wobei den physiologischen analoge
Elemente neu formirt werden — Homoeoplasie. Aber
auch Letzteres ist nicht durchwegs der Fall, indem zwar
bis zu einem gewissen Gerade der Hypertrophie das Organ
und seine Elemente nach Beschaffenheit und Eunction im
Rahmen des Physiologischen sich erhalten, aber bei einem
Kaposi, Hautkrankheiten.
498
Eiluinddreissigste Vorlesung.
Uebermass der Hypertrophie Textur und Function des Or-
ganes oder seiner Elemente wesentlich vom Normalen abweichen
können.
Die Hypertrophie der allgemeinen Decke betrifft entweder
ausschliesslich, oder vorwaltend eine Art ihrer anatomischen
Formelemente, Pigment, Epidermis, Papillen, Drüsen, oder zu-
gleich mehrere oder alle Bestandtheile derselben. Darnach ist
auch ihr klinischer Ausdruck ein verschiedener. Wir wollen
tms heute mit den Erscheinungen der Hypertrophie des
Pigmentes, der Epidermis und des Papillarkörpers beschäftigen.
Pigmenthypertrophie.
Dieselbe erscheint als eine im Vergleiche zu ihrem nor-
malen Colorit intensivere (dunklere) Färbung der allgemeinen
Decke, in Grestalt von punktförmigen, linsen- bis flachhand-
grossen und noch umfangreicheren, scharf begrenzten, ver-
schieden braun bis schwarzgrauen Flecken, oder diffusen solchen
Tingirungen, welche unter dem Fingerdrucke nicht schwinden.
Die normal en Pigmentverhältnisse nachßace, Indi-
vidualität und Topographie der Haut kommen dabei in
Rechnung. Die eigene Färbung der Haut ist durch Pigment
bedingt, welches in Form von gelbbraunen Körnchen in und
zwischen den Zellen der untersten Reteschichten abgelagert ist.
Bei der hellgefärbten kaukasischen ßace sind diese Körnchen
spärlich, bei Brünetten doch reichlicher, bei Blonden in geringerer
Menge eingelagert, im Allgemeinen jedoch an gewissen Haut-
regionen, im Warzenhof, an den Grenitalien, dichter gedrängt,
welche daher dunkler gefärbt erscheinen. Bei den Negern und
-dunklen Eacen überhaupt ist das Pigment des ßete dichter
gesät, aber in den einzelnen Körnchen auch nicht schwarz.
(Neger werden mit weisser Haut geboren ; erst von der sechsten
Lebenswoche ab erscheint die Hautpigmentirung in rascher
■Entwicklung.) So beriiht denn auch die pathologische
Pigmentirung nur auf einer Vermehrung und dichtereu
Einlagerung von Pigmentkörnern in den Retezellen.
Alles Hautpigment stammt in letzter Linie vom Blute,
aus den G-efässen der Papillen, obgleich wir über den ^Veg
nicht näher unterrichtet sind, den dasselbe von da in die
Schleimschichte nimmt. Eine eingehendere Betrachtung dieses
Pigmentliypertroplüe.
499
Momentes müsste aiicli auf die Erörterung der Ernährung und
Regeneration der Epidermis ausgedehnt werden, was uns hier
zu weit führen würde. Genug , dass jene Thatsache hervor-
gehoben wird, denn sie lehrt auch, weshalb jeder stärkere und
dauernde Affluxus in den Papillargefässen, wie bei acuter und
chronischer Hyperämie und Entzündung, imd congestionären
Neubildungen, reicheren Pigmentaustritt in die Schleimschichte
und dunklere Pigmentirung der Haut veranlassen. Nebenbei
•wird da auch Pigment in die Papillen und in's Corium selbst,
längs der G-efässe abgelagert.
Die vorkommenden pathologischen Pigmentirnngen der
Haut sind entweder angeboren oder erworben.
Die angeborenen Pigmentflecke werden als P i g m e n t-
m ä 1 e r, N a e v i (N. materni) , bezeichnet. Sie sind blass- bis
dunkelbraun und schwarz. Man unterscheidet N. spilus, das
Pigmentmaal mit glatter, geschmeidiger Oberfläche, olme ander-
weitige Veränderung der Haut ; N. verrucosus, dasselbe mit
warzig-höckeriger Oberfläche und häufig mit dicken, borsten-
artigen, dunkelgefärbten Haaren besetzt — N. pilosus; N.
molluscif ormis s. lipomatodes, mit wulstartiger Ver-
dickung oder gar geschwulstartiger Vortreibung des Pigment-
maales. In letzteren Gebilden findet sich eine vom TJnterhaut-
zellgewebe in's Corium reichende, auf dem Durchschnitt gelblich-
weisse , gallertweiche Grewebseinlagerung — junges , zellen-
reiches und zartfibrilläres Bindegewebe.
Naevi pigmentosi kommen in thaler-. , flachhandgrosser
und ganze Körperregionen occupirender Ausdehnung und in
den abenteuerlichsten Umgrenz angen vor, durch welche sie oft
mit einem Thiere (Maus), Fell und Aehnlichem in Vergleich und
mit dem landläufigen „Versehen" der Schwangeren in Beziehung
gebracht werden. Bei grösserer Ausdehnung derselben ist meist
eine Congruenz ihrer Richtung mit dem Verlaufe der cutanen
Nerven nicht zu verkennen , indem das Maal bald , gleich dem
•Zoster, halbseitig und den Intercostalnerven , oder den Haut-
nerven der Extremitäten parallel verläuft, oder mit scharfer
Begrenzung in der Nabelhöhe, Becken und Oberschenkelgegend
gleich einer Schwimmhose umgibt (Hebra's Eall), dem Plexus
lumbalis und sacralis entsprechend — Nerven-Nävi (Th.
Simon ; Baerensprüng, N. unius lateris). Ihre Entstehung mag
.unter allen Umständen durch trophische Nerveneinflüsse bedingt
32*
F)QQ Einunddreissigste Vorlesung.
.sein. Naturgescliichtlicli sind sie der Scheckenbildung bei Thieren
analog. (Hebra).
Die Pigmentmäler involviren sich nur höchst selten nach
der Gebnrt. Die meisten vergrössern sich im Gegentheil noch
etwas und bestehen das ganze Leben hindurch unverändert,
oder zeigen nur unter Umständen (Gravidität) dunklere Pigmen-
tirung.
Die erworbenen Pigmentflecke, Chloasmata im
Allgemeinen genannt, sind idiopathischen oder sympto-
matischen Ursprungs.
Unter den idiopathischen Pigmentflecken stellen
Lentigo, Linsenflecke, und Ephelis, Sommersprossen, spon-
tane Formationen vor. Lentigines sind gleichmässig gelb- bis
schwarzbraune, Stecknadelkopf- bis über linsengrosse, scheiben-
förmige, scharfbegrenzte Flecke, welche zu einzelnen oder vielen
innerhalb des 2.-6. Lebensjahres zerstreut am Körper auf-
tauchen und bis in das hohe Alter bestehen. DieEpheliden
sind im AUgemeinen etwas kleiner als jene, blassbraun, un-
regelmässig, zackig und ungleich tingirt, sprenkelig. Ihr
häufigster Standort sind die Nase, die angrenzende Gesichts-
haiit und die Stirne, doch sind sie auf zarter und heUer Haut
(Rothhaariger) auch reichlich über das übrige Gesicht, Hals,
Brust, Linenflächen der Extremitäten, Nates und Penis gesät,
ein Umstand, der genügend beweist, dass die „Sonnensprossen"
vom Einfluss der Sonne unabhängig entstehen. Sie erscheinen
erst um das 6.-8. Lebensjahr , erblassen während des Winters,
um mit dem Frühling sich dunkler zu färben, und verschwinden
gänzlich im vorgerückten Lebensalter.
Hieran reihen sich jene Pigmentationen, welche von meist
temporärer Dauer, oft auch persistirend, nach örtHchen Ent-
zündungs-, Exsudationsprocessen, Eczem, Psoriasis, Pemphigus
und nach Hämorrhagien zurückbleiben.
Andere Pigmentflecke sind arteficiell hervorgerufen
durch örtliche Einflüsse, welche intensive und häufige Hyper-
ämisirung der Papülargefässe und als deren Folge dunklere
Pigmentirung setzen. _
Der Entstehungsursache nach unterscheiden wir die-
selben als: , , n • 1 TT
Chloasma traumaticum, durch mechanische Hypei-
ämisirung der Haut entstanden. Hieher gehört die dunkle Ver-
Pigraentliypei'trophie.
501
färbung der Haut an Stellen, welche dauernd gedrüclvt worden,
wie über der Taille von Tragbändern, Riemen, am Kreuz von
Braclierien und als besonders wicbtig die Pigmentirungen in
Folge des Kratzens. Die Letzteren geboren mit zu den
Symptomen aller juckenden Hautkrankbeiten, Scabies, Prurigo,
Eezem, Urticaria und erscheinen in Form von braunen Streifen
oder diffusen Verfärbungsflächen von gelbbrauner bis säpiabrauner
und schwarzer Tinte (Melasma). Je häufiger ein und dieselbe
Hautregion durch Kratzen hyperämisirt oder gar durch die
Fingernägel verletzt worden, so dass auch zugleich Blutfarbstoff
direct zum Austritt gebracht worden, desto mehr verbreitet
und dunkel, bis zur melanotischen Färbung, präsentirt sich die
Pigmentirung. Sie ist also intensiver bei den chronischen Uebeln,
Primgo, Pemphigus pruriginosus, als bei Urticaria, Scabies und
besonders dunlvel bei langwährender Pediculosis. Hier erscheint
oft die Haut grösstentheils, besonders über dem Kreuzbein und
Nacken, bis grauschwarz. Aber es ist kein Grund, diese Form
als Melanosis, Melasma cutis, Melanoderma, wie eine be-
sondere Krankheit hinzustellen , ebensowenig wie die Pity-
riasis nigra der Autoren, welche entsteht, wenn die dunkel
pigmentirte Haut zugleich in Folge von Eczem, oder Cachexie
der Betroffenen kleiig schilfert. Da zugleich die Localisation
solcher Kratzpigmente mit den vom Jucken und Kratzen
betroffenen Stellen übereinstimmt , bei Pediculosis vorwaltend
Nacken und Kreuzbeingegend, bei Prurigo die Streckseiten
der Unterextremitäten occupirt, bei allgemeinem Jucken auch
allgemein und zerstreut sich findet ; da ferner in der Intensitäts-
scala der Färbung auch die Reihenfolge und das relative Alter
.der Excoriationen gegeben ist, so wird es klar, dass die Kratz -
pigmentationen, richtig gedeutet, einen wesentlichen Behelf zur
objectiven Diagnostik abgeben.
Chloasma caloricum heisst die braune Verfärbung,
welche Gesicht, Nacken, Brust, Arme und Hände, alle Haut-
stellen erwerben, wenn sie der warmen Sonne und freien
bewegten Luft exponirt sind — das sogenannte „Abbrennen".
Es stellt sich oft schon nach einem mehrstündigem Marsche in
der Sonne ein, wie bei Touristen und Städtern überhaupt.
Bleichsüchtige Personen brennen weniger leicht ab, als gesunde.
Aber auch dauernde Einwirkung rauher und kalter bewegter
Luft hat denselben EfPect, weshalb dieses Chloasma bei allen
EirranddreiBsigste Vorlesung.
viel im Freien sich bewegenden Personen erscheint, bei Jägern,
Soldaten nach dem Feldzug, Matrosen, Kutschern, Maurern
u. s. w. Die Pigmente dieser und der früher genannten Ursache
verlieren sich wieder, wenn die Individuen durch einige Zeit
jenen Einflüssen fern bleiben.
Chloasmatoxicum entsteht durch Einwirkung gewisser
specifisch reizender Substanzen, Sinapismus, Cantharidenpflaster,
Cortex Mezerei (Seidelbast), deren Anwendung von den Aerzten
noch immer beliebt wird. Diese Pigmente bestehen aber zu-
weilen das ganze Leben hindurch, ein Umstand, dessen Kenntmss
den Arzt gewiss abhalten wird, ein Vesicans auf der Büste
oder im Gesichte eines Kranken zu appliciren, wenn er es
schon nicht über sich vermag, auf solche Heilmittel überhaupt
zu verzichten. • i i r,
Chloasma symptomaticum, findet sich als be-
gleitendes oder Folgesymptom mancher Erkrankungen innerer
Organe oder des Gesammtorganismus in Form von beschrankt
localisirten Flecken, oder diffus und allgemein verbreiteter
dunkler Hautfärbung. Die häufigste und bekannteste Form ist
das Chloasma uterinum, wegen der Aehnlichkeit m der
Farbe der Leber auch Chi. hepaticum (Alibert) „Leberfleck"
genannt Es occupirt zuweilen nur einzelne Stellen, ein ander-
mal die ganze Fläche der Stirne bis zur Haargrenze als gelb-
braune bis dunkelbraune, gleichmässige oder unregelmässig
streifige Färbung. Nebstdem findet es sich an den Augeiüidern,
der Nachbarschaft der Augenwinkel, auf den Wangen, der
Oberlippe, am Kinn, in Streifenform. Es ist ein häufiges Vor-
kommniss bei sterilen oder unverheirateten Frauen (Viragines)
und bei solchen, die an diversen Unregelmässigkeiten der
Sexualsphäre, Dysmenorrhoe, Deviation, Neoplasmen des Uterus,
OvarialafPectionen, Hysterie leiden, bei manchen Frauen auch
während der Gravidität. Jenseits der klimakterischen Jahre
schwindet auch das Chloasma. Mit den Vorgängen m Uterus
hängt auch die während der Gravidität auftretende dunklere
Pigmentirung im Warzenhof und in der Linea alba zusanimen.
Chloasma cachecticorum haben wir bei mit Liehen
scrophulosorum behafteten Burschen ganz in der Form des
Chi. uterinum im Gesicht localisirt gesehen. Sonst bezeichnen
wir so die allgemeine dunkle Missfärbung der Haut, welche
Z marastischen Personen nach Malaria, bei Potatores, seniler
Pigmenti! jpei'tropliie.
503
Atrophie, in der Krebscachexie sich einstellt. Als Morb.
A (1 cl i s 0 n i, Teinte broncee, hat man nach ursprünglichen Mit-
theihxngen von Addison eine besondere Krankheit aufgestellt,
bei welcher eine dnnkle, broncebranne Färbung der Haut mit
Degeneration der Nebennieren zusammenhängen soll. Grenauere
Studien (u. A. Avebbeck) haben ergeben, dass ein solcher
Connex nicht erweisbar ist und dass als Addison'sche Krankheit
imponirende Pignientirungen der Haut auf Marasmus ver-
schiedenster Quelle (Tuberculose, Malaria) zurückzuführen sind.
Hieher gehören auch die Dyschromasien bei Pellagra, Sclero-
derma, Xeroderma und Lepra. Eine als „Pigmentsyphilis" in
der jüngsten Zeit geltend gemachte Krankheitsform ist mir
nicht vorgekommen und scheint mir auch nicht haltbar.
Die Diagnose des Chloasma und der Pigmentflecke im
Allgemeinen ist nicht schwierig. Die Erscheinung der Farbe,
ihr Bestand unter dem Eingerdruck, ihr tiefer Sitz, die Unmög-
lichkeit sie durch leichtes Kratzen abzulösen und das Fehlen
von sonstiger Gewebsveränderung , wie Rötha , Schuppung,
schützen vor Verwechslung desselben mit ähnlichen Vorkomm-
nissen , z. B. des Chloasma mit den braunen Flecken der
Pityriasis versicolor. Die specielle Diagnose der Pigmentation
nach ihrer Bedeutung und Ursache, so wie deren Prognose,
ob dauernd oder vorübergehend, geht aus der Würdigung der
im Früheren geschilderten Symptomatologie hervor.
Von den eigentlichen Pigmentosen ganz verschieden sind
jene Dyschromasien der Haut, welche durch Einlagerung
von Farbstoffen in die Cutis selbst (nicht in die Epidermis)
entstehen, theils solcher, die im Körper gebildet worden, theils
von aussen eingeführter Stoffe. Es sind:
Die ikterische Färbung der Haut. Sie beruht auf
Ablagerung des Gallenfarbstoffes in alle Schichten der Cutis
und erscheint als citronengelbe bis graugelbe (Ilvterus niger),
diffuse Tingirung. Dauer, Intensität, Heilbarkeit des Zustaudes
hängen von dem Grundübel ab. Das begleitende Jucken ist
oft höchst intensiv und schwer zu bekämpfen.
Argyria, schiefergraue, bronceartige (daher auch „Teinte
broncee) , blaugrau schimmernde Verfärbung der Haut (und
Schleimhaut), welche auf Ablagerung von Silberkörnchen in die
Cutis beruht und bei Personen beobachtet worden ist, die längere
Zeit hindurch Silbersalpeter innerlich, z. B. gegen Epilepsie,
Einunddreissigste Vorlesung.
Dysenterie genommen hatten. Seit den durcli Zöllnkr ' 179;'))
veröflPentlicliten Mittli eilungen über die Krankheit ist eine be-
trächtliche Zahl solcher Fälle bekannt geworden. Einigemal
ist auch nach Aetzungen des Rachens mit Lapis, vielleicht in
Folge Verschluckens (Duguet) Argyrie aufgetreten, so wie
örtHche Silberfärbung an der Conjunctiva nach Lapisätzungen.
Es ist immerhin merkwürdig, dass bei den zahllosen Aetzungen
der Haut mittels Lapis , wie solche z. B. gegen Lupus vor-
genommen werden, noch nie Argyrie, auch nicht local, beobachtet
worden ist. Aus welcher Art chemischer Verbindung (lösliches
Silber-Albuminat?), nach deren Resorption sich die Silberkörner
niederschlagen, ist noch nicht erwiesen. Der Emfluss des
Lichtes ist sicher belanglos für die Reduction, da die Ab-
lagerung auch in die inneren Organe erfolgt. Genaue anatomische
Untersuchungen (von Fromman, Riemer, Neumann u. A.) haben
ergeben, dass die Silberkörner nicht in die Epidermis, sondern
in'^s Bindegewebe der Haut abgelagert werden , und zwar in
dichtester Anordnung in die an das Rete und die Drüsen-
auskleidungszellen stossenden Grenzschichten. Auch in den
inneren Organen beherbergt überall das Bindegewebe das aus-
geschiedene Silber (Weichselbadm). Der Zustand ist dauernd
und unheilbar, gerade so wie die Hautfärbung durch
T ä 1 0 w i r e n, das bei uns Arbeiter, Matrosen, an den Armen,
manche Südseeinsulaner, Birmanen, an ausgebreiteten Haut-
regionen und in abenteuerlichen Figuren und Linien vollführen,
wie bei dem von mir beschriebenen und in Hebra's Atlas ab-
gebildeten, über den ganzen Körper „Tätowirten von Birma".
Das Verfahren besteht darin, dass mittels einfacher Nadel,
oder einem Nadelbündel, die Haut in entsprechender Figur
blutig gestochen wird, worauf sofort färbende Substanzen,
Kohlenpulver, Schiesspulver (blau), Zinnober (roth) , yxon
Chirurgen nach Cheiloplastik angewendet) oder Pflanzenfarb-
stoffe, wie Lidigo, eingerieben werden, die in dem Cutis-
gewebe liegen bleiben und da abgekapselt werden. Analog
ist die graue Färbiuig durch eingesprengtes Schiesspulver ent-
stande^i.^ Behandlung der spontan sich rückbildenden
Pigmentationen ist unnöthig, sie wird aber öfters beansprucht
rücksichtlich der persistirenden Pigmentosen, besonders Epheliden
und Chloasma uterinum.
Pigmentliypertrophie.
5U5
Die Aufgabe der Therapie bestellt hier in der Entferninig
jener tiefsten Reteschichten, in welchen das überreiche Pigment
eingelagert ist. Olenm Sinapis, Canthariden, Mezerenm, Schwefel-
säure eignen sich aber hiezu nicht, weil nach ihrer Einwirkung
im neu sich bildenden Rete, wie erwähnt worden, sich gerade
Pigmenthyperpia sie einstellt, Wohl aber empfehlen sich Salz-
und Essigsäure , Borax , Kali , Natron (Seifen) , Jodtinctur,
Schwefelpasten und vorzüglich Sublimat. Will man rasche
Wirkung, so wird z. B. bei zahlreichen Sommersprossen
oder Chloasma uterinum des Gesichtes dieses mit genau an
einander passenden Leinwandstücken gleichmässig belegt, und
während der Kranke horizontal lagert, werden die Läppchen
mit einer Sublimatlösung (Merc. subl. corros. 0,50, Aqu. dest.
oder Alcohol. 50) betupft und derart durch 4 Stunden feucht
erhalten. Unter heftigem Brennen und Spannungsgefühl erhebt
sich die Epidermis zu einer Blase, welche am xmteren Rande
angestochen wird und dann collabirt. Unter Einpoudern fällt die
Epidermiskruste binnen 8 Tagen ab und die neugebildete Haut-
decke ist weiss, pigmentlos. Das Grleiche kann gegen Naevus
und Lentigo erfolgreich sein. Aehnlich wirken Jodtinctur
und Jodglycerin, Schwefelpasten (vid. pag. 456), in einem Cyclus
von 6 — 12 Einpinselungen oder Schmierseife, auf Flanell ge-
strichen, durch 12 — -24 Stunden aufgelegt, nach welchen Appli-
cationen die Epidermis in toto verschorft und mit dem Pigment-
gehalt sich ablöst.
Langsam schwinden die Pigmente unter Röthung und
Schülferung der Epidermis bei täglich wiederholter Waschung
mit Spirit. sapon. kalinus, Einpinselung von verdünnter Essig-
oder Salzsäure, oder anderen leicht irritirenden Substanzen,
z. B. Rp. Emuls. amygdal. 100, Tinct. Benzoes 5, Sublimat. 0,05 ;
oder Verathrin. 0,1, Aqu. Naphae 50; oder Aqu. Cosmetica
orientalis (Aqu. dest. 6 Liter, Sublimat. 35, x4.1bum ovor. Nr. 24,
Succi citri fruct. Nr. 8, Sacoh. alb. 300) 5 ad 100, Aqu. fragor. ;
oder eine Salbe, welche auf Leinwand gestrichen über Nacht
aufgelegt wird, nach der Formel: Praecipit. alb., Borac. venet.
aa. 5, Ungu. emoll. 50, Olei rosar. , Olei naphae aa. gutt. 5 ;
oder: Acid. salicyl. 2, Ungu. emoll. 40; oder: Acid. boracici,
Cerae alb. aa. 5, Paraphini 10, Olei amygd. 30. Auch Pyi'ogallus-
und Chrysarobinsalbe (pag. 387) wirken pigmentzerstörend;
doch steht ihrer Anwendbarkeit im Gesichte, deren eigene
506
Einunddreissigste Vorlesung.
FärbwirkiTiig im Wege. Ist die Haut rotli und schuppig geworden,
so werden Schminksalben und Poudre appliclrt, deren ich schon
früher gedachte und hier noch einige anfüge, mit der Bemerkung,
dass Zusammentreffen von schwefel-, blei- und quecksilber-
haltigen Mitteln vermieden werden muss. Weisses Schmink-
pulver : Rp. Bismuth. carb. basici 10, Tale, venet. pulv. 20, Baryt,
sulf. praecipit. 30, Olei rosar. gutt. duas. Flüssige Schminke:
Bismuth. carb. basici 10, Talci venet. p. 20, Aqu. rosar. 70,
Spir. Colon. 30; von welcher, eben so, wie von Eau de prin-
cesse (Hebra), der weisse Bodensatz aufgepinselt und wenn
trocken, abgewischt wird. Schminksalbe: Bismuth. chlor, praecip.
5; Baryt, sulf. praec. 10; Cerae alb. 3;-, Olei amygd. r. pr. 7.
Naevi pigmentosi können auch durch Abschaben mittels
scharfen Löffels beseitigt werden. All' die genannten Flecke,
Sommersprossen, Lentigo, kehren jedoch meist wieder; nur
Chloasma schwindet dauernd, wenn auch dessen Ursache (Sexual-
affection) beseitigt wird. Das Tätowiren der Pigmentmale hat
keinen Zweck, da ein dem Licarnat der Haut entsprechendes
Färbemittel noch nicht gefunden wurde. Sherwell gibt an,
durch Eintauchen der Tätowirungsnadeln in 25''/oige Chrom-
säure- oder öO^/oige Carbollösung Erfolg gehabt zu haben.
Bei Naevus pilosus müssen noch die Haare ausgezogen werden ;
N. verrucosus et lipamotodes können nur durch eingreifende
Aetzung oder Excision beseitigt werden.
Epidermis- und Papillar-Hypertrophie.
Man kann strenge genommen die Hypertrophie der
Epidermis nicht von jener der Papülen gesondert darstellen,
da thatsächlich beide in der Regel mit einander combinirt sind.
Der physiologische Vorgang der Regeneration des Epithels ist
zwar noch lange nicht in allen Punkten klargestellt; aber so
viel ist doch sicher, dass das Materiale zum Aufbau der neuen
Epidermiszellen und zur Ernährung des ganzen Zellenlagers
von den PapiUen, beziehungsweise von den Gefässen derselben,
geliefert wird. In pathologischen Vorkommnissen vermehrt sich
zweifellos das Epithellager aus sich selbst durch Zell- und
Kerntheüung der Stachelzellen (Fig. 29). Allein auch da
participiren die Papillen an dem Wucherungsprocess nicht nur
durch reichere Plasmazufuhr, sondern auch durch den Beitrag
Keratosen.
507
von Runclzellen und Spindelzellen (Wandei-körperchen), welche
aus den Papillen in die Schleimscliichte gelangen (Biesiadecki,
Pagexstechee), wie in Fig. 18 zu sehen. Aber es entspricht
auch regelmässig einem hypertrophischen JRete ein vergrösserter
und histologisch veränderter Papillarkörper. Unter gewissen
Verhältnissen überwiegt allerdings die Hypertrophie der Epi-
dermis in auifälliger "Weise, und zwar dann, wenn zugleich ein
vorzeitiger Verhornungsprocess sich geltend macht, wodurch das
eigentliche Epidermislager eine grosse Mächtigkeit erlangt.
Fasst man die einschlägigen, durch ein übermächtiges Epidermis-
lager auffälligen Formen, nach dem Vorgange von Lebert, als
Keratosen zusammen, so kann man füglich diese in solche
ohne und mit Papillar-Hypertrophie unterscheiden.
Keratosen ohne Papillar-Hypertrophie — reine
Keratosen.
Schwielen. Callositas, Tyloma, Tylosis, das sind um-
schriebene, flächenhafte Verdickungen der Oberhaut, von
schmutzig-weisser bis gelbbrauner Farbe, hornartigem Ansehen,
derber, trockener, zäher oder brüchiger Beschaffenheit, an
welchen die normalen Linien und Furchen der Haut weniger
kenntlich und die Tastempfindung vermindert ist.
Von der Haut abgelöst stellt die Schwiele eine durch-
scheinende, gelblich-weisse, nach unten flach-concave, oder auch
an der unteren, wie an der oberen Fläche mässig convexe, auf
dem Durchschnitte homogene Platte vor , welche in der Mitte am
mächtigsten, bis 2—5 Millimeter dick, ist und gegen den Rand
hin sich verschmächtigt. Sie besteht aus parallel zur Haut-
oberfläche übereinander geschichteten Hornzellen, deren tiefere
Lagen noch den Kern deutlich erkennen lassen.
Ausdehnung, Form und Localisation der Schwielen ent-
sprechen ihrer speciellen Ursache. Diese ist in den meisten
Fällen eine äussere — arteficielle Schwielen, mid zwar
entweder häufig wiederholter Druck gegen eine Hautstelle , die
durch einen unterlagernden Knochenvorsprung einen Gegendruck
zu erfahren hat ; oder die wiederholte Einwirkung von Lauge,
Mineralsäuren, chemisch reizenden Substanzen überhaupt.
Die Druckschwielen finden sich vorwiegend an der Fusssohle,
der Ferse, veranlasst durch derbe BeschuhxTng; weiters an
508 Einunddreissigste Vorlesung.
den Einwirkungsstellen von Bruchbändern, Miedern, Gurten
und am häufigsten in der Flachhand, als sogenannte Gewerbe-
schwielen. Sie entsprechen hier nach Ausdehnung und Locali-
sation dem hantirten Werkzeuge und kommen daher vor: bei
Tischlern, vom Hobeln, an der Daumen-Zeigefinger-Falte; bei
Schustern an der Flachhand und den Beugen der Fingergelenke,
wo sie noch durch den oft durchgezogenen „Draht" querrissig
sind ; über dem rechten Oberschenkel vom Lederklopfen ; über
den Sitzknorren vom Sitzen auf hölzernem Dreifuss ; bei Hut-
machern am Ballen des Daumens, herrührend vom Walgen;
bei Schneidern in der rechten Flachhand , vom Plätteisen, nebst
zerstochenen Schwielen an der Spitze des linken Zeigefingers;
bei Musikern, vom Druck gegen die Saiten, an den Fingerspitzen
der linken Hand. Schwielen von Lauge veranlasst finden sich
in der Vola manus bei Küchenmägden, von Mineralsäuren bei
Metallarbeitern, Vergoldern, bei Feuerarbeitern u. s. w. Es
ist also gar nicht schwer, aus der Localisation der Schwielen
die Berufsbeschäftiguug ihrer Träger zu erkennen.
Die Schwielen bieten zwar den Vortheil, dass sie die
unterliegende Haut gegen den Lasult des drückenden Gegen-
standes, Werkzeuges, schützen, aber sie setzen andererseits die
normale Tastempfindung örtlich auf ein Minimum herab, so
dass z. B. die schwieligen Finger für ferneres Tasten und
Hantiren ganz untauglich werden. Bei grösserer Ausdehnung
über die Flachhand wird überdies die Streckung der Finger
gan? unmöglich. Endlich belästigen sie hier durch schmerzhafte,
oft tief bis in's Corium reichende Einrisse. Die von Schwielen
bedeckten Hautpartien sind selber dauernd hyperämisch und
zu Entzündung disponirt, und Exantheme , Variola, Psoriasis,
Scabies machen hier intensivere Ausbrüche.
Wird die veranlassende Schädlichkeit durch längere Zeit
ferngehalten, so ver schmächtigen und verlieren sich die Schwielen
allmälig. Man kann darnach den Grad des Arbeitsfleisses von
der H^nd des Handwerkers ablesen. Oefters auch entsteht
unter der Schwiele eine wegen der Spannung der Decke höchst
schmerzhafte Entzündung und Eiterung des Coriums, durch
welche die Schwiele abgehoben wird. Es ist rathsam, unter
solchen Umständen frühzeitig einzuschneiden, um der Gefahr
von Lymphangioitis, Erysipel und tiefgreifender Gewebsnekrose
vorzubeugen.
Keratosea.
509
Auch s 0 n t a n e Entwicklung von Tylosis kann man zu-
weilen beobachten , so an der Eichel oder an der Flachhand
und über dem Rücken der Finger bei Personen, welche keinerlei
drückende Werkzeuge hantiren, bei Beamten , Damen. Solche
Sehwielen habe ich binnen wenigen Monaten entstehen , sich
ausbreiten und nach 3 — 4jährigem Bestände wieder spontan
schwinden gesehen.
Die Diagnose der Tylosis ist nicht schwer, wenn die
Schwiele durchwegs glatt erscheint, an den Rändern allmälig
gegen die Umgebung sich verKert und nach Form und Oert-
lichkeit ihre äussere Ursache deutlich verräth. Bei rissiger
Beschaffenheit und scharfer Begrenzung ist die Schwiele der
Flachhand und Fusssohle nicht so leicht zu erkennen gegen-
über von Eczem, Psoriasis, Scabies crustosa, Liehen ruber,
Ichthyosis dieser Haiitstellen und Psoriasis palmaris und plantaris
(syphilitica). Unter solchen Umständen ist es nothwendig, nicht
nur örtlich alle den genannten Processen eigenthümlichen
Charaktere zu eruiren oder auszuschliessen , sondern auch aus
dem Verhalten der übrigen Haut Behelfe herbeizuholen, an
welchen die Symptome jener Krankheitsformen gleichzeitig und
in deutlicherer Weise sich vorfinden.
Hühnerauge, Clavus, Leichdorn, ist eine der Schwiele
analoge Hornhautverdickung, welche jedoch nicht platt auf
dem Rete aufliegt, sondern mittels eines central stehenden,
conischen Zapfens ihrer unteren Fläche in die Haut eingekeilt
erscheint. Das Hühnerauge sammt seinem Zapfen besteht durch-
wegs aus übereinander geschichteten Hornzellen, zwischen denen
sich öfters Reste von Hämorrhagien vorfinden.
Zumeist durch Druck von Seite der Beschuhung entstanden,
trifFt man die Hühneraugen über den Kjiöcheln und Seiten-
flächen der Zehen und anderen Vorsprüngen der Fussknochen.
Bei Pression von aussen wird der Conus des Hühnerauges gegen
die Haut gepresst, was bekanntlich heftigen Schmerz ver-
ursacht. Unter dem andrängenden Zapfen wird mit der Zeit
die unterliegende Cutis sammt Papillen atrophisch, ja kömien
die Maschen des Coriums auseinandergedrängt, von dem Hühner-
auge durchbrochen werden, während die angrenzende Haut
sammt Papillen entzündlich infiltrirt und hypertrophisirt er-
scheint (Rokitansky),
r^iQ Einunddreissigste Vorlesung.
In spontaner Weise entwickeln sich manclimal auf der
FJaehhand und Fusssohle einzelne, ja, wie wir einigemal gesehen,
zahlreiche Hühneraugen , so dass ihre Oberflächengrenzen an-
einanderstossend eine gleichmässig ausgebreitete Schwiele
foriniren. Das Gehen und Hantiren wird da höchlichst behindert,
stechende, brennende Schmerzen strahlen von den Füssen bis
über die Kniee nach aufwärts und führen oft zur irrthümlichen
Diagnose G-icht, während eine genaue Besichtigung die Gegen-
wart der Hühneraugen darthut.
Die Therapie der Schwielen und Leichdorne besteht in
deren Erweichimg und Auslösung. Ersteres wird angestrebt
durch warme Bäder, örtliche Fomentation, durch Kataplasmen,
Einhüllung mittels impermeabler Stoffe, Kautschukleinwand,
Traumaticin ^Kautschuk in Cliloroform gelöst), Umschläge von
Sapo viridis, Aetzen mittels Kalüösung (1:2), Essigsäure,
Citronensäure , Emplastrum domesticum (lithargyri adustum),
Empl. hydrargyri. Die Auslösung wird mittels Messers und
Scheere vorgenommen, wonach etwa blutende Gefässe hyper-
trophischer Papillen auch geätzt werden können. Schutzringe
aus Leder, Kautschuk, Watte haben nur einen prophylaktischen
Werth. . ^ - ,
Hauthorn, C o r n u c u t a n e u m, stellt einen Auswuchs der
Haut vor, welcher nach Form, Farbe und Consistenz die grösste
Aehnlichkeit mit einem Thierhorn darbietet. Solcher Gebilde
hat man von mannigfacher Form und Grösse beobachtet : stiel-
rund, conisch zugespitzt, mit einem breiten Kopf versehen,
seitlich zusammengepresst, längs- und quergerilft, schart kantig,
von wenige Millimeter bis 25 Ctm. lang, hakenförmig oder
widderhornartig gekrümmt. Sie sitzen mit einer verbreiterten
Basis auf der Hautfläche, oder in eine scharfumrandete Grube
der Haut eingebettet und kommen vereinzelt oder zu mehreren,
manchmal sogar in zahlreichen Exemplaren , wie m Baetge s
Fall an einem Individuum vor, an der Kopfhaut, dem Augen-
lide ' den Ohrmuscheln, auf der Nasenspitze, der Lippe, aiif der
Eichel (Hebra, Pick), auf Stamm und Extremitäten, Beuge-
und Streckseiten. Sie entwickeln sich manchmal binnen sehr
kurzer Zeit und bestehen viele Jahre hindurch, fallen gelegentlich
ab und erneuern sich an Ort und Stelle wieder. Hie und da
.eht aus dem Hauthorn ein Epithelialkrebs hervor. Aeltere
Untersucher (G. Simon) haben an dem Hauthorn Ruiden- und
Keratosen.
511
Marksubstanz und ein besonderes rühriges, von Grefassen
gebildetes Gefüge (Vxrchow) finden wollen. Thatsächlich ist,
dass von der Cutis aus eine Gruppe hypertrophischer Papillen
mit erweiterten Gefässen bald massig, bald sehr hoch in die
Masse des Hauthorns hineinragt, diese selbst aber aus mit ein-
ander der Länge nach verkitteten Epidermissäulen besteht, welche
je über den einzelnen Papillengruppen sich aufgebaut haben.
Darnach ist aiach die Ansicht auf Querschnitten verschieden, je
nachdem weiter unten die Papillen mit getroffen worden, oder,
weiter oben, solche fehlen (Heschl's Tall). Die einzelnen Säulchen
zeigen oft eine concentrische, den Cancroidkörperchen ähnliche
Anordnung der Epidermiszellen oder, durch Vertrocknung der
Elemente, celluläres Gefüge. Hebt man das Horn ab , so zeigt
dessen Basis oft Vertiefungen, in welche die hypertrophischen
Papillengruppen eingepasst waren. Es ist sicher, dass das
Hauthorn sich über präexistenten hyperplastischen Papillen
entwickelt, wie in Pick's Eall über Condylomen. Auch wenn
das Hauthorn in einer Grube sitzt , wie in einem erweiterten
Eollikel, oder gar nachweisbar in einer Atherom-Höhle, bilden
dessen Basis papilläre Auswüchse (RraDFLEiscH), obgleich alls-
dann auch die Epidermidalauskleidungen der Drüsen und Haar-
taschen mit zur Epidermisaufthürmung beitragen. So habe ich
auf der Bauchwand bei einem jtingen Manne solche Auswüchse
in grosser Menge gesehen und entfernt, die binnen wenigen
Wochen aus einem Atherom entstanden waren.
Die Hauthörner sind also wesentlich cumulirte oder
agglutinirte Warzen und nicht ihre Entstehung, nur ihr Ansehen
hat etwas Abenteuerliches. Lebert, Hessberg, Bergh, Wilson,
LozES haben den Gegenstand ausführlich abgehandelt.
Das Cornu cutaneum wird durch einfaches Abheben, und
Aetzen der paj)illären Basis beseitigt. Bei Gegenwart einer
Atheromwandung muss auch diese ausgeätzt , herausgeschält
oder einfach herausgequetscht werden.
Die Hauthörner bilden den deutlichen üebergang zu den
Warzen oder
Keratosen mit Papillar-Hypertrophie.
Warze, Verruca, heisst jeder der vulgären Bedeutung des
Wortes entsprechender, rundlich höckeriger, drusiger Auswuchs
,-,12 Einunddreissigste Vorlesung.
der Haut. Viele "Warzen sind angeboren — V. congenita —
erscheinen aber meist erst im Verlaufe der späteren Lebensmonate.
Eine solche ist gewöhnlicli zugleich dunkel pigmentirt und mit
Haaren besetzt, also ein Naevus verrucosus et pigmentosus,
von verschiedenster Grestalt, Grösse, Localisation, oft nach dem
Schema des Nervenverlaufes — Papilloma neuroticum — und
bestehen entweder das ganze Leben hindurch, oder verschwinden
auch allmälig. Die meisten Warzen bilden sich erst im Ver-
laufe der späteren Jahre — V. acquisita — und sind entweder
dauernd — V. perstans — oder hinfällig — V. caduca. Die
häufigste Form ist die der gemeinen Warzen, V. vulgares,
welche Stecknadelkopf- bis erbsengrosse, flach-erhabene (V. plana)
oder halbkugelige, derbe, wenig empfindliche, gelblich-weisse
Hervorragungen der Haut, mit glatter (V. glabra), drusiger,
(Acrothymion) , zerklüfteter oder büschelförmiger Oberfläche
darstellen. Sie tauchen in langsamer oder rascher, subacuter
Weise, zu einzelnen, oft sehr vielen auf den Händen, Füssen,
am Ohr, im Gesichte, am behaarten Kopfe meist jugendlicher
Personen auf, bestehen monate- und jahrelang und verschwinden
wieder spontan. Einzelne persistiren jahrelang oder zeitlebens.
Ihre Entstehungsursache ist unbekannt. Der volksthümliche
Glaiibe an ihre Ansteckungsfähigkeit ist ganz unbegründet.
Verruca senilis erscl^eint als linsen- bis kreuzergrosse
flache, feindrusige, schmutzig-braune Auflagerung am Stamme,
im Gesichte, an den Armen alter Personen. Dieselbe kann
leicht mit dem Nagel weggekratzt werden iind hinterlässt einen
blutenden, mässig hypertrophischen Papillarkörper. _
Spitze Warzen, Condylomata acuminata, Feig-
warzen, sind fadenförmige, zerklüftete, oder brombeerartig-
drusige, gehäufte Auswüchse, welche auf sonst normaler, nicht
infiltrirter Haut aufsitzen, und der specifischen Reizung der
letzteren durch das Trippersecret ihre Entstehung verdanken.
Sie sind weich, succulent, lebhaft roth und nässend, bei ihrem
Sitze auf Schleimhautpartien und da , wo ihre. Oberfläche der
Maceration unterliegt, wie am Scheideneingang, auf dem
inneren Vorhautblatt; oder trocken, hart, wenn die sie be-
deckende Epidermis zu verhornen Gelegenheit liat. In üppigster
Wucherung besetzen sie oft dicht gedrängt die Kranzfurche,
Eichel und Vorhaut, bei Weibern den Scheideneingang, die
äusseren Genitalflächen, die Mucosa vaginae et portionis vagi-
Keratosen. 518
nalis, Perinaeiim \md die Sclileimliaut des Rectum bis zum
inneren Spliincter.
Obgleicli die spitzen Condylome zweifellos durcli Reizung
der Haut und Sclileimliaut mittels blennorrbagisclien Secretes
entstehen und durcli Contact nacbbarlicbe Hautstellen zu gleiclier
Fig. 29.
Senkrechter Durclisclinitt eines Zapfens von Cond, acuminatuni.
« Papille mit Gefässschlinge, c Hornsohiolite der Epidermis, d Retescliiolite
mit vielea proliferirenden, zweikernigen Stachelzelleu, und in der Höhe b mit
Kundzellen untermengt, die von der Zelleninfiltration der Papille stammen
mögen (Wanderzellen). Starke Vergrösserung.
K apo si , Hautkrankheiten. 33
FjI^ Einunddreissigste Vorlesung.
Wucherung veranlassen, ist docli ihre directe (d. h. von
Blennorrhoe losgelöste) Uebertragbarkeit auf andere Personen
bisher nicht gelungen , da Kranz's Experimente der directen
Contagion kaum gelungen sind und Zeissl's Angabe von An-
steckung per Coitum wohl die gleichzeitige Uebertragung der
Blennorrhoe nicht ausschliesst.
Die anatomischen Verhältnisse bei all' diesen Formen
der Warzen sind wesentlich dieselben: einfach oder verästigt
ausgewachsene Gefässschlingen, welche die entsprechend ver-
grösserten und geformten Papillen grösstentheils ausfiÜlen und,
auf den letzteren aufsitzend, ein mächtig entwickeltes und
proliferirendes Rete mucosum (Fig. 29). Ueber diesem thurmt
sich noch bei den trockenen Warzen eine starke Hornzellen-
decke auf. In den Papülen und im angrenzenden Corium ist
eine der Lebhaftigkeit der Vegetation entsprechende, also bei
spitzen Condylomen ziemlich beträchtliche Zelleninfiltration zu
finden welche hier bei langer Dauer auch zu Bildung von
sclerot'ischem Gewebe führt. Daher erscheint die Basis alter
Condylome meist als narbig-derbes Bindegewebe.
Anders sind die als V. filiformes, pendulae zu
bezeichnenden Warzen constituirt, welche als fadenförmige oder
gestielt-kolbige, weiche, glatte, mit normaler Epidermisdecke
versehene Anhängsel an der zarten Haut des Halses, des
Augenlides, der weiblichen Brust, oft in vielen Exemplaren
erscheinen und persistiren. Diese V. mollusciformes be-
stehen aus einem von der Tiefe die Haut vor sich herUiehtenden
Bindegewebsauswuchse, welcher im Stiel ein Gefass fuhrt. Der-
selbe stellt demnach ein kleines Fibroma molluscum vor.
AVelche Bedeutung das Molluscum verrucosum
(s. contagiosum, Condyloma subcutaneum etc.) habe, ist schon
früher (pag. 165) auseinandergesetzt worden.
Die Warzen sind operativ zu entfernen, durch Auslöffeln,
Abtragen mittels Scheere , Abbinden, Aetzen mittels Ferr.
sesquiclüoretum, rauchender Salpetersäure, Essigsäure , bolut.
Plenckii (ßp. Suhl, corros.; Aluminis; Cerussae: Camphorae;
Spirit villi; Aceti viiii aa. 5,00). Die spitzen Warzen der
Schleimhaut können auch durch Plumb. acet. basicum, Pulv.
frond. Sabinae, Alum. ustum zum Schrumpfen gebracht werden.
Zweiunddreissigste Vorlesung.
Eine diireli ihren speciellen Symptomencomplex eigen-
tliümliclie Stellung unter den Keratosen nimmt die als
Ichthyosis, Fischschuppenkrankheit,
bekannte Krankheitsform ein.
Iclitkyosis charakterisirt sich als eine in
frühester Kindheit sich entwickelnde und meist
das ganze Leben hindurch bestehende Affection,
bei welcher die Haut rauh und im Allgemeinen
trocken, und mit dünnen Schüppchen und Blättchen,
oder dicken Platten von Epidermis, oder hornigen
Warzen besetzt erscheint.
Der niedrige Grad der Krankheit — Ichthyosis
s i m p 1 e X — zeigt ein typisches Grepräge und verschiedene
Intensitätsabstufungen. Jenes bezieht sich vor Allem auf die
eigenthümliche Localisation, welche mit der bei Prurigo hervor-
gehobenen vollständig übereinstimmt, indem vorwiegend die
Streckseiten der Extremitäten von der Krankheit befallen
sind, u. zw. mit vom Oberarme zum Unterschenkel sich
steigernder Intensität , während die Haut der Kniekehle , des
Schenkelbuges, der Ellenbeuge vind Achselhöhle vollkommen
normal beschaffen, geschmeidig und transpirirend sich erweist.
Bei der leichtesten Form sind die Streckseiten der Ober-
arme und des Oberschenkels von stecknadelkopfgrossen, blass-
rothen Knötchen besetzt, welche in der Mitte ein Schuppen-
hübelchen tragen, nach dessen "Wegkratzen ein zusammengerolltes
.33*
j^^^j Zweiunddreissigste Vorlesung.
Härchen zum Vorscliein kommt. Diese Knötchen verleihen der
Haut ein raiih-holperiges Anfälüen und Ansehen und stellen die
als L i c h e n p i 1 a r i s bekannte AfFection vor. Ein Geringes von
diesem findet sich an der Aussenseite des Oberarmes und Ober-
schenkels zwar bei jedem Menschen, namentlich zur Pubertäts-
zeit, wenn die Lanugohaare etwas energischer zu spriessen
beginnen. Bei Ichthyosis besteht aber L. pilaris von Kindheit
ab constant und occupirt derselbe oft nebst den Extremitäten
auch den ganzen Stamm, so dass das Bild einer stabilen Cutis
anserina zugegen ist. Was T. Eox nach einem beobachteten
Falle als „Cacotrophia foUiculorum" bezeichnet und abgebüdet
hat, scheint mit dem übereinzustimmen.
Häufiger ist jene Form, bei welcher die Hautoberfiäche
der Extremitäten durch linsen- bis pfenniggrosse, schmutzig-
weisse bis graiüiche, polygonale Epidermisblättchen bedeckt
ist welche in der Mitte festsitzen, oder deUig vertieft
(I 'scutelata, Schönlein), an den Rändern aufgehoben und
glimmerartig durchscheinend sind und neben scharfer Ausprä-
gung der Linien und Furchen der Haut dieser ein markant ge-
feldertes Ansehen verleihen - L nacree (Alibekt), nitida.
Eine weitere Steigerung des Processes stellt die J^orm
derl serpentinavor, bei welcher die genannten Hautflachen
und auch die des Unterleibes und Rückens graugrün, schmutzig,
wie seit lange ungebadet, mit dickeren Epidermisschuppen
besetzt erscheinen, während über _ den Knieen und EUbogen
trockene, warzige Erhabenheiten sitzen.
^n all' den SteUen ist die Haut rauh, trocken, nicht
transpirirend; das Darüberfahren mit der Flachhand ver-
ursacht ein rauhes Geräusch; unter dem kratzenden Fingeriiagel
blättert sich weisser Epidermisstaub ab. Aber eme aufiallige
Desciuamation, etwa wie bei Psoriasis, ist bei Ichthyosis nicht
zu temerk^n.^^^ ^^^^^^ ^^^^^^^^.^^^
faUs fleckenweise schmutziggrau, trocken und «^M^P^S'J^^^
behaarte Kopf kleiig (Pityriasis), mit dünnen , spröden Haaxen
besetzt Die Nägel sind öfters stichelig und bruchig.
Flachhand und Fusssohle sind in der Regel verschont,
doch gibt es Fälle , in welchen diese eb^ifalls o^^-^^^^
.lieh von schwieliger Epidermis und hornigen E-ci^—
das ganze Leben Mndurch besetzt sind - L localis. Ebenso
Ichtliyosis.
517
pflegen dieselben beim höchsten Grade der Kranklieit mit be-
fallen zu sein.
Dieser höchste Grad des Hebels wird als Ichthy o sis
hystrix s. Hystricismns bezeichnet.
Bei demselben finden sich neben den Erscheinungen der
I. Simplex auch dicke , diffuse und plattenförmige , nagelkopf-
ähnliche Schwielen an der Flachhand und Fusssohle, ausserdem
aber, als charakteristisch, hornige Warzen in grosser Menge
und dichter Anordnung, oft in dem Nervenverlaufe entspre-
chender Richtung, so dass man sehr geneigt sein könnte, das
Ganze als ein viele Körperstellen betreffendes neiTTotisehes
Papillom anzusehen, umsomehr als auch Pigmentosen den
Zustand begleiten. An einem Kranken haben wir den Körper
von der Stirne zur Symphyse, vom Scheitel bis zum Steissbein,
durch eine vordere und hintere braune Pigmentlinie median
abgetheilt und solche Streifen längs der Nn. cutanei der Ex-
tremitäten ziehen gesehen, alle seitlich von papillären, bis
1 Ctm. hohen Warzen begleitet. In dem Falle von Hebea"s
Atlas laufen die Warzen gleich einem Zoster in der Richtung
der Intercostalnerven.
Der Verlauf der Ichthyosis bietet sehr wenig Ab-
wechslung in den Symptomen. Bei I. hystrix können zufällig,
oder unter örtlichen Exsudationsvorgängen, die mächtigen
Epidermisschuppen abfallen; ja es wird berichtet, dass durch
allgemeine Abschälung eine Art „Mauserung" stattfindet:
allein die Schuppen restituiren sich wieder. Li einem Falle
hat Hebra nach schwerer Variola eine solche Decrustation
und dauernde Heilung gesehen. Bei den Formen der I. simplex
bekommt man zwar ebenfalls den Eindruck eines höchst trägen
Stoffwechsels , allein es ändert sich doch zeitweilig das
Krankheitsbild durch das Auftreten von Eczem an den
ichthyotischen , wie auch an den sonst gesunden Hautstellen,
zu dessen Entstehung das Kratzen Veranlassung gibt, da
I. simplex stets von ziemlich belästigendem Jucken be-
gleitet ist.
Durch anatomische und chemische Untersuchungen
der ichthyotischen Haut und ihrer Secretions- (Epidermis-)
Producte haben viele Forscher das Räthsel dieser Krankheit
zu lösen versucht, doch bisher ohne Erfolg. Obgleich Hyper-
trophie der Epidermis und Papillen frühzeitig (Rokitaksky,
f^j^g Zweiunddreissigste Vorlesung.
Baerensprung , Gr. Simon) constatirt wurde, so hat man doch
auch eine verzögerte Ahstossiing der verhornten Zellen zugleich
für die Bildung der mächtigen Ichthyosiskrusten verantwortlich
gemacht, und deren Ursache in einer festeren Verklebung der
Epidermiszellen durch ein alterirtes Drüsensecret (Büchner),
oder durch fettige Degeneration (Schabel) oder aparte chemische
Bestandtheile (Schlossberger , Franz Simon, Marchand) der
Epidermis sehen wollen.
Die Verhältnisse bei I. hystrix sind nicht andere als bei
alten Warzen : enorm verlängerte PapiUen , über welchen die
Hornschichte zu mächtigen Kegeln emporgethürmt ist. Die
eigenthümliche, zwiebelschalenartige Fügung der letzteren, die
verschiedene Färbimg einzelner Schichten, die Bildung von
Schrumpf ungsräumen innerhalb derselben, das Alles ist ledig-
lich Folge des langen Liegenbleibens jener Epidermismassen.
Fig. 30.
Iclithyosis.
519
Erweiterte Gefässe und massige Zelleninfiltration in den Papillen
und im Corium, nebst Sclerosirung des Bindegewebes ergänzen
das anatomische Bild (Fig. 30), während die Drüsen und Haar-
follrkel streckenweise normal sind, an anderen Stellen eine
Fortsetzung des excessiven Verhornungsprocesses auf die Haar-
wurzelsclieiden aufweisen. Bei I. nitida und serpentina wird zwar
auch Aehnliches angegeben. Ich habe aber an Hautstücken vom
Unterschenkel solcher, durch dünne Schuppenblättehen charak-
terisirter Ichthyosis weder Hypertrophie der Papillen, noch der
Epidermis nachweisen können, wohl aber an Stellen, die, z. B.
über dem Knie, mächtigere Schuppen tragen, oder gar warzig
erscheinen. Daneben ist überall ärmliche Entwicldung des
Panniculus adiposus zu constatiren. Was mir aber sowohl bei
I. Simplex als bei I. hystrix aufiFäUig schien, das ist der plötz-
liche Uebergang der ßetezellen in die Hornschichte und ein
Uebermass von Eättsubstanz zwischen jenen. Dadurch scheint
mir einerseits die relative Schmächtigkeit der Schleimschichte
gegenüber der mächtigeren Hornschichte, und andererseits
das lange Verharren der Hornzellen in loco bedingt zu sein.
Dieses Verhältniss springt noch mehr in's Auge bei I. hystrix.
Denn während bei anderen PapiUar-Keratosen einer mächtigen
Hornschichte ein noch mächtigeres und lebhaft proliferirendes
Rete entspricht, wie (in Eig. 29) bei spitzen Warzen, sieht man
bei I. hystrix (Eig. 30) ein colossales Hornlager über einem
schmächtigen, saftarmen, träge vegetirenden , fast atrophi-
schen Rete.
Die Ursache der Ichthyosis scheint also in einer ört-
lichen Vegetations- Anomalie der Cutis, besonders der Epidermis-
und Fettsubstanz zu liegen. Dieselbe ist angeboren und
hereditär. Doch kommen die Erscheinungen der Ichthyosis
erst im Verlatife des zweiten Lebensjahres zur Entwicklung,
niemals findet man dieselben schon an dem Neugebornen.
Was als I. congenita früher beschrieben wurde, bezieht
sich auf eine diu^ch seborrhoische Massen gebildete Incrustation
(Cutis testacea) mancher Neugeborener, ist ein heilbarer und
vorübergehender Zustand und heisst besser I. sebacea (s.
pag. 149).
Die Heredität der Ichthyosis ist m vielen Fällen
erweisbar. Entweder bekommen alle Kinder eines ichthyotischen
Elterntheiles die Krankheit, oder nur einzelne , manchmal im
520
Zweiunddi'oissigste Vorlesung.
correspondirenden, oder im gegentheiligen Gesdilechte. So
kannten wir eine ichtliyotisclie Mutter, deren fünf Söhne alle-
sammt das TJebel zeigten, während die drei Töchter ichthyosis-
frei waren. Manchmal tiberspringt auch die Krankheit eine
Greneration, um in der nächsten, oder einer Seitendescendenz
aufzutauchen. Zuweilen ist allerdings die Ererbung nicht nach-
weisbar. Eine gewisse Berühmtheit hat die Familie Lambert
(Vater und zwei Söhne) erlangt, welche, mit I. hystrix behaftet,
im vorigen Jahrhunderte viele Jahre hindurch als „ Krusten
oder „Stachelschweinmenschen" (porcupinemen) eine öffentliche
Sehenswürdigkeit abgaben und von Ludavig und Tilesius be-
schrieben und abgebildet worden sind.
Greschlecht, Stand, Lebensweise, Ungunst der physischen
Pflege im frühesten Kindesalter und andere allgemeine Momente
scheinen keinen ätiologischen Grrund für I. abzugeben.
Man hat neben der hier besprochenen idiopathischen
auch eine consecutive Ichthyosis angenommen, als Bezeich-
nung fürEpidermidal- und Papillarhypertropliie undPachydermie,
welche in Folge von chronischen Hautentzündungen, Neoplasien,
namentlich an den Unterschenkeln auftreten, und Esoff hat
sogar die anatomische Untersuchung einer derart afficirten
Hautpartie ohneweiters auf Ichthyosis bezogen. Ich glaube,
dass man besser thut diese Formen zur Elephantiasis Arabum
zu rechnen und den Begriff der Ichthyosis in dem besprochenen
Sinne, als einer angeborenen und idiopathischen, tj^'pisch locali-
sirten und beständigen Affection festzuhalten.
Leichtere Grade von I. simplex können bei sorgfältiger
und jahrelang fortgesetzter Hautpflege gemildert oder beseitigt
werden. Bei intensiverer Erkrankung werden complicirendes
Eczem und zeitweilige Steigerung der Trockenheit und Schülfe-
rung der Haut immer erneuerte Hilfeleistung nothwendig machen.
I. hystrix ist selbstverständlich unheilbar und die Prognose
also bei I. im Allgemeinen nicht günstig. Auch der Umstand
der möglichen Vererbung dürfte, namentlich als facultatives
Ehehinderniss, gelegentlich hervorgehoben werden müssen.
Zur Behandlung der I. eignen sich alle jene Mittel
und Verfahrungsweisen , welche eine rasche Erweichung und
Abstossung der Epidermisschuppen iind Schwielen bewirken
und in der allgemeinen Therapie, sowie zur Behandlung von
Psoriasis, Prurigo, Eczema scpamosum und Tj-losis empfohlen
Hypertrophie der Haare.
521
worden sind : cyclisclie Innnctionen mittels Schmierseife,
AVii-KiNSOx'scher Salbe, Lebertliran nnd anderen Fetten, ferners
Bäder, Seifenwaschungen, Ivautschuk-EinMillungen. Ist durch
derartige Verfahren die ichthyotische Haut glatt und geschmeidig
geworden, so strebt man du.rch fleissiges Baden und Einschmieren
von blanden Fetten, Vaseline, Axungia, Coldcream, Glycerin,
Una-u. Grlvcerini etc. die Haiit in solchem Zustande zu erhalten.
Medicamentöse Zuthaten wie Crotonöl (5 ad 200, nach Wilson),
Citronensäure und manches andere Empfohlene haben keine
specifische Wirkung, ebenso wie alle bisher versuchten inneren
Medicationen, Arsen, Aqua picea, sich fruchtlos erwiesen haben.
Mächtigere ichthyotische Schwielen können noch besonders
durch Application von Schmierseifen - Umschlägen , Aetzung
mittels concentrirter Kalilösung (1 : 2), Essigsäure, Auflegen von
Empl. hydrargyri erweicht, oder mittels Schablöffels abgetragen
werden, während papillomatöse Auswüchse nach den bei den
Papillomen überhaupt besprochenen Methoden beseitigt werden
müssen. Selbstverständlich wird man bei I. hystrix nur rück-
sichtKch besonders aiiffäUig situirter Excrescenzen einen Eingriff
vornehmen, da eine Beseitigung aller hypertrophisclien Grebilde
ja praktisch unausführbar ist.
Zur Grruppe der Keratosen ist ergänzungsweise noch an-
zufügen die Hypertrophie der Haare luid Nägel.
Hypertrophie der Haare.
Hypertrichosis, Hirsiities, Polytrichie, Trichauxis,
erscheint als ein mit Rücksicht auf das individiTclle Alter ruid
Geschlecht, sowie auf die besondere Localisation abnorm
gesteigerter Haarwuchs. Selbstverständlich handelt es
sich hier nicht um Neuentwickelung von Haaren, sondern nur
um übermässiges Wachsthum der bereits vorhandenen und
physiologisch vorgebildeten Haare.
Uebermässige Behaarung ist entweder angeboren, oder
entwickelt sich erst im Verlaufe des extrauterinen Lebens
— Hirsuties adnata et acquisita. Viele Kinder bringen
ungewöhnlich lange Kopf- oder Körperhaare (Lanugo) zur Welt,
die aber später ausfallen, selten aber auch persistiren. Eine
Monstrosität stellt die Hirsuties universalis (Dasytes) vor,
wobei Gesicht und Körper mit mehrere Centimeter langen,
weichen, blonden bis braunen Lanugohaaren bedeckt ist. Wir
522
Zweiunddreissigste Vorlesung.
haben niclit nötliig auf alte Erzählungen und Mythen über das
„Versehen" zxxrückzngreifen, um uns solche Fälle zu vergegen-
wärtigen. Im Jahre 1873 hat sich ein solches Paar, Vater
und Sohn aus ßussland , öffentlich producirt, und im hiesigen
klinischen Hörsaal hängen die lebensgrossen Porträts von Vater,
Sohn und Tochter (Bürgermeisterfamilie aus Nürnberg, aus dem
15. Jahrhundert), die mit H. universalis behaftet waren.
H. acquisita ist meist auf kleinere Hautflächen be-
schränkt. Hieher gehört der Haarwuchs auf Pigmentmälern
(Naevi pilosi),die seltene Monstrosität des vollen männlichen Bart-
wuchses bei Frauen, und die häufigere Anomalie des Spriessens
von dicken, bürstenartigen Haaren auf der Oberlippe und am
Kinn von weiblichen Personen, seltener bei jiagendlichen
und sexuell normal functionirenden , häufiger bei sterüen oder
jenseits des Klimax stehenden. Doch hat z. B. die Frau mit dem
prächtigen Vollbarte, welche Duheing abgebildet hat, mehrere
Kinder geboren.
Endlich wäre noch eine übermässige Entwicklung der
Kopf- und Barthaare überhaupt hierher zu zählen. Ich habe
eine mittelgrosse junge Dame gekannt, deren hellblondes üppiges
Kopfhaar bis aiif den Boden herabwaUte und besitze das Porträt
eines Bergmannes, dessen Bart 4' lang bis zur Erde hing
und von dessen Besitzer zusammengefaltet imd m den Brust-
latz gesteckt getragen wurde.
Anatomisch unterscheiden sich die als übermässig dicht,
massig, lang erscheinenden Haare der Hypertrichosis nicht
von normalen Haaren.
Für manche Formen der Hypertrichosis kann eine plausible
Ursache angenommen werden, so für die Hirsuties universalis
adnata Heredität, wie die obigen Beispiele zeigen; für die
H. faciei bei Frauen manchmal sexuelle Functionsstörungen,
obgleich in anderen Fällen solche sicher fehlten. Durch örtlich
gesteigerte oder alterirte Ernährung kann das übermässige
Spriessen der Haare erklärt werden, welches an durch Can-
thariden, Ungu. cinereum, irritirten Hautstellen, oder auf ge-
lähmten Extremitäten zuweilen beobachtet worden ist.
Die Behandlung der entstellenden HjTiertrichosis wird
in der Regel nur bei gewissen Formen derselben verlangt.
Hirsuties adnata universalis ist einer Therapie kaum zugänglich.
Auch fallen ja in den meisten Fällen die Haare bald aus, lun
Hypertrophie der Haare.
Ö23
normallangem Lanugo Platz zu maclien , nnd perslstirt jenei'
Zustand nur liöclist ausnahmsweise. Am häufigsten wird die
Hilfeleistung in Anspruch genommen gegen die dicken, borstigen
Haare von frei situirten Warzen und Pigmentmälern und den
abnormen Bartwuchs bei weiblichen Individuen.
Die ersteren werden am besten zugleich mit der Eadical-
exstirpartion der Naevi entfernt. "Wofern aber diese belassen
werden und es sich blos um Beseitigung des entstellenden Haar-
wuchses hier, oder auf sonst normaler Haut des Glesichtes, der
Hände etc. handelt, muss man nach Umständen verschiedene
Methoden einschlagen. Das Palliativverfahren des fleissigen
Rasirens mit dem Messer erfüllt den Zweck unvollständig , da
die aus den Follikelwandungen lugenden Haarstiimpfe ein weib-
liches Antlitz fast eben so entstellen würden, wie die langen
Haare. Besser ist das Ausätzen der Haare mittels einer Paste,
welche bei den Orientalen und den orthodoxen Juden zur
periodischen Entfernung des Bartnachwuchses in habitueller Ver-
wendung steht. Operment (Schwefelarsen, Aiu-ipigment) und
II n gelöschter Kalk werden mit Wasser zu einem Brei ver-
rührt und aufgekocht; dieser wird sodann mittels Spatels auf
die behaarte Hantstelle aufgetragen , etwa zehn Minuten , bis
zum Eintrocknen, liegen gelassen und dann rasch mittels stumpfen
Messers weggeschabt. Die Haut wird dann mit lauwarmem
Wasser abgewaschen, mit weissen Schminken beschmiert und
eingepudert. Schwefelcalcinmpaste, welche durch Ein-
leiten von Hyrothiongas in Kalkhydrat gewonnen wird, wirkt
noch rascher.
Da diese Pasten bis in den Follikel hinein den Haarschaft
ausätzen , so sieht die so behandelte Haut glatt aus \mi
erscheint der Nachwuchs erst nach 2 — 3 Wochen, nach welchem
Intervall die Application wiederholt wird. Bei geringer Zahl
der Haare ist die Epilation wohl am räthlichsten, die selbst-
verständlich ebenfalls periodisch wiederholt werden muss. Als
radicale Curmethode ist das Einstechen von durch
Feuer oder galvanisch glühend gemachten, oder in ätzende
Flüssigkeiten, Carbolsäure, Chromsäure, getauchten Nadeln in
die einzelnen Haarfollikel empfohlen worden. Es ist klar, dass
das Vordringen bis zur Haarpapille, mit deren Zerstörung ja
allein der Effect erzielt wäre, bei der schiefen und gar nicht
berechenbaren Richtung der einzelnen Follikel höchst proble-
524
Zweinntldreissigsto Vorlesung.
matiscli ist tind diese Methoden auch ausserdem kaum empfelilens-
werth sind, da sie Narben setzen. Auch Acuinmctur in Verbin-
dung mit massig starkem constantem Strom, der durch Elektrolyse
wirken sollte, ist angerathen worden. Von all' diesen Methoden
hat BuLKLEY das einfache Einstechen einer dreikantigen Nadel
behalten und empfohlen, welche, indem das betreffende Haar
mittels Pincette angezogen und so der Follikel angespannt
wird, in diesen eingestochen und einigemal um ihre Axe rotirt
werden soll. Bei Eleiss und Aufmerksamkeit ist ein theil-
weiser Erfolg vielleicht davon zu erwarten.
Vor Abschluss dieses, der Hypertrophie der Haare ge-
widmeten Capitels dürfte es nicht unzweckmässig sein, noch
des als „Weichselzopf", „Plica polonica", in der Literatur
bekannten Zustandes zu gedenken. Sachlich bedeutet derselbe
eine V e r f i 1 z u n g d e r H a a r e, welche zumeist die des Kopfes,
seltener des Bartes oder der Schamgegend betrifft. Man hat
aber lange Zeit hindurch der Plica auch eine nosologische
Bedeutung zugeschrieben, namentlich rücksichtlich der Gre-
genden, wo dieselbe, wie in Polen und Russland, in zahlreichen
Fällen, im Posen'schen z. B. noch im Jahre 1842 über 5000,
also quasi „endemisch" sich vorfand! Da man gesehen, dass
solche Plicae bei lange Zeit das Bett hütenden Schwerkranken
sich einstellten, so war man rasch dabei, dieselben als Meta-
stasen innerer Erkrankungen anzusehen, und folgerichtig, wenn
der AVeichselzopf, der im Inneren des Körpers sub forma von
Eclampsie, Epilepsie, Eheumatismus etc. wüthete, nach aussen
sich abzulagern zögerte, denselben sogar künstlich zu erzeugen,
indem man die Haare mittels Pech, Honig verfilzte und die
weitere Entwicklung der Plica durch das Unterlassen des
Kämmens begünstigte. Ja, auch das „Zurücktreten" des
Weichselzopfes musste man nun fürchten und daher vor
dessen „Erkältung", noch mehr vor dessen Heilung warnen.
Das „Abwachsen" und „Abfallen" des Weichselzopfes, „Blu-
tung" und „Schmerzhaftigkeit" bei dessen Durchschneidung,
wurden als Beweis seines organischen Lebens angeführt, während
ein von Günsbueg der Plica zugeschriebener Pilz und ihre
Classification in männliche und weibliche , einfache und com-
plicirte (Alibert) ihre wissenschaftliche Existenz stützen
sollten. Die literarischen Kämpfe, welche noch in den
Hypei'tropliie der Nägel.
525
Fünfziger Jaliren Beschorneb , Hamburger, Hebra u. A.
gegen den Aberglauben der Plica-Krankheit führten , sind heute
überflüssig geworden. Wir wissen, dass die Verfilzung der
Haare nur dann entstellt, wenn diese nicht gekämmt werden,
und so finden sich derartige Fälle bei uns und überall an
Personen, die aus Nachlässigkeit, oder wegen schmerzhafter
AiFection der Kopfhaut (Eczema idiopathicum et e pedictilis,
Ulcera syphilitica) das Kämmen unterlassen, besonders wenn
Geschwürssecrete und Exsudate cUe Verldebuug der Haare
begünstigen. Die Endemien von Plica sind erloschen, seit die
betreff'enden Bevölkerungen durch Aiifklärung, oder behördliche
Einflussnahme, ihre Weichselzöpfe mittels Scheere imd Kamm
auszm-otten veranlasst worden und die jüngere Generation des
Kammes sich regelmässig bedient. Die sporadisch sich dar-
bietenden Pälle von Weichselzopf werden nach der Methode
des Eczema Capilitii (pag. 417) behandelt. Nachdem die auf-
lagernden Krusten mittels gewöhnlichen, oder läusetödtenden
Oelen (Petroleum, Bals. peruv.) erweicht und durch Seifen-
waschung abgelöst worden, schlichtet man mittels Einger und
Kamm die verwirrten Haare, von ihrer Spitze gegen den
Haarboden vorschreitend , ohne grosse Mühe und damit ist
die Plica behoben.
Hypertrophie der Nägel.
Die über dieNorm gehende Zunahme desNagels
anMasse und Umfang bezeichnet man als dessen Hyp e r-
tr 0 p hi e. Beide diese Zustände treffen nicht immer zusammen ;
wohl aber ist durch dieselben Veränderung in der Structur,
Farbe, Consistenz und Form des Nagels in der ßegel mit
bedingt.
Der hypertrophische Nagel erscheint übermässig lang
und überragt dann die Fingerspitze um ein Mehrfaches
seiner Normallänge; dabei behält er die normale Breite,
Richtung und Beschaffenheit; oder er ist im überragenden
Theüe dünn, glasartig, brüchig; oder verbreitert, verdickt,
käsig trübe, höckerig, einfach krallenförmig oder mehrfach,
widderhornartig, gekrümmt (Onychogryphosis). Ein ander-
mal ist der Nagel nicht verlängert, aber bei sonst normaler Be-
schaffenheit verbreitert, so dass dessen Ränder in den Nagel-
526
Zweiunddreissigste Vorlesung.
falz einschneiden, diesen zu schmerzhafter Blutung, Entzündiuig.
Eiterung, üppiger Grranulation bringen (Paronychia). Oder
endlich der Nagel erscheint unförmlich verdickt, bucklig,
höckerig, stachelig aufgetrieben, dabei hart oder brüchig, an
der Obei-fläche von Längs- und Querfurchen und Gruben besetzt,
rauh (AsjDeritas unguium) , am vorderen Rande aufgetrieben
und compact, oder grobzellig und vom Nagelbette aufgestülpt.
Die geschilderte Veränderung betrifft entweder nur ein-
zelne Finger- oder Zehen -Nägel und letztere Adel häufiger,
oder allesammt.
Anatomisch erweist nur der zugleich degenerirte hyper-
trophische Nagel eine von der Norm abweichende Anordnung
und BeschaflFenheit der Hornzellen. Dazu kommt bei den
excessiven und chronischen Formen der Nagelhypertrophie ein
Auswachsen der Papülen der Matrix, welche als gefässreiche
Pulpe von da bis auf mehrere Millimeter Länge, bis über die
Mitte des Nagelbettes, in den Nagelkörper hineinreichen, so
dass man beim Durchschneiden des Nagels in solcher Höhe auf
blutende Papillen trifft. Bei den acuten und vorübergehenden
Formen der Nagel-Hypertrophie und Entartung dagegen findet
sich blos hyperämische oder entzündliche Schwellung der Pa-
pillen, oder auch gar keine erkennbare Alteration. Das Nagel-
bett ist manchmal scheinbar nicht verändert oder es sind dessen
Leisten ebenfalls hypertrophirt, mit zahlreichen Papillen besetzt
(ViKCHOw) , wodann von hier ebenfalls eine hyperplastische
Epidermismasse j)roducirt wird, welche von unten her die
Nagelmasse verdickt oder den Nagelkörper aufhebt. Diese
Veränderungen stehen im directen Verhältnisse zvir speciellen
Ursache der Nagelhypertrophie. Einzelnen Fällen mag eine
angeborene Anlage zu Grrunde liegen. Das Unterlassen des
periodischen Abschneidens der Nägel führt nur zuweilen zu
deren Hypertrophie; häufiger dauernd wiederholter Driick
auf die Zehen, namentlich die randständigen grossen \md kleinen
Zehen, eine Schädlichkeit, die an anderen Hautstellen eine ana-
loge Bildung, Schwielen und Papillär - Hypertrophie veran-
lasst; ferners alle jene chronischen Processe der Haut,
welche an anderen Stellen Zellen -Lifiltration des Papillar-
stratums und Epidermis - Hyperplasie setzen, als chronisches
Eczem, Psoriasis, Liehen ruber, Elephantiasis Arabum, Lepra,
SjTphilis und Ichthyosis. Bei Letzterer triffi man oft grypho-
Hypertrophie der Nägel.
527
tische Entartung der Nägel. Bei SypMis Lescliränkt sicli die
Veränderung oft auf einen Tlieil des Nagels, entsprechend einer
nur einen Tlieil der Matrix - Papillen infiltrirenden Papel und
ist jene bleibend, wenn ein Theil der Papillen durch
Schrumpfung oder Ulceration zu Grunde gegangen ist. Eezem,
Psoriasis, Liehen ruber führen Entartung aller Nägel herbei,
auch wenn jene Processe nicht direct die Finger betreffen,
also in reflectorischer Wirtog. Auch manche allgemeine
Zustände des Organismus scheinen zu Trübung, Eurchung,
Abbröckelung der Nägel Veranlassung zu geben, wie nach
HüTcamsoN die sj^jhilitischeDyathese — Onychia syphilitica
— die aber nichts Anderes zu sein scheint, als die in Folge von
Chlorose oder acuten fieberhaften Zuständen (Vogel) auftre-
tende Onychie (Psoriasis unguium, Anderson) und ihr Analogen
in der mit allgemeiner Ernährungs - Depression verbundenen
Fettschüppchenbildung anderer Körperstellen (Pityriasis ta-
bescentium, Seborrhoea Capillitii) findet.
Die Prognose der besprochenen Nägelentartung hängt
von deren speciellen Ursache und von der Eliminirbarkeit der
Letzteren ab. Am zweifelhaftesten ist sie bei der von allge-
meinen Zuständen abhängigen Form, günstiger bei den durch
örtliche Vorgänge und chronische Exantheme herrührenden.
Die Behandlung hat nur bei gewissen Formen Erfolg auf-
zuweisen. Gryphotische und einfach verlängerte Nägel werden
mittels Scheere abgetragen, oder mit der Knochenzange abge-
kneipt ; hiebei etwa durchschnittene Papillarauswüchse werden
geätzt. Gegen durch syphilitische örtliche Infiltration bedingte
Onychie erweist sich das Belegen mittels Empl. hydrargyri
schnell heUsam. Die mit Eczem, Psoriasis, Liehen ruber ver-
gesellschaftete Asperitas unguium wird durch all' jene Mittel
günstig beeinflusst, welche auch gegen jene Uebel wirksam
sind , wie Theer , Unguent. Diachyli, Kali- und Sublimat-
Umschläge, Kautschuk-Fingerlinge, iadem mit dem Gesunden
der Papillen der Matrix auch die Nagelbüdung normal wird.
Selbstverständlich kann die Besserung sich nur auf den neu-
gebildeten, von der Matrix aus sich vorschiebenden Nagel, nicht
auf den schon bestehenden und entarteten beziehen. Da aber
das Wachsthum des Nagels sehr träge vor sich geht und dessen
Substituirung durch einen neuen Nagel erst binnen vielen
Monaten zu Stande kommt, so wird auch die Besserung des
028
Zweiunddreissigste Vorlesung.
Uebels erst spät walirnelambar , oft erst lange nachdem das
Grundübel beseitigt worden.
In gleichem Sinne und in gleich zögernder "Weise wirkt
der innerliche Grebrauch von Arsen und Eisen in den hiezu
geeigneten Fällen (Chlorose, Psoriasis, Liehen).
Gregen das sclimerzhafte Einwachsen des Nagels, welches
Manche durch das gewaltsame Ausreissen, oder das Aus-
schneiden des Nagels beseitigen wollen, ist ein ganz unschmerz-
haftes Verfahren anzurathen. Ein Bäuschchen geordneter
Charpie, von der Länge des Nagelfalzes, wird mittels Meissel-
sonde, Faden für Faden, zwischen Falz und Nagelrand ein-
geschoben , worauf durch in ßingtouren angelegtes Empl.
saponat. die Einlage befestigt und der Falz vom Nagel ab-
gezogen wird. Der Verband wird täglich einmal erneuert,
was die folgendenmale, bei Erweiterung der Falzfurche, schon
sehr ber[uem geschehen kann. Der geschwürige Rand verheilt
derart bald , oder nachdem die vorhandenen Wucherungen
durch Scheere oder Aetzung beseitigt worden.
Dreiunddreissigste Vorlesung.
Bindegewebshypertrophien. Diffuse: Seleroderma (Anhang: Solepema
neonatorum) und Elephantiasis Arabum. — Elephantiasis telangiektodes
et neurotieunn. Cireumseripte : Papilloma (Framboesia).
Die als Hypertrophie des Bindegewebes der
Haut sich darstellenden Krankheitsformen erscheinen entweder
als diffuse und mehr flächenhafte Verdickungen der Cutis —
Seleroderma und Elephantiasis Arabum — oder in
Gestalt umschriebener tind prominirender Geschwülste —
Papilloma (Framboesia).
Diffuse Bindegewebshypertrophien.
Seleroderma,
S c 1 e r e m a a d ii 1 a t o r u m , ist die Bezeichnung,
unter welcher Thirial im Jahre 1845 die nun zu be-
sprechende, höchst eigenthümliche und vor ihm nur von
CüKCio (1752) und Henke (1809) unverkennbar, aber namenlos
beschriebene HautafPection vorgeführt hat. Später tauchten
für dieselbe noch die Namen Seleroderma, Scleroma, Chorio-
nitis, Sclerostenosis cutanea (Forget), Cutis tensa chronica
(Fuchs), „Keloid von Addison", Elephantiasis sclerosa (Ras-
mcssen), cicatrisirendes Haiitsclerem (Wernicke), Sclerosis telae
cellulosae et adiposae (Wilson) ti. A. auf. Es dürfte jedoch
gerathen sein, die Bezeichnung Seleroderma (sc. adultorum)
festzuhalten, gegenüber dem anknüpfend zu besprechenden
Sclerema neonatorum.
Von der im Ganzen seltenen Sclerodermie liegt in der
Literatur eine genügend reiche Casuistik vor, die gegenwärtig
bis an 70 Fälle hinanreichen dürfte, darunter fünf meiner
Kaposi, Hautkrankheiten. 34
ggQ Dreiunddreissigste "Vorlesung.
eigenen Beobaclitung. Dennoch ist unsere Kenntniss über
diese Krankheit kaum weiter gelangt, als bis zu einer ziemlicb
exacten äusseren Symptomatik.
Scleroderma, Sclerema adulto rum ist eine ehr o-
nisch verlaufende Erkrankung und charakterisirt sich durch
spontan, ohne Entzündungserscheinungen oder merkliche
Alteration des Gresammtorganismus auftretende, diffuse,
brettartige Härte, Starrheit und relative Verkürzung
einzelner beschränkter, oder sehr ausgebreiteter Hautpartien.
Die AiFection befällt in unregelmässiger Weise die ver-
schiedensten Hautstellen, vorwaltend der oberen Körperhälfte,
seltener die Unterextremitäten und beschränkt sich entweder
auf kleinere Hautbezirke , zwischen welchen die übrige Haut
vollständig normal bleibt, oder ist über grosse Hautstrecken,
den Rücken, die Gliedmassen, das Gesicht, diffus ausgebreitet.
Je nach diesen Verhältnissen der Localisation, Ausdehnung,
sowie des Stadiums, in welchem sich der örtliche Process und
die Gesammterkrankung befinden, präsentirt sich auch der
individuelle Eall der Sclerodermie unter einer bald mehr all-
gemein zutrefi'enden, bald origineller gestalteten Form.
Das prägnanteste Symptom liefert die S der ose der
Haut. Sie erscheint in Form von thaler-, flachhandgrossen
und grösseren, unregelmässigen Flecken, bandartigen, stramm
angezogenen, eingesenkten oder leistenartig vorspringenden
Streifen, oder als diffuse und gleichmässige Verdichtung der
ganzen Decke. Die sclerosirte Hautpartie springt mässig
vor, oder ist flach, oder etwas eingesunken, an der Oberfläche
glatt, oder mit gerunzelter, dünnschuppiger Epidermis bekleidet,
speckartig glänzend, oder matt, fahlweiss, wachsartig, oder
wie Alabaster, oder rosa- bis braunroth, manchmal mit Sommer-
sprossen ähnlichen, von weissen, piginehtlosen und etwas ein-
gesunkenen Punkten und Strichen untermischten, gelb- bis
dunkelbraunen Pigmentflecken besetzt, oder difius dunkelbraun
bis bronzebraun gefärbt. Unter dem Drucke des Fmgers ent-
steht an der sclerosirten Haut keine dauernde Einsenkung und
fühlt sich dieselbe bretthart , starr , kühl an , wie an ^ einem
gefrorenen Leichnam. Sie kann kaum, oder gar nicht in eine
Falte gehoben oder über ihrer Unterlage, Fascien, Muskeln.
Periost, verschoben werden , so dass sie an die letzteren kurz
angelöthet, mit ihnen eins zu sein scheint. Zugleich ist sie
Scloroderma.
531
verkürzt, für den von ihr umliüllten Inhalt zu enge geworden.
Ueber die Beuge der Arm- und Fingergelenke laufend fixirt
die Sclerose diese in halber Beugung und wird die Haut der
Streckseiten passiv gespannt. Ist das Gresicht befallen, er-
scheinen dessen Züge wie erstarrt, ganz und gar unbeweglich,
unfähig des geringsten Mienenspieles. "Weder Schmerz noch
Freude vermag das „versteinerte" Antlitz zu verändern, als
wär' es in Marmor gehauen. Durch die Verkürzung der un-
beweglich-starren Haut ist zugleich die Nase verschmächtigt,
der Mund verkleinert und nur unvollkommen zu öifnen.
Str-'ifenförmige sclerotische Hautstellen senken sich manch-
mal , wie von einem subciitanen strammen Band ange-
zogen, tief unter das Hautniveau, oder springen auch'
mit einem Rande leistenförmig vor. Derartig streicht
öfters die Sclerose über die Mamma, deren Wölbung in zwei
Hälften theilend, oder die Warze nabeiförmig einziehend.
Die Temperatur der sclerosirten Hautstellen ist normal,
manchmal massig erhöht, in der Regel jedoch um ein Greringes,
bis zu IV2*') niedriger als an der normalen Haut. Druck wird
ziemlich schmerzhaft empfimden , während subjectiv selten
■ Schmerz oder Brennen, meist nur Spannungsgefühl und Jucken,
oder tief (in den Knochen sitzende) Schmerzen wahrgenommen
werden. Die Tastempfindung ist meist normal, selten etwas
abgestumpft. Die Schweisssecretion an den verhärteten Haut-
stellen ist nur einigemal unbedeutend alterirt, die Talgsecretion
normal gefanden worden. Ebenso hindert die Sclerodermie
auch in anderer Rücksicht zunächst nicht die Nutritions- und
Functionsfähigkeit der von ihr befallenen Cutis, so dass die-
selbe z. B. auf chemische und mechanische Reize in Entzündiing
und Verschwärung gera,then kann und von Erysipel, Acne,
Variola, Zostereruption betroffen gesehen worden ist.
Auch die Schleimhaut der Zunge, des Zahnfleisches,
des weichen Gaumens , Pharynx war in einzelnen Fällen
(Arnixg, Sedgwick, PAGaE), je einmal auch die Scheide mit-
sammt der Vaginalportion (Heller) und die Kehlkopfauskleidung
der Sitz von harten, bandartigen, retrahirten Streifen.
Die Entwicklung der Sclerodermie erfolgt meist in
der vorher örtlich gar nicht alterirten Haut ziemlich acut mii
unvermerkt binnen wenigen Tagen. Zufällige Berührung, oder
das Gefühl von Spannung macht die Kranken erst auf die
34*
532
Dveiunddreissigste Vorlesung.
Veränderung aufmerksam. Niclit selten aucli geht der Ver-
härtung an manchen Stellen ödematöse, teigige Infiltration
oder lebhafte Injectionsröthe durch einige Tage voraus. Mit
der charakteristischen Sclerosirung der Hautstelle hat der
Process örtlich seinen Höhepunkt erreicht. Der sclerotische
Plaque oder Streifen kann nunmehr durch verschieden lange
Zeit stationär bleiben, oder nach der Nachbarschaft sich ver-
grössern, was bisweilen, namentlich bei den scharf begrenzten
Flecken, unter Voranschreiten eines rosenrothen Injections-
hofes erfolgt.
Der weitere Verlauf kann sich nunmehr in zweifacher
Weise gestalten. Entweder schwindet die Sclerose vollständig
und erlangt die Hautstelle ihre frühere Beschaffenheit, Ge-
schmeidigkeit und Beweglichkeit, u. z. mag dies an einzelnen
Partien schon nach wenigen Tagen, an anderen erst nach
vielen Monaten erfolgen; damit ist allerdings nicht auch ein
Erlöschen der Gresammterkrauknng gegeben, da im Gegen-
theil zumeist gleichzeitig andere Hautstellen, oder auch bereits
einmal genesene wieder neuerdings von dem Processe befallen
werden. Oder die anfangs derbe, hart und dick sich anfühlende
sclerotische Haut wird atrophisch, dünn, pergamentartig,
narbig weiss oder roth glänzend, unregelmässig pigment-ge-
sprenkelt, auf's höchste verkürzt, gespannt und fixirt ; auch
das unterliegende Fettpolster, ja auch die Muskeln schwinden
unter ihrem Drucke, so dass die atrophische Haut fast direct
dem Knochen angelöthet zu sein scheint. Es kommt in ihr
oft zu Verschwärung , namentlich über den Streckseiten der
Gelenke. Dieser Zustand darf demnach nicht, wie dies früher
versucht worden, als eine besondere Form (cicatrisirendes
Hautsclerem, Werotckb), gegenüber dem früher geschilderten
und als Sclerema elevatum sich darstellenden aufgefasst werden,
sondern nur als Endstadium (Stadium atrophicum) des mit
erhabener Verdickung (Stadium elevatum) beginnenden Processes
der Sclerodermie. Vom atrophischen Stadium ist eine Rück-
kehr zur Norm nicht mehr möglich.
Verlauf und Ausgang der Krankheit hängen
von dem geschüderten Verlaufe des örtlichen Processes ab.
Mehrere Jahre hindurch kann die Sclerodermie mit abwechseln-
der LocaUsation bestehen und, wie dies in wenigen Fällen
beobachtet worden, heilen, indem die Haut wieder normal
Sclorodema.
533
wurde und keine neue Sclerose auftrat. In den meisten Fällen
aber nehmen sowohl die Sclerosirungsherde, auch bei anfäng-
lichem Schwanken, an Zahl und Ausdehnung zu und den Aus-
gang in Schrumpfung. Damit wird auch der Process nicht
nur für die Haut , sondern für den Gi-esammtorganismus bedenk-
lich. Obgleich das Allgemeinbefinden weder im Beginne,
noch auch innerhalb der ersten Jahre der Erkrankung beein-
trächtigt zu sein scheint, die Kranken gut genährt und in
keiner wichtigen Function gestört sind, so schleicht doch
allmälig unter Gremüthsverstimmung , Schlaflosigkeit, rheu-
matischen und neuralgischen Schmerzen ein Zustand von
allgemeiner Ernährungsdepression oder ausgesprochenem Ma-
rasmus herbei. Ein typisches Bild dieser späteren Stadien
zu entwerfen, gestattet das bisherige Beobachtungsmaterial
noch nicht. Der tödtliche Ausgang, welcher in etwa einem
Dutzend Fällen bisher beobachtet worden ist (Förster, Köhler,
GiNTRAE, Auspitz, Arning, Rasmussen, Stein, Walter, Rossbach,
Heller, Mader-Chiari), erfolgte unter den mannigfachsten,
wie es scheint, individuellen und nicht mit dem Processe in
der Haut direct zusammenhängenden Complicationen , als:
Morb. Brightii, Emphysem, Bronchiektasie, Lungentuberciilose,
Pneumonie, Vitium cordis, Anämie.
Die anatomische Veränderung, welche der so ganz
eigenartig sich präsentirenden Sclerodermie zu Grunde liegt,
zu eruiren, ist bisher nicht gelungen, obgleich sowohl todte,
als vom Lebenden exscindirte Haiit wiederholt und zum Theile
von hervorragenden Histologen untersucht worden ist. Ueber-
einstimmend constatiren alle Ilntersucher eine Verdichtung
und Verdickung des Bindegewebsfilzes der Cutis, neben Ver-
mehrung der elastischen Fasern, auf Kosten der Unterhaut-
zellschichte und der atrophisirenden Fettläppchen, so dass
das homogen beschaffene, derbfaserige und engmaschige Cutis-
gewebe bis dicht an die Fascie oder Periost reicht und ohne
lockere Zwischenschichte diesen anhängt. Nebstdem vsdrd
Pigmentreichthum im Rete und im Corium, Ektasie der
Schweissdrüsen, Hypertrophie der organischen Muskelfasern
(Neumanx, Rossbach) angegeben, welche Veränderungen jedoch
mehr von consecutiver BedeiTtung zu sein scheinen. Wesent-
licher dürfte vielleicht sein die Verengerung der Gefässe,
welche theils durch dicht anliegende Parallelzüge von sclero-
534-
Dreiunddreissigste Vorleaung.
sirten Bindegewebsfasern, theils durch Lymplizellen-Lagen
comprimirt zu sein sclieinen , die streckenweise die Gefässe
in melirfaclier Breite der letzteren scheidenartig umgeben
(Rasmussen, Kaposi). Allein ich vermag dennoch nicht, wie
Chiari meint, den Zustand als einen aus Entzündung hervor-
gegangenen anzusehen , da sowohl klinisch , als histologisch
alle Merkmale derselben fehlen, in letzterer Beziehung nament-
lich constatirt werden muss , dass auch in frischen Sclerosis-
herden weder Ausdehnung der Grefässe , noch ödematöse Er-
weiterung der Gewebsmaschen sich vorgefunden hat. Ver-
ödung der Follikel und Drüsen stellt sich erst im Stadium
atrophicum ein.
So ist denn rücksichtlich der Ursache nicht einmal
der die Haut selbst betreffenden Veränderung, geschweige
denn des Gesammtprocesses der Sclerodermie eine Aufklärung
durch die anatomischen Untersuchungen bisher gewonnen
worden. Nur in Heller's Eall mochte das Vorkommniss einer
Verödung des Ductus thoracicus die Annahme gestatten, dass
eine Rückstauung und Stagnirung der Lymphe in der Cutis
und als deren Folge die Hypertrophie zu Stande kam. Obgleich
auch ich vor Jahren ein stellenweises Stagniren der Lymphe
in den Gewebsräumen der Cutis als Grundlage der örtlichen
Veränderving anzunehmen geneigt war, so glaube ich doch nicht,
dass ein mechanisches Hinderniss in einem Lymph-Sammelgefässe
dafür beschuldigt werden kann, da die Sclerodermie nicht dem
Sammelgebiet eines Lymphgefässes entsprechend, sondern ganz
nnregelmässig localisirt auftritt und andererseits bei exquisit
mechanischer Stauung der Lymphe eine andere Art von Hyper-
trophie (Elephantiasis Arabum), aber nicht die ganz specifische
Sclerodermie sich entwickelt. Man darf daher wohl eine vom
Centrainervensystem influencirte trophische Störung als ent-
fernte Ursache der Krankheit annehmen, obgleich eine solche
materiell noch nicht erwiesen werden konnte. Damit stimmte
vielleicht auch die Angabe Einzelner, dass die Krankheit
wenige Tage nach einer heftigen Gemüthsbewegung , grossem
Schrecken, aufgetreten sei. In anderen Fällen wird voraus-
gegangenes und recidivirendes Erj'-sipel, oder Rheumatismus
angegeben ; in der Mehrzahl jedoch fehlt es an jeder plausiblen
ätiologischen Grundlage. Das weibliche Geschlecht parti-
cipirt zu drei Vierttheilen an der vorliegenden Summe der
Sclerema neonatorum.
535
Sclerodermie-Fälle. Dass unter solclien Umständen, xmä da
auch Personen mit Herzfehlern, Morb. Briglitii, Tuberkulose
und anderen ' die Ernährung alterirenden Complicationen da-
runter sich befanden, auch Chloranämie mit unter den Ursachen
aufgeführt wird, ist begreiflich, aber nicht aiifklärend, da bei
den Meisten, wenigstens in den ersten Jahren, die Ernährung
ganz gut zw sein scheint.
Die bisherigen Fälle betrafen vorwaltend Personen mittleren
Lebensalters, doch sind auch einzelne Erkrankungen an älteren
Individuen, sowie an sechs- und zweijährigen (Cedsb) Kindern
gesehen worden.
Die Diagnose der Sclerodermie fällt nicht schwer,
wofern das Stadiiim elevatum zugegen ist. Auch der minder
Erfahrene wird, sobald er beim Anfühlen der Haut den Ein-
druck erhält, als wenn er einen gefrorenen Cadaver unter den
Händen hätte, sofort an Scleroderma denken. Das (wahre)
K e 1 0 i d fühlt sich nie so starr und unbeweglich an
und erscheint auch nie in diffuser Ausbreitung. Im atro-
phischen Stadiiim dagegen, sowie wenn nur ein einzelner
Herd zugegen, kann die Unterscheidung gegenüber gewissen
Formen der Lepra (Morphaea atrophica et lardacea Wilson und
Pigment-Lepra) , sowie Xeroderma mihi , ihre Schwierigkeit
haben.
Die Prognose der Sclerodermie ist nicht günstig, da
die meisten EäUe unbestimmt lange dauern und in's Stadium
der Atrophie gelangen, von wo eine Rückkehr zur Norm nicht
mehr möglich ist. Es scheint sogar durchwegs Marasmus
und direct, oder durch eine in diesem begründete Complication,
das lethale Ende der endliche Ausgang der Krankheit zu sein.
So lange aber nur das Stadium Scleroseos zugegen, kann immer-
hin die Hoffnung auf Genesung aufrecht gehalten werden.
Die Therapie, obgleich in keiner Beziehung verläss-
lich, kann doch in diesem Stadium und in einzelnen Fällen
Erspriessliches leisten, wofern sie darauf gerichtet ist, die
allgemeine Ernährung xind den Stoffumsatz anzuregen. Es
empfehlen sich innerlich Roborantia, Eisen, Chinin, Amara,
Leberthran, Arsen, nebstdem Wannen-, Dampf-, Moor-, Eisen- und
Soolbäder, im Sommer Milch- und Trinkkuren, Aufenthalt im
Gebirge, See- und Flussbäder. Oertlich können noch milde Fette,
Salben von Cuprum oxydat., Glycerin, Vaseline eingerieben und
536 Dreiunddreissigste Vorlesung.
mit methodisclier Massage verbunden werden. Inunctionen
mittelst Ungu. cinereum und Jodkali innerlich haben sich
unwirksam erwiesen. Dagegen wollen Einige von der An-
wendung des Constanten Stromes günstige Einwirkung erfahren
haben.
"Wesentlich verschieden vom Scleroderma adultorum, ob-
gleich demselben doch auch sehr ähnlich, ist die Affection,
welche als
Sclerema neonatorum
(Chaussiek), Algidite progressive (Hervieux), Induratio
telae cellularis neonatorum, Z ellge w eb sverhär-
tung der Neugeborenen vieler Autoren bekannt ist. Sie
befällt meist Kinder der ersten Lebensmonate , seltener eiu-
bis zweijährige und beginnt mit Erkalten, Oedem und Härte
der Eüsse und Unterschenkel ; die Haut ist da gespannt,
glänzend weiss oder roth schimmernd , manchmal schmutzig
gelbbraun , kachektisch und hart anzufühlen , aber mittelst
Fingers grubig eindrückbar (Oedem). Binnen Stunden, ein bis zwei
Tagen breitet sich die Veränderung unter denselben Erschei-
nungen über Unterleib, Stamm, Oberextremitäten imd Gesicht
aus, indem auch da die Haut resistent, kühl und unbeweglich
wird, während die früher ergriffenen Unterextremitäten unter
Schwinden des Oedems schmächtiger und härter , gerunzelt,
wie mumificirt werden. Die Temperatur der Haut wie der
inneren Organe sinkt stetig um 2 — 3° C. täglich. Das Gesicht,
dessen Decke starr, nach dem überwiegenden Muskelzuge fixirt
zu sein scheint, sieht gerunzelt, greisenhaft aus; die Starr-
heit der MundöfPnung macht das Saugen und die Nahrungs-
aufnahme unmöglich. Derart ergriffene Kinder liegen unbe-
weglich da, wie halb erfroren und geben nur durch geringe
Bewegung der weniger erkrankten Körpertheile imd durch
schwaches Wimmern ein Lebenszeichen von sich. Unter fort-
schreitender Temperatursabnahme, oder indem zugleich Com-
plicationen in anderen Organen auftreten, sterben die Kranken
binnen 2 — 10 Tagen. Selten verzögert sich der lethale Aus-
gang um ein Beträchtliches. Noch seltener hebt sich wieder
die Temperatur an den schon erkalteten Körperpartien und
schwinden Oedem und Sclerem, wodann allmälig Erholung
und vollständige Genesung sich einstellt.
Elephantiasis Arabum.
537
Die nächste Ursaclie der Scleremersclieiniingen liegt
in einer Verlangsamnng der Capillar-Circulation in den peri-
pheren Körpertheilen. Die entferntere Ursache für dieselbe
o-eben alle iene Zustände ab, welche die Herzaction schwächen
oder die Wärmepro duction hemmen. Daher tritt das Uebel
auf bei mit Herzfehlern behafteten oder durch Pleuro-
pneumonie, chronischen Katarrh des Respirations- und Ver-
dauungstractes, Diarrhoen, Follicularverschwärung des Darmes
geschwächten , bei in Folge schlechter Pflege , hereditärer
Syphilis, oder von Haus aus lebensschwachen Kindern.
Anatomisch haben M-^ir, gleich Förster, Virchow u. A.
ausser ödematöser Durchtränkung des Cutisgewebes und
derber, steariiiähnlicher Beschaffenheit des Panniculus, keine
auffällige anatomische Veränderung , namentlich , im Gregen-
satze zum Scleroderma , keine nennenswerthe Zelleninfiltration
oder Bindegewebshypertrophie beim Sclerema neonatorum ge-
funden, während Löschner Verbreiterung des Corium und
herdweises Auftreten von zellenreichem, embryonalem Binde-
gewebe angibt. Stauung in den peripheren Lymphbahnen und
Lymphangioitis (Pastorella.) dürften eher consecutive Zustände
darstellen.
Die Therapie hat zur Aiifgabe, durch künstliches Er-
wärmen, Frottiren des Körpers und durch geeignete Nahrungs-
zufuhr und Stimulantia die gesunkene Körperwärme und
Lebenskraft zu heben, eventuell durch Besiegung der Compli-
cationen die Herzaction und die Capillarcirculation der Haut
neu zu beleben. Die Besserung gibt sich durch kräftigere
Herzaction und Temperatursteigerung in der Haut kund, unter
welcher in kurzer Zeit auch das Sclerem schwindet. Alsdann
ist auch Genesung zu hoffen.
Ungleich häufiger und in ihrer Entstehungsweise ver-
ständlicher ist jene diffuse Bindegewebshypertrophie der Haut,
"welche die als
Elephantiasis Arabum
s. Pachydermia (Füchs) bekannte Krankheit darstellt.
Man versteht unter Elephantiasis Arabum eine
auf einzelne K örp er r egion en beschränkte, in Folge
örtlicher Circulationsstörungen, chronisch wieder-
kehrender Grefäss- und Lymphgef ässentzündung,
538
Dreiunddveissigste Vorlesung.
Rotlilanf lind persistir ender Oedeme auftretende
Hypertrophie der Cntis sammt Unterhautzellg e-
w e b e und die in weiterer Betlieiligung aucli der unterliegenden
Gebilde sicbeinstellendeMassenverdickung und Volums-
zunahme des betroffenen Körpertlieiles.
Der Name Elephantiasis ist von den Araber-Uebersetzern
(daher El. Ar ab um) homonjnn mit der arabischen Original-
bezeichnung, dal-fil, (Elephantenfuss) eines pachydermatischen
Beines geschaffen worden. Mit dieser Bemerkung soll dem nahe
liegenden Irrthume begegnet werden, als handelte es sich um
eine in Arabien heimische Krankheit ; denn El. Arabum findet
sich allerdings in gewissen Formen ungleich häufiger, ja nahezu
endemisch in manchen tropischen und subtropischen Gegenden,
in Aegypten, an den Mittelmeerküsten, Arabien, der Westküste
Afrika's , Brasilien , auf den Antillen , den Sundainseln , den
Küsten- und Inselländern der südlichen Meere überhaupt. Die
Krankheit kommt aber in vereinzelten Exemplaren in allen
Ländern vmd Himmelsstrichen und in gewissen Formen sogar
bei uns ziemlich oft zur Beobachtung.
Der häufigste Sitz der Affection ist die Unterextremität
(selten beide), u. zw. meist auf Unterschenkel und Fuss be-
schränkt, seltener auch auf den Oberschenkel bis zur Backen-
falte, oder gar auf eine Hinterbacke sich erstreckend. Demnächst
betrifft dieselbe zu öfterst die Haut des Penis und Scrotums, der
grossen und kleinen Labien mitsammt der Clitoris , wälrrend die
Oberextremität nur selten , Wangen , Ohren, Rücken und andere
Körpertheile nur ausnahmsweise an Pachydermie erkranken.
In den beiden Localisationsformen, der Unterextremität
und der Genitalien, sind die Symptome der Krankheit in
typischer Weise ausgeprägt.
El. Arabum cruris entwickelt sich in der Regel in
chronischer Weise unter zeitweilig, paroxysmenweise, oder in
unregelmässigen Intervallen sich erneuernden Entzündungs-
erscheinungen, welche in der ersten Zeit die einzigen Krankheits-
symptome darstellen. Ohne, oder auf örtliche Veranlassung tritt
am Unterschenkel diffuses Erysipel, oder tiefer greifende Der-
'matitis, oder auch nur streifenförmige Röthung und Schmerz-
haftigkeit, Lymphangioitis , Phlebitis, Schmerz, Spannung,
Schwellung der Haut unter Fieberbegleitung auf. Kurze Zeit
nach Ablauf des Entzündungsanfalles erneuert sich derselbe
Elephantiasis Arabuni.
539
spontan oder durch örtliche Momente veranlasst. Nach jedem
solchen Anfalle bleibt ein geringes Oedem der Haut zurück,
welches in dem Masse deutlicher wird und bereits den Umfang
des Unterschenkels vergrössert, als binnen Monaten, 1 — 2 Jahren
die Entzündungen häufiger aufeinander folgen. Die Hautober-
fläche scheint bis auf grössere Spannung und weiss oder roth
schimmerndes Ansehen nicht verändert. Mit der Fingerspitze
kann man leicht eine das Oedem des Unterhautzellgewebes ver-
rathende Griibe eindrücken. Allein zugleich lässt sich eine
Massenzunahme und Härte desselben und beim Versuche, eine
Falte zu heben, constatiren, dass die Haut dicker, derber und
strammer angelöthet geworden ist.
Im weiteren Verlaufe schwellen die Leistendrüsen zu
grossen, derben Knollen an. Ja nach Einigen soll die Schwel-
lung und Verhärtung der Leistendrüsen sogar den Erscheinungen
an dem Unterschenkel vorangehen und wird auch die AlFection
als Drüsenkrankheit von Barbados (Hendy und Rollo)
bezeichnet. Binnen 5 — 10 Jahren wird die Unterextremität enorm
voluminös und verunstaltet, indem inzwischen die Hypertrophie
nebst Haut- und Unterhautzellgewebe auch die unterliegenden
Weichgebilde nebst Knochen ergriffen hat.
Der Unterschenkel ist auf das Zwei- oder Dreifache seines
früheren Volumens verdickt und stellt einen plumpen Cylinder
von monströsem Umfang und Ansehen dar, der in gerader Flucht,
mit Ausgleichung der Knöchelgruben, in den polsterartig auf-
getriebenen Fussrücken übergeht und einem Elephantenfuss
wohl vergleichbar ist. (Elephantopus , Barbados-, Cochinbein,
Roosbeen von Surinam.) Eine tiefe Furche über dem Sprung-
gelenke, in welcher ranziges Hautsecret nebst Epidermistrüm-
mern sich anhäufen, scheidet die Schenkel- und Fiissverdickung
von einander. Der Fuss ist zugleich verbreitert, ebenso wie die
Zehen, deren elephantiatische Haut nicht selten bis auf seichte,
ihre gegenseitige Grenze andeutende Furchen, in einander ver-
schmolzen ist. Die allgemeine Decke der so monströs
verdickten Gliedmasse ist trocken , nicht transspirirend , prall
gespannt , matt glänzend oder fahl , streckenweise schmutzig-
braun (El. fusca, s. nigra), von Pigment oder auflagernden
seborrhoischen Epidermismassen. Die Oberhaut selbst ist
streckenweise dünn, pergamentartig, rissig und blätterig, an
anderen Stellen gefeldert, dick und schmutzig-braun, wie bei
540
Dreiunddreissigste Vorlesung.
Iclitliyosis serpentina, oder zu dicken Schwielen oder kornartigen
Kegeln aufgelagert , wie bei IcMliyosis hystrix. Im Uebrigen ist
die elephantiatiscbe Haut glatt (El. glabra) , an anderen Stellen
höckerig (El. tuberosa) oder mit zahlreichen faden- und brom-
beerartigen, trockenen oder nässenden Warzen besetzt (El. verru-
cosa s. papillaris). Nebstdem finden sich nach Umständen Ex-
coriationen, flache oder tief greifende, von callösen Rändern
besetzte, im Grrunde necrosirende oder dünnes Secret absondernde
Geschwüre, oder streckenweise nässendes und crustöses Eczem.
Auch ist in Fällen von Pachydermie, bei welchen der Process
dilFus, oder in Form von streifenförmigen Verhärtungen vom
Unterschenkel über die innere Oberschenkelfläche bis zu den
Leistendrüsen, oder bis auf die Nates ausgedehnt erschien, zeit-
weilig spontane Berstung der Haut, oder eines als Strang fühl-
baren Lymphgefässes , und aus demselben tropfenweises Aus-
sickern von Lymphe (wahre Lymphorrhoe) beobachtet worden.
Das Anfühlen der Extremität ist sehr hart, die Haut kann nicht
in eine Falte gehoben und ebensowenig ein Muskel durch Greifen
isolirt werden und man bekommt den Eindruck, als wenn Haut,
Fascien, Muskeln mitsammt in eine derbe Masse verschmolzen
seien. Der Knochen der Tibia ist ebenfalls bedeutend verdickt
im Mittelstück oder auch an den Gelenksenden (Paedarthrocace
von Malabar) und fühlt sich glatt an oder mit spitzen oder
stumpfen, harten, von der Innenfläche und der vorderen Kante
hervorgetriebenen, in die sclerotische Masse hineindrängenden
Höckern besetzt. Ausnahmsweise kommt es unter gewissen
Complicationen zu Caries oder Necrose und bei gewissen Formen
der El. der oberen Extremität zu Druck-Atrophie des Knochens.
Snbjectiv belästigt El. cruris nur durch die Functions-
behinderung, welche nicht nur in dem absoluten Gewichte der
Gliedmasse und der Starrheit der Haut, sondern auch in der
gleichzeitigen Entartung der Muskeln begründet ist. Schmerzen
stellen sich nur während der Entzündungsvorgänge und in Folge
von Complicationen ein.
Die meisten und gerade die excessiven Fälle von El. der
Unterextremität sind einseitig ; gewisse Formen betreff'en auch
beide Beine.
Die Oberextremität wird nur selten (in Folge von
syphilitischer oder lupöser Entzündiing) von El. Arabum befallen
und dann in sehr abenteuerlicher Weise verunstaltet.
Elephantiasis Arabum.
541
Elephantiasis genitalium (i. e. Scroti, penis,
labiorum pndendorum et clitoridis) kommt in unserem Himmels-
striclie nur sporadiscli imd in massigem Grade, in zahl-
reichen und excessiven Formen dagegen in den schon früher
erwähnten tropischen" und subtropischen Gegenden vor, wie
Peuner, Rigler, Reyee u. A. berichten. Am colossalsten
gedeiht ' wohl die El. scroti , durch welche der Hodensack
zu einem bis zum Knie oder gar zum Boden hinabreichenden,
bis zu 120 Pfond schweren, „fleischigen", beuteiförmigen
Klumpen heranwächst (Hernia carnosa, Prosper Alpin, Larrey,
Sarcocele m. Aut.) , der stielförmig von der Inguinalgegend
ausgeht und Penis sammt Hoden in sich verbirgt. Eine seichte,
trichterförmige Rinne in der Penishöhe kennzeichnet an der
Geschwulst die Fixirungsstelle des inneren Vorhautblattes
an das Frenulum und den Weg, den der Harn aus der Harn-
röhre nimmt. Nur bezüglich der Entwicklung der El. penis
gibt Pruner an, die vorangehenden Anfälle von Rothlauf
beobachtet zu haben , während bezüglich der El. scroti solche
Beobachtimgen fehlen. Der Process beginnt mit der Bil-
dung eines derbteigigen Knollens am Grunde des Hoden-
sackes, der, indem er heranwächst und verhärtet, die Nachbar-
haut von allen Seiten, vom Penis, Bauch, Oberschenkeln heran-
zieht und in den Tumor aufnimmt, so dass speciell der Penis,
indem dessen Bedeckung ab- und vorgezogen wird, gänzlich,
bis auf die früher erwähnte Praeputio-Urethral-Rinne , in der
Geschwulst verschwindet. Diese selbst ist an der Oberfläche
gerunzelt, gefurcht, da und dort nässend oder mit "Warzen
besetzt und fühlt sich derb-knollig , stellenweise hart , oder im
Gegentheile weich oder sulzig-elastisch an. Es soll da öfters
zur Bildung von Blasen kommen, nach deren Berstung oder
zufälliger Verletzung stunden- oder tagelang wahre Lymphe,
d. i. an der Luft gerinnende und Lymphzellen ausscheidende
Flüssigkeit aussickert — wahre Lymphorrhoe.
Die Elephantiasis pudendorum muliebrium bildet nicht
ganz so colossale, aber doch auch zuweilen bis zu den Knieen
herabreichende, genau so beschaifene , gestielte Geschwülste
der grossen und kleinen Lippen und der Vorhaut der Clitoris.
Nur sporadisch trifft man auch Elephantiasis der Ohr-
muscheln und der angrenzenden Wangen- und Kopfbedeckung,
der oberen Augenlider, als dicke, beuteiförmige Anhänge, breit
542
Dreiunddreissigßte Vorlesung.
oder gestielt lierabhängend, oder, wie ich nach chronisch reci-
divirendem Gesichts-Erysipel gesehen, als monströse Vergrös-
serung und Verdickung der Ohrmuscheln und geschwulstartige
Auftreibung und Härte der Wangen und Lippen.
Noch seltener ist die elephantiatische Verdickung anderer
Hautregionen und da jedesmal so sehr vom geschilderten Typus
abweichend, dass auch eine andere Auffassung solcher Vor-
kommnisse statthaft wäre. Manche einschlägige Fälle sind
wohl treffender als M o 1 1 u s c u m f i b r o s u m anzusehen. Andere
stellen beutel- oder geschwulstartige Verdickungen der Haut
vor, welche aus angeborenen Bindegewebs- oder Grefässmäleru
durch fortschreitendes Wachsthum hervorgegangen sind. Letz-
tere Art Geschwülste, welche wegen ihres ßeichthums an blut-
strotzenden Gefässen mit dem Namen El. telangiektodes
(VmCHOw) charakteristisch bezeichnet werden können, haben
Rokitansky, Vikchow, Hecker, Czerny beschrieben. Ein Fall,
den ich von meiner Süidentenzeit her durch viele Jahre beob-
achtet habe, ist wiederholt das Object operativer Eingriffe durch
Schuh, Salzer u. A. gewesen. Am linken Arm eines jungen
Mannes war aus geringen Anfängen eine solche beuteiförmige
Geschwulst herangewachsen, die wie ein Blutschwamm unter
der Hand comprimirt werden konnte, um sich sofort turgescirend
wieder zu füllen, und unter der Muskeln und Knochen atrophirten.
Hier (gleich wie in Czerny's Eall) waren gleichzeitig und schon
vom Beginne an, schmerzhafte Neurome in's schwammige
Gewebe des Tumors eingebettet, weshalb auch der Name Ele-
phantiasis neuromatosum (P. Bruns) dafür passen würde. Es
sind dies also pathologische Bildungen , die durch Entstehungs-,
Verlaufsweise und selbst anatomische Bedeutung von Elephan-
tiasis Arabum nicht unwesentlich abweichen, aber doch hier
erwähnt werden , weil sie zumeist imter solchem Namen vor-
geführt worden sind.
Die anatomische Untersuchung der elephantia tischen
Hypertrophie gewährt ziemlich klare Einsicht in die ihr zu
Grunde .liegenden Vorgänge. Schneidet man eine in vorge-
schrittenem Grade elephantiatische Extremität ein, so kreischt
das Messer und erscheint das gesammte subcutane Gewebe bis
auf den Knochen als eine beinahe homogene , gelblich-weisse,
fibröse oder speckige (lardace) Masse, in welcher die anatomisch
verschiedenen Gebilde, Muskeln, Nerven, Gefässe nur schwer
Elephantiasis Arabnm.
543
erkennbar sind. Bei Druck entleert sick aus der Scknittfläclie
eine Menge klarer, gelblicb-weisser Lympke. Die Cutis selbst
ersckeint etwas verdicktet, aber von ziemlick normaler Dicke,
dagegen ist die Sckickte des Unterkautzellgewebes auf das Mekr-
facke des Normalen verbreitert und bei näkerer Untersuckung
ungleickmässig besckaffen. Einzelne Stellen sind derb, weiss-
glänzend und dicktfaserig, fast scirrkös (El. dura s. scirrkosa),
andere weick, sulzig vorquellend (El. mollis s. gelatinosa) und
von seknig glänzenden Faserbalken begrenzt. Dazwiscken finden
Sick derart begrenzte Loculamente, die flüssige Lympke ent-
kalten. In gleicker Weise verdickt und verdicktet erweisen
sick die Fascien, das intermusculäre Bindegewebe, Gefäss- und
Kervensckeiden , die Nerven selbst aber nur selten degenerirt.
Die Knocken sind verdickt, sclerosirt und glatt oder mit Osteo-
pbyten besetzt, selten stellenweise usurirt, versckmäcktigt oder
nekrotisck oder cariös.
Bei der mikroskopiscken Prüfung findet man die Cutis,
bis auf Verdicktung ikrer Faserung und Pigmentreicktkum der-
selben und der Epidermis, nur dort erkeblick verändert, wo
warzige Bildungen aus derselben kervorgegangen sind, u. z
in gleicker Weise, wie bei Icktkyosis simplex und kystrix oder
bei der Warzenbildu.ng. Die scirrkösen Massen des Unterkaut-
zellgewebes besteken aus einem dickten Filze saft- und zellen-
armer Bindegewebszüge, die weicken aus jungem, saftreickem,
viele Riuid- und verästigte Zellen (Bindegewebskörpercken) ein-
sckaltendem Bindegewebe. Die Drüsen der Haut sind strecken-
weise erkalten oder auseinandergedrängt, gleick den Fettläppeken,
oder atropkisirt, das Sckweissdrüsen-Endotkel glasig gequollen
(Gay), die Muskeln entfärbt, fettig entartet. Die Arterien und
Yenen, letztere auck streckenweise tkrombosirt, grossentkeils
erweitert, sind von verdickter Adventitia umscklossen; die
Lympkgefässe jedock durckwegs , sowie die interstitiellen
Lympki'äume bis an die äusserste Spitze der Papillen erweitert
(Teichmaxx) und von Lympke erfLillt, stellenweise zu von En-
dotkel ausgekleideten (Czerny) Ampullen ausgesackt.
Analog ist der Befand bei El. scroti, zu welckem für El.
telangiektodes nock besondere Merkmale, als Ektasie und Neu-
bildung von Blutgefässen und dickbalkigen Bluträumen, sowie
(in mancken Fällen) Neurome (Czerny) zu fügen wären.
Betracktet man den Entwicklungsgang der El. Arabnm im
544
Dreinnildreissigste Vorlesung.
Vergleiclie zu den Ergebnissen der anatomisclien Untersuchung,
so fällt es vmscliwer einzusehen, dass das im Grefolge der chroni-
schen Entzündungsanfälle sich erneuernde und stagnirende Oedem
die Grundlage für die Bindegewebshypertrophie und in weiterer
Folge für die Massenverdickung des Körpertheiles und die anderen
Gewebsveränderungen abgibt. Allein nicht jede Art Oedem führt
in gleicher Weise und Raschheit zu Hypertrophie des Binde-
gewebes. Seröses Oedem , wie das durch Stauung in den klein-
sten Venen oder grösseren Venenstämmen, oder durch zu spärliche
Nierenausscheidung bedingte , taugen gewiss nicht dazu. In der
letzten Zeit sind von Cohnheim, Ranvier, Lassar, Sotnitschewsky
u. A. in der Richtung lehrreiche Versuche angestellt worden, die
zwar nicht durchwegs klare Resultate zu Tage gefördert haben,
aber doch den Unterschied niarkiren, welcher zwischen der
Durchtränkung des Gewebes mittels entzündlichem (unter Ent-
zündung aus den Gefässen exsudirtem) und der mittels mechanisch
aus normalen Gefässen ausgetretener Stauungsflüssigkeit besteht.
Hier handelt es sich um ein sogenannt lymphatisches (Virchow)
Oedem, d. i. eine an weissen Blutkörperchen reichhaltige Flüs-
sigkeit, welche in den Gewebsiiiterstitien sich aufstaut. Eine
solche führt nach mikroskopischen Nachweisen (^Young) direct
zu Neubildung von Bindegewebe, indem die farblosen Zellen
proliferirend auswachsen und sich vielfach ästig und faserig
verbinden und indirect, indem die abundante Nahrungsflüssig-
keit auch die normalen (fixen) Bindegewebselemente zur Hyper-
plasie anregen mag.
Die bekannten Ursachen der El. Ai'abum erläutern
diese Verhältnisse nur noch weiter, indem die Affection überall
da aufzutreten pflegt, wo die örtlichen Verhältnisse recidivirende
Entzündung und Stagnation entzündlicher Oedeme begünstigen,
als, für die Unterextremität : chronisches Eczem, Fussgeschwüre,
Narben, Ivnochencallus, chronische Neubildungen, wie Sj^philis
gummatosa und exquisit Lupus, narbige Constriction der Leisten-
drüsen , wahrscheinlich auch schrumpfende Exsudate und Tu-
moren innerhalb des Beckens, da ich nach Puerperien bei jungen
Frauen in kurzer Zeit entstandene hochgradige El. cruris beob-
achtet habe. Schwierig dagegen ist eine Ursache ausfindig
zu machen für die im Orient und in den Tropen, oder auch
bei uns sporadisch vorkommenden Fälle von El. genitalium.
Da muss allerdings eine ßacen- oder individuelle, oder durch
Elephantiasis Arabnni. 54o
die klimatisclieu Verhältnisse bedingte Disposition über unsere
Unkenntniss hinweghelfen. Der Eall von El. telangiektodes
von Hkcker und Czeeny war in drei Generationen einer Familie,
also erblich aufgetreten. Doch war dies, wie früher erwähnt,
nicht die gewöhnliche Form von El. Arabum. Manion beschuldigt
für einen'^Fall von El. scroti eine durch Filaria sanguinis in
den Blutgefässen veranlasste Stauung.
Zur Diao-nose der El. Arabum dürfte das Festhalten
des früher aufgestellten strengeren Krankheitsbegriftes und der
geschüderten Symptome hinreichen. Die Prognose ist nur
während der ersten Stadien der Affection relativ günstig , so
lana-e nur erst Oedem vorhanden und der Kranke in der Lage
ode? die Therapie im Stande ist, die Entzündung erregenden
Momente fernzuhalten. Nur das Oedem, nicht aber das fertig
gebüdete hypertrophische Bindegewebe kann noch zum Schwinden
gebracht werden.
Bei der Beh andlung haben die allgemeinen Massnahmen
in dem Sinne zu erfolgen. Bei El. cruris müssen vor Allem
die .etwa vorhandenen Entzündungserscheinungen, und so ott
sie neuerdings sich einstellen, nach den aUgemeinen Regeln
bekämpft werden. Horizontale Lagerung der Extremität wahrend
der örtlichen Temperaturssteigerung und Schmerzhaftigkeit,
AppHcation von Kälte , später von warmen , sogenannt „ver-
theilenden" Fomentationen und lauwarme Bäder sind da am
zweckmässigsten. Complicirende Geschwüre, Eczem, warzige
Auswüchse werden mit den bekannten Mitteln (Salben, Ver-
bandwässer, Aetzmittel) besorgt, auflagernde Schuppen und
Krusten erweicht und abgelöst und die Kranken angehalten.
Alles zu vermeiden, was neuerdings Entzündung erregen
und das Oedem steigern könnte. Die nächste Aufgabe be-
steht in dem Streben, durch Resorption des ödematosen
Infiltrates eine Volumsabnahme der Extremität zu bewirken.
Methodische Einreibungen von Ungu. cinereum, Ungu. Juniperi,
in Verbindung mit fleissigen lauwarmen Fomentationen und
Bädern und horizontaler Lagerung des Beines mindern oft m
wenigen Tagen wesentlich die Härte und den Umfang der Giied-
masse. Ein Weiteres leistet dann ein Druckverband, der jedoch
nur angelegt werden kann, wofern keine acuten Entzündungs-
erscheinungen zugegen sind. Eine Flanell- oder Kautschuk-
binde, besser noch, nach Hebra, eine Calicotbinde, die vorher
Kaposi, Hantkrankheiten.
546
Dreiimddreissigste Vorlesung.
in "Wasser getaucht worden, wird von den Zelien nach aiif'wärts
bis über die elephantia tische Partie hinauf in möglichst ebenen
Touren stramm angelegt und da unter derselben der Umfang
des Gliedes rascli abnimmt, in den ersten Tagen 2 — 3mal er-
neuert. Nach möglichster Verdrängung und Resorption des
Oedems bleibt nur noch jenes Volumsübermass zurück, das auf
Rechnung der Bindegewebshypertrophie zu setzen ist. Man
hat nun vielfach durch Verminderung der Blutzufuhr diese zu
beschränken versucht, durch methodische Compression der Art.
femoralis oder (seit Caknochan, 1851) Unterbindung dieser und
selbst der Art. iliaca. Abgeselien von den Fällen, welche hiebei
an Grangrän und Pyämie zu Grrunde gingen, ist auch in den
anderen mu^ so viel Besserung eingetreten, als die nach solchen
Operationen nothwendig durch mehrere Wochen fortgesetzte
horizontale Lagerung an und für sich , i. e. durch Oedem-
verminderung bewirkt haben mochte. Unter solchen Umständen
möchte man bei hochgradiger Elephant. cruris beinahe für
die Amputation plaidiren, durch welche das Individuum auf
einmal von der unbrauchbaren und behindernden Gliedmasse
befreit und in die Lage gesetzt würde, einen bequemen Stelz-
fu.ss zu gebrauchen. Leider ist auch dieses Resultat nicht
sicher, da bisher die meisten Kranken an den Folgen der Am-
putation gestorben sind.
Elephantiasis der Genitalien und aiiderer Regionen ist
nur mittels Operation zu beseitigen und es sind seit Gaetani-
Bey die Methoden der Operation für El. scroti derart vervoll-
kommnet worden, dass selbst die colossalsten Geschwülste mit
Erfolg beseitigt werden können. Die Excision hat mit der
Vorsicht zu geschehen, dass für Penis und Testikel genügend
grosse Decklappen zurückbleiben.
Circumscripte Bindegewebsliypertrophien.
Die aus umschriebener Bindegewebshyper-
trophie der Haut hervorgehenden Krankheitsformen er-
scheinen als rothe, warzige, einfach oder zusanuuengesetzt
lappige , blumenkohlartige , massig und bi^ zu mehrere
Centimeter emporragende, stellenweise trockene, meist ein
dünnes, klebriges und bald übelriechendes Secret absondernde,
wenig empfindliche Auswüchse der Haut, welche beschränkte
Stellen oder grosse Flächen occupiren und nach äusserem
Papilloma. 547
Ansehen und anatomischem Bau in's Colossale vergrösserte
Papillen vorstellen — Papillome. Ihr anatomisches
Gefüo-e entspricht also vollständig dem für die einfachen
xmd '^zusammengesetzten Warzen (Fig. 29), die papillären
Auswüchse bei Ichthyosis hystrix (Fig. 30) uild Dermatitis
papillaris capiUitii (Fig. 27) geltenden Schema: einfache
oder dendritisch verzweigte Bindegewebskegel , deren Axe in
Stamm und Aesten von einem mächtig erweiterten und ent-
sprechend verzweigten Capillargefässe durchsetzt, während
deren Oberfläche von einem proliferirenden Eete bedeckt wird.
Bei lebhafter Wucherung der Gebilde wird deren Epidermis,
unvollkommen verhornt, als schmutziger Detritus oder durch
Bläschenbildung abgehoben und abgestossen, alsdann liegt das
Rete, stark nässend, abwechselnd incrustirt, zu Tage miä ist
der Bingewebsstock saft- und zellenreich. Bei den stationären
Formen bildet sich eine mächtige Hornschichte, wie bei Ichthyosis
hystrix , xmd. ist das Bindegewebe des Gerüstes grobfaserig,
engmaschig und zeUenarm, bisweilen sogar scirrhös.
Von den angebornen und als Naevi p apillomato si
zu geltenden Formen abgesehen, gehören diese anatomisch con-
gruenten Formationen klinisch sehr difiFerenten Processen an.
Einer derselben ist von Sauvages (1786) als Framboesla in die
Pathologie eingeführt worden, worunter eine angeblich in West-
afrika und Westindien heimische (dort „Plan", hier „Yaws" ge-
nannte) Krankheit verstanden wurde, welche diirch die Entwick-
lung von maulbeer- oder himbeer artigen, nässenden Auswüchsen
sich charakterisirte und nach Einigen syphilitischen, nach An-
deren idiopathischen Ursprunges sein sollte. Alibert hat für Fram-
boesla den Namen Mykosis (framboesioides et syphiloides —
daneben noch fungoides) und später Plan substituirt und die
Aifection zur Syphilis gerechnet. Spätere Erfahrungen haben
aber ergeben, das Framboesia geradeso als Sammelbegriff für
sehr differente, theüs syphüitische, theüs anderweitige, allerdings
meist mit papUlären Bildungen vergesellschaftete chronische
Infiltrations- und Ulcerationsprocesse der Haut missbraucht
worden war, wie die Namen „Sivvens" für in Schottland, „Ra-
desyge" in Norwegen, „Falcadina" in Istrien u. m. A.
angeblich endemische Krankheitsformen, welche für die fach-
kundigen Aerzte sich sofort als gar nicht fremdartig, sondern
der Syphilis, Scrophulose, dem Lupus und anderen bekannten
;-55*
548
Dreiunddreissigste Vorlesung.
Processen aiigehörig erwiesen liaben. Indem somit die patlio-
logisclien Objecte für jene Namen abhanden gekommen waren,
mnssten aticli diese selbst aus der Pathologie scliwinden. Um
bezüglicli der Framboesie ein concretes Beispiel anzuführen,
so hat Alibert als Prototyp des „Pian ruboid" , demnach in
der nach diesem Autor allgemein angenommenen Bedeutung
von Framboesie und Syphilis, jene interessante Krankheitsform
des Nackens und Hinterhauptes beschrieben und abgebildet,
welche nach meinen Beobachtungen und mikroskopischen Unter-
suchungen (s. pag. 464) einen idiopathischen, nicht syphi-
litischen , chronischen , zu Papillombildung und später zu
scirrhöser Bindegewebshypertrophie fübrenden Entzündungs-
process darstellt.
In der Mehrzahl der einschlägigen Fälle handelt es sich
um secundäre Formationen , um exuberirendes Auswachsen
der Hautpapillen, oder (auf eiternden Wundflächen) der Grranu-
lationen über einer cbronisch entzündlich, oder neoplastisch
infiltrirten, oder eiternden Haiitstelle. Hieher gehören die bei
Sycosis, Eczem und ulceröser Syphilis des behaarten Kopfes,
über cariösen Knochen, auf und neben chronischen Fuss-
geschwüren üppig wachsenden Wucherungen und als häufigste,
die auf Lupus und ulcerirenden Syphiliden sich, erhebenden
und diese selbst oft überdauernden, warzig-drusigen Excrescenzen.
Es ist daher sachgemäss, solche Formen nach dem G-rund-
processe , allenfalls mit Beifügung eines die Complication be-
zeichnenden Adjectivs, zu benennen , als : Lupus papillaris s.
framboesioides, Syphilis vegetans s. framboesioides. Manchmal
bleiben nacb Erlöschen des Grrundprocesses die papillären Aus-
wüchse als derbbindegewebige , öfters von interstitieller Ent-
zündung und AbscessbildiTng heimgesuchte Greschwülste zurück.
Diese mögen dann allerdings für die Diagnose bisweilen eine
Verlegenheit bilden, über welche aber die Aufstellung eines
umschreibenden Krankheitsnamens („entzündliches Hautpapil-
lom", RosER, Weil) nicht hinaushilft. Doch kann man auch
da noch zumeist die ursprüngliche Quelle (Caries, Lupus.
Syphilis) aus Nebenumständen erschliessen , oder zweifellos
eruiren, wie jüngst an einer auf v. Dumreicher's Klinik beob-
achteten, die Nates occupirenden, drusigen Greschwulst, in deren
Nachbarschaft spärliche, aber unverkennbare Lupusknötcheu
demonstrirt werden konnten.
Papillonia.
549
Es sind aber einzelne Fälle über den Körper zerstrevit,
luid obne ariffindlicbe Ursacbe aufgetretener, beerscbwamm-
ähnlicber Auswüchse von Bazin, Köbner, Wegscheidee, L.
:Meyer und zweimal an der HEBBA'schen Klinik beobachtet
worden, deren nosologische Bedeutung noch unaiifgeklärt ist.
Bei den von uns beobachteten Kranken entwickelten sich die
Wucherungen sehr rapid an den verschiedensten KörpersteUen,
vorwiegend an den Gelenksbeugen, nachdem vorher die Haut
etwas geröthet, nässend oder mit Bläschen besetzt worden war,
und haben die Vegetationen von den einzelnen Herden aus sich
peripher ausgebreitet, im ersten Falle bei gleichzeitiger Invo-
lution der centralen Partien, im zweiten bei Persistenz auch
der ursprünglichen Proruption. Einzelne der bekannt gewor-
denen FäUe dürften in die Kategorie der in den letzten Jahren
uns vorgekommenen allgemeinen Sarcomatosis gehören, während
bei anderen das unbegrenzte Wachsthum solcher fungöser Vege-
tationen und das Ausbleiben ihrer Ueberhäutung vielleicht als
Ausdruck eines meist tödtlichen Marasmus genommen werden
könnte. Wenigstens entspräche diese Auffassung auch der
Erfahrung, dass all' die letztgenannten Formen, zu denen auch
z. B. Pemphigus vegetans crouposus (pag. 477) zu zählen wäre,
stets imgünstig verlaufen; dass keinerlei allgemeines oder ört-
liches Verfahren die ßecrudescenz und Vermehrung der Wuche-
rungen zu verhindern vermag und die Kranken um so rascher
zu Grunde gehen, je üppiger und zahlreicher die warzigen
Büdungen aufschiessen , und je weniger es über denselben zu
einer stabilen Epidermisbildung kommt.
Die früher erwähnten consecutiven Papillomformen dagegen
haben nur eine ihrer QueUe und Ausdehnung entsprechende
örtliche Bedeutung. Wofern sie nicht mit dem Grundprocesse
(Syphilis, Lupus etc.) und auf die gegen letztere wirksamen
Heüverfahren , z. B. Empl. hydrargyri, antisyphiUtische All-
gemeincuren, sich involviren, können dieselben nach den für
die Behandlung der Warzen geltenden Methoden (Aetzeu,
SchablöfEel, Exstirpation) beseitigt werden.
YII. 0 lasse.
Atrophiae,
In Gewebsschwund besteherde Hautkrankheiten.
Yi er un d dreis si g ste Yorlesimg.
Allgemeines über Atrophie. Pigmentatrophie, der Epidermis,
angeboren: Albinismus; erworben: Vitiligo. Pigmentmangel der H aa r e,
angeboren, erworben, Canities praematura, senilis. Atrophie der
Haare: Alopecia, adnata, aequisita , idiopathiea et symptomatiea,
Specielle Formen: AI. senilis, AI. praematura; AI. areata, AI. neurotica.
Atrophie, einfacher oder degenerativer Gewebsschwund,
und die im Resultate ihr gleichbedeutende mangelnde oder
mangelhafte Anbildiing einzelner Cntiselemente ergeben
pathologische Zustände, welche zum Theile einen geraden
Gegensatz der Hypertrophien, znm Theile jedoch ganz eigen-
artige Krankheitsformen darstellen. Gleich der Hj'pertrophie
betrilFt auch die Atrophie entweder ausschliesslich, oder vor-
waltend einzelne Elemente der Haut, Pigment, Haare, Nägel,
oder den Bindegewebsstock der Cutis mitsammt den Gefässen
und Drüsen. Darnach theilen wir die hieher gehörigen Krank-
heitsformen in die Gruppen : Pigmentatrophie , Atrophie der
Haare, Atrophie der Nägel luid eigentliche Hautatrophie.
Pigmentatrophie,
Achromatia, Leucopathia, bedeutet den Abgang der
den Horngebilden der Haut, d. i. der Schleimschicht und den
Haaren normalmässig zukommenden gelb-, dunkelbraunen bis
schwarzen Färbung, welche Gebilde alsdann weiss und grau
entfärbt erscheinen. Beide Zustände treffen zuweilen zusammen,
kommen aber meist getrennt vor.
Albinismus. VitUigo.
551.
Pigmentmangel der Epidermis
beilingt glänzend- oder mattweises Ansehen der Haut —
Lencodernia, Achromatia — und rosiges Durchsclieinen der
ßlutinjection. Der Ziistand ist entweder angeboren —
Albinismus, oder erworben — Vitiiigo.
Lencodernia congeniale ist entweder über die ganze
allgemeine Decke verbreitet — Albinismns universalis,
oder nur auf einzelne HautsteUen beschränkt - Albinismus
partialis. Der er st er e bildet die Eigentkümlickkeit der
sogenannten Albinos (Kakerlaken, Dondos), bei welchen nebst
der Haut auch die Haare , Iris und Chorioidea des Pigmentes
ermangeln, daher nebst der hellweissen oder rosig durch-
scheinenden, meist zarten Haut auch die Haare gelb- bis flachs-
weiss, zugleich seidenartig, Iris und PupiUe dagegen (in Folge
Reflexion des Lichtes) roth erscheinen und hochgradige Licht-
scheu nebst Nystagmus zugegen sind. Man kennt nicht die
Ursache dieser Bildungshemmung, die das ganze Leben hin-
durch unverändert fortbesteht. Wir wissen, dass normal
pigmentii'te Eltern Albinos zeugen können ; dagegen fehlt es
an Erfahrungen darüber , ob von Albinos- Eltern die Anomalie
sich auf die Nachkommen vererbt. Unter den Negerracen (bei
welchen nach Beigel manchmal Halberbleichen der dunklen
Färbung — Semi- Albinismus — vorkommt) findet sich Albinis-
mus häufiger als bei den hellgefärbten Eacen, wie denn jene
überhaupt für Pigment- Alienationen mehr Disposition zeigen,
so z. B. auch für
AI b i n i s m u s p a r t i a 1 i s , d er ein Analogen der Schecken-
bildung bei Thi eren vorstellt, indem von Geburt an einzelne Haut-
stellen, meist des behaarten Kopfes, der Grenitalien, in Form von
Flecken oder Streifen weiss, pigmentlos erscheinen und bleiben.
Die derart scheckigen Neger werden gjs Elster-Neger, negres
mouclietes, negres pies, piedes negro, bezeichnet. Nicht selten
bleiben auch die im Bereiche solcher Flecke wachsenden Haare
weiss (Poliosis). Meist nnregelmässig situirt , sind doch auch
die albinotischen Flecke und Streifen zuweilen symmetrisch
angeordnet, oder dem peripheren Nervenverlaufe entsprechend ,
genau wie manche Pigment- und Warzenmäler ; ja sie begleiten
oft solche, so dass weisse und dunkle Streifen nebeneinander
552
Vierunddreisisigste Vorlesung.
laufen. Ueberhaupt gelit Pigmentatrophie mit Pigmenthyper-
tropliie gewissermassen complementär häufig nebeneinander.
Albinismus partialis ist wie A. universalis meist stationär,
ändert sich jedoch in manchen Fällen durch Fortsehreiten des
Pigmentschwundes und erweist sich zuweilen erblich.
Leucoderma acquisitum entsteht entweder idio-
pathisch oder consecutiv und symptomatisch. Die idio-
pathische Form, Vitiligo, Achroma Vitiligo, kommt eben-
falls bei Negern häufiger vor, ist aber doch unter der kaukasi-
schen Race nicht selten. Ohne bekannte Ursache, ohne jegliche
örtliche Empfindungs- oder merkliche Ernährungsstörung ent-
stehen an einer oder mehreren Stellen des Körpers pfenuig-
bis kreuzergrosse , blasse (pigmentlose) Scheiben , während die
unmittelbar angrenzende Haut sich dunkelbraun färbt. Es ist,
als wäre der Farbstoff von jenen Centren nach der Peripherie
geschoben worden. Auch die Haare erbleichen zumeist inner-
halb der weiss gewordenen Flecke. Binnen Monaten und Jahren
schreitet die Entfärbung stetig und in der gleichen Weise vor,
indem die weissen Stellen zu grossen runden oder ovalen,
convex begrenzten Scheiben werden, während die dunkelgefärbte
Nachbarschaft mit concaven Rändern jene einschliesst. Für
das Auge kehrt sich mit der Zeit die Contrastwirkung um.
Während Anfangs die kleinen weissen Scheiben mitten auf der
normal- und dunkelgefärbten Haut höchst auifällig sind, das
Gresicht z. B. scheckig, die Finger weiss und braun geringelt
erscheinen lassen, sind es später, wenn einmal die Entfär-
bungsflächen sehr ausgedehnt geworden , die dunkelpigmentirten
Zwischenstellen, die mehr auffallen, so dass der Unerfahrene
die weissen Stellen für normal gefärbt und die dunkeln für
die afficirten zu halten geneigt wäre. Nach dem, was ich an
einem 56jährigen Manne erfahren, kann der Process nach
vielen Jahrzehnten endlich fast über den ganzen Körper sich
erstrecken , da bei dem genannten Kranken bis auf wenige
schmale dunkle Pigmentstreifen an den periphersten Körper-
theilen die ganze übrige Haut entfärbt war.
Die leucopathische Haut ist im Uebrigeji nicht im mindesten
verändert , glatt , geschmeidig , normal functionirend und
empfindend.
Die Diagnose der Vitiligo ist nach ihren aufTälligen
Symptomen leicht zu machen. AVenn dieselbe in Lepra-
Pigment.atrophio. Yitiligo.
553
Gegenden zuweilen mit Lepra verwechselt wird, so liegt dies
tlieils in dem Umstände , dass ancli bei dieser Krankheit weisse
und dunkle Verfäi-bungen vorkommen, theils in dem alten
Vorurtheile, dass man das „Zaraath" der Bibel, bei welchem
„die Hantstelle weiss und das Haar in derselben weiss gewor-
den", bis lange für Lepra verstanden hat. Das hier in Rede
stehende Uebel gestattet zwar keine günstige Prognose, in-
soferne dasselbe unheilbar und unbeschränkbar ist, allein es
hat auch andererseits bis auf die in ihm liegende Verunschönung
nicht den geringsten Einfluss auf das Gresammtbefinden oder
die übrigen Functionen der Haut. Die anatomische Ver-
änderung bei Vitiligo besteht einzig und allein in dem Mangel
der Pigmentkörnereinlagerung der tiefen ßetez eilen, entsprechend
den entfärbten Flecken, während an den complementären dunkel-
gefärbten Hautstellen im Gegentheil das ßete reicheren Pig-
mentgehalt aufweist. Als Ursache der Vitiligo ist in manchen
Fällen allgemeine Innervationsstörung, z. B. nach
erschöpfenden Krankheiten, geltend gemacht worden. Ueber-
wiegend jedoch sind die Betroffenen gesunde Lidividuen mitt-
leren Lebensalters und es ist geradezu für die meisten Fälle
der Vitiligo migrans keine plausible Ursache erdenkbar. Häufig
dürften wohl örtliche Momente die veranlassende Ursache
abgeben. Als solche möchte ich jede Art von Verschiebung in
der normalen Vertheilung des Pigmentes , und jede Art An-
regung zu lebhafterem Umsatz desselben ansehen. Da kommt
es entweder sofort, oder auf dem Umwege der Pigmenthyper-
trophie zu Pigmentschwund. So nimmt bekanntlich Vitiligo
häufig ihre Entstehung von Pigmentmälern und entstehen fix
bleibende, oder später fortschreitende Decolorationen iinter dem
Drucke von Bandagen, oder ausgehend von Brand- und Ge-
schwürsnarben. In letzteren Fällen geräth eben das Pigment in
den dem Rückbildungsprocess der Narben eigenthümlichen
Resorptionsstrom , dem auch andere Gewebselemente (InfiJtra-
tionszellen , Bindegewebskörperchen) zufallen.
Li die letzterwähnte ursächliche Kategorie gehören die
concomitirenden und consecutiven Vitiligoformen , welche
sich aus entfärbten und pigmentirten Flecken kaleidoskopartig
zusammensetzen, bei Xeroderma, Sclei'o derma , Lepra, sowie
die Entfärbungen , welche nach Resorj)tion von entzündlichen
und neoplastischen Infiltraten und deren Pigmentresten zurück-
Vierunddreissigste Vorlesung.
zubleiben pflegen, nach Furunkeln, Variola, Lupus, syplii-
litischen Papeln, den sogenannten Scbwangerscliaftsnarben
u. s. w. Räthselliat't bleibt es aber immerhin, weshalb auch
in solchen Fällen zuweilen die Pigmentatrophie fortschreitet,
oder gar auch andere Hautstellen befällt. Dass aber an den
von den letztgenannten Processen betroffenen Hautstellen in
der Ausdehnung der örtlichen Läsion fixe Decoloration ein-
tritt , ist begreiflich , da ja mit der Atrophie der Papillen auch
das pigmentproducirende Gebilde verloren gegangen ist.
Die directe Behandlung der Leucopathien , welcher
Art immer, hat sich nach den bisherigen Erfahrungen erfolglos
erwiesen. Wir können zwar durch gewisse Hautreize, wie durch
Canthariden, auf den Vitiligo-Flecken stärkere Pigmentirung
veranlassen, aber diese entspricht nicht dem normalen Haut-
colorit und verschwindet auch bei Vitiligo neuerdings. Dagegen
vermögen wir das scheckige Ansehen der Haut, die Contrast-
Erscheinung der hellen und dunkeln Flecke, dadurch zu besei-
tigen, dass wir die pigmentirten Stellen, also die eigentlich
gesunden, behandeln, indem wir sie durch die gegen Pigment-
flecke (pag. 505) angeführten Mittel entfärben. Ein solches
Verfahren kann für die Frühstadien der Vitiligo des Gesichtes
und der Hände und Achroma partiale erwünscht sein.^
Innerliche Mittel, Arsen, Eisen, beeinflussen nicht im
Geringsten den Process der Vitiligo.
Atrophie des Haarpigmentes
kommt als Ergrauen der Haare, Canities, Poliosis,
zum Ausdruck. Die Haare erscheinen g r a u- bis s i 1 b e r w e i s s.
Angeboren kommt der Zustand, allgemein und partiell, ent-
sprechend dem Albinismus vor ; doch findet man auch von
Geburt ab partieUe Poliosis, ein Büschel hellweisser oder grauer
Haare mitten im dunkel gefärbten Kopfhaare, ohne gleich-
zeitige Entfärbung des betrefi'enden Hautfeldes.
Im extrauterinen Leben erworben erscheint abnormer
Weise das frühzeitige Ergrauen — Canities prae-
matura — Kopf- und. Barthaar allgemein betreffend, oder
als partielle Poliosis in Folge individueller oder, in manchen
Fällen erblicher Disposition, oder nach intensiven physischen und
moralischen Leiden, selten auch an den nach dem Effluvium m
Pigmeutatrophie. Ergrauen.
555
Folge von Typhus, Erysipel u. A. wiedererzeugten Haare.
Das frühzeitige Ergrauen schwindet in seltenen Eällen durch
Nachwuchs von pigmentirten Haaren. Meist ist dasselbe blei-
bend, gerade so wie das phy siologis che Altersergrauen
— Canities senilis — bei welchem in der Regel die grauen
Haare zuerst an der Schläfegegend, erst später auch an anderen
Stellen des Kopf- und Barthaares sich zeigen, bis dann all-
mälig, d. i. binnen mehrerer Jahre, zum grössten Theil, oder
allesammt die Haare der genannten Regionen, sowie auch des
Körpers erbleicht sind.
Die anatomische Grundlage all' der genannten Formen
der Haarbleichung ist dieselbe. Die normale Pigmentirung der
Haare beruht bekanntlich auf der Einlagerung von dunkel-
bis gelbbraunen Pigmentkörnern in und zwischen die Zellen
der Haarrinde und die Farbennuance, schwarz, braun, blond,
roth, hängt von der Menge (Dichtigkeit) und Vertheilung dieses
Pigmentes ab. Die Matrix für die PigmentbeschafFung des
Haares bildet dessen Papille, geradeso wie für das Pigment
der Epidermis die Papillen der Haut, und die Constanz der
Färbung jedes einzelnen Haares beruht darauf, dass dessen
Papille stetig Pigment neu erzeiige. Dadurch gewinnen zunächst
die jungen Zellen der Haarzwiebel Pigmentgehalt und dieselben
führen diesen mit sich, indem sie im Wachsthum des Haares
vorgeschoben und zu Haarrindensubstanz sich anreihen und
verhornen. Bei den angeborenen Formen der Poliosis fehlt eben
den Haarpapillen (bei Albinismus zugleich auch den Haut-
papillen) von Haus aus die pigmentbildende Function und bei
dem späteren Ergrauen sind die Haarpapillen dieser Eigen-
schaft plötzlich (bei Vitüigo), oder allmälig verlustig geworden,
sei es in Folge einer allgemeinen Ernährungs- oder Inner-
vationsdepression (wie nach Krankheit, Gram, intensiver Arbeit),
oder einer örtlichen Zerstörung der Papillen (wie im Bereiche
von Narben), oder des senilen Gewebsschwundes. Das Ergrauen
besteht also nicht in einem Erbleichen des schon fertigen
und pigmentirten Haarschaftes, sondern in dem Nachspriessen
eines zunächst pigmentarmen, und allmälig" eines pigmentlosen
lind alsdann grauen Haarstückes. Werthebi hat neuerlich
diese Verhältnisse genauer studirt. Beim Altersergrauen findet
man stets Haare, deren Spitzentheil noch dunkel und deren
Basaltheil schon pigmentarm erscheint.
55(^ Vierunddreissigste Vorlesung.
Ja aus einzelnen Follikeln spriessen vor dem gänzlichen
Ergrauen braun- uüd graugeringelte Haare, ein Beweis, dass
deren Papillen vor der gänzlichen Sistirung ihrer Pigment-
production dieser schubweise wieder fähig gewesen sind. Da
also die eiiizelnen Haare nur in ihrem nachgeschobenen Theile,
demnach auch nur in der Zeitproportion ihres physiologischen
Nachwachsens, d. i. binnen Wochen ergrauen , so können auch
die Erzählungen von „plötzlichem", „über Nacht" entstandenem
Ergrauen, das man an Schiffbrüchigen, zum Tode Verurtheilten
u. A. gesehen haben will, nur auf unrichtiger Beobachtung
beruhen. Denn es ist physiologisch undenkbar, dass die in den
ausgewachsenen Haaren befindlichen Pigmentkömer plötzlich
verschwinden und die Behauptung, dass unter Einfluss von
Schreck, Todesfurcht etc. in dem fertigen Haare sich G-ase
entwickeln, eben so wenig stichhältig wie die, dass solche Gras-
oder Luftblasen das Pigment verdecken; denn auch viele der
normalgefärbten Haare enthalten Luft.
Die Behandlung des Ergrauens der Haare kann nicht
den Zweck verfolgen, die Haarpapillen zu neuerlicher Pigment-
erzeugung zu vermögen, sondern nur den Ausfall an Farbstoff
durch künstliche Färbung der Haare zu decken. Obgleich
dieser Aufgabe die professionelle Kosmetik sich längst bemächtigt
hat, ist es doch für den Arzt zweckmässig, die von ihr ge-
brauchten Haarfärbemittelzu kennen. Das gebräuchlichste
derselben ist Silbersalpeter, dessen Lösung je nach seinem
Concentrationsgrade die Haare in verschiedener Nuance braun
bis schwarz färbt, indem das Silberoxyd unter dem Einflüsse
des Lichtes reducirt wird. Vor dessen Application werden die
Haare mittels Seifenwaschung gut entfettet. Die Schwarzfärbung
der mit Silberlösung unvermeidlich benetzten Haut verbittet
man durch sofortiges Waschen derselben mittels Kochsalz-
lösung oder Cyankali. Viel in Gebrauch sind combinirte Apph-
cationen von Silber- oder Bleisalzlösung, auch Eisensalz mit
Schwefelleber. Man bürstet die eine Lösung auf die Haare
lind nach deren Eintrocknen die zweite. Durch richtige Com-
bination der Menge und Concentration der Flüssigkeiten erzielt
man bei gehöriger Technik das gewünschte HeUbraun bis
Schwarz oder Gelbroth. Verschieden nuancirte bis glänzend
schwarze Färbung der Haare lässt sich nach Dr. J. E. Pol..k s
Demonstration durch die bei den Persern in Gebrauch stehende
Atrophie der Haare. Alopecia.
557
Henna indica (Papillionacee) erzielen, indem deren Pulver mit
AVasser zu einer Paste gerieben auf die Haare gebracht wird,
worauf dann Indigopulver ebenso unter halbstündiger Einwir-
kung von Wasserdampf aufgestrichen wird. Selbstverständlich
müssen alle Haarfäi-beraittel ebenso oft neu aufgetragen werden,
als die Haare grau nachschieben. Ich gebe hier einige Pormeln :
(/) Zum Schwarz färben: ßp. Agent, nitr. 1; Ammon.
carb. 1,50; Ungu. emoU. 30; Rp. Argent. nitr. 1,25; Aquae
dest. 60 ; Liqu. hydrarg. nitr. oxyd. ; Spirit. Resedae ^ 5 ;
Rp. Argent. nitr. 5. Plumb. acet. 1 ; Aqu. Rosar. 100 ;
Aqu. Coloniensis 1. Zu combinirter Anwendung: Rp. Argent.
nitrici fusi 5 ; Aqu. dest. 50 ; Sig. N. I. Acid. pyrogallici 3 ;
Aqu. dest. 40 ; Spir. vini rectif . 1 0 ; Sig. N. II. ; oder Argent.
niti;. fusi 8 ; Aqu. dest. 70 ; Sig. N. I. Hepat. sulf. 8 , Aqu.
dest. 70 N. II. h) Zum Braunfärben: Acid. pyrogall. 1 ; Aqu.
Rosar. 40, Spir. Colon. 2. Populär ist auch das Einreiben der
Haare mit „Schwefelbalsam" (Schwefel mit Eidotteröl abge-
rührt), worauf „Essigbrühe" (Essig-Eiseurost) eingewaschen wird.
Durch alle fetten Oele : Oleum nucum juglandis, Ol. Macis, Ol.
Cassiae etc. bekommen die Haare eine dunklere Eärbung und
sie können pn.r oder als Pomade empfohlen werden ; z. B. Olei
ovorum; Medull. ossium bovis "aa 20, Lact. ferril,50; Ol. Cassiae
aeth. 1. Sig. Haarfärbemittel. (PfafF.) Einen Nachtheil für die
Gesundheit, wofern nicht ihre ungeschickte Anwendung Eczem
erzeugt, haben die metallischen Haarfärbemittel ebenso wenig
wie die vegetabilischen.
Atrophie der Haare
begreift jede Art krankhafter Störung in dem typi-
schen "Wachs thiim der Haare. Eine solche kann in einer
Alteration des gesammten „Haarwuchses", oder in einer
Structurveränderungder einzelnenHaare zum Aus-
drucke gelangen.
Mangelhaften Haarwuchs, welcher Ursache und
Form immer, bezeichnen wir als
Alopecia.
Celsus hat so jegliche Form von Kahl h ei t oder
Kahlwerden im Bereiche des Capillitium und des Bartes ge-
nannt. Die Kahlheit, Calvities, stellt aber zumeist nur
558
Viarunddreissigste Voi'lesung.
das Endresultat eines combinirten Processes vor, des abnorm
reicbl loben Haarausfalles (Effluvium s. Defl avium, s. Lapus
pilorum Psilosis), mit dem ein insufficienter Nacbwuchs der
Haare Hand in Hand gebt, so dass unter solcben Umständeji
aucb diese patbologiscben Erscbeiiiungen mit in den Begriff
der Alopecie atifgenommen werden müssen. Diese umfassende
Bedeutung der Alopecie scbeint zutreffender, als die bescbränk-
tere , welcbe mancbe Autoren derselben gegeben , indem man
nur das zerstreute Ausfallen der Bart- und Ivopfbaare darunter
versteben wollte und für andere Formen der KabDieit nocb
besondere Bezeicbnungen aufstellte, als : Pbalacrosis s. Calvities
für Kablbeit des Vorderkopfes; OpHasis (Celsus) für einen
quer über den Scbeitel zu beiden Obren laufenden baarlosen
Streifen; Opistopbalacrosis für Kablbeit des Hinterbaupie^,
Hemipbalacrosis für balbseitige Kablbeit; Anapbalantiasis.
Verlust der Augenbrauen ; Alopecia areata s. Area Jonstoni, m
Scbeibenform auftretenden Haarverlust; Madesis s. Madarosis
(Rar-, Scbütter-) Dünnerwerden der Haare.
In Berücksicbtigung der wesentlicbsten Symptome , der
begleitenden und ursäcblicben Momente, dürfte die folgende
Erntbeilung für die mannigfacben Formen der Alopecie
sieb empfeblen :
Alopecia adnata, angeborener mangelhafter Haar-
wucbs, als spärlicbe oder gänzlicb mangelnde Bebaarung -
Oligotricbia et Atricbia — u. zw. partialis oder uni-
versalis. Der Zustand ist selten bleibend, meist spriessen die
Haare verspätet nacb. Diese A. stellt also eine Bildungs-
bemmung vor und ist oft mit zögernder Zalimmg vergesell-
scbaftet.
Alopecia acquisita, im Verlaufe des extrauterinen
Lebens entstandener Haarverkist, erscbeüit als Alters-Haar-
scbwund — A. senilis, und frübzeitiges Kablwerden -
A. praematura. . , j
Alopecia senilis beginnt mit dem vorruckenden
Lebensalter. Meist scbwinden zuerst die Haare von der Stirn-
grenze des Capillitium, so dass in demselben Maasse die Stirne
o-eo-en den Scbeitel sieb verlängert (Greisen-Stirne). Ist mit
Ei^reicbung des Greisenalters die Kablbeit fertig gedieben, so
erstreckt sieb dieselbe auf einen Bezirk, der von der oberen
Stirngrenze bis über den. Wirbel und seitlicb bis etwa zur
1
Alopecia areata.
559
Mitte der Selieitelwandbeine reicht, wälirend Hinterhaupt und
seitliche Schcädel- und Schläfegegend den Haarwuchs behalten.
Die kahle Haut erscheint glatt, gespannt, glänzend (daher
„Glatze"), oft fettig, verdüimt. Die Follikelmündungen sind
in den späteren Jahren schwer erkennbar , da und dort von
einem Wollhärchen besetzt. A, senilis betrifft imgleich häufiger
männliche als weibliche Personen. Dem Ausfallen der Haare
geht meist Ergrauen voraus, doch ist Letzteres sicher nicht
die Ursache des Ausfallens. Bart- und Schamhaare werden vom
Altersschwund nur in geringem Grade befallen.
Die verminderte Anbildung, welche im Greisenalter auch
in anderen Systemen sich geltend macht, mag auch für
A. senilis die nächste Ursache abgeben , wobei doch be-
merkenswerth , dass Alterskahlheit bei weiblichen Personen
seltener vorkömmt.
Die anatomischen Verhältnisse der kahlen Haut
sind nicht derart, dass sie als directe Veranlassung des Haar-
ausfalles, und vielleicht mit eben so viel Recht als Consequenz
desselben angesehen werden könnten. Die Erscheinungen der
Atrophie finden sich nämlich nicht an kurz vorher kahl
gewordenen, sondern nur an den schon jahrelang des Haar-
wuchses verlustigen Stellen. Auf mikroskopischen Schnitten
zeigen sich die Talgdrüsen streckenweise geschrumpft, an
anderen Partien erweitert , die Haartaschen von Epithelial-
schollen, den degenerirten Haarwurzelscheiden, erfüllt, die oft
eia dünnes Härchen einschliessen, ia vielen Follikeln die Papille
geschwunden, ebenso wie die Fettläppchen, das Corium ver-
dünnt, die Büidegewebsbündel verschmächtigt , deren Fasern
stellenweise glasige oder colloide Entartung, Fettkörnchen-
trübung zeigend , nebstdem herdweise körnige Pigmentein-
streuung.
Alopecia praematura, das frühzeitige Kahlwerden,
erscheint idiopathisch oder symptomatisch.
A. praematura idiopathica charakterisirt sich als
ohne nachweisliche Erkrankung des Haares oder der Follikel,
oder des Haarbodens (der Cutis) auftretendes Kahlwerden.
Solches kann man unter verschiedenen Verhältnissen beobachten.
Doch mangelt diesen Formen von Alopecie jene Beständigkeit,
Avelche zur Construirung eines typischen Krankheitsbüdes noth-
wendig wäre, mit Ausnahme einer einzigen Form, der
560
Vierunddreissigsto Vorlesung.
Alopecia tireata.
Sau VAGES führt zuerst unter diesem Namen und dem
Synonym Area Jonstoni, eine Form der Alopecia an,
bei welcher die Haare in Form von Scheiben (per areas
tantum) verloren gehen. Celsus hat dies Kahlheitsbild unter
seinem Capitel „de areis" nicht begrifien und wahrscheinlich
gar nicht gekannt. Der bei den Autoren beliebte Name Area
Celsi für das in Rede stehende Uebel hat daher keine Be-
rechtigung. WiLLAN dagegen hat dasselbe als Porrigo de-
calvans s. B a 1 d r i n g w 0 r m gut beschrieben und abgebildet
und von der Porrigo scutulata s. Common ringworm
unterschieden, obgleich beide kahle Scheiben setzen. Bei
ersterer jedoch entstehen kahle glatte Hautscheiben durch ein-
faches Ausfallen der Haare; bei der letzteren ist die Haut-
stelle mit Bläschen, Pusteln und Schuppen bedeckt und brechen
die Haare kurz ab. Später sind beide Processe und ihre Namen
vielfach miteinander verwechselt worden, besonders seit man
die mycotische Natur der Porrigo scutulata Willan's, d. i.
des Herpes tonsurans Cazbnave s. Tinea tondens Mahox kennen
gelernt und Grubt und Andere auch bei Porrigo decalvans
Willah s. Alopecia areata einen Püz nachgewiesen zu haben
meinten. Durch die späteren Namen Tinea Pellada , PeUade.
Vitiligo (! Cazenave) für die letztere Form suchte man den
derart entstandenen Verwirrungen auszuweichen. Es ist rath-
sam, die ursprüngliche Bezeichnung Alopecia areata ein für
allemal beizubehalten.
Der Process beginnt an einer, oft auch gleichzeitig oder
in kurzer Aufeinanderfolge an mehi^eren Stellen des behaarten
Kopfes oder des Bartes, seltener der Achsel- oder fechani-
behaarung, indem innerhalb einer kleinen Area die Haare alle-
sammt unvermerkt ausfallen. Die Haare der angrenzenden Zone
sind so gelockert, dass sie dem leichtesten Zug folgen und
auch spontan binnen wenigen Tagen verloren gehen. Derart
vergrössern sich die kahlen Scheiben , innerhalb welcher die
Kopfhaut glatt , weiss , manchmal massig geröthet ohne
Schüppchen oderEfflorescenzen, von normaler Temperatur und
Empfindung erscheint. Zuweilen ist ^^.^^^^^^^
Gegentheil Gefühlsdepression angegeben worden. Wedei Sclimeiz
Alcfjjecia areata.
5()1
noch Jucken begleiten den Zustand. Durcli stetige Ausbreitung
des Effluviums und Aufeinandertreffen nachbarlicher kahler
Areae wird endlich binnen 6 — 12 Monaten der grösste Theil
der Schädeldecke haarlos. Doch sistirt der Process in der
Eegel nach Monaten , wenn auch nicht überall gleichzeitig,
indem zunächst die Grenzhaare festsitzend bleiben , sodann
innerhalb der kahlen Area erst dünne, pigmentlose, später
stärkere, pigmenthaltige Haare spriessen. So erfolgt endlich
überall neuer Haarwuchs , wenn auch manchmal erst nach
1 — 2 Jahren tmd darüber, und um so später, wenn der Process
successive verschiedene Stellen, oder gar die in Heilung be-
griffenen neuerdings erfasst hat.
In einzelnen unglücklichen Fällen begrenzt sich die Krank-
heit nicht. Es fallen alle Kopf- und Barthaare, Augenbrauen
imd Wimpern, die starken wie die Wollhaare des Stammes und
der Extremitäten aus — die Haut ist allenthalben aalglatt.
Auch da kann noch nach Jahren Restitution eintreten, doch
erscheint der Wiederersatz in manchen dieser excessiven Fälle
nicht mehr.
Die Diagnose der AI. areata wird nur selten erschwert
gegenüber von Herpes tonsurans. Die Prognose ist im All-
gemeinen insoferne nicht ungünstig, als in der Regel mit der
Zeit die Haare wieder kommen und das Gegentheil nur aus-
nahmsweise eintrifft.
In die anatomischen Veränderungen , welche der AI.
areata zu Grunde liegen mögen , Einsicht zu gewinnen , ist
bisher nicht gelungen. Die Gegenwart von Pilzen (Gkuby's
Miscrosporon Audouini und Andere) ist wiederholt behauptet,
aber nie erwiesen worden und vorderhand in Abrede zu stellen.
Die ausfallenden Haare scheinen im Wurzeltheile verschmächtigt
und über dem Bulbus abgebrochen. Eine knotige Auftreibimg
des Haares an jener Stelle ist von Rindfleisch allein angegeben
und für jenes Abbrechen theoretisch verwerthet worden.
Wir werden bei dem sichtbaren Mangel an örtlichen Ge-
websveränderungen, und da wir auch keinerlei anderes iirsäch-
liches Moment der Krankheit kennen, zu der Annahme gedrängt,
dass der AI. areata eine Trophoneurose zu Grunde liegt , deren
entfernte Ursache vollkommen dunkel ist , da die betreffenden
Personen keinerlei anderweitige Ernährungs- und Functions-
störung erfahren. Die Affection tritt bei jugendlichen und
Kaposi, Hautkrankheiten. 36
rjß2 Vierunddi-eissigste Vorlesung.
erwachsenen Personen beiderlei G-eschlechtes in gleichen Pro-
portionen auf und muss als nicht ansteckend gelten.
Die Therapie ist gegen das Uebel ohnmächtig: sie
vermag dasselbe weder abzukürzen noch dessen Ausbruch au
einer neuen Stelle zu verhüten. Gebräuchlich sind irritirende
alkoholisch - ätherische Flüssigkeiten, versetzt mit geringen
Mengen von Acid. carbol., Tint. Aconiti, Cantharidum, Capsici,
Verathrin, Oleum Macis , nebst allgemein roborirender Diät
und Medication, daneben auch Elektricität. Das Ausziehen der
schon gelockerten Haare ist räthlich. Die Zeit wirkt offenbar
mehr, oder besser Alles.
In directer Beziehung zu Erkrankungen des Nerven-
s 3^ s„t e m s ist Alopecie beobachtet worden, die also auch als
idiopathisch bezeichnet werden müsste; Fälle, in welchen die
Haare entsprechend dem peripheren Verbreitungsbezii-ke eines
sensitiven Nerven ausfallen, nachdem dessen Function, sei es
in Folge eines Traumas, oder spontaner Erkrankung, oder durch
Veränderungen der Nerven-Centra gestört worden war. So
beobachteten Ravaton neben rechtsseitiger Amaurose, Romberg
neben unilateraler Facialislähmung correspondirendes Ausfallen
der Haare, Coopee Todd nach Gehirnerschütterung und einmal
nach BHtzschlag Verlust der Haare (und Nägel).
Zu den neurotischen, idiopathischen Formen wäre noch
zu zählen das auf erbKcher Anlage beruhende und in manchen
Familien heimische Früh-Kahlwerden ; ferners der unter deui
Einfluss von deprimirenden psychischen Affecten, Gram uiid
Sorge, oder von sehr intensiver geistiger Thätigkeit sich em-
steilende vorzeitige Haarverlust. Von Feedet ist der FaU
eines 17jährigen Mädchens mitgetheilt worden, bei welchem
nach überstandener plötzUcher Lebensgefahr binnen wenigen
Tagen aUe, auch die Körperhaare, ausfielen, ohne noch nach
zwei Jahren sich zu ersetzen.
Fünfunddreissigste Vorlesung.
Atrophien (Fortsetzung). Alopecia praematura sym p t o m a t i ca : AI.
furfuracea. Haarwechsel. Atrophia pilorum propria, Triehorhexis nftdosa.
Atrophie der Nägel. Atrophia e u. t i s propria , idiopathiea (Xeroderma,
Striae atrophicae, Atrophia senilis) et symptomatiea (Sehwangerseliafts-
narben). Quantitative und degenerative Atrophie.
Alopecia praematura sj^mptomatica begreift
jene rormen des rasclieii Haarverlustes und KaUwerdens,
welchen eine Substantive Erkrankung der Haut, namentlick
der Haarfollikel und Talgdrüsen zu Grunde liegt. Aus-
dehnung, Dauer, Intensität, Heilbarkeit der so entstandenen
Alopecie stehen in directem Verhältnisse zu jenen der speciellen
Ursache. Auf einzelne Follikel oder Follikelgruppen beschränkt,
und dauernd erscheint der Haarverlust da, wo jene in Folge
von Eiterung oder Narbenbildung zu Grrunde gegangen sind,
so bei Acne , Sycosis, Variola, ulceröser Syphilis, Lupus, oder
wo nebst den Cutispapillen auch die Haarpapillen in Folge
dichter Zelleninfiltration atrophisch werden, so entsprechend
den Knötchen des kleinpapiilösen Syphilides, des Liehen ruber,
bei Lupus erythematodes; endlich bei Favus und Herpes ton-
surans, bei welch' letzteren der mechanische Druck luid der
Vegetations-Einfluss der diesen Processen eigenthümlichen Pilz-
massen nebst den begleitenden entzündlichen Erscheinungen zu
Lockerung und Ausfallen der Haare, und später zu Atrophie
der Haarpapillen und Verödung der Follikel führen.
In grösserer Ausdehnung, selbst im ganzen Bereich des
behaarten Kopfes, tritt Effluvium Capillorum auf in Folge
von diffusen, acuten Entzündungsprocessen, durch
welche copiöse Exsudation, wie in die Eeteschichten, so auch
in die Epithelialschichten der Wurzelscheiden und somit Loeke-
36*
rj(j_j. Fünfunddreissigste Vorlesung.
rung, Zerfall, Ausstossung der letzteren und wahrsdieinlioli
gleichzeitig ancli eine analoge Störung im succulenten AVurzel-
theile der Haare gesetzt wird. Dies ist der Fall bei acutem
Eczem und bei Erysipel des Capillitium, nach welchen
Processen oft alle Haare verloren gehen. Doch findet hier meist
Wiederersatz statt.
Chronische Exsu da tivproce SS eder Haut, chroni-
sches Eczem, Psoriasis, Liehen ruber, eben so
Seborrhoe bedingen jene Form des Haarverlustes , welche
wegen der jene Processe charakterisirenden Abkleiung (Defur-
furatio, Pityriasis) der Epidermis als
Alopecia furfuracea s. pityrodes (Pincus) bezeichnet
wird, Ihr häufigster Typus ist die durch Seborrhoe bedingte
Form. Dieselbe kann sub acut auftreten und ist dann weniger
ungünstig. Dies ist der Fall nach Variola , Typhus , dem
Puerperium, erschöpfenden Blutverlusten. Es stellt sich Seborrhoe
und Effluvium Capillorum ein und in der Pegel nach mehreren
Monaten Wiederersatz der Haare. Möglicherweise concurrirt
hier noch die allgemeine Ernährungs-Depression.
Ungünstiger ist die allmälig sich entwickelnde Alopecia
furfuracea, deren Grundlage chronische Seborrhoe ist.
Anfänglich, d. h. durch 1—2 Jahre, machen sich blos die
Symptome der letzteren bemerkbar (siehe pag. 145), reichliche
feinkleiige Schuppung am Kopfe, später folgen erst Efflu-
vium und sodann Kahlheit. Beim Kämmen und spontan faUen
aufFaUend viele Haare aus, binnen Jahren wird der Haarwuchs
gelichtet, es kommen nur kürzere und schmächtige Haare und
endlich ist in der Regel die Stirn - Scheitel - Region bleibend
kahl. Der innere Vorgang des Processes begreift sich, wemi
man den physiologischen Vorgang des Haarwachs-
thums berücksichtigt.
Jedes einzelne Haar hat eine gewisse „typische", im All-
gemeinen allerdings verschiedene Lebensdauer, nach deren Ende
es ausfällt. An dessen Stelle bildet sich im alten FolHkel ein
neues Haar. Der Vorgang begreift den typischen Haar-
wechsel, welcher bei vielen Thieren in regelmässigen Zeit-
perioden jährlich sich voUzieht, am Kopfhaare des Menschen
jedoch continuirlich vor sich geht, aUerdings mit bedeutenden
Intensitäts-Schwankungen, welche theils von allgemeinen Zu-
ständen des Organismus, theils von örtlichen Processen ab-
Alopecia fiu-fiiracea. Haaiweclisel.
565
häugen. Die feineren anatomischen Veränderungen, welche den
typischen Haarwechsel, d. i. die Ab- xmd Aiisstossung des
reifen und die Erzeugung des jungen Haares begleiten , sind
durch eingehende Studien von Heusinger , Köllikek , Langer,
Steinlin, Wertheim, Götte, Stieda, Unna, Esokf, v. Ebner
n. A. erläutert worden , bedürfen aber noch in manchen wesent-
lichen Punkten weiterer Prüfung. Sicher scheint, dass das
einzelne Haar, zu typischer Reife gelangt, nicht weiter wächst,
indem über der Haarpapille die Neubildung von Epidermis-
zellen aufhört. Sind nun die letztproducirten Zellen verhornt,
so bilden sie zwischen der Haarzwiebel und der Haarpapille
eine für den Ernährungssaft nndurchdringliche Scheidewand
und das Haar wird so von der Papille abgetrennt. Die Ab-
trennung betrifft den Haarschaft mitsammt der inneren Wurzel-
seheide, welche auf dem Wege des Hinaufrückens häufig nach
oben umgestülpt wird, nebst dem Haarzwiebel, bis auf eine
einzige die Papille bekleidende Zellenlage (v. Ebner), die
-Basalzellen , und die äussere Wurzelscheide ebenfalls bis auf
eine den Grund des Haarbalges und den Papille nhals in con-
tinuo bekleidende Lage. Jetzt wird, wahrscheinlich weil bei
der Turgescenzverminderung der den Grund des Haarbalges
erfüllenden Zellenmassen auch der innere Druck sich vermindert
hat, durch den nnn überwiegenden Druck des den Follikel
ximgebenden Gewebes die Wandung des Haarbalges nach innen
und die Masse der abgestossenen Zellen der äusseren Wurzel-
scheide zwischen Haarwurzel und Papille geschoben, und dadurch
das Haar total abgehoben und in die Höhe gedrängt. Das untere
Ende der Haarwurzel , welches correspondirend der von ihm
iimschlossen gewesenen Papille fjtüher concav war , bildet nun
mit der angedrängten Zellenmasse der äusseren Wurzelscheide
einen nach unten gerichteten, scheinbar faserigen und besenartig
zerklüftenden Kegel (Fig. 31,1). Etwas unterhalb der Talgdrüsen-
Einmündungssteile , oder in der Höhe der Anheftung des Ar-
rector pili bleibt das abgestossene Haar vorderhand liegen.
Zugleich verengt und verkürzt sich der Grund des HaarbaJges,
indem die Glashaut oft faltig hinein (v. Ebnee) und sammt
dem Körper der Papille in die Höhe gedrängt wird. Aeussere
und mittlere (wahrscheinlicli musculäre) Haarbalgscheide da-
gegen bleiben, da sie mit der Umgebung fester verwachsen sind,
in ihrer früheren Tiefe, so dass zwischen ihnen und dem empor-
566
Fünfimddreissigste Vorlesung.
Flg. 31.
Dui'cliscbnitt eines im Haarweclisel
begrüfenen Haarbalges
(nacli V. Ebner).
a äussere und mittlere HaarbalKScheide ;
ö Glashaut : c Haarpapille mit Gefass-
snhlinge : d äussere ; c iunore Wurzel-
scheide (in Henley'sohe und Huxley'sclie
Schichte gesondert) : /Cuticula der letz-
teren ; q Cuticula des Haares ; Ii j un g e s
(markloses) Haar; / Kegelspitze der
neuen Haaranlage ; /. Haarkolben des ah-
eestosseuen Haares mit k den Resten der
ibgestossenen äusseren Wurzelscheide.
gedrängten Körper der Papille
der Papillenhals sicli delint und
eine Formation entstellt, welche
Wertheim als Haarkeleh oder
Haarstengel darstellt. Nacli einer
Weile beginnt unter lebliafter Er-
nährung (Zelleninfiltration) der
Papille über dieser die Bildung
eines neuen Epitbelkegels , wel-
cher die Papille wieder in die
frühere Tiefe drängt und zunächst
im äusseren, der Randzone der
Papille entsprechenden, Theile in
die beiden Schichten (ÜENLEY'sche
und HuxLEY'sche) der inneren
Wurzelscheide sich difi'erenzirt,
und nachdem er nahe bis an das
abgestossene Haar emporgewach-
sen , entsteht im mittleren Theile,
d. i. von den Scheitelzellen der
Papille, ein dünnes, pigmentirtes,
und zunächst markloses Haar
und producirt sich von ihrer im
Fundus zurückgebliebenen Zell-
lage aus auch wieder die äussere
Wurzelscheide. Nach dieser Dar-
stellung (Langer, v. Ebner)
entsteht das neue Haar auf Grund
der alten Papille, während Andere
meinen, dass diese vollständig
atrophire imd neben dieser für
das neue Haar auch eine neue
Papille innerhalb des wuchernden
Rete wie in der embryonalen
sich entwickele
knüpfen an das
Follikel weilenden
Haarbildung
Auffassungen
aber noch im
(Steinlin, Stieda). Andere
Schicksal des abgestossenen,
GöTTE betrachtet dasselbe, oder eigentlich den Haarkolben
(Fig. ;-U , 1) als ein, entfernt von der Papille, aus der Wucherung der
Alopecia furfuracea. Haarwechsel.
Eindenzellen entstandenes „Sclialthaar", welches interimistiscli
entsteht, während von der Papille das bleibende Haar nach-
schiebt. Unna dagegen nennt es „Beethaar", indem er meint,
dass das ausgefallene Haar an der Stelle, wo es liegen geblieben,
am Kolbenende , durch eine Wucherung der umgebenden
äusseren Wurzelscheide („Haarbeet") noch eine Zeit lang fort-
wächst, bis das neue Papillenhaar („Secundärhaar") an das-
selbe gelangt. Ein Grleiches meinten Esoff und Schülin , nur
soll nach diesen an der Stelle des Haarbeetes auch eine neue
Papille sammt Haartasche sich bilden. Nebst diesen Punkten
sind auch die Funde von mehreren, Papillen- und papillenlosen
Haaren (Werthedi u. A.) innerhalb eines Follikels und das
A^erhältniss des neuen Papillenhaares zu den Wurzelscheiden
der abgestossenen und der angenommenen Schalthaare noch
sehr controvers.
Je länger nu.n die typische Lebensdauer eines Haares ist,
desto dicker und länger wird es ; je kürzer dessen Lebensdauer,
desto schmächtiger geräth dasselbe. (Entsprechend rückt auch
bei strotzendem Haarwuchs die Papille mehr in die Tiefe,
während bei dünnen und kurzlebigen Haaren der Follikel seicht
bleibt und die Papille hoch steht (v. Ebner).
Die Stetigkeit des Haarwuchses , d. h. der Menge (Dichtig-
keit) und Länge der Haare liegt also in der Constanz des
Verhältnisses der typischen Lebensdauer und des typischen
Nachwuchses der einzelnen Haare. Bei Seborrhoea chronica
wird aber eben dieses Verhältniss in jeder Beziehung zu Un-
gunsten gestört. Die einzelnen Haare büssen an typischer
Lebensdauer ein, sriid also kürzer und dünner und fallen früher
aus. Nach Pincus beträgt der tägliche Haarverlust ad minimum
zwischen 13—17, ad maximum 62—203 Haare. Pincus findet
jenes Yerhältniss schon zu einer Periode , wo das Effluvium
noch nicht auffällig gesteigert ist, darin ausgedrückt , dass das
quantitative Verhältniss der „Spitzenhaare" (der kurzlebigen
Haare) zum Gresammtaiisfall wesentlich gesteigert ist.
Aber auch die Reproduction des Haares, der Nach-
wuchs , wird qualitativ und quantitativ durch den sebor-
rhoischen Process ungenügender sich gestalten , je länger
dieser anhält. Talgdrüsen und Haarbalg werden von dem-
selben Grefäss- und Nervennetze (Arnstein) umsponnen und
leiden gerne unter derselben Ernährungsstörung. Wie in
Füufunddreissigste Vorlesung.
den Talgdrüsen rascli und für den physiologischen Zweck
unvollkommen (chronisch alterirte) Epidermis producirt und ab-
gelöst wird , so werden auch die in Continuität mit 'den Drüsen-
zellen stehenden Haarwurzelscheiden gelockert, abgestossen
und ebenso die von der Haarpapille gebildeten, welche zum
Aufbau des Haares bestimmt sind, und dieses gedeiht unvoll-
kommen, d. i. es wird nur ein schmächtiges Lanugohärchen,
oder nur eine lockere Epidermissäule gebildet , die in der Haar-
tasche verbleibt. Damit fällt auch schliesslich die Papille der
Atrophie und der Follikel der Verödung anheim, und entsteht
endlich streckenweise bleibende Kahlheit.
Derart schleicht bei den meisten Männern vorzeitige
Kahlheit heran als A lop e cia f ur f ur a c ea. Bei weiblichen
Personen ist jene Seborrhoe häufiger, aber mehr subacut.
Deshalb findet sich hier in öfterer Wiederholung Effluvium,
aber auch wieder Restitution und nur viel seltener Kahlheit.
Anatomisch zeigen die ausfallenden Haare nichts Ab-
normes. Sie erscheinen im Wurzeltheil abgebrochen, oft zer-
fasert, schmächtig. Die kahle Haut verändert sich mit der
Zeit wie bei AI. senilis. Die Prognose ist besser bei den
acuten und subacuten Formen der AI. furfuracea und inner-
halb der ersten Jahre , ungünstig in der späteren Zeit.
Die Ursachen solcher zu AI. führenden Seborrhoe des
behaarten Kopfes sind zum Theile schon erwähnt worden.
Spontane, oder in Folge von schwächenden, acuten und chroni-
schen Krankheiten eingetretene Anämie, Chlorose bei Frauen,
chronischer Gastricismus und Anämie bei Männern, phthisische
und Krebscachexie sind im Allgemeinen die entfernte Ursache.
Insoferne auch die syphilitische Diathese im späteren
Verlaufe Seborrhoe und Alopecie herbeiführt, mag diese als
AI. syphilitica bezeichnet werden. Zuweilen betrifft die
mit Seborrhoe einhergehende i^lopecie zugleich, oder ausschliess-
lich die Augenbrauen oder die Barthaare.
Die Behandlung der AI. furfuracea hat vor Allem
gegen die sie bedingende Seborrhoe gerichtet zu werden. Nachdem
die auflagernden Schuppenmassen mittels Oel erweicht und
durch Seifenwaschung entfernt worden sind, wird die Kopf-
haut täglich 1— 2mal mittels Alcohol eingepinselt, welchem
Acid. carbolicum oder Acid. salicyl. (1:200), Veratriu
(0,50:200), Tinct. Benzoes (1:200), Bals. peruvian.. Aeth.
Atrophia pilonim propria.
5G9
sulfiir., Aeth. Petrolei zugesetzt worden, dabei wöchentlich
1 — 2mal mittels Spir. sapon. Kaiin. gewaschen , fleissig kalt
gedoucht. Bei congestionärem Znstande der Hant empfehlen
sich Einpinselnngen von Tinct. Rusci, oder Schwefel- Alkohol-
pasten. Wegen der unter solcher Behandlung sich ergebenden
Trockenheit der Hant müssen mit Tannin, Cliinin, Canthariden-
tinctur, Capsicum, Veratrin , ätherischem Oele , Praecip. alb.
^-ersetzte Pomaden eingerieben werden. Von solchen sind be-
sonders beliebt die sogenannte Tanno-Chinin-Pomade und
das populäre TJngu. gemmarum (Harz) populi. Zur Yer-
schreibung eignen sich einfachere Formeln, z. B. : Praecipit.
alb. 0,50, Ungu. emoll. 50, Tinct. Benzoes 1 ; Olei Rosar. gutt. 5 ;
oder die DcpuYTREN'sche Pomade: Medull. ossium 75; Extr.
Chinae frigid, par. 10 ; Tinct. Canth. ; Succi citri aa. 5 ; Olei
de Cedro : bergam. aa. gutt. 10. Neuerlich ist (von Schmtz)
Pilocarpium muriat. (subcutan) als den Haarwuchs beförderndes
■Mittel angerühmt worden.
Das Kurzschneiden der Haare zur vermeintlichen Stärkung
des Haarbodens hat nicht den gewünschten Erfolg, und ist also
weiblichen Kranken zu widerrathen.
Neben der örtlichen Behandlung muss eine gegen die ent-
ferntere Ursache, Seborrhoe, Chlorose, Anämie, chronischen
Grastricismus, gerichtete medicamentöse und diätetische Therapie
angewendet werden, als: Eerrnginosa, Amara, Arsen, Milch-,
Molken-, Bade- und Tririkciiren , Fluss- und Seebäder, Sommer-
aufenthalt im Gebirge.
Der Erfolg ist stets erst nach mehrmonatlicher zweck-
mässiger Behandlung zu erwarten.
Als Atrophia pilorum propria kann man die den Haar-
schaft selbst betreffende destructive Veränderung bezeichnen.
Eine solche kommt consecutiv vor, in Folge der schon
besprochenen Erkrankungen seines Follikels , und in mehr
directer Weise, durch die bei Favus und Herpes tonsurans
seine Elemente auseinander wühlenden Pilzelemente. Die Haare
werden glanzlos , spröde , brechen (bei H. tons.) über ihrer
Austrittsstelle ab. Auch die bei Phthisikern und Fieberkranken
zu beobachtende Trockenheit und Glanzlosigkeit der Haare
mag hieher gezählt werden.
Eine idiopathische Form der eigenen Atrophie der
Haare stellt deren Selbstzerklüftung vor. Man trifft häufig die
570
Filnfunddreissigste Vorlesung.
langen (niclit von der Scheere getroffenen Haare , also meist
bei Frauen) von der Spitze ab in zwei und mehrere Fasern
zerspalten. Der Zustand mag die Folge beschränkter Trocken-
heit sein, da im Uebrigen Stärke und Wachstimm der Haare
dabei intact bleiben. Duhking hat jüngst eine besondere Form
der Längsspaltung der Haare beobachtet, bei welcher die
Deliiscenz vom Bulbus nach aufwärts stattfand. Häufiger ist
die von Wilks und Beigel zuerst beschriebene, und von
mir Trichorhexis nodosa benannte Form von Auftreibung
und Bersten der Haare, das ich ziemlich oft am Bart- und
Schnurbart, selten am Kopfhaare gesehen habe. In einem be-
schränkten Bezirk, oder überall erscheinen die Haare mit ein
und mehreren kugeligen, oder spindelförmigen (W. Gr. SMn'H)
Anschwellungen , die auf verschiedene Distanz am Haarschaft
stehen , als sässen Nisse daran , oder den ganzen Haarschaft
rosenkranzähnlich erscheinen lassen. Daneben finden sich Haar-
stümpfchen, die in einer mattglänzenden kugeligen Auf-
treibung enden und sind viele solcher zugegen, so hat es den
Anschein, als wären die Haare da angebrannt. Zupft man an den
Haaren, so brechen sie sofort in der Mitte einer vorhandenen
knotigen Auftreibung ab, deren untere Hälfte am Stumpfe bleibt.
Die mikroskopische Untersuchung lehrt, dass jedem Knoten ent-
sprechend die Haarrinde aufgetrieben und zerklüftet ist, und
dass jeder endständige Knoten die untere, besenartig zerfaserte
Hälfte eines solchen entzweigebrochenen Knotens vorstellt,
während die internodulären Stücke des Haarschaftes normal
und nur der Markraum streckenweise verbreitert scheuit. Im
Uebrigen sitzen die Haarwurzeln sehr fest. Schavimmer gibt
an, dass auch diese verschmächtigt und somit die ursprüng-
liche Ernährung der Haare geschwächt sei. Aber das erklärt
noch immer nicht , weshalb die Haare an einzelnen Stellen sich
auftreiben und abbrechen. Die AfPection ist sehr entstellend
und äusserst hartnäckig. Oertliche Medicamente (Schwefel-,
Seifen-, Theer- und andere Applikationen) haben sich kaum,
das Abrasiren nur in einzelnen Fällen wirksam erwiesen.
Atrophie der Nägel.
Onychatrophia erscheint oft angeboren, als Maugel
oder mangelhafte Bildung der Nägel an einzebien verkümmert
entwickelten Fingern und Zehen, und allgemein meist zugleich
Onychatropliia. Atropliia cutis propria.
571
mit Felilen der Haare. Erworben kommt der Zustand unter
dem gleichen Bilde von Entartung, Verunstaltung, Missfärbung,
ßiffig-, Rissigsein (Scabrities), Brücbigkeit, dünner, weicher Be-
sehaffenheit vor, wie die Hypertrophie und auch unter den
o'leichen, örtlichen oder allgemeinen Einflüssen, weshalb ich auf
das bei Onychauxis (pag. 525) darüber Gesagte verweisen darf.
Atrophia cutis propria,
die eigentliche Hautatrophie, wird als Massenver-
minderung der allgemeinen Decke, oder Abnahme ihrer
biologisch-chemischen Qualitäten wahrgenommen und
es ist begreiflich, dass beide, die quantitative und quali-
tative Atrophie, weil sich gegenseitig bedingend, sehr oft
vergesellschaftet angetroffen werden. Entweder spontan oder
consecutiv entstanden, erscheint die Atrophie einmal diffus,
über grosse Hautstellen, ein andermal auf kleine Punkte,
Striche oder Flecke beschränkt.
Als idiopathische diffusue Formen sind anzu.-
füliren: Xeroderma xmi Atrophia senilis.
Xeroderma, Pergamenthaut, habe ich (zum Thelle
in Uebereinstimmung mit dem Schöpfer dieses Namens,
Er. Wilson) eine idiopathische diffuse Atrophie der Haut
genannt, welche in zweierlei Typen vorkommt.
Die eine charakterisirt sich durch ein Krankheitsbild,
welches wir an vier Mädchen und nach uns auch Glax, Geber,
Taylor und Duhring ebenfalls an jungen (7— 18jährigen;) weib-
lichen Personen gesehen haben.
Gesicht, Ohren, Hals und Nacken, Schultern imd Brust
bis zur Höhe der dritten ßippe, Arme und Eücken der
Hände, einigemal auch Unterschenkel und Fussrücken erschie-
nen von kleineren und grösseren, sommersprossenähnlichen,
gelbbraunen Flecken gesprenkelt, zwischen welchen wieder
blatternarbenähnliche, weissglänzende, seichte Grübchen sich
befanden, oder die Haut normal gefärbt schien. Zahlreich ein-
gestreute punktförmige und grössere, auch lineare Gefäss-
ektasien erhöhten durch ihr Roth das buntscheckige Ausehen
der so betroffenen Haut. Ihre Epidermis schien dünn, stellen-
weise glatt, über anderen Strecken in dünnen Lamellen sich
abhebend oder fein gefurcht, rissig, gerunzelt, pergament-
ähnlich vertrocknet, die Cutis selbst dem Gefühle nach
572
Fiinfunddreissigste Vorlesung.
schmächtig , zugleich aber schwer faltbar, an die Unterlage
strammer angezogen, wie in sieh geschrumpft, fettarm. Die
allgemeine Decke des übrigen Körpers war üppig, fettreich,
in jeder Beziehung normal beschaffen. So viel aus den Mit-
theilvmgen, und aiis einer längeren Beobachtung über Ent-
wicklung und Verlauf der Affection erschlossen werden
konnte, war dieselbe jedesmal in der frühesten Kindheit ent-
standen und stetig vorgeschritten, in der Art, dass zuerst
•kleine Gefässausdehmmgen und Pigraentflecken entstanden, dann
die Grefässchen bis auf kleine Reste verödeten und entsprechend
pigmentlose, weissglänzende atrophische Grübchen, und später
diffuse Schrumpfung der Haut entstand, über welcher dann
die Oberhaut sich runzelig furchte oder lamellös abhob.
In fortschreitender Schrumpfung der Haut kommt es zu
complicirendem Eczem , seichten Rhagaden und Greschwüren,
Verengerung der Mund- und Nasenöffnung und Ectropium der
unteren Augenlider , als dessen Folge wir zuweilen Xerosis
der Cornea gesehen haben. Ebenfalls in zwei Fällen hat sich
binnen wenigen Monaten an zerstreuten Stellen des Gresichtes
Sarco-Carcinom und später auch solches der inneren Organe
und letaler Ausgang eingestellt. Wenn GtKber die geschilderte
Krankheitsform, wohl nur mit Rücksicht auf ihr Früherscheinen,
als eine Art Naevus auffasst, so unterscheidet sich doch die-
selbe von den in der Regel stationär bleibenden Naevis sehr
wesentlich durch das stetige und rasche Fortschreiten,
und die contin uirliche Umwan dlung des Gewebes,
die Geber selbst, meinem ehemaligen Ausspruch conform, in
einer genauen anatomischen Untersuchung beleuchtet. Nach
dieser scheint der Process mit Wucherung des Bindegewebes
der Papillen- und des Gefäss-Endothels zu beginnen, welcher
dann Schrumpfung der ersteren und theilweise Verödung der
Gefässe, und consecutiv unregelmässige Pigmentanhäufung nebst
Auswachsen der Retezapfen in die Tiefe , Ectasie der Drüsen
und Degeneration ihres Epithels folgt. Diese Verschiebung in
den Wachsthumsverhältnissen der epitheloiden Gebilde mag
auch zu der bei so jugendlichen Individuen gewiss auffälligen
Entwicklung von Carcinom und Sarcom den Anstoss geben.
Ueber die Ursache des Xeroderma ist uns nichts
bekannt. Zweimal haben wir dasselbe an je zwei Geschwi-
stern angetroffen. Trotz mancher Aehnlichkeit mit Scleroderma
Xeroderma. Seuile Atrophie der flaut.
573
uhCl Lepra, scheint dessen Diagnose nicht schwierig, da
nach meiner ersten Schilderung die späteren Talle sofort
erkannt worden sind. Die. Prognose ist ungünstig, nament-
lich mit Rücksicht auf die Tendenz zur Krebs-Entwicklung auf
(Irund der Pigment-Evolution. Die Therapie muss sich darauf
beschränken, die subjectiven Erscheinungen der Spannung,
Trockenheit, der Schmerzhaftigkeit an den Rhagaden, Exco-
riationen und Geschwürchen zu mitigiren und die böseren
( 'omplicationen zu bekämpfen.
Einen stationär en Zustand stellt der zweite Typus
von Xerodermie vor, den ich wiederholt gesehen habe. Bei
demselben erscheint die Haut von der Mitte des Oberschenkels
bis auf die Eusssohlen , seltener auch vom Oberarm bis auf
die Elachhand auffällig weiss (pigmentarm), stellenweise ge-
spannt und schwer faltbar, blass, ihre Epidermis äusserst
verdünnt, mattglänzend, gerunzelt, wie Goldschlägerhäutchen,
in dünnen glänzenden Blättchen sich abhebend. Die Empfind-
lichkeit der Fingerspitzen, der Elachhand und der Fusssohlen
ist wegen des ungenügenden Epidermisschutzes und der Haut-
spannung sehr gross , so dass das Hantiren und Gehen höchst
beschwerlich wird. Der Zustand besteht stationär von der
frühesten Kindheit an. Durch dies und die beschriebenen Merk-
male unterscheidet sich derselbe leicht von Scleroderma atro-
phicum ; durch die Verdünnung der Hautgebilde von Ichthyosis.
Der Therapie fällt die Aufgabe zu , durch indifferente
Salben und Pflaster die Trockenheit und Spannung der Ober-
haut zu mitigiren und die Fusssohlen gegen den Druck beim
Gehen zu schützen.
Die senile Atrophie der Haut veranlasst die als
„greisenhaft" bekannte Aenderung in Ansehen und Beschaffen-
heit der allgemeinen Decke. Die Haut der Greise erscheint
fahl- bis dunkelbraun, trocken, mit vielen Runzeln besetzt,
schilfernd (Pityriasis tabescentium) , auf Stamm , Hals und
Oberarmen oft mit zahlreichen, zerstreut stehenden , linsen- bis
kreuzergrossen, flachen, warzenähnlichen, schmutzig-gelbbraunen
Auflagerungen (s. pag. 512) besetzt, welche mit dem Fingernagel
leicht zerbröckelt und abgelöst werden können. Ihre Basis bildet
entweder glatte Haut, oder eine leicht blutende, drusig empor-
gewucherte Papillengruppe ; oder sie stellen die Ausbreitung eines
aus einer erweiterten Talgdrüsenmündung hervorgetretenen Epi-
574
Fiinfunddreissigste Vorlesung.
dermiszapfens vor, und bestehen aus einem Agglomerat fett-
körnchenliältiger Epidermiszellen. Die Greisenhaut ist zugleich
meist wegen Verminderung des Fettpolsters lose angeheftet, in
weite Falten erliebbar.
Die geschilderte BeschaiFenheit der (xreisenhaut ist der
Gresammtausdruck einer Siimme von anatomischen Verände-
rungen , welche die meisten Gebilde der Haut im senilen Eück-
bildungsprocesse betreffen und im Wesentlichen mit denen der
retrograden Metamorphose auch anderer Organe und Systeme
übereinstimmen. Dieselben können unterschieden werden als
1. Vertrocknung, Induration (Paget) oder einfache
Atrophie (ViRCHOWj , deren Merkmal die Saftarmuth und
Verdichtung des Gewebes, und deren Folge, neben sparsamer
Anbildung neuer Gewebselemente, die Verschrumpfung und Ver-
schmächtigung der Theile ist. Die Epidermisschichte ist ver-
schmälert und läuft ohne deutliche Zapfen in sanfter Wellenflucht
über die abgeflachten Papillen. Das schmale Corium zeigt
verschmächtigte, kleine, verschrumpfte Bindegewebskörperchen
nebst Pigmentkörner einschliessenden Faserbündeln, die schmalen
Gewebsspalten enthalten spärliche und zellenarme Flüssigkeit,
die Gefässe sind zum Theil verödet (Köliker) oder abnorm
erweitert (Neümann) , mit Pigmentschollen erfüllt. In vielen
Haarfollikeln die Papille geschrumpft, das Haar fehlend oder
lanugoartig, die Zellen der äusseren Wurzelscheide verhornt
und den Follikel stellenweise ausbuchtend; viele Talgdrüsen
erweitert , namentlich in einzelnen Acinis und da mit schollig-
krümeliger Epidermismasse erfüllt ; die Fettzellen sind schlapp
oder fehlen streckenweise, so dass an ihrer Stelle nur die
rhombischen Netze der Bindegewebsbalken zu finden sind.
Die zweite Art der senilen Atrophie ist vorwiegend
degenerativen Charakters, indem die Elemente der Cutis
organisch metamorphosirt werden, derart, dass ihre vege-
tativen und functionellen Eigenschaften Einbusse erleiden.
Namentlich erscheinen die Bindegewebsfasern von Körnchen ge-
trübt , oder im Contour verscliwommen, in eine mehr homogene,
zähe oder auch brüchige Masse verwandelt, Zustände, welche
als glasartige Verquellung, amyloide, colloide,
hyaloide, wachsartige, speckige, fettige Dege-
neration bekannt sind (Rokitansky, Virchow, Weber).
P a r t i e 1 1 e i d i 0 p a t h i s c h e A t r 0 p h i e der Haut findet
Atrophie der Haut.
sicli in Form von mehrere Centimeter langen und 2 — 5 Milli-
meter breiten , weissen , narbenähnlichen Streifen oder finger-
nagel- bis thalergrossen solchen Flecken — Striae etmacnlae
atrophicae cutis — welche sowohl bei erwachsenen männ-
lichen als weiblichen Personen über dem G-esässe , den Trochan-
teren , dem vorderen Beckenrande , dem Oberschenkel, oberhalb
der Kniescheibe, seltener am Stamm, Hals, Oberarm unvermerkt
entstehen und persistiren. Die atrophischen Flecke stehen meist
isolirt, die Streifen zu zweien und mehreren in parallel ge-
schlängelten Linien und zur Längsachse des Körpers unter
verschiedenem Winkel (je nach der Spaltungsrichtung der
betreffenden Hautregion). Schon der zufühlende Finger bekommt
den Eindruck, dass an den genannten Streifen und Flecken
die Substanz der Haut verdünnt und vertieft ist. Bei der
mikroskopischen Untersuchung ergibt sich , wie nament-
lich Langer's Präparate schön demonstriren , dass die Faser-
bündel streckenweise auseinandergedrängt und die in die
Znsammensetzung der Papillen eingehenden Bindegewebs-
schlingen in die Länge gezogen sind, so dass die Papillen
fast ganz verstrichen scheinen. Im Bereiche der atrophischen
Stellen finden sich nur spärliche Grefässe , Drüsen und Fett-
läppchen. Als Ursache der atrophischen Streifen macht
B. S. ScHULTZE, ^äelleicht mit Recht, die Dehnung der Haut
bei raschem Wachstlium des Beckens und der Extremitäten
geltend, denn er hatte die AfFection in 36 "/o bei weiblichen
(nicht schwanger gewesenen) und in ß^/o bei männlichen Individuen
gefunden. Er. Wilson beruft sich auf einzelne FäUe, in welcheh
nach einem Trauma- oder Nerveneinfluss (dem N. frontalis
und naso-alaris entsprechend) „linear atrophy" entstanden war.
Die consecutiven Atrophien der Haut erweisen sich
als Folgen eines traumatischen oder pathologischen Processes
und erscheinen ebenfalls entweder als einfache oder als
degenerative Atrophie. Zur ersteren gehört die Druck-
atrophie, bedingt diirch von der Tiefe her die Haut vor
sich her wölbende G-eschwülste. Dauert der Druck an, so führt
er an der zumeist gezerrten Stelle zu vollständigem Gewebs-
schwund, Zerreissung oder Entzündung imd Brand. Ist die
Extension vorübergehend, wie nach Ascites, Anasarca, so ent-
stehen den idiopathische Striae atrophicae gleiche atrophische
Flecke und Streifen. Bei Erstgeschwängerten erscheinen bei
Fiinfunddreissigste Vorlesung.
der durch den wachsenden Uterus bewirkten Ausdehnung der
Bauchhaut (oft unter höchst lästigem J u c k e n) zunächst blau-
rothe hämorrhagische Flecke, nach deren Erblassen erst später
we issnarbig glänzende Flecke und Streifen zurückbleiben — die
sogenannten Schwangerschaftsnarben. Dass es sich hier
nicht um Narben , sondern um Distension der Bindegewebs-
maschen und consecutive Abflachung der Papillen handelt,
womit zugleich ein Auseinanderrücken dieser wie der Drüsen
stattfindet, hat Langer sehr klar dargelegt..
Bekannt ist ferners die partielle Atrophie des Coriums
in Folge äusseren Druckes , xintev Hühneraugen, Favusborken.
Endlich gehören hieher die narbenähnlichen, punkt- und
fieckenweisen Vertiefungen der Haut , welche an Stelle von
resorbirten entzündlichen und neoplatischen Infiltraten des
Coriums zurückbleiben, nach syphilitischen Papeln, Lupus
und Lepra, Liehen ruber. In Folge der Elasticität der inter-
stitiellen gesunden Hauttheile schwinden mit der Zeit derart
entstandene atrophische Grübchen bis zur Undeutlichkeit.
Die degenerative symptomatische Atrophie involvirt
die gleichen Grewebsalterationen , welche schon bei der idio-
pathischen Form , der senilen Atrophie, besprochen wurde. Sie
tritt zumeist im Grefolge von chronischen Entzündungs-
tind Neubildungsvorgängen der allgemeinen Decke, und dem-
gemäss auch diflPus auf, nach chronischem Eczem, Pemphigus,
chronischer Dermatitis, Pityriasis rubra, Fussgeschwüren, in
der Schanker-Sclerose. Bei all' diesen Processen gehen die G-e-
webselemente der Haut durch Druck von Seiten der infiltrirenden
Massen, Obliteration von Gefässen, oder Uebergreifen der retro-
graden Metamorphose, welchem jene Infiltrate selber unterliegen,
Umwandlungen von der besprochenen Art ein, als fettige,
speckige, wachsartige, hyaloide Entartung, glasartige Ver-
quellung. Auch hier zeigen die Bindegewebsfasern und Gefässe
die auffallendste Degeneration und scheint im Allgemeinen die
letztere mit der Erkrankung der Gefässwandung (Endarteriitis,
Endothel-Entartung, adventitielle Infiltration) sich einzuleiten.
YIII. und IX. Olasse.
Neoplasmata.
Sechs uncldreissigste Vorlesung.
Neubildungen, Allgemeines. Eintheilung. Gutartige Neubildungen:
Bindegewebsneubildungen: Keloid, Narbe (Vorgang bei der
Narbenbildung). Mo 1 luseunri fibrosum. Xanthoma, Fibroma, Lipoma,
Neuroma,
Meine Herren! Die Neubildungen der Haut sind
zum Theile eben so gut Gregenstand der chirurgisclien Disciplin,
wie der Dermatologie , insoferne dieselben sieb niebt immer
anatomiscb mit der Haut begrenzen, und ein sogenannt
chirurgiscbes Eingreifen erbeiscben. Dem regen Interesse,
welcbes in Folge der angedeuteten Verbältnisse die ge-
nannte , und in den letzten Jabren so sebr vorgescbrittene
Scbwesterwissenscbaft dem in Rede stehenden patbologiscben
G-ebiete widmet, verdankt aucb die Dermatologie selber erheb-
liche Förderung. Es kann an dieser Stelle nicht unsere Auf-
gabe sein, in gleich eingebender Weise den Begriff der
Xeubildting zu erörtern, wie dies von der allgemeinen
Pathologie und pathologischen Anatomie mit Recht verlangt
wird und geschiebt. Aus beiden diesen Doctrinen sind Ihnen die
"Wandinngen bekannt, welche — von der langst überwundenen
ontologischen Auffassung der Greschwülste abgesehen — die
Vorstellung von dem Neoplasma selbst innerhalb der Zeitperiode
erfahren hat, da man aus dem histologischen Verhältnisse des
pathologischen Productes zu dem einbettenden Gewebe dessen
Charakter neuer Bildung zu erkennen versuchte. Gerade
in dem Masse, als man — im Ausbau der VmCHOw'schen
Lehre von der in Tbeilung (Proliferation) der Bindegewebs-
Kaposi. Hautkrankheiten. 37
g-jg Sechsunddreissigste Vorlesung.
körperclien bestehenden Neubildung — durch patbologiscb-
und experimentell-bistologische Studien zu der Erkenntniss
gelangt ist, dass jede Art Grewebselemente , Epi- und Endo-
tbelien, Muskel-, Knocken- und Knorpelzellen, vielleicht
auch die Intercellularsubstanz , einer Proliferation aus sich
selbst, einer wahren Neubildung fähig sind, und dass solche
Neubildung auch bei der Entzündung, z. B. im Epithel beim
Katarrh vor sich geht, — durch all' diese Erkenntniss hat
sich für die pathologische Histologie die ehedem gezogene
G-renze zwischen Entzündung, Hyper- und Neoplasie mehr als
jemals früher verwischt. Und so musste sich denn die Ueber-
zeugung Bahn brechen, dass die Neubildung nur mehr
als klinischer Begriff festzuhalten ist, als Bezeichnung
für eine pathologische Formation, welche durch eine Summe
von Eigenschaften, als „äussere Umrisse, innere Gestaltung
und Vegetation" (Rokitansky), Standort, Verhältniss zu dem
umgebenden Gewebe und zu dem Paradigma des betroffenen
Organes und Gebildes als etwas fremdartig Eingeschaltetes
erscheint, mögen im' Uebrigen ihre Elemente denen des Mutter-
bodens ähnlich (Homöoplasie) oder fremdartig (Heteroplasie)
sein. Und es ist nur eine weitere und gerechtfertigte Consequenz,
wenn wir in Berücksichtigung ihres klinischen Verhaltens die
Neubüdungen in gutartige (Vni. Gl.) und bösartige
(IX. Gl.) praktisch unter abtheilen, indem wir zu der ersteren
jene Neoplasmen zählen, die zwar jahrelang bestehen können,
aber in der Eegel örtlich nicht oder nicht bedeutend destructiv
wirken und namentlich den Gesammtorganismus nicht schädlich
beeinflussen; als bösartig dagegen solche ansehen, die neben
örtlich verheerender Wirkung auch einen, deletären Einfluss
auf die Gesammtconstitution ausüben.
VIII. Classe.
Gutartige Neubildungen.
Die gutartigen Neubildungen unterscheiden wir
nach ihrem vorwiegenden histologischen Merkmale in a Gruppen :
1. Bindegewebsneubildungen: Keloid, Narbe,
Molluscum fibrosum, Xanthoma. (Anhangweise: Fi-
brome, Lipome, Neurome).
2. Gefässneubildungen: Angioma, Lymph-
angiom a.
Keloid.
575)
3. Celluläre Neubilclilrigen: Rhinosclerorh.
Lupus erythematodes, Lupus vulgaris (Scrophulose,
Tuberculose).
Keloid,
(der Knollen krebs, Fdchs) heisst seit Alibert eine narben-
ähnliche, spontan, ohne Entzündungserscheinungen, in der
Substanz der Cutis sich entwickelnde und nur mit dieser
zusammen verschiebbare , platten-, streifen- oder
knollenförmige Greschwulst, die ohne weitere Metamor-
phose fortbesteht, oder, in seltenen Fällen, spontan schwindet.
Seiner Formverschiedenheit nach präsentirt sich das Keloid
als ein flacherhabener, wie in die Haut eingeschobener, scharf
begrenzter, über die Umgebung 2—4 Mm. vorspringender,
derbelastischer, einer hypertrophischen Narbe sehr ähnlicher
Wulst, von leisten-, gritfelförmiger Gestalt, oval, cylindrisch,
biscuitförmig oder wie eine dicke Platte; seltener in Gestalt
eines rundlichen I^nollens. Dasselbe ist immer nur mit der
Hallt selbst verschiebbar. Manchmal ragt die mittlere Partie
mehr hervor, während der E,and abfällt und nach zwei ent-
gegengesetzten Seiten strahlenförmige, an Krebsscheeren
erinnernde Ausläufer zeigt. Daher der von Alibert der Ge-
schwulst gegebene Name von y^n'kh = Scheere. Das Keloid ist
weiss oder rothglänzend, an der Oberfläche glatt, mit dünner,
runzeliger Epidermis bedeckt, kahl oder mit wenigen Härchen
besetzt, derb elastisch und bei Druck, manchmal auch spontan
schmerzhaft.
Es findet sich einzeln, oder zu zweien bis zu sehr
^^elen, 20 und darüber, zumeist über dem Sternum, wodann
sie in zwei bis mehreren parallelen Strichen angeordnet zu
sein pflegen, über der Mamma, an den Ohrläppchen, im Gesicht,
an den Genitalien u. s. w.
lieber die Entwicklung des Keloids hat man wenig
positive Erfahrung. Man weiss, dass dasselbe, einmal entstanden,
noch eine Zeit hindurch bis auf ein gewisses Mass sich ver-
grössern kann. Alsdann verändert es sich , wie es scheint,
gar nicht mehr, besteht entweder das ganze Leben, oder involvirt
sich in seltenen Fällen complet. Namentlich findet kerne
Ulceration, höchstens oberflächliche Excoriation statt.
AVas die directe V er anla ss u ng für die Entstehung des
Keloids anbelangt, so ist dieselbe zum Theil nur muthmasslich.
37*
580
SechsunJdreissigste Vorlesung.
Man findet dasselbe bei Personen jeden Alters und Geschlechtes.
Es ist aber sicher, dass örtliche sehr unbedeutende Verletzungen
und Reize bei manchen Personen Veranlassung zur Entstehung
von Keloid abgeben, so dass man bei solchen, ja, wie man
annehmen darf, bei ganzen Familien und einzelnen äthiopischen
Racen eine besondere Disposition in dem Sinne voraussetzen
kann, dass auf der Haut nach geringen Verletzungen oder
Reizen Keloide entstehen (v. Tschudi). So kommen bei uns
Keloide rnn den für die Ohrringe gesetzten Stichcanal der Ohr-
läppchen, um Blutegelbisse, um Acnepusteln vor, und ich habe
ein faustgrosses Keloid eines Negers untersucht, der am ganzen
Körper mit Greschwülsten verschiedener Grösse besät gewesen
sein soll.
Da wir das Keloid als eine spontan entstandene Geschwiüst
definirt haben und nun hören, dass dasselbe nach Verletzungen
zu entstehen plegt, so wirft sich gewiss der Gedanke auf, wie
er schon von manchen Chirvirgen zum Ausdruck gekommen
ist, dass das Keloid keine eigenartige Geschwulst, sondern im
Wesentlichen nichts Anderes sei, als eine hypertrophische Narbe.
Dagegen haben Andere ausser dem spontan entstandenen
wahren Keloid ein falsches Keloid in die Literatur ein-
geführt, als welches von Substanzverlusten (durch Verbrennung,
Syphilis etc.) herrührende Narben, wofern dieselben knollig,
geschwulstartig gerathen waren, gelten sollten. (Narbenkeloid,
DiEBEEa; syphUitisches Keloid, Wilks; warzige Narben-
geschwulst, Hawkin's Keloid); schliesslich kennen wir noch
Addison's Keloid, welches mit Scleroderma (pag. 529) identisch ist.
Die anatomische Untersuchung, welcher ausser
Warren dem Aelteren, Alibert, Follin, Schuh, Rokitansky,
Wedl, Lebert, ViRCHOW u. A., besonders eingehend Langhans
tmd Warren der Jüngere, das spontane Keloid, ich überdies
noch das Narbenkeloid unterzogen, lehrt, dass es dreierlei ein-
ander ähnliche Geschwulstformen gibt: 1. das (wahre) Keloid,
2. die hypertrophische Narbe und 3. das Narbenkeloid.
Im Keloid erkennt man in feinen Schnitten schon mit der
Loupe eine weissHche, dichtfaserige Gewebsmasse mit zur Längs-
achse der Geschwulst und zur Hautoberfläche paralleler Faserung
derart in's Corium eingeschoben, dass über und unter ihr noch
normale Schichten des letzteren und namentlich Papillen
undRetezapfen complet erhalten sich unter dem Mikroskope
Keloid.
5«r
erweisen. Stellenweise werden jene horizontalen Fäserbündel
von schief aufsteigenden durchsetzt (Langhans). Kerne und
kernhaltige Spindelzellen sind innerhalb des Keloidkörpers nur
wenige und um die von den dichten Faserbiüideln scheidenartig
umgebenen und comprimirten Grefässe, reichlieh dagegen in den
jüngeren Theilen des Keloids, um die Grefässe der Ausläufer
zu sehen; so dass es den Anschein hat, als wenn die Binde-
gewebsfasern des Keloids eben aus solchen die Grefässe ein-
scheidenden Spindelzellen hervorgingen. Die Anwesenheit der
Papillen und ßetezapfen lehrt ganz besonders, dass das Keloid.
im Gregensatze zur Narbe, in einem vorher unversehrten Corium
entsteht und kein Ersatzgebilde eines Substanzverlustes ist.
Fig. 32.
Durchschnitt eines (nach Verletzung mittels Glasscherben am Halse eines
Mannes enl stand enen) Narben-Keloids.
1—2 Narbe, die Epidermis a streicht oline Retezapfen über das papillenlose Narben-
gewebe b dessen Bündel locker und dnrch einen Fortsatz b" mit den tiefen Narben-
bnndelnö in Verbindung stehen. Zwischen?) und ö' eingeschoben das dicht und parallel
zur Oberflache gefaserte Keloid fc. das nach 2-3 und 1—4 in die von der Verletzung
nirht getroffene, mit Papillen und Retezapfen c c' versehene Haut sich fortsetzt.
Darm Haartaschen / und Talgdrüsen /( erhalten; einzelne Follikel in schiefe Richtung
gcdiängt (<2).
Bei der hypertrophischen Narbe dagegen findet
mau keine einzige Papille, weil ja die Entstellung der
Narbe den Verlust der obersten Coriumschichte durch Eiterung,
gg2 Sechsunddreissigste Vorlesung.
Excison etc. zur Voraussetzung hat. Die hypertrophische Narbe
greift nie über die Grundarea des vorausgegangenen Substanz-
verlustes auf die angrenzende, unversehrt gebHebene Haut über
und erhebt sich nur innerhalb der durch den vorausgegangenen
üefect vorgezeichneten Basis über das Niveau empor. Ueberdies
bilden die Bindegewebsfasern der Narbe ein viel lockereres und
unregelmässigeres Gefüge, das in jüngeren Narben mehr zellen-
reich und wenig gefasert, später mehr starrfaserig und zellen-
arm sich erweist.
Endlich findet man in dem Narbenkeloid (J^ig. 32)
in der Mitte die Papillen abgängig, unter einer dünnen Epidermis-
schichte die unregelmässigen Bindegewebsgeflechte der Narbe,
ringsum dieselbe dagegen das Keloid mit den zierlich ange-
ordneten dichten Faserzügen und den PapiUen an der Oberflache.
Wir haben hier also unverkennbar eine Combination von Narbe
mit Keloid.
Wie aus den geschilderten Verhältnissen zu entnehmen,
kann demnach das Keloid von der hypertrophischen Narbe nur
durch die mikroskopische Untersuchung unterschieden werden
und ist daher die praktische Diagnose ausserordentUch er-
Schwert. Je mehr an der Oberfläche die normale BeschafPenheit
der Haut, der Papillen und Follikel kenntlich ist, desto sicherer
hat man ein Keloid, und nicht eine hypertrophische Narbe
vor sich. Ueberdies wird das Auftreten an gewissen Korper-
o-egenden, z. B. über dem Sternum, und in mehreren Streifen,
eher für Keloid sprechen. Von Scleroderma ist Keloid leicht
zu unterscheiden, schwieriger jedoch, beim Sitze auf der Lippe,
gegenüber von Rhinosclerom.
Die Prognose des Keloids ist nicht günstig, denn eine
spontane Involution erfolgt nur ausserordentlich selten und
zur Heilung des Keloids besitzen wir keine Mittel. Durch
Aetzung oder Excision entfernt, recidivirt dasselbe regelmassig
wieder, in Folge dessen man zu einem derartigen Eingriff nur
unter gehöriger Reserve sich entschliessen wird.
Emplastrum hydrargyri, Einpinselungen mit Jod, Jod-
o-lycerin können versuchweise angewendet werden, um eventueU
die Resorpticui zu bewirken, die, so lange noch das Bindegewebe
von iüngerer Beschafl-enheit ist, wohl erdenkbar wäre.
Viel mehr als die Entstellung sind es die bisweilen unaus-
stehlichen Schmerzen, die manchmal paroxysmenweise oder
Narbe.
583
typisch auftreten und als Brennen oder Stechen sich fühlbar
machen, gegen welche die Kranken Hilfe suchen. Man wird
Emplastrum de Vigo , de Meliloto mit Opiumpulver bestreut,
Kälte, Chloroform, subcutane Injectionen von Morphin, bei
tj'pischem Auftreten Chinin mit Arsen versuchen.
Narbe,
— Cicatrix — der Hautheisst eine Neubildung, welche
an der Stelle eines Substanzverlustes der all-
gemeinen Decke entstanden ist and denselben
bleibend ersetzt. Sie unterscheidet sich durch weiss- oder
rothglänzende, glatte, bisweilen auch zari gerunzelte oder dünn-
schilferige und trockene Beschaffenheit ihrer Oberfläche und
derbe Consistenz von der sie allseitig begrenzenden normalen
Haut. An der Narbe fehlen die der normalen Haut eigenthüm-
liche Furchung und Linienzeichnung, Poren und Haare, Pigment,
Talg- und Schweissdrüsen. Sie liegt im Niveau der iimgeben-
den Haut — normale oder flache Narbe; oder etwas tiefer
— atrophische Narbe; oder überragt die Umgebung —
hyp ertrophische Narbe. Im letzteren Falle erscheint die-
selbe als strichförmiger , cylindrischer , knolliger "Wulst, als
leisten- und faltenförmige Ueberdachung der Haut oder einer
im Uebrigen flachen Narbe, oder als gestrickt-, netz-, stern-
förmig sich kreuzende und combinirende Wülste. Endlich ist
die Narbe einmal mit der Haut verschiebbar — freie, oder
bewegliche Narbe; oder an die Unterlage, Fascien, Knochen
festgelöthet, flach oder eingezogen — fixe Narbe.
Die Entstehung der Narbe hat zur nothwendigen Vor-
aussetzung, dass ein bindegewebiger Antheil der Haiit, das
Corium, oder wenigstens die Papillarschichte zerstört worden
sei. Man kann diesbezüglich, nicht ohne praktischen Werth,
ohneweiters die Hautkrankheiten allesammt in zwei grosse
Gruppen theilen, in solche ohne und mit Narbenbüdung.
Alle jene Processe, welche in mit Resolution endigender Ent-
zündung bestehen, oder höchstens zur Abstossung der Epidermis
führen : Eczem, Erysipel , Dermatitis superficialis, Pemphigus,
Herpes Zoster, leichte Variola gehören zur ersten Kategorie.
Ausnahmsweise kann zwar auch bei diesen Formen eine Narbe
entstehen , aber nur in Folge von örtlichen Zufälligkeiten,
welche eine Zerstörung des Bindegewebes setzen, z. B. furun-
534 Sechsunddreissigste Vorlesung.
culöse oder durch Kratzen bewirkte Gewebszerstörung bei Eczem,
liämorrbagisclie Zerwühlung der obersten Coriumscliicbten
bei Zoster. Zur zweiten Art geboren neben den durch
mechanische (Kratzen, Zerquetschung) und chemisch-dyna-
mische Einflüsse (Verbrennung, Erfrierung, Aetzung) gesetzten
Zerstörungen des Gewebes alle jene Krankheitsformen, die
durch ihre Natur massige Necrobiose (Gangrän) oder eitrige
Schmelzung veranlassen: Lupus, gummöse' Syphilis, Scrophulose,
Dermatitis suppurativa.
Der Vorgang bei der Narbenbildung ist durch die
klinische Beobachtung , wie durch das Experiment (Billroth,
0. Webee, Thieesch, Ziegler u. A.) in den wesentlichsten
Punkten aufgehellt. Derselbe stellt sich in zwei Phasen vor,
1. der Bildung vonFleischwärzchen — Granulationen
und 2. der Epidermisbildung oder Ueberhäutung
(„Benarbung"), welche beide wieder normal oder abnorm
sich gestalten können.
Sobald der durch irgend welchen der früher erwähnten
Einflüsse (Causticum, mechanische Zerstörung, entzündliche
Eiterung, Gangrän) abgestorbene Gewebstheil von dem ge-
sunden Gewebe sich abgegrenzt hat, beginnt von dem letzteren,
unter den Erscheinungen der entzündlichen Infiltration und
Eiterung, die G r a n u 1 a t i o n s b i 1 d u n g ; und haben die necro-
tischen Massen sich abgelöst, so liegt eine granulirende und
eiternde Wunde zu Tage. Die Granulationen erscheinen lebhaft
roth, anfangs grobkörnig und derb, später feindrusig, sammt-
artig und gegen Berührung empfindend, aber nicht schmerzhaft.
Histologisch unterscheidet man in den Granulationen eine
obere, gefässlose, aus Eiter bestehende, „pyogene", und eine
untere, gefässreiche, „plasmatische Schichte" (Thiersch). Nach
den gegenwärtig herrschenden Vorstellungen stammen die Form-,
elemente des Eiters theils aus dem Granulationsgewebe (Wander-
körperchen) und aus dessen Blutgefässen (weisse Butkörperchen),
theils von der Proliferation (Zerfall) der zu oberst gelegenen
Gewebselemente. Die (untere) Hauptmasse der Gramüationen
stellt junges Bindegewebe dar , welches neben einem grossen
Antheil von eingewanderten Blutkörperchen (Cohnhem) aus
den unter Hyperämie und reichlicherer Plasmazufuhr productiv
gewordenen Elementen des alten Nachbargewebes, Anschwellung
und Theihuig der Bindegewebskörperchen und anderer Form-
Narbe.
585
elemeute (s. pag. 177) lier vorgegangen und als sogenanntes
..Granulationsgewebe" (VmcHOw) für viele Arten von Neubil-
tUmo- typisch ist. Es besteht aus einer feinkörnigen, oder zart-
o-enetzten oder faserigen Intercellularsubstanz, in welche ovale,
o-rosskernige und spindelförmige Zellen in grosser Menge ein-
o-elao-ert sind, und aus neugebildeten Gefässen, welche diesem
Gewebe Richtung und Stütze, und durch oberflächliche Gefäss-
schlingenbildtmg warzige, papilläre Form geben. Die neuen
Gefässe stammen ebenfalls theils direct von den alten, indem
deren Wandung sich ausbuchtet, oder in Form von soliden,
später hohl \Yerdenden Kolben auswächst (Jos. Meyek, 0. Weber) ;
theils entstehen sie selbstständig aus aneinandergereihten und
zu einem mit Kernen besetzten Rohre verschmelzenden Zellen
(Rokitansky) ; oder indem einfache intercelkiläre Räume mit
den präformirten Blutgefässen in Communication treten (Webee,
Lehmann); oder endlich durch endogene Bildung von Bkit-
körperchen in Zellen und Hohlräumen, gewissermassen eine
Wiederholung des embryonalen Vorganges (Rokitansky, Weber,
Billroth, Stricker, E. Klein).
Das Granulationsgewebe geht allmälig von den tiefsten
Schichten her in (Narben-) Bindegewebe über, indem unter
Verminderung der Hyperämie die Einwanderung und Prolifera-
tion von Zellen weniger lebhaft wird, ein Theil der letzteren
an Stabilität gewinnt, durch Aneinanderlagerung (Rollet) und
Aussenden, vielleicht auch Spaltung von Fortsätzen zu Binde-
gewebsfibrillen mit polar einlagernden Bindegewebskörperchen
sich umgestaltet und die Intercellularsubstanz sich chemisch
imd morphologisch entsprechend umwandelt. Mit der fort-
schi-eitenden Organisation rücken die Fasern aneinander, ver-
schmächtigen sich die intercellulären und interfibrillären Räume,
schrumpfen auch die Fasern in sich und ziehen sie die Nachbar-
haut heran, wodurch auch die Area der Wunde sich verkleinert.
Hat die Granulation im Emporwachsen das Niveau der
angrenzenden Haut erreicht, so beginnt die zweite Phase
des Processes, die Ueb erhäutung, durch Bildung einer
neuen Epidermisdecke.
Unter Abnahme der Hyperämie sistirt das weitere Wachs-
thum der Fleischwärzchen zunächst am Wundrande, und von
diesem schiebt sich ein dümies Häutchen vor, welches den in
Folge des Durchschimmerns der Gefässe bläulich-rotheu Ueber-
586
Sechsunddreissigste Vorlesung.
häutiingssaum darstellt. Von allen Seiten nach deraWundcentruin
stetig vorückend, und im älteren Theile in Folge Cumnlirung
der Epidermisschicliten erblassend, trifft derselbe endlich mit
den gegenüberstehenden zusammen und damit ist die Wunde
überhäutet, die Benarbung vollendet.
Dass die neue Epidermis von den randständigen alten
Epidermiszellen erzeugt wird, scheint durch klinische Beobach-
tung fast eiitschieden. Denn regelmässig nimmt der TJeber-
häutungssaum vom Rande seinen Ausgang und wenn unter
Umständen, z. B. nach Verbrennung, auch inmitten des
Grranulationsfeldes isolirte Epidermisinseln auftreten, so mögen
auch diese von alter Epidermis herstammen , nämlich von
der Epidermisauskleidung restlicher Talg- und Schweissdrüsen-
stücke. Die Annahme, dass Epidermis wieder nur aus Epidermis
hervorgehe, entspricht nicht nur dem embryologischen Schema,
sondern auch den Resultaten specieller Untersuchungen, indem
Heiberg im Epithel der Cornea gesetzte Verluste in der Weise
sich ersetzen sah, dass die randständigen Epithelien Fortsätze
trieben , die als neue Zellen sich abschnürten, ferners Lott
für die physiologische Regeneration der Epidermis ebenfalls
Abschnürung von Sprossen der basalen (s. g. Fuss-) Zellen
des Rete demonstrirt und bei pathologischer Epithelproliferation
(s. Fig. 29) gleichfalls Theilungs Vorgänge der präexisteuten
Zellen die Hauptrolle spielt. Nebstdem mögen auch Wander-
zellen zum Theil zu Epidermis sich gestalten (Biesiadecki,
Pagenstecher). G-anz isolirt steht die Ansicht von J. Arxold,
nach welcher das neue Epithel durch Differenzirung eines von
den Randepithelien producirten Plasmaergusses, quasi authochton
sich bilden soll.
Anomal gestaltet sich die Narbenbildung, indem ent-
weder die Grranu.lationen zögernd, oder in schlechter Qualität
sich bilden, wodann sie glatt, wenig warzig, trocken oder
hydropisch, oder hämorrhagisch beschaffen sind, und wiederholt
zerfallen; oder wenn sie über das Normalniveau wuchern (Caro
luxurians). Solche Fleischwärzchen sind zugleich entweder
abnorm stumpffühlig, oder höchst empfindlich ; oder aber es ver-
zögert sich abnorm die Epidermisbildung.
Die Ursachen solcher Hindernisse der Vernarb nng sind
entweder constit\itionell : Anämie, Scorbut, Hydrops, oder
liegen in örtlichen Momenten, mechanischen Insulten, Druck,
Narbe.
587
Zerrung; endlicK aucli in dem grossen Umfange der Wunde,
indem die peripher schon fertig gestellte Narbe durch Schrumpfung
die zuführenden Gefässe comprimirt und die genügende Ernäh-
rung der centralen Theile hindert.
Die fertige Narbe besteht nach dem Gesagten aus einem
unregelmässigen, gefäss- und nervenreichen Bindegewebsfilze.
HaarfoUikel, Talg- und Schweissdrüssen, sowie Papillen fehlen.
Es mangeln daher auch die den letzteren entsprechenden.
Eetezapfen und die aus mehreren Lagen polyedrischer Rete-
zellen und einer dünnen Hornzellenlage bestehende Oberhaut
streicht in gerader Flucht über die Oberfläche des Bindegewebs-
stockes hinweg. Junge Narben sind pigmentirt, succulent und
zellenreich und führen noch viele Blutgefässe: daher lebhaft
roth, bei Kälte und mechanischer Stauung leicht zu Hämorrhagie,
Loswühlung der Oberhaut und Zerfall geneigt. Mit vorschreiten-
dem Alter werden sie kürzer, trocken, hart und weiss. Dem-
gemäss zeigen sie auf Durchschnitten viele verödete, mit Pigment-
körnern gefüllte G-ef ässstränge , sclerotisches Bindegewebe mit
wenigen und kleinen Büidegewebskörperchen und engen Maschen-
räumen.
Da jede Narbe einen Substanzverlust, wie ein Guss die
Form , ausfüllt , so entspricht zwar im Allgemeinen Form und
Umfang derselben auch dem vorausgegangenen Defecte; aber
ihre specielle Gesammtgestaltung ist das Resultat einer Summe
von Momenten, gewissermassen ihrer Geschichte. So werden
z. B. die Narben bei serpiginös - geschwürigem Syphilid der
Grenze des letzteren gemäss im Centrum den Charakter der
älteren tragen, weiss und derb, an der Peripherie jünger, roth,
pigmentirt, zugleich bogenförmig begrenzt erscheinen. Aber
Solches gilt nur im Allgemeinen und die Ansicht , als gäbe es
charakteristische Narben, ist im speciellen Falle nicht
haltbar. Denn von Zoster herrührende Narben können genau denen
von Syphilis gleichen und die gestrickten Narben nach Ver-
brennung oder einem gangränösen Bubo sehen genau so^ aus,
wie die nach Schwefelsäure-Aetzung. Nur unter Berücksichti-
gung aller Nebenumstände ist ein Wahrscheinlichkeits-Rück-
schluss gestattet, um so mehr, als auch andere als die nächsten
ursächlichen Momente für die besondere Gestaltung der Narbe
massgebend werden können. So z. B. gerathen alle Narben
schlecht, die in ihrem Aufbau oft gestört worden sind, sie
588
Secbsunddreissigste Vorlesung.
werden uneben, gestrickt, knollig. Schwefelsäure- Aetzung Hinter-
lüsst meist unschöne Narben, Bei manchen Individuen hyper-
trophiren noch nachträglich die schon fertigen Narben. Endlich
ist aucli die Behandlung während der Narbenbildung auf die
Qualität des Endproductes von grossem Einfluss.
Die Folgen der Narben bestehen neben der in ihrem
Objecte gelegenen Verunschönung der Haut in der durch ihre
Schrumpfung bewirkten Verzerrung der Nachbarhaut und, je
nach dem Standorte , Fixirung und Contractur der Grelenke,
Ectropiu.m der Augenlider, Verengerung der Eingangspforten in
die Körperhöhlen, Verwachsung von Hautfalten der Finger,
Seitwärtszerrung des Kopfes beim Sitze am Halse u. s. w., sowie
wegen ihrer geringen Elasticität, in mannigfacher Behinderung
der Bewegung und Brauchbarkeit der betroflFenen Theile. Ausser-
dem belästigen sie oft durch spontane Schmerzhaftigkeit, Jucken,
Stechen , sowie durch ihre langandauernde Vulnerabilität und
Neigung zur Entzündving.
Die Aufgabe der Therapie besteht in der Erzieluug
schöner , d. i. flacher , dünner und beweglicher Narben und hat
mit dem Auftreten der Granulationen zu beginnen. Bei nor-
malem Vorgange des Processes mag jedwede der üblichen und
gangbaren chirurgischen Verfahrungsweisen am Platze sein.
Bei abnormer Gestaltung sind nach Umständen alle jene Cau-
telen zur Verhütung von Verwachsungen, Anregung oder Be-
schränkung der Fleischwärzchen- und Epidermis-Bildung an-
zuwenden (häufige Aetzung mit Lapis, Salben von Ciiprum
acet., Nitr. argenti, Druckverband, Kali-, Kupfer-Lösung u. A.),
welche im Capitel über Verbrennungen (s. pag. 349 — 350)
ausführlich angegeben worden sind. Bei grossen "Wundflächen,
bei welchen die mittelständigen Partien zu überhäuten zögern,
ist noch ausserdem die von Keverdin eingeführte und seither
vielbewährte Methode der Transplantation zu emj)fehlen.
Nach derselben schneidet man von einer gesunden Hautstelle
desselben, oder eines anderen Individiums mittels Scheere ober-
flächliche Stückchen aus, welche in 5—10 Mm. kleine Theile
zerschnitten auf die bereits granulirende Wunde in mässiger
Distanz von einander gelegt, mittels Heftpflaster niedergedrückt
werden. Nach 5—6 Tagen wird dieses entfernt. Manche
Stückchen scheinen nun verschrumpft und abgefallen, einige aber
sitzen fest, indem Corium und Gefässchen derselben mit den
Mollnscuni fibrosum.
589
Elementen der Granulationen verwachsen sind (AjfABiLi's und
Jacexko's Untersuchungen). Auch diese verlieren ihre alte Epir
dermis zum Theile, produciren aber schon am 10. — 12. Tage
bläuliche Epidermisinseln , die alsbald ringsum auf nachbarliche
zuwachsen und so die centrale Ueberhäutung ermöglichen.
Die durch die Narbenschrumpfung veranlassten Ver-
zerrungen , Verengerungen von Höhleneingängen , Fixirung von
Gelenken etc. werden durch einfache oder mit Plastik verbundene
Excision, oder forcirte Streckung der Narbe bekämpft. Hyper-
trophische, entstellende Narben können ausserdem noch mittels
flachgeführter Schnitte abgetragen werden, worauf die blutende
Fläche mit Lapis geätzt und die neue Ueberhäutung sorgfältig
überwacht wird. Erweichend und allmälig abflachend wirken
gegen callöse , starre Narben Bähungen mittels protrahirter
warmer , künstlicher Bäder oder Thermen , Druck mittels Heft-
pflaster oder Empl. hydrargyri ; endlich die künstliche Erregung
von Entzündung im Narbengewebe, durch welche die fixen
Gewebselemente wieder zu lebhafterer Vegetation, Metamorphose
und auf neu eröifneten Blut- und Lymphbahnen zur Resorption
gebracht werden. Hiezu dienen wiederholte Aetzungen mittels
concentrirter Lapislösung, oder methodische Einpinselungen von
Jodglycerin.
Neuralgische Afi'ectionen der Narben werden in gleicher
"Weise mittels emoUiirender oder narkotisirender Applicationen
bekämpft, wie die analogen Zustände des Keloids, oder erheischen
ihre oder des zuführenden Nerven Excision.
Molluscum fibrosum,
M. Simplex s. pendiüum ("Willan); M. non contagiosum
(Batejian); Fibroma moUuscum (VmCHOw), bildet breit oder
gestielt aufsitzende, von normaler Haut be-
deckte, meist deutlich begrenzte Geschwülste
von gleichmässig teigig-weicher oder mehr derber Consistenz.
Ihr Umfang variirt von einer erbsen- bis bohnengrossen,
mittels Tasten unter der Haut eben fühlbaren Verdickung
oder Vorwölbung, bis zu Geschwülsten von Nuss-, Faust- und
Kindskopfgrösse , welche entweder breit aufsitzen oder die
mit ihnen dicht oder lose verwachsene allgemeine Decke vor
590
Sechsunddreissigste Vorlesung.
sicli beuteiförmig herstülpen und als bim-, kolben-, wammen-
oder beutelförmige , gestielte Anhänge der Haut erscheinen.
Heber den kleineren G-escbwülsten ist die Haut blass,
■über den grösseren blaurotb , von ausgedehnten Gefässen
durchzogen und da auch in der Regel gespannt, follikelarm.
Doch sind öfters die Talgdrüsen mit Sebumpfröpfen erfüllt
und erweitert. In das Innere der Greschwulst führt jedoch keine
OefFnung. Sie fühlen sich gewöhnlich gleichmässig derbteigig an,
manchmal etwas fester, oder sind lappig, mit derberen und
weicheren Partien. Manchmal, namentlich bei den kleineren
und älteren, glaubt man eine blosse Hautfalte zwischen den
Fingern zu fühlen, ohne Inhalt, doch ist ein solcher vorhanden,
welcher sich nach dem subcutanen Bindegewebe strangförmig
fortsetzt.
Ihre Menge ist in der Regel beträchtlich, manchmal bis
hundert in den verschiedensten Entwicklungstadien, im Bereiche
des Gesichtes, des behaarten Kopfes, am Stamme, den Augen-
lidern, an den Genitalien, ad nates u. s. w. Die erste vom
Jahre 1793 stammende Beschreibung eines solchen Falles durch
Ludwig und Tilesius ist noch heute typisch.
Sie belästigen nicht nur als eine entstellende Geschwulst
durch ihre Zahl und Grösse, sondern auch je nach ihrer Loca-
lisation als mechanisches Hinderniss der Gelenksfunction , des
Sehens, (indem das obere Augenlid als dicker Lappen herab-
hängend das Auge verdeckt) ; bei grossem Umfange durch Span-
nung der Haut, gelegentliche Entzündung und Gangrän.
Nach der im Wesentlichen übereinstimmenden Darstel-
lung von Rokitansky, Wedl, Virchow u. A. besteht das Mollus-
cum fibrosura aus gallertartigem, mit fortschreitendem Alter der
Geschwulst zu fibrösem sich umgestaltenden Bindegewebe.
Nur über den Ausgangspunkt dieser Neubildung sind die
Meinungen getheilt. Nach Rokitansky geht dieselbe von den
tieferen Maschenräuraen des Coriums aus; nach Fagge und
HowsE von der Bindegewebswand der Haartasche ; nach Virchoav
von der Blndegewebsurarahmung der Fettläppchen, welcher An-
sicht auch ich mich anschliesse. Von da aus emporwachsend wölbt
das Gebilde die Haut vor sich her und wächst es zu knolligen,
lappigen und hängenden Geschwülsten heran. Am Scheitel der
Geschwulst besteht eine innigere Verbindung zwischen ihr
und der Haut, indem Fasern der ersteren in diejenigen des
Molluscum flbrosuni;
591
Coriums übergelien. Im Uebrigen ist die Verbindung zwischen
beiden lose und daher die Greschwulst ziemlich leicht aus-
schälbai*.
Bei den grösseren und älteren Knoten besteht die innere
Partie aus jüngerem , gallertartigem, der periphere Theil mehr
aus faserigem Bindegewebe, stimmt demnach im histologischen
Charakter mit Elephant. Arabum überein. In dem Stiel befinden
sich ein oder mehrere grössere Gefässe , ebenso wie in dem
iederzeit vorhandenen derben, knotigen Ende, welches xmtev
der Haut liegt, das ist der Partie, von wo die G-eschwulst
ihren Ausgang genommen hat. Drüsen und Follikel der die
Geschwulst bedeckenden Haut sind im Verhältnisse der er-
littenen Spannung theils normal , theils verzerrt , geschrumpft,
deo-enerirt. Oft auch finden sich zahlreiche Comedonen und Balg-
geschwülste (Molluscum contagiosum Batemax) auf und zwischen
den G-eschwülsten des Molluscum fibrosum.
Einzelne Geschwülste involviren sich spontan ; alsdann
bleibt ein scheinbar leerer beuteiförmiger Anhang zurück.
Dieser enthält aber immer noch einen Theil des Molluscum,
wie aus der Unmöglichkeit die Falten auseinander zu ziehen
\mi dem nach der Tiefe zu verfolgenden Knotenstrang zu er-
kennen.
Die meisten Geschwülste persistiren zu verschiedener
Grösse angelangt. Der Beginn des Processes ist in allen bisher
beobachteten Fällen aiif die früheste Kindheit zui'ückgeführt
worden. In Ermangelung jedweder plausiblen Ur s ach e wurde
eine hereditäre Anlage, nach Viechow eine Art „Süchtigkeit"
(„Molluscosis" Bebgh) dem Uebel zu Grunde gelegt, welche
in einem bekannt gewordenen Falle (Viechow) durch Auf-
treten des Molluscum in drei Generationen sich manifestirt
liat. Eine constitutionelle Anlage nimmt auch Hebra an,
indem er die Thatsache betont, dass alle mit Mollusciim fibrosum
behafteten Kranken physisch und geistig verkümmert gefunden
werden.
Die geschilderten Eigenschaften, die Multiplicität luid der
Verlauf charakterisiren das Molluscum fibrosum zur Genüge,
um dessen Diagnose gegenüber der als Moll, sebaceum v.
contagiosum (pag. 164) bekannten Talgdrüsengeschwulst, sowie
gegenüber von multiplen Fibromen, Lipomen, einzelnen mollusci-
forraen "Warzen festzuhalten.
592
Sechsunddreissigste Vorlesung.
Die Prognose für M. fibrosum ist nicht günstig, da
wir keine Mittel besitzen, um diese Greschwülste zur Rück-
bildung zu bringen. Obgleicb das Allgemeinbefinden nicht nach-
weislich von der Neubildung beeinflusst zu werden scheint,
indem wir bei ziemlich vorgerückten Individuen die Krankheit
gesehen haben, ist doch zu bemerken, dass bei einzelnen mit
der Zeit zum Tode führender Marasmus, oder Tuberculose sich
eingestellt hat.
Therapeutisch kann nur soviel geleistet werden, da s.s
man nach den Regeln der Chirurgie einzelne, durch ihre Loca-
lisation und Grösse belästigende Tumoren exstirpirt, exscindirt,
galvanokaustisch oder mittels elastischer Ligatur abschlingt.
Xanthoma,
Xanthelasma (Wilson), Vitiligoidea (Addison und Gull)
heissen stroh-, citronen- bis schwefelgelbe oder
gelblichweisse, inderRegel scharf umschriebene,
flache, wie eine blosse Verfärbung sich darstel-
lende Flecke oder Knötchen der Haut, deren häufigste
Localisation an den Augenlidern ist.
Schon im Jahre 1815 von Rater als „pläques jaunätres
despaupieres" beschrieben iind abgebildet, sind diese Vorkomm-
nisse doch erst von Addison und Güll 1851 unter dem Namen
Vitiligoidea eingehender erörtert worden, für welchen
wenig passenden Titel später Ee. Wilson den bezeichnenderen
Xanthelasma oder Xanthoma vorgeschlagen hat.
Erst in der Folge hat man auch anderswo denselben Aufmerk-
samkeit zugewendet ; doch sind noch immer die interessantesten
Mittheilungen darüber aus England gekommen, von Pavy, Fagge,
Smith, Wilson, A. W. Foot, obgleich auch in Deutschland von
Hebra, Jany, Cohn, Waldeyer, Geisler, Virchoav, Geber, Smox,
mir, in Frankreich von Besnier, Hillairet, Cha^ibard und vielen
Anderen, namentlich Oculisten über diesen Gegenstand Ver-
öffentlichungen stattgefunden haben.
Nach der ursprünglichen Angabe von Addison und Gull
muss man auch heutzutage das Xanthom in zwei Formen unter-
scheiden: 1. X. planum, 2. X. tuberosum.
Das fleckenförmige Xanthom, X. planum, bildet
kleine bis fingernagelgrosse und noch grössere, .strohgelbe bis
Xanthoma.
593
citronengelbe oder mit welkem Laub gleicligefärbte Flecke der
Haut. Sie sind entweder gleicbmässig , oder aus einzelnen
Fleckchen zusammengesetzt , flacb oder an den Rändern etwas
vorspringend. An ihrer Stelle ist die Haut vollständig glatt,
weich, nicht schilfernd, nicht juckend, selten wird etwas
Brennen oder Schmerz empfunden. Zwischen den Fingern gefasst,
geben sie nicht das Gefühl, als wenn irgend etwas Fremdartiges
in der Haut wäre. Die Falte fühlt sich ganz wie an einer
normalen Haut an. Sie finden sich zumeist an den Augenlidern,
an einem oder an allen , meist ziemlich symmetrisch und näher
dem inneren Augenwinkel , seltener an den angrenzenden
Wangenpartien und noch seltener an der Haut der Nase, Ohr-
muschel lind an der seitlichen "Wangen-, Hals- und Nacken-
gegend. Auch auf der Schleimhaut des Mundes, des Gaumens,
der Wangen , am Zahnfleisch hat man diese Vorkommnisse
beobachtet.
Das knötchenförmige Xanthom, X. tuberosum,
erscheint in Form von hirsekorn-, miliumartigen oder weizenkorn-
ähnlichen, weiss- oder gelblichweissen, isolirten oder zu Plaques
zusammengedrängten Knötchen, welche kaum oder selbst bis
4 Mm. über das Hautniveau emporragen , an ihrer Oberfläche
mit glatter Epidermis bedeckt, in der Haut quasi eingeschoben
und eine kaum bemerkbar stärkere Consistenz, als die normale
Haut darbieten. Diese kommen seltener an den Augenlidern,
häufiger an den Wangen , namentlich aber an den Streck- und
Beugeseiten der kleinen Gelenke, der Finger und Zehen, sowie
an der Flachhand und Fusssohle , selbst am behaarten Kopf
und am Penis vor, ebenso an den früher genannten Partien
der Schleimhaut, sowie an den Labien.
Beide Formen sind als zusammengehörige Bildungen zu
betrachten , weil sie an demselben Individuum gemischt vor-
zukommen pflegen. Das Xanthom entsteht da und dort als
fleckenartiges und entwickelt sich am Rande zu knötchenartigem.
So viel man bisher beobachtet, metamorphosirt sich dasselbe
nicht, sondern besteht es ohne weitere Veränderungen. Das
knötchenförmige complicirt sich manclunal mit harten Ablage-
rungen in den Sehnen der Fingerstrecker. Selbstverständlich
belästigt die tuberöse Form mehr als die Fleckenform.
lieber die Ursache dieser merkwürdigen pathologischen
Bildung kann nichts Bestimmtes ausgesagt werden. Man hat
Kaposi, Hautkrankheiten. 38
rjC)4 Sechsunddreissigste Vorlesung.
<jft versucht eine Beziehung derselben mit Leberaffectionen
geltend zu machen, weil in mehr als der Hälfte der bekannt
^•ewordenen Fälle theils vor der Erkrankung, theils im Verlaufe
derselben Icterus constatirt und beobachtet worden ist. So war
in den von mir zusammengestellten 27 Fällen 15mal Icterus
ilagewesen. Allein weder die anatomischen Verhältnisse des
Xanthoma, noch die Erklärungsversuche von Fagge und
MuECHisoN machen die Beziehung eines Icterus zum Xanthom
erklärlich, abgesehen davon, dass bei einer grossen Zahl
Icterus überhaupt nicht vorgekommen ist.
Anatomisch stellt sich sowohl das Flecken- als
Knötchenxanthom nach den Untersuchungen von Pavy, welchem
Fagge , Murchison , Smith , Waldeyee , Virchow und ich zu-
stimmen, als Bindegewebsneubüdung mit Einlagerung von Fett
und fettiger Degeneration dar, während, wie früher Hebra,
so später Geber und Simon dasselbe als den Ausdruck einer
Hypertrophie der Talgdrüsen, also wesentlich identisch mit
Milium darstellen und daher auch glauben, dass man zweierlei
Formen unterscheiden solle, das eine, das bindegewebiger Natur,
als Fibroma lipo mato des, und das andere, aus Drüsen-
aegeneration hervorgegangene, als Vitiligoidea.
Es geschehen sicher Verwechslungen des Xanthom mit
Miliumkörnchen, welche, in dichten Haufen zusammengedrängt,
wie ein Xanthom ' erscheinen können. In unserem Ambiüatorium
A-om Jahre 1878 haben wir einen solchen Fall an einem Mädchen
beobachtet, bei welchem vom inneren Augenwinkel der linken
Seite über das untere Augenlid, die Wange bis zum Kieferwinkel,
in zwei länglichen ovalen Plaques zusammengedrängt solche
Miliumkörnchen lagerten. Diese konnten aber alle nach blossem
Einritzen ihrer Decke herausgedrückt werden. Bei Xanthom
ist dergleichen nicht möglich. Wenn man da einschneidet , so
erscheint die Schnittfläche mehr weniger gleichmässig gelb.
Man kann aber ausser etwas Blut und Serum absolut nichts
von der Schnittfläche herausquetschen, was wie Fett oder Fett-
zellen aussieht; es ist eben das Gewebe selbst verfettet und
•daher gelb. Diese Verhältnisse geben auch den diagnostischen
Unterschied zwischen Milium und Xanthom.
Die Diagnose desselben ist auf Grund der früher ge-
schüderten und sehr augenfäUigen Charaktere sehr leicht zu
machen. In prognostischer Beziehung ist hervorzuheben,
Xanthoma.
595
ilass das Xaiitliom zeitlebens fortbesteht, ohne sich merklicli
zu ändern und in übler Weise zu entarten, dass aber auch
eine spontane Rückbildung desselben nicht zu erwarten steht.
Eine andere Heilung des Xanthom als durch Excision
oder Ausschaben mittels scharfen Löffels ist nicht möglich.
Hier wäre der geeignete Platz, auch der als isolirte oder
multiple Geschwülste der Haut und des subcutanen Zell-
gewebes vorkommenden, in das Grebiet der speciellen Chirurgie
gehörigen Fibrome, Lipome lind Neurome zu erwähnen.
Die letzteren sind, soweit die bisher bekannt gewordenen
Fälle, auch der interessante von Dühring mitgetheilte, lehren,
wesentlich bindegewebiger Zusammensetzung (Fibrome) und
mit den Nerven in verschiedener Beziehung, der Nervenscheide
anhängend, die Nervenfasern auseinanderdrängend oder in gar
nicht eruirbarem Zusammenhange (Hautknötchen bei Dohring) ;
nur in einzelnen Fällen ist wirkliche Neubildung von Nerven
imd Nervenplexus demonstrirt worden (Biesiadecki, Czerxy),
vorwiegend in Combination mit Elephantiasis oder Naevis.
Sie charakterisiren sich klinisch durch äusserste Schmerzhaftig-
keit gegen Druck, sowie spontane paroxysmenartige Neuralgien.
38*
Siebenunddreissi gste Vorlesung.
Angiomata.
Blutgefäss- und Lymphgefäss-Neubildungen.
Grefäss-Neubildungen ixmfassen solclie patliologisclie
Bildungen der Hant , welclie ganz, oder ilirer Haupt-
masse nach, ans bleibend erweiterten und nengebil-
detenGrefässen bestehen. Dieselben müssen unterschieden
werden in Blut- und Lymphgefäss-Neubildungen.
Blutgef äs s-Neubildungen, eigentliche Angiome.
verrathen schon durch die klinische Beschaffenheit ihre ana-
tomische Zusammensetzung, indem sie üi der Farbe und Con-
figuration von mit Blut injicirten Blutgefässen erscheinen und
unter dem Fingerdruck momentan verschwinden. Ausserhall»
dieser allgemeinen Eigenschaften bieten die Angiome sehr viele
Mannigfaltigkeiten dar, nach deren meritorischer Geltung die-
selben unterschieden werden können, als 1. Telangiektasis.
2. Naevus vascularis, 3. Angio-Elephantiasis und
4. Tumor cavernosus.
Telangiektasien (jzlo:, äyytov, £x.Ta(ji:) sind während
des extrauterinen Lebens entstandene Erweiterungen und Neu-
bildungen von capillären und feinsten Hautgefässen und er-
scheinen als hellroth- bis dunkelviolette, mohnkorngrosse und
grössere, unter dem Fingerdrucke erblassende Flecke oder
Knötchen oder Grefäss-Grezweige , oder als diffuse, von Geiass-
ästchen durchzogene Röthung oder Marmorirung der obersten
Hautschichten.
Die Abwesenheit von Temperaturserhöhung , Schmerz
und Schwellung und die Persistenz der Röthe und Gefäss-
Verästelung hilft leicht die Verwechslung mit hyperämischer
Angioiue.
597
und entzündlicher Rothe zu vermeiden. Die Telangiektasien
entstehen idiopathisch, selten im Kindesalter, in der Regel
in der mittleren Lebensperiode und mehren sich mit dem vor-
schreitenden Alter. Die zarte Haut der Augenlider, Nasen-
flügel, "Wangen, Ohren und Hals sind ihr häufigster Stand-
ort , selten der Handrücken und andere Körperstellen , an denen
ihre Anwesenheit wenig beachtet wird. Auf den Lippensaum
und die Mundschleimhaut übergreifend kommen beerenartig
turgescirende Gefässknötchen vor, welche bei Verletzung
heftig bluten. Bei einem 50jährigen Manne habe ich spontan
entstandene und über den grössten Theil des Körpers ver-
breitete telektatische Marmorirung, bei einem 18jährigen
Mädchen solche auf die Füsse beschränkt gesehen.
Consecutiv entstehen Telangiektasien in und um Narbeu,
durch welche ein Theil der Capillaren verödet worden, indem
die restlichen Capillarrohre sich ausdehnen, und solche besetzen
oft dauernd die Hautstellen, welche von dem eigentlichen
Krankheitsprocess, z. B. Lupus erythematosus, Lupus etc. be-
freit sein mögen; ferners die über Geschwülsten durch Druck
und Zerrung sich ergebenden Gef ässektasien. Symptomatisch
sind die der Acne rosacea angehörigen Telangiektasien im Be-
reiche des Gesichtes , sowie die durch centrale Circulations-
hindernisse (endothoracische Geschwülste, Pleuritis, Herzfehler)
bedingten peripheren Cyanosen,
Der Verlauf der Telangiektasien ist wenig wechselvoll,
indem einzelne Aestchen verschwinden, andere auftauchen.
Na e v u s V a s c ul ar i s, Gefässmal, ist eine ange-
borene, oder in den ersten Lebensmonaten entstandene
abnorme Vascularisation der allgemeinen Decke, von eben-
falls verschiedener Gestalt und Intensität. Derselbe ersclieint
als diffuser Fleck, wie von in die Haut ergossener Tinte, von
hell- bis bläulich-rother oder bleigrauer Farbe, ohne oder mit
leichter Turgescenz der Haut — N a e v u s f 1 a m m e u s, F eii er-
ma 1, täche de feu, Naevus simples, Angioma simplex (Viechow) ;
_oder in Form von erbsengrossen oder grössere Hautflächen
occupirenden \md dann flacherhabenen, prominirenden , ge-
sehwulstartigen , turgescirenden , manchmal sogar pulsirenden
Geschwülsten von glatter oder höckeriger Oberfläche — Angioma
prominens , Naevus tuberosus, Angioma cavernosum (Virchow),
Fungus haematodes Autor. , venöse Telangiektase (Schüh)
gC|3 Siebejiunddreissigstc Vorlesung.
erectile Gefässgescliwulst (Dupuytren), Aneurysma spongio-
sum etc. Sie alle haben die Eigenschaft, unter Compression .
lind so lange diese anhält, zu erblassen. An der Oberfläche
scheinbar scharf begrenzt , setzen sich diese Naevi in der
Tiefe mittels feiner Ausläufer in die Umgebung fort. Ihr
häufigster Standort ist die Region des Kopfes, der seltenere,
Stamm und Extremitäten, sowie Grenltalien. Sie finden sich zu
eins oder vielen und sind oft örtlich mit Pigment- oder Warzen-
mal combinirt oder mit solchen identisch — Angioma pig-
mentosum et verrucosum. Die im Gesichte localisirten Augiome
turgesciren unter blutstauenden Momenten (Husten, Schreiend
und erblassen unter gegentheiligen Verhältnissen (Ohnmacht)
oft bis zur Unkenntlichkeit.
Der Verlauf der Gefässmäler ist sehr verschieden.
Die meisten wachsen innerhalb der ersten Lebensmonate oder
Jahre bis zu einem gewissen Umfange heran und persistiren das
ganze Leben hindurch, oder verändern sich erst im höheren Alter
in retrogradem oder excedirendem Sinne. Andere verschwinden
spontan durch allmälige Obliteration der Gefässe binnen der
ersten Lebensjahre mit Hinterlassung weiss-gläuzender, narben-
ähnlicher oder pigmentirter Flecke. Dies gilt namentlich von
deiri diffusen Naevus flammeus und dem flachen Angioma
Simplex. Grössere und turgescirende Gefässgeschwülste (Ge-
fässschwamm, Fungus haematodes, venöse Telangiektasie (Schuh)
dagegen pflegen rasch, oder nachdem sie mehrere Jahre
stationär schienen , nach der Fläche und Tiefe sich auszubreiten
(tardive Angiome, Virchow), wobei sie auf die angrenzende
Schleimhaut der Wange, Zunge, Conjunctiva etc. und in die
unterliegenden Gewebe , Fettläppchen , Muskeln , Nervenscheiden
und Knochen unter Usurirung und Verdrängung derselben vor-
dringen. Bei solch' excessivem AVachsthum ändern sie auch ihren
anatomischen und klinischen Charakter in verschiedenem Sinne.
Sie entwickeln sich zu massigen und ausgedehnten Geschwülsten,
welche z. B. eine ganze Oberextremität, den Oberschenkel, den
Rücken occupiren, und stellen einmal derbe, körnige und
knotige, ein andermal weiche, schwammartig comprimirbare
und rasch anschwellende, auch spontan bei abhängiger Lage
sich strotzend füllende, bei Elevation coUabirende Tumoren
von meist lappigem Gefüge (lappiger Gefässschwamm (Roki-
tansky, Schuh) vor, unter deren Druck und die Gewebe verdran-
Angioine.
599
gendem Wachsthiim Muskeln und Nerven degeneriren und die
Knochen atrophisiren. In manchen Tällen bilden schmerzliafte
Neurome einen wesentlichen Antheil oder gar den Ausgangs-
punkt (Heckkr, Czerny) derselben. Sie entwickeln sich nicht
selten vom subcutanen Gewebe aus, ausgehend von der Fett-
läppchenschichte, von da erst allmälig in die Cutis übergehend,
und repräsentiren die als A n g i o - E 1 e p h a n t i a s i s (VmcHOw),
Angioma elephantiaticum s. lipomatodes s. neuro ti cum
bekannte Form der Gefässgeschwulst.
Die anatomischen Verhältnisse der Angiome sind je
nach ihrer besonderen Form theils sehr einfach, theils wieder
höchst complicirt und haben im Verlaufe der Jahre je nach
dem wechselnden Stande der pathologischen Histologie sehr
imterschiedliche Deutung erfahren. Indem ich diesbezüglich auf
die bekannten Arbeiten von Rokitansky, Schuh, Wedl, Virchow,
BiLLEOTH und die Lehrbücher über pathologische Anatomie
verweise, will ich mich hier auf wenige Bemerkungen be-
schränken. Die flachen und einfachen Angiome haben ihren
Sitz in der Papillär- und oberen Ccriumschichte und mögen
vielleicht je nach ihrem vorwaltenden Hell- oder Dunkelroth mehr
arterielle oder venöse Gefässe in sich schliessen. Bei den
grösseren und tiefer greifenden Angiomen sind diese Gefäss-
unterschiede gar nicht haltbar. Ferner handelt es sich aller-
dings, sowohl in den einfachen, wie in den complicirten An-
giomen um ausgewachsene alte, und neugebildete Gefässe, nebst
mannigfacher Ausbuchtung, Schlängelung derselben und Com-
mnnication untereinander; aber auch bei den einfachsten findet
schon eine Bindegewebsneubildung an imd um die Adven-
titia statt. Diese bildet nun die wesentlichste Grundlage für die
histologischen Complicationen. Am geringsten erscheint die
Wucherung und das Auswachsen der Gefässe beim Naevus
flammeus. Eine weitere Entwicklung stellt jene Form dar,
bei welcher primäre und secundäre Ausbuchtungen und viel-
fach durcheinander sich schlingende und zu Knäueln aufgerollte
Gefässgebilde entstehen. Das kleinlappige Gefüge solcher An-
giome entsteht nach Bu.lroth's Darstellung, indem die so
eigenthümlich abgegrenzten Gefässgebiete der Schweissdrüsen,
Haartaschen, Talgdrüsen und Fettläppchen alle für sich erkrankt
sind. Während in all' diesen die Gefässknäuel das Haupt-
constituens ausmachen, tritt in der lappigen Gefässgeschwnlst
600
Siebeuunddreissigste Vorlesung.
ZU den enorm erweiterten und vielfach mit einander communi-
cirenden Blutgefässen, deren Convolut auf Durchschnitten das
Bild einer siebförmigen Durchlöcherung des Grewebes dax-bietet,
eine excessive Wucherung von jungem, gallertartigem Binde-
gewebe , ausnahmsweise auch von Neuromen und Fettläppchen,
nach welchen Vorkommnissen hernach die Geschwulst als
Angioma elephantiaticum oder Elephantiasis angiomatosa,
Ang, lipomatodes, neuroticum bezeichnet wird.
Der eigentliche Tumor cavernosus unterscheidet sich
von all' den genannten Gefässgeschwülsten durch ein ihn all-
seitig begrenzendes , derbes Bindegewebsgerüste , welches dem
der Schwellkörper ähnlich nach dem Inneren der Greschwulst
primäre und secundäre Septa aussendet, wodurch sie in viele
kleinere und grössere Fächer und Hohlräume abgetheilt wird.
Die Räume führen Blut und stehen theils mit grossen Gefässen
des Tumors , theils mit solchen der Umgebung in Communi-
cation. Einige (Rokitansky, Fleisohl,) meinen, dass der Tumor
cavernosus von der "Wandung alter Cutisgefässe auswächst,
Andere (Vibchow) halten ihn für eine unabhängig von den Ge-
fässen entstandene Geschwulst, die erst nachträglich mit jenen
in Communication tritt, während Rindfleisch denselben auf eine
Neubildung vom Bindegewebe zurückführt, welches, längs der Ge-
fässe entstanden, schrumpft und consecutiv die letzteren dilatirt.
lieber die E n t s t e h u n g s u r s a c h e der Naevi vasculares
sind wir , bis auf die wenigen , welche auf fötale Zustände
zurückgeführt werden können (Vibchow), vollständig in Un-
kenntniss. Dass bezüglich derselben, wie der anderen Naevi,
in früherer Zeit dem „Versehen der Schwangeren" eine grosse
RoUe zugeschrieben wurde, ist bekannt. Bei weiblichen Indi-
viduen finden sich Naevi vasculosi häufiger als bei männlichen.
Die Gefässmäler bilden durch die in ihrer Gegenwart
gelegene Entstellung und die Gefahr ihres unbegrenzten 'Wachs-
thums ein im Allgemeinen ernsteres Uebel. Die turgescirenden
Naevi können überdies durch leichte Verletzbarkeit, die umfang-
reicheren cavernösen Angiome durch lancinirende, neuralgische
Schmerzen , Complication mit Entzündung und Gangrän lästig
oder gefährlich werden. Letztere Zufälle können aber auch Aus-
eiterung oder Schrumpfung und Verödung des Naevus bewirken.
In der Vorhersage bezüglich der Bedeutung und des
Verlaufes der Naevi ist grosse Vorsicht geboten. Flache,
Lymphangioma tuberosum.
601
fleckenartige Mäler sind im Allgemeinen günstiger als tuberöse
und schwellende. Doch fehlt es an Merkmalen darüber, ob
ein Gefässmal stationär bleiben oder spontan schwinden , oder
im Gegentheil jene excessive Entwicklung nehmen werde, die
wir früher geschildei"t haben. Da aber die ersteren Möglich-
keiten innerhalb der ersten Lebensmonate und Jahre immerhin
vorliegen, so ist die Beobachtung des Verlaufes für die Prognose
imd das Verhalten in therapeutischer Rücksicht massgebend.
Bei stationär scheinenden Naevis kann man ruhig zuwarten,
liei unverkennbar um sich greifenden soll man möglichst früh
denselben entgegentreten.
Die Mittel und Wege der Therapie müssen dem Grade
und Umfange des Angioma entsprechend gewählt werden.
Telangiektasien werden in der "Weise zerstört, wie dies bei
Acne rosacea (vid. pag. 467) ausführlich besprochen wurde.
Flache Feuermäler , sowie warzige und pigmentirte und kleine
Gefässtumoren können überdies mittels scharfen Löffels aus-
gekratzt werden. Andere Heilverfahren gegen turgescirende
Angiome bezwecken die allmälige oder rasche Coagulation des
Gefässinhaltes und consecutive Verödung der Gefässe, als ört-
liche Compression und Kälteapplication, Unterbindung einzelner
grösserer zuführender Gefässe, Einspritzung von Ferrum sesqui-
chloretum, Manganchlorür, Cantharidin und Aehnlichen, (doch
kommt es da zuweilen zu brandiger Verschorfung , auch tödt-
lieherPyämie) ; ferners Galvano-Acupunctur. Durch Erregung von
Entzündung verschrumpfend, oder durch Eiterung oder Aetzung
zerstörend, empfehlen sich für kleinere Naevi fungosi die Ein-
impfung von Vaccine-Lymphe — ein Eingriff, der oft vom
besten Erfolg gekrönt ist ; Aetzung mittels Kali und andere
Caustica, unter denen rauchende Salpetersäure sich am besten
bewährt ; das Auflegen eines Brechweinsteinpflasters (Tart.
stibiati 0,75, Empl. adhaesivi 5, Keieg , Zeissl), Sublimat-
Collodium u. v. A. ; endlich noch die Elimination mittels Ab-
binden bei gestielten Geschwülsten, Umstechen und Abbinden
mittels elastischer Ligatur (Dittel) und Excision, bei grossen
Tumoren der Extremitäten Amputation der letzteren.
Lymphangioma tuberosum multiplex
sei als ein von uns nur einmal gesehenes Gebilde hier erwähnt,
welches sich in Gestalt von vielen Hundert linsengrossen und
QQ2 Siebeuunddreissigste Vorlesung.
kleineren, tlieils rundliclien , tlieils länglichen, nicht juckenden,
braunrothen, massig derben, in der Cutis selbst sitzenden und
nur mit dieser verschiebbaren Knötchen von glatter Ober-
fläche über Stamm und Halsgegend einer 32jährigen Frau vor-
fand, bei derselben seit Kindheit bestanden hatte und erst in
der letzten Zeit sich vermehrt haben soll.
Die grösste Aehnlichkeit hatte die Formation mit syphi-
litischen Papeln, jedoch war nirgends eine Erscheinung von
Rückbüdung, Schuppung oder Depression wahrzunehmen.
Ein solches Knötchen , das ich excindirt hatte , zeigte auf
dem Durchschnitte unter dem Mikroskope zahlreiche runde und
rundliche Löcher und längliche scharfbegrenzte Spalten (Fig. .^j3, I),
welche bei stärkerer Vergrösserung (Fig. P>?>, II) sich als mit
Fig. 33.
..a
.6
Senkrecliter Durclisclinitt durch ein liuöt-
clien des Lympliaugioma tuberös.
a Epidermis und PapillarscWcbte, b Cutis
(siebförmig durchlbchert).
Eine Partie desselben aus dem Corium-
antlieil bei starker Vergrössei-ung.
a längs-, a' schief-, !) quergetrolTeiies Lymph-
gefäsIcUen mit kernbaltiger yerdick e ■ Wan-
duDg Tind scliöner/Endotliel-Bekleidung.
Endothel ausgekleidete und in ihrer Wandung verdickte, enorm
erweiterte, feinste Lymphgefässe zu erkennen gaben; daher
der von Hebra, Biesiadecki und mir gewählte Namen Lymp i-
angioma (multiplex tuberosum). Unterschiede von d^^^^^^^^
cavernöse Lymphgeschwülste von manchen Autoren (Br^i^HO h)
beschrieben.! Formen (Makrochilie), bet -eichen d.e neoplasü-
schen und dilatirten Lymphgefässe vom subcutanen Gewebe
aus in die Cutis hinüberwucherten, occupiren dieselben in
unserem Falle die obere Cutis allein.
Aclitunddreissigste Vorlesung.
Rhinosclerom. Lupus erythematosus.
Rhinoscleroma,
Dies der Name einer von Hebra nnd mir im Jahre 1870
zuerst beschriebenen und seitdem in einer grösseren Anzahl
Fällen von uns, und zum Theil auch von Anderen beobachteten
Neubildung, welche wegen ihrer destructiven Tendenz von
grosser praktischer Wichtigheit ist.
Wie der Name schon besagt, betrilft das Grebilde regel-
mässig die Nase und deren nächste Umgebung, nebstdem die
nachbarliche Schleimhaut. Dasselbe erscheint in Gestalt von
flachen oder etwas erhabenen, scharf begrenzten, isolirten oder
untereinander verschmolzenen, gegen Druck schmerzhaften und
dabei sehr harten und elastischen Platten, Wülsten oder
Knoten der Haut oder der Schleimhaut, und zwar der Nasen-
scheidewand, der Nasenflügel und der angrenzenden Partie
der Oberlippe ; vom freien Rande einzelner solcher Platten her
kann man mit dem Finger unter dieselben fahren und sie von
der Unterlage abheben. Der Cutis sind sie vollständig in-
filtrirt und daher nur mit dieser selbst beweglich.
Ihre Oberfläche zeigt entweder normale Hautfarbe oder
ist heU- bis dunkelbraunroth , von einzelnen Gefässen durch-
zogen, glänzend, haar- und follikellos, wie ein Keloid oder
eine hypertrophische Narbe, mit glatter oder fein runzeliger
Epidermisdecke, da und dort eingerissen. Die umgebende Haut
zeigt nicht die geringsten anomalen Erscheinungen, speciell nicht
Entzündung, Schwellung, Oedem etc.
604
Achtunddreissigste Vorlesung.
Die Entwicklung beginnt regelmässig entweder an einem
Nasenflügel oder an der Nasenscbeidewand. Zunächst entstellt
oline alle begleitende Entzündungsersclieinungen Verdickung und
Härte des Septum cutaneum oder eines oder beider Nasen-
flügel. Nach Monaten erscheinen die Nasenflügel wie nach
aussen getrieben, so dass der Nasencontour wie bei einer Stumpf-
nase breit gequetscht erscheint. Greift man an, so bekommt man
die Empfindung, als wenn die häutigen Nasengebilde in Gyps
gegossen wären, so starr und unbeweglich sind sie, und es
gelingt nicht sie durch Druck an einander zu bringen. Durch
fortschreitende Verdickung wachsen die Gebilde auch nach
innen und aufeinander zu, so dass der Naseneingang verengt
und endlich vollständig verlegt wird. In der Regel schreitet
inzwischen die harte Infiltration mit scharfem Rande auf die
Oberlippe oder um die Mundspalte ringsum (Billroth's Eall)
vor, die letzte bis auf's höchste verengend; später auch auf's
Zahnfleisch und den Zahnfächer, ohne in diesen selbst einzu-
dringen. Noch häufiger setzt sich dieselbe nach hinten längs
der Nasenhöhle auf die Choanen, den Nasengang ganz ver-
legend , und auf das Velum fort. Nur einmal sahen wir auch
gleichzeitig mit einer Auftreibung über dem linken Scheitel-
wandbein die Wangenpartie über dem Oberkiefer zu harten
Wülsten aufgetrieben , so dass der Nasenrücken im Vergleich
zu diesen wie eingequetscht erschien.
Während eines solchen auf viele J ahre sich erstreckenden
Verlaufes kommt es niemals zu Ulceration oder zu irgend
einer der retrograden Metamorphose von Neubildungen ange-
hörigen Veränderung, höchstens stellenweise zu flacher Excorm-
tion, sehr selten zu weicherer Consistenz. Wird ein Stück
herausgeschnitten, wobei man sich wundern muss , mit welcher
Leichtigkeit das Messer in die so starre Masse eindringt, so
kommt es auch nicht zur Eiterung oder zum Zerfall der zurück-
gebliebenen Partie, sondern die wunde Fläche bedeckt sich als-
bald mit einer dünnen Kruste und überhätitet in kurzer Zeit.
Dagegen regenerirt sich das Gebüde sehr rasch wieder an der
Stelle, wo es zum Theil entfernt worden, meist auch wo es
gänzlich exstirpirt worden war.
Auf die Schleimhaut der Mundhöhle, des Zahnfleisches,
des harten Gaumens überwuchert das Gebilde in der Regel
erst in späterer Zeit. Das Zahnfleisch erscheint wiüstig auf-
Eliiuosclerom.
605
o-etrieben , wobei die Zähne gelockert werden und ausfallen
und die Zahnfticlier atrophisiren. Im Bereiche des Velum, der
Umrandung der Choanen , der Gaumenbögen erscheint dasselbe
jedoch schon frühzeitig, ja manchmal sogar primär, ohne
oder vor Erkrankung der häutigen Nase.
Der Graiiraenbogen präsentirt sich als ein narbig glänzen-
der, anfangs noch schleimhautähnlich gefärbter, später weiss-
lich schimmernder, fast starrer Strang, der im Laufe der Zeit
bis zum vollständigen Verschwinden des Gaumensegels, unter
den abenteuerlichsten, wie so oft nur bei Syphilis zu beobach-
tenden Gestaltungen und Verwachsungen mit der hinteren
Rachenwand verschrumpft. Es kommt dabei auch zu linsen-
bis pfenniggrossen , aber jederzeit flachen Erosionen des Velum,
die wie syphilitische Geschwüre sich ansehen, aber nicht schmerz-
haft sind, keinen Entzündungs- und Infiltrationsdamm zeigen
und nie zu tiefen Geschwüren sich umwandeln. Wieso es dennoch
manchmal auch zur Durchlöcherung des Gaumensegels kommt,
vermag ich heute noch nicht anzugeben.
Einigemal haben wir auch die Ausbreitung des Processes
auf die Epiglottis und die Schleimhaut des Kehlkopfes be-
obachtet mit Fixirung der starren Epiglottis, Stenosis Glottidis,
einmal mit Aphonie, öfteren Suifocationserscheinungen und epi-
leptoiden Anfällen.
An s u b j e c t i V e n Erscheinungen ist, abgesehen von der
Entstellung im Gesichte , der Schmerzhaftigkeit bei Druck und
der durch den Verschluss des Naseneinganges veranlassten
ausserordentlichen Behinderung des Athmens , den Functions-
behinderungen in Folge von Verengerung der Mundspalte, des
Kehlkopfeingauges, nichts zu bemerken. Auf das Allgemein-
befinden hat die AfPection während eines jahrelangen Be-
standes offenbar keinen Einfluss. Als durcli Verlegung des
Thränen-Nasenganges bedingte Complication tritt zuweilen
Dakryocystitis auf.
In diagnostischer Beziehung ist zu erwähnen, dass
das Rhinosclerom, wie früher immer , so auch jetzt noch, wegen
der Localisation an den Nasengebilden, sehr oft mit syphiliti-
schem Gumma verwechselt wird. Die geschilderten Verände-
rungen im Bereiche der Rachen - Gaumenschleimhaut können
einen solchen Irrthum nur unterstützen.
Wenn man die ausserordentliche Härte des Gebildes,
606
Achtunddreissigste Vorlesung.
welclie Hebra niclit unrecht mit der des Elfenbeins verglichen
hat, berücksichtigt, weiters das vollständige Ausbleiben von
Erweichung und Ulceration , die typische Localisation und Ver-
laufsweise, die Indifferenz gegen Insulte, Excision, und jede
Art von antisyphüitischer , örtlicher oder allgemeiner Medi-
cation, so muss Jedem die Eigenart des Gebildes und dessen
Differenz von Syphilis zur Ueberzeugung werden.
Viel leichter möchte ich eine Verwechslung einzelner
Formen von Rhinosclerom mitKeloid, oder Rhinophyma, oder
dem knotigen (infiltrirten) Epitheliom für möglich halten ; dies
alles selbstverständlich nur bei einer beschränkten Entwicklung
des Rhinosclerom. Sobald dasselbe in der früher geschilderten
grösseren Ausdehnung sich präsentirt, ist der Charakter in
grösster Deutlichkeit ausgeprägt.
Anatomisch habe ich zuerst ^■
eine kleinzellige, dichte Infiltration des "g'^' "
Coriums und der Papillen als wesent- l ^
Hohes Constituens des Rhinosclerom „;
demonstrirt und gemeint, dass dasselbe j ^
am nächsten dem kleinzelligen Sarcom -^^fel.'
zu stellen wäre. Gebee und nach ihm
Mikulicz haben den gleichen anatomi-
schen Befund als eine chronische Ent-
zündung gedeutet, indem sie fanden,
dass in vorgeschrittenen Fällen ein 4äti
Theil der Rundzellen sich in Spindel- SenlirecMer Dui-chschuitt des
Zellen und Bindegewebe umwandelt, g^S|^--,irseuF^^^
welches später schrumpft, während ein Stadium,
anderer Theil der Rundzellen zur Re- »Ep^^Ss, .Re^^^^
Sorption kommt. Auch Billroth, der in |™liif irrnndtonVIn^
einer geschrumpften Partie des Ge- gen Gelassen durchsetzt,
webes auf neu gebildeten wahren Knochen traf, ist dieser
Ansicht. Ich ziehe es vor, das Rhinosclerom, da es unter
dem klinischen Bilde und nach der unbegrenzten und die
Gewebe consumirenden Wachsthumtendenz der Neubildungen
verläuft, als solche anzusehen, und möchte immerhin es den
Sarcomen anreihen, welche manchmal zu Bindegewebsorgani-
sation und selbst Verknöcherung gelangen und im besonderen
Typus auch an speciellen Körperstellen vorzukommen pflegen
(RiNDFLErSCH),
h
Rhiuoaclei'oiH.
607
lieber die Ursache dieser merkwürdigen Erkrankung
kann icli nur so viel angeben , dass dieselbe niclit Constitutionen
zu sein scheint. Mehrere Collegen haben in einer mündlichen
Discussion , MncuLicz auch in seiner Publication die Meinung-
ausgesprochen , dass dieselbe vielleicht mit Syphilis , etwa
mit hereditärer zusammenhänge. Ich habe nicht den ge-
ringsten Anhaltspunkt für eine solche Annahme , weder in der
Entwicklung und dem Verlaufe des Processes , noch in den
individuellen Verhältnissen der betroffenen Kranken, und einen
sehr triftigen Gegengrund noch in dem von allen Seiten be-
stätigten Umstände , dass das Rhinosclerom weder auf örtliche,
. noch allgemein antisyphilitische Behandlung im allergeringsten
sich verändert. Ich habe bis jetzt dasselbe vielleicht etwa in
25 Fällen gesehen, so ziemlich gleich bei Männern iind Frauen
in dem mittleren Lebensalter zwischen 15 und 40 Jahren, bei
Personen der verschiedensten Stände, vorwiegend aus den
hiesigen Landen , und bei welchen sonst keinerlei specifische
Dyscrasie, Scrophulose, Tuberculose u. s. w. nachzuweisen
war. Auch ist das Gresammtbefinden während des Bestandes
des Uebels nicht im mindesten alterirt gewesen.
Die Prognose dieses Neugebildes ist ungünstig, da
dasselbe nach den bisherigen Erfahrungen imbegrenzt wächst,
selbst nach wiederholter Exstirpation recidivirt, und wenn
auch nicht Marasmus erzeugt , so doch durch die erwähnten Func-
tionsstörnngen und SulFocationsanfälle das Leben gefährdet.
Eine znr Heilung führende Behandlungsmethode ist bis
jetzt für Rhinosclerom nicht gefunden. SpecieU hat sich jedwede
örtKche und allgemeine antisyphilitische Therapie als ganz
unwirksam dagegen erwiesen.
Das Einzige, was bei dieser Krankheit geleistet werden
kann , ist die Exstirpation eines Theiles oder des ganzen Ge-
bildes, namentlich dort, wo dasselbe functionsbehindernd ge-
worden ist. Man wird demnach bei Beengung des Naseneinganges
zunächst durch Einführen von Darmsaiten , Laminaria ,^ Press-
schwamm eine Erweiterung zu bewirken versuchen , bei etwas
höher gediehenen FäUen nach Bedarf ganze Stücke ausschneiden
oder mit Kali causticum herausätzen, Verfahrungsweisen , die
von Zeit zu Zeit zu wiederholen sind, da das Gebilde rasch
nachwächst.
608
Achtunddreissigste Vorlesung.
Lupus erythematosus,
eine nacli Cazenave (1851) so genannte Erkrankungsform , ist
schon vor diesem Autor von Hebka (1 845) als „Seborrhoea con-
gestiva" vorgeführt worden. Wahrscheinlich haben auch Biett
unter „Erytheme centrifuge" oder „Lupus qui detruit en surface"
(1828), Thomson-Parkes (1850) tinter „Lupus superficialis" den-
selben Process verstanden.
Die durch Cazenave und Hebra zu einem schier ab-
geschlossenen Bilde gestaltete Symptomatologie nach manchen
wichtigen Richtungen zu erweitern, haben mich neuerliche
Erfahrungen vermocht (1869, 1872), während in einer Reihe
histologischer Untersuchungen (von Neumann, Geddings, Geber,
mir, Stroganow, Thin, Jamieson u. A.) der innere Vorgang der
Erkrankung einigermassen aufgehellt worden ist.
Den Beginn des Processes charakterisirten jederzeit ein
oder mehrere Stecknadelkopf- bis linsengrosse , rothe , etwaig
erhabene Flecken, deren jeder einzelne im Centrum dellig ver-
tieft, oder narbig glänzend, oder mit einem dünnen, festhaf-
tenden Schüppchen versehen ist. Das centrale Schüppchen mit
dem rothen erhabenen Saum gibt ein charakteristisches Bild
und stellt eine Art P r i m ä r e f f 1 o r e s c e n z des Lupu;^
erythematosus dar.
Aus diesen geht nun eine z weif ache Eorm der Krank-
heit hervor.
1. L. erythem. discoides. Diese entwickelt sich im Ver-
laufe von vielen Monaten, 1—2 Jahren zur charakteristischen
Scheibenform dadurch, dass der rothe erhabene Rand
peripher fortschreitet, während vom Centrum aus die Haut
deprimirt, narbig glänzend oder mit festhaftenden trockenen
Schüppchen bedeckt erscheint. Der Rand pflegt da noch über-
dies mit zahlreichen schwarzen Comedonenpunkten, oder mit
grossen, klaffenden Drüsenmündungen besetzt zu sein.
Es entstehen so linsen-, pfennig-, thaler- bis flachhand-
grosse Scheiben. In dieser Eorm treffen wir den Lupus
erythematosus zumeist auf den "Wangen und dem Nasenrücken,
in welcher Combination das Bild dem eines Schmetterlings
gleicht (Hebra), ausserdem an der Nasenspitze, an den Nasen-
flügeln, den Augenlidern, Ohrmuschebi, den Lippen und dem
Lippenroth, dem behaarten Kopf, hier auch jedesmal mit Haar-
Lupus erythematosus.
609
Verlust in ihrem Bereiche, auch an der Beugefläche der Pinger
und Zehen, sowie an allen Stellen des Gesichtes. Die Scheiben
sind unregelmässig angeordnet, discret, oder combiniren sich auch
zu Kreisbögen und serpiginösen Linien.
Jede einzelne Scheibe vergrössert sich bis zu einem ge-
wissen Umfang, persistirt hernach ziemlich unverändert durch
viele Monate oder Jahre und verschwindet sodann durch Ab-
blassen und Abflachen des Randes ; nur dass die dünne Narbe
der Area selbstverständlich nicht ausgeglichen werden kann.
Inzwischen tritt an einer nachbarlichen Stelle eine neue Lupus-
scheibe aiTf , und so kann der Process durch die lange Verlaufs-
dauer sowohl der einzelnen Scheiben, als das Auftauchen
frischer, viele, 15 — 20 Jahre persistiren. Mit Ausnahme
selten vorkommender Complicationen , mit Adenitis submaxil-
laris, Parotisschwellung und noch seltener mit Erysipel, befinden
sich die Kranken während der Zeit im Allgemeinen wohl und
besteht die nachtheilige Wirkung der Krankheit blos in der
Entstellung, sowie in dem bleibenden Haarverlust im Bereiche
des Bartes und des behaarten Kopfes.
2. Lupus erythematosus disseminatus s. aggrega-
tus geht ebenfalls aus den erwähnten Primärefflorescenzen
hervor, indem die früher geschilderten und charakteristischen
Primärefflorescenzen von vornherein in grösserer Anzahl im
Bereiche des Gesichtes, der Wangen und auch an anderen
Orten auftreten und eine Ausbreitung der Erkrankung nur
durch Vermehrung dieser Efflorescenzen , nicht durch Ver-
grösserung der einzelnen stattfindet. Es bilden sich einzelne
Flecke manchmal ziemlich rasch zurück , während andere,
ohne an Umfang zuzunehmen, monatelang persistiren können.
Unterdess tauchen erneuert viele solche und in unregelmässiger
Anordnung auf und besetzen sie auf diese Weise sehr aus-
gedehnte Hautflächen.
In dieser Gestalt findet sich die Eruption nicht mir im
Bereiche des Gesichtes, des behaarten Kopfes, der Lippen,
Ohrmuscheln, des Gehörganges , sondern dicht gesäet auch am
Stamme, an den oberen Extremitäten, den Fingern an
Flachhand und Handrücken , den Zehen , in seltenen FäUen
beinahe universell. Eine solche Ausbreitung gewinnt der
Process lentweder allmälig und unvermerkt, zuweilen aber
unter einer acuten fieberhaften Eruption, welche
K aj) osi , Hantkrankheiten. 39
^jlQ Aclitunddroissigste Vorlesung.
mit näclitlichen bohrenden Knockensclimerzen , mit Schmerzen
imd Exsudation in die Gelenke und nächtlichen Kopf-
schmerzen verbunden ist. In einer Reihe von Fällen haben
wir erysipelartige intensive Schwellung des Gesichtes
gesehen, welche jedoch nicht über diesen Bereich hinaus sich
ausgebreitet hat und daher von mir als „Ery sipelas perstans
faciei" bezeichnet wurde, mit gleichzeitigem typhusähnlichen Zu-
stande, über 40" Temperatur, Coma, Sopor, lederartig trockener
Zunge und bei der Hälfte der so beobachteten Fälle mit letalem
Ausgang.
Gleichzeitig haben wir mehrere Male an fielen Punkten
der Haut viele hundert hämorrhagische oder wasserhelle, flache
Bläschen gesehen, wie bei Herpes Iris, welche alsbald zu
Krusten vertrockneten und nach Abfallen der letzteren charak-
teristische, im Centrum deprimirte, Lupus erythematosus-
Efflorescenzen hinterliessen.
Solche acute Eruptionen sind also eine Eigenthümlichkeit
der disseminirten Form des L. erythematosus. Nur selten
gesellt sich eine solche auch zu einer bestehenden Scheiben-
form. Aber dann erfolgt dieselbe ebenfalls in Gestalt der
disseminirten Flecke.
Beide Formen kommen demnach häufig gemischt vor, ent-
weder von vorneherein oder im späteren Verlaufe.
Die Schleimhaut des harten Gaumens und der Wangen
habe ich in drei Fällen von L. erythematosus des Gesichtes
von einer analogen Veränderung betroffen gesehen : in grösseren
Plaques von punkt- und linsengrossen, seichten, rothen oder
grau belegten Excoriationen und bläulich-weissen Xarbenflecken
besetzt, — eine Affection, die sich ebenso hartnäckig erwies,
wie die an der Haut.
Der Verlauf des Lupus erythematosiv? ist unter allen
Umständen ein äusserst schleppender, indem sowohl die einzelnen
Flecke und Scheiben viele Monate und Jahre bestehen, als auch
-die Krankheit als solche 10-15-20 Jahre hindurch sich zu
■erhalten pflegt.
Der Ausgang ist demnach örtlich immer narbige
Veränderung der Haut, so dass z. B. auch nach L erytli
dissemmatus das Gesicht wie mit Blatternarben besäet das
Oapillitium an vielen Stellen der Haare verlustig sein kann,
wogegen auch viele Flecke spurlos verschwinden.
Lupus erythematosus.
611
Die Prognose kann insoferne günstig genannt werden,
als Lixpus erythematosus das Leben nicht direct bedroht und
der Organismus in den meisten Fällen gar nicht weiter in
Mitleidenschaft gezogen wird. Dies gilt namentlich für die
Scheibenform. Dagegen ist bei der disseminirten Form, und
namentlich wegen der möglichen acuten und universellen Aus-
brüche , speciell der sie begleitenden Grehirnerscheinungen,
Erysipelas perstans faciei , die Prognose weniger günstig, ja
zweifelhaft, da wir von 8 der letzt gearteten Fälle 4 (unter
Pneumonie) letal endigen sahen.
Auch die Hautalfection als solche ist in der disseminirten
Form zur Behandlung weniger günstig, weil der Krankheits-
stellen sehr viele gleichzeitig vorhanden sind und in ganz
unberechenbarer Weise, bald da bald dort , neue und in beträcht-
licher Menge auftreten können.
Mit Rücksicht auf den allgemeinen Verlauf und die in
der Regel beschränktere Localisation ist die Scheibenform die
günstigere , wogegen die örtliche Veränderung der Haut durch
die narbige Schrumpfung bei derselben in der Regel intensiver
ausfällt. Auch das Zurückbleiben vieler Telangiektasien in und
um die Narben bildet eine nachtheilige Consequenz des Lupus
erythematosus beider Formen.
Die anatomischen Untersuchungen von Nedmann,
GrEDDiNGS, Geber, TfflN, Steoganow, mir, haben ergeben, dass dem
Lupus erythematosus eine zu D egen er ation und Atrophie
führendeEntzündung der Cutis zu Grunde liegt, so dass
der Process nicht wegen seiner inneren Bedeutung, sondern
nur aus praktischer Connivenz dem Lupus angereiht wird.
Dabei hat sich als unzweifelhaft herausgestellt, dass nicht,
wie ursprünglich geglaubt wurde, nur die Talgdrüsen und
deren Umgebung, sondern auch die Schweissdrüsen (ich, Thix,
s. Fig. 8, ab) und alle Gebilde und Schichten der Haut (Geber,
Steogäxow) bis in's Unterhautzellengewebe Ausgangspunkt
und überhaupt Sitz der Erkrankung sein können.
So beginnt einmal der Process in den oberen Schichten
und im Bereiche der die Talgdrüsen tind ihren Ausführungs-
gang umspinnenden Blutgefässe (rothe, erhabene Flecke), em
andermal in der Tiefe, im Gebiete des den Schweissdrüsen
(wie bei L. eryth. der Flachhand) und Fettläppchen ange-
hörigen Gefässnetzes (derbe , ödematöse Knoten) und breitet
39*
612
Achtunddreissigste Vorlesung.
sich die Erkrankung allmälig auf alle Hautschichten und
Gebilde aus.
In friscten Herden finden sich um die Hautfollikel und
Drüsen Zellenanhäufungen, neben den histologischen Symiitomen
der Entzündung : Ausdehnung der Gefässe , Wucherung ihrer
Wandelemente, Oedem, Zelleninfiltration des Bindegewebes,
Proliferation der Bindegewebskörperchen und der Infiltrations-
zellen, u. zw. entweder in der Tiefe des Coriums (Knoten),
oder in den oberflächlichen Schichten (rothe Flecke) als deren
Effect sofort Proliferation der DrüsenzeUen (Seborrhoe), Derb-
heit, Schwellung der Haut, Schuppung der Epidermis sich
bemerkbar macht; bei acuter Steigerung der Entzündung,
Exsudation von Serum und blathaltigem Fluidum zwischen die
Schichten der Epidermis (Blasenbildung) und Blutaustritt in
das Corium und den PapiUarkörper (Hämorrhagie). Oft und
an vielen Stellen tritt von diesem Stadium Rückbildung ein,
Nachlass der Entzündungserscheinungen und Resorption des
Infiltrates, wodann die Flecke spurlos schwinden. In der Regel
jedoch kommt es bald unter Andauer der Entzündung zu de-
generativer Veränderung der Gewebe. Daher findet man sehr
bald in aUen Herden neben geringen Anläufen zu Granulations-
gewebe (Gebee) alsbald fettkörnige Trübung des Rete , sowie
der EntzündungszeUen vind des infiltrirten Bindegewebes, deren
Folge Resorption und Schrumpfung ist. Dieselben Metamor-
phosen der Drüsenelemente und des sie umgebenden Binde-
gewebes führen Verödung der Haarfollikel , der Talg- und
Schweissdrüsen, der Fettzellen herbei ; neben Schrumpfung der
einzelnen Blutgefässe bleiben andere ektatisch zurück. Damit
wären wir bei dem Endresultat des Processes, der vollständigen
narbigen Atrophie der ergrifi'enen Hautstelle angelangt.
Die Diagnose des Lupus erythematosus, im Ganzen
durch das charakteristische Gepräge desselben ziemlich gesichert,
kann doch manchen Schwierigkeiten begegnen. Der scheiben-
förmige kann mit Herpes tonsurans, oder mit orbiculärem
Syphilid verwechselt werden. Gegenüber dem ersteren ist die
narbige Schrumpfung im Centrum der Scheibe ein sicheres unter-
scheidendes Merkmal ; gegenüber dem letzteren die Erscheinung,
dass die Randpartie die Symptome der Entzündung (unter dem
Fingerdrucke erblassende Röthe und ödematöse Infiltration)
nachweist, während bei Syphüis sich eine harte, glänzende
Lupus orytliematosus.
613
Eandinfiltration präsentirt. L. erytliem. disseminatus kann
in seinen ersten Aiisbrüclien Eczema impetiginosum, squamosum,
Herpes tonsurans maculosus, ja Herpes Iris ähnlicli sehen.
Es wird aber alsbald die Erscheinung der zentralen narbigen
Depression der Efflorescenzen über den Zweifel hinweghelfen.
Mit Lupus vulgaris, glaube ich, ist eine Verwechslung nicht
gut möglich.
lieber die Ursache des L. erythem. sind wir bis zu
einem geringen Theile informirt. Es ist kein Zweifel, dass
Seborrhoe congestiva , mag solche spontan, oder nach Erysipel,
Variola , entstanden sein , zu Lupus erythematosus führt , also
ein niedriges Stadium desselben vorstellt.
Jm Uebrigen sind die muthmasslichen ätiologischen Mo-
mente von allgemeiner Natur , theils sind sie gar nicht bekannt.
Die meisten Erkrankungen kommen bei Personen mittleren
Lebensalters vor , doch habe ich solche auch bei einem
3jährigen Kinde'gesehen, nie aber an alten Lidividuen. Weibliche
Personen bieten zwei Drittel der Erkrankungsfälle. Ebenso
ist die aggregirte und acute Eruptionsform bei weiblichen
Individuen ungleich häufiger als bei Männern.
Chlorose , Anämie , Dysmenorrhoe , Seborrhoea capillitii,
manchmal auch Sterilität, chronischer Katarrh der Lungenspitzen
und beginnende Lungentuberculose , Schwellung der Submaxil-
lardrüsen , im Allgemeinen also Symptome der Kakotrophie
sind bei solchen weiblichen Kranken oft zu constatiren. Die
von der Krankheit betroffenen männlichen Personen dagegen
erscheinen überwiegend von guter allgemeiner Gresundheit.
Zur „Therapie" dieser interessanten und, wie gezeigt
wurde, durchaus nicht unbedeutenden Krankheit übergehend,
muss ich noch bemerken, dass in der Vorhersage über Dauer
und Erfolg der Behandlung eine gewisse Vorsicht geboten
ist, da man auf allerlei Ueberraschungen gefasst sein muss.
Denn es ereignet sich z. B. , dass ein jahrealter , sehr ver-
breiteter Lupus erythematosus disseminatus binnen wenigen
Wochen complet geheilt wird, während eine einzige kleine
Scheibe unter der Behandlung sich fort vergrössert und dadurch,
sowie durch das Auftauchen neuer Elecke der ganze Process
zu einem jahrelang dauernden sich gestaltet. Weiters darf
man nicht vergessen, die Kranken wissen zu lassen, dass zwar
viele Flecke (spontan oder) auf Behandlung ohne Narbenspur
Achtunddreissigste Vorlesung.
verschwinden, an den meisten Stellen jedoch flache, zarte
Narben nebst Telangiektasien zurückbleiben.
Was mm die B ehandlnngsmittel nnd Methoden
selbst anbelangt, so dürfen sie nur derart gewählt werden,
dass durch dieselben die Hatit nicht intensiver zerstört und
verändert werde, als dies durch den Process selbst geschieht.
Man verwendet demnach immer zuerst mildere und oberfläch-
lich wirkende Mittel, greift erst, wenn diese in Stich lassen,
zu ätzenden Mitteln und kehrt jedesmal wieder zu den leichter
wirkenden zurück , sobald eine gewisse Besserung erzielt ist,
welche sich durch das Abblassen und Abflachen des die ein-
zelne Scheibe begrenzenden Randes kundgibt.
Das vorzüglichste Mittel ist die Waschung mit Seife,
Spiritus saponatus kalinus , die im ganzen Verlaufe der Be-
handlung intercurrirend mit anderen Behandlungen angewendet
werden muss, manchmal aber auch ganz allein zum Ziele
führt. Intensiver wirkt Schmierseife , welche auf Flanell ge-
strichen, auf derb infiltrirte Lupusscheiben aufgelegt wird,
oder das Aetzen mittels concentrirter Kalilösung ,1:2 Aqua
destillata, oder Ammoniak, Essigsäure, Salzsäure.
Wenn es gelungen ist, durch irgend eines dieser Mittel,
indem es mittels eines harten Pinsels auf den Lupusrand
gerieben worden , diesen gleichmässig wund zu machen, wonach
etwas Serum und Blut aussickert , so pflegt schon nach wenigen
Tagen der , betrefl'ende ßand flach und blass zu sein, und es
können dann einfache Seifenwaschungen die Heüung vollenden.
Methodische Einpinselungen von Schwefelpasten, Theer,
Jodschwefel, Mischungen aus Schwefel , Theer- und Seifengeist,
von Jodtinctur und Jodglycerin nach den Formeln und Methoden,
wie bei Acne (vide pag. 455 und pag. 461) bewirken jedesmal
eine reactive Entzündung und SchweUung , welche in wenigen
Tagen abläuft und häufig den Zustand so bessert, dass man
nun mit einfachen Seifenwaschungen vielleicht ausreicht.
Von Carbol-, Salicylsäureätzungen habe ich nicht viel
Günstiges gesehen; ebensowenig von Unguentum Rochardi,
weisser Präcipitatsalbe , während die tieferen Aetzungen
mittels Schwefel- und Salpetersäure, Chlorzink, Chromsäure,
überhaupt nicht empfolüen werden können. Dagegen haben
wir prachtvolle Erfolge von der Application eines gut klebenden
Emplastrum hydrargyri gesehen, unter welchem sowohl Lupus
Lupus erythematosus. Gif)
erythematosus discoicTes, als weit ausgebreiteter Lupus disse-
minatus binnen wenigen Tagen oder Wocben complet zum
Scbwinden gebracht wurde , und namentlich die schmerzhaften
Lupus-Stellen der Finger sich rasch bessern.
Chrysarobin- und Pyrogallussalbe (pag. 388) erweisen
sich ebenfalls recht wirksam, während Bedeckung mittels
Kautschuk (-Handschuhen) fast nur als erweichendes Mittel sich
empfiehlt.
Das Aiiskratzen mittels scharfen Löffels , sowie die
Stichel ung nach der von Volkmann angegebenen Methode
ist oft erfolgreich und namentlich in den Fällen von tiefer
Infiltration und G-efässektasien angezeigt. Bei acutem Ausbruch
mit den Erscheinungen entzündlicher, schmerzhafter Schwellung
und Knotenbildimg in der Tiefe habe ich durch Application
von Eisbeuteln öfters spontane Rückbildung der meisten Flecke
bewirkt. Zu gleichem Zwecke können kalte Douclieu, kalte
Bäder empfohlen werden.
Dass mit all' diesen intercuiTirend auch indifferente
Salben , Gerate u. s. w. besonders nach Aetzschorfung, zur An-
wendung kommen müssen, ist selbstverständlich.
In Anbetracht der grossen Menge hier aufgezählter
Mittel und Methoden ist zu bemerken, dass dieselben alle im
gegebenen Falle von Erfolg sein , oder uns in Stich lassen
können, und dass in demselben Falle Mittel, die bereits vor
Monaten sich als unwirksam erwiesen haben , bei einer neuer-
Hchen Anwendung einen prächtigen Erfolg zeigen ; dass man
demnach versuchsweise immer wieder bald die einen, bald die
anderen hervorholen muss.
Von den innerlichen Mitteln sind solche zu
empfehlen, welche im Bedarfsfalle den allgemeinen Ernährimgs-
zustand, bei Chlorose, Anämie, zu bessern geeignet sind: Eisen,
Leberthran, allgemein roborirende Diät, Aufenthalt in gesunder
Gebirgsluft im Sommer, Milch-, Kaltwassercur, kalte Bäder u. s. f.
In Bezug auf das Hintanhalten von Recidiven snid wir
voUständig ohnmächtig. Zum Glück bleiben doch viele Fälle,
einmal geheilt, auch dauernd gut.
Neunimddreissigste Vorlesung.
Lupus vulgaris: Symptomatologie, Prognose, Aetiologie, Diagnose.
LfUpus.
Lupus vulgaris, fressende Fleclite , Dartre roiigeante,
Esthiomene, bedeutet eine nicht ansteckende, clironi-
sclieKranklieit der Haut und angrenzendenSclileini-
liaut, welche sich, durch rothe, rothbraune, tief
in's Corium gebettete Knötchen charakterisirtund
im Involutionspro cesse der letzteren Schilferung,
Geschwüre und narbige Atrophie der Haut ver-
anlasst.
Der Name Lupus ist schon frühzeitig aus dem Volks-
munde in die medicinische Terminologie übergegangen, zur
Bezeichnung von sogenannten „fressenden" Greschwüren („Xoli
me tangere", „Tentigo prava", Herpes esthiomenos"), die von
ihrem Rande aus auf das Nachbargewebe weitergreifeii , ^vie
Manardus' Worte ausdrücken: quasi lupus famelicus proximas
sibi carnes exedit.
Dann kam eine Zeit, wo man ausschliesslich Geschwüre
des Unterschenkels als Lupus verstanden wissen wollte , so
dass um 1610 Senertus schreiben konnte: Lupum vero appellant,
si in tibiis et cruribus sit: in reliquis vero corporis partibus,
etsi eiusdem sit pravitatis , lupum absolute nominari non
censent. Bereits hundert Jahre später hebt dagegen Johannes
DoLBUS hervor, dass Viele die fressenden Geschwüre der Nase
als Lupus bezeichnen. Aber erst seit Ende des vorigen Jahr-
hunderts, seit Willan-Bateman , versteht man unter Lupus
vorwiegend gewisse Knotenbildungen im Bereiche des Gesichtes,
Lupus.
G17
welche allenfalls auch zu (xeschwürsbildung führen können.
.Seitdem ist mit wenigen Abweichungen dieser Name auch fest-
gehalten und namentlich die Symptomatologie dieses Processes
durch Rayer, Biett, Hebra u. A. ziemlich erschöpfend klar-
gestellt, dessen Histologie aber durch eine Reihe von Forschern
in den letzteren Jahren eingehender studirt worden.
Die Entwicklung des Lupus erfolgt immer unter Bil-
dung von hirsekom-, stecknadelkopfgrossen, tief in's Corium-
gewebe eingebetteten, wie eingesprengten, lebhaft- bis braun-
rothen Knötchen, welche unter dem Fingerdruck etwas abblassen,
aber nicht verschwinden (Lupus maculosus mancher Autoren)
luid in diesem Zustande nicht mit dem Finger gefühlt werden
können , weil sie eben gar nicht hervorragen. Solche Kjiötchen
bilden sich während des ganzen Bestandes des Lupus, daher
man dieselben als dessen Primär efflorescenzen be-
zeichnen kann.
Die einzelnen Lupvisknötchen machen nun einen ziemlich
regelmässigen Verlauf durch , dessen Erscheinungen jene ver-
schiedenartigen EjL-ankheitsbilder formiren , die zur Aufstellung-
besonderer Lupnsformen , als Lupus tumidus , exfoliatiws,
exulcerans , hypertrophicus , papillaris , Veranlassung gegeben
haben. Diese stellen aber nur verschiedene Entwicklungs-
stadien desselben Processes vor. Die einzelnen Lupusknötchen
wachsen sehr langsam, im Verlaufe von "Wochen und Mo-
naten, zu grösserem Umfang heran, so dass sie endlich
auch über die Hautob erfläche etwas hervorragen rmd nun
auch dem Tastgefühl zugänglich und von mässig derber oder
zäher Consistenz erscheinen. Namentlich aber führt die Ver-
sclimelzung mehrerer nachbarlicher kleiner Knötchen zur
Bildung grösserer , erbsengrosser und umfangreicherer Knoten
— Lupus tumidus.
Nachdem die Knötchen und Knoten mehrere Wochen auf
der Höhe ilu'es Bestandes verweilt haben , beginnt ihre Rück-
bildung, u. zw. auf verschiedene Weise. Einmal sinken die
einzelnen Knötchen ein, indem ihre Elemente durch geeignete
Umwandlung (Fettmetamorphose) zur Resorption gelangen,
während deren früher gespannt gewesene, glänzende Epidermis
sich runzelt und abblättert — Lupus exfoliativiis.
Nach vollendeter Resorption bleibt an der Stelle eine
flache Vertiefung zurück, an welcher die Haut narbig ver-
Q-j^g Neimunddreissigste Vorlesung.
ändert erscheint. Oder es kommt zugleich mit der Exfoliation
in dem gefässreichen Grebilde zu oberflächlichem, eiterigem Zer-
fall \md Geschwürsbildung — Lupus exulcerans. Letzteres
betrifft in der Regel grössere und confluirende Knoten.
Die Lupusgeschwüre sind rund, rundlich, von flachen,
gerötheten , schlappen Rändern begrenzt, von rothem granu-
lirendem, leicht blutendem Grunde und nicht oder nur sehr
wenig schmerzhaft. Sie secerniren mässig viel Eiter, welcher
bei dem langsamen Verlaufe , der dem Lupus überhaupt eigen-
thümlich ist , bisweilen zu mächtigen Krusten eintrocknet. In-
dem ein Theü des Lupusknotens durch eitrigen Zerfall, ein
anderer durch Resorption schwindet , kommt es endlich auch
an einer solchen Stelle, unter theUweisem Ersatz des Substanz-
verlustes mittels Fleischwärzchen, zur Ueberhäutung und Nar-
benbildung.
Häufig jedoch wird die Granulationsbildung vielfach ge-
stört durch intercurrirende Blutungen, neuerlichen GewebszerfaU
in Folge consecutiver Entzündung, Nachschub von Lupus-
knötchen und deren Metamorphosen, so dass die Fleischwärzchen
zu grossen, papiUären, drusigen Büdungen sich entwickeln, ja
zum Theil sogar zu dauernden, warzigen, hornigen Excre-
scenzen gedeihen - Lupus p a p i 11 a r i s , v e r r u c o s u s.
Wann und wo immer, als frischer, recidivirender oder
fortschreitender Process, stets nimmt der Lupus den geschü-
derten Verlauf, dass dessen Knötchen nach einigen Wochen
und Monaten bis zur Höhe der Entwicklung angelangt, alsdann
exfoliiren oder exulceriren und narbige Atrophie der Haut oder
Schleimhaut hinterlassen.
Eine andere Formverschiedenheit geht aus der Anord-
nung des Lupus hervor. So lange nämlich die Knötchen zu
einander unregelmässig gestellt sind, spricht man von L. dis-
seminatus s. discretus; wenn aber, wie bisweüen von
vorneherein oder regelmässig, sobald der Lupus über eine
grössere Strecke sich ausbreitet, die neuen Knötchen an der
Peripherie des alten Krankheitsherdes auftauchen und da m
Kreisbogenlinien, und mit nachbarlichen zu grösseren Bogen-
linien sich anreihen, resultirt die Form des L. serpiginosus.
Nach der Tiefe dringend, kann die lupose Lihltxa-
tion auch in's subcutane Bindegevvebe gf jS-;^-
in die Knorpel der Nasenflügel und Ohrmuschel. Es ist
Lupus.
619
zwar angegeben worden , dass der Lupus auch durcli die Faseien
auf Muskeln, Periost und Knochen wuchern kann; ich glaube
jedoch, dass es sich hier nur um complicirende Entzündung
mit der Bildung eigenthümlicher , mit denen der Scrophulose
analoger Entzündungsproducte handelt.
Interessant ist noch die von 0. Weber, Hebra, Esmarch,
Lang, mir u. A. gemachte Beobachtung, dass auf Lupus
eine sehr deletäre Form von Carcinom entstehen kann,
dessen histologische Grundlage , wie ich gezeigt habe , in ge-
wissen Vorkommnissen des Lupus selbst gegeben ist.
Auf der Schleimhaut der Nase, des Zahnfleisches,
des Gaumens , des Yelum und des Kehlkopfes sind die frischen
Lupusknötchen selten als Stecknadelkopf- bis hirsekorngrosse,
braunrothe , stellenweise mit silbergrauem , sich abblätterndem
Epithel belegte oder excoriirte, leicht blutende, derbe Promi-
nenzen erkennbar. Später confluiren sie zu grösseren Plaques
mit rauher Oberfläche, mattgrauem Epithelbelage oder tiefen
schmerzhaften Einrissen oder rothen , feinkörnigen , wunden
Flächen. Auch hier kommt es schKesslich zu narbiger
Schrumpfung.
Die geschilderten Symptome der Entwicklung und des
Verlaufes compliciren sich noch mannigfach durch die Verhält-
nisse der besonderen Localisation, deren wichtigste daher
im Besonderen angeführt werden müssen.
Lupus der Nase ist unter allen Localisationen der
Krankheit die häufigste, mit der primären Entwicklung der
Knötchen auf dem Integument der Nasenflügel , von wo sie
nach und nach auch über den Nasenrücken bis zuj Nasenwurzel
sich verbreiten. Im Verlaufe von Jahren verschrumpfen die
Nasenflügel allmälig von den Rändern her , so dass der häutige
Nasentheil narbig verändert und verschmächtigt, gleichmässig
verjüngt , wie abgegriflPen , erscheint ; oder es wird auch ein
Theil oder endlich der ganze häutige Nasentheil sammt Knorpel
im Ulcerationsprocess vollständig consumirt. Während des
letzteren ist die Nase zuweüen scheinbar vergrössert , in Folge
der dicken Masse auflagernder Krusten. Erst wenn diese ab-
gelöst und die nun zu Tage liegenden drusigen Excrescenzeu
beseitigt worden sind, erkennt man, dass ein grosser Theil
der Nasenflügel abgängig ist.
Auf der Nasenschleimhaut entsteht Lupus meist
620
Neuminddreissigste Vorlesung.
durch Uebergreifen von der Haut aus, oft aber aucli p r i in ä r.
Er kann da jahrelang durch Ulceration und Krustenbildung
das Bild eines Eczema chronicum vortäuschen, bis er durch
die Schrumpfung und Zerstörung, Perforation des Septum, oder
durch Weiterschreiten auf die allgemeine Bedeckung sich ver-
räth. Den knöchernen Nasentheil , sowie den Vomer habe ich
noch nie durch Lupus zu Grrunde gehen sehen.
Sehr häufig findet sich Lupus im Bereiche des übrigen
Gesichtes, der Wangen-Kiefergegend, von da aixf den Hals
übergreifend luid hier alsdann gewöhnlich die Gestalt des
Lupus serpiginosus annehmend, den Ohrmuscheln, die ganz
verschrumpfen oder consumirt werden können, dem äusseren
Gehörgang, an den Mundlippen, den Augenlidern.
Er complicirt sich hier gerne mit chronischer Intumescenz
und Vereiterung der Submaxillardrüsen und Parotitis, durch
welche das Bild der Scrophulose vorgetäuscht wird. Auf der
Bindehaut der Augenlider und von da auf die des Bulbus
und die Cornea überwuchernd, erscheint Lupus nur selten
primär (Keumann), meist als Fortsetzung der Wangen-Eruption.
Die Bindehaut erscheint mit dunkel-rothbraunen, trockenen, grob-
körnigen Höckerchen besetzt, wie bei Trachom, an manchen
Stellen glatt, glänzend, geschrumpft, die Cornea mit einer
höckrigen, pannusartigen , das Sehvermögen in hohem Grade
beeinträchtigenden Auflagerung.
Auf der Stirne und dem behaarten Kopfe findet sich Lupus
selten primär, meist als Fortsetzung eines Nachbarherdes.
Auf der Schleimhaut der Mund-ßachenhöhle und
des Kehlkopfes kommt Lupus ziemlich häufig vor in Fort-
setzung der Erkrankung von den Lippen her, oft auch von
dieser getrennt , ja zuweilen primär , noch vor der Localisation
an der aUgemeinen Decke. Lockerung, Wucherung, Blutung des
Zahnfleisches und der Schleimhaut am harten Gaumen, Aus-
fallen der Zähne, graue Trübung des Zungenepithels, ulcerative
und durch Schrumpfung bedingte Consumption des Gaiunen-
seo-els sind die Folgen des hier localisirten Lupus. AmKehl-
deckel, auf den wahren Stimmbändern und der übrigen
Kehlkopfauskleidung, besonders an der hinteren Kehlkopf-
wand sich etablirend, veranlasst Lupus Anfangs Heiserkeit,
später unter Schrumpfung, ulceröser Consumption der Ge-
webe, chronischer Entzündung und Bildung von papillären
Lupus.
621
Excrescenzen , complicirender Perichondritis und Chondritis
larjTigea, Stenose und alle unter solchen Umständen möglichen,
vorübergellenden oder bleibenden Functionsstörungen.
Auf dem Stamm kommt Lupus zu.weilen in sehr grosser
Ausbreitung vor. lieber den Nates entwickelt er sich, gerne
zur papillär-warzigen Form.
Penis und Scrotum habe ich bei einem Jungen als aus-
schliesslichen Sitz des Lupus gesehen.
Ober- und Unterextremitäten sind häufig Sitz des
Lupus, vorwiegend serpiginöser Form, u. zw. sowohl auf der
Streck- und Beugeseite des Schaftes, wie der Grelenke, oft auch
auf der Flachhand und Fusssohle.
Im Verlaufe eines mehrjährigen Bestandes , also etwa
nm das 15. — 25. Lebensjahr herum, führt der Extremitäten-
Lupus ausser der durch narbige Schrumpfung der Haut be-
dingten Fixirung und Beschränkung der Gelenke (Pseudo-
Ankylose) zu sehr complicirten Gewebsveränderungen und
Verunstaltungen der Gliedmassen.
Im Gefolge der häufig sich wiederholenden und steigern-
den Entzündungserscheinungen , Dermatitis , Lymphangioitis,
Erysipel , Phlebitis , welche die Neubildimg von Lupusknötchen,
deren Ulceration, die Eiterabsperrung bedingen und begleiten,
entstehen längs der verdickten Lymphgefässe haselnuss- bis
nussgrosse, alsbald erweichende und zu schlappen Geschwüren
zerfallende Knoten; oder Periostitis, Caries und Nekrose ein-
zelner Phalangen, Metacarpo- und Metatarsalknochen und als
weitere Folge dieser Zustände vdeder Verstümmelung , Re-
traction einzelner Finger imd die unter Elephantiasis
Arabumconsecutiva (pag. 539) beschriebene Deformität der
Hände , Unterschenkel und Füsse. Die defecte Hand erscheint
zugleich verdickt, sowohl in der Cutis als in den Knochen, breit
xmd unförmlich, mit tatzenartig von einander stehenden Fingern.
Am meisten aber macht sich die Veränderung an der
Unterextremität geltend. Der Unterschenkel ist stelzenartig
verdickt , die Haut mit dem subcutanen Bindegewebe , den
Weichtheilen und Knochen in eine starre Masse verwandelt,
nicht faltbar, an ihrer Oberfläche ungleich höckerig, da und
dort glänzend, gespannt, an anderen Stellen mit dicken,
schmutzigen Epidermisschwielen besetzt, an noch anderen mit
warzigen Excrescenzen und stachelartigen Auswüchsen vei--
Q22 Neununddreissigste Vorlesung.
sehen; der Fuss -unförmlicli verdickt, verbreitert, am Rücken
polsterartig aufgetrieben , die Zeben verbreitert , bis auf furcben-
artige Andeutung ihrer Grenzen, in Eins verschmolzen. In
der so veränderten Haut können die Lupusknötchen noch viele
Jalire fort sich neu erzeugen, so dass die eingesprengten
Knötchen noch ganz gut zu erkennen sind; oder es erlischt
hier die Lupusproduction , allein die elephantiatische De-
generation als solche besteht und es lässt sich aldann nur auf
Grund reicher Erfahrung die Provenienz einer derartigen
Elephantiasis diagnosticiren , wenn nicht zufälHg ausserhalb
des Bereiches der so gearteten Hautregion, ad nates, oder an
den Oberextremitäten wohl charakterisirter Lupus sich vorfindet.
Wie an den einzelnen der beschriebenen Körperregionen,
so kann auch an allen zugleich an ein und demselben Indivi-
duum Lupus vorhanden sein. Obgleich dies nicht gerade häufig
vorkommt, so haben wir doch keinen Mangel an derartigen
Beispielen, wie das einer über 40 Jahre alten, bereits seit
4 Jahren auf der Klinik in Behandlung stehenden, verheirateten
Frau, bei welcher das Gesicht, der Stamm vom Nacken bis
über 'die Nates, Unterschenkel und Vorderarme gleichzeitig
von disseminirtem und serpiginösem Lupus reichüch besetzt sind.
Der Verlauf des lupösen Processes ist, wie schon die
vorhergehenden Schilderungen entnehmen lassen , chronisch und
äusserst schleppend , nicht nur bezügUch der einzelnen Efflore-
scenzen, sondern der Gesammterkrankung.
Der Beginn des Lupus datirt von der frühen Kindheit,
^oni 3.-6. Lebensjahre. Im günstigsten FaUe tritt das Uebel
an einer beschränkten Körperstelle und in mässiger Grenze,
eines pfennig- bis kreuzergrossen Herdes auf , macht inner-
halb 4—10 Jahren Nachschübe und erlischt mit Hinterlassung
narbiger Atrophie, ohne jemals wiederzukehren. Oder es taucht
nach vielen Jahren ein neuer Lupusherd, oder eine Recidive
an der alten Stelle auf. Es kann so leicht der Irrthum ent-
stehen als wäre in einem solchen Falle der Lupus z. B. un
40. Lebensjahre, primär aufgetaucht, während die Eruption m
Anbetracht des Vorausgegangenen nur eine Recidive vorstellt.
Häufiger und weniger günstig ist die Verlaufsweise dass
eine im frühen Kindesalter auftauchende Lupuseruption durcli
continuirUche Nachschübe an Ort und SteUe 15--20 Jahre
und bis in das höhere Alter fort sich ausbreitet. Am
Lupus.
623
allerungünstigsten gestaltet sich der Lupus , wenn er von
vorneherein, oder schon innerhalb der ersten Jahre gleichzeitig"
an mehreren Körper stellen, z.B. imGresichte und an den Extremi-
täten, oder auch noch an mehreren Stellen des Stammes auf-
tritt. Ein solcher Fall heilt sicherlich, wegen der grossen Aus-
dehnung und wegen der fast unüberwindlichen Schwierigkeit,
Lupus gleichzeitig an so ^delen Stellen mit entsprechender
Energie zu behandeln, während des ganzen Lebens nicht.
Man hat" nur alle Mühe, denselben in den Grenzen der Massigkeit
zu erhalten.
Damit erledigt sich auch die Erage nach der Prognose
des Lupus. Es ist zu entnehmen, dass derselbe um so
günstiger sich gestaltet, je mehr vereinzelt und in geringer
Ausdehnung Lupusherde sich präsentiren, wähi'end ein von
vorneherein mehrfach localisirter Lupus , namentlich die serpi-
ginöse Eorm, einen weniger günstigen Verlauf darbietet, in-
soferne hier die Nachschübe immer am Rande des alten Herdes
erscheinen, dieser somit sehr rasch sich vergrössert.
Die Vorhersage ist auch insoferne ungünstig oder unge-
wiss, als auch bei beschränkter Ausdehnung und momentan
vollständiger Heilung Recidiven zu befürchten sind. Auf das
Allgemeinbefinden hat aber der Lupus selbst bei ziemlich
grosser Ansbreitiuig keinen nachweisbar schädlichen Einfluss,
und mit fast universellem Lupus behaftete Kranke können
des besten Aussehens, giiter Ernährung und Regelmässigkeit
aller Eunctionen sich erfreuen; speciell noch, derart aflFicirte
Mütter, gesunde, kräftige Kinder zur Welt bringen.
Dies führt uns auf die Erörterung der Ursachen
des Lupus. Die geläufigste und zum Theile heute noch viel-
fach geltend gemachte Ansicht bezüglich der Genese des Lupus
geht dahin, dass derselbe mit Scrophulose irgendwie zu-
sammenhänge. Daher führt ihn z. B. Fuchs iinter den Scrophu-
losen an, Wilson als Scrophuloderma , Plumbe als Strumous
afPection iind bezeichnen ilm die französischen Autoren als
Affection scrophuletise , Scrophulide tuberculeuse maligne.
Sehen wir davon ab, dass man mit „Scrophulose" nur
einen allgemeinen Begriff verbindet. Es trifft so ziemlich zu,
was Billroth in der Beziehung angibt, dass wir nämlich als
scrophulose Diathese einen Zustand bezeichnen, in welchem
auf eine geringe Reizung einer KörpersteUe eine diese Schäd-
624
Nennunildreissigste Vorlesung.
lichkeit überdauernde Entzündung entstellt, die häufig den
Atisgang in Vereiterang oder Verkäsung nimmt und seltener
die Form eines hyperplastisclien Processes beibehält. Wenn
wir nun die Anwesenheit derartiger Entzündungen und käsiger
Infiltrate der Drüsen, des subcutanen Zellgewebes, der
Knochengelenke und die dazugehörigen Zustände, amyloide
Degeneration der Leber , Milz , Nieren , Auftreibung des Unter-
leibes , schlechte Ernährung , Tumor albus , kurzum den ganzen
Habitus berücksichtigen , den man nach den gangbaren Be-
griffen als Ausdruck der Scrophulose anzusehen gewolmt ist;
ferner allenfalls noch die als Symptome der Scrophulose gel-
tenden Augenkrankheiten (Keratitis, Conjunctivitis pustulosa)
und HautafFectionen (Liehen scrophulosorum , Acne cachecti-
corum) , so haben wir , wie auch pathologische Auatomen
(VniCHOW, Klebs) zustimmen, keine Veranlassung, den Lupus
davon herzuleiten, weil bei nur sehr wenigen von den ^äelen
Hundert von uns gesehenen Lupuskranken sich diese Zustände
vorfanden und bei aber Hunderten Scrophulöser nicht eine Spur
von Lupus zu finden ist.
Dasselbe gilt für die Tuberculose noch im erhöhten
Masse, obgleich, wie wir hören werden, vom histologischen
Standpunkte es versucht worden ist (Eriedläxder), Lupus als
eine Art Tuberculose der Haut zu demonstriren.
Sehr wichtig ist weiters, dass Manche den Lupus von
hereditärerSyphilis herzuleiten geneigt sind, so Veiel,
Wilson, zum Theile sogar Hebka. Es ist aber ein solcher Zu-
sammenhang niemals erwiesen worden. Im Gegentheil, Alles was
in Beztig auf hereditäre Anlage bei Lupus zu eruiren ist. spricht
eher dafür, dass derselbe mit Syphilis der Eltern und Syphilis
überhaupt absolut nichts zu thun hat. Von syphilitisclien Eltern
abstammende Kinder können von diesen eine Krankheit ererben,
die aber immer wie Syphilis sich präsentirt und nicht wie Lupus.
Die Aehnlichkeit zwischen Lupus und Sj^Dhilis ulcerosa kann
zwar zu Verwechslungen führen, aber dann sind dies diagnostische
Irrthümer. Es ist sogar eine ßarität, bei mehreren Kindern
derselben Eltern Lupus zu finden. Dass der Lupus als solcher
sich hereditär gezeigt hätte, ist gar nicht bekannt, ebenso
wenig, dass er ansteckend wäre. Ueberdies haben Hkbb.v,
Michaelis und ich an demselben Individuum Lupus und Syphilis
nebeneinander bestehen gesehen, derart, dass ein seit Jahren
625
mit Lupus behaftetes Individuum durch Ansteckung frische
Sj^hilis (Papeln und Roseola) acquirirt hat , was ganz unbe-
o-reiflich wäre , wenn Lupus Syphilis sein sollte. Die Aufstel-
lung einer eigenen Krankheitsform als Lupus "syphiliticus
ist demnach zunächst ätiologisch ganz unbegründet, wie wir
sehen werden, auch symptomatisch nicht zu rechtfertigen.
Die allgemein ätiologischen Momente berück-
sichtigend , wäre zu erwähnen , dass Lupus in QQ'^lo aller Haut-
krankheiten , bei Weibern um etwas häufiger als bei Männern,
imd Lupus der Extremitäten in 20 "/o der Gesammtzahl bei
ims vorkommt. In Bezug auf das Alter ist schon erwähnt
worden, dass die Krankheit fast ausnahmslos in den früheren
Lebensjahren , selten vor dem dritten Lebensjahre, spätestens
zur Pubertätszeit erscheint und nur höchst selten noch später,
als fortdauernder oder recidivirender Lupus auch bis ins
70. Lebensjahr auftaucht.
Ln Uebrigen findet sich Lupus in gleicher Zahl , Litensität
und Form bei ländlicher und städtischer Bevölkerung, in dürftigen
imd wohlhabenden Familien. Die Jahreszeiten , Beschäftigungs-
imd Nahrungsweise haben keinen Einfluss auf die Recrudescenz
des Lupus. Nur der Verlauf des eben vorhandenen gestaltet sich
günstiger oder ungünstiger, je nachdem das Individuum zweck-
mässiger sich zu behandeln in der Lage ist, oder nicht.
Zur Diagnose dient als wesentlichster Anhaltspunkt der
Charakter der Knötchen, die gleichsam in's Cutisgewebe ein-
gesprengt sind und unter dem Fingerdrucke nicht schwinden.
So oft ein sehr complicirtes Krankheitsbild sich präsentirt,
entweder von confluirenden Knoten oder (beschwüren , mit imd
ohne Krusten , ist es Aufgabe , diese Primärefflorescenzen
aufzusuchen, welche in der Regel in der Nähe eines diffusen
Krankheitsherdes sich vorfinden werden. Die grösste Schwierig-
keit erwächst in der Regel für die Diagnose des Lupus gegen-
über Syphilis nodosa serpiginosa und ulcerosa.
Ich kann nur empfehlen , neben dem Charakter der ein-
zelnen jungen Lupusknötchen auch noch die schon geschilderte,
von der syphilitischen so verschiedene Beschaffenheit der
Lupnsge schwüre, ihre Lidolenz , die Schlappheit ihrer
Ränder, die üppige Granulationsbildung, ihre geringe Schmerz-
haftigkeit, sowie den Umstand festzuhalten, dass Lupusknoten
niemals so regelmässig vom Centrum nach der Peripherie sich
40
K aposi. Hantkrankliftiten.
1
^^90 Neimunddreissigste Vorlesung.
ausbreiten wie Syphilisknoten, daher aucli niemals nierenförmige
Geschwüre bilden. Wenn auch nicht in jedem FaUe pro momento
eine entscheidende Diagnose gemacht werden kann, so wird dies
doch nach einer entsprechenden Beobachtungsfrist möglich sein,
indem nach 14 Tagen, 4 Wochen, sicherlich neue Lupuskuötchen
auftauchen , und auch der wichtige Umstand zur Geltung kommen
wird, dass örtliche und allgemein antisyphilitische Behandlung,
namentlich das gegen letztere so prägnant wirksame Empla-
strum hydrargyri, sich gegen Lupus ohne EfPect erweist
Endlich darf zum Vergleich nicht ausser Acht gelassen
werden, dass Lupus ungleich lentescirender verläuft als SypHlis;
dass Lupus in vielen Jahren kaum soviel an Zerstörung leistet,
als ulcerirende Syphilis binnen wenigen Wochen; dass bei Lupus
die Nase viel mehr durch Schrumpfung sich verkleinert , als
durch Consumtion, während bei SyphUis die einzelnen Theile
vom gesunden Ganzen wie abgekappt erscheinen; und dass
schHesslich Knochendefecte, des Vomer, des harten Gaumens, bei
Lupus gar nicht vorkommen. Ebenso kann z. B. eine elephan-
tiatische Verdickung der geschüderten Art des Unterschenkels,
die mit Knötchen combinirt ist, nur für Lupus angesehen werden,
da nur Lupus so viele Jahre in Knötchenform besteht, um zur
Elephantiasis führen zu können, während ein Knötchensj^hüid
höchstens Monate oder wenige Jahre zu bestehen pflegt ; und die
SyphiHsformen, welche zur Elephantiasis führen können, erfah-
rungs-emäss gummöser Art sind , die demnach wieder charakte-
ristische Geschwüre bilden. Endlich darf nicht der Umstand ausser
Acht gelassen werden, dass bei noch so langem Bestände des
Processes der Lupus stets mit den charakteristischen kleinen,
eingesprengten Knötchen recidivirt.
Bei sorgfältiger Erwägung aUer dieser Umstände wird
Lupus von Syphilis auch in schwierigen EäUen wohl diffe-
renzirt werden können, und demnach auch symptomatisch eine
Verlegenheits-Diagnose „Lupus syphiliticus" unstatthaft, und
iinnöthig sich erweisen.
Auch eine Form der Lepra tuberculosa gibt es, welche
Lupus sehr ähnlich sehen kann.
Dass Lupus erythematosus ein von Lupus vulgaris
vollständig differentes Bild darbietet, braucht nicht erst betont
XU. werden.
Vierzigste Vorlesung.
Lupus (Fortsetzung). Anatomie, Therapie des Lupus. Serophulose,
Tubereulose der Haut.
Die „Anatomie des Lupus" bildet den Vorwurf
zalilreicher und selir scilätzenswertlier Mstologischer Arbeiten,
grossentbeils aus dem jüngsten Vierteljabrbundert. Dieselben
wiederspiegeln fast eben so treuli'cb, wie die syncbronischen
Arbeiten über Entzündung, die Anscbauungen ihrer Zeit über
Neubildung und Histiogenese patbologischer Gewebe und be-
handeln fast alle Fragen, die bezüglich der Histologie des
Lnpus sich aufwerfen, über Sitz, Ausgangspunkt, Charakter,
Bedeutung , verwandtschaftliche Verhältnisse der lupösen Neu-
bildung in gleich eingehender "Weise, ohne jedoch selbst mit
Rücksicht auf die Anforderungen der jeweiligen Zeitepoche
deren endgiltige Lösung herbeigeführt zu haben.
Um über die wesentlichsten der hier in Betracht kommen-
den und sehr complicirten Verhältnisse ein richtiges Urtheil
zu gewinnen, ist es nothwendig, jung entstandene Lupus-
knötchen, solche, die noch tief eingebettet sitzen, zu untersuchen.
Auf dem mikroskopischen Durchschnitte von einer solchen
Hautstelle (Fig. 35) sieht man schon bei Loupenvergrösserung
kleinere und grössere', rundliche (nestf örmige), in das
Corium eingesprengte Gewebsmassen , die Lupusknötchen.
Sie liegen unregelmässig und in verschiedenen Tiefen des
Corium selber, dessen oberste und Papillarschichte und Rete
normal erscheinen. Damit widerlegt sich die früher von Bergee,
Pohl und 0. Weber ausgesprochene Meinung , dass die Lupus-
knötchen aus dem Rete hervorgehen , sowie die Anderer, dass
40*
628
Vierzigste Vorlesung.
die oberflächlicliste ScMclite der Cutis der ursprüngliche Sitz
der jungen Knötclien sei. Rete und oberste Coriumscliiclite
sind hier frei. Die Lupusnester stechen durch gelblich rothe Farbe
und scharfe Begrenzung ö
von dem umgebenden Cu-
tisgewebe ab, noch mehr,
wenn Carmintinction an-
gewendet worden , indem
sie sich weniger als das
letztere färben.
Bei starker Vergrösse-
rung betrachtet, grenzt
sich das Lupusnest (Fi-
gur 36) grösstentheils
scharf ab gegen das ge-
sunde Bindegewebe , wel-
ches in dichten Faserzü-
gen jenes einfasst , iind
erkennt man die feinere
Zusammensetzung des Lu-
pusgewebes, dessen Ueber-
einstimmung mit der des
G-ranulationsgewebes zu-
erst Vikchow und Auspitz
demonstrirt haben. Es be-
steht aus einem von gröbe-
ren Stamm- und zarten
Zweigfasern gebildeten,
von zahlreichen , weiten
Blutgefässen durch-
setzten Netzwerk, in des-
sen Maschenknoten mit
grossem, stark lichtbre-
chendem, guttinginbarem
Kerne versehene Zellen,
und in dessen engen Maschenräumen eben solche,
kleinere Zellen und scharf contourirte Kerne in grosser Menge
eingelagert sind. Beim Schütteln fallen die eingelagerten Form-
elemente leicht aus, so dass das Netzwerk mit seineai polai-en
Zellen allein zurückbleibt; an manchen Stellen eines Schnittes
sowie viel
Lupus. 629
fällt das ganze Nest aus, dessen Platz ein rundes Loch be-
zeichnet. (Fig. 37 c'.)
Fig. 36. /a
Ein mikroskopisclies Lupusknötclien bei starker Vergrösserang.
b denselben einrahmendes geaundea Corium. a Ketioulum aammt Zellen-
einlagerung, c ; — d Biesenzellen.
Diese einfachen Verhältnisse finden sich nur bei ganz
jungem Lupus. Die weitere Entwicklung, sowie die Rück-
bildung führen zu sehr complicirten Veränderungen sowohl
des Lupusgewebes, als der meisten Elemente der Cutis. Zunächst
das Lupusgewebe anlangend. Als man noch dasselbe durch
Auswachsen allein des Bindegewebes entstehen liess , sei es
der obersten Coriumschichten (VißCHOW, Billkoth), sei es des
die Haarfollikel und Talgdrüsen begrenzenden Gebälkes (Veiel,
Rindfleisch), war auch schon zum Theile die Beziehung zu den
Blutgefässen betont worden. Nach der Tendenz der neueren
histologischen Arbeiten spielen aber für die Genese der patho-
630
Vierzigste Vorlesung.
logischen Grewebe "bekanntlicli die Blutgefässe die Hauptrolle
und scheinen auch nach den jüngsten Lupusstudien von mir,-
Lang, Kleus, Stilling, Jaeisch, die Blut- und Lympgefässchen
durch Auswachsen ihrer protoplasmatischen Wand und Wuche-
rung ihrer Adventitia, Gebälke und Gefässe des Lupusnetzes
mitsammt einem Theile seiner Zellen zu produciren, zu welchen
dann noch Proliferationszellen der Bindegewebskörperchen und
Wanderelemente aus dem entzündlich afficirten Stroma der
Cutis sich zugesellen.
Das junge Lupusknötchen stellt also ein gefäss- und
saftreiches, lebhaft proliferirendes Gewebe vor. Nach einigem
Bestände beginnt dessen Rückbildung, die sich zunächst dadurch
manifestirt, dass im Centrum des Knötchens die Yascularisation
schwindet und die Formelemente im necrobiotischen Sinne
sich verändern. Manche werden gebläht , vergrössert, was ihre
Verwechslimg mit epitheloiden Zellen veranlasst hat; die
meisten werden körnig trübe, färben sich nicht mehr in Carmin,
zerbröckeln und ballen sich zu körnig-krümeligen Haufen. An
manchen Punkten erscheinen umfangreiche, unregelmässig ge-
formte, homogene oder feinkörnige, protoplasmaähnliche Massen
mit vielen 5 — 20 und mehr eingelagerten, oblongen, glänzenden
Kernen (Fig. 36, a). Dies sind die Gebilde, welche von Billkoth,
YiRCHOW längst beschrieben , seit Schüppel als Riesenzellen
bezeichnet tind dem Tuberkel eigenthümlich zugeschrieben
worden sind, weshalb Fkiedländer geglaubt hat, auch den Lupus
als Hauttuberculose erklären zu dürfen. Seitdem hat man
zwar über die histiogenetische Bedeutung der Riesenzellen sich
noch immer nicht einigen können, indem sie Einige für spontan,
oder durch Assimilirung anderer colossal gewordene Zellen,
Andere für den Ausdruck des Querschnittes eines mit wuchern-
dem Endothel oder Plasma erfüllten Lymphgefässes , noch
Andere für zusammengeflossene Zerfallzellen ansehen. Aber
so viel ist doch sicher geworden, dass Riesenzellen nicht nur
im Tuberkel , sondern in allen möglichen Geweben, im Gumma,
Sarkom und selbst in Granulationen sich vorfinden und daher
ihr Vorkommen im Lupusknoten nicht berechtigt, diesen mit
dem Tuberkel gleichzustellen, um so weniger, als wir in neuerer
Zeit zweifellosen Tuberkel der Haut kennen gelernt haben.
Die Hauptmasse des Lupusknötchens ist also nicht organi-
sationsfähig , sondern gelangt auf dem Wege jener retrograden
Lupus.
631
Metamorphose seiner Elemente zur Resorption, eventuell (bei
oberfläcliliclier Situation) zur Elimination, worauf das ent-
zündlich afFicirte einbettende Gewebe narbig schrumpft. Ein
Theil des Lupxisgewebes jedoch geht mit seinen Gefässen und
Zellen, wie ich glaube (auch Lang ist dieser Meinung), eine
Oro-anisation zu jungem , später schrupfendem Bindegewebe
ein und hierdurch, scheint mir, unterscheidet sich die Lupus-
ueubüdung biologisch wesentlich von dem Lepra- und Syphi-
lisknoten.
Neben diesem Verlaufe einzelner Knoten vergrössern sich
andere durch Fortschreiten der Neubildung mittels und längs
der Corium- imd Papillargefässe nach der Fläche und Tiefe,
bis in die Schichte der Fettläppchen, und trifft dieselbe auf
die von anderen Centren ausgehenden Ausläufer zusammen. Indem
zugleich das interstitielle Bindegewebe entzündlich infiltrirt wird,
verschwindet die ursprüngliche herdartige, an alveolare Structur
gemahnende Anordnung (vid. Fig. 35) und resultirt eine unregel-
mässig diffuse Zelleninfiltration aller Schichten der Haut. Auch
diese kann nach langer Zeit vollständig schwinden, mit Hinter-
lassung narbiger Verschrumpfung der Haut und ihrer Drüsen. Im
entzündlichen Antheil der Infiltration jedoch ist zugleich die
Grundlage für jene Bindegewebshypertrophie gegeben , welche
im Laufe weitverbreiteter und Jahrzehnte hindurch bestehender
lupöser Erkrankung, gleichwie bei anderweitig veranlasster
Dermatitis chroncia , besonders an den Extremitäten sich heran-
bildet und als Elephantiasis Arabum glabra et papillaris
schon besprochen worden ist. Ueber einer derart hypertro-
phirten und degenerirten Cutis, in welcher auch noch
immer der Lupus eine Zeit lang bestehen und sich erneuern
kann, erheben sich stellenweise mächtig hypertrophische Pa-
pülen mit entsprechend vergrösserten Retezapfen und colossal
aufgethürmten Hornzellenlagen — Lupus verrucosus (s. cor-
nutus Lang. Fig. 37).
Von den anderen Elementen der Cutis werden zunächst
dieEpithelialgebilde sehr früh in Mitleidenschaft ge-
zogen. Sobald die lupöse Infiltration, ursprüngHch oberflächlich
gelegen, oder in die Papillarschichte gewuchert ist, beginnt
Proliferation, Trübung, Vacuolenbildung , Schilferung der
Retezellen; es verwischt sich die Grenze zwischen Papillen
und Schleimschichte durch Uebergreifen der lupösen Wucherung
632
Viei-üigste Vorlesung.
in die letztere, und wird das Rete durch Eiterung oder
Schüferung abgestossen, so liegt der Lupusknoten zu Tage
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(Ulceration). Ebenso hypertropbiren und degeneriren durch
Trübung, Aufquellen, frühzeitige Verhornung, die Auskleidungs •
zeUen der Talg- und Schweissdrüsen und der Haartaschen,
welche letztere'iiberdies nach Degeneration der Papille, Locke-
rung und Ausfallen der Haare, veröden. Die Talgdrüsenacim
bleiben öfters, nachdem ihr Ausführungsgang verschrumpft
durch zwiebelschalenartig angeordnete Epidermis (Perikugeln)
erfüllt, als einfache oder zu Träubchen an einem gemeinschaft-
lichen Narbenstiel hängende Miliumkörnchen zurück.
Lxipxis.
633
Besonders erwähnenswertli ist nocli eine andere Art von
Epitlielhyperplasie , welclie von Büsch , Lang, mir und Anderen
beschrieben worden ist, und in dem Answaclisen des Rete in
Form von einfachen und verzweigten Epithelzapfen in das
Corium besteht (Fig. 38), die mit ähnlichen Auswüchsen der
Fig. 38.
Schnitt von Lupus ad nates.
a Epidermis, c diffus lupöa infiltrirtes Corium, in dassplbe die Epitlielzapfen b in
einfachen und verzweigten Kolben Mneingewuohert.
Schweissdrüsen- und Haarwurzelscheidenzellen zusammentref-
fend, ein dasselbe nach allen Richtungen durchsetzendes, aus
puren Epithelien zusammengesetztes Balkennetzwerk darstellen.
Diese bilden, wie ich gezeigt, die histologische Grundlage
für die Entwicklung von Epithelialkrebs mitten auf floriren-
dem oder erloschenem Lupus.
Die Combination von Krebs mit Lupus, von
Deverg-ie , Baedeleben , 0. Weber , Hebra , Wenck, Thiersch,
VoLKMANX, Lang und mir beobachtet , hat sich für die Meisten
der betroffenen Individuen als rapid deletär erwiesen und
nur in wenigen Fällen konnte vorübergehende Besserung oder
Heilung erzielt werden.
Wir wenden uns nun zur Therapie des Lupus.
Von innerlichen Mitteln, welche die Rückbildung des
bestehenden Lupus zu veranlassen, oder eine Recidive zu ver-
hüten vermöchten, ist uns nichts bekannt. Sowohl Arsenik,
als die antisyphilitischen Mittel, Quecksilber, Jod, Zittman-
sches Decoct, und die in Voraussetzung, der scrophulösen
gg^ Vierzigste Vorlesung.
Bedeutung des Lupus vielfach empfohlenen Mittel, Leberthran,
Eisen, Jodeisen, Oleum animale Dippelli, Amaricantia, Murias
calcis, Murias Baryti, Antimon u. s. w. haben sich gegen
Lupus unwirksam erwiesen. Wohl aber bedienen wir uns der
letzteren und analoger Arzneien, um die Gesammternährung
der Lupösen zu heben, wofern diese scrophulös, anämisch,
schlecht genährt wären. Lupus als solcher kann eben nicht
anders geheilt werden als durch örtliche Mittel.
Diese sind zweierlei. 1. Blosse Adjuvantia zur Behand-
lung, 2. die Lupusknoten direct zerstörende Mittel und Ver-
fahrungsweisen.
Zu den ersteren gehören aUe Fette, Oele, Salben und
Pflaster, sowie KautschukumhüUungen, welche zur Maceration
vorhandener Krusten und zur Deckung der eiternden Wunden,
eventueU zur Maceration der Lupusknötchen selbst verwendet
werden und deshalb nach Umständen während der ganzen
Behandlungsdauer des Ltipus, bald in dieser, bald in jener Form
gewählt werden müssen; so z. B. ist Leberthran in Form von
Umschlägen angewendet recht zweckmässig beim Lupus tumidus,
der zum Theil mit Krusten belegt ist, indem bei einer
8_l4tägigen Application nicht nur die Krusten erweichen
und abfallen, sondern auch die Lupusknoten macerirt und zu
rascherem Zerfall disponirt werden. _
Li gleicherweise, zugleich etwas ätzend, wirkt Schmier-
seife in Form von Umschlägen.
Im Uebrigen wird die nothwendige Maceration durch
Unguentum simplex, Oleum olivarum, Emplastrum saponatum
und ähnliche indifferente Mittel besorgt. Vom Emplastrum
hydrargyri, von welchem Einzelne angeben, dass unter dem-
selben die Lupusknoten sehr rasch schwinden, kann ich em
solches nicht bestätigen. Dasselbe wirkt nur m dem Maasse,
wie jedes andere indifferente Pflaster , macerirend.
Die Beseitigung des Lupus gelingt einzig und aUem durch
mechanische oder caustische Eingriffe.
Die mechanische Behandlung des Lupus hat seit
VOLKMANN'S bezüglichen Publicationeu eine verdiente Ausbreitung
gewonnen. Das Lupusgewebe ist so weich und morsch ,
dasselbe sammt der von dem lupösen Gewebe .
Hautpartie ungemein leicht mit dem ^^J^j^ "
gekratzt werden kann. Man kann hiebei nicht leicht schaden.
Lupus.
635
weil das gesunde Hautgewebe dem Eindringen des Löffels
grossen Widerstand entgegensetzt, demnacli die Grenze für
die zu setzende Verletzung von selbst gegeben ist.
Am besten eignet sieb diese Metbode für confluirende,
grosse Knoten , sowie, für scblappes, diffus infiltrirtes , exulce-
rirtes Gewebe. Die wäbrend des Scbabens ziemlich intensive
Blutung stebt jederzeit ^auf Tamponade und Druckverband und
um so sicherer, je vollständiger der Lupusherd ausgekratzt worden
ist. Nach 2 — 3 Tagen hat sich der graue Belag, das ist die
Schichte des noch haftenden zertrümmerten Gewebes abgelöst
und stellt sich sofort eine gute Granulation ein.
Zur mechanischen Behandlung gehört auch das Sticheln
mit einem Spitzbistouri, oder dem aus mehreren Lanzen con-
struirten Stichelinstrument von Veiel, oder, was wohl vor-
zuziehen, der Stichellanze von Hebea (vide pag. 462, Fig. 26).
Mittels des Sticheins wird nicht nur das Lupusgewebe direct
bis zur Mortification zerschnitten , sondern auch ein grosser
Theil der es ernährenden und die "Wucherung unterhaltenden
Blutgefässe zerstört.
Die Stichelung kann demnach ebenso gut bei diffusen
Infiltraten , wie bei den einzelnen zerstreuten, demnach mit
dem Löffel nicht gut ausschälbaren Lupusknötchen zur An-
wendung kommen.
Man kann auch, wie Auspitz empfohlen , die Lanze vor
jedem Einstechen in eine leicht ätzende Flüssigkeit, z.B. dünne
Jod-, Carbol-, Chlorzink Lösung eintunken und auf diese Weise
das Aetzmittel mitten in die kleinen Ltipusknötchen hineinbringen.
Neben der mechanischen Behandlung spielt die mittels
der Aetzmittel eine grosse Rolle.
Das praktisch verwerthbarste und erprobteste ist der
Lapisstift (Lapis en crayon). Derselbe hat die genügende
Resistenz , um in die einzelnen Lupusknoten eingebohrt zu
werden, demnach die mechanische und ätzende Wirkung in
sich vereinigend, zugleich den Vortheil, dass mit demselben
insoferne nie geschadet werden kann, als er in's gesunde Ge-
webe nicht vordringt.
Ebenso können grosse Knoten von Lupus tumidus mit
grösster Leichtigkeit mittels desselben herausgravirt, als flache In-
filtrate mit Vollständigkeit, wie mit einem scharfen Löffel, heraus-
geschabt werden. Da gleichzeitig hiebei die Gefässe des Randes
ß36 Vierzigste Vorlesung.
und Grundes nicM nur meclianiscli zerstört, sondern aucli durcli
die Aetzung thrombosirt werden , so sind thatsächlich mit der
Lapisätzung alle nur erwünschten Bedingungen zur Heilung
gegeben, umsomebr, als bei der mecbaniscben Beseitigung des
Lupus mittels Scbabens sebr oft die Basis nocb besonders ge-
ätzt werden muss. Der Lapis bleibt also immerbin das Mittel
xaT* z^oji\v gegen Lupus.
Lapis in concentrirter Lösung (Nitras argenti,
Aqu. dest. aa 10) wenden wir nicbt auf unversehrten Lupus
an, weil diese Lösung die Epidermis nicbt durchdringt, sondern
nur auf bereits wunden , zum Theil zerstörten oder zerfallenen
Lupus, auf lockere Granulationen, oder gegen recidive junge
Knötchen. In letzterem Falle nimmt man zunäcbst eine Lösung
von Kali caust. ö'O, Aquae dest. lO'O, pinselt damit die vor-
her durch Seifenwaschung entfettete Hautfläcbe mittels eines
Charpiepinsels energisch ein. Hiebei wird die über den ein-
zelnen Lupusknötchen gelegene Epidermis abgelöst und die
Lupusknötchen liegen als rothe wunde Punkte zu Tage. Nun
wäscht man mittels eines kleinen Schwammes das überschüssige
Kali ab, trocknet die Stelle und tupft die Lapislösung ein,
welche nun die ofFen liegenden Knötchen direct angreift.
Chlor zink, pur, zerfliesst sehr rasch an der Luft und
kann derart, oder in etwas Alkohol oder Wasser gelöst, zur
Aeizung mittels eines Pinsels benützt werden. Nach der An-
gabe von Brüns und Köbner kann man dasselbe mit Kali-
salpeter und Chlorkalium zu Stäbchen zusammenschmelzen und
giessen nach der Formel: 1 Gramm Chlorzink, Kali nitricum
0,5—0,1, Chlorkalium 0,5—0,1. Die Stäbchen müssen in Stanniol
gehüllt werden, weil sie sehr hygroskopisch sind und an der
Luft schmelzen. Sie sind keineswegs so resistent wie der Lapis-
stift, brechen daher und schmelzen beim Aetzen. Zugleich
gerii^nt unter Chlorzink das Blut gar nicht, sondern über-
schwemmt als eine hellrothe Flüssigkeit die Operationsfläche.
Auch ist der Schmerz nicht viel geringer als bei Lapisätzung
und die Narbenbildung nicht günstiger als bei dieser. Ich kann
also demselben nicht jene vorzügliche Eigenschaft zuschreiben,
die ihm nachgerühmt wurde.
Dasselbe gilt für den nach Veiel's Vorschlag aus Chlor-
zink und Mehl zu einem Teige angerührten und durch dessen
Trocknung gewonnenen Aetzstift.
Lupus.
637
Die Pasta Canqiioin wird aus der Vermischung von
an der Luft verflüssigtem Chlorzink mit dem dreifachen Quan-
tum Amylum gewonnen. Auf Leinwand aufgestrichen und auf-
gelegt , ätzt sie gesunde und kranke Haut durch , ist also nur
am Stamm und den Extremitäten zu verwenden.
Dasselbe gilt von der modificirten LANDOLF'schen Paste.
Diese bestand ursprünglich aus 3 Theilen Chlorzink, 5 Theilen
Chlorbrom und 1 Theil Chlorantimon, welche mit Pulvis
liquiritiae zu einer Paste verbunden werden, die aber wegen
der sich hiebei entwickelnden Bromdämpfe nicht zu empfehlen
ist, da durch deren Einwirkung auch bei der Manipulation
der Arzt selbst Grefahr läuft urplötzlich Laryngospasmus,
krampfhaften Husten, Hämoptoe, Conjunctivitis, Nasenbluten
zu bekommen. Da ist es schon besser, die Paste mit Hin-
weglassung des Chlorbroms anzuwenden. Man verschreibt:
Ep. Zinci chlor. 10. DS. ad lagenam. ; — Ep. Butyr.
Antimon. 10. DS. ad lagenam. ; — Ep. Acidi. mur. conc. puri
5. DS. ad lagenam., und etwas Pulvis rad. liquir.
Man gibt nun das Chlorzink in eine Eeibschale, etwas
Salzsäure dazu, bis das Chlorzink ganz zerflossen ist, hierauf
das Chlorantimon , mischt es durch einander und reibt es unter
allmäliger Hinzugabe von Pulvis liquiritiae zu einer dicken
Paste an. Diese wird auf Leinwand messerrückendick auf-
gestrichen. Davon werden nun Streifen geschnitten, so breit
und lang als man die Aetzwirkung haben will. Die Streifen
werden aufgelegt, niedergebunden und 24 Stunden liegen ge-
lassen. Nach 5 — 6 Stunden stellen sich mehrere Stunden an-
haltende Schmerzen ein. Nach 24 Stunden abgenommen, zeigt
sich ein gelbbrauner Schorf, der binnen wenigen Tagen abfällt
und granulirende Wunden zurücklässt. Da die Paste gesunde
und kranke Haut gleichmässig durchätzt, kann sie nur dort
angewendet werden , wo an der Conservirung der gesunden
Hautbrücken nicht viel gelegen ist, also am besten auf die Eand-
partien des Lupus serpiginosus , am Stamm und an den Extre-
mitäten und niemals im Gesichte. Wegen der tiefen Aetzung
sind auch die nachfolgenden Narben sehr voluminös.
Da ist schon die Arsenikpaste nach der von Hebra modi-
ficirten Formel des Pulvis Cosmi mehr zu empfehlen. Man
verschreibt : Ep. Arsenici albi 1 ,0 ; Cinnabaris fact. 3,0 ; TJngu,
emoll. 24,0.
638
Vierzigste Vorlesung.
Die Paste wird auf Leinwand dick anfgestrichen und
beliebig gross auf die Lupusstelle aufgelegt , nach 24 Stunden
abgenommen und durch eine neue ersetzt. Innerhalb des zweiten
Tages pflegen schon Schmerzen sich einzustellen. Am dritten
Tage wird dieselbe wieder erneuert und treten in der Regel
mehrere Stunden anhaltende Schmerzen und Schwellung der
Umgebung ein. Nach Abnahme der Paste hören die Schmerzen
sofort auf. Es zeigt sich die merkwürdige Wirkung, dass nur
die einzelnen Lupusknötchen schwarzgrau necrosirt, verschorft
sind , während alle zwischen ihnen liegenden Haut- und Narben-
inseln vollständig unversehrt geblieben. Das ist ein ausser-
ordentlicher Vortheil für Lupus im Bereiche des G-esichtes,
weil man nach Abstossung der vielen Schorfe lauter kleine
Wunden bekommt , die wegen ihres geringen Umfanges binnen
wenigen Tagen mit schönen Narben heilen und überdies den
Gewinn, auch nicht den geringsten Theil der gesunden Haut
unnöthig zu zerstören. Bei exulcerirtem Lupus wird die Wir-
kung schon in 2 Tagen, bei Lupus tumidus vielleicht erst nach
4 Tagen erreicht werden.
Intoxicationserscheinung von Arsenresorption haben wii-
noch niemals gesehen , obgleich wir die Paste viele hundert
Male schon angewendet haben und bei einem und demselben
Kranken zu wiederholten Malen. Freüich soll nie eine grössere
Fläche als die einer Flachhand auf einmal geätzt werden.
Eine Intoxication mit tödtlichem Ausgang haben wir
blos von einer Paste erlebt, welche aus Arsenik, Opium
und Creosot zu gleichen Theüen gemischt war, die aller-
'dings den Vorzug hat, gar keine Schmerzen zu veranlassen,
aber dennoch nach dieser traurigen Erfahrung widerrathen
werden muss.
Das DupuYTEEN'sche Pulver aus 0,1 Acidum arsenicosum
und 8,0 Calomel bestehend , wird auf exulcerirte und wuchernde
Stellen 1 Millimeter dick aufgestreut, hat aber nur geringe
ätzende Wirkung.
K a 1 i c a u s t i c u m f u s u m verkohlt Lupus und gesundes
Gewebe energisch , kann also nur mit sorgfältiger Auswahl
der Oertlichkeit und gegen grosse Lupusinfiltrate angewendet
werden. , ,
Dasselbe gilt für die Wiener Aetzpaste welche
ebenfalls das gesunde Gewebe schwarzbraun verkohlt. Man
Lupus.
639
verschreibt: Rp. Kali caiist. ptilv. 5,0. DS. ad lagenam. ; Calcar.
caust. pulv. 5,0. DS. ad lagenam. ; Spir. vini rectif. 10,0. DS.
ad lagenam. Aetzkali und Aetzkalk werden in der Reibsckale
verrieben und vermischt , und unter geringer Zutbat von
Spiritus zu einer dicken Paste angerührt. Die zu ätzende
Stelle wird vorher durch in ihre Umgebung aufgelegte Streifen
von Heftpflaster genau umschrieben. Darauf wird die frisch
bereitete Paste in die so gebildete Nische mittels eines Zungen-
spatels eingetragen, die Stelle mit Charpie bedeckt. Nach
wenigen Minuten stellen sich heftige Schmerzen ein. Die Paste
bleibt genau 10 Minuten liegen, welche Zeit genügt, damit
auch die gesunde Haut complet durchgeätzt wird. Es wird
null die Charpie abgenommen und die Paste unter einem reichen
Wasserstrahl abgewaschen, oder der betreffende Theil in Wasser
getaucht. Es zeigt sich ein schwarzer Schorf, der nach Um-
ständen biimen 4—8 Tagen sich abstösst. Die Paste kann also
auch im G-esichte nicht angewendet werden.
Acidum carbolicum ätzt nur sehr oberflächlich, mit
weisser Schorfbildung , greift auch die gesunde Haut an, macht
heftige Schmerzen und wirkt höchst ungleichmässig.
Acid. pyrogallicum 5, Ungu. simpl. 50 (Jaeisch), auf
Leinwand gestrichen aufgelegt, ätzt binnen mehreren Tagen,
aber nicht immer gleichmässig.
Sonst empfohlene Mittel , wie Protojoduretum und Deuto-
joduretum hydrargyri in Salbenform, oder Jodschwefelsalbe, oder
Unguentum hydrargyri citricum sind von höchst prekärer
Wirkung.
Dagegen ist die G-alvanocaustik, welche früher durch
Hebra gegen Lupus in Anwendung kam, sowie der PAQUELiN'sche
Cautor, den ich jetzt gebrauche, sehr zu empfehlen, indem man
entweder mittels des glühenden Platinstiftes die einzelnen
Lupusknötchen ausstichelt, oder mit dem Porcellanbrenner
grössere Lupusinfiltrate ausbrennt, oder mit der glühenden
Schlinge grosse Wucherungen, z. B. der Ohrläppchen, abträgt.
Die Schmerzen sind dabei nicht sehr bedeutend.
Von Lupus besetzte Hautstellen ganz auszuschneiden,
vielleicht auch gleichzeitig plastische Operationen damit zu
verbinden , hat nur selten Werth , da eine von Narben durch-
setzte Hautpartie noch immer weniger entstellt, als ein über-
tragener Hautlappen, dessen Anwachsen nicht einmal gesichert
640 Vierzigste Vorlesung.
und welcher überdies selbst nicht vor neuer Lupuserkrankung
geschützt ist. Man weiss, dass sogar von der Armhaut ge-
bildete Nasen später von Lupus befallen worden sind.
Methodische Einpinselungen von Jodglycerin, Jod-
tinctur, Application von Emplastrum hydrargyri kommen
zweckmässig zur Anwendung als unterstützende Mittel der
Heilung bereits exculcerirter oder geätzter Stellen, zur Er-
weichung von harten wulstigen Narben , zur Verminderung der
zurückbleibenden Hyperämie, ebenso wie Verbandmittel ver-
scliiedenster Art, leichte Aetzungen u. s. f. nach Umständen
bei der Wundheilung zum Grebrauch kommen müssen, da die
grösste Aufmerksamkeit auf die Erzielung dünner flacher Narben,
namentlich im Bereiche des Gesichtes, gerichtet sein muss.
Lupus der Conjunctiva und Cornea wird für die Anwen-
dung des scharfen Löffels , oder des Lapisstiftes am besten
geeignet sein.
Dass alle diese Mittel und Methoden in jedem einzelnen
Falle von Lupus, gewiss aber bei einem ausgebreiteten, nach
und nach und in verschiedener Abwechslung zur Verwendung
kommen werden , ist begreiflich.' Man kann nicht jeden Tag
tind nicht überall gleichzeitig ätzen , schaben und stechen , wird
demnach an einer Stelle ätzen, an der anderen inzwischen
maceriren, da Erysipel bekämpfen, dort die G-ranulatioDs-
bildung sorgfältig behüten , einmal auf das AUgemeinbefinden
besondere Aufmerksamkeit richten, kurzum mit grosser Um-
sicht und Sachkenntniss die Behandlung des Lupus leiten und
dabei nicht vergessen , dass , will man etwas ausrichten , zur
rechten Zeit und am rechten Ort nur die voUe Energie des
zerstörenden Verfahrens aUein einen Erfolg verbürgt.
Die Recidiven zu verhüten steht uns gar kein Mittel
zur Verfügung.
Dass gleichzeitig vorhandene Complicationen, Caries, Ne-
crose, Erysipel, Lymphangoitis lege artis behandelt werden
müssen, ist selbstverständlich.
Scrophulose und Tuberculose der Haut, dem
Lupus anatomisch verwandte, aber, wie erwähnt, durchaus
nicht identische, sondern von demselben klinisch differente
Processe, mögen hier noch kurze Erwähnung finden.
Scropliiilose. Tiiberciilose der Haut
641
Bezüglich der Scrophuloae darf ich auf die bekannten
Werke über Chirurgie und pathologische Anatomie verweisen,
sowie auf das, was ich in der Aetiologie des Lxipus darüber
gesagt und im Capitel über Geschwüre noch weiter vorbringen
werde. Es handelt sich dabei um zumeist von entzündlich-
hyperplastischen Lymphdrüsen und von Perilymphangioitis-
Knoten auf die Haut übergreifende Entzündung, deren Product
geringe Neigung zu Organisation und grosse Tendenz zu
käsigem Zerfalle besitzt, und zur Bildung der bekannten,
seichten, unterminirenden , schlapprandigen Greschwüre Veran-
lassung gibt.
Von Tuberculose der Haut, nicht von unterlagernden
Herden in dieselbe überwuchernder, sondern in ihr selbstständig
entstandener, thun WaCcNEr, 0. Weber Erwähnung und brin-
gen Pantlen, Bizzozero, Baumgarten, Griffini, Hall u. A.
casuistische Mittheilungen. Doch beziehen sich die Meiston
auf entzündliche und ulcerirte Krankheitsproducte in elephan-
tiatischer Haut , oder in Lupusherden , die auf Grund von
Riesenzellen-Befund von den betreflFenden Autoren für wahre
Tuberkel angesprochen wurden. Ein Fall von zweifellos
echtem Tuberkel der Haut ist von Chiabi (tuberculöses Ge-
schwür der Unterlippe) und ein zweiter von Chiari und Jarisch
mitgetheilt worden. Dieser letztere Krankheitsfall betraf einen
42 Jahre alten Mann , der mit einem bogenförmig begrenzten,
mit röthlichgelben, mässig derben Granulationen am Grunde
und zackigem Rande besetzten, das linke Ohr umgreifenden
Geschwüre auf die hiesige dermatologische Klinik aufgenommen
worden war und nach Auftauchen von zahlreichen , miliären
und rasch zerfallenden Knötchen des Velum binnen wenigen
Wochen daselbst verstarb. Neben Tuberculose der Lungen
konnte Chiari in den ßandpartien des Hautgeschwüres, sowie
in den subcutanen (und submucösen) Geweben „isolirte und zu
stecknadelkopfgrossen Gruppen conglomerirte, meist 0"3 Milli-
meter grosse, rundliche, im Centrum bereits in beginnendem
käsigen Zerfalle begriffene" Knötchen von dem unbezweifel-
baren histologischen Charakter des Tuberkels nachweisen.
Kaposi, Hautkrankheiten.
41
IX. Olasse.
Bösartige NeubildungeB.
Einundvierzigste Yorlesung.
Lepra.
Lepra Arabum, Elephantiasis Graecorum, Leprosy
(engl.), Spedalskhed (norweg.), der Aussatz, lieisst eine
deletäre, constitutionelle Krankheit, welche heutzutage
nur noch in gewissen Gegenden endemisch vorkommt, Jahr-
hunderte hindurch aber als eine wahre Geissei des Menschen-
geschlechtes geherrscht hat, indem vom 5.-14. Jahrhunderte,
vornehmlich aber zur Zeit der Kreuzzüge, im ganzen mitt-
leren Europa und an den asiatischen und afrikanischen Mittei-
meerküsten Hunderttausende von Menschen jegUchen Alters
und Standes von derselben heimgesucht wurden. In Deutsch-
land England und Frankreich sind im 8. Jahrhundert Tausende
von Leproserie-Häusern für die Aussätzigen errichtet, sowie
gesetzliche Ehe- und Verkehrsverbote gegen dieselben erlassen
worden, da man das Uebel für ansteckend, und daher es für
nöthig hielt, die damit Behafteten fern ab von dem gesell-
schaftlichen Verkehre, und unter der Obhut freiwilliger Pfleger
(Orden des heil. Lazarus) in isolirte Anstalten zu verbannen
(exponere = aussetzen, daher „Aussatz").
Erst mit Beginn des 15. Jahrhundertes verminderte sich
die Zahl der Leprakranken und mit dem Auftreten der ver-
meintlich neuen Seuche, der Syphilis, gegen Ende des
15. Jahrhundertes, soliien die Lepra ganz erloschen zu seui
was zu der theilweise noch heute (F. A. Smox) vertretenen
Lepra.
G43
Ansicht Veranlassung gab, als wäre die Syphilis aus der Lepra
hervorgegangen. Sicher ist, dass von dieser Zeit angefangen
die Kenntniss dieser Krankheit bis in dieses Jahrhundert
beinahe verloren gegangen war. Der Mangel an Krankheits-
objecten nicht allein war es, der eine Aufklärung der ärzt-
lichen Welt über den beinahe mythisch gewordenen Aussatz
erschwerte und verzögerte, sondern es lag dies auch in der
überaus wirren Nomenclatvir , welche in den vorausgegangenen
Jahrhunderten für das Uebel sich eingebürgert hatte.
Die Grriechen hatten für die Krankheit , so lange sie die-
selbe nur dem Rufe nach kannten , die Namen (powi-/,T, v6c7o:,
ca-:up'.a<7tc ; :XsovTixci; , später s'XscpavTta^t; gebraucht. Bei den
Arabern hiess sie Aljudzam, welches von den Araber-Ueber-
setzern aus der Salernitanischen Schule (11. Jahrhundert) mit
Lepra (i. e. Arabum) übersetzt wurde (mit den 4 Arten:
L. Elephantina, Leonina, Alopecia und Tyria) ; so dass dem-
nach Lepra Arabum = Elephantiasis Grraecorum = Aussatz ;
während Elephantiasis Arabum = Pachydermie (pag. ;
Lepra Grraecorum dagegen als Psoriasis (pag. 374) sich heraus-
gestellt hat. Daneben scheinen noch Vitiligo (alphos, melas,
leuke) bei den Grriechen, Albarras (alba et nigra) und Morphaea
bei den Arabern , besondere Lepraformen bedeutet zu haben,
welch' letzterer Namen neuestens (von E. Wilson) für eine
Artlocal verlaufender Lepra in Anspruch genommen worden ist.
Die ersten Aufklärungen wurden nicht so sehr durch die
frisch aufgenommenen literar-historischen Studien (Hensler)
über den Gregenstand gewonnen, als diirch die erneuerte Be-
kanntschaft mit der Lepra selbst, welche zunächst durch die
skandinavischen Aerzte Boeck in Christiania und Danielssen
in Stockholm vermittelt worden (1842 und 1848) ist.
Seitdem sind durch Hebra, Virchow, Köbner, Bergmann
und eine grosse Reihe von Schriftstellern aus den verschie-
densten Lepragegenden, sowie von Pathologen unserer Zonen,
deren Verdienste nicht im Geringsten geschmälert werden soll,
wenn ich sie hier auch nicht namentlich anführe, weitere
wertlivolle Aufschlüsse über die Pathologie und Anatomie
dieserKrankheit gegeben worden. Nicht wenig hat zur Orientirung
beigetragen der Umstand , dass viele als besondere endemische
Krankheiten bis dahin gegoltene Uebel, wie Radesyge in
Norwegen; Falcadina, Scarliavo im Istrianischen; Siw-
41*
^Q_^ Eiirnnd vierzigste Vorlesung.
wens in Schottland; Krimskaja s. Morbus tauriensis in der
Krim u. A. dahin klargestellt wurden, dass zwar manche derselben,
z. B. die Krimskaja, zum Th eil der Lepra entsprechen, grössten-
theils aber einen Sammelbegriff für allerlei chronische und
unheilbare Krankheiten, namentHch ulceröse und hereditäre
Syphilis vorstellen, demnach von Lepra complet verschieden
seien.
Wir wissen, dass die Lepra heutzutage in allen Küsten-
ländern und auf den Inseln des mittelländischen, schwarzen
imd kaspischen Meeres, ausserdem in Norwegen, Lievland, im
ganzen Küstengebiet Afrikas und auf dessen benachbarten
Inseln, sowie in einzelnen -Binnenländern , in Kleinasien, Syrien
und Palästina (am Libanon), /ferner auf den Küstenstrichen
und Inseln des indischen und. chinesischen Meeres, auf den
Inseln des australischen Archipels, in einzelnen Staaten Nord-
amerikas, häufig in Mittel- und Südamerika, noch besonders
in Island, endemisch vorkommt. In einzelnen Fällen und in
besonderer Form, das ist speciell der maculösen, findet sich
Lepra auch auf dem südöstlichen Theile des europäischen
Continentes, in der Moldau, WaUach ei , der Türkei, dem süd-
lichen Russland, und jüngst hat Schwbimer aus Ungarn l Fall
mitgetheilt. Allüberall, wo sie überhaupt sich vorfindet,
erweist sich die Krankheit von wesentlich demselben Charakter
lind derselben deletären Bedeutung. Deshalb sind auch die
vielfach in Gebrauch gewesenen geographischen Bezeichnungen,
wie Rosa esturiensis. Krimisches Uebel oder die regionär
üblichen Benennungen, wie Spedalskhed in Norwegen Morphea
in Italien, Malo mortuo-, Ngerengere, Melaatscheid (hoUand.)
aufgegeben und der Namen Elephantiasis Graecorum s. Lepra
Arabum, oder Lepra kurzweg allgemein angenommen und iur
die Zukunft beizubehalten.
Lepra char akterisirt sich als eine constitutio-
nelle Krankheit, welche im chronischem Verlaufe
auf der allgemeinen Decke (und Schleimhaut) gelb-,
roth- bis dnnkelbranneFlecke und E ntf ärbnngen,
flache, diffuse und knotige, zur Schuppung oder
Ulceration gelangende Infiltrate, seltener Bla-
sen, weiters Hyperästhesie und Anästhesie und
vielerlei Erkrankungen auch innerer Organe^ ver-
anlasst und mit seltenen Ausnahmen durch einen
Lepra.
645
specifischen Marasmus direct oder ; iEidirect zuin
Tode führt.
Die aufgezählten Symptome treffen manchmal allesammt.
gleichzeitig bei demselben Individuum: zusammen. In der^
Regel jedoch erscheinen sie in einer gewissen Grruppirung und
Reihenfolge, welchen entsprechend es gerechtfertigt und prak-
tisch: ist, die Lepra nach mehreren Typen — die aber doch
immer denselben Process bedeuten — zu unterscheiden. Solcher
haben, nach dem Vorgange von Robinson, Boeck und Danielssen
zwei nntetschieden: Lepra tuberosa und anaesthetica , Armaueb.,
Hansen dagegen L..tuberosa et maculosa.
Ich, habe geglaubt auf Grund meiner Beobachtungen
dreierlei Typen unterscheiden :zu sollen: 1. die knotige oder
tuberöse, 2. die fleckige oder maculöse, 3. die anästheti-
sche Form der Lepra.? : :
Der Krankheit, welches Typus immer, pflegen Prodro-
malerscheinungen voranzugehen, welche sich von , den bei
anderen schweren Erkrankungen zu beobachtenden nicht we-
sentlich unterscheiden, als: Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Schlaf-
losigkeif, .allgemeine Unlust, mäsäige Fieber erregungen, Diar-
rhoen, bei einzelnen Personen Pemphigusblas.en, die in spärlicher
Zahl, jeden Tag eine, oder in vielen Tagen nur einzelne, auftauchen.
• ' Die Prodromalsymptome , die nur in seltenen Fällen ganz
ausbleiben, können Wochen, Monate , selbst mehrere Jahre
a'ndauern , worauf dann die eigentlichen Leprasymptome sich
einstellen. Es ist aber aus den . Vorlauf ern durchaus nicht zu
entnehmen, nach welchem Typus der Process sich gestalten
wird, ob nach dem der knotigen,, der fleckigen, oder der anästhe-
tischen Lepra.
1. Der Knoten-Aussatz, Lepra tuberosa, be-
ginnt mit der Entwicklung von fingernagel-, thaler- bis flach-
liandgrossen und noch mehr ausgedehnten, rundlich oder
unregelmässig gestalteten Flecken, ■ von anfangs rother,
unter dem Fingerdruck erblassender , alsbald graubraun- bis
sepiabrauner- oder Bronce-Farbe. An denselben ist die Haut
glatt, glänzend, wie mit Oelfarbe bestrichen, oder broncirt
-und verdickt (infiltrirt), flach oder etwas vorspringend und
gegen Druck schmerzhaft. Die Flecke finden sich unregelmässig
zerstreut über Stamm , Extremitäten, im GJ-esicht, an Händen
und Füssen, Flachhand und Fusssohlen.
Q^Q Einundvierzigste Vorlesung.
Wochen und Monate hindurcli bleibt es bei diesen Flecijen-,
formen und flachen Infiltraten, welche ihre Gestalt und Grösse
vielfach ändern, indem sie theilweise mit einander confluiren,
oder stellenweise schwinden , oder durch centrale Rückbildung
und peripheres Fortschreiten annuläre Form annehmen.
Nach Monaten , manchmal erst nach 2—3 J ahren, tauchen
an verschiedenen Körperstellen Knoten auf. Sie sind schrot-
korn-, erbsen-, bohnen- bis haselnussgross , flach oder halb-
kugelig vorgewölbt, schmutzig braunroth, glänzend, derb-
elastisch bis weich anzufühlen, mit glänzender, zuweilen mässig
schilfernder Epidermis bedeckt, zerstreut, stellenweise dicht
zusammengedrängt, wodann sie entweder unregelmässige, ungleich
höckerige Plaques, selten regelmässige Kreisfiguren präsentiren.
Ihr hauptsächlichster Sitz ist das Gesicht. Hier bilden
sie über den Augenbrauen diesen parallel und dicht anein-
andergereihte, höckerige, das Auge überdachende Wülste; an
der Nase, sowie an den Wangen und am Kinn unregelmässige,
dichte Haufen, welche an Lupus tumidus oder Acne rosacea
erinnern. Die Lippen werden diff'us oder knotig verdickt,
wulstig, aufgeworfen, die UnterHppe wird hängend, was dem
Gesichte einen hämischen, blöden Ausdruck verleiht, während
die tiefgefurchten und gegen die Glabella gedrängten Stirn-
wülste zugleich demAntütz das Gepräge des Morosen, Stumpf-
sinnigen verleihen. Die Augendeckel werden oft durch Knoten
herabgedrängt oder ausgestülpt; die Ohrläppchen hängen als
dicke, unförmliche, sulzig transparente Knollen herab.
Am Stamme und an den Extremitäten kommen die Knoten
in ungleichmässiger Vertheilung vor; an vielen SteUen sind sie
mit dem Finger als in das subcutane Zellgewebe reichende
Knollen fühlbar. Auf der Flachhand und Fusssohle haben
wir einmal zahlreiche kleine Knötchen gesehen, die denen der
SyphiHs , oder des Lupus zum Verwechseln ähnlich waren.
Hände und Füsse werden durch die flachen und knotigen In-
filtrate und das sie begleitende Oedem verdickt, sehr schmerz-
haft, so dass das Gehen und Hantiren mit bedeutenden Be-
schwerden verbunden ist.
Auch auf der Conjunctiva palpebrarum und auf der
Cornea kommt es zu atheromähnlichen Knötchen, Schrum-
pfungen -Pannus crassus s. leprosus m Folge von
Ectropium und Lagophthalmus zu Verschwärung der Cornea.
Lepra.
647
Der Verlauf der einzelnen Knoten ist äusserst lente-
scirend, obgleich ihre Entwicklung ziemlich rasch stattfinden
kann. Sie gehen erst innerhalb vieler Monate retrograde Me-
tamorphosen ein. Viele werden vollständig resorbirt, mit Hinter-
lassung von dunkel pigmentirten , atrophischen Stellen ; andere
breiigen sich bei centralem Schwund peripher aus und bilden
Kreisformen; noch andere zerfallen, wahrscheinlich zumeist
durch mechanische Ursachen, Stoss , Druck, besonders über
den Ellbogen , Knieen , an den Füssen und geben Veranlassung
zwv Entstehung der leprösen Geschwüre. Diese sind
flach, höchst indolent, sondern massig dünnes Secret ab und über-
häuten wiederholt , um neuerdings zu zerfallen. Selten greifen
sie tiefer, in Verbindung mit Massennecrose. Bei dieser Ge-
legenheit kommt es , namentlich an den Unterextremitäten, oft
zu complicirenden Entzündungen, Lymphangoitis , Erysipel,,
Eiterung und Eröffnung der Gelenke, des Sprunggelenkes und
der Mittelfussgelenke, der Phalangen, der Finger und Zehen,
wobei einzelne Knochenpartien verloren gehen, ganze Glieder
abfallen und Mutilationen verschiedener Art zu Stande kommen
können — Lepra mutilans.
Auch auf der Schleimhaut der Nase, besonders aber
der Mundrachenschleimhaut, des Kehldeckels und des Kehl-
kopfes, tauchen reichliche Knötchen auf; es kommt zu Ver-
dickung und Kissigsein der Zunge, bei Beibehaltung des
Geschmackes, Schrumpfung des Kehldeckels, tonloser Stimme
und Exhalation eines süsslich faden Geruches. Früher oder später
tritt auch Anästhesie an verschiedenen Körperstellen auf.
Die geschilderten Erkrankungserscheinungen entwickeln
sich in einzelnen Fällen unter Fieber höchst acut und
erreichen binnen wenigen Monaten einen so hohen Grad,
wie in anderen Fällen kaum nach vielen Jahren. Unter
Andauer und fortwährender Steigerung des Fiebers und
der Eruptionen gesellen sich Erkrankungen innerer Organe
hinzu: Gehirnerscheinungen, erschöpfende Diarrhoen, Pneu-
monie, Pleuritis, und die Kranken gehen zu Grunde. Zumeist
jedoch kommt der erwähnte Symptomencomplex in chro-
nischem Verlaufe zu Stande, welcher durch acute Exacer-
bationen , namentlich Fiebererregungen unterbrochen wird,
die einmal von einer raschen Involution der meisten Knoten,
oder dem erneaerten Ausbruch vieler , oder Involution alter
648
Einundvierzigste Torlesung.
und Evolution neuer gefolgt sind, so dass die Fiebererschei-
nungen den Charakter von metastatischen Processen darbieten.
Grleichzeitig wird das Gesammtbefinden unter solchen
Complicationen bedeutend alterirt , während in den fieberfreien
Stadien das geistige und körperliche Befinden vollständig gut
sein kann , wofern nicht die örtlichen Hautafi'ectionen, nament-
lich entzündliche Complicationen, den Zustand unbequemer
machen. Nach Verlauf von im. Durchschnitte 8 — 10 Jahren
wird doch allgemeiner Marasmus, oder eine complicative Er-
krankung der inneren Organe den Tod veranlassen. Sehr
häufig ist es eine acute fieberhafte Eruption, welche mehrere
Wochen und Monate anhält, die das letale. Ende herbeiführt.
In noch anderen Fällen kommt es vorerst zu Anästhesien und
Pemphigusformen , welche Fälle auch alsgemischteLepra
figuriren, so dass nun das Krankheitsbild der anästhetischen
Lepra als prävalirend sich etablirt und bis an's Lebens-
ende anhält.
2. Der Flecken-Aussatz, Lepra maculosa, charakte-
risirt sich durch mit oder ohne Prodrome auftretende Fl e cke
von dem schon beschriebenen Ansehen, als rothe oder verschieden
braun gefärbte, glänzende Verfärbungen mit oder ohne In-
filtration, oder in Grestalt von theils punktförmigen oder streifen-
förmigen, oder auch diifusen, dunklen Pigmentirungen, die mit
pigmentlosen , weissen Punkten , Flecken und Streifen unter-
mischt sind, wodurch die allgemeine Decke ein geschecktes
Ansehen erhält.
Manche Autoren (Er. Wilsox) unterscheiden unter diesen
mannigfachen Formen eine als Morphaea (rubra, alba, lar-
dacea, atrophica, nigra), bei welcher verschieden grosse, roth
umrandete, in der Mitte entweder weisse, speckig glänzende
lind derbe, oder hier atrophische und pigmentirte Flecke ent-
stehen; weiters Vi tiligo-Formen, welche durch ausgebreitete
sepiabraune Pigmentirungen präsentirt werden.
Lepra maculosa geht häufig, in die Knotenform über und
ebenso häufig gesellen sich zu derselben die Symptome der
anästhetischen Lepra.
3. Lepra anaesthetica kennzeichnet sich, wie der
Name besagt, durch das Auftreten von Anästhesie an der Haut.
Dieselbe erscheint entweder an solchen Hautstellen, welche
der Sitz von Knoten oder von Flecken sind ; oder es kommen vor-
Lepra.
G49
erst mit oder ohne anderweitige Lepra-Ersclieinurgen Pemplii-
gusblasen — Pemphigus leprosus, — welche nach ihrem.
Abheilen weisse, glänzende und sofort anästhetische Haut--
stellen zurücklassen, oder nach Abfallen ihrer Decke flache
oder tiefere Ulcerationen veranlassen; oder die Anästhesie
tritt an vollständig normal aussehenden Hautpartien auf, so
dass man erst durch die Untersuchung mit der Nadel die be-
treffenden Stellen entdeckt. Zuweilen geht der Anästhesie einer
Stelle Monate hindurch Rothe und Hyperästhesie voraus.
Manchmal runzelt sich die Epidermis über den anästhetischen
Partien , welche .dadurch greisenhaft erscheint und von der
nachbarlichen gesunden, strotzenden Haut, von welcher sie öfters
auch durch eine geröthete, hj^perästhetische Marke abgegrenzt
erscheint, sehr auffallend absticht.
Die anästhetischen Stellen entsprechen nach Oertlichkeit
und Ausdehnung keineswegs einem ganzen, bestimmten, cutanen
Nervenbezirk ; es herrscht in dieser Beziehung die grösste Un-
regelmässigkeit und es fällt aus einem grossen anästhetischen
Felde oft ein ganz unregelmässiger Meck aus , der die Empfin-
dung bewahrt hat. Die Empfindungslosigkeit wechselt in der
ersten Zeit auch oft ihren Ort, verschwindet da, taucht dort auf
iindnur wo sie stabil geworden, tritt nachträglich Atrophie, dunkle
Pigmentirung und ßunzelung der Haut ein. Die Anästhesie
ist eine vollständige; man kann eine Nadel bis an den
Knopf durch Haut und Muskeln einstossen, ohne die geringste
Empfindung zu wecken, und die Elranken verbrennen sich oft
am Eeuer, ohne im mindesten , etwas davon zu wissen.
Häufig findet man einzelne sixbcutan gelegene Nerven-
stränge , z. B. den Nervus ulnaris , zwischen Olecranon und
Condylus internus humeri, oder den ganzen Plexus cervicalis,
den Nervus brachialis, gegen Druck sehr schmerzhaft und ge-
schwollen.
Im Bereiche der Schleimhaut des Mundes und der
Hachenhöhle kommen bei dieser Form keine aufi'dllenden Ver-
änderungen vor ; jedoch klagen die Kranken häiifig über
Empfindung von Trockenheit und quälenden Durst. Nun
steigern sich nach Ausbreitung und Intensität einerseits die
Hyperästhesien, und andererseits die ihnen folgenden Krank-
heiten und Atrophie der Grewebe. Es stellt sich Ameisenlaufen
in den Extremitäten , Schmerzhaftigkeit aller Nervenstämme
ß^Q- Eimindvierzigste Vorlesung.
ein, die Kranken vertragen es nicHt längere Zeit in der gleichen
Stellung zu sitzen oder zu liegen, sie müssen sogar gespeist
werden, weü sie nichts in die Hand zu nehmen im Stande
sind, ebensowenig wie zu gehen oder zu stehen, ohne die
heftigsten Schmerzen, ja zuweilen klonische Krämpfe zu
bekommen. Nach längerer Zeit lassen diese Symptome der
Hyperästhesie nach, was aber keineswegs ein Zeichen der
Besserung, sondern ein Symptom der folgenden allgemeinen
Anästhesie ist, welche grössere Nervenbezirke nunmehr be-
fällt. Der Anästhesie folgt auch weiters Atrophie der Haut
und der unterliegenden Gewebe, namentlich auch der M u s k e 1 n,
was der Haut ein welkes, greisenhaftes Ansehen verleiht. So
präsentirt sich speciell der Gesichtsausdruck alternd, greisen-
haft, blöde, stumpfsinnig, wegen der ausgesprochenen Runzelung,
des Aufhörens alles Mienenspieles ; wegen Lähmung des Augen-
schliessmuskels hängt das untere Augenlid herab, tritt Thränen-
träufeln, Xerophthalmus ein; ebenso hängt die Unterlippe
schlapp herab , über welche fortwährend der Speichel abfliesst.
Weiters werden durch die ungleiche Action der theils noch
functionirenden, theils in ihrer Function alterirten oder ge-
lähmten Muskelgruppen vielfach Verzerrungen sowohl im Be-
reiche des Gesichtes , als an den Extremitäten stattfinden,
letzteres namentlich an den Händen, wo die Beuger ^^er ^le
Strecker das Uebergewicht erlangen und die Finger m halber
Beugung gehalten, dagegen die Hohlhand convex vorgedrängt,
der Handrücken eingebuchtet und an SteUe der atrophischen
M interossei grubig erscheint. Zugleich sind die Finger-
spitzen kolbig verdickt, die Nägel kappenförmig und ver-
dünnt, die Hand im Handgelenke nach einwärts geroUt.
Kopf- und Körperhaare werden allmälig trocken, dunn, fallen
aus Endlich kommt es zu Ulcerationen, öderes wird das
Gewebe unter ganz unmerklichen Entzündungserscheinungen
einfach consumirt, verdünnt, so dass im fortschreitenden
Schwunde der Haut Fascien und Sehnen, ein oder das andere
Gelenk blossgelegt und ein ganzer Finger, eine Phalanx, eine
ganze Hand, ein ganzer Fuss, plötzlich abfallen - Lepra
mutilans. Hie und da kommt es auch an einzelnen Stellen
zu mumificirender, oder feuchter Gangrän. Es lässt sich schwer
anders sagen, als dass an diesem Schwund der Gewebe Al-
terationen trophischer Nerven - obgleich deren Existenz
Lepra.
651
keineswegs anatomiscli nacligewiesen ist — Schuld tragen;
denn es machen sich auch solche trophische Störungen an Oert-
lichkeiten geltend, wo von Spannung, Druckerscheinung, wie
üher den Grelenken, keine Eede ist, z. B. Perforation der
Nasenscheidewand, Iridocyclitis, Erbleichung der Iris.
Yon der G-eschlechtsfunction haben Einige gemeint,
dass sie bei Leprösen abnorm gesteigert sei (S aty r ia si s).
Das ist nun nicht richtig; aber sie ist auch nicht immer auf-
gehoben, selbst wenn das Integument der Grenitalien bereits
anästhetisch ist.
Mit den fortschreitenden Lähmungserscheinungen im Be-
reiche der sensitiven Nerven tind der Gewebsatrophie wird
auch die Wärmeproduction bedeutend herabgesetzt, die Herz-
action träge, der Puls langsam, die Gehirnfunction sehr
deprimirt. Die Kranken werden stumpfsinnig, sitzen oder
liegen Tage lang theilnahmslos da, müssen gefüttert, gelegt,
getragen werden. Allmälig kommt es auch zu Störungen der
anderen Functionen, der Se- und Excretionen. Sie sterben
marastisch unter einem Anfall von Tetanus, oder in Folge von
Complicationen, Diarrhoen, Pneumonie, Pleuritis, Pyämie, kurz
unter den verschiedensten Erscheinungen.
Lepra anaesthetica und mutilans ist diejenige Form, mit
welcher der Gresammtprocess zu enden pflegt, auch wenn er
als tuberöse oder Fleckenform begonnen hat (A. Hansen), wo-
ferne nur die Kranken lange genug leben. Denn, während
die Knotenform zwischen 8 — iO Jahren unter einer acuten
Exacerbation tödtlich enden kann, pflegt die anästhetische
Form durchschnittlich erst in 18 — 19 Jahren das letale Ende
herbeizuführen.
Als interessante Complicationen an der Haut, welche
das Bild der Hautlepra einigermassen alteriren können, sind
zu erwähnen : Favus, Eczema universale , Syphilis , Molluscum
fibrosum, Elephantiasis Arabum, besonders aber Scabies, jene
Form, welche wir als Scabies norwegica s. Boeckii
näher kennen lernen werden, und bei welcher wegen der viel-
jährigen, oft 40—50 Jahre langen Anwesenheit der Krätz-
milben 1—2 Centimeter dicke, schwielige Auflagerungen be-
obachtet worden sind und die Milben, wie bei der Scabies
pecorina, nicht in geschlossenen Gängen , sondern wegen ihrer
grossen Menge in unregelmässig ausgegrabenen Höhlen wohnen
ß^2 Eiunndvierzigste Vorlesung.
lind eine Unmasse von Milbeneiern , Larven und Trümmern
derselben innerhalb der schmutzigen, trockenen Epidermis-
scbwielen sieb vorfinden.
Nacb alldem ist die Prognose in jedem Falle von
Lepra, welcher Form immer, höchst ungünstig, indem unter
allen Umständen, es anag die Krankheit, unter welcher Form
immer begonnen haben , dieselbe binnen Frist von mehreren
Jahren unter den Erscheinungen des trophischen oder neu-
rotischen Marasmus, oder eomplicirenden Erkrankungen ; zum
Tode führt. Das gilt jedoch nicht für jene Formen, welche,
eine Art Residuum der früheren epidemischen Lepra, in gegen-
wärtig leprafreien Ländern unter den geschilderten Formen
der circumscripten Morphea sich präsentirt, welche sowohl
als örtliches Uebel spontan, heilen kann, als auch, selbst wenn
persistirend, den Organismus in toto niemals infestirt.
In. Bezug auf die Diagnose dieser so vielgestaltigen
Krankheit ergeben sich selbst für den weniger Erfahrenen nur
dann Schwierigkeiten, wenn der Process noch nicht weit ge-
diehen ist. Ein typisch entwickelter Fall von knotiger Lepra
bietet ein so prägnantes Krankheitsbild dar, dass die Dia-
gnose keinen erheblichen Zweifeln unterliegt. Verwechslungen
kommen zu Beginn der maculösen und knotigen Form der
Lepra vor mit Syphilis, wegen der Aehnlichkeit der beider-
seitigen Hautaffectionen , namentlich wenn ein Lupusknoten
zufällig am Präputiiim sich befindet, der für eine Schanker-
sclerose imponiren kann. Sobald jedoch ausgebreitete, etwa
flachhandgrosse und grössere dunkelbraune Flecke zugegen
sind, wie solche bei Syphilis niemals vorkommen; noch mehr,
wenn man die Unwirksamkeit einer jedweden antisyphilitischen
Behandlung binnen wenigen Wochen zu constatiren Gelegen-
heit hat, wird der wahre Sachverhalt ohneweiters klar
werden. . ^ tt 4.
Die im Bereiche des Gesichtes in Form von Knoten
sich darstellende tuberöse Lepra kann mit Acne rosacea,
•sowie die hier und an anderen KörpersteUen localisirte mit
L u p u s und P i g m e n t s a r c 0 m verwechselt werden.
Die m a c u 1 ö s e Form muss gegenüber Pigmentanomalien
anderer Art, speciell Vitiii go differenzirt werden. Die
anästhetische Form der Lepra ist am leichtesten zu
diagnosticiren.
Lepra.
Im Allgemeinen darf bei der Diagnostik der Lepra auf
die Provenienz des kranken Individuums ein grosses Gewicht
gelegt werden, insoferne, :wenn dasselbe aus einer Lepra-
gegend stammt, oder ,■ wie. wir hören werden, überhaupt in
einer solchen längere Zeit gelebt hat , das bei ihm sich präsen-
tirende Uebel um so wahrscheinlicher Lepra ist, woferne demselben
entsprechende Erscheinungen zugegen sind , und umgekehrt, bei
Personen:, welche niemals in Lepragegenden gewesen, kaum
die Existenz dieser Krankheit angenommen werden kann.
Es wird Sie gewiss interessiren, über das Wesen und
die ursächlichen Verhältnisse dieser in so deletärer
und unwiderstehlicher Weise die körperliche und geistige
Existenz des Individuums vernichtenden Krankheit einige Auf-
klärung zu erlangen. Insoferne wir Inder pathologischen
Anatomie der einzelnen Krankheitsprocesse wenigstens über
den wesentlichen Vorgang bei denselben uns einige Aufklärung
verschaffen können, mangelt es allerdings nicht an Daten,
wozu namentlich die Arbeiten von Danielssen und Boeck,
Gr. Sbion und ViRCHOW und nach ihnen mancher anderer
jüngerer Arbeiter, Köbner, BerOtMAOT, Neumankt , Hansex,
Thoma, Dehio, Monastikski, Kozlowski, Sakuf u. A. beigetragen
haben.
Wie zuerst Virchow, so erklären nach ihm alle Unter-
sucher die Lepraknoteli als „Grranulationsgewebe," sehr ähnlich
dem bei Lupus, nur dass dasselbe nicht in getrennten Nestern,
wie bei letzterem, sich entwickelt und die dasselbe constituireu-
den Formelemente eine viel grössere Persistenz bekunden; so
dass man sagen kann, von den mit einander ziemlich analogen
Granulationsbildungen , Syphilis , Lupus und Lepra, sind die
der letzteren von dem langsamsten Verlauf, obgleich sie
schliesslich ebenso wie die der beiden andern Processe zur
Pi,ückbildung und ßesorptlon, oder znm Zerfall gelangen.
Auch hier entwickelt sich das neue Gewebe im eigentlichen
Corium, bald mehr oberflächlich, bald tiefer, um einzelne Ge-
fässe und von deren Wandung ausgehend , vorwiegend in der
Nähe der gefässreichen Drüsen und Follikel und breitet sich
dasselbe längs der Gefässe bis an das Rete und zwischen die
Fettläppchen nach der Oberfläche und Tiefe aus, wodurch diifuse
lepröse ZeUen-Infiltration der Ciitis entsteht. Auch in dem Falle
sieht man jedoch (Fig. 39), dass das Infiltrat durch Binde-
654
Einundvierzigste Vorlesung.
gewebszüge in kleinere und grössere Herde unterabgetheilt
wird (die wahrscheinlich Grefässcentren entsprechen). Die
interstitiellen Bindegewebszüge sind streckenweise normal,
strichweise mit Zelleinlagerungen, wie bei Entzündung ver-
sehen. Auswachsen und Infiltration der Gefässwandung und
Fig. 39.
Durcliscliuitt eines Lepraknotens vom Oberarm. (Sclnv. Vcrgr.)
Endothelwucherung sind wiederholt beschrieben worden (Fig. 40),
ebenso wie zapfen- und netzförmiges Auswachsen der ßete-
kolben lind Drüsen - AuskleidungszeUen angegeben wird. Die
letzteren Vorkommnisse, sowie die späteren Verödungen
der Drüsen, Follikel, gelegentliche Härmorrhagien , die Lr-
scheinungen der retrograden Metamorphose der Elemente der
Lepra.
655
Lepraknoten (Verfettung, Blähung der Einlagerungszellen,
Bildung von Riesenzellen), dies Alles entspricht ganz und
gar den Erscheinungen , wie ich bei Lupus ausführlicher ge-
schildert und daher hier nur andeutungsweise erwähne. Während
Fig. 40.
a..
h..
d-
c...
1^ - "
Lepraknoten-Durchschiiitt. (Starke Vergr.)
a Hornschichte, b Kömerzellenschichte der Epidermis, d gewuoUertes Rete. c PapiUe.
(schief petroffen) eben so wie das Corium e, mit gleichmässiger Zellenmültration,
0 Blutgefäss mit ZelJenwucherung der Wandung, f Lymphgefäss (Schweissdrusengang
mit gewuchertem Endothel.
die im Vergleiche zu Lupus arme Vascularisation der Lepra-
knoten deren träge Vegetation und Unfähigkeit zu höherer
Organisation erklären mag, dürfte Obliteration der spärlichen
Gefässe durch Endothelwucherung die schliessliche retrograde
Metamorphose und Verödung derselben veranlassen.
656
Einund vierzigste Vorlesung.
Sehr interessant ist der zunächst von Virchow, und nach
ihm von anderen Autoren bezüglich der Nervenerkrankung
bei Lepra gegebene Befund, welcher sich als eine wahre Lepra,
nervorum herausstellt. Es findet sich nämlich ein chronischer
Entzündungsprocess, welcher in kleinen, mikroskopischen Herden
zunächst das Bindegewebe der äusseren Nervenscheiden, sodann
das Neurilem und später die die einzelnen Nervenbündel von
einander trennenden Septa betrifft und. mit einer den Ent-
zündungsherden entsprechenden Zelleneinlagerung verknüpft ist.
Dieselbe kann sich stellenweise wieder rückbilden; oder sie
führt im weiteren Verlauf und bei längerer Dauer zu Fett-
metamorphose oder vollständiger Atrophie einzelner Nerven-
primitivfasern.
Diese Erkrankungsform hat zwar nichts für Lepra Speci-
fisches, erklärt aber immerhin sowohl das Auftreten von Hyper-
ästhesie und Anästhesie , als auch die Erscheinung , dass diese
Sensibilitätsanomalien in der ersten Zeit noch wandelbar sind,
das ist so lange die Entzündungsproducte innerhalb des
Nervenstammes noch aufgesogen werden können; weiters das
Persistiren der Anästhesien, wenn es zu irreparablen Meta-
morphosen der Nervenprimitivfasern gekommen ist ; und endlich
die Eigenthümlichkeit , dass die anästhetischen Stellen ana-
tomisch so unregelmässig erscheinen, weil eben bei der herd-
weisen Beschaffenheit der Entzündungsablagerung eben nur
einzelne Primitivfasern in ihrer Function ausfallen können,
während andere Fasern desselben Ausbreitungsterritoriums in
ihrer Function noch erhalten sind.
In Bezug auf die anatomischen Veränderungen anderer,
namentlich der inneren Organe, der Lungen und des
Darmes , der Hoden , der Drüsen , der Leber , Milz , Nieren
scheinen, nachdem man vielfach daran gezweifelt und selbst
unter Annahme mancher zufälliger, namentlich tuberculöser
Complicationen, nach den neueren Arbeiten von A. Haxsex
und MoNASTiBSKi ganz analoge Verhältnisse (herdweise Zellen-
infiltration des Bindegewebsgerüstes mit consecutiver Atrophie
des parenchymatösen Grewebes) obzuwalten.
Die Ursachen der Lepra, die entfernt und nächst-
liegenden, haben Einzelne, wie gelehrte Körperschaften und
amtlich berufene Commissionen wiederholt zu ergründen ver-
sucht — doch bis nun vergeblich.
Lepra.
657
Darnach wissen wir zunächst , dass die Lepra eine
endemische Krankheit darstellt, und ich habe bereits das
geographische Bild ihrer Localisations- und Verbreitungsbezirke
skizzirt. Man hat aus der doch beschränkten Localisation
der Lepra geschlossen , dass die klimatisch-tellurischen
Verhältnisse, oder die physikalische Beschaffenheit des Bodens,
oder ein aus diesen resultirendes, malariaähnliches Agens die
Ursache der Lepra sei. Mit dieser Ansicht verträgt sich aber
sehr schwer die Erfahrung, dass die Lejora in in klimatisch-
tellurischer Beziehung so verschiedenartigen Gegenden vor-
kommt, wie z. B. in Island und Bergen , Aegypten und Cap-
stadt, in dem von eisigen und langen Nächten heimgesuchten
Norden, und unter dem ewigblauen Himmel und dem sengendeii
Sonnenstrahle der Tropen, auf den Höhen des Libanon^ fernab
vom Meere, und an den Sümpfen der Krim.
Nicht glücklicher ist die Meinung, dass schlecht*;
Kost, ausschliessliche Nahrung von Fischen, oder Thran, oder
gesalzenem und gepöckeltem Fleisch die Ursache der Lepra sei,
da in Lepragegenden mitten im "Wohlleben der Grrossstadt,
z. B. in Rio de Janeiro lebende, den besten Ständen angehörige
Personen von Lepra befallen werden.
Neuerlich hat man wieder die Lepra durch Contagion
entstehen lassen (L andre), gerade wie zur Zeit ihres ersten Auf-
tretens, da die doch gewiss selber ansteckungsfähigen Syphi-
litischen sich weigerten, mit den Leprösen zusammenzuwohnen.
Freilich kommen da merkwürdige Fälle vor. So haben wir bei
einem in Turin geborenen Herrn, der einige Jahre in Aegypten zu-
gebracht hatte , Lepra tuberosa gesehen , dessen Frau , die
ein paar Jahre später dorthin gekommen war, nun ebenfalls
Lepra maculosa und anaesthetica bekommen hatte.
"Wie für viele infectiöse, oder als solche geltend gemachte
Krankheiten, so sind auch neuerlich B a c t e r i e n und Micro-
co ccus bei Lepra demonstrirt worden (Carter, Hansen, Klebs,
Eklund, Neisser), deren Beziehung zur Krankheit jedenfalls
erst noch erwiesen werden müsste.
Den meisten Anklang fand die Ansicht, dass die Lepra
als hereditäre Krankheit sich entwickle. Dazu haben
namentlich die Familienregister , welche Danielssen und Boeck
veröffentlicht haben, beigetragen, aus denen zu entnehmen
war, dass die Krankheit in denselben Familien in mehreren
Kaposi, Hautkrankheiten. 42
^gg Einundvierzigste Vorlesung.
Generationen fort nnd fort auftauche, nnd selbst wenn die
Nachkommen in früliester Jugend in leprafreien Gegenden aus-
gewandert waren, dort in ihrem 2Ü.-30. Lebensjahre von
Lepra befallen wurden.
Es sind dagegen, zunächst bezüglich der von Danielssen
und BOECK berücksichtigten Lepragegenden xim Bergen herum,
das Gegentheil beweisende Tafeln verfasst worden (Bidexkap,
Hjokt u. A.). Speciell aber verträgt sich mit der Annahme der
Heredität durchaus nicht die Thatsache, dass viele Personen,
wie ich selber deren mehrere kenne, deren Vorfahren niemals
in Lepragegenden gewesen, die in leprafreien Gegenden geboren
wurden z. B. in Mitteleuropa, nach Lepragegenden aus-
gewandert waren, daselbst nach zwei- bis mehrjährigem Auf-
enthalt von Lepra befallen wurden.
i^ach alldem ist über die Ursache der Lepra bis nun
nichts entschieden und es darf noch immer eine Hypothese
sich hervorwagen, nach der ich meine, dass die physikalisch-geo-
graphischen Verhältnisse denn doch die nächste Veranlassung
für die Lepra abgeben. So würden sich die Erkrankungsfalle
bn in Lepragegenden eingewanderten Personen erklären, sowie
die Erfahrung, dass in leprösen Familien die Krankheit zu-
weilen erlischt, wenn sie in leprafreie Orte auswandern.
■Weiters aber glaube ich, dass von leprösen Eltern die here-
ditäre Anlage sich auf die Kinder und Nachkommen vererben
kann wie andere dyskrasische Dispositionen, z. B. die L>is-
positon zur Erkrankung an Carcinom und Tviberculose.
Die Therapie dieser bösartigen Krankheit anlangend,
stehen wir der letzteren sehr ohnmächtig gegenüber.
Was an scheinbar specifischen Mitteln, pflanzlichen und
mineralischen, oder Geheimmitteln, namentlich in Lepragegenden
und in den Tropen, z. B. von Assacu Madar oder der Hydro-
cotyle asiatica, der Hura brasiliensis, Gurjunoel (Balsamum
Dipterocarpi), Chaulmoogra-Oel (von Gynocardia odorata) und
vielen anderen Mitteln angerühmt wurde, hat sich voU-
ständig unhaltbar erwiesen. Es bleibt nichts anderes ubng
als nach allgemeinen Regeln die Leprösen zu l^ehandeln:
Liächst diefelben, wo immer thuiüich, zum Aufenth^^^^^
in leprafreien Gegenden zu veranlassen; alsdann a es
anzuwenden , was die allgemeine Ernährung - 1-^-
im Stande ist. Aufenthalt in guter Gebirgsluft, kräftigende
Lepra.
659
Kost, Bäder, Douclieii, Kaltwasserciir ; weiteres die ört-
lichen Symptome, wie Knoten, Grescliwüre, entzündliche Er-
scheinungen nach allgemeinen chirurgischen Gesetzen zu
behandeln, gegen Hyperästhesien mit Paregoricis vorzugehen
und Anästhesien mittels Elektricität zu bekämpfen.
Nicht weit vorgeschrittene Fälle, namentlich Lepra
tuberosa jugendlicher Individuen, können beim Aufenthalt in
leprafreien Gregenden binnen vielen Jahren sistiren , factisch
auch heilen. Vorgeschrittene Fälle der anästhetischen Form,
sowie der tuberösen, können auch da nicht in ihrem deletären
Verlauf aufgehalten, wohl aber bedeutend verzögert werden.
"Was die circumscripten, oder örtlichen Formen der Mor-
phaea anbelangt , so heilen sie eo ipso entweder spontan, oder
nehmen einen so lentescirenden Verlauf, ohne den Organismus
jemals zu infestiren, dass wir über ihre Behandlung umso-
weniger zu. sprechen brauchen, als wir überhaupt kein Mittel
besitzen, um dieselben direct zu beeinflussen.
42*
Zweiandvierzigste Vorlesung.
Careinom. Begriff des Krebses, Formendesselben: Epitheliom, Binde-
gewebskrebs, Pigmenikrebs. — S a r e o m.
Carcinoma,
Krebs, gilt heutigen Tages keineswegs als ein so scharf
begrenzter pathologischer Begriff, wie etwa Lnpns, so dass
es zweckmässig sein dürfte, vorerst bezüglich desselben uus
zu Orientiren. Tür die ärztliche Vorstellung früherer Zeiten
galt nämlich als Krebs eine Geschwulst, welche als harter
Knoten entstand (/.axo-^^e? der Griechen, Scirrhus Chirurg.)
und später zum eigentlichen Krebsknoten (-/.a.p-/.{vo)aa. , Cancer
occultus) und zu fungöser Wucherung (^uixtov) sich entwickelte,
dann zu Ulceration (Cancer apertus) gelangte und endlich an
sich , oder durch aUgemeine Verbreitung einen ziun Tode
führenden Marasmus (Krebscachexie) zur Folge hatte._ Mit
dem Erblühen der anatomischen Epoche des medizinischen
Studiums ging man daran, auch für den schwankenden k mi-
schen Begriff des Krebses eine positive anatomische Grundlage
zu schaffen. Einzelne , wie Lebekt , Hannover, glaubten sotort
in den Kr eb s z eilen das Charakteristische dieser Geschwulst-
form gefunden zu haben. Aber es stellte sich bald heraus,
dass die „Krebszellen" von den äquivoken physiologischen
Gebilden, von proliferirenden Epithelien , nicht unterschieden
werden konnten. Schon Rokitansky that einen Schritt zurück
in die alte Zeit, indem er zwar fiü' den Krebs ein anato-
misches Schema aufsteUte, aber die Bösartigkeit d. i.
den klinischen Charakter als gleichwerthig und gleich -
nöthig für den Charakter einer Krebsgeschwulst hinstellte, in
erstr'r Rücksicht bezeichnete er eine aus proliferirenden und
Carcinom.
G61
rasch vergänglichen Kernen und Zellen bestehende Einlage-
rung , die K r e b s m a s s e , in ein Bindegewebs-Stroma , das
Krebsgerüst, als für Krebs massgebend. Je nach der be-
sonderen Beschaffenheit und dem Ueberwiegen des einen oder
anderen der beiden wesentlichen Constituentien ergaben sich
dann Unterarten des Krebses, als Faser-, Grallert- , Zotten-,
Pigment-, Epithelialkrebs u. s. f.
Das eigentliche Epithelioma haben zwar Rokitaksky
und Schuh sehr früh schon zu den Krebsen gerechnet, offenbar
weil der zeitweilig beobachtete bösartige klinische Charakter
des Gebüdes denselben als wesentlich erschien. Andere dagegen
haben wegen der häufigeren gegentheiligen Erfahrung, nach
welcher das Epitheliom durchwegs, oder durch lange Zeit als
örtlicher Affect verläuft, das Gebilde den Krebsen nicht zu-
zählen wollen und ihm auch den von Cancer unterscheidenden
Namen PseudoCancer oder Cancroid (Lebert), oder Epithe-
lioma (Hannover) beigelegt.
In der nächsten Zeit wieder berücksichtigte man den
klinischen Charakter fast gar nicht, und liess man die Structur
allein über die Bedeutung einer Geschwulst entscheiden. Dar-
nach wurden unter VmcHOw's Einflnss von den bösartigen
Geschwülsten , die früher alle als Carcinom gegolten hatten,
eine grosse Reihe als S a r c o m e ausgeschieden, und man liess
nur solche als Carcinom gelten, die einen alveolaren Bau,
und einen ephitheloiden Zelleninhalt aufwiesen. Damit
war der Epithelialkrebs der Krebs xaT' z(,oy-fy geworden, also
gerade das Gewebe , das man früher gar nicht zu den Krebsen
zu zählen geneigt war.
Bezüglich dieses aber concentrirte sich alsbald die Auf-
merksamkeit auf die Histiogenese jener colossalen Epi-
thelialwucherungen. Yirchow und Förster wollten nur jene
epitheloiden Geschwülste als Krebse gelten lassen , deren
Elemente aus Proliferation der Bindegewebskörperchen her-
geleitet werden konnten, und unabhängig von präexistenten
Epithelien des Pete und der Drüsen entstanden waren.
Gerade entgegengesetzt hat Thieksch jede Krebswucherung
vom präformirten Epithel hergeleitet, indem er die Remak-
His'sche Entwicklungstheroie , nach welcher der Aufbau aller
physiologischen Gewebe nur in dem Rahmen der angenommenen
drei Keimblätter vor sich gehen könne , auch auf pathologische
QQ2 Zweiundvierzigste Vorlesung.
Gewebsneubildung aiisdelmte , dass darnach auch pathologische
Epithelbildung nur aus Epithel hervorgehen könne.
Obgleich sehr bald die meisten Pathologen und Anatomen
diesen Ausführungen im Wesentlichen sich angeschlossen haben,
so hat doch Thiesch's Arbeit zu einem Rückschlag in den
Anschaxiungen über den Charakter des Krebses Veranlassung
gegeben. Bei Thiersch gipfelt die Morphologie und Histiogenese
des Carcinoms in dem Nachweise der wuchernden Epithel-
zapfen, d. i. der Zelleneinlagerung, der Krebsmasse. Aber
der zweite, nach Rokitansky „gleich wichtige" Factor des
Carcinoms, das die Zelleneinlagerung aufnehmende Gerüste
war ganz ausser Betracht geblieben. Dadurcb sah der Krebs
nach Thiersch (anatomisch genommen) nickt anders aus als
manche aus Proliferation des Epithels hervorgegangene gutartige
Gebilde, M. verrucosum (Epithelioma Moluscum, Virchow) und
manche Adenome.
Sofort hat Billroth die Infiltration des Bindegewebes,
also die Existenz des Krebstromas, wie Rokitansky, als zum
Charakter des Krebses nothwendig hervorgehoben. Ja Billroth
ist zum Theil ganz zu den alten Chirurgen zurückgekehrt,
die vom Scirrhus und Cancer occultus den Krebs beginnen
Hessen, indem erden vom epithelialen Ursprung unabhängigen
Bindegewebskrebs festhält. Nicht viel anders verhalten
sich 0. Weber, Klebs, Rindfleisch, welch' letzterer eine ganze
Gruppe von „krebshaften Gesckwülsten" anführt. Ja man ist
sehr bald in Bezug auf Histologie des Krebses so weit wieder
auf die Anschauungen der ersten Rokitansky' sehen Zeit zurück-
gelangt, dass man Combinationen von allerlei Gerüst- und
Zelleneinlagerungsformen bei Krebs gelten lässt, die nach der
modernen Bezeichnungsweise als Sarco-Carcinom , Fibro-Sarco-
Carcinom, Adeno-Carcinom u. s. f. aufgeführt werden, so dass
der rein epitheloide Charakter für die Krebsmasse gar nicht
mehr prätendirt wird, obgleich derselbe allerdings auch
nicht ganz feblen darf, soll ein pathologisches Gebilde für
Krebs gelten. ^ , , . . ■ ■ a-^
Aber auch in einem zweiten Punkte sind wir m die
Epoche RoKmuNSKY's zurückgelangt, darin, dass das Unzu-
reichende einer jeden rein histologischen Charakteristik für
Krebs zugestanden wird. Deshalb erklärt schon Thiersch,
trotz seiner exclusiv-histologischen Anführungen , schliesslich,
Epitheliom.
663
dass er den Krebs nicht für einen anatomisclien, sondern einen
klinischen Begriff halten müsse. In diesem spielt aber
die schon von Rokitansky hervorgehobene Bösartigkeit
eine Hauptrolle.
Darnach kann man, wie ich dies bereits 1872 gethan,
den Krebs definiren als ein Neiigebilde, das einen im
althergebrachten klinischen Sinne bösartigen Charakter
zeigt und atis einer in ein entzündlich infiltrirtes
Bindegewebsgerüste alveolar-, oder zapfen- und
schlauchartig eingelagerten, p r o lif er ir en d en,
epitheloiden Zellenmasse besteht.
Doch meine ich damit den Epithelialkrebs, neben
welchem, wie schon früher erwähnt, es auch Krebsformen gibt,
für welche diese Charakteristik nicht passt, aber auch eine
solche allgemein zutreffende vor der Hand nicht gegeben
werden kann.
Von diesen Krebsformen befallen manche die allgemeine
Decke idiopathisch, andere nur consecutiv. Als für die Der-
matologie besonders wichtig führe ich an Epitheliom,
Bindege web skr eb s und Pigmentkrebs.
Epithelialkrebs,
Epithelioma, Cancroid, Hautkrebs, Schornsteinfeger-
krebs, Plattenzellenkrebs, Ulcus rodens, ein häufiges Object der
dermatologischen Praxis, kann seinem Sitze nach unterschieden
werden in den der Cutis und der Schleimhaut; nach seiner
äusseren Gestaltung und Aiisbreitungsweise als 1. flacher,
2. tiefgreif ender oder knotiger, 3. papillomartiger
Hautkrebs.
Das flache Epitheliom der allgemeinen Decke
entsteht ziimeist auf früher normaler Haut in Form von ein
und mehreren stecknadelkopfgrossen , glänzenden , blassrothen
oder wachsartig schimmernden , sehr derben Knötchen , die
zuweilen linear, meist zu einer unregelmässigen, warzenartigen
Protuberanz zusammengedrängt erscheinen. Sie excoriiren oder
zerklüften frühzeitig spontan, oder indem sie wegen massigen
Juckens zerkratzt werden und bedecken sich dann mit einem
aus viscidem Secret und Blut gebildeten Börkchen. Mehrere
Jahre können vergehen, ohne dass dieser Zustand sich wesent-
lich ändert. Alsdann, im Verlaufe des 5.— 10. Jahres, ver-
664
Zweiundvierzigste Vorlesung.
grössert sicla der Herd etwas rascher durch das Aiiftauclieii
nevier Randknötchen. Diese Knötchen sind für den Epithelial-
krebs aller Stadien charakteristisch. Man kann ein solches
mittels eines stumpfen Instrumentes mit Leichtigkeit heraus-
heben. Dasselbe erscheint als ein weisses, perlmutter artig
glänzendes, glattes, einem Miliumkörnchen ähnliches, zwischen
den Fingern leicht zerreibliches und zerklüftendes Kügel-
chen, das, wie die mikroskopische Untersuchung lehrt, aus
schollig gehäuften, oder um eine centrale Masse gelagerten
epitheloiden Zellen unterschiedlicher Grösse und Form (Kerne
runde , spindelförmige , geschwänzte , ein und mehrere Kerne
und Tochterzellen enthaltende PI attenz eilen) sich zusammen-
setzt, und als Cancroidkörperchen, Cancroidkugel, Perl-
kugel, Entzündungszellen Gluge's, Alveolen Rokitansky' s, Brut-
räume mit concentrischer Schichtung Vikchow's, Globes epider-
miq^ues Lebbrt u. ä. A^on den Autoren angeführt worden sind.
Durch allmälig tiefer greifende Ausblätterung wird endlich
eine wunde Fläche blossgelegt, das flacheKrebsgeschwür
(Ulcus rodens). Es stellt einen rundlichen, bei grösserem Um-
fange dreieckigen oder polygonalen, seichten Substanzverlust dar,
mit scharf abgesetzten Rändern, dessen braun- oder gelblich-
rothe, feinkörnige, schollig zerklüftende und ungleich nivel-
lirte Fläche viscide Flüssigkeit secernirt, die zu einem firniss-
artigen Ueberzuge eintrocknet. Grund und Eand sind hart,
wenig beweglich, letzterer überdies theils glatt, theils mit
derben, bläschenartig schimmernden (Cancroid-) Knötchen besetzt.
Oft kommt es in dessen mittlerem Antheil zu vollstän-
diger Exfoliation des Epithelioms durch Narbenbildung an
der Basis, so dass endlich eine flächenhafte Narbe resultirt
und das Krebsgeschwür sich auf eine schmale, jene Narbe ein-
säumende Furche reducirt. Zuweilen findet sich bei diesen
Formen am Rande, wie in der narbigen Area, schiefergraues
Pigment eingelagert (Schornsteinfegerkrebs, Pott, Cooper),
ohne dass jedoch die Affection den malignen Charakter des
Pigmentcarcinoms annimmt. Endlich kann auch die Knötchen
eruption am Rande erlöschen und der Krebs derart binnen
15—20 Jahren örtlich spontan heilen. In der Regel tritt
jedoch an einer nachbarlichen Stelle -ein neuer Herd auf.
Häufig beginnt der flache Krebs frühzeitig als ^ flache
Excoriation einer von seborrhoischen, mit Zapfen in die Fol-
Epitheliom.
665
likel sich fortsetzenden Schuppen bedeckten Hautstelle , oder
einer mit solcher gleichbedeutenden Verruca senilis (vide
pag. 512), oder einer papillären "Warze.
Während des auf 10 bis 20 Jahre und darüber sich
erstreckenden Verlaufes verursacht das flache Epitheliom
keinerlei üble Folgen für den Gresammtorganismus, auch keine
Schwellung der Nachbardrüsen, und besteht dessen Effect blos
in der die Cutis, allenfalls auch noch den unterliegenden
Knorpel betreffenden Consumtion und narbigen Verschram-
pfang der betroffenen Theile.
Häufig jedoch geht im weiteren Verlaufe aus demselben
der knotige oder tiefgr e if en de Epithelialkr eb s her-
vor, welcher überdies oft genug primär als solcher erscheint.
Er entsteht in Form von schrotkorn- bis erbsengrossen , dicht
gedrängten , die Cutis ganz durchsetzenden und in die Unter-
haut-Zellgewebsschichte reichenden, oder von da ausgehenden,
flachen oder mässig hervorragenden, sehr derben und etwas
durchscheinenden Knoten, welche im Verlaufe von Monaten
und Jahren zu einem nussgrossen und grösseren, kugeligen oder
flachkuchenförmigen , harten Tumor heranwachsen , dessen
Oberfläche glänzend , wachsartig oder rosig schimmernd,
von Grefässchen durchzogen, ungleich höckerig, plateauartig
vorspringt, in der Mitte oft, in Folge spontaner Schrumpfung,
nabelig eingezogen ist und mit steilen, glatten oder von Can-
croidkörperchen besetzten, oder gekrämpten Rändern gegen
die gesunde Umgebung abfällt. Das Gebilde setzt sich
später als harte , wie im Gusse erstarrte Masse in den tiefen
Hautschichten, und nur durch Zutasten erkennbar, auf weite
Strecken fort und tritt da und dort in scheinbar isolirten
Knoten in der Umgebung des centralen Tumors zu Tage. Nach
verschieden langem Bestände kommt es zu Ulceration,
u. z. entweder Anfangs zur Bildung flacher, wie früher beschrie-
bener Geschwüre, die allmälig in die Tiefe greifen, oder zu
rascher Erweichung tieferer Partien , über welchen die Haut
blauroth , verdünnt wird , endlich sich erröffnet , womit sofort
ein tiefes Krebsgeschwür zu Tage liegt. Dasselbe ist
kraterförmig, unregelmässig, mit steilen, aufgekrämpten, jabot-
artig gekerbten, harten Rändern versehen, aus dem auf Druck
käsige, comedonenähnliche Pfröpfe (die epitheloiden Cancroid-
zapfen) heraustreten. Es secernirt viscide Flüssigkeit, zeit-
QQQ Zweiimdviemgste Vorlesung.
weilig tinter rasch vorsclireitendem Zerfalle des Gewebes
jauchiges Secret und führt, unter Voranschreiten der krebsigen
Infiltration auf die unterliegenden Grebüde , von da ab binnen
Monaten oder mehreren Jahren zu Zerstörung der letzteren,
der Knorpel, Muskeln, Knochen. Obgleich an einzelnen Stellen
durch Massennecrose das Gebilde ausfallen und vom Rand-
gewebe her gute Granulation, selbst Ueberhäutung stattfinden
kann, so schreitet doch nach anderen Richtungen der Process
weiter, acquirirt sogar der Krebs an manchen Stellen den
Charakter des medullären oder Zotten-Carcinoms (Markschwamm)
und stellt sich von da ab binnen Monaten, 2— 3 Jahren, unter
Schwellung der nachbarlichen Lymphdrüsen, Marasmus und
letaler Ausgang ein.
Am raschesten verläuft mit einem solch deletären Resul-
tate daspapillomartigeEpitheliom (malignes Papillom),
welches in Gestalt eines breit, oder mit einem an der Basis
eingeschnürten Stiele aufsitzenden, pilzartigen, mehrere Centi-
meter emporragenden, harten Gebildes erscheint. Dessen Ober-
fläche ist flach, in der Mitte seicht gedellt , von herabge-
krämpten Rändern begrenzt. Anfangs roth oder schiefergrau
pigmentirt, glänzend, pergamentartig trocken, später exfoliirend,
excoriirt, zerklüftend, zerfällt dasselbe allmälig zu wie früher
beschriebenen, vorerst flachen, später tiefen, jauchigen Ge-
. schwüren. Sitzt das maligne Papillom auf wenig infil-
trirter Cutis (auf flachem Epitheliom), so kann dessen Verlauf
sich noch günstig gestalten; rasch deletär wird es dagegen,
wenn es über einem infiltrirten Krebs sich erhebt.
Die genannten drei Typen des Epithelioms ent- und
bestehen öfters ausschliesslich , finden sich jedoch auch öfters
discret oder combinirt an demselben Individuum.
Die häufigste Localisation des Hautkrebses aller
Formen betrifi't den Bereich des Gesichtes, vorwiegend die
Augenlider und deren nächste Nachbarschaft, die Haut der
knorpeligen und knöchernen Nase, demnächst die Unter- und
Oberlippe, die Stirne und die seitlichen Wangenpartien, u. zw.
hält sich die Erkrankung zuweilen Jahre hindurch an dieselbe
Oertlichkeit, oder werden mehrere zugleich, oder von Recidiv-
Ausbrüchen, oder durch allmäliges Umsichgreifen eines ursprüng-
lichen Herdes in den Process einbezogen. So sind Augenlider,
Schläfe und Nasenrücken oft durch Jahre von einem flachen
Epitheliom. 6(j7
Epitheliom besetzt, das mit centraler Vernarbiing auf die
Wangen , Ohrmuscheln und Oberlippe übergreifen kann. Ein
andermal dringt der Krebs vom Lid auf die Conjunctiva und
von da, oder auch subconjunctival, mit Verschonung des Lid-
randes in die Augenhöhle, ohne doch den Bulbus lange zu
tangiren. Doch kommt es secundär in Folge von narbigem
Ectropium zu Xerosis Corneae. Auf der Stirne gestaltet sich
das Epitheliom bald knotig und dringt es auf den Knochen
vor, ebenso an der häutigen Nase, nachdem diese zackig zer-
stört, wie zernagt, verkrämpt und verschrumpft geworden,
indem sodann der Vomer, der Oberkiefer, der Zahnfächer von
der Krebsmasse gangartig durchsetzt, während die Inter-
calarstücke necrotisch, missfärbig werden. An der Lippe
findet sich anfangs zwar oft flacher, papillomartiger Krebs,
sehr bald aber infiltrirter, mit Uebergreifen auf die Mund-
schleimhaut. Ist einmal der Knochen ergriffen, so schreitet
die Degeneration rascher nach der Fläche und Tiefe vor, es
kommt zum Durchbruch des harten Gaumens, Verlust der
Zähne imd des Fächerfortsatzes des Oberkiefers, Eröffnung
der Highmorshöhle, der Stirnhöhle, der Flügelgaumen-Grube,
Durchbruch der Schädelknochen, Blosslegung des Grosshirnes,
dabei zu stellenweiser Umwandlung in MeduUarcarcinom, weit-
ausgedehnten, jauchenden Geschwüren, Massen-Necrose in Folge
von Gewebs- Ausschaltung durch die Krebsmasse, fungösen
"Wucherungen von den angrenzenden Geweben, marastischem
Fieber und Tod.
Die Genitalien sind seltener Sitz des Epithelioms, das
als flaches auf der Glans, an der Umrandung der Harnröhren-
mündung, dem Integument des Penis beginnt, nach relativ
kiirzer Frist infiltrirt, mit sehr harter Litumescenz der Dorsal-
lymphgefässe, des Corpus cavernosum, der Leistendrüsen sich
verbindet und binnen 2 — 3 Jahren letal endet. An den weib-
lichen Schamlippen tritt der Process noch seltener auf, aber
auch dann mit dem zuletzt erwähnten Verlaufe. Bisweilen
geht aus einem Flächenkrebs der Genitalien durch centrale
Vernarbung und peripheres Fortschreiten binnen J ahren ein in
weitem Bogen über den Schamberg und die innere Schenkel-
fläche sich ausdehnendes, serpiginöses , eine weite Narbenarea
furchenartig einsäumendes Krebsgeschwür hervor.
Ungleich seltener ist der primäre Epithelialkrebs des
gßg Zweiimdvierzigste Vorlesung.
Nabels, der Brustwarze, irgend einer Hautstelle des Stammes
häufiger wieder der Unter extremität, wo dasselbe aus exuberi-
renden Granulationen (bei Elephantiasis Arabum und Lupus)
hervorzugehen pflegt.
Auf der Schleimhaut der Mund- und Nasenhöhle, der
Conjunctiva, der Vagina und des Rectums erscheint der Epithe-
lialkrebs primär, oder secundär als Fortsetzung und in der
Eigenschaft des auf der nachbarlichen Cutis entstandenen —
vom Nasenkrebs aus auf dem Gaumen, dem Pharynx und
Larynx und hommt alsdann eo ipso zugleich mit dem Haut-
krebs in Berücksichtigung. Häufiges Object der dermatolo-
gischen Praxis , namentlich behufs Difierentialdiagnose gegen-
über von Syphilis, ist das primäre Epitheliom der Vaginal-
portion, wo dasselbe häufig blumenkohlartig, oder nur wie
eine feindrusige Wundfläche erscheint, ungleich häufiger der
Krebs der Zunge imd Wangenschleimhaut. Auf der
Zunge präsentirt sich derselbe anfangs als flache, linsen- bis
bohnendurchschnittgrosse , roth-körnige , zuweilen mit weissen
Pünktchen besetzte, bei seitlichem Drucke, sowie auch spontan
schmerzhafte Wundfläche, oder Iverbung des Zungenrandes,
oder des Zungenfückens mit weicher Basis; erst später ent-
wickelt sich unter dem flachen Geschwür derbknotige Infil-
tration. Ein andermal geht eine solche der oberflächlichen Uicer-
ation voran. Stechende, lancinirende , gegen die Uüien aus-
strahlende Schmerzen und Schwellung der Submaxillardrüsen
stellen sich nach ein bis drei Jahren ein, womit dann ein un-
günstiger Ausgang angezeigt wird.
Auf der Scheimhaut der Wangen ist das Epitheliom sel-
tener, meist flach, oft auch champignonartig, mit gekrämptem
Rande. .
Die Anatomie des Epithelioms ist nach dem, was ich
über dieselbe, sowie über die Anatomie der Krebse überhaupt
in Übersichtlicher Absicht bereits vorgebracht habe, trotz der
vorliegenden sehr werthvollen Arbeiten, nur bis zu einem
schematischen und deshalb wahrscheinlich nur temporaren
Abschlüsse gelangt. Nach demselben gehört zum anatomischen
Charakter des Epithelioms ein entzündlich afficirtes (von lym-
phoiden und proliferirenden Zellen infiltrirtes, von ausgedehnten
Gefässen durchsetztes und seröser Lymphe in den erweiterten
Maschen durchtränktes) Cutisgewebe, welches von einem Netz-
Epitheliom.
669
werk epitheloifler Proliferationzellen nnd Carcroidkugeln ent-
lialtender Balken durchsetzt ist (Fig. 41), die von den ß-ete-
zapfen ans kandschnlifingerförmig in die Tiefe gestülpt erscheinen
nnd durch Zweigbalken mit nachbarlichen verbunden ein Epithel-
balken-Netz formiren.
Fig. 41.
Epitheliom, (senkrechter Durchschnitt).
o d mäch«"- in die Tiefe ragende Rete/.apfen . zwisolien welclien schmale Papillen h ;
iiTfenen bei e d und anderwärts Cancroidkugeln ; c dünne Hornzellenschiclite.
Wichtig für die Histiogenese, für die anatomische Aetio-
logie des Epithelioms, ist die Entscheidung der Frage über
den Ursprung jener wuchernden Epithelzapfen. Nachdem
ViECHOW dieselben aus Proliferation der Bindegewebskörperchen
hergeleitet hatte, haben Thiersch, Recklinghausen, Waldeyeb
u. A. , auf mikroskopische Untersuchungen und theoretische
(xründe gestützt, dieselben von Auswüchsen der Eetezapfen
und des Drüsen-Epithels hergeleitet, während Köster sie als
Proliferationsproduct der Endothelzellen der Lymphgefässe
dargestellt hat, wobei zugleich diese Ansichten so exclusiv
gehalten waren, dass eine andere Art der Entstehung des
Epithelialkrebses , als ans der jeweilig geltend gemachten
anatomischen Basis nicht als möglich hingestellt wurde. Ich
glaube, dass für den flachen Krebs die Anschauung Thiersch 's
nnbezweifelbar ist. Auf Randschnitten von Epitheliom kann
man die successive Verlängerung der Retezapfen in die Cutis
verfolgen und wie mit ihrer Verlängerung laterale Sprossung
und Cancroidkugel-Formation in denselben, wahrscheinlich so,
wie Epithelsprossung der Drüsen- AuskleidungszeUen — J^ei
knotigem Epitheliom sogar diese zuerst — auftritt. Erst später
entsteht parallel entzündliche Infiltration des Coriums und es
GTO
Zweiundvierzigste Vorlesung.
gibt Momente in der Entwicklung des Krebses , in welchen
histologisch durchaiis nicht zu entscheiden ist, ob eine benigne
atypische Epithel sprossung, wie ich unter Lupus erwähnt habe
(pag. Fig. 38), eine etwas lebhafter vegetirende papilläre
Warze, oder bereits Krebs vorliegt. Erst mit der Steigerung
der entzündlichen Infiltration und dem allgemeineren Vordringen
der Epithelsprossung wird der krebsige Charakter deutlicher.
Die entzündliche Lockerung des Gewebes, die Erweiterung der
Lymphräume, die Spaltung des Grewebes nach einem durch die
G-efässe vorgezeichneten Schema (Rindfleisch) ebnen den Weg
für das Vordringen der Epithelkolben, während Narbengewebe,
wie bei dem exfoliirenden Carcinom, denselben einen Damm
entgegenstellt und so örtliche spontane Heilung des Krebses
ermöglicht. Es ist aber durch eine Reihe von Arbeiten (Gussen-
baüer) sichergestellt, dass ausser den Epithel- und Endothel-
zellen sowohl primär, wie namentlich im wuchernden Krebs,
auch alle anderen Formelemente, Bindegewebskörperchen, Ele-
mente der Gefässwand, Muskelzellen, Lymphzellen zur Proli-
feration und Production von epitheloiden , d. i. Krebszellen,
gelangen und so zur Vermehrung der Krebsmasse beitragen —
dadurch zugleich in dem Krebs aufgehen.
Die weiteren Erscheinungen der Gewebsconsumtion,
Eiterung, Jauchung, sind nur consecutive der retrograden
Metamorphose, welcher die zu höherer Organisation unfähigen
epitheloiden Elemente durch fettige, schleimige (Billeoth),
colloide Entartrmg anheimfallen, abgesehen von der Massen-
necrose in Folge von Eliminirung und Abspaltung grösserer
Gewebspartien , namentlich Knochen, von der ernährenden
Umgebung.
Die Aetiologie der Krebse im Allgemeinen liegt noch
sehr im Dunkeln, wogegen die Ursachen des Epithelioms
in manchen Beziehungen ziemlich aufgehellt sind. Heredität
der Disposition ist bezüglich desselben nicht erweislich. Da-
gegen gibt das höhere Alter ein allgemein, sowie durch
gewisse anatomische Vorkommnisse besonders disponirendes
Moment, obgleich wir auch bei 20— 40jährigen Personen, einmal
auch bei einem zehnjährigen Mädchen Epitheliom gesehen
haben. Männliche Personen bieten ein grösseres Contingent
für Hautkrebs als weibliche (100 : 30, Winiwarter).
Gewisse locale, angeborene oder erworbene histologische
Epitheliom.
671
Verhältnisse der Haut geben nnzweifelliaft die Veranlassung
zur Entstellung des Epithelioms, sobald dieselben eine Altera-
tion in dem nutritiven Verhältnisse zwischen Papillen und
Bindegewebsstroma einerseits, imd dem ßete, auch dem Pig-
mente, andererseits involviren oder begünstigen. Als solche
sind anzuführen : Pigment- , Papillär- imd Sebum -Warzen,
welche spontan oder auf wiederholte Irritation (durch Tabak-
saft an den Lippen, wiederholte mechanische Verletzung)
zunächst zu Epithelproliferation sich anschicken und sodann
durch Vordringen von Epithelsprossen in ein entzündlich
erweichtes, oder durch senile Atrophie weniger resistent gewor-
denes Corium zum Epithelkrebs sich transformiren ; Granu-
lationen, über welchen durch mechanische oder örtliche
Ernährungsverhältnisse der normale Epidermisabschluss ver-
zögert und verhindert wird, wie auf Fussgeschwüren, Lupus,
wo zunächst atypische Epithelzapfen-Bildung und sodann Can-
croidkugel-Formation entsteht; endlich die als Psoriasis
mucosae oris (Leacoplakia buccalis, Schwbimee), als Residua
von Syphilis bekannten, grauen Epithelschwarten der Zungen-,
Lippen- und "Wangenschleimhaut , aus denen gar oft Epitheliom
hervorgeht.
Für die Diagnose der bereits entwickelten Formen des
Epithelialkrebses genügt die Aufmerksamkeit auf dessen früher
geschilderte Charaktere. Schwierig ist bisweilen die Entschei-
dung bezüglich der Anfangsformen beim Sitze an den Geni-
talien, wo sie mit Schanker verwechselt werden können und
erst durch die frühzeitig auftretenden lancinirenden Schmerzen
und Drüseninduration sich verrathen; so wie bei Krebs der
Mundschleimhaut, oder der Zunge, bezüglich dessen, so lange
nicht die charakteristische Härte seiner Basis ihn kenntlich
macht, der Zweifel gegenüber von Gumma syphiliticum, oder
dem selteneren tubercu lösen Zungengeschwür schwer zu
besiegen ist, um so schwieriger, als mitunter factisch Syphilis-
symptome gleichzeitig gegenwärtig zu sein pflegen. Li solchen
Fällen ist es jederzeit praktisches Gebot, vor einer Encheirese
eine antisyphilitische Cur zu versuchen.
Die Prognose des Epithelioms der allgemeinen Decke
ist günstiger als bei allen anderen auf derselben vorkom-
menden Krebsforraen (s. die StatistUi bei v. Winiwakteu); am
günstigsten beim flachen Hautkrebs, der jahrelang, oder während
672
Zweiululvierzigste Vorlesung.
seines ganzen Verlaufes die tieferen Gebilde versctont, auch
spontan ausheilt und niemals Drüseninfiltration oder Marasmus
zur Folge hat. Weniger günstig ist der knotige Hautkrebs,
weil derselbe örtlich viel destructiver ist und in späteren Jahren
denn auch Drüsenintumescenz , Marasmus und den Tod veran-
lasst. Besonders wird der böse Ausgang beschleunigt, sobald
derselbe in einem Theile den Charakter des medullären Car-
cinoms annimmt. In diesen Beziehungen ist das papillomartige
Epitheliom das bedenklichste. Aber doch auch gilt für das
Epitheliom überhaupt, und selbst auch für die Frühstadien der
zwei letztgenannten Formen, dass auch rücksichtlich des Er-
folges einer zweckmässigen Behandlung die Prognose günstig
ist, denn das Epitheliom recidivirt nach erfolgter Exstirpation
entweder gar nicht; oder, was häufiger der Fall, es recidi-
virt , aber nur regionär, continuirlich oder discontinuirlich und
in so mässigen Productionen , das auch diese jedesmal leicht
bewältigt werden können. Selbst bei weit ausgreifender In-
filtration und Verjauchung der Gewebe kann durch eine ent-
sprechende Therapie der Process örtlich beschränkt oder elimi-
nirt, dadurch das bereits gestörte Allgemeinbefinden gebessert,
und der drohende letale Ausgang auf Monate und J ahre hinaus-
geschoben werden.
Die Behandlung des Epithelialkrebses mittels inner-
licher Mittel, specieU auch aller als „Anticancrosa" im Laufe
der Zeiten angerühmten Medicamente und Arcana hat sich
bisher erfolglos erwiesen. Zweckdienlich allein ist die d i r e c t e
Eliminirungdes Krebses. Wir bedienen uns zu diesem Zwecke
der gleichen Mittel und Methoden, wie gegen Lupus, weshaib
bezüglich der einzelnen Eigenschaften und Indicationen uer-
selben auf jenes Capitel (pag. 634) verwiesen werden kann.
Flacher und mässig tief reichender Knoten- und Warzenkrebs
wird sehr gut mittels scharfen Löffels herausgekratzt, oder
des Lapis-, Chlor-, Zink- oder Kalistiftes herausgravirt, oder
durch Auflegen von Pasta Viennensis oder Canquoin, der
Arsenikpasta oder der lOpercentigen Pyrogallussalbe heraus-
geätzt. Letztere beide Pasten , die auf Leinwand gestrichen
und nach Umständen 3—6 Tage continuirlich applicirt werden
müssen, haben den Vorzug, nur das kranke Gewebe zu zerstören,
die Pyrogallussalbe auch noch den der Schmerzlosigkeit, wes-
halb diese gegen Epitheliom ganz besonders zw empfehlen
Carcinome.
673
ist. Tiefgreifender Knotenkrebs der Lippe und anderer
Eegionen wird am besten sofort mittels Messers exstirpirt.
Bei weit vorgedrungenem und jauchigem Carcinom kommen
wieder die Aetzmittel zur geeigneten Verwendung, um an dazu
geeigneten, oder an bedrolilicken Punkten dem Weitersclareiten
der Afterbildung, dem Zerfalle der Gewebe und den daraus resul-
tirenden üblen Folgen Einhalt zu thun : neben den oben genannten
Aetzmitteln noch Creosot, flüssig oder mit Pulv. liquirit. und
Opium, oder auch Arsenik zu einer Paste geformt, z.B. Creosot 20,
Arsenici alb. 0,30, Opii puri 0,15; doch soll letztere Paste nur
auf beschränkte Flächen applicirt werden.
Recidive Knötchen müssen sofort nach ihrem Auftauchen
zerstört werden, und ist man in dieser Beziehung achtsam und
energisch , so gelingt es leicht auch bei grosser Neigung zu
Nachschüben das Individuum nicht nur vor lästiger Entstellung
zu bewahren, sondern auch vor dem Tode durch Krebsmarasmu.s
zu behüten.
Von Bindegewebskrebs, welcher die allgemeine Decke
betrifft , seien drei Formen von gleich maligner Bedeutung-
angeführt :
Carcinoma lenticulare entsteht über einer von
Knollenkrebs erfüllten Mamma, oder nach Exstirpation dieses
als Recidive auf einer zum Theil bretthart infiltrirten , zum
Theil noch weichen Haut in Gestalt von linsengrossen und
grösseren, derben, glänzenden, alsbald excoriirenden Knötchen
und Knoten. Es ist die Form, in welcher, wie Billroth sagt,
die Infiltration früh iu die Cutis eindringt und sich in dieser
mit Hyperämie und Induration, ähnlich einer chronischen
Cutis-Lymphangioitis, verbreitet, so dass der Thorax wie von
einem Panzer umschlossen erscheint. Derselbe besteht aus
dichtem faserigen Gerüste (Faserkrebs, Rokitansky) mit spär-
licher Zelleneitilagerung in dessen engen Maschenräumen.
Carcinoma tuberosum erscheint bei älteren Personen
im Gesicht , an den Händen und an anderen Körperstellen in
Form von erbsen-, wallnuss- bis hühnereigrossen Knollen, die
bald erweichen und tief exulceriren und mit ähnlichen Bildungen
in den inneren Organen vergesellschaftet sind.
Carcinoma melanodes s. pigm ent o de s beginnt an
einer beschränkten Hautstelle, am Fuss- cder Handrücken, an
einem Finger, einer Zehe, am Labium, mit schrotkorn- bis
Kaposi, Hautkrauklieiten. 43
ß-j^ Zweiundvierzigste Vorlesung.
bolmengrossen Knoten von graphitälinHcher oder schwarzblaner
Farbe und theUs derber, theils matscber, einer Beere vergleich-
barer Consistenz. Eine Gruppe desselben wächst zu einer
champignonähnlichen, sehr bald exulcerirenden Geschwulst
empor. Theils in unregelmässig regionärer Verbreitung, theils
längs der Lymphgefässe in ßeihen und Strichen treten sehr
bald eine Unzahl solcher schwarzgrauer Punkte, Knötchen und
Knoten, streckenweise bis zur Confluenz zu diffusen höckerigen
Infiltraten auf, die Lymphdrüsen werden intumescirt, es folgt
Marasmus und Tod. Die inneren Organe sind reichlich von
ähnlichen, nur noch mehr hämorrhagischen Knoten durchsetzt.
Sie bestehen aus einem grossmaschigen, gefässreichen, stellen-
weise alveolaren Stroma mit nestförmig oder in unregelmässigen
Haufen eingelagerten kleinen und grossen epitheloiden, oder
spindelförmigen, proliferirenden ZeUen und reichlichem, theUs
aus Hämorrhagien herrührendem, theils direct aus den Ge-
fässen transsadirtem (Rindfleisch) Pigment.
Sarcoma cutis
kommt im Allgemeinen selten vor und da zumeist als Metastase
des Sarcoms der Lymphdrüsen, oder tiefer gelegener Organe,
zuweilen als Pigmentsarcom, hervorgehend aus einem Naevus
und wie die Sarcome überhaupt mit der Tendenz zu früh-
zeitiger Metastasirung und allgemeiner Verbreitung.
Als eine der Haut eigenthümliche typische Form
habe ich Vorjahren das „idiopathische multiple Pig-
mentsarcom" aufgestellt, von dem ich bis jetzt 10 Falle
alle bei Männern , gesehen und seither auch Fantüeri und
WtGGELSWOKTH Beispiele mitgetheilt haben. Dasselbe beginnt
/Ai-leich an beiden Füssen und Händen, Planta und Vola,
Ha°nd- und Fussrücken und schreitet mittels discreter Produc-
tionen centripetal über die Unter- und Oberschenkel und Arme
vor bis es nach 2-3 Jahren auch im Gesichte und auf dem
Stamme erscheint. Es entstehen schrotkorn-, erbsen-_ bis
bohnengrosse , rothbraune und blaurothe, rundliche, massig
derbe Knoten, die theils discret und unregelmassig situirt
sind theils zu Gruppen von Kreuzer- bis Flachhandgrösse an-
einanderrücken. Eüsse und Hände sind knollig verdickt^
unförmlich, bei Druck und auch spontan schmerzhaft, die
Sarconm.
675
Finger spindelförmig verdickt, von einander gedrängt, das Grellen
und Hantiren wegen der Starrheit der Haut in hohem Grrade be-
liindert. Die älteren Knoten sinken nach mehrmonatlichem Be-
stände ein, unter Schilferung ihrer Epidermis und schwinden
sogar gänzlich unter Hinterlassung sehr dunkel pigmentirter, nar-
biger Gruben. Die aus Knoten-Gruppen bestehenden Plaques atro-
phisiren ebenfalls im Centrum und bilden so später einen die mitt-
lere pigmentirte Narbengrube umrahmenden, gekerbten, derben,
braunrothen, mit harten, trockenen Schuppen bedeckten Wall.
Manche Knoten werden auch weich, matsch, aber es kommt
nirgends zu Ulceration. Nach 2 — 5 Jahren erscheinen auch Knoten
von Bohnen- bis Nussgrösse auf den Augenlidern, der Nase,
der W ange , Lippe und an verschiedenen Stellen des Stammes,
die zum Theile dunkelblauroth, schwammig sich anfühlen und
auch von der Oberfläche her zerfallend ein blutig sufFundirtes
Gewebe zu Tage legen. Um diese Zeit stellt sich Fieber,
blutige Diarrhoe, Hämoptoe, Marasmus und alsbald der Tod
ein. Bei der Section findet man die gleichen blutreichen,
fleischfarbenen Knoten in grosser Menge in der Lunge, Leber,
Milz, im Herzfleisch, im Tractus intestinalis, besonders dicht
gedrängt und nekrotisch zerfallen im Colon descendens.
Diagnostische Schwierigkeit bietet diese Form in'
erheblichem Maasse , indem so lange dieselbe auf die Hände
\im\ Fiisse beschränkt ist, eine Verwechslung mit papulöser
Syphilis (Prosiasis plantaris et palmaris), später mit Gumma-
tibus, mit Lupus und Lepra sehr leicht möglich wäre.
Die Prognose ist ungünstig , indem selbst in den
Fällen , welche mit den ersten Knötchen sich präsentirt haben,
weder durch Exstirpation , noch durch eine andere örtliche
oder allgemeine Medication die weitere Entwicklung und der
letale Ausgang hintangehalten werden konnte. Doch verzögert
sich der Verlauf viel mehr als bei den anderen Formen von
Sarcom, etwa auf 3 — 5 Jahre und darüber.
Eine andere Form von Sarcomatosis cutis mit rapid
fnnestem Verlaufe habe ich an einem Manne und zwei Frauen
beobachtet. Der erste Fall (von der hiesigen Klinik) ist von
Gkber als „entzündlich-fungöse Geschwulst" der Haut be-
schrieben worden und analog hat auch Duhring einen Fall
hingestellt. Es entstanden an verschiedenen Körperstellen,
besonders des Stammes und der Extremitäten linsen- bis
■ 43*
Q-Q Zweiundvierzigste Vorlesung.
kreuzergrosse rothe Flecke, flache und knotig hervorragende
Infiltrate, welche . theils wieder nach einiger Zeit schwanden,
theils binnen Wochen sich bis zu flachhandgrossen und grösseren
Herden ausbreiteten, üeber der so infiltrirten Haut entstand
Schilferung der Epidermis oder, nach Ablösung derselben,
Secretion viscider Flüssigkeit. Manche diffase Infiltrate schwan-
den im Centrum mit Hinterlassung pigmentirter , deprimirter
Flecke, so dass die letzteren von einem braunrothen Infiltra-
tionsringe eingeschlossen erschienen. An anderen Stellen erhoben
sich champignonartige Wucherungen ; an noch anderen, wie im
Sckenkelbug, lappig-warzige, nässende, beerschwamm-ähnliche
Geschwülste. Bei der einen Frau, die einige Tage auf der Klinik
gelegen war, war die Krankheit von der linken Mammal-
Haut ausgegangen, wo auch ein jauchiges Geschwür sich
später etablirte; bei der anderen Frau, die ich mit Billroth
gesehen, war die erste fungöse Geschwulst über dem rechten
Knie entstanden. In aUen drei Fällen waren vom Beginn der
Erkrankung bis zu dem unter hochgradigem Marasmus erfolgten
Tode nicht mehr als 2-3 Jahre verstrichen. Ich stehe nicht
an, diese Form auf Grund der klinischen Symptome und de&
histologischen Befundes zu den malignen Sarcomen der Haut
zu zählen.
X. Olasse.
ülcera cutanea, Hautgescli würe.
Preiund vi erzigste Yorlesung.
Begriff der Geschwüre. Allgemeine Symptomatologie, Eintlieiluna. —
Idiopathisch entzündliehe, einfache und contagiöse Geschwüre, das Fuss-
■ges^hwür: Sehanker. Conseeutiv entzündliehe, serophulöse Geschwüre.
Aus Neoplasie hervorgegangene Geschwüre.
Hautges cliwür , Ulcus (cutaneum), heisst ein mittel-
bar oder iiiimitt elb ar zu T ag e Ii egen der S ub s t anz-
verlust des Coriums, welcher ein in der Regel
von dem sogenannten guten "Wundeiter qualitativ
abweichendes Secret absondert und deshalb nicht,
oder nur zögernd zur Heilung gelangt, weil
dessen Begrenzungsgewebe in fortschreitendem
moleculären Zerfall begriffen ist.
Nach dieser Definition ist also ein Abscess kein Geschwür,
weil bei demselben Massennekrose, und nach Abstossung dieser
Tendenz zur Heilung vorhanden ist; ebensowenig eine gut
eiternde und granulirende Wunde und auch nicht ein Substanz-
verlust, der, wie bei Eczem, Pemphigus, die Epidermis allein
und nicht auch den bindegewebigen Antheil der Haut betrifft.
Seiner Entstehung nach ist das Geschwür keine Primär-
formation. Immer muss an der Hautstelle , wo ein Geschwür
zu Stande kommen soll, vorerst eine entzündliche oder neo-
plastische Production stattgefunden haben, welche entweder
in sich selbst die Bedingung des stetig fortschreitenden mole-
culären Zerfalles und der Geschwürsbildung trägt, oder durch
Q'jQ Dreiundvierzigste Vorlesung.
gewisse örtliclie oder allgemeine Einflüsse in ihren sonst
typisch zu beobachtenden Heilungsvorgängen gestört wird.
Zu jenen gehören Lupus, scrophulöse Infiltration, Lepra, Car-
cinom und Sarcom , syphilitische' Gummata, welche ihrer
Natur nach zu geschwürigem Zerfall prädestinirt sind. Als
örtliche Momente , welche durch Steigerung eines Entzündungs-
processes oder Störung der normalen Wundheilung Geschwürs-
bildung veranlassen, sind zu erwähnen : örtliche Circulationshem-
mung, bei Varicosität der Venen, mechanischer Druck, Zerrung,
Quetschung, Kratzen, das junge Gewebe zerstörende chemische
Einflüsse, Pflaster und Salben, Benetzung der Granulationen
mit Faeces, Speichel , Harn, Caries und Necrose der Knochen.
Als entfernte Ursachen der Geschwürsbildung machen sich
geltend Herzfehler und gewisse dyscrasische Zustände, wie
Anämie und Marasmus jeder Art, welche entweder zu Zerfall
disponirte Hautinfiltration veranlassen , oder die Heilung be-
stehender Wunden in Folge Blutmangel, oder mangelnder
Plasticität der Säfte hintanhalten.
Werden die entzündlichen oder neoplastischen Infiltrate,
deren Zerfall das Geschwür bedingt, spontan oder künstlich
eliminirt, oder jene Momente beseitigt, welche die sich an-
schickende Granulationsbildung fort und fort stören, so wird
die letztere eben ihren Weg bis zur vollendeten Vernarbung
zurücklegen, wie jede von Haus aus normale Wunde. Es
besteht demnach zwischen Geschwür und gut eiternder Wunde
kein meritorischer, nur ein facultativer Unterschied und beide
können wiederholt in einander verschmelzen.
Darnach haben wir nicht die geringste Veranlassung den
Geschwüren irgend eine dem Organismus fremdartige, onto-
logische Bedeutung zuzumuthen, wie dies früher üblich war
und zum Theile leider auch heute noch geltend gemacht wird.
Wir haben gar kein Verständniss dafür, wie ein Fussge-
schwür eine Art vicariirende Secretion liefern soU für
unterdrückte Menstruation, Hämorrhoidalflüsse , nachdem wir
in jedem einzelnen Falle die Entstehung und Fortdauer dieses
Geschwüres aus den örtlichen und mechanischen Verhältnissen,
varicösen Venen, Dermatitis, Kratzen, Stauungsödem und
Hämorrhagie vollständig klar entnehmen, dagegen durchaus
einen physiologischen Zusammenhang zwischen dem Geschwür
und der Menstruation und den Hämorrhoiden nicht auiFmden
Ulcera.
679
können. Wir vermögen niclat zu fassen , wie sonst erleuchtete
Pathologen durch das Anlegen eines Fontanells am Oberarm
die supponirten Nachtheile der Heilung eines Fussgeschwüres
paralysiren können, als wenn das letztere wie ein Weber-
schiffchen hin und her geschleudert, vom Unterschenkel nach
dem Oberarm durch den Organismus verschoben werden könnte,
eine Vorstellung, die ganz unphysiologisch, laienhaft.
Kein Entzündungs- und kein Eiterungsprocess gehört zur
Gesundheit. Ein Substanzverlust ist ein Schaden des Körpers,
er mag wie immer entstanden sein, und ein solcher, der Monate
und Jahre lang besteht und mit copiöser Secretion, mit an-
dauerndem Saftverlust verbunden ist, gewiss ein noch grösserer
Nachtheil für jeden, und gar für einen vielleicht schon ander-
weitig geschwächten Organismus ; nicht zu gedenken auch der
socialen Nachtheile, der Störungen im Berufe, welche mit
jeder schmerzhaften oder eiternden Wunde verbunden sind. Wir
werden bei einer solchen AufPassung nicht nur den Muth,
sondern auch die Pflicht fühlen, Alles daran zu setzen, um
bestehende Geschwüre zu heilen, imd zwar möglichst rasch
und sicher, im Bewusstsein, dadurch dem Kranken nur einen
Gewinn zu bringen und nicht fürchten, als könnte ein Geschwür
auf innere Organe verschlagen werden, da doch Niemand so
etwas zu leisten vermöchte, weil dies eine naturgeschichtliche
Unmöglichkeit ist.
Da die Geschwüre nur nach der Art, nicht nach den.'
Wesen ihrer Ursachen differiren , so haben dieselben auch
gewisse allgemeine Symptome gemeinschaftlich.
Man unterscheidet bei jedem Geschwür als objective
Symptome Hand und Grund, Form und Umfang, Art des
Fortschreitens , Beschaffenheit, des Secretes und dazu gewisse
begleitende subjective Erscheinungen.
Der Grund des Geschwüres ist in der Regel graugelb,
eitrig infiltrirt, weil in moleculärem Zerfall begriffen, speckig
belegt, glatt oder ungleich grubig. Die Ränder sind steil
abgesetzt oder allmälig abfallend, glattlaufend oder zackig
ansgenagt, ein anderes Mal wenig oder sehr weit unterminirt,
buchtig, dabei einmal beweglich oder festgelöthet , weich oder
entzündlich infiltrirt, leicht blutend, wie auch manchmal der
Grund, oder ebenfalls grau belegt. Die nächste Umgebung
der Geschwüre, des Randes und Grundes, erscheint entzündlich
G80
Dreiundviüi'zigste Vorlesung.
geschwellt oder wenig verändert, fast normal oder ödematös,
oder hart, derb, callös, oder von einer specifischen Neubildung
(Lupus, Carcinom, Syphilis) infiltrirt. Der Form nach ist das
Greschwür bei kleinerem Umfange gewöhnlich kreisrund, rund-
lich, bei grösserem Umfang unregelmässig gestaltet, buchtig,
tiefgreifend , kraterförmig , ungleich grubig oder mehr flach,
wie erosionartig und von dem Umfange eines Kreuzers,
Thalers, bis zu dem eines kalben oder ganzen Umfange« einer
Extremität.
Das Greschwür ssecret weicht in seiner BesckaflFen-
lieit in der Regel von der eines pus bonum et laudabile ab.
Es ist entweder copiös, oder spärlich, dünneitrig, molken-
artig, mit spärlichen Formelementen vermengt, oder gar von
einer mehr durchscheinenden, visciden klebrigen Beschaifenheit,
geruchlos oder jaucheartig übelriechend, oder hämorrhagisch.
Dasselbe trocknet zu Krusten verschiedener Färbung und
]\Iächtigkeit ein , welche bei einer gewissen Ausbreitungsweise
schildförmig abfallend, rupiaartig, sich präsentiren , oder
bei spärlicher Secretion nur wie ein gummiartiger Ueberzng
sich darstellen. Man hat überdies dem Greschwürssecret auch
besondere Beimengungen zugeschrieben , einen Ueberschuss von
Salzen, namentlich von phosphorsaurem Natron, oder harn-
saurem Natron bei arthritischen Greschwüren, ausserdem bei
denselben zuweilen eine blaue Färbung beobachtet, welche
Manche mit der Anwesenheit blaugefärbter Vibrionen, Andere,
wie GrRARD und Fordoz, mit der Anwesenheit von Pyocyanin
und Pyoxanthose erklärt haben.
Auch ein specifischer Geruch ist den Geschwüren zuge-
schrieben worden.
An subjectiven Erscheinungen ist zu erwähnen, dass
die Geschwüre bisweilen indolent, oder sehr schmerzhaft
sind, wonach man asthenische und er ethische Ge-
schwüre unterscheidet.
Im Verlaufe der Geschwüre unterscheidet . man das
Stadium destr uctionis, welches Wochen , Monate, Jahre
hindurch anhalten kann und gleichbedeutend ist mit dem Fort-
bestand der geschwürigen Beschaffenheit, und das Stadium
reparationis, in welches jedes Geschwür nach Beseitigung
seiner nächsten Ursache übergeht und das dem Zustande
der normalen Wunde entspricht. Es gibt Geschwüre von
Ulcus criiris.
681
typischem, d. i. zugleicli begrenztem Verlaufe und solche,
deren Verlauf und Dauer atypisch, unbestimmbar ist.
Phlegmonöses, diphtheritisches, croupöses Ge-
schwür bedeutet einen in der Bezeichnung ausgedrückten, von
der Norm abweichenden Typus, wie das serpiginöse und
nierenförmige Geschwür eine besondere Form des weiter-
schreitenden Gewebszerfalles.
Der örtliche A u s g a n g aller Geschwürsbildung ist mit
wenigen Ausnahmen die Umwandlung in eine gesunde, granu-
lirende Wunde und Verheilung mittels Narbe (vide pag. 584).
AU' dieses , sowie Prognose und Bedeutung des
Geschwüres für die betroffene Oertlichkeit und den Organismus
hängen von der demselben zu Grunde liegenden anatomischen
Veränderung ab , und diese auch ist es ganz allein , welche
einer rationellen Eintheilu.ng der Geschwüre untergelegt
werden kann. Darnach theilen sich alle Hautgeschwüre in
zwei Gruppen, in 1. aus Entzündung hervorgegangene,
„Entzündungs-Geschwüre", 2. solche, die aus Neubildungen
entstanden sind.
Die Entzündung s- Geschwüre können unterschieden
werden, als nicht contagiöse und contagiöse, welche
beide wieder idiopathisch oder symptomatisch sein
können, all' dies entsprechend dem Charakter des Entzündungs-
processes , welcher ihrer Entstehung zu Grande liegt.
Idiopathische, nicht contagiöse Entzündungs-
Geschwüre gehen aus idiopathischer Hautentzündung jeder
Art hervor , acuter und chronischer Dermatitis , Ahscessen,
Excoriationen, Eczem, Impfpusteln, wenn durch Kratzen, Druck,
Zerrung, Eiterabfluss unter Krusten , irritirende Pflaster, Blut-
stauung durch Einschnürung, Varicosität etc., hämorrhagische
Zerwühlung der Granulationen, überhaupt Störung der letzteren
wiederholt stattfindet.
Unter denselben ist besonders das sogenannte Fuss-
geschwür, Ulcus cruris, eigentlich Unterschenkelgeschwür,
praktisch wichtig. Man kann in seiner Entstehung und Ver-
laufsweise beinahe alle Bedingungen der Geschwürsbildung
der ßeihe nach sich geltend machen sehen. Bekanntlich
kommt dasselbe zumeist bei Personen vor, welche an Varices
leiden, wie viele weibliche Individuen nach vorausgegangenen
Schwangerschaften, oder Personen beiderlei Geschlechtes , die
682
Diieiundvierzigste Vorlesung.
vermöge ihres Berufes gezwungen sind, jahraus , jahrein viele
Stunden des Tages stehend zuzubringen.
Das erste Pathologische , was bei solchen Personen sich
einstellt , ist neben zeitweiligen massigen Oedem und Schmerzen
in der Ferse und an der Planta, Jucken am Unterschenkel,
in Folge dessen Kratzen und Excoriationen.
Aus kleinen, oberflächlichen Excoriationen werden so
anfangs ganz flache, alsbald tiefere Substanzverluste, die
sich umso rascher zu Geschwüren gestalten, je häufiger
Hämorrhagien , Oedem , Zerrung , mechanische Verletzung beim
Druck, Stoss, complicirende Lymphangoitis oder Dermatitis,
wie bei Eiterabsperrung unter den Krusten , je mehr alle diese
Momente die reparirende Grannlationsbildung stören. Im
späteren Verlaufe kommen noch die durch die häufigen Ent-
zündungen und Anläufe zu (Narben-) Bindegewebsneubildung
veranlasste Callosität der Geschwürsränder , der grosse Um-
fang der letzteren, die Constriction der zuführenden Gefässe
durch die Narben selbst und der Fortbestand der ursprüng-
lichen ätiologischen Verhältnisse dazu, welche die einmal
etablirten und ausgebreiteten Fussgeschwüre zu einem jahre-
lang bestehenden, höchst schmerzhaften und lästigen, wenn
nicht unheilbaren Uebel gestalten.
Die Unterschenkelgeschwüre finden sich zumeist am
mittleren unteren Drittheil des Unterschenkels, einer- oder
beiderseits, vorwiegend an dessen vorderem Umfang, einem
kleineren oder dem grössten Theil seiner Peripherie, in seltenen
Fällen denselben ringsum occupirend. Die kleineren Geschwüre
sind rund, rundlich, die grösseren. von unregelmässiger Ge-
stalt und entsprechend ihrem Alter zumeist von callösem,
buchtigem Rand und mit mehr , weniger prononcirter elephan-
tiatischer Verdickung der Gliedmasse complicirt.
Von syphilitischen- Geschwüren unterscheidet sich dieses
einfache sogenannte „varicöse" Geschwür, Ulcus evaricibus,
durch die in der Regel auch bei grösserem Umfang flache Be-
schaffenheit, geringe Schmerzhaftigkeit und den Mangel einer
circumscripten , einem Gumma entsprechenden Infiltration der
Umgebung, sowie durch dessen Entstehungsgeschichte, die
aus der chronisch- entzündlichen Beschaffenheit des umgebenden
Gewebes spricht.
Ulcus cruris.
083
Wenn man dieser Art die Entstehung der sogenannten
Fassgeschwüre von ihren ersten Anfängen an verfolgt, dem-
nach die volle Ueberzeugung gewinnt , dass nur örtliche
Circulations- und Nutritionsverhältnisse der Gewebe ihre Ent-
stehung veranlassen, dann wird man sicherlich die alther-
o-ebrachten Vorurtheile über die derivirende und vicariirende
Eigenschaft der Fussgeschwüre fahren lassen und im Gregen-
theile sich Mühe geben, dieselben frühzeitig zu bekämpfen
\mä zu heilen. Es gelingt dies sicher bei noch wenig aus-
gedehnten vTud tiefgreifenden Greschwüren, viel schwieriger bei
ausgedehnten und wird bei sehr aiisgebreiteten und callösen
Geschwüren ganz unmöglich.
Die Therapie hat nach allgemeinen chirurgischen
Grundsätzen zu erfolgen. Beim Vorwalten entzündlicher Er-
scheinungen wird man vor Allem bestrebt sein, diese zu
beseitigen, durch horizontale oder erhöhte Lage der Extremität
und Application von Kälte. Sodann wird man die Abstossung der
moUeculär zerfallenen oberen Gewebsschichten zu befördern
trachten durch Auflegen von Gypsum bituminatum pulve-
risat. , welches durch Abreiben von Oleum fagi mit Gyps
gewonnen wird, oder Pulvis carbonis ligni tiliae, oder Lister-
verband u. s. f. , endlich die Granulationsbildung sorgfältig
überwachen, indem man dieselbe nach Umständen anregt,
z. B. durch Verband mit Kali caust. 0,1 : 50,0 Aq. dest., oder
deren üppige Wucherung durch Aetzung oder Auslöffeln be-
seitigt, oder durch ätzende und constringirende Verband-
mittel, Cuprum aceticum in Lösung, rothe Präcipitatsalbe, Lapis,
Alaunpulver und Aehnliches mässigt.
Das continuirliche Wasserbad hat sich sowohl
als Behelf für die Beförderung der Reparation der Geschwüre,
als wie zur Abkürzung complicirender phlegmonöser Ent-
zündung ausserordentlich wirksam erwiesen. Ein methodisch
angelegter Druck verband, der von den Zehen angefangen bis
über die Wade in allmälig aufsteigenden Touren mittels Flanell-
binde gemacht wird und durch eine auf die Geschwürfläche
selbst direct applicirte Compression mittels Emplastrum sapo-
natum, domesticum unterstützt wird, ermöglicht sogar das
Herumgehen während des Bestandes des Geschwüres, indem
durch die Compression der Ausdehnung und Zerreissung der
kleinen Venen und Capillaren, und so den Hämorrhagien oder
684
Dreiundvierzigste Vorlesung.
einer ödematösen und exuberirenden BeschafFenlieit der Granu-
lationen vorgebeugt wird.
Geschwüre von übermässiger Callosität der Ränder teilen
ausserordentlich schwer. Man kann durch schleuderförmiges
Anlegen von Pflasterstreifen die Ränder mechanisch einander
näher rücken und so die XJeberhäutung von einzelnen Wund-
winkeln aus befördern. Nussbaum hat nach früheren Mustern
angegeben, jenseits der callösen Ränder tiefe, den letzteren
parallele Schnitte zu führen ; dadurch würden theils zuführende
Gefässe zerstört , welche neuerlich Hämorrhagien veranlassen
und werden jedenfalls die Ränder einander näher gebracht.
Ebenso findet sich hier oft Gelegenheit die Transplantation
von Hautstücken nach Reveedin (pag. 588) nützlich zu ver-
wenden.
Dass es im Uebrigen vor Allem wünschen swerth wäre, die
nachweisbare Ursache der Fussgeschwüre, die Varices, zu heilen,
oder ihrer Entwicklung vorzubeugen, ist selbstverständlich.
Dahin zielen die in der Chirurgie bekannten verschieden-
artigen Methoden der Varicesoperation, unter denen
die nach Schede und Anderen geübte Methode der TJmstechung
und Unterbindung der Varicesknoten , oder die von Englisch
versuchte Methode mittels subcutaner Alkoholeinspritzung eine
verlöthende Entzündung und Obliteration der ausgedehnlen
Venen zu bewirken, Verfahrungsweisen, welche, abgesehen von
der gelegentlich gefährlichen Complication und Folge von Phle-
bitis, Pyämie oder Trombenverschleppung, unter allen Um-
ständen nur einen sehr beschränkten Werth haben können,
da sie stets nur einzelne Venenknoten treffen. Darum bleibt
in Bezug hierauf unter allen Umständen als einzig und stetig
zu befolgendes, wenn auch nur theilweise palliatives Ver-
fahren das consequente Tiagen von methodisch angelegten
Flanellbinden, oder gut passenden Schnürstrümpfen, nebst der
Vorsicht, die Extremität möglichst viel horizontal gelagert
zii halten.
Die symptomatischen nicht contagiösen Ent-
zündungsgeschwüre sind der Ausdruck eines speciellen dys-
crasischen oder constitutionellen Zustandes, welcher entweder
direct zu Entzündung und geschwürigem Gewebszerfall führt
oder indirect, indem derselbe eine anderweitig entstandene
Entzündung und Eiterung am normalen Abschlüsse verhindert.
Ulcer<a, Schanker.
685
Hielier gehören die bei Scorbut, Griclit, Anämie, all-
gemeiner Cachexie, bei Acne cacliecticorum , Scrophulose, zum
Tbeile ancli die bei Lepra vorkommenden Geschwüre. Manche
verrathen schon im Ansehen ihre ätiologische Abstammung.
So charakterisiren sich die sco rhu tischen Geschwüre durch
häufige Hämorrhagie des Grundgewebes, die gichtischen
durch die Gichtsteine (Harnsäure-Concremente), während die als
Folge von Anämie anzusehenden Geschwüre, übrigens eine
seltene Beobachtung, durch auffallende Blässe des geschwürigen
Gewebes, geringe Reactionserscheinungen, Trägheit der Fleisch-
wärzchenbildung , spärlich dünne, wässerige Secretion sich
auszeichnen. Die häufigsten und bekanntesten sind die soge-
nannten scrophu lösen Geschwüre.
Sie kennzeichnen sich durch schlafi'e, weit unterminirte,
leicht blutende, atonische Ränder, schlappe Granulationen,
dünne, rahmähnliche Secretion und träge Reparation und führen
dem entsprechend auch zu abenteuerlich gestalteten, gestrickten
und genetzten Narben. Sie entstehen zumeist in einer über
scrophulös infiltrirten, käsig zerfallenden und vereiternden
Lymphdrüsen (vorwiegend am Halse) entzündeten Haut, oder
über haselnuss- bis nussgrossen, indolenten und käsig er-
weichenden Knoten , welche zn zwei bis mehreren , längs und
an Lymphgefässen sich bilden und mit syphilitischem Gumma
grosse Aehnlichkeit haben. Der später evident werdende
Charakter der Geschwüre ermöglicht die Unterscheidung
von letzteren. lieber cariösen Knochen sind die Geschwüre
trichterförmig eingezogen und von fungösen Wucherungen
umrandet.
In der Behandlung der scrophulösen Hautgeschwüre
müssen neben den Gesetzen der allgemeinen Geschwürsbehand-
lung auch noch die speciellen örtlichen Verhältnisse berück-
sichtigt werden. Ausserdem hat man auf die Verbesserung der
Gesammternährung sein Augenmerk zu richten. Neben dem
Aufenthalt in guter Luft und zweckmässiger allgemeiner
Diätetik ist der innerliche Gebrauch von Leberthran von alt-
bewährter günstiger Wirkung.
Als contagiöses Entzü n dung s g es ch wür kennen
wir nur das durch das specifische Syphiliscontagium erzeugte,
den Schanker. Es ist hier nicht der Ort, die speciellen
Verhältnisse des Schanker - Geschwüres auseinanderzusetzen,
686
Dreiimdvierzigste Vorlesung.
weil uns das nothwendig auf die Erörterung der ganzen
Syphilislehre und demnach von unserem Thema weitab führen
würde. Ich will nur erwähnen, dass nach einer Theorie, der
der Uni tarier, der Schanker aus Syphilisproducten welcher
Art immer hervorgehen kann und in allen seinen Gestaltungs-
formen dem syphilitischen Contaginm angehört, dagegen nach
Ansicht der französischen Dualisten nur die weichen
Schanker einem besonderen, sogenannten Schankercon-
tagium ihre Entstehung verdanken, der harte Schanker
dagegen dem syphilitischen Virus; endlich nach
Ansicht der deutschen Dualiste*n der Schanker nur
vom Schankervirus herrührt und mit Syphilis
gar nichts gemein hat und daher besser als ve-
nerisch contagiöses Geschwür (Sigmund) bezeichnet
werden soll.
Am häufigsten kommt der typische w eich e S chank er
vor (Chancre mou, simple, non infectant), der wie mit einem
Lochbohrer ausgehackt, als kraterförmiger Substanzverlust,
mit speckig belegtem, entzündlich geröthetem und geschwelltem
Rand und Grund, stark eitert und absolut contagiös sich erweist,
einen typischen Verlauf von 6—7 Wochen durchmacht, mit
einem Stadium destructionis , gleichzeitig contagionis und
einem Stadium reparationis , in welchem derselbe in eine
gesunde Wunde umgewandelt erscheint und nicht mehr con-
tagiös ist.
DemDächstist der sogenannte harte Schanker (Chancre
dure . infectant) als typische Geschwürsform zu nennen. Der-
selbe' geht aus einem weichen Schanker hervor, oder aus einem
Knoten, welcher an Stelle der Ansteckung nach einer Incu-
bation von mehreren Tagen, 2-3 Wochen entsteht. Der harte
Schanker präsentirt sich flachschalenförmig , wie mittels
Hohlmeissels ausgegraben, mit geringer Secretion und einer
typischen, scharf umschriebenen , beinahe knorpelartigen Harte
des Randes und Grundes, verheilt binnen wenigen Tagen , ist
im Allgemeinen nur auf nicht syphüitische Individuen als
solcher überimpfbar, persistirt aber als Induration auch nach
Verheilung des Geschwüres viele Monate.
Ausserdem sind nocli Schanker anderer Formen, als
Ulcus ambustiforme, phagadaenicum, gangraenosum, serpigino-
sum aus syphilitischer Quelle zu erwähnen.
Schanker.
687
Der nosologische Werth dieser einzelnen Schankerformen
wird je nach dem sppciellen theoretischen Standpunkte ver-
schieden bemessen. Hier genügt es zu betonen, dass alle
diese Greschwüre an Ort und Stelle der Einimpfung des
specifischen Virus entstehen, demnach idiopathisch spe-
cifische oder contagiös entzündliche G-eschwüre
darstellen.
Ihr Verlauf ist ein typisch begrenzter , womit, was ihren
Charakter als Geschwür anbelangt, ihre Prognose mit der
der Ulcerationen im Allgemeinen ziemlich übereinstimmt. Allein
da sie auch in ihren verschiedenen Typen allgemeine Syphilis
zur Folge haben können oder nicht , so wird die Prognose
auch nach dieser Richtung gestellt werden müssen in einer
"Weise , die aus der Syphilislehre zu entnehmen und hier nicht
weiter erörtert werden kann. So viel kann jedoch als im All-
gemeinen richtig auch hier hervorgehoben werden , dass die
typischen weichen Schanker nur zuweilen , die typischen harten
Schanker dagegen fast regelmässig allgemeine Syphilis nach
sich ziehen, während für die anderen aufgeführten Schanker-,
arten in dieser Beziehung nicht einmal eine Häufigkeitsregel
aufgestellt werden kann.
Sieht man von diesen Umständen ab , so ist auch für die
Therapie der Schanker keine Indication vorhanden,
welche von den für andere Geschwüre geltenden abweichen
würde. Man behandelt sie nach allgemein chirurgischen Grund-
sätzen und könnte allenfalls noch nebst den schon bekannten
Verbandmitteln das Emplastrum hydrargyri ganz besonders
empfohlen werden. Nur mit Rücksicht auf die JFrage, ob die
drohende Blutvergiftung durch eine specielle Behandlungs-
methode verhütet werden könnte, sind einzelne Verfahren bei
Schankern patronisirt worden, als Abortivbehandlung durch
Aetzung oder Excision.
Endlich sind auch die anatomischen Verhältnisse, obgleich
dieselben in ihren feinsten Nuancen kaum von eineaa gewöhnlich
entzündlichen Geschwüre abweichen, doch zu wiederholten
Malen von verschiedenen Seiten nach der Richtung besonders
discutirt worden, dass man in denselben Belege für die
klinisch constatirte Virulenz und speciell für das Zustande-
kommen der typischen Induration zu finden gesucht hat, was
aber bisher nicht in entscheidender Weise gelungen ist.
G88
Dreiundvierzigste Vorlesung.
Von der aufgestellten zweiten Gruppe der Haut-
geschwüre, derjenigen, welche aus Neubildungen her-
vorgehen, sind die lupösen, carcinomatösen, sarcoma-
tösen und leprösen bereits in den betreffenden Capiteln
besprochen worden. Zu ihnen wären zu fügen die aus den ein
Symptom der constitutionellen Syphilis darstellenden
Hautknoten hervorgehenden Geschwüre, das ulceröse Sy-
philid, welches in Einem mit der allgemeinen Erörterung der
syphilitischen Dermatosen näher gewürdigt werden soll.
Viernndvierzigste Vorlesung.
Allgemeiner Charakter der Syphilide, Eintheilung nach den morphologi-
schen Erscheinungen. Specielle Formen , Symptomatologie , Diagnose,
Beziehung derselben zur eonslitutionellen Syphilis. — Allgemeine und'
örtliche Behandlung.
Syphilis cutanea — Syphilide —
nennen wir jene Erkrankungsformen der Haut, welcke als
Symptome der c o n sti tuti o n eil en Lues auftreten, sei
es der von den Eltern ererbten, hereditären, oder der
mittels Schanker oder eines anderen PrimärafFectes im extra-
uterinen Leben erworbenen, Contact-oder acquirirten Lues.
Die Syphilide bilden nur einen Theil, eine — allerdings
natürliche und einheitliche — Gruppe der Hautkrankheiten
überhaupt und sollen daher an diesem Orte vorwiegend in
Rücksicht der Eigenart ihrer klinischen Charaktere erörtert
werden, die zugleich eine Grundlage für deren absolute Dia-
gnose und ihre Differentialdiagnose gegenüber den
nichtsyphilitischen Dermatosen, sowie für deren Therapie
bilden. Ihre intimere Beziehung zu Lues, deren Analyse
eigentliche Aufgabe der Syphilislehre ist, kann hier nur inso-
weit berührt werden, als dies zur Förderung des Sachver-
ständnisses nothwendig und förderlich erscheint.
Die Syphilide bieten keine anderen morphologischen
Eigenschaften dar, als die nicht syphilitischen Dermatosen,
indem sie als Elecke, Knötchen, Knoten, Pusteln, Geschwüre,
mit Schuppen- und Krustenbildung sich präsentiren.
Ihr unleugbar specifisches klinisches Gepräge, durch
welches sie von allen nichtsyphilitischen Dermatosen sich abheben
und als eigenartig, als „syphilitisch" imponiren , beruht also
Kaposi, Hautkrankheiten. 44
QQQ ■\''ierundvierzigste Vorlesung.
nicht auf ihren morphologischen Eigenschaften , aber auch nicht,
wie dies mit Vorliebe gelehrt wird, auf gewissen anderen
physikalischen Eigenschaften, als der dunkelbraunrothen (Kupfer-)
Earbe, der vorwiegenden Localisation an den Beugen der Ge-
lenke und um die Eingangsöffnungen der Körperhöhlen , dem
symmetrischen Auftreten, ihrer Anreihung in Kreisen, Formirung
von Gruppen, ihrer Polymorphie, der Mächtigkeit der Krusten
und Schuppen, dem Fehlen von Jucken.
Denn alle diese den Syphiliden zugeschriebenen äusseren
Merkmale kommen oft auch den nicht syphilitischen Exanthemen
zu. Ich erinnere nur an die Kreisform der Psoriasis und
mancher Eczeme , an die braunrothe Farbe bei Acne rosacea
und Acne disseminata , an die Gruppen bei Liehen scrophulo-
sorum, an das Vorkommen der Psoriasis non syphilitica auf
der Flachhand etc. etc.
Eine genaue Prüfung ergibt, dass die Eigenart der
Syphilide der Ausdruck einer Summe von Er-
scheinungen ist, welche den pathologisch-anato-
mischen Verlauf der einzelen Efflorescenz zu-
sammensetzen und in drei charakteristischen Mo-
menten zur Aeusserung gelangen.
Erstens: Die syphilitischen Productionen in der Haut
stellen sich unter allen Umständen als scharf begrenzte, dichte
und gleichmässige (Zellen-) Infiltrate des PapiUarkörpers und
des Coriums dar , und können untereinander nur an Grösse
variiren. Denn ein Syphilisknötchen von der Grösse eines
Stecknadelkopfes ist der inneren Zusammensetzung und dem
äusseren Ausdrucke nach identisch mit dem Syphilisknoten
von Bohnen- und Haselnussgrösse.
Zweitens : Diese Zellen sind nicht geeignet m eine blei-
bende Organisation (Bindegewebe) einzugehen, sondern kommen
stets zur Rückbildung und zum Schwunde, entweder m der
Weise , dass sie zur Resorption gelangen oder indem sie eiterig
zerfallen. . ....
Eine dritte wesentliche Eigenthümlichkeit der sypüüi-
tischen Hautinfiltration ist die constante Richtung und Reihen-
folge nach welcher das Infiltrat einerseits sich vergrossert,
und andererseits zum Schwunde gelangt. Die Vergrösserung
und die Consmnption erfolgen stets centrifugal. Die periphersten
Theile des syphilitischen Productes sind daher die relativ
' Sj'philis ■ cutauea'.
091
jüngsten und weisen demnach aucli alle Charaktere des frischen
Infiltrates auf. Die ältesten Partien sind zugleich die cen*
tralen, und stets kommen diese zuerst zum Schwunde.
Aus diesen drei Cardinalerscheinungen geht beinahe auf
physiologische undgesetzmässige Weise jenes specifische klinische
Gepräge der Syphilide hervor, welches ihre objective Dia-
gnose in einer an's Unfehlbare reichenden Weise ermöglicht,
sowie ziigleich auch die ganze Reihe jener Veränderungen,
welche den Sj^philiden den Ruf der Vielgestaltigkeit verschafft
haben und sie in ihrem äusseren. Ansehen oft den nicht syphi-
litischen Hautexanthemen so nahe bringen.
Mit Rücksicht auf diese Grund-Charaktere der Syphilide
kann das Knötchen, die Papel, als das Prototyp der
letzteren hingestellt werden. Sie bezeichnet zugleich den Höhe-
punkt der syphilitischen Production als ein scharfbegrenztes,
dichtes Zelleninfiltrat des Coriums und des Papillarkörpers.
Ueber dieses hinaus gibt es mehr keine neue, der Syphilis
angehörige Anbildung von Formelementen.
Wenn wir demnach die Symptome des syphilitischen
Knötchens von dem Momente seiner Ausbildung bis zu seinem
Schwunde verfolgen, so werden wir zugleich den Weg zurück-
legen, den alle Syphilide durchmächen, auch wenn einzelne
derselben durch besondere Verhältnisse unwesentliche Varia-
tionen erfahren.
Denken wir uns einen senkrechten Durchschnitt durch
Epidermis , Rete , Papillarkörper und Corium , so findet sich
das die Papel constituirende Zelleninfiltrat innerhalb zweier
beinahe scharf gezeichneter, seitlicher Grenzen im Corium und
in den Papillen angehäuft.
Wir können aus dieser Thatsache bereits die charakte-
ristischen klinischen Erscheinungen der Papel abstrahiren.
Sie ragt über das Niveau empor, sie glänzt, weil ihre Epider-
misdecke gespannt ist, sie lässt sich nicht durch den Finger-
druck zum Schwinden bringen, sie fühlt sich derb an , wegen
der Dichtigkeit des letzteren, und erscheint braunroth, wegen
des durch die Stagnation in dtn comprimirten Gefässen ver-
anlassten Austrittes von Blutfarbstoif.
Wenn eine Efflorescenz nicht all' die erwähnten Erschei-
nungen an sich erkennen lässt, ist sie entweder kein, oder
kein recentes syphilitisches Knötchen.
44*
QQ2 Vierundvierzigste Vorlesung.
Nach kürzerem oder längerem Bestände tritt die retro-
grade Metamorphose der Zellen und ihre Resorption ein.
Und zwar schwindet zuerst der relativ älteste Theil, der
centrale.
Hier sinkt die infiltrirte Partie ein. lieber ihr muss die
früher gespannt gewesene und zum Theil auch proliferirte
Epidermis sich Anfangs runzeln , und später , je mehr die unter-
lagernde Infiltration schwindet, sich zu Schüppchen zer-
bröckeln. Die peripheren Theile des Knötchens haben dabei noch
ihre derbe Beschaffenkeit, ihr braunrothes , gespanntes, glän-
zendes Ansehen behalten. Wir haben demnach das constante
Bild: ein centrales, vertieftes Schüppchen, oder ein centrales,
von Atrophie der Haut herrührendes Grübchen , umgeben von
einem braunrothen, derben, glänzenden Infiltrationshofe. ^
Die complicirten Krankheitsformen , welche z. B. in der
riachhand, als P so riasis palmar is Cornea, aus der An-
reihung solcher in Involution begriffener Knötchen hervorgehen,
sind nur durch die Würdigung jener Elementarvorgänge der
einzelnen Papeln zu erkennen und von den ähnlichen nicht
syphilitischen Affectionen der Flachhand , Psoriasis non syphi-
litica , chronischem Eczem, idiopathischer Keratosis der Flach-
hand etc. zu unterscheiden.
Psoriasis syphilitica palmaris et plantaris
diffusa entsteht nämlich nie anders als durch Aneinander-
reihung von einzelnen Papeln. Später stossen ihre Peripherien
aneinander. Dann erscheinen an den Centren der einzelnen Papeln
Schüppchen — ein sehr charakteristisches Merkzeichen. Und
wenn bei fortschreitender Atrophie der Papeln über denselben
gleichmässige Schuppenaufiagerung sich eingesteUt hat, dann
findet sich doch an der äussersten Peripherie der confluirenden
Schuppung ein fortlaufender braunrother Infiltrationssaum.
BeiPsoriasis non syphilitica, bei chronischem
Eczem, bei Keratosis non syphilitica der Flachhand
geht die hornig verdickte Epidermis ohne einen derartigen
Begrenzungssaum in die gesunde Epidermis der Umgebung über.
Anstatt durch fettige Degeneration zur Resorption zu
gelangen, können die syphilitischen Infiltrate auch eiterig
zerfallen. Ist die Flüssigkeit in geringerer Menge vorhanden,
dann trocknet sie ein, und bildet mit den darüber gelagerten
Epidermistrümmern schmutzig-gelbbraune Borken.
Syphilis cutanea.
693
Diese vertreten nun die im Yorhergelienden geschilderten
Schlippen. Ln Uebrigen sind die Verhältnisse ganz und gar
dieselben. Die Kruste entspricht stets dem ältesten , dem cen-
tralen Theile des Infiltrates und ist stets von dem peripheren,
noch nicht in den Zerfall mit einbezogenen Theile des Infiltrates
begrenzt, welcher sie von der benachbarten gesunden Haut
abgrenzt. Und ebenso übereinstimmend ist das Krankheitsbild,
welches aus der reihen- und kreisförmigen Anordnung solcher
einzelner zerfallender Knötchen hervorgeht. Man sieht stets
in der ersten Zeit die distincten Krusten, welche den Centren
der einzelnen Knötchen entsprechen ; und bei vollständiger
Confluenz jedesmal noch den peripheren Infiltrationssaum.
Unter denselben Verhältnissen kann es zur Bildung von
Eiter-Bläschen und Blasen (Herpes und Pemphigus
isyphiliti cu s) kommen, bei deren Verkrustung wieder das
Rand- und Grundinfiltrat das charakteristische Bild ergänzt.
Die syphilitischen Hautgeschwüre sind bekannt-
lich von charakteristischem Aussehen. Dieses verdanken sie
einzig \mä allein der Constanz jener Eingangs hervorgehobenen
drei Momente.
Es gibt nämlich kein syphilitisches Greschwür ohne vor-
herigen Knoten; das G-eschwür ist ein Substanzverlust des
Knotens selber. Da nun dieser stets im Centrum zuerst ulcerirt,
so ist das Geschwür von der peripheren Masse des Knotens
umgeben , und weil diese gegen das Centrum hin im Zerfall
begrifiPen ist, so erscheinen Rand und Grund des Geschwüres
speckig belegt, der Rand noch überdies scharf abgesetzt und
doch zackig, etwas unterminirt und derb.
Auf dem Geschwüre bildet sich auf bekannte Weise eine
Kruste. Nun kömmt die Masse zum Zerfall, in welche das
centrale Geschwür gleichsam eingebettet ist, und liefert dabei
vorerst Flüssigkeit , durch welche die centrale Borke etwas
gehoben wird, und später eine Borke, die unter der ersten
gelegen ist , diese aber zugleich in der Peripherie überragt.
Anstossend an diese nach aussen ist aber inzwischen eine neue
Infiltrationszone entstanden, in welcher jetzt das zweite Ge-
schwür ausgegraben ist — und so fort — so haben wir das
fertige Bild der Rupia syphilitica. Als deren äussere
Kennzeichen demnach : eine centrale erhöhte Borke , die von
dachförmig abfallenden und tiefer gelagerten, zugleich auch
094
Vierundvieraigste Vorlesung.
grösseren Borkenringeii umgeben ist, nnd an der äussersten
Peripherie noch einen Infiltrationssaum, nach Abheben der
Borke ein, wie eben charakterisirtes Geschwür.
Bei der sogenannten Rupia non syphilitica, bei
welcher die Borken ebenfalls durch peripheres Fortschreiten
des Gewebszerfalles entstehen, z. B. an einem Ulcus cruris e
varicibus; oder in Folge einer auf dieselbe Weise fortschrei-
tenden oberflächlichen Exsudation, z. B. bei Excoriation, oder
Pemphigus circinatus, fehlt eben jener periphere In-
filtrationsring — also gerade ein wesentliches Moment der
Syphilis.
Wenn ein syphilitisches Geschwür im Weiterschreiten be-
reits einen gewissen Umfang erreicht hat, dann bildet sich die
periphere specifische Infiltration in der Regel nur in drei Viertel,
oder einem Theile des Kreises. Dadurch ist es möglich, dass
der von einer neuen Infiltration verschonte Theil des Geschwüres
durch Granulationen, welche von dem anstossenden gesunden
Gewebe ausgehen , verheilt , vernarbt. In der anderen Richtung
jedoch, wo eine neue specifische Infiltration sich gebildet
hat, kommt es zum Zerfalle. Und so haben wir die bekannte
Nierenform des Geschwüres. Eine dem Umbo entsprechende
Narbe, peripher ein Infiltrat, und zwischen beiden ein Geschwür,,
welches gegen die Narbe zu verflacht, gegen die Infiltration
hin einen steilen, speckigen Rand zeigt.
Und reihen oder gruppiren sich nun mehrere solche Ge-
schwüre aneinander, so resultirt ein Bild, bestehend aus cen-
tralen Narben, an welche sich eine fortlaufende Reihe von
Geschwüren anlehnt, deren steile convexe Ränder nach aussen
liegen, weil sie hier wieder an die zumeist peripher gelegene
Summe der einzelnen Infiltrate angrenzen. Wir haben das Bild
der serpiginösen syphilitischen Geschwüre.
So kann man an den eminentesten klinischen Formen
der syphilitischen Hauterkrankung das Gesetz erhärten, dass
jedes Syphilid aus einer scharf begrenzten Zelleninfiltration des
Coriums und des Papillarkörpers besteht, also ein Knötchen
oder einen Knoten von unterschiedlichem Umfange darstellt,
und dass alle äusseren Variationen der Syphilide aus dem
gesetzmässigen Verlaufe der Zelleninfiltration hervorgehen, dem-
gemäss die Formelemente der letzteren zur Resorption oder
zum eiterigen Zerfalle gelangen, und zwar stetig, von den
Syphilis cutanea.
695
relativ ältesten, den centralen Partien her, gegen die jüngsten,
die peripheren.
Wo diese Factoren sich nicht vorfinden, da hat es kein
Syphilid gegeben, oder hat es zu sein bereits aufgehört, d.h.
da ist es bereits geschwunden.
Nur in der Roseola syphilitica fehlt das Infiltrat, weil
sie eben eine Vorstufe der Papel bildet, und in dem klein-
pustulösen Syphilid, dessen mittlerer Antheil von einem Fol-'
likel eingenommen wird, ist wegen des geringen Umfanges des
compacten Efflorescenzantheiles das Infiltrat klinisch schwieriger
zu demonstriren.
Nach dieser allgemeinen Charakteristik der Syphilide und
ihrer Typen, kann ich die Beschreibung der einzelnen Exanthem-
formen kürzer fassen, da ja die wesentlichen Charaktere und
unterscheidenden Merkmale gegenüber den nichtsyphilitischen
Hautkrankheiten, wie eben besprochen wurde, bei allen die
gleichen sind.
Nach der vorwiegenden Morphe der syphilitischen Haut-
exantheme unterscheidet man von denselben:
Roseola syphilitica (Syphilis cutanea maculosa,
Maculae syphiliticae) , besteht aus linsen- bis fingernagelgrossen,
runden, ovalen, blassrosa bis blaurothen , flachen oder massig
vorspringenden, unter dem Fingerdruck erblassenden, distincten,
aber nicht scharf marginirten, im Centrum mehr als an der Peri-
pherie tingirten, ja dort zuweilen papulösen Flecken, welche
nicht jucken und vorwiegend am Stamm und an den Beugen der
Extremitäten localisirt sind. Sie bestehen in der Grösse, als
sie aufgetaucht sind, ohne mit nachbarlichen zu confluiren.
Tage, Wochen, 2 — 3 Monate, und verschwinden dann ohne
Schuppung und ohne Spur zu hinterlassen, mit der zeitweiligen
Ausnahme von Pigmentirung. Roseola non syphilitica
unterscheidet sich von diesem Exanthem durch die rasche
G-rössen- und Formveränderung der Efflorescenzen ; Herpes
tonsuransmaculosus durch die deutliche Schuppenbildung ;
Pityriasis versicolor durch die Möglichkeit, deren
Flecke wegzukratzen (und beide durch ihren Pilz).
Roseola syphilitica erscheint zumeist als erstes manifestes
Symptom der constitutionellen Syphilis, 6—12 Wochen nach
erfolgter Infection, oder als Recidivsymptom innerhalb des.
ersten Jahres, selten noch im 2.-3. Jahre, und dann als
C96
Vienindvierzigste Vorlesung.
grossflecldges, oder liöclist selten als annuläres, in. Form vou
kreuzer- bis thalergrossen , persistirenden rothen Elreisen (Ro-
seola syph. annularis), niemals aber in den späteren Jahren.
Die Roseola der Frühperioden ist oft mit Papeln unter-
mengt (maculo-papulöses Syphilid), oder in einzelnen
Flecken mit centraler papnlöser Erhabenheit combinirt.
Das papulöse Syphilid, Syphilis cutanea papulosa,
tritt als grosspapulöses und kleinpapulöses auf.
Das grosspapulöse oder lenticuläre Syphilid be-
steht aus linsengrossen und grösseren, scharfbegrenzten, braun-
rothen, derben, etwas hervorragenden, glänzenden Knötchen,
welche nach der früher besprochenen Weise vom Centrum nach
der Peripherie fortschreitend sich vergrössern und involviren,
dabei Schuppen und Krusten bilden und mit Hinterlassung
eines atrophischen, anfangs pigmentirten, später weissglänz enden
Grrübchens schwinden. Indem in der Regel gleichzeitig Efflore-
scenzen aller Entwicklungs- und Involutionstadien zugegen
sind (Polymorphie), so ist die Diagnose des lenticulären
Syphilides ziemlich leicht.
Dasselbe bildet ebenfalls häufig die erste , und dann mit
Roseola untermischte Eruption der constitutionellen Syphilis
und die häufigste Form der Recidiv-Eruptionen innerhalb der
ersten 5 — 10, oder selbst noch der späteren Jahre. Je näher
der Frühperiode, desto mehr universell, je mehr der Spät-
periode angehörig, desto mehr nur auf einzelne Regionen be-
schränkt ist dasselbe , so dass aus diesen Verhältnissen auf
den Zeitpunkt der Infection zurückgefolgert werden kaim.
Bei universeller Verbreitung ist das Exanthem ziemlich
gleichmässig verstreut, aber an gewissen Oertlichkeiten doch
dichter gedrängt oder gruppirt; auf der Stirne (Corona venerea),
in der Naso-Labialfurche, um die Nasen- und Muudöffnung, an
den Gelenksbeugen, an den gebähten Hautstellen der Achselhöhle,
der Mammalfurche, der Leistenfurche, ad Genitalia et ad anum.
Dieselben Stellen, sowie der behaarte Kopf, sind der häufigste
Sitz von den regionären Recidiv-Eruptionen der späteren Syphilis-
periode. Bei der letzteren sind die Papeln öfters gruppirt oder
in Kreisen angeordnet. Ihre Diagnose gegenüber von Lupus
stützt sich besonders auf die Symptome des regelmässigen cen-
tralen Schwundes und das Fehlen von tief eingesprengten
(Lupus-) Knötchen — abgesehen von den anderen Symptomen
Syphilis cutanea.
697
des Ansehens und des Verlaufes. Aucli pflegen da einzelne
Papeln über den gewöhnlichen Umfang hinaus, bis zu dem
eines Thalers und darüber sich auszubreiten und da der cen-
trale Schwund damit gleichen Schritt hält, ßingform zu bilden
— Syphilis papulosa orbicularis, die von Herpes ton-
surans, Eczema margin a tum und Psoriasis annu-
laris oft sehr schwer zu unterscheiden ist.
Von den besonderen Localisationsformen desselben, die
zugleich häufige ßecidivformen der Syphilis darstellen^
sind hervorzuheben:
Papeln der Mundwinkel und der Uebergangs-
falten der Zehen, welche zu speckig belegten, steürandigen,
charakteristischen, schmerzhaften ßhagaden einreissen.
Papeln der Flachhand und Fusssohle —
Psoriasis palmaris et plantaris — deren mit einem
allgemeinen Exanthem combinirten Frühformen aus dissemi-
nirten , oft auch in Kreislinien gestellten Knötchen zusammen-
ffesetzt sind, und deren als ßecidive auftretende und Jahre
hindurch sich erhaltende Spätformen durch difiFuse Ver-
schmelzung der Knötchen, tiefe Infiltration, dicke Schwielen-
und ßhagadenbildung das als Psoriasis Cornea bekannte
Krankheitsbild formiren. Ihre Charaktere und unterscheidenden
Merkmale gegenüber Keratosis non syphilitica (Eczem, Psoriasis
vulgaris, Ichthyosis) sind bereits (pag. 692) hervorgehoben
worden.
Breite Condylome, Papulae latae, Plaques muqueuses,
Feuchtwarzen, sind pfennig- bis thalergrosse, scheibenförmige,
plateauartig vorspringende , derbe , an der Oberfläche mit
grauem Detritus belegte, eine viscide Flüssigkeit secernirende
Geschwülste, welche an allen durch gegenseitigen Contact von
HautMten gebähten Stellen aus Papeln sich herausbilden,
demnach vorwiegend an den weiblichen Schamlippen und
in deren Umgebung , der SchenkeUeistenfalte , am Perinaeum,
ad anum, am Scrotum und Penis, in der Mammalfurche und
in der Achselhöhle vorkommen. Ihr Secret ist in hohem Grrade
ansteckend.
Die breiten Condylome stellen aber nicht nur ein Symptom
der constitutionellen Syphüis und sehr häufig ein Recidiv-
Symptom derselben , sondern auch zuweilen , gleich dem
Schanker, oder der Sclerose, einen Primärafi'ect vor, indem
698
Vierundvierzigste Vorlesung.
dieselben, wie die Papel, als solche übertragbar sind. Man
kann daher bei Gegenwart eines, oder einzelner breiten Con-
dylome, z. B. am Mundwinkel, oder ad anum eines Säxiglings,
an der Warze einer Amme nicht sofort entscheiden, ob dies ein
Recidiv einer schon älteren, oder den Primäraffect einer vor
2—3 Wochen überimpften Syphilis bedeutet.
Das kleinpapulöse Syphilid — Liehen syphili-
ticus — bildet mohnkorn- bis stecknadelkopfgrosse, derbe,
fast durchwegs in Gruppen und Kreislinien gestellte, derbe,
oft mit kleinen Pusteln gekrönte Knötchen, nach deren unter
starker Schuppung erfolgender Involution seichte Atrophie-
Grübchen der Haut zurückbleiben. Es erscheint selten uni-
versell als erstes Exanthem, oder Früh-Recidive, und da meist
mit lenticulären Papeln untermischt, was seine Diagnose
gegenüber von Liehen scr op hulo sorum (pag. 398) und
Liehen ruber sehr erleichtert. Als Recidivform localisirt
sich dasselbe vorwiegend auf die Gelenksbeugen und um die
Mundöffnung und Augenhöhlen. Das universelle kleinpapulöse
Syphilid ist äusserst hartnäckig, recidivirt oft als solches und
findet sich meist bei kachektischen Individuen, oder führt zu
Marasmus.
Das pustulöse Syphilid wiederholt alle Formen des
papiüösen Syphüides , aus dessen Knötchen es durch eiterige
Schmelzung des Infiltrates hervorgeht. Es erscheint daher auch
nach den zwei Typen desselben als gr osspustulö ses und
kleinpu stulöses.
Das grosspustulöse Syphilid (Variola, Acne, Im-
petigo syphilitica) besteht aus schrotkorn-, erbsen- bis bohnen-
grossen, eiterhaltigen Efflorescenzen , neben denen zumeist auch
Papeln ohne Pustelkrönung sich vorfinden. Die Pusteln smd
flach und von einem braunrothen, derben, glänzenden, erhabenen
Rand umsäumt , d. i. von dem jüngsten Theile der ihre Basis
bildenden Papel. Sie vertrocknen zu Krusten , nach deren Ab-
fallen die im Centrum deprimirte und charakteristische Papel
vorliegt.
In universeller Verbreitung bildet das grosspustulöse
Syphilid die erste, in der Regel fieberhafte, oder eine Recidiv-
Eruption der Früh-Syphilis. Es wird merkwürdiger Weise
nicht selten für Variola diagnosticirt, ein Lrrthum, der nur
möglich ist, wenn man den Charakter der Pusteln, deren
Syphylis cutanea.
699
Untermengung mit Papeln, das Fehlen von Stippclien und eines
Stadiums wasserheller Bläschen und den von Blattern so ganz
und gar verschiedenen, den auf Monate protrahirten Verlauf
übersieht. Die Eecivdiformen der späteren Syphilis-Periode sind
durchwegs regionär beschränkt und wie die correspondirenden
Knötchenformen gruppirt, oder orbiculär gestellt. Bei der
Localisation an der Nase und Stirne sind sie schwierig von
Acne und Lupus, auf dem Capillitium von Eczema impe-
tiginosum, an den Unterextremitäten, wo ihre Basis oft
lividbraun, von Acne cachecticorum zu unterscheiden.
Aus peripher bis zu Kreuzer- und Thaler - Umfang sich
vergrössernden und successive pustulös werdenden Papeln
entstehen Formen , die bei grosser centraler Pustel , als P e m-
phigus syphiliticus, im Stadium der centralen Krusten-
bildung und zonenförmiger Anreihung von Krusten- und
Pustelringen, als Rupia syphilitica, nach Verheiluug des
Centrums als Syphilis annularis pustulosa bekannt sind.
In all' diesen Formen gibt die ohne vorangehende Bläschenbildung
entstehende Pustel-Formation , der Anblick der Ulceration,
oder Atrophie nach Abhebung der Krusten und das scharf-
begrenzte Randinfiltrat den diagnostischen Unterschied
gegenüber von den morphologisch ähnlichen nichtsyphilitischen
Processen: Pemphigus vulgaris circinatus et rupia-
formis, Eczem- und Excoriationspusteln, Herpes
Iris und H. tonsurans vesiculosus.
Das klein p US tu löse Syphilid erscheint, wie das seine
Grundlage bildende Kleinknötchen-Sy23hilid, stets in Form von
gruppirten und in Kreislinien gestellten, miliären bis steck-
nadelkopfgrossen Eiterbläschen und unter den gleichen Ver-
hältnissen. Dessen Difi'erentialdiagnose gegenüber von Liehen
scrophulosorum ist zuweilen nur unter Berücksichtigung
von entfernteren Umständen, am leichtesten allerdings bei Ge-
genwart von lenticulären Papeln möglich.
Wie die Prognose des lenticulären Syj)liilides im All-
gemeinen günstiger ist, als die des Liehen syphiliticus, so auch
die des grosspustulösen besser, als die des kleinpustulösen.
Das Knoten - Syphilid, Syphilis cutanea g u m m a-
1 0 s a , besteht aus grösseren Knoten , welche nach ihrem
primären und vorwiegenden Sitze als cutane und subcutane
Grummaknoten unterschieden werden können. Sie bilden durch-
700
Vierimdvierzigste Vorlesung.
wegs , mit seltenen Ausnalimen , Formationen der späteren
Syphilis-Periode und beschränkter Localisation. Die ctitanen
Knoten sind erbsen-, bohnengross und grösser, zum Theile
discret, meist in Gruppen gestellt — S. corymbosa, Syphilide
en grappe , — oder in Kreis- und Bogenlinien angereiht —
S. serpiginosa. Diese Formen haben die grösste Aehnlich-
keit mit Lupus serpiginosus, von dem sie durch die
schon wiederholt besprochenen positiven Eigenschaften und das
Fehlen der lupösen Einsprengungen in der centralen narbigen
Area unterschieden werden können.
Die subcutanen Knoten, eigentliche Grummata, bilden
anfangs erbsen- , haselnussgrosse und grössere , rundliche und
bewegliche, später, nach Hineinwuchern in die Cutis selbst,
an diese fixirte , länglich runde , derbelastische , bei Druck
schmerzhafte Knoten. Die Ofummata schwinden im Verhältnisse
zu ihrem Umfange nach Wochen oder Monaten durch Atrophie
und Eesoi-ption, die subcutanen unter Einsinken der centralen
Partie , wobei sie eine bisquitähnliche G-estalt wahrnehmen
lassen.
Das uiceröse Syphilid geht aas eiteriger Schmelzung
der Knoten hervor. Die syphilitischen Greschwüre
charakterisiren sich durch grosse Schmerzhaftigkeit und die
schon früher (pag. 693) geschilderte specifische Form und Be-
schaffenheit, und erscheinen je nach dem dort erörterten Gange
der Infiltration rund, nierenförmig , serpiginös und ' rupia-
förmig. Weniger typisch geformt sind die aus subcutanen
Gummaknoten hervorgegangenen Geschwüre , weil jene nicht
so regelmässig zu einander gestellt sind, wie die cutanen
Knoten.
Wegen der rapiden Destruction der Gewebe ist das
uiceröse Syphilid von der grössten praktischen Wichtigkeit,
namentlich mit Rücksicht auf die besondere Dignität des be-
fallenen Körpertheiles, wie der Nase, der Lippen, des Gesichtes
überhaupt. Hier, wie am behaarten Kopfe führen sie oft zu
Necrose des unterliegenden Knorpels und Knochens ; an den
Händen und TJnterextremitäten durch complicative Entzündung
zu chronischem Oedem und elephantiatischer Hypertrophie und
Mutilationen. Im Uebrigen ist die Prognose des ulcerösen
Syphilides nicht ungünstiger als die der anderen Syphilide.
Syphilis cutanea.
701
Syphilis cutanea vegetans (f ramboesiaformis) stellt
papillomartige, rothe, drusige, warzige Auswüchse vor, welche
über excoriirten oder exulcerirten Papeln, oder Grummaknoten sich
erheben. Ihr häufigster Sitz sind die Naso-labial-Furchen, die
Mundwinkel, die der Bähung ausgesetzten Hautfarchen der
Scham-Leistengegend, der Mammalfalte , seltener auch andere
Körperstellen. Die warzigen Auswüchse haben hier keine
andere Bedeutung, als die bei nicht syphilitischen Entzündungs-
vorgängen, Elephantiasis Arabum, Sycosis, Lupus und anderen
Processen entstehenden Vegetationen, die schon (pag. 548)
besprochen worden sind, und dieselben können als „syphilitische"
nur insoferne xmd so lange angesprochen werden, als eben
das syphilitische Infiltrat (Papel, Grumma) ihre Basis darstellt.
"Wenn dieses geschwunden ist, dann ist eine solche Diagnose
nicht möglich, da die warzigen Auswüchse weder klinisch,
noch histologisch wie Syphilis, sondern wie Bindegewebs-Neu-
büdungen sich verhalten.
Bei hereditärer Syphilis erscheint entweder schon bei der-
Greburt, oder innerhalb der ersten drei Lebenswochen (selten
später) ein Syphilid, welches sich nicht wesentlich von
dem der erworbenen Lues unterscheidet. Dasselbe ist meist
ein maculo-papulöses Exanthem mit ßhagaden - Bildung am
Mundwinkel, ad anum, an den Interdigital-Falten , seltener
ein pustulöses Syphilid, unter der Eorm grösserer, auf exul-
cerirten , flachen Papeln sich erhebender Eiterblasen — Pem-
phigus syphiliticus. Eigenthümlich , zugleich charakteristisch
für hereditäre Syphilis ist eine diffuse Infiltration der Fusssohle
und Flachhand , deren Hautdecke dabei gleichmässig braunroth,
trocken, atlasartig glänzend, da und doit rhagadisch erscheint.
In den späteren Jahren ererbter Syphilis kommen die
gleichen gummösen Knoten und deren Ulcerationsformen vor,
wie in der Spätperiode ererbter Syphilis.
Die T h e r a p i e der Syphilide fällt im Allgemeinen mit der
jenigen der constitutionellen Syphilis zusammen, als
deren Symptom sie ja erscheinea. AU' diejenigen Mittel und
Behandlungsweisen , welche die specifische Bluterkrankung zu
beseitigen vermögen , bewirken in Einem auch das rasche Ver-
schwinden des syphilitischen Hautexanthems und verhüten auch
dessen Pv,ecidive nur in dem Masse , als sie die constitutionelle
Erkrankung dauernd zu beheben vermochten.
702
Yierunavierzigste Vorlesung.
Diese Heilmittel und Beliancllungsweisen sind bekanntlich :
Quecksilber, das dem Blute en- und hypodermatiscli , sowie
durcli den Verdauungstract in verscbiedener Form und Weise
einverleibt wird, als mittels Einreibung des Unguent. cinereum,
subcutaner Injection von Sublimat, Calomel-Suspension, Pep-
tonf[uecksil . er (Bamberoer), Sublimatbädern, innerlichen Ge-
brauches von Sublimat, Proto- tind Dentojoduretum Hydrargyri,
Calomel und anderer Quecksilberverbindungen, ßäucherungen
mittels Zinnober; ferners interne: Jodkalium, Jodnatrium,
Jodoform und Jodquecksilberverbindungen; endlich: Decoct.
Zittmanni, Dec. Pollini und Jodeisenverb indangen. Bezüglich
all' dieser Methoden und Mittel, sowie ihrer speciellen Indi-
cationen muss ich auf die bekannten Lehrbücher über Syphüis
verweisen , da bei deren Erörterung nicht nur die specifischen
Hautaffectionen, sondern die Erkrankungen auch aller anderen
Organe und Systeme des Körpers mit in Betrackt gezogen
werden müssen.
Dagegen wäre hier der Ort hervorzuheben , dass öfter
Gelegenheit, ja dringender Anlass geboten ist, die syphilitische
Hauterkrankung örtlich zu behandeln, ohne Rücksicbt auf den
HeilefFect, den eine gleichzeitige antisyphilitische Allgemeincur
allenfalls auf dieselbe ausüben mag. So darf man speciell bei
ulcerösem Sj^philid der Nase und der Gesichtstheile überhaupt
nicht erst die Heilwirkung einer Allgemeincur abwarten, da
auch im günstigsten Falle bis zum vollen Eintritt derselben so
viel Zeit verstreicht, dass innerhalb derselben dem Destructions-
process wichtige Gebilde, z. B. die Nasenscheidewand, der
Nasenflügel, zum Opfer fallen. Bei örtlich drohender Gefahr muss
daher auch sofort örtlich der Process beschränkt werden.
Dies gelingt fast jedesmal durch bis in's gesunde Gewebe ge-
führte Aetzung mittels Lapis- oder Kalistift; in weniger
bedrohlichen Formen und da, wo dasselbe gut applicirt werden
kann, durch ein gut klebendes Em plastrum hydrargyri.
Letzteres ist in der Beziehung überaus verlässlich , da unter
demselben jegliche Art von Syphilid sehr prompt zur Eesorption
gelangt. Daher eignet es sich vorzüglich zur Behandlung von
chronischer Psoriasis palmaris et plantaris, breiten Condylomen,
schmerzhaften rhagadischen Papeln, Paronychia iilcerosa, von
hartnäckig bestehendem Liehen syphiliticus, grossknotigem
Syphilid und einzelnen Gumraaknoten, selbst wenn die letzteren
Syphilis cutanea.
703
bereits in Erweichung begrifPen wären. Und so heilen denn
auch die Geschwüre sehr rasch , indem das Infiltrat ihres
Grundes und E,andes unter dem grauen Pflaster schwindet.
Auch Sublimat empfiehlt sich als örtlich rasch wirksames
Mittel, bei Psoriasis palm. et plantaris in Form von Fuss-
iind Handbädern (5, ad 500); in leicht ätzender Concentration
(1,0, ad 50 Alkohol oder CoUodium) oder sub Forma der
Solut. Plenckii (Rp. Sublimat., Aluminis, Camphorae, Cerussae,
Spir. vini, Aceti Yini, ^ 5,00) gegen Plaques muqueuses.
Jodtinctur, Jodglycerin, Jodoform-CoUodium und -Salben
erweisen sich höchstens resorptionsfördernd gegen Gummata,
nicht so gegen andere Syphilidformen; ebenso ist offenen Ge-
schwüren gegenüber deren Wirkung nicht prompt genug, als
dass man nicht bei drohender Gefahr vorziehen sollte, jene
früher erwähnten verlässlichen Mittel sofort anzuwenden.
XL Classe.
Neuroses cutanea e.
FünfundYierzigste Vorlesung.
Neurosen dei?Haut, Begriff. Motilitäts- , Tropho- und Sensibilitäts-
Neurosen. Pruritus cutaneus, universalis et localis. Pruritus senilis.
Neurosen der Haut bedeuten solche Krankheiten,
welclie als eine zunächst nicht weiter definirbare Alter ation
der Hautnervenfunction, ohne gleichzeitige Structur-
veränderung der Cutis, sich kundgeben. Wir schliessen somit
von den Neurosen alle jene Processe aus , welche in deutlicher
Ernährungsstörung der Haut sich kundgeben, wenn sie nach-
weislich oder muthmasslich mit einer Alteration bestimmter
Nervengebiete zusammenhängen, wie Herpes Zoster mit
Granglienerkrankung, gewisse Pigment- und "Warzenmäler
mit dem Nerven verlaufe, Acne rosacea, Erythema multiforme
und nodosum mit Störungen des vasomotorischen Systems
(„Angioneurosen"), gewisse als diffuse Röthung („glossy skin")
und Blasenbildung im Bereiche verletzter oder gereizter Nerven-
stämme erscheinende Hautentzündungen, Ausfallen, Ergrauen
der Haare, An- imd Hyperidrosis im Verlaufe des neuralgisch
afficirten Frontalnerves u. A. Ernährmigsstörimgen , welche
als Tropho -Neurosen der Haut dargestellt Avorden sind,
aber doch keine selbständigen Krankheitsformen repräsentiren.
Als wahre Neurosen, meinen wir, könnten nur wenige
Affectionen der Haut angesehen werden, eben solche, bei
welchen die gestörte Function der Hautnerven ausschliesslich
Nexu'oses ciitaneae.
zur Manifestation gelangt. Dieselben können nach der func-
tionell dreifachen Art der Hautnerven ebenfalls als dreierlei
unterschieden werden, als: Motilitäts-, vasomotorische
oder trophische und Sensibilitäts - Neurosen, wobei
ich füglich die noch nicht spruchreife Frage nach der Existenz
trophischer Nerven wohl tinberührt lassen darf.
Als lEotilitätsneuro se der Haut wäre „Cutis an-
serina" („Gänsehaut", „peau de poule") hervorzuheben, ein
bekannter Zustand, welcher in einem Hervorgedrängtsein der
Haarfollikel zu kleinen, derben, spitzen, von Schüppchen be-
deckten, oder einem Härchen durchbohrten Knötchen am Stamme
und namentlich an der Streckseite der Extremitäten besteht.
Er ist zunächst die Folge der Zusammenziehung der Schleuder-
muskeln der FoRikel.
Die als Liehen pilaris, oder niedriger Grrad der Ichthyosis
bekannte analoge Zustand , welcher dauernd sich erhält,
wäre aber hier auszuschliessen , da man doch nicht annehmen
kann, dass die entsprechenden Muskelbündel der Follikel Jahre
hindurch in dauernder Contraction sich befänden, und wir
meinen hier nur Cutis anserina als Folge einer neurotisch
veranlassten Contraction der Arrectoren. Dieselbe kann auf
directe oder indirecte Reizung der Hautnerven erfolgen ; direct
durch calorische Contrasteinwirkungen , plötzlichen Wechsel
von Wärme oder Kälte, wobei auch andere Körpermuskeln
mitafficirt zu werden pflegen, was durch Erschütterung des
Körpers, Zittern, tiefe oder stossweise Inspiration, z. B. beim
Eintritt unter eine kalte Douche, oder ein heisses Bad. zum
Ausdruck kommt; indirect durch Beeinflussung vom Grehirn
aus bei psychischen AflPecten, Schreck, Wahn- und Realvorstel-
lungen beim Lesen, beim Ansehen von Schreckensscenen. Bei
streng logischem Vorgehen müsste allerdings selbst die Cutis
anserina als ein physiologischer Vorgang bezeichnet werden,
weil unter den aufgezählten Verhältnissen dieser Zustand bei
allen normal constituirten Individuen aiiftreten wird.
Als Trophoneurosen der Haut können vielerlei
AfFectionen bezeichnet werden, welche als durch An om allen
desNervensystems bedingte Ernährungsstörungen sich dar-
stellen, wie die Eruption des Zoster, entzündliche Vorgänge
im Verlaufe verletzter Nerven , Grangrän bei Lähmungen u. A.
Allein man zählt vorwiegend solche Vorkommnisse hieher,
Kaposi, Hautkrankheiten. 45
-jQß Fünfund vierzigste Vorlesung.
welche durch Alteration derG-efässnerven eiitstanden schei-
nen und seit Eulenbdkg und Landois als „Angioneurosen'-
gerne bezeichnet werden. Wir haben schon wiederholt
Grelegenheit gehabt, uns über dieselben zu äussern, in dem
Sinne , dass die als solche dargestellten Processe : Zoster, Acne
rosacea, Erythema, Scorbut und viele andere mit der Bezeich-
nung als Agioneurosen eben nicht erklärt sind und nicht auf-
liören difFerente klinische Formen zu repräsentiren , als
welche sie an der in der Pathologie ihnen gebührenden SteUe
besprochen worden sind.
Die Sensibilitätsneurosen erscheinen als excessive
oder verminderte Empfindung — Hyperästhesie, An-
ästhesie, — oder als qualitative Empfindungs- Alteration,
Pruritus (Hautjucken), Hyperalgesie , Analgesie, vermin-
derte Druck- oder Tastempfindung, gestörter Ortssinn, wie
solche z. B. bei Hysterie, Begleiter und Sjonptome von Er-
krankungen des Centrainervensystems uud einzelner peripherer
Nerven vorzukommen pflegen.
Unter aU' diesen Sensibilitätsneurosen ist als mehr selbst-
ständige Dermatopathie das durch einen geschlossenen Sym-
ptomencomplex sich charakterisirende „Hautjucken",
Pruritus cutaneus
hervorzuheben.
Wir bezeichnen so (nach Hebra) eine chronische
Hautkrankheit, welche durch spontan, d. h. ohne
Efflorescenzen, oder äusserliche Ursachen, wie z. B. Epizoen,
a u f t r e t e n d e s J u c k e n sich charakterisirt. Hiemit gilt aUes
durch nachweisbare Nutritionsstörungen der Haut, wie bei
Eczem Prurigo, Liehen ruber, Psoriasis etc., oder Epizoen (Lause)
bedingtes Jucken nicht als „Pruritus" im Sinne einer selbst-
ständigen Krankheit, da dasselbe hier nur ein begleitendes
Symptom und eine als physiologisch anzusehende iieüex-
erscheinung jener bestimmten Zustände darstellt.
Die in Rede stehende lästige Hautkrankheit tritt ent-
weder allgemein über den ganzen Körper verbreitet auf,
oder auf e i n z e 1 n e K ö r p er r e gi 0 n e n beschränkt.
Pruritus universalis manifestirt sich durch die quälende
Empfindung des Juckens, welche nicht continuirlich vor-
Pruritus cutaneiis. 707
handeii ist, sondern anfallsweise, melirex'e Male des Tages
nnd in der Nacht auftritt. Der Anfall von Jucken kann häufig
unter besonderen Umständen , z. B. unter dem Einfluss von
Hitze, Bettwärme, heftiger Bewegung, oder umgekehrt, bei ge-
zwungener Ruhe, wie im Theater, in Gesellschaft geweckt
werden. Psychische AfFecte haben einen zweifellosen Einfluss
auf das Jucken. Der blosse Gedanke, die Furcht dasselbe
könnte nun beginnen , es möchte , wie im Theater , keine Ge-
legenheit sein zu kratzen , genügt , um sofort den Juckanfall
hervorzurufen. Dagegen vermag die Ablenkung der Gedanken
auch den Anfall zu verhüten oder zu verzögern.
Das Jucken beginnt unregelmässig da und dort, erst wie
ein sanftes Kitzeln , welchem die Kranken einige Zeit hindurch
Widerstand leisten können; alsbald wird die Empfindung-
heftiger und sie fangen an durch Druck, oder mässiges Kratzen
dieselbe zu bekämpfen. Alsdann bricht jedoch das Jucken mit
enormer Heftigkeit los und umso intensiver, je länger dasselbe
moralisch bekämpft wurde. Es nützt alsdann nicht die grösste
Willensanstrengung, die Kranken sind gezwungen, einen Ort
aufzusuchen , wo sie ungehindert ihre Haut mit den Nägeln
bearbeiten können. Der Impetus scabendi ist so mächtig, dass
sie alle Rücksichten des Anstandes und der Verhältnisse pro
momento ausser Acht zu lassen gezwungen sind. Das Kratzen
mit den Nägeln genügt oft nicht ; sie bedienen sich zur Be-
friedigung ihrer Nervenempfindung rauher Körper, Erottir-
bürsten. Das Reiben und Kratzen als solches ist in der ersten
Zeit selbst eine Ursache für die Steigerung des Juckens , das
Erscheinen von Urticaria, und kann doch nicht unterlassen
werden.
Erst bis die Haut durch die heftigen Angrifi^e, welchen
sie von Seite der Nägel und der kratzenden Körper ausgesetzt
war, da und dort in Streifen hyperämisch, zerkratzt, blutend
geworden und die Empfindung von Brennen eintritt, hört das
Jucken auf und tritt mit einer körperlichen Abspannung auch
eine gewisse psychische Befriedigung ein. Besonders quälend
werden auch die Nächte, indem die Kranken häufig schon
beim Entkleiden einen Juckanfall durchzumachen haben, manch-
mal wohl sofort einschlafen, aber nach kurzer Zeit durch den
.Juckanfall aus dem Schlaf geweckt werden und mehrere
Stunden vom Pruritus gequält, wiederholt das Bett verlassen,
45*
708
Fiiufundviorzigste Vorlesung.
kratzen, mit kühlenden Gegenständen sich die Haut berühren^
kurzum auf alle mögliche Weise sich zu beruhigen trachten^
bis sie des Morgens ermattet einschlafen.
Auf der Haut selbst finden sich keine anderen objec-
tiven Er 8 eh einungen, als diejenigen, welche von dea
durch Kratzen veranlassten Insulten herrühren , also ganz
unregelmässig situirte, je nach ihrem Alter und ihrer Reihen-
folge verschieden dunkel pigmentirte, oder frische Kratzstriemen
und Flecke , während im Uebrigen die Haut geschmeidig und
gut transspirirend sich anfühlt. Ein anderes Mal ist mit dem
Pruritus eine im Allgemeinen mehr trockene Beschafi'enheit
der Haut verbunden, oder sistirt die Perspiration, mit Aus-
nahme der G-elenksb engen, ziemlich vollständig. Urticaria tritt
aber fast regelmässig während des Kratzens auf.
Dass im Verlaufe eines viele Monate und J ahre dauerndem
derartigen Zustandes die Kranken durch Schlaflosigkeit, manch-
mal auch durch das ätiologische Moment in der Ernährung-
herabkommen, psychisch deprimirt, oder im Gregentheil exaltirt
werden, ja bisweilen in einem Juckanfall in Gefahr der psychi-
schen Alien ation, des Selbstmordversuches kommen, ist be-
greiflich.
Die Ursache des Puritus cutaneus universalis ist in
manchen Fällen ziemlich bekannt. Als Pruritus senilis, bei
Personen des Greisenalters auftretend , mag derselbe als Folge
des senilen Marasmus gelten. Die Haut solcher Greise ist
sehr häufig well?, trocken, runzelig, braun pigmentirt. Doch
gibt es auch Fälle, in welchen die Haut keineswegs marastisch
erscheint, der Fettpolster noch ganz gut erhalten ist.
Pruritus senilis ist unheilbar und dauert bis an's Le-
bensende.
Bei Personen mittleren Lebensalters, männ-
lichen wie weiblichen Geschlechtes , kommt der Pruritus
cutaneus ebenfalls vor; bei Männern oft nachweislich mit
chronischem Gastricisraus, schlechter Verdauung, Druck in der
Magen- und Lebergegend, träger Defäcation, vergesellschaftet:
bei weiblichen Individuen in Verbindung mit Störungen im
Bereiche der Sexualsphäre, Dysmenorrhoe, klimakterischen Zu-
ständen; selten mit jeder Gravidität. Ausserdem sind in
manchen Fällen Albuminurie , Morbus Brigthii , Diabetes mel-
litus, Tuberculose, Magen- und Leberkrebs als Ursache des
Pruritus cutaueus.
709
Pruritus zu eruiren; ja in manchen Fällen geht das Haut-
jucken lange Zeit der Entwicklung eines der genannten Neu-
"bildungen voran. Selbstverständlich ist das Hautjucken, welches
mit Icterus verbunden ist, nicht als reiner Pruritus aiifzu-
fassen, sondern als mechanisch durch den in die Cutis abge-
lagerten GallenfarbstofF veranlasstes Hautjucken.
Endlich sind deprimirende GemüthsafFecte, wie die durch
liarte Schicksalsschläge , Verlust von Vermögen , theuren Per-
sonen veranlassten , zweifellos Veranlassung von Pruritus
cutaneus universalis. Es herrscht hier eine vollständige Ueber-
^instimmung mit den Verhältnissen , unter welchen auch Ur-
ticaria chronica aufzutreten pflegt.
Was die Prognose anbelangt, so kann sie nur bei
Pruritus senilis als absolut ungünstig bezeichnet werden , da
nur hier das Uebel sicher bis an's Lebensende andauert. Unter
allen anderen Verhältnissen kann der Pruritus entweder spontan
erlöschen, wenn die erwähnten ursächlichen Verhältnisse, mögen
sie somatischer, oder psychischer Natur sein , sich bessern oder
teilen. Bei der Unbestimmbarkeit dieser ist aber auch in Bezug
auf die Zeitdauer der Krankheit nichts Bestimmtes vorher-
zusagen. Es kann das Uebel immerhin viele Jahre dauern,
oder auch unheilbar sich erweisen.
Die Diagnose des Pruritus universalis ist durchaus
nicht leicht. Vor Allem muss objectiv festgestellt sein, dass
der Kranke viele Monate hindurch an Jucken leidet, was
aus den bekannten Veränderungen auf der Haut , frischen
und alten, und unregelmässig am Körper zerstreuten Spuren
■des Kratzens entnommen werden muss. Alsdann mag die
Anamnese ebenfalls den objectiven Befund bekräftigen. Nun
müssen noch alle anderweitigen, mit Jucken einhergehenden
•chronischen Krankheiten, wie Prurigo, Scabies, Hautjucken in
Eolge von Bettwanzen, Pediculi vestimentorum, ausgeschlossen .
werden. Bei den letzteren weiss man, finden sich die grossen
Excoriationen und die starken Pigmentationen vorwiegend am
Nacken und an der Sacralgegend, weil die Pediculi in den Falten
•der hier zumeist anliegenden Kleidungsstücke vorwiegend nisten.
Am schwierigsten ist Urticaria chronica und Pemphigus
pruriginosus auszuschliessen. Doch liegt an einem solchen
Irrthum nicht viel, weil diese Processe thatsächlich mit
Pruritus cutaneus nosologisch ziemlich gleichartig zu sein
rj YQ Füufundvierzigste Vorlesung.
sclieinen; wenigstens treten sie oft unter denselben ätiolo-
gischen Verhältnissen auf.
Pruritus localis stellt den Zustand des chronischen an-
fallsweisen Juckens dar , welcher auf einzelne Oertlichkeiten
beschränkt ist. Nach der betroffenen Oertlichkeit unter-
scheidet man :
Pruritus pudendorum muliebrium, Jucken, welches-
vorwiegend als Pruiritas vulvae et vaginae sich charakte-
risirt, aber alsbald auch die äusseren Genitalpartien, Labien
und Clitoris befällt und die Kranken zu dem heftigsten Kratzen,
Frottiren, mechanischen Insulten gegen die von dem heftigen
Jucken befallenen Genitalpartien veranlasst. Objectiv sind erst
in späterer Zeit neben Röthung, kartarrhalischer Secretion
der Vaginalschleimhaut , ekzematöser Verdickung der Schleim-
haut der grossen und kleinen Labien , Hypertrophie des Prä-
putium, der Clitoris, nebst mässigen Excoriationen und Krusten
zu finden. Die betreffenden Kranken zeigen sich meist exaltirt,
von allen möglichen Erscheinungen der sogenannten Hysterie
geplagt, manchmal wie nymphomanisch, ohne dass jedoch der
bis zum höchsten Sinneskitzel gesteigerte Act des Kratzens,
oder selbst der Coitus einem Juckanfall ein Ende machen würde.
Als Ursache dieses Pruritus kann irgend ein ätiolo-
gisches Moment zugegen sein, welches sonst auch Pruritus
universalis veranlassen kann; manchmal ist Pruritus der Geni-
taHen ein jahrelanger Vorläufer eines sich später entwickelnden
TJterincarcinoms.
Pruritus pudendorum marium betrifft vorwiegend
Scrotum und Perineum, das Orificium urethrae
und die Urethralschleimhaut und führt durch das
intensive Kratzen sehr bald zur Entwicklung von Eczema
scroti, durch welches die Diagnose desselben ausserordentHch
erschwert wird.
Pruritus analis betrifft den anus und dessen Circum-
ferenz, sowie das Anfangsstück der Rectumsschleimhaut. Auch
hier kommt es durch das häufige Kratzen zu Eczemerschei-
nungen copiöser Schleimsecretion vom Rectum, Wulstung und
Entzündung der Schleimhaut. Zweifellos ist der Zustand oft
mit Ausdehnung der Hämorrhoidalvenen und grösseren Hämor-
rhoidalknoten verbunden.
Pruritus palmae manus et plantae pedis, mit
Pniritus cutaneais.
711
oder olme Hj^peridi'osis dieser Tlieile ist seltener, aber eben-
falls sehr quälend.
Pruritus linguae habe ich noch nie gesehen, wird
aber von Anderen berichtet.
Zu erwähnen wäre noch, dass Duhring in Philadelphia
als Pruritus hiemalis ein Hautjucken bezeichnet, welches
bei manchen Personen, auch jugendlichen, in den Winter-
monaten eintreten und namentlich auf die Extremitäten sich
beschränken soll.
Ich halte dafür , dass dies keine eigentliche Neurose ist,
sondern eine durch die Trockenheit der kalten Atmosphäre
veranlasste Sprödigkeit der Epidermis, welche in Verbindung
mit der bei niederen Temperaturen häufig auftretenden Cutis
anserina , namentlich beim Auskleiden und Anziehen, Jucken
veranlasst.
Eür die Therapie des Pruritus universalis et localis
liegen die Verhältnisse da am günstigsten , wo Aussicht vor-
handen ist, die ursächlichen Momente der Krankheit zu beseitigen.
Bei mit Leberaffectionen und chronischem Grastricismus ver-
gesellschaftetem Pruritus erweisen sich oft Trinkcuren in Carls-
bad und Marienbad, der innerliche Grebrauch von Soda, Magne-
sia, Rheum , nebst einer zweckentsprechenden Diät heilsam.
Wo Störungen im Bereiche der weiblichen Sexualfunctionen
als Grund des Hautjuckens angenommen werden dürfen, muss
man dieselben zu beheben trachten. Liegt moralische Depression
der Affection zu Grrunde, so erweist sich oft eine Reise, der
Wechsel des Wohnortes, die Herbeiführung sexuell und geistig
befriedigender Lebensverhältnisse rettend.
Im Uebrigen wird sowohl in den unheilbaren Fällen, wie
Pruritus senilis , als in den günstigeren Formen gegen die
Anfälle von Hautjucken selbst dasjenige angewendet werden
müssen , was dieselben abzukürzen , die Juckempfindimg zu
mitigiren vermag.
Bei Pruritus universalis, wie localis, wirkt merkwürdiger
Weise Theer in der Regel sehr wenig, da er doch bei den
juckenden Hautkrankheiten, Prurigo, Eczem Ausgezeichnetes
gegen das Jucken leistet. Von einiger, wenn auch vorüber-
gehenden Wirkung sind alle jene Mittel und Verfahrungs-
weisen, durch welche die Empfindung von Kälte auf der
Haut erzeugt wird; also ätherische und alkoholische Flüssig-
712
Fünfundvierzigste Vorlesung.
keiten mit und olme Carbol-, Salicylsäure , Schwefel- und
Petroleumäther in den beliebigsten Mischungen (pag. 304), mit
welchen die Haut eingepinselt wird, so oft die Juckempfindung neu
sich regt. Seltener wirken warme Wannenbäder günstig, häufiger
noch kalte Douchen, Einhüllungen in nasse Leintücher, medi-
camentöse Bäder von Schwefel, Soda, Alaun, Sublimat.
Bei Pruritus vulvae et vaginae kann man solche medi-
camentöse Sitzbäder anwenden in Verbindung mit Injectionen
in die Vagina von lauem, oder kaltem Wasser ; ferners Alaun-,
Zink-, Tannin-Lösungen, Einlegen von in solche Flüssigkeiten
getauchten Tampons, oder Tampons, welche in Opiatsalben
getunkt worden waren, Suppositorien aus Cacao mit Laudanum,
Belladonna, Morphium, Creosot. Rp. Bu.tyri de Cacao 1,50, Lau-
dani 0,02—0,04 (Belladonnae 0,02—0,04), (Morphii 0,01—0,05).
Subcutane Lijectionen von Morphium , Chloralhydrat,
innerlicher Grebrauch der letzteren , Lihalationen von Chloro-
form sind gelegentlich anzuwenden, um das Jucken zu mildern
und Schlaf zu erzeugen.
In ganz analoger Weise wird man auch gegen Pru-
ritus analis verfahren und gleichzeitig vorhandenes Eczem
nach den bekannten Regeln behandeln.
Bei Pruritus vulvae et vaginae et analis wird der so-
genannte Scheiden- und Mastdarmkühler zweckmässige Dienste
leisten.
Lmerliche Mittel , von welchen eine umstimmende Wir-
kung auf die Nerven-Centra selbst zu erhofi'en wäre, wie
Solut. Fowleri, Atropin (Atropini sulf. 0,02, Grummi tra-
gaeanth. 1,50, Grlycerrhini, Pulv. liquir. ^ q. s. ut. f. pill. XX.
Sig. 2 Pillen täglich zu nehmen. Schwimmer), Pilocarpium muria-
ticum (subcutan 0,01), Chinin, haben sich uns theils gar nicht,
theils nur sehr vorübergehend wirksam erwiesen, gerade so
wie der innerliche Gebrauch von Carbolsäure (Acidi carbol. 5,
Pulv. et Extr. rad. Gent. ^ q. d. u. f. pill. 60. Sig. 10 Pillen
täglich).
Xn. Olasse..
Dermatoses parasitär iae.
Parasitäre Hautkrankheiten.
Sechsundvierzigste Yorlesung.
Pfla nzlieheundthieri s e he Parasiten. Allgemeines überPilze
und ilire botanische Stellung, Wirkung auf das Hautorgan. Eintheilung der
Dermatomyeosen. Speeielles: Favus, Pathologie, Therapie.
Die parasitären Hautkranklieiteii bilden den
Inhalt der letzten Classe des HEBEA'sclien Systems, zugleich
eine natürliche Krankheitsgruppe vermöge des gemeinschaft-
lichen Momentes, dass sie durch den Einfluss parasi-
tärer Organismen auf die Haut veranlasst werden.
Die bei dieser Krankheitsgruppe zu beobachtenden patho-
logischen Vorgänge des Hautorganes sind zwar wesentlich die
schon bekannten der Hyperämie, Exsudation, Entzündung,
Desquamation etc. und bedürfen als solche daher keiner all-
gemeinen Erörterung. Deren Localisation, Form und Verlauf
gestaltet sich aber in besonderer Weise nach den Lebens- und
Vegetationsbedingungen der sie veranlassenden parasitären
Organismen. Deshalb, und weil die letzteren überdies auch
selber als wesentlicher Antheil des Symptomencomplexes der
in E,ede stehenden Krankheitsformen zugegen sind, ist es
nothwendig , die Eigenschaften dieser Krankheitserreger als
ausserhalb des menschlichen Organismus stehender natur-
geschichtlicher Objecte kennen zu lernen.
Dieselben sind naturgeschichtlich zweierlei: 1. pflanz-
liche, 2. thierische Parasiten.
7U
Sechsundvierzigste Vorlesung.
Die pflanzlichen Parasiten der menschlichen
Hant gehören zur Classe der Pilze, Fungi. Sie unterscheiden
sich von den Algen durch den Mangel an Chlorophyll. Ver-
möge dieser Eigenschaft sind sie nicht im Stande unorganisches
Materiale zu assimiliren, sondern können sie nur vorbereitete
organische Substanzen in sich aufnehmen.
Eine Gruppe derselben findet sich vorwiegend auf todten
in Zersetzung begrifi'enen organischen Substanzen; man nennt
sie Fäulnisspilze — Saprophyten.
Eine zweite Gruppe vegetirt auf lebenden Organismen,
Thieren oder Pflanzen ; das sind die Schmarotzerpilze —
Parasitae.
Morphologisch bestehen die Pilze aus chlorophyllfreien
Zellfäden, Mycelien (Hyphen), welche, einfach oder verzweigt,
stellenweise im Innern durch Scheidewände abgetheilt, oft
vielfach mit einander verschlungen und verschmolzen, die
Hauptmasse des sogenannten vegetativen Theiles des Pilzes,
Thallus (Pilzrasen) oder Mycelium darstellen.
Neben diesem vegetativen Theile ist an den Pilzen
zu unterscheiden der fructificirende Theil , der in sehr
verschiedener Gestalt erscheint und das wesentlichste Unter-
scheidungsmerkmal zwischen den einzelnen Pilzarten abgibt.
Penicillium crust. Fries.
a Hyphe, & Baaidien, c Sterigmen, d fruclit-
reife Conidien.
Fig. 42.
Eine Gruppe der Pilze
wii'd als Schimmel-
pilze (Hyphomyceten)
unterschieden. Da die
Pilze , welche notorisch
Hautkrankheiten veran-
lassen, nosologisch und
morphologisch mit eben
den Schimmelpilzen in
Verbindung gebracht wer-
den , so möge als Bei-
spiel eines solchen der
gemeine Schimmelpilz,
Penicillium crustaceum
Fries , hier vorgeführt
werden (Fig. 42). Aus
dem horizontalen Mycel-
Dermatophyten. Allgemeines.
715
lager erliebt sich senkrecht die Fruchthyphe (a), welche sich
zu Basidien (b) und Sterigmen (c) verzweigt und von diesen
schnüren sich, perlschnurartig gereiht, rundliche Zellen ab —
Sporen. Das ganze aufsteigende Gebilde wird nun als Fructi-
ficationsorgan , und die einzelne Spore gewissermassen als
Frucht angesehen, weil dieselbe, abgefallen, wieder zu Mycelien
auswachsen und den Schimmelpilz sammt Frachtorgan aus
sich erzeugen kann. Je nach der Form dieses sporentragen-
den Organes nun unterscheidet man die Pilzarten als Peni-
cillium mit pinselförmiger Stellung der Sporen, Mucor mit in
einer Kapsel eingeschlossenen, Aspergillus mit kugelig auf-
gehäuftem Sporenstande u. s. f.
Ausser der Vermehrung durch ein derartiges Fructifi-
cationsorgan und mittelst Sporen findet eine Propagation der
Pilze mittelst Gronidien statt, das sind Zellen, welche im
vegetativen Antheile von den Mycelfäden auswachsen und sich
ablösen. Die letztere Propagationsweise ist die gewöhnliche
und bei allen Schimmelpilzen gleich, und nur unter günstigen
Vegetationsbedingungen kommt es zur Formation des eigent-
lichen Fructificationsorganes , durch welches die Speeles difFe-
renzirt, und der Sporen, durch welche die Art erhalten wird.
An den Pilzen der Dermatomycosen des Menschen nun
finden sich nur Mycelfäden und Gonidienvegetation , und nie-
mals Fructificationsorgane besprochener Art, und insoferne ist
es auch nicht möglich gewesen, die systematische Stellung zu
bestimmen, welche ihnen als innerhalb oder ausserhalb der
menschlichen Haut vegetirenden Pilzspecies gebührt.
Man hat sich auch ursprünglich nicht viel darum ge-
kümmert, als Pilze, zunächst bei Favus 1839 durch Schönlein
und in den darauffolgenden Jahren bei Herpes tonsurans durch
Malmsten, bei Pityriasis versicolor durch Eichstedt und noch
bei mehreren anderen Krankheiten gefunden wurden, bei
welchen dieselben sich später nicht bestätigt haben. Man
nahm stillschweigend an, dass der Pilz , wie er bei einer be-
sonderen Hautkrankheit sich vorfand, auch eine besondere
naturgeschichtliche Art repräsentire, und belegte ihn auch
darnach mit einem eigenen Namen , als : Achorion Schönleinii
(Rejiak) , der Pilz des Favus ; Trichophyton tonsurans,
Malmsten, der Pilz des Herpes tonsurans; Microsporon furfur
Ch. Robin), der Pilz der Pityriasis versicolor u. s. f.
716
Sechsundvierzigste Vorlesung.
Allein diese einfache Sachlage änderte sicli gewaltig, als
zunächst Lowe 1850 den Pilz des Herpes tonsurans als eine
Sporen bildende Form des Favuspilzes und beide als aus
einer gemeinen Schimmelart, Aspergillus, hervorgegangen er-
klärte und Hebra 1854 die Beobachtung mittheilte, dass
unter der Anwendung von schimmeligen Compressen auf der
Haut des Menschen Herpes tonsurans-ähnliche Kreise und
mitten drinnen Favus-Scutula entstehen, und dass auch genuiner
Favus mit Herpes tonsurans untermischt vorkommt. Denn dar-
nach schien es , nach Hebra , wahrscheinlich , dass der Pilz
beider Krankheitsformen zunächst von einem gemeinen Schim-
melpilz abstammen und je nach besonderen Vegetationsver-
hältnissen einmal Favus, ein andermal Herpes tonsurans, oder
beide zugleich veranlassen könne, und dass die bei diesen Krank-
heiten vorfindlichen Pilzformen nur Morphen, Vegetationsstadien
eines bekannten Schimmelpilzes darstellen.
Eine mächtige Stütze fand diese Ansicht in der von
TuLASNE (1851) entdeckten und von hervorragenden Botanikern
(Kühn, de Baby, Hoffmann) bestätigten „Pleomorphi e" der
Pilze. So wurde nämlich die neu gefundene Thatsache be-
zeichnet, dass manche Pilzarten nicht nur mehrerlei Fructi-
ficationsorgane , sondern solche auch in einer regelmässigen
Succession entwickeln, derart, dass das eine stets die noth-
wendige Vorstufe des anderen bildete, und dass somit viele
Pilzformen, die auf G-rund besonderer Fruchtformen als be-
sondere Species bis dahin gegolten hatten, als nur einem Pilze
angehörige Formgenera (de Baby) sich herausstellten.
Es war also sehr einladend, auch zwischen den Derma-
tophyten und den frei in der Natur vegetirenden Schimmel-
pilzen analoge Entwicklungsbeziehungen anzunehmen. Aber
es ist, wie ich hier sofort hervorheben will, bisher nicht ge-
glückt eine solche zu erweisen. Denn es ist trotz einzelner
scheinbarer Erfolge bisher weder gelungen durch Aussaat von
Schimmelpilzen auf die Haut hier Favus , oder Pityriasis
versicolor, höchstens Herpes tonsurans-ähnliche Kreise, oder
„mikroskopische Scutula" (Pick, Köbnee) zu erzeugen, noch
die auf der Haut vegetirenden Pilze durch Züchtung (Pick,
Lowe, Hoffmann, Neumann, Grawitz u. A.) zur Fructification
in einer bestimmten und constanten Form zu bringen, so dass
die bei solchen Züchtungen gefundenen fructificirenden Pilz-
Dematopliyten. Allgemeines.
717
formen (Penicillium, Aspergillus, Mucor u. v. A.) von den be-
deutendsten Botanikern als Producte von Verunreinigungen
der Culturen durch fremde Pilzkeime angesehen werden.
Man weiss auch, dass selbst die Erscheinung der pinsel-
förmigen Sporenabschnürung nicht genügt, um ein Pilzobject
als Speeles Penicillium anzusprechen, da viele Pilze gelegent-
lich in Pinselform Gronidien abschnüren, und es ist überdies
nach dem neiiesten Stande der Mycologie wahrscheinlich ge-
worden, dass für die Pilze gar nicht die Sporenstände, wie
bisher geglaubt wurde , das die Speeles bestimmende Pructi-
ficationsorgan darstellen, sondern, gleichwie bei den Phane-
rogamen, geschlechtliche Pructification, wie solche
für Penicillium von Brefeld nachgewiesen worden ist.
Fig. 43.
1. Micrococcus. 2. Mycothrix. 3. Zooglea. 4. Leptothrix. 5. Vibrio. 6. Bacterium (Cooco-
bacterie, Billroth). 7. Baoteridien. 8. Spirillum.
Viel complicirter noch, weil scheinbar einfacher, gestal-
teten sich die Anschauungen über die botanischen Beziehungen
der Hautpilze im Laufe der 60er Jahre, da durch Halliek auch
die niederen Pilze (Hefepilze und Schizomyceten),
in das Bereich der Pleomorphie der Pilze gezogen wurden , die
Gebilde, welche man angefangen hatte als Krankheitserreger
(Contagien) vieler infectiöser Processe, Eotz, Diphtheritis,
Cholera etc. anzusehen (Fig. 43). Halliek lehrte, dass jeder
718
Sechsundvierzigste Vorlesung.
Pilz in drei Morplien erscheine. An der Luft vegitireud
(Aerophyt) treibt er Fructificationsorgane und bildet er die
bekannten Schimmelformen (Penicillium, Aspergillus etc.). In
eine Nährflüssigkeit halb untergetaucht (Halbaerophyt)
bildet er bäumchenartige Zellensprossen — Oidiumformen,
Grliederschimmel (in Gährflüssigkeiten Oberhef e). Ganz
untergetavicht und von der Luft abgeschlossen (Anaerophyt)
platzen die einzelnen Conidien, aus ihnen schwärmen Körnchen
heraus, Micrococcus, welche durch Theilung — Schizomy-
ceten — einfache Sprossung in gährungsfähiger Flüssigkeit
echte Hefe (Unterhefe) und in Kettenform Leptothrix, Zu-
sammenballen in eine Schleimmasse Zooglea (F. Cohn), Aus-
wachsen in Stäbchenform Bacterien bilden.
Indem nun Hallier behauptete, bei jeder Pilzart diese
Morphenreihe in auf- und absteigender Linie durch Züchtung
hervorbringen zu können, bestimmte er auch für jeden Micro-
coccus den dazugehörigen aerophytischen fructlficirenden Schim-
melpilz , d. i. die Pilzspecies, und so auch für die halbanaero-
phytischen Pilzmorphen (Oidiiimformen) des Favus , Herpes
tonsurans, Pityriasis versicolor u. s. f. Es ist hier nicht der
Ort, zu erörtern , welchen Einfluss Hallier's Darstellung für
die Hypothesen von den Infectionskrankheiten und ihren
Quellen haben konnten. "Wohl aber muss hervorgehoben werden,
dass die wissenschaftliche Botanik Hallier's mycologische Aus-
führungen als nicht begründet ansieht, dass dieselben auch
mit der klinischen "Wahrnehmiing nicht harmonirten, indem
Hallier z. B. Pityriasis versicolor und Herpes tonsurans, zwei
klinisch sehr differente Krankheitsformen, von einem gemein-
schaftlichen Pilze, den dem letzteren aber verwandten Favus
von einem gesonderten herleitet; und dass schliesslich die
Botaniker sowohl, wie die Pathologen, welche die Schizomyceten
als Krankheitserreger bei Infectionskrankheiten ansehen, theils
jeden Zusammenhang derselben mit den höheren Pilzen ent-
schieden in Abrede stellen (de Bary, F. Cohn, Nägeli), theils
auf eine solche Beziehung gar nicht Rücksicht nehmen (Bill-
roth, Klebs, Fritsch), wenn sie dieselben nicht gar für thieri-
scher Art halten (Rindfleisch), oder für Zerfallsproducte
thierischer organischer Materie (Karsten).
Darum liegt für uns zunächst keine Nöthigung vor, auf
gewisse Publicationen Rücksicht zu nehmen, nach welchen —
Dermatopliyten. Allgemeines.
719
von den notorisclien Infectionskrankheiten , Variola , Syphilis
etc. abgesehen — bei vielen vor der Hand als nicht ansteckend
geltenden Hautkrankheiten, Eczem, Prurigo, Warzen vi. v. A.
Micrococcen vorkommen sollen. Denn es bleibt bezüglich der-
selben noch Alles zu erweisen : dass sie vorhanden, organischer,
oder Pilznatur und dass ihnen die Rolle von Krankheits-
ursachen zukommt.
Es geht aber auch aus den vorausgeschickten Daten
weiter hervor, dass wir in Bezug auf die Systematik der bei
den zweifellosen Dermatomycosen vorkommenden Pilze nicht
weiter gelangt sind, als zur Zeit ihrer Entdeckung, und dass
wir mit de Baky dieselben in der Morphe, als sie bei den
speciellen Krankheitsformen sich vorfinden, insolange als eben
so viele besondere Arten ansehen müssen, bis es nicht gelungen
sein wird, in unzweideutiger Weise aus denselben fructificirende
Pilze zu züchten, oder durch Aussaat von Schimmelpilzen auf
die Haut hier unbezweifelbaren Favus, Herpes tonsurans und
Pityriasis versicolor zu erzeugen.
Der anatomische Sitz der Dermatophyten ist das
epidermoidale Grewebe Epidermis, Haare und Nägel,
zwischen deren Elementen sie sich ausbreiten, und nur
selten scheinen sie in eine Epidermiszelle selber einzudringen.
Die Wirkung der in den genannten Hautschichten
vegetirenden Pilze ist eine örtliche und me ch a nis ch e,
indem ihre Elemente die Epidermiszellen auseinanderdrängen,
welche, von den unterliegenden Stratis abgehoben, zerfallen
und mit ihren Zerfallproducten der Ernährung des Pilzes
dienen. Sicher können die Pilze nur unter Zutritt von Luft ge-
deihen und nehmen sie Stickstoff der Gewebe auf. Die Erage
jedoch, ob sie die Bestandtheile der in Zersetzung begriffenen
Gewebe assimiliren, oder diese, gleich einem Fermente, direct
zersetzen, ist noch mehr strittig , als die über die directe oder
indirecte Beziehung der Hefe- Vegetation zur Alcoholgährung.
Ihre fernere Wirkung besteht in der Erregung von Hyper-
ämie (Rothe), Exsudation (Bläschen, Schuppung) und Eiterung
(Pusteln), seltener Entzündung und Abscedirung. Alle diese
Wirkungen sind als mechanische, vielleicht zum Theile chemische,
aufzufassen, gleichwie von anderen mechanisch oder chemisch
720
Sechsundvierzigste Vorlesung.
die Haut irritirenden Schädlichkeiten, und niemals ist ein
nachtheiliger Einfluss auf die Constitution und die Functionen
des Körpers von Seite der Dermatopliyten beobachtet worden,
oder theoretisch anzunehmen.
Ausbreitung und Verlauf der Dermatomycosen be-
grenzen und beschränken sich mit der Pilzvegetation. Die
meisten Formen verlaufen chronisch. Ihre Prognose ist
durchweg günstig, da wir jederzeit in der Lage sind sie durch
eine Therapie zu beseitigen, welche die Pilzvegetation ver-
nichtet und in Anbetracht des bei allen Formen gleichen
anatomischen Sitzes des Dermatophyten auch bei allen prin-
cipiell gleich ist.
Allgemeine Ursachen für die Entstehung von Der-
matomycosen bilden erfahrungsgemäss solche äussere Verhält-
nisse, welche dem Gedeihen von Schimmelpilzen günstig sind;
nebstdem die schon im Parasitismus ausgedrückte Contagio-
sität, welche für die meisten Dermatomycosen überdies
klinisch und experimentell erwiesen ist, und endlich eine ge-
wisse individuelle Disposition des Hautorganes, welche
nicht für die experimentelle, wohl aber für die gelegentliche
Haftung der Dermatophyten Greltung zu haben scheint.
Die Diagnose der Dermatomycosen stützt sich zunächst
auf die Erkenntniss der prägnanten klinischen Symptome.
Wissenschaftlich, und in gewissen Stadien der Krankheit auch
praktisch, ist der mikroskopische Nachweis des Pilzes noth-
wendig. Der Letztere kann von den Favus - Scutulis ohneweiters
entnommen und unter dem Mikroskope erkannt werden. In
den Haaren und Epidermisschichten wird der Pilz unter dem
Mikroskope erst sichtbar, nachdem jene zerzupft, oder durch
Kalilösung (1 : 30) aufgelöst worden.
Indem ich von allen Krankheitsprocessen absehe, bei
welchen zwar Pilze behauptet (wie bei Alopecia areata erst
jüngst von Eichhorst und bei Psoriasis von Lang), aber nicht
bestätigt, oder zweifellos gesehen worden sind (Impetigo con-
tagiosa) , aber eine ätiologische Beziehung zwischen Pilz und
Dermatose nicht erwiesen ist, bleiben als zweifellos durch einen
parasitischen Pilz veranlasste und klinisch wohl charaktensirte
Favus.
721
Hautkrankheiten , wahre
Dermatomycosen,
anzuführen: 1. Favus, mit dem Pilze Achorion Schönleinii.
2." Herpes tonsurans, mit dem Pilze Trichophyton
tonsurans Malmsten, zu welchem noch als specielle Formen
Onychomycosis, Sycosis parasitaria und Eczema
marginatvim gehören. 3. Pityriasis versicolor, mit
dem Pilze Microsporon für für, Eichstedt.
Favus,
Tinea favosa (Teigne faveuse) , Porrigo lupinosa s. favosa,
ist eine von Alters her und auch im Volke als ansteckend
geltende Krankheit (daher „Erbgrind"), welche zumeist auf
dem behaarten Kopfe, seltener an nicht behaarten Körperstellen
und in der Nagelsubstanz sich localisirt und an den erstge-
nannten Oertlichkeiten vorzüglich durch die Bildung linsen-
bis pf enniggrosser, schwefelgelber, gedellter iind
von einem Haare durchbohrter Scheiben, der soge-
nannten FaviTS-Scutula, sich charakterisirt , mit deren
Eigenschaften wir uns zunächst bekannt machen müssen.
Bei Favus des behaarten Kopfes kann man die
Bildung des F a v u s - S c u t u 1 u m s sehr gut studiren. Es entsteht
als ein gelbes Pünktchen unter der Epidermis und ringsum
ein austretendes Haar, wächst binnen einigen Wochen zu Linsen-
grösse heran und erscheint nun als schwefelgelbe, durch die
Oberhaut durchscheinende, gedellte und von einem Haare durch-
bohrte Scheibe. Stösst man mittelst eines stumpfen Instru-
mentes ihre Epidermisdecke an der Peripherie der Scheibe ein,
so kann man das Favusindividuum , den Favuskörper , als
Ganzes aufklappen und, wenn ringsum abgelöst, längs des es
durchbohrenden Haares abziehen. Dasselbe erscheint als ein halb-
kugeliger, schwefelgelber Körper, dessen obere, in der Mitte
gedellte Fläche mit einer Epidermisdecke innig verfilzt, dessen
untere, halbkugelige Fläche glatt, feucht, epidermislos ist und
dessen Masse unter dem Finger leicht zerbröckelt werden kann.
An der Stelle des ausgehobenen Favuskörpers bleibt ein©
muldenförmige Vertiefung mit rother, nässender Basis zurück,,
welche nach wenigen Minuten durch Aufquellen der von dem
Druck befreiten Epidermisschichten sich ausgleicht.
Kaposi, Hautkrankheiten. 46
<Y22 Seclisundvicrzigste Vorlesung.
Die scutulöse, oder urceoläre Form bildet zugleich
die Primärform des Favus. In jeder HaarfoUikelmündung be-
findet sicli ein trichterförmiger Raum präformirt, indem die
obersten Eindermislagen horizontal an das austretende Haar
sich fügen, während die tieferen Epidermisschichten nach der
Tiefe des Follikels abbiegen. In diesem Räume sammeln sich
am leichtesten Exsudate, und eben da ist es, wo die zufällig,
oder durch Impfung eingepflanzten, oder aus der Follikeltiefe
herauswuchernden Pilze zu compacten Körpern heranwuchern.
Da die obere Epidermislage an die Cuticula des Haares fest-
geheftet ist, kann sie nächst diesem nicht durch die Pilzmasse
vorgewölbt werden, daher bleibt diese hier flach, oder gedeUt.
Nach der Tiefe, der Richtung der weichen, comprimirbaren
Retezellen jedoch vermag die Pilzwucherung sich auszudehnen
und gestaltet sich daher der Favuskörper halbkugelig.
So zwischen die Epidermisschichten eingekapselt können
die einzelnen Favus - Scutula lange Zeit liegen bleiben , ohne
durch Kratzen, Kämmen u. s. w. abgelöst zu werden. Mehrere
nachbarliche Favus-Scutula können bei ihrem fortschreitenden
Wachsthum aneinanderrücken,^ ohne noch ihren Einzeltypus
einzubüssen. Nach längerer Dauer werden steUenweise die
Epidermisdecken theils durch das Wachsthum der Favusmassen,
iheils spontan durchbrochen, oder abgelöst und die Favus-
massen treten frei zu Tage, trocknen ein, verHeren ihre ge-
sättigte, schwefelgelbe Farbe und erscheinen dann als gelbHch-
weisse, oder mörtelartige, ziemlich harte, trockene, unregel-
mässig höckerige, bisweilen bis centimeterdicke Auflagerungen —
Favus suberinus, turriformis.
Neben den charakteristischen Erscheinungen der in Scutulis
oder frei zu Tage liegenden Favusmassen ist als Symptom
der Krankheit noch hervorzuheben, dass in ihrem Bereiche die
Haare glanzlos, wie bestäubt erscheinen, leicht ausziehbar sind
und der Favusherd nach Schimmel riecht.
Im weiteren Verlaufe kommt eszu consecutivenVer-
änderungen, welche zunächst daher rühren, dass die Elemente
des Favuspilzes von dem geschilderten Follicularnest aus auch
zwischen die Zellen der Haarwurzelscheiden bis an den Grund
des Follikels hineinwuchern, von da in die Haarzwiebel und in
den Haarschaft selbst verschieden hoch hinaufdringen, und
auch seitlich von den Wurzelscheiden aus in den Haarschaft
Favus. 723
gelangen (Fig. 44). Die hier wuchernden Pilze verursaclien in
der ersten Zeit Lockerung, später Ausfallen der Haare und
endlich Atrophie der Haarpapillen , womit eine Verödung der
letzteren, somit örtlich bleibender Haarverlust verbunden ist.
Fig. 44.
Favus.
u Haarzwiebel und Haarschaft, b Haarwiirzel«cheiden, durohgehends von Myoelien und
(jonidien durchsetzt.
Dazu kommt, dass die zwischen den Epidermiskapseln einge-
lagerten Favus-Scutula Monate und Jahre hindurch einen Druck
auf die unterliegenden Papillen ausüben und somit deren
46*
724
Sechsundvierzigste Vorlesung.
Schwund bewirken. So acquirirt die Haut ein narbig atro-
pbisches, glänzendes, follikel- und haarloses, kahles An-
sehen, wobei höchstens einzelne von der Affection nicht direct
betroffene Follikel und Haare zurückbleiben. Von Einzelnen
wird sogar Schwund der Schädelknochen in Folge des Druckes
von Seite der Pilzmassen angegeben.
Eigentliche sogenannte Favusgeschwüre gibt es nicht.
Dagegen können zweifellos complicative Entzündungen, Eczem,
Drüsenschwellung, drüsige Excrescenzen , wie bei Eczem des
behaarten Kopfes vorkommen.
Favus findet sich auf dem behaarten Kopfe in Form
einer, oder einzelner kleinerer ausgedehnter Inseln vor, Favus
discretus, unter Umständen auch beinahe über den ganzen
Kopf, F. confertus, aber fast niemals in gleichmässiger
Verbreitung vor.
Derselbe hat einen überaus chronischen Verlauf,
der sich auf 20 — 30 Jahre erstrecken kann.
Derselbe kann auch spontan heilen, indem er an narbigen,
von Verödung der Follikeln betroffenen Hautstellen eo ipso
sein Ende erreicht, weil der Pilz zu seiner Haftung das Follikel-
nest braucht.
An nicht behaarten Körperstellen, Stamm- und
Extremitäten und im Gesicht findet sich Favus seltener, bis-
weilen in acute r Entwicklung. Er bildet auch da schöne dis-
crete Scutula, oder massige, schwefelgelbe Auflagerungen, die
in Haufen, manchmal in Kreisform angeordnet sind. Er heilt
aber hier gewöhnlich nach Wochen und Monaten spontan, in-
dem die Scutula ausfallen, weil die Follikel der Lanugohaare
sehr seicht sind und demnach auch nirgends Pilzelemente in
einer erbeblichen Tiefe zurückbleiben können.
Ausnahmsweise soll, wie Michel berichtet, Favus des
Stammes und der Extremitäten mehr als 20 Jahre bestanden
haben. Derselbe hinterlässt. auch hier häufig atrophische
Grübchen.
Sowohl bei seiner Localisation am behaarten Kopfe, wie
am Stamme und den Extremitäten combinirt sich Favus zu-
weilen mit rothen, schuppenden, dem Herpes tonsurans ähn-
lichen Kreisen, in der Art, dass Scutula entweder im Be-
grenzungssaum der Herpesk reise eingeschaltet, oder in deren
Centrum gestellt, oder mit denselben lintermischt sind. Dieses
Favus. 725
Vorkommniss , welches bei zufälliger Ansteckung, oder nach.
Application von feuchtwarmen Umschlägen auf die Haut, so-
wie bei künstlicher Ueberimpfung (Köbner, Pick, Peyritsch)
beobachtet werden kann, war es eben, welches Hebra zu der
Meinung veranlasst hat, dass Favus und Herpes tonsurans
untereinander wesentlich identisch und beide von den bekannten
. Schimmelpilzen herrührten , während Köbner diese Kreise als
„herpetisches Vorstadium" des Favus bezeichnet hat. In den
Epidermisschuppen derselben finden sich ebenfalls Pilze.
Favus des Nagels — Onychmycosis favosa —
erscheint in Form von begrenzten, schwefelgelben, oder gelb-
weissen Einlagerungen in die Nagelsubstanz , ein anderes
Mal als gleichmässige Verdickung, käsige Degeneration und
Auflockerung des Nagels. Die Afiection betriflFt einen oder
mehrere Fingernägel und überdauert oft den Favus des Kopfes.
Im Allgemeinen ist aber Favus des Nagels selten.
Die mikroskopische Untersuchung des Favus-
Scutulums lehrt, wie in dem Schnitte nach Bennett, dass
dasselbe zu oberst von einer Schichte verhornter Epidermis-
zeUen begrenzt wird. Dieser folgt eine schmale Zone einer
feinkörnigen Klebemasse, wahrscheinlich Epidermis-Detritus,
welche sich zwischen die hier beginnenden Mycelfäden noch
weit in den Körper des Favus fortsetzt. Die Mycelfäden
ziehen concentrisch und parallel gegen die Mitte des Favus-
körpers, in deren Nähe sie Gronidien abschnüren, so dass das
Centrum des Favus nur aus Gronidien nebst Körnchen besteht.
Die einzelnen Elemente des Favuskörpers lassen sich
ohne weitere Präparation, indem man ein Bröckelchen desselben
mit einem Tropfen Wasser gemengt auf den Objectträger bringt,
unter dem Mikroskope studiren (Fig. 45). Sie zeichnen sich
durch grosse Mannigfaltigkeit aus, was auf eine üppige
Vegetation derselben schliessen lässt. Man sieht feinste
einfache, grobe, knorrige, vielfach septirte oder gegliederte
und verzweigte Mycelfäden mit wandständigen und wechsel-
ständigen Kernen und Gonidien von verschiedenster Grrösse
und Form, rundliche, eckige, ovale, bisquitförmige, gekämmerte,
kernlose und kernhaltige. Alle diese Elemente gehören dem
von Schönlein 1839 entdeckten und von Eemak Achorion
Schönleinii genannten Pilze an, während eine von Ardsten
726
Sechsundviei'zigste Vorlesung.
später vorgefundene Puccinia sicli als zufälliges Beimengsei
ergeben hat.
Dieselben Elemente, nur vorwiegend Mycelien, finden
sicli zwischen den Epidermiszellen der Haarwurzel scheiden,
der Haarzwiebel und der ßindensubstanz des Haares (Fig. 44).
Doch scheinen sie in diesem (bei Favus) nicht sehr hoch
hinaufzureichen.
Fig. 45.
Pilzelemente ans dem unteren Tlieile eines Favuskörpers. Fäden und Gouidien
von verscMedenstem Kaliber und maunigfaclister Form. Eeclits ein Hauten
Epidermiszellen.
Seit der ersten genaueren Beschreibimg des Achorion
durch G-euby(1841) haben sich Viele damit beschäftigt, dessen
Naturgeschichte klarzulegen, was, wie schon erwähnt worden,
bisher auf directem Wege, durch Culturen des Favuspilzes,
nicht gelungen ist. Der indirecte Weg, durch Aussaat von
Schimmelpilzen auf die Haut, Favus zu erzielen (Pick,- Zürn
auf Kaninchen), hat auch nicht zur Entscheidung geführt.
Wohl aber ist der directe Nachweis der Uebertragbarkeit des
Favuspilzes, und in Einem der Favuskrankheit, seit dem ersten
bezüglichen Experimente von Eemak (1842) wiederholt geliefert
worden durch Bennett, Bazin, G-udden, Hebra, Köbner, Pick,
Peyritsch u. V. A., u. z. durch wechselweise Uebertragungen
zwischen Menschen, von diesen auf Tiiiere und umgekehrt.
Demnach ist es zweifeUos, dass die Ursache des Favus
durch dessen Pilz gegeben ist, neben welchem andere Verhält-
nisse mir die Rolle von gelegentlichen ätiologischen Momenten
spielen.
Favus.
727
Das jugendliche Alter sclieint für Favus zumeist, dis-
ponirt, und findet sicli derselbe bei 20 — 30jährigen Personen
regelmässig von der Kindheit her.
Bei uns findet sich die Krankheit im Allgemeinen ziemlich
selten, häufig in den pobiischen Landen, und in Frankreich,
um Herault herum soll noch im Jahre 1864 Favus derart
verbreitet gewesen sein, dass 20 Favi auf 1000 Individuen
kamen, während bei uns kaum 2 pro mille Hatitkranker zu
zählen sind.
Am häufigsten mag die Erkrankung durch directe Con-
tagion von einem Individuum auf das andere entstehen.
Es ist dabei nothwendig, wie die Experimente gelehrt haben,
dass der Pilz auf eine macerirte Epidermislage, oder vielleicht
gar in eine Haartasche gelange. Demnächst kann die An-
steckung auch von Thieren auf den Menschen stattfinden, da
an Maus, Kaninchen, Hund, Haushuhn und der Katze
Favus beobachtet worden und die Uebertragung von diesen
auf den Menschen und zurück zum Theil auch experimentell
dargethan worden ist. Die Quelle für jene Favuserkran-
kuno-en welche unter Fomentationen, oder auch ohne solche,
gleichsam genuin entstehen, ist bisher nicht nachgewiesen.
Es ist merkwürdig, dass Favus sich im Allgemeinen als
nicht sehr ansteckend erweist, trotzdem die Pilzelemente in
colossälen Massen bei den Kranken frei zu Tage liegen. Nur
so erklärt es sich, dass bei einem Menschen Jahre hindurch
die Krankheit auf eine kleine Stelle beschränkt bleiben, oder
ein Favuskranker jahrelang in einer Familie, ein Soldat unter
Kameraden in Kasernen leben kann, ohne auf Andere die
Krankheit zu übertragen, während von einer anderen Dermato-
mycose, Herpes tonsurans, gerade die rasche Verbreitungs-
möglichkeit bekannt ist. Es mag dies in den besonderen
Vegetationsbedingungen des Favuspilzes gelegen sein.
Die Diagnose des Favus ist leicht, sobald die charak-
teristischen Scutula oder schwefelgelben Favusmassen vorliegen,
daneben vielleicht auch das glanzlose Ansehen der Haare, oder
ausgedehnte narbige und kahle Hautstellen das Krankheitsbild
ergänzen.
Schwierig wird dagegen das Urtheil, wenn, wie bei altem
Favus, die auflagernden Massen mörtel- und kreideartig^ be-
schaffen und mit Schuppen und honigartigen Borken gemischt
728
Sechsundvierzigste Vorlesung.
sind. Es handelt sicli da um die Differentialdiagnose gegen
Eczem, Seborrhoe, Psoriasis und Lupus erythema-
tosus. Es müssen eben die den genannten Processen eigenthüm-
lichen Erscheinungen, neben den Befunden an anderen Körper-
stellen, gegen die des Favus sorgfältig abgewogen werden. Eine
positive Entscheidung erzielt man in zweifelhaften Fällen aber
nur durch die mikroskopische Untersuchung, durch den
Nachweis von Pilzen in der Au.fiagerungsmasse, wodaim die
Affection sicher Favus , oder nur in den Haaren und
Wurzelscheiden, wodann allerdings auch Herpes tonsurans
vorliegen könnte. Aber ein solcher Irrthum hätte praktisch
keine Bedeutung.
Die Prognose des Favus ist günstig, da derselbe auch
bei ungestörtem Verlaufe höchstens örtliche Grewebsänderungen,
aber keine weiteren Nachtheile für den Organismus mit sich
bringt, und in den späteren Jahren auch spontan erlischt.
Die Therapie des Kopf- Favus unterliegt grossen
Schwierigkeiten und es haben von jeher „sachkundige" Laien
und Aerzte die Kunst, den „Erbgrind" zu heilen, als eine Art
gewinnbringenden Greheimnisses geltend gemacht, wie die Brüder
Mahon, die seinerzeit das Privileg gewonnen hatten, die
„Grindkranken" aller grossen Spitäler von Paris und mehreren
anderen Städten Frankreichs nach ihrer „Methode" behandeln
zu dürfen, die sie „aus Familienrücksichten" nicht „verrathen"
zu dürfen angaben.
Die Ablösung der Favusmassen gelingt selbstverständlich
jederzeit mit Leichtigkeit. Allein der Favus regenerirt sich
wieder, wie wir heut' zu Tage wissen, weil der Pilz aus den
Follikeln emporwächst. Allein in den frühereu Zeiten, als
man von diesem Umstände keine Kenntniss haben konnte, hat
man doch beobachtet, dass da, wo die Haare spontan verloren
gegangen waren, der Favus auch nicht weiter gedieh, ja von
selbst abfiel. Da lag es denn nahe, die Haare künstlich aus-
zulösen und man bediente sich zu diesem Zwecke allenthalben,
so wie heute nur noch an manchen Orten, der sogenannten
„Pechkappe" („la calotte"). Eine Lederkappe wurde innen
mit Pech belegt, auf den Kopf gedrückt und mit einem ge-
schickten Ruck umgestülpt. Die angeklebten Haare folgten,
so weit sie locker waren, dem Zuge — freilich, wie voraus-
zusetzen, nicht alle , und der Erfolg war demnach auch kein zu-
Favus.
729
reichender. Den Brüdern Mahon gebülirt das Verdienst, das rohe
Verfahren mit der Pechkappe als unnöthig erwiesen zu haben.
Mit der genauen Einsicht in das "Wesen des Favus ist
auch dessen Therapie einfacher und rationeller geworden.
Vor Allem haben die Favus - Scutula und Favusmassen
abgelöst zu werden, was genau so geschieht, wie bei Eczem-
oder Psoriasismassen. Man erweicht dieselben durch genügend
reiche Mengen von Oel, Leberthran mit oder ohne Zuthat,
von Perubalsam, Glycerin, Carbolsäure etc., hebt sie mechanisch
mit dem Finger , oder Spatel ab , und wäscht nun den Rest
mittelst Seifengeist vollständig weg. Binnen 12 — 24 Stunden
ist diese Arbeit gethan. Wollte man jetzt den Fall sich selbst
überlassen, so würden nach wenigen Tagen feine Schüppchen,
wie bei Eczema squamosum, nach 14 Tagen bis 3 Wochen
sicher da und dort um je ein Haar Favus-Scutula erscheinen,
als Propagationsproducte der in vielen Follikeln, ihrer Wurzel-
scheide und Haare, zurückgebliebenen Pilze.
Die zweite Aufgabe der Behandlung besteht demnach
darin, sowohl die von den Pilzen durchsetzten Haare selbst
zu entfernen , als auch die in den zurückgebliebenen Haar-
wurzelscheiden innerhalb der Follikel befindlichen Pilzelemente
durch irgend welche Mittel zu tödten. Diese Aiifgabe ist nun
allerdings nicht leicht zu erfüllen und erheischt unter allen
Umständen viel Sorgfalt und sehr viel Zeit. Nachdem die
Pechkappe ausser Gebrauch gekommen, hat man vorgeschlagen,
durch Einreibung von Crbtonöl, Terpentin, Creosot, ätherischen
Oelen vi. A. Entzündung der Kopfhaut zu bewirken, indem man
sich vorstellte, dass dabei Exsudation und Eiterung in die
Follikel stattfinden und dadurch die pilzhältigen Wurzel-
scheiden und Haare ausgestossen würden. Allein dieser Efi'ect
trifft einmal gesunde und kranke Haarfollikel zugleich, und
überhaupt nicht alle kranken Follikel, macht demnach die
nachträgliche Behandlung der von der Entzündung verschonten
Stellen nicht überflüssig und gewährt weder eine Sicherheit,
noch eine Abkürzung der Behandlung, abgesehen von der
Schmerzhaftigkeit und möglichen Gefährlichkeit derartig er-
zeugter Entzündungen der Galea.
Darum ist einzig nur die regelrechte Epilation ra-
tionell. Nach der Methode von Bazin wird dies von geschulten
Wärtern besorgt , indem sie in mehreren Sitzungen alle im
730
Seclisundvierzigste Vorlesung.
Bereiche der Krankheit gelegenen gesunden und kranken Haare,
nachdem diese kurz geschoren, unterschiedslos mittelst Pincette
ausziehen. Es zeigt sich, dass nach dieser mühsamen und für
den Kranken quälenden Methode dennoch die Behandlung lange
dauert, weil immerhin Waschungen und nachträgliche Epi-
lationen nothwendig sind. Darum verfahren wir viel einfacher.
Wir epiliren bei Favus täglich, indem wir die nicht kurz ge-
schnittenen Haare zwischen ein in der Hand gehaltenes stumpfes
Zungenspatel und dem Daumen gefasst durchziehen. Bei diesem
leichten Zuge gehen die kranken, also aufgelockerten Haare
heraus, während die gesunden Haare sitzen bleiben. Dies ist
für die Kranken gar nicht schmerzhaft. Nebstdem werden
täglich Waschungen mit Spirutus saponatus kalinus , Douchen
vorgenommen tind nach Abtrocknen der Kopfhaut theils alko-
holische, theils ätherische, oder balsamische, oder Theeröle
eingepinselt, von welchen wir wissen, dass sie Pilze zu tödten
und vermöge ihrer Dünnflüssigkeit in die von ihrem Haare
befreiten klaffenden Follikel einzudringen vermögen. Wir
wenden also an : Tinctura rusci, Acidum carbolicum, salicylicum,
Creosot, Benzin zu 1 : ad 150 Alcohol, Petroleum, peru-
vianischen Balsam, Chloroform, Aether, Sublimat 0-5 : 100
Alcohol, oder Wasser, Oleum caryophylorum , Macis u. s. f.,
oder Salben mit weissem Präcipitat, Theer, Carbolsäure, Salicyl-
säure gemischt, oder Schwefel-Alcohol-Theerpasten.
Diese drei Verfahrungs weisen, Seifenwaschung, Epilation
und Applikation eines der genannten Parasiticidia , letztere
in verschiedener Abwechslung, wird nun tagtäglich in gleicher
Weise geübt.
In den epilirten Follikeln wachsen die Haare sehr rasch
nach, da die Papillen nur an narbigen SteUen zu Grunde ge-
gangen sind. Bemerkt man nun nach sechswöchentlicher, zwei-
bis dreimonatlicher Behandlung, dass die Haare alle festsitzen,
dann wird die Kopfhaut vollständig sich selbst überlassen,
auch nicht einmal gewaschen , weil man sich nun überzeugen
muss ob thatsächlich der Favus bereits geheüt ist. Wären
noch Reste der Püze in einzelnen FoUikeln zurückgeblieben,
so würden sich nun binnen 14 Tagen bis 3 Wochen _ neue
Scutula zeigen. Diese können dann direct etwas energischer
behandelt werden, indem man die ihnen entsprechenden Haare
mit der Pincette auszieht und örtlich Parasiticidia, Schweiei-
Favus.
731
pasten, Theer ii. s. w. einpinselt. Hiezu sind wieder zwei bis
mehrere Wochen erforderlich und so wird unter allen Um-
ständen die Behandlung des Favus am hehaarten Kopfe mehrere
Monate in Anspruch nehmen.
Favus an nicht behaarten K ö rp er stell en kann
durch einmalige gehörige Erweichung mittelst Oel und Seifen-
waschung complet entfernt werden.
Favus derNägel kann entweder ausgeschnitten werden,
wenn der Favus circiimscript sitzt, oder bei diffuser Trübung
des Nagels durch Application von Emplastrum hydrargyri,
Sublimatwasser (1 : 100 Alcohol) und Beschneiden des Nagels
vom Rande her allmählich beseitigt werden.
Siebenundvierzigste Yoiiesung.
Herpes tonsurans. — Formen; H. tons. Capillitii, vesieulosus,
squamosus, maculosus. Ony e ho my e o s i s — Sycosis parasitaria
— Eczema marginatum; — Pityriasis versicolor.
Herpes tonsurans,
sclieereiide Flechte (common) , ßingworm d. Engl., er-
sciieint je nacL. Standort und Entwicklungsgrad unter ver-
schiedenen Formen, die nicht immer als zusammengehörig
erkannt worden sind und daher zu eben so vielen Bezeichnungs-
weisen Veranlassung gegeben haben. Li der am längsten
bekannten Localisation am behaarten Kopfe ist die Affec-
tion von Willan Porrigo scutulata, von Mahon (1829)
Tinea tondens genannt worden. Als Cazenave (1840) die
Bläschenbildung bei dem Processe erkannte und daher den
auch von Hebra später acceptirten Namen H.erpestonsurans
für den Process vorschlug, ward es in Einem klar, dass auch
Bateman's „Herpes circinatus" mit demselben identisch sei.
Mit der Entdeckung des Trichophyton tonsurans genannten
Pilzes in den Haaren der Tinea durch Gbxtby und Malmstex
(1844) schien der Name Trichomyces tonsurans (Malmsten)
gerechtfertigt.
Zu den schon früher beschriebenen Formen der Krankheit
(Schuppen und Bläschen) hat Hebra (1854) eine neue,
als maculöse, zugefügt und sind nach späteren Ergebnissen
noch Eczema marginatum, Hebra, und Sycosis para-
sitaria, Bazin, zu zählen. Dass all' die aufgezählten Formen
nur durch Standort und Complicationen bewirkte Varietäten
ein und desselben und durch den identischen Pilz verursachten
Krankheitsprocesses, und allesammt wesentlich Herpes tonsurans
Herpes tonsurans.
733
vorstellen, geht aus der Nosologie und Symptomatologie
des letzteren hervor.
Vor Allem ist der Unterschied in den Symptomen in's
Auge zn fassen zwischen dem am behaarten Kopfe und
dem an nicht behaarten Körperstellen localisirten Herpes
tonsurans, eine Diiferenz, welche hauptsächlich darin begründet
ist, dass an ersterer Oertlichkeit das Trichophyton in die
tiefen Haarfollikel hinein wuchern kann.
H. tonsurans capillitii bildet pfennig- bis thaler-
grosse, kahle Scheiben, die sich wie schlechte Tonsuren dar-
stellen, als wenn daselbst die Haare hart an ihrem Austritte
in ungeschickter Weise abgeschnitten worden wären, indem
kürzere oder längere Haarstümpfe zu Tage liegen. Die Haare
sind eben abgebrochen. Auch etwa vorhandene längere Haare
brechen bei dem Versuche sie auszuziehen über ihrer Austritts-
stelle ab. Der Haarboden erscheint daselbst mässig geschwollen,
glatt, oder zumeist mit weissen, oder schmiitziggelben Schüppchen
bedeckt, zuweilen am Rande der Scheibe etwas geröthet, sehr
selten mit kleinen Bläschen (daher „Herpes" , Cazenave),
häufiger mit gummiartigen Börkchen bedeckt. Solcher Scheiben
finden sich eine oder mehrere in verschiedener Grösse und an
unterschiedlichen Stellen des Kopfes. Sie breiten sich im
Verlaufe von Wochen und Monaten bis zu einem gewissen
Umfange aus. Nach vielen Monaten, 1 — 2 — 3 Jahren, kann
der Process örtlich erlöschen, indem der nachwachsenden und
festsitzenden Haare immer mehr werden und endlich der
Haarwuchs wieder gleichmässig und dauernd ist. Ausgebreitete
narbige Kahlheit bleibt nicht zurück, wenn auch zweifellos hie
und da ein Haarfollikel verödet.
Ein anderes Mal kann sich der Process durch Ausbreitung
und Confluenz der Krankheitsherde über das ganze Capillitium
ausdehnen. Der behaarte Kopf erscheint sodann in seiner
Totalität mit weissen, trockenen Epidermisschuppen in dichter
Lage bedeckt. Das Krankheitsbild sieht aus, wie bei Eczema
squamosum, Pityriasis capillitii seborrhoica, Psoriasis capillitii,
oder wie nach abgeputztem Favus, kurz bietet nichts Charak-
teristisches dar. Beim genauen Ziisehen allerdings wird man
da und dort etwas schärfer markirte Herde sehen, innerhalb
welcher die Haare kurz abgebrochen erscheinen, oder man
wird auf die Natur des Processes durch die Anwesenheit eines
734
Siebenundvierzigste Vorlesung.
rotlien schuppenden Kreises aufmerksam, welcher auf die nicht
behaarte Nachbarschaft der Stirne, des Nackens übergreift.
Ob auf einzelne Stellen beschränkt, oder allgemein ausgebreitet,
immer kann Herpes tonsurans mehrere Jahre dauern. Mit
Ausnahme von massigem Jucken macht das Uebel keine
subjectiven Beschwerden. Der Ausgang ist immer Heilung,
wenn auch nach vielen Jahren und mit Hinterlassung von spär-
lichen kahlen Punkten und kleinen Flecken.
An nicht behaarten Körp erstellen, am Stamm,
an den Extremitäten und im Gesichte erscheint Herpes ton-
surans entweder in deutlicher Bläschenform, H. tonsurans
vesiculosus, oder in Form von rothen, schuppenden Flecken,
Scheiben und Kreisen, H. tonsurans maculosus et squa-
mosus.
H. tonsurans vesiculosus stellt die von Bateman
als H. cir ein atus bezeichnete Form dar, bei welcher pfennig-
bis thalergrosse, aus einzelnen Bläschen sich zusammensetzende
Kreise gebildet sind. Sie entwickeln sich von einzelnen Centren
aus, indem die ursprünglichen, mittelständigen Bläschen zu
Schüppchen einsinken und peripher fortschreitend neue Bläs-
chen auf rothem Grunde aufschiessen , die dann kranzförmig
eine rothe, schuppende, oder central erblasste Area umschliessen.
Massiges Brennen und Jucken begleitet die Eruption. Sie
finden sich vereinzelt, oder zu mehreren im Gesichte, auf dem
Handrücken, am Nacken, Stamme und nur selten an den
Unterextremitäten u. s. f. In selteneren Fällen begegnet man
einer solchen Eruption von Bläschenkreisen über den ganzen
Stamm und einen grossen Theil der Extremitäten, des Gesichtes
und Halses verbreitet, wobei die Bläschen von der Grösse
eines Miliums bis zu der eines Stecknadelkopfes und darüber
variiren. Die Form erscheint immer acut und zuweilen mit
Fiebersymptomen , erheblicher Entzündung, Schwellung der
Haut und mächtiger Krustenbildung an Stelle der ver-
trocknenden Bläschen. Durchwegs läuft aber der Process acut
bei einzelnen Kreisen binnen 3—4 Wochen, bei allgemeiner
Ausbreitung binnen 6 Wochen bis 3 Monaten ab, indem die
Bläscheneruption sistirt, die Krusten abfallen und die Haut
anfengs roth, später pigmentirt und allmählich normal wird.
H. tonsurans maculosus et squamosus erscheint
entweder in Form von einzelnen pfennig- bis thalergrossen,
Herpes tonsurans.
735
vothen, unter Druck erblassenden, im Sinne ihrer Entwick-
lung vom Centrum nach der Peripherie schuppenden und
schwindenden Kreisen, deren häufigster Standort die Nacken-
Haargrenze, Gresicht, die Kopf- und Halsregion, aber auch
sonst jede Hautstelle sein mag. Oder H. tons. maculosus
präsentirt sich, wie bei uns sehr häufig, in Form einer
allgemeinen acuten Eruption des Stammes und der
Extremitäten.
Es erscheinen vorwiegend auf dem Rücken, der Brust,
dem Unterleib, der seitlichen Thoraxgegend, am Hals und an
der Innenfläche der Ober- und Unterextremitäten stecknadel-
kopfgrosse, rothe, flacherhabene Knötchen oder Flecke, welche
binnen 1 — 2 Tagen zu linsen- und pfenniggrossen , rothen,
rundlichen und ovalen Flecken heranwachsen. Schon nach
wenigen Stunden blättert das Centrum der kleinsten Knötchen
und Flecke , und in dem Verhältnisse als die Rothe peripher
sich ausbreitet, schreitet auch die Zerklüftung der Epidermis
vom Centrum nach der Peripherie vor. Indem gleichzeitig
die Haut in der Mitte abblasst, entstehen binnen 1 — 2 "Wochen
fingernagelgrosse, meist ovale, endlich kreuzer- bis thalergrosse,
central blasse und glatte, nach aussen dünnschuppige und
peripherst roth begrenzte Kreise. Mit der Erreichung eines
kreuzer- bis thalergrossen Umfanges blassen endlich alle Flecke
ab und kehrt nach Ablösung der aufgelockerten Epidermis
jede einzelne Stelle zur normalen Färbung und G-lätte zurück.
Darüber vergeht ein Zeitraum von 3 — 6 Monaten. Massiges,
bisweilen ziemlich heftiges Jucken begleitet diese Krankheits-
form. Häufig bleibt jedoch an einer oder der anderen
Stelle ein grösserer Kreis durch 1 — 2 Jahre zurück, oder
es geht eine langwierige Krankheit dadurch hervor, dass
der Process in den Bereich des behaarten Kopfes übergreift,
woselbst, wie erwähnt wurde, der Verlaiif stets äusserst lang-
wierig ist.
Die nächste Ursache des Herpes tonsurans wird durch
den ihm eigenthümlichen Pilz repräsentirt, der von Malmsten
und Geuby entdeckt und nach Ersterem Trichophyton
tonsura ns Malmsten benannt ist. Derselbe findet sich bei H.
tonsurans capillitii in zahlreichen Haaren und deren Wurzel-
scheiden (Fig. 46). Es ist schon auseinandergesetzt worden,
736
Siebenundvierzigste Vorlesung.
(lass ilbei' die botanische Stellung dieses Pilzes, sowie seine
Bezieliung zum Acborion des Favus bisher Nichts entschieden
ist und derselbe vor der Hand als selbstständige Morphe
betrachtet werden muss.
Es machen sich aber auch erhebliche Unterschiede in seiner
Vegetation und Wirkimg gegenüber dem Favuspilze geltend.
Trichophyton besteht vorwiegend aus langgestreckten, sparsam
Fig. 4G.
Haar b. Wurz^Ischeiden aa, bei Herpes tonsurans capillitii von zahlreichen
Mycelien nncl Gonidien des „Trichophyton tonsurans'* Malmsten
durchsetzt.
verzweigten, massig breiten und gleichmässigen Mj^celien imd
wenigen Gonidien. Der Pilz befällt offenbar mehr Haare als
Achorion, da bei H. tonsurans viel leichter ein pilzhältiges
Haar gefunden wird ; ferners wächst derselbe bei H. tonsurans
offenbar viel höher in den Haarschaft hinauf, sammelt er sich
dagegen nie, selbst bei jahrelanger Dauer, zu scutulösen Haufen
in der Follikelmündung an. Dagegen macht er das Haar
brüchig, was bei Achorion nicht der Fall. Endlich scheint er
viel leichter übertragbar und damit H. tonsurans viel mehr
contagiös als Acliovion und Favus.
Herpes tonsurans.
737
Bei H. tonsurans vesiculosus, squamosus et maculosus
üntlet sich der Pilz zwischen den obersten Schichten der kern-
lialtigen Epidermis, knapp unter den Hornzellenlagen (Fig. 47).
Hier, wie in den Haaren und Wurzelscheiden, kann derselbe
nach Maceration der Epidermis durch Kalilösung unter dem
Mikroskope zur Ansicht gebracht werden.
Bei H. tons. maculosus sind innerhalb der ersten Ent-
wicklungstage nur vereinzelte Sporen auffindlich und erst im
Verlaufe der 2. bis 3. Woche in den Schuppen der grösseren
Scheiben charakteristische Mycelien zu sehen.
Kaposi, Hautkran kheiten. 47
738
Siebenundvierzigste Vorlesung.
Dass der genannte Pilz die essentielle Ursaclie der
Krankheit ausmacht, beweist nicht nur die Stetigkeit seines
Fundes, und der Erfolg experimenteller und gelegentlicher
Uebertragung , sondern auch das innige Verhältniss zwischen
seiner Vegetation und der Krankheitsdauer. Am behaarten
Kopfe, wo der Pilz innerhalb der Follikel sich andauernd er-
halten und regeneriren, und immer wieder in neue Follikel
einpflanzen kann, erhält sich auch der H. tonsurans jahrelang.
An nicht behaarten Körperstellen wird derselbe durch die Ex-
sudation (Bläschenbildung), welche dessen Anwesenheit anregt,
mitsammt den durch das Exsudat emporgehobenen Epidermis-
schichten bald abgestossen, und um so rascher, je intensiver
die örtliche Exsudation. Daher verläuft liier die Krankheit
acut tind erlöscht sie spontan.
Als G-elegenheitsursachen des H. tonsurans machen
sich die für die Entstehung von Dermatomycosen schon be-
sprochenen allgemeinen Momente besonders geltend ; vor Allem
Verhältnisse, welche der Vegetation von Schimmelpilzen
günstig sind. Deshalb kommt der Process in feuchter Jahres-
zeit in grösserer Häufigkeit vor; acquiriren die Krankheit
gerne Personen, die in schimmelreichen, dumpfen Wohnungen
hausen; die in Bädern, Kaltwassercuren schlecht getrocknete
(muffelige) Wäsche öfters auf die Haut gebracht haben: oder
deren Haut durch Schweiss in der Leistengegend, Achselhöhle,
unter der Mamma macerirt und derart, wie auch die Ex-
perimente gelehrt, für die Einpflanzung von Püzen empfäng-
licher geworden. Demnächst gibt die Contagiosität die
häufigste Gelegenheitsursache ab, da, wie schon erwähnt, H.
tonsurans von allen Dermatomycosen am leichtesten übertragbar
ist. Es kommen Ansteckungen von Individuum zu Individuum
vor, und daher meist zugleich mehrere Erkrankungen in der-
selben Familie und kleine Endemien unter vielen zusammen-
wohnenden Menschen, in Pensionaten, Kasernen. Oder die
Uebertragung erfolgt von Thieren, Pferd, Rind, Katze, Hund,
Kaninchen, bei welchen die Krankheit in gleichem Charakter
sich vorfindet (Alibbrt, Bazin, Gerlach, Bärexsprung, Köbner,
Hebra, Michelson u. V. A.).
Obgleich für H. tonsurans eine viel allgemeinere Dispo-
sition herrscht, als für Favus, kommt doch die Afi-ection bei
jugendlichen Individuen viel häufiger vor als bei Erwachsenen,
Herpes tonsuräus.
739
und H. tonsurans capillitii fast nur bei den Ersteren. H. tons.
maculosus universalis kommt liier in Wien ausserordentlicli
häufig (3 — 5 Procent aller Hautkrankheiten), H. tons. capillitii
höchst selten (kaum 0*1 Procent) vor.
Die Diagnose des Herpes tonsurans capillitii ist bei
Gegenwart einzelner charakteristischer, kahler Scheiben, oder
gar an der Haargrenze stehender Schiippenkreise kaum zu
fehlen. Die kahlen Scheiben der Alopecia areata unter-
scheiden sich zu deutlich davon durch die aalglatte Beschafi'en-
heit des Haarbodens und das Pehlen selbst der Haarstümpfchen ;
die des Lupus erythematosus durch die narbige Depres-
sion des Centrums.
Bei allgemeiner Verbreitung über das Capillitium müssen
allerdings Eczema sqiiamosum, Seborrhoe, Psoriasis
ausgeschlossen werden und ist die wissenschaftliche Diagnose
erst mit der mikroskopischen Demonstration des Pilzes gegeben.
Gegenüber von Favus ist hier der Umstand zu berücksichtigen,
dass auch bei ungestörtem Verlaufe keine Scutula erscheinen.
H. tons. vesiculosus nicht behaarter Stellen ist kaum zu
verkennen und nur bei Localisation am Handrücken gegenüber
von H. circinatus (pag. 328) zu unterscheiden, welcher
aber stets doppelseitig und mit Formen des Erythema exsuda-
tivum polymorphe gemengt vorkommt. Doch dürfte auch hier
öfters die Nothwendigkeit sich ergeben, den Pilz nachweisen
-ZU müssen. Die Form der rothen, schuppenden Kreise macht
oft Schwierigkeiten gegenüber von isolirten Kreisen der Sy-
philis annularis und Ps öriasis annularis. — H. tons.
maculosus sieht bei seiner Entstehung, am 3. bis 4. Tage in
der That einer acuten universellen Eruption von Psoriasis,
oder selbst Variola sehr ähnlich. Sobald die dünnen, centralen
Schüppchen der kleinsten Flecke und Knötchen erkannt sind,
ist die Diagnose klar. Um so unbegreiflicher scheint es mir, wes-
halb die Form so oft mit Roseola syphilitica verwechselt
wird, die ja schon durch den Mangel an Schuppung sich ge-
nügend davon differenzirt.
Für die Behandlung des Herpes tonsurans sind die
Bedingungen und Indicationen wesentlich, und zum Theile auch
formell, die gleichen, wie für die des Favus. Dies gilt namentlich
für H. tonsurans capillitii, wo es ja, wie bei Favus, gilt, die
in den Follikeln und Haaren vegetirenden Pilzelemente zu
47*
740
Siebeiiundvierzigste Vorlesung.
zerstören. Das Verfahren ist demnach auch hier das gleiche.
Erweichung, Ablösung, Abwaschen der Schuppenmassen mittels
Oel, Seifen, Douchen, das Ausziehen der kranken Haare und
Einpinselung von parasitidicen Flüssigkeiten, Oelen, Salben.
Die Epilation muss hier täglich u. z. mittels Cilienpincette
vorgenommen werden, da ja die kurz abgebrochenen Haare
nicht anders gefasst werden können. Unter den bei der
Favusbehandlung erwähnten, täglich und in Abwechslung ein-
zupinselnden Flüssigkeiten möchte ich neben den alcoholischen
und ätherischen Lösungen von Carbol- und Salicylsäure bei
H. tonsurans des behaarten Kopfes besonders Tinct. Rusci
und eine Mischung von Olei Rusci 15, Spir. sapon. kaiin. 25,
Lact. sulf. 10, Spir. lavand. 50, Bals. peruvian. 1,50 empfehlen.
Die Heilung ist bei einiger Ausbreitung der AfPection kaum
unter 3 — 6 Monaten zu erreichen. Als äusseres Kriterium der-
selben ist das Verschwinden der Hautröthe und Schuppung,
und das gleichmässige Nachspriessen von dicken und fest-
sitzenden Haaren anzusehen.
Die vesiculöse und mit intensiver Entzündung einher-
gehende Form des H. tonsurans heilt unter Aufstreuen von
Amylum binnen kurzer Zeit, da mit den durch die Exsudation
losgehobenen Epidermisschichten auch der Pilz eliminirt wird.
Vereinzelte Kreise von schuppendem Ringworm
heilen sicher unter der Application von Mitteln , welche neben
Tödtung der Pilze zugleich die sie bergenden Epidermis-
schichten direct mortificiren , theils durch Erregung von
mässiger Exsudation zur Abschiebung bringen. Solche sind:
Theer, Schmierseife, Aetzung mittels Kali (1 : 2 Aqua dest.),
Jodtinctur, Jodglycerin (Jodi pur. Kali hydrojod. aa 5,
Glycerin. 10), Essigsäure, Schwefel in Verbindung mit der
letzteren, oder mit Alcohol und Seifengeist (Lact. sulf. 10,
Spir. sapou. kaiin., Spir. lavand. aa. 25, Grlycerin. 2,), oder
Uguent. WiLKiNSONi; endlich die in den letzten Jahren er-
probten Mittel: Pulv. Goa 10, Acid. acet. 5, Ungu. simpl. 50;
oder Chrysarobin und Acid. pyrogallicum 5 : 50 Fett, oder
Letzteres in Alcohol gelöst. Alle diese Mittel müssen in
einem Cyclus von 4 — 12mal eingepinselt werden, bis die
Ränder der Herpeskreise eingesunken und blass erscheinen,
worauf die spontane Abstossung der Epidermiskruste abge-
wartet wird.
Ouj'chomycosis.
741
Für die Beliancllung des bei uns wenigstens häufig vor-
kommenden H. tons. maculosus universalis eignen sich nicht
alle die genannten Mittel in gleicher Weise, da manche der-
selben, auf fast den ganzen Körper applicirt, bedeutende
Dermatitis erzeugen würden. Hier empfiehlt sich als promptest
wirkendes Verfahren die täglich zweimalige Einreibung von
Sajjo viridis. Durchschnittlich genügt ein Cyclus von sechs
Tagen , bei zarter Haut von 2 — 3 Tagen , indem man
sofort sistirt, wenn ßöthuug und Oedem der Haut sich
einstellt. Unter Einpudern wird die vollständige Abstos-
sung der verschrumpften Epidermisschwarten abgewartet und
dann erst, am 10. — 15. Tage, ein Bad gestattet. Alle anderen
Verfahrungsweisen , welche nicht eine so gleichmässige und
gleichzeitige Mortification und Desquamation der Oberhaut
bei massiger Reizung der Cutis bewirken, wie tägliches Baden,
Abseifen, Einpinseln von den früher erwähnten alcoholisch-
ätherischen, balsamischen Parasiticidiis, Pyrogalltis- und Chrj^-
sarobinsalbe , Schwefelpasten, gewähren keinen sicheren , und
vor Allem keinen so prompten Erfolg.
Den beschriebenen Typen des Herpes tonsurans sind drei
andere Krankheitsformen anzufügen, welche theils nachweislich,
theils muthmasslich in demselben wurzeln. Vor Allem Onycho-
mycosis tonsurans d.i. eine durch Ti'ichophyton veranlasste Ver-
käsung, Trübung, Aufblätterung, Brüchigkeit einzelner, oder
aller Einger- und Zehennägel. Makroskopisch kann die Degene-
ration allerdings nicht von der bei Psoriasis, Eczem, Liehen ruber
vorkommenden unterschieden werden und nur die mikroskopische
Untersuchung vermag über den Charakter derselben Aufschluss
zu geben (Fig. 48). Nun findet sich Onychomycosis zuweilen in
Gresellschaft mit Herpes tonsurans. Da aber der Letztere binnen
Wochen oder Monaten heilen kann , der Nagel jedoch nicht
in so kurzer Zeit sich vollständig erneuert, auch der Pilz in
dem nachschiebenden Nagel sich hartnäckig fortpflanzen kann,
so erklärt es sich, dass derartige Onychomycoses später als
selbstständige Uebel sich vorfinden können. Nun haben Baum
und Meissner (1853), VmcHOw (1854 und 1856), Föestee (1854),
KöBNER, Kleinhans und ich sehr oft in scheinbar idiopathisch
degenerirten Nägeln Pilze nachgewiesen , von denen bis
heute nicht eruirt werden kann , in wieferne sie alle mit
742
Siebenuudvierzigste Vorlesung.
Herpes tonsurans identisch, oder wie dies von Meissner's Pilz,
behauptet wird, von demselben verschieden seien. Ich glaube
deshalb, dass es besser wäre, einfach von „Onychoniy cosis"
zu sprechen, wofern man in dem speciellen Falle nicht gleichzeitig;
Favus, oder H. tonsurans vorfindet.
Die Behandlung der Onychomycosis besteht in Ab-
schaben, Abkratzen, Ansschneiden der degenerirten Partie,
Maceration des Nagels durch Kautschukfingerling, Eintupfen
mittels Creosot, Essigsäure, Benzin, Sublimat (l : 50 AlcohoL
oder Chloroform).
Sycosis parasitaria.
743
Sycosis parasitaria ist eine der Sycosis analoge AfFec-
tion (pag. 468) des bebarteten Gesichtes, bei welcber in
den erkrankten Haaren ein Pilz sich vorfindet. Nachdem
Gruby schon 1842 einen solchen bei Mentagra demonstrirt
hatte, der aber nicht zur Anerkennung gelangt war, haben
Bazin (1853 „Teigne sycosique") später Anderson, Deffis,
RoBiN, Hakby, Köbner das Vorkommen von Püzen bei
Sycosis erwiesen und bestätigt. Letzterer hat nun den lange
strittigen Sachverhalt in der Weise aufgeklärt, dass die ge-
wöhnliche Sycosis („Folliculitis barbae"), wie früher gelehrt
worden, auch fürder nichts mit Parasitismus zu thun habe,
dass aber H. tonsurans bei seiner Localisation im Barte durch
Steigerang der örtlichen Entzündungsvorgänge Erscheinungen
von Sycosis veranlassen könne („knotige Trichomycosis"), so
dass Sycosis parasitaria nur eine Formvariation des H. ton-
surans vorstellt und aus diesem hervorgeht.
Während nämlich in der ßegel auch bei der Localisation
im bebarteten Gesichte (so wie am Möns Veneris) der H. ton-
surans unter der Form der rothen, schuppenden Kreise ver-
läuft, tritt zuweilen im Bereiche desselben unter dem Ein-
flüsse des lebhaft vegetirenden Pilzes eine acute Dermatitis
auf. Es kommt dabei zu difi'user Lifiltration, Eiterung, Ecchy-
mosirung, hämorrhagischer Unterwühlung der Haut, gedrängten
Pusteleruptionen und Abscessen, nach deren Eröffnung die
Haut siebförmig durchlöchert (Lewin), wie ein Honigwaben-
stück erscheint; oder es kommt zur Bildung von knotigen
Auftreibungen (Michelson , Nbujiann , ich) mit glatter oder
drusig-papillärer , eine viscide Flüssigkeit secernirender Ober-
fläche. Auch am Capillitium sind solche Bildungen mit und
aus H. tonsurans gesehen worden , welche als Analoga des
.Kerion" Celsi von E. Wilson, Fox, Auspitz, Täntueri, als
„Vespajo del Capillitio" von DübIx\i beschrieben und von all'
den zuletzt genannten Autoren auf Grund der Vergesell-
schaftung mit H. tonsurans und des Nachweises der Pilze mit
dem letzteren Processe identisch erklärt worden sind (Fig. 49).
Die Diagnose der Afl'ection stützt sich auch auf diese
erwähnten Momente. Beim Fehlen der Herpeskreise, und da
auch bei Sycosis non parasitaria ganz dieselben papillären
Wucherungen und unterminir enden Abscesse vorkommen, leitet
die anamnestisch constatirte acute Entwicklung derselben auf
744 Siobenundvierzigste Vorlesung.
die Vermuthung des Parasitismus, da sie bei diesem erfah-
rungsgemäss binnen 3—4 Wochen zu Stande kommen können.
Auch die Gelegenheitsursachen sind für Sycosis
parasitaria dieselben, wie für H. tonsurans, nämlich vor-
wiegend Contagion vom Rinde und Pferde. Daher die häufigsten
Beobachtungen von Sycosis parasitaria an Rind- und Pferde-
wärtern und in den Ländern, die H. tonsorans der Thiere
und Menschen in grösster Zahl aufweisen : Frankreich, Holstein.
Fig. 49.
Haar aus einem Knoten von Sycosis pars si tari a (nur zur
Hälfte) von grobstämmigen, gegliederten Mycelion durchsetzt.
Die Therapie der Sycosis parasitaria ist die gleiche,
wie bei H. tons. CapUlitii. Am raschesten insolviren sich die
papillären Vegetationen und ersterben die Pilze unter Ein-
pinselung von Sublimat (1 : 100), oder Schwefel- Alcohol-Seife,
Acid. aceticum und unmittelbares Aufstreuen von Lac. sulfui-is,
so dass oft die Epilation überflüssig wird.
Eczema margiiiatum.
745
Endlich wäre nocli Eczema marginatum Hebra zu be-
sprechen. Die AfFection localisirt sich zumeist an den Gre-
nitalien und deren nächster Umgebung und vbildet da kreuzer-
bis flachhandgrosse und noch grössere Kreise und Kreisbogen,
welolie z. B. in einer Flucht vom Scrotum ül)er die Leisten-
gegend nach der inneren ifnd hinteren Schenkelfläche, von da
nach der Sacralgegend und von hier auf die andere Extremität
zurücklaiifend , wieder über die innere Schenkelfläche auf den
Möns Veneris zurücktrefiFen. Ausserdem können solche Kreise
und Kreisbogen auch am Stamm und den Extremitäten einzeln
oder auch in grösserer Zahl sich vorfinden. Der Rand der-
selben erscheint zackig , mit kleinen Knötchen , Bläschen, oder
gelbbraiinen Börkchen bedeckt, während die von den Kreis-
linien eingeschlossenen Hautflächen dunkelbraun pigmentirt.
zerkratzt , mit Börkchen bedeckt , oder mit neu aufgetauchten
Kreisen besetzt sind. Wie die Börkchen lehren, veranlasst die
Krankheit sehr heftiges Jucken und Kratzen. Deswegen nm\
wegen der Knötcheneruption hat auch Hebra die Atfection als
Eczem bezeichnet, die Kreisform jedoch erinnert lebhaft an
Herpes tonsurans.
Nun haben zuerst Köbi^er und Pick, später ich in der
Epidermis der Eczema marginatum - Kreise Pilze, ähnlich
denen des Herpes tonsurans, nachgewiesen, und auch sonst noch
sind Momente zum Theile experimenteller Art von den zwei-
genannten Autoren geltend gemacht worden für die Ansicht,
dass das Erythrasma Bärensprung's und Eczema marginatum
Hebra's unter einander und mit dem Herpes tonsurans identisch
wären. Hebra dagegen, obgleich er die Pilznatur des Uebels
anerkennt, meint noch immer die eczematöse Natur und Be-
zeichnung desselben aufrecht erhalten zu müssen. Es ist näm-
lich aufiallend, dass erstens dasselbe intensiv juckt ; zweitens
hartnäckig persistirt, 15—20 Jahre und darüber; drittens der
Therapie ausserordentlichen Widerstand leistet und gerne an
Ort und Stelle wiederkehrt ; viertens sich direct ganz und gar
nicht ansteckend erweist, indem in innigem Contact mit ein-
ander befindliche Personen, z. B. Eheleute, die Afi'ection auf
einander nicht übertragen, daher diese auch nie endemisch,
z. B. in einem Institute, oder einer Familie angetroffen wird;
fünftens die Haare im Bereiche desselben nicht abbrechen und
glanzlos werden, lauter Momente, welche beim Herpes tonsurans
Siebenundvierzigste . Vorlesung.
sich niclit vorfinden. Deshalb hat aucli Pick sich 7a\ dem
Compromiss veranlasst gesehen, das Eczema marginatiim als
eine Comhination des H. tonsurans mit Eczem aufzufassen,
welcher Ansicht auch icli mich anschliesse.
Unterstützt wird diese diirch die Grelegenheitsursachen,
welche zur Entstehung und Recidive des Eczema marginatum
führen. Dies sind vor Allem Macer ation der Epidermis dui-ch
Schweiss an den in gegenseitigem Contact stehenden Hautfiächen
der Grenito-Cruralfalten, der Hängebrust u. s. w. bei dick-
leibigen, oder viel zum Sitzen gezwungenen Personen, bei denen
an der macerirten Haut zunächst Eczema Intertrigo in margi-
nirter Form und später Ecz. marginatum veranlasst wivd.
Die nächst häufige und analoge Ursache gibt die ]\Iaceration
der Oberhaut durch Wasser bei der Hydrotherapie, imd besonders
unter dem Priessnitz- Gürtel, unter welchem zumeist einfaches
Eczem, öfters Herpes tonsurans und gar häufig die unter
solchen Umständen nicht zu bezweifelnde Combination beider
sub Eorma des Eczema marginatum sich entwickelt.
Die Diagnose des Uebels ist leicht, da die Kreisform
des H. tonsurans und der Charakter des Eczems in den Bläschen
und Kratzeifecten gleichzeitig deutlich ausgeprägt sind. Die
Heilung dauernd zu bewerkstelligen ist nicht leicht, da zu-
nächst die fortbestehenden Ursachen ßecidiven begünstigen und
die Zerstörung aUer Püzkeime nur schwer gelingt. Der Pilz
sitzt nämlich hier aufPaUend tief, wahrscheinlich wegen der
Mächtigkeit der Epidermisschichten, und man niuss zur Auf-
findung desselben die obersten Schichten wegkratzen.
Die Therapie hat auf diesen Umstand Rücksicht zu
nehmen, tind es erweisen sich von allen gegen H. tonsurans
früher besprochenen Mitteln erfahrungsgemäss niu" einzelne ver-
lässlich. Unter diesen am besten Chrysarobinsalbe und Unguent.
WiLKiNSONi, welche in einem Cyclus von (5—12 eingepinselt
werden. Nächstdem empfelden sich Einpinselungen von Sublimat
(1 : lOOAlcohol), Schwefel-Alcohol-Theerpaste, Theer, Jodtinctur.
Bei zögernder Heilimg und bedeutender Verdickung der Epi-
dermis ist es zweckmässig, diese mittels Kali (1 : 2 Aqua),
Sclimierseifenumschlägen, oder Acid. aceticuan abzulösen luid
nach erfolgter Ueberliäutung Chrysarobin-, oder Wilkixson-
Salbe einzureiben.
Pityriasis vcrsicolor.
747
AVie nach Heilung von Eczem müssen auch, hier die Haut-
falten nachträglich durch Einlegen von Poudretampons isolirt
und vor der Einwirkung des Schweisses geschützt werden.
Pityriasis versicolor,
xuirichtiger "Weise von manchen Pathologen als „Chloasma"
aufgeführt, bei den Laien als „Leberflecke" bekannt, erscheint
in Form von blassgelben, gelbbraunen bis dunkelbraunen Punkten,
linsen-, kreuzer- bis flachhandgrossen und über grosse Hant-
strecken gleiclnnässig ausgebreiteten, bald glatten, glänzenden,
bald matten, oder schülfernden Elecken von unregelmässiger
G-estalt. Sie sind vorwiegend am Stamme, Halse und der
Beugefläche der oberen, seltener auch der Unterextremitäten,
niemals an Händen, Füssen und im Gesichte localisirt imd
finden sich auch in Form scharf begrenzter, gelbbrauner
schülfernder Flecke in der Axilla und an den Contactflächen
der Hängebrust, des Scrotums und Oberschenkels. Durch
Kratzen mit dem Nagel kann die Epidermis der Flecke iu
Fig. 50.
Microsporou furfur, Pilz der Pityriasis versicolor.
(Vergr. cca. 700.)
(In der Zeichnung die aufgelösten Epidermiszellen weggelassen.)
748
Siebenuudvieizigste Vorlesung.
zusammenliäiigenden Lamellen abgehoben und die rotbe, blutende
Basis blossgelegt werden. Massiges Jucken begleitet die
Affection, welche in einzelnen Herden, bei manchen Personen
in diffuser nnd allgemeiner Ausbreitung mit geringen Verände-
rungen meist durch viele, 15 — 20 Jahxe fortbesteht. Ihre Ent-
wickliuig erfolgt unmerklich, und ebenso ihre Rückbildung, die
zuweilen früher, stets aber mit vorschreitendem Alter eintritt,
da bei älteren Personen niemals und nur bei solchen zwischen
der Pubertät und dem reifen Alter Pityriasis versicolor ge-
funden wird.
In den abgekratzten Epidermislamellen kann immittelbar
unter dem Mikroskope der dieser Mycose eigenthümliche, von
EiCHSTEDT 1846 entdeckte und von Robin Microsporon furfur
benannte Pilz gesehen werden (Eig. 50). Derselbe besteht aus
ungewöhnlich und gleichmässig grossen Gronidien, welche je
zu 30 und mehr regelmässig vertheilte Haufen formiren und
aus vielgestaltigen und kurzen Mycelien, welche jene Gronidien
und Gonidienhaufen unter einander verbinden und theUs selber
Gonidien aussenden, theils aus solchen auswachsen.
Niemals ist ein Hineinwuchern des Pilzes in die Haare
und nur in die Epidermis der EoUikelmündung (Gddden) ge-
sehen worden.
Obgleich Köbner Pit. versicolor experimentell auf sich
selber zu übertragen vermochte, so bleibt es doch richtig, dass
deren gelegentliche Uebertragung von Individuum zu Individuum
kaum vorkommen mag, trotzdem doch deren PiLz massenhaft
und oberflächlich gelegen ist. Es scheint für dessen Haftimg
ganz besonders eine individuelle Disposition der Haut erforderlich,
was schon daraus hervorgeht, dass das Uebel bei damit be-
haftet gewesenen Personen auch nach mehrmaliger Heüung
gerne recidivirt, dagegen unter Eheleuten trotz jahrelangen
Verkehres keine zweifellose Uebertragung beobachtet worden
ist. Man sieht, wie sehr Pityriasis versicolor durch Ansehen,
Verlauf, Eigenart der PUzvegetation und der Contagioiis- Ver-
hältnisse von den anderen MjTosen differirt.
In der Diagnose des Uebels ist ein Irrthiim kaum
möglich, selbst die durch zarte rothe und discrete Flecke an
Eoseola syphilitica gemahnenden Formen werden sofort erkannt,
indem dieselben mit dem Nagel abgekratzt werden können.
Pityriasis versicolor.
749
Die Therapie der Pit. versicolor wird nach demselben
Principe nnd mit den gleichen Mitteln nnd Methoden durch-
geführt, wie die des H. tons. macnlosus, indem es sich auch
hier darum handelt, in wenigen Tagen die gesammte obere, den
Pilz beherbergende Epidermislage methodisch zur Abschiebung
zu bringen (vide pag. 741).
Achtundvierzigste Vorlesung.
Durch thierische Parasiten bedingte Hautkrankheiten.
Thiei'isehe Parasiten; eigentliche Parasiten und Kpizoen. Art ihrer
Wirkung auf die Haut. — Dermatozoonosen. — Scabies. Geschichte.
Naturgeschichte der Krätzmilbe. Milbengang.
Dermatozoonosen.
Die diircli animalische Parasiten bedingten Haut-
krankheiten weisen, gleich den durch PiLze veranlassten,
zweierlei Symptome auf, solche, die durch den Parasiten als
naturgeschichtliches Individuum, sowie durch dessen Lebens-
verhältnisse (Wolniung, Ernährung, Fortpflanzung) dargestellt
werden imd andere, welche sich als direct oder indirect durch
die Parasiten bedingte pathologische Veränderungen des Haut-
organes erweisen.
Die hier in Betracht kommenden thierischen Organismen
sind zweierlei Kategorie:
1. Solche, die entweder ausscliLiesslich, oder nur zeitweilig
in der mensclilichen Haut wolinen, wahre Parasiten — Der-
matozoen. Hieher sjnd zu zählen: 1. die Krätzmilbe —
Acarus scabiei; 2. die Haar sackrailbe — Acarus fol-
liculorum; 3. der Sandfloh — Pulex p enetr ans; 4. der
Peitschenwurm — Filaria medinensis; 5. die Ernte-
jjiillje — Leptus autumnalis; 6. der Holzbock —
Ixodes ricinus; 7. Cysticercus cellulosae.
2. Andere, die nur zeitweilig, behufs der Schöpfung von
Nahrung die Haut heimsuchen und zum Theile in deren nächster
Nähe (den Haaren, Kleidern) sich aufhalten — Epizoen.
Diese sind: 1. die Läuse (Kopfläuse — Pediculi humaiu
Scabies.
751
capitli^, Filzläuse — Petliculi piibis, Kleiderläiise — Pedlouli ves-
timentonun); 2. die Flölie — Pul ex irritaus; 3. die
Wauzen — Cimex lectularius; ausserdem die Mücken
(Gelsen) Culex pipiens und mehrere andere Insekten.
Diese Parasiten veranlassen Haiiterkrankung entweder in
directer Weise, indem au den Hautstellen, wo sie das Or-
gan augreifen, verletzen, reizen, die Epidermis aufwühlen, wo
sie nisten, Erscheinungen der Entzündung (Hyperämie, Ex-
siulation, Efflorescenzbildiuig, Häniorrhagie , Degeneration, Hy-
perplasie der Epidermis und Nagelsubstanz) auftreten; oder
indirect, indem sie Jucken, Brennen und consecutiv Kratzen
und die bekannten Effecte des letzteren (Verletzung der Haut,
Pusteln, Entzündung, Geschwüre, Eczem aller Grade und
Formen) herbeiführen.
Alle diese nutritiven Veränderungen gehören also wesent-
lich in die Reihe der Entzündungs-, specieU der Eczemformen,
gestalten sich aber in Verbindung mit den durch den jeweiligen
Parasiten dargestellten Symptomen zu einem individuellen
Ki-ankheitsbilde , indem deren Form, LocaKsation, Intensität
und Verlauf allerdings zum Theile durch die individuelle Eeiz-
barkeit des Hautorganes , hauptsächlich aber durch die natur-
geschichtlichen und biologischen Eigenschaften des jeweiligen
Parasiten bestimmt werden. Die genaue Kenntniss der Letzteren
ist daher Bedingiuig für das Verständniss der entsprechenden
klinischen Typen.
Scabies, Krätze,
als ansteckende, heftig jiickende und zu kratzen („sca-
bere") veranlassende Hautkrankheit, ist wohl seit Jahrtausenden
bekannt und mindestens seit Jahrhiuiderten weiss man, dass
bei derselben ein in der Haut nistendes T Ii i e r c Ii e n eine RoUe
spielt. Dennoch hat es eben so lange gedauert, bis die Pa-
thologie der Krätze aufgeklärt und zu allgemeinem Verständ-
niss gebracht worden ist. Die Geschichte dieser vulgären
Dermatose, an und für sich schon höchst lehrreich, ist von
grossem Einfluss gewesen auf die Entwicklung der modernen
allgemeinen Pathologie, deren ehemaliges Lehrgebäude, die
Humoralpathologie , zu Beginn der vierziger Jahre, zwar viel-
fach schon von der Wucht naturgeschichtlicher Thatsachen er-
schüttert, doch erst recht zu Haufen stürzte und verlassen
752
Achtund vierzigste Vorlesung.
wurde, nacliclem es — man gestatte die Metapher — dnreh. die
Minirarbeit des kleinen Acarus vollständig untergraben worden
war. So wurzelt denn in der Geschichte der Scabies die neue
Aera der iiaturwissenschaftlichen Medicin mit zahlreichen iSTähr-
fasern und es darf uns mit Stolz erfüllen, dass dies zu einem
grossen Theile der Leistung der Wiener Schule und unseres
Meisters Hebra zu danken ist.
Schon von den Arabern (Ben-Sohr) wird eines Thierchens
bei der Krätze als Syrones gedacht, und aus dem 12. Jahr-
hunderte (zuerst bei Scta. Hildegard is) bis in das 17. Jahr-
hundert liegen zahlreiche Angaben vor, aus denen erheUt , dass
beim Volke die Kenntniss von der Existenz eines solchen, der
Krätze eigenthümlichen, Seuren, Sueren, Syrones, Cirons, Bri-
ganti, pellicelli genannten Thierchens und die Kiuist mittels
einer Nadel dasselbe aus der Haut zu ziehen („seuren graben")
und auf dem Nagel zu knicken allgemein verbreitet war. Aiich
wussten schon viele Aerzte (GtDY de Chauliac 14. Jahrh.,
Ambr. Pare 16. Jahrh. xi. v. A.), dass das Thierchen, welches
von Manchen als Lausart, von Anderen als Mübe angesehen
wurde, in der Haut Gänge bohre. Der Naturhistoriker Thom.
MouFFET hat dasselbe zuerst genauer beschrieben (1634), Haupt-
mann, später Ettmüller ziemlich gut abgebildet. Endlich haben
BoNOMO und. Cestoni in einem, an den berühmten Redi ge-
richteten Briefe (1687) die genaue Naturbeschreibung xmd Ab-
bildving der Krätzmilbe und deren Eier gegeben und aus ihrer
Beobachtung den richtigen Schluss gezogen, dass die Krätzmilbe
getrennten Geschlechtes, dass sie und nicht die „verdorbenen
Säfte" die einzige Ursache der Krätzkrankheit sei, und dass
mit ihrer Vertilgung durch örtliche Mittel auch die Krankheit
geheilt werde.
Man sieht, die Einsicht in das Wesen der Scabies war
schon gegen Ende des 17. Jahrh undertes eine sehr vollendete;
leider aber nur bei einzelnen Forschern, und es bedurfte noch
weiterer anderthalb Jahrhunderte, bis dieselbe Allgemeingut
geworden. Denn obgleich die Krätzmilbe von Linne (1746)
naturgeschichtlich beschrieben, classificirt, von Degeer (1788)
naturgetreu abgebildet, von Wichmann (1791) experimentell
vom Pferde auf den Menschen übertragen und in ihrer Wirkiuig
beobachtet, und von vielen anderen Forschern, namentlich von
Thierärzten (rücksichtlich der Räude der Schafe) gründlich
Scabies. Naturgcscliichte der Krätzmilbe. 75;;
gekannt und studirt worden, auch manche hervorragende Aerzte.
wie John Hunter, die Anschauung Bonomo's energisch vertraten,
so haben doch andere berühmte Aerzte und Dermatologen, wie
LoRRY, WiLLAN, gegen Ende des vorigen Jahrkmdertes theils
die Krätzmilbe ganz ignorirt, theils ihre Beziehung zur Krätze
geleugnet, oder dahin gedeutet, dass ein von den Thierchen
dem Blute eingeimpftes Grift das Jiicken erzeuge, oder das.^
der Acarus aus verdorbenen Säften des Krätzigen sich entwickle.
Solche Ansichten wurden unter der mächtigen Herrschaft der
Hahneman' sehen Lehre von der Schädlichkeit der unterdrückte]]
oder verschlagenen Krätze , noch viel später vo]i Heroe]i der
Medicin, Schönlein, Fuchs, Hildenbrandt patronisirt, und um
so mehr, als die Kunstfertigkeit, Krätzmilben zu fangen, nacli
vei-geblichen Versuchen durch GtALES (1812), Raspatl (1829)
u. A. erst nach Renucci's Demonstration (1834) allgemeiner
von den Aerzten gewoimen wurde. In deiT darauffolgende]]
Jahren hat zimächst die Naturgeschichte der Krätzmilbe zahl-
reiche tüchtige Bearbeiter gefiinden an Eichstedt (1846), der
die erste Zeichmmg eines Mübenganges sammt Lihalt, sowie
des von Krämer (1845) entdeckten Männchens und der sechs-
beinigen Larve lieferte, Lanquetin, Bourguignon, Hebra, welcher
ein Mübenpaar im Begattungsacte beobachtet hat, Gr. Simon.
Canstadt, Wedl, Küchenmeister, Gerlach, Eürstenberg, GtUdden.
Bergh u. V. A. Endlich ist die Pathologie der Krätze durch
dieselben Kräfte mittel- und unmittelbar gefördert u]]d besojiders
durch Hebra's classische Arbeit „über Diagnose, Aetiologic
n]id Therapie der Krätze" (1844) naturhistorisch geklärt und
auf den unverrückbaren Boden der klinischen und experimentellen
Thatsachen gestellt worden.
Die Krätzmilbe,
Acarus Scabiei (Degeer), Sarcoptes hominis (Raspail), wird
von der neueren Naturgeschichte in die Classe der „Milben",
Acarinae, eingereiht. Ans ihrem Gange in der Epidermis
(mittels einer Messer-, oder Staarnadelspitze) hervorgeholt,
erscheint sie (das "Weibchen) als mit unbewaffnetem Auge ebei]
erkennbares, gelblich-weisses, halbkugeliges Körperchen. Auf
den Fingernagel gestellt bleibt sie eine Weile unbeweglich,
alsbald kann man sie rasch über den Nagel laufen sehen.
K aposi , Hautlsranlcheiten. 48
754'
Aclitundvierzigste Vorlesung.
Zwischen den Nägeln gequetscht zerknickt sie unter vernehm-
lichem G-eräusche. Unter dem Mikroskope besehen, präsentirt
sich dieselbe als schildkrötenähnliches Thierchen mit konischeni
Rüssel und 8 BeineiT. Der länglichrunde Körper ist mit ge-
wellten Querfurchen (Rillen) gezeichnet, welche die theilweise
Uebereinanderschiebung der Panzertheile bei der Bewegmig
Fig. 51.
Krätzmilbe geschleclitsreifes W e i b c 1. e n , 0-35 Mm. laug, 0-50 Mm. bveit.
Sü ckenans cht: 1 Paar G eni ckdo rne ii , hinter denen das brillen-
^Aige Srgau, die Schulterborsten, die (33)- Schulterkege , die
Qu Sien der Schuppen und Nägelcheu zuhmtei^t die U in 4 Lang>-
^ reihen gestellten Dornen. (Vergr. 300.)
ermöglichen. Der Eiicken ist mit kürzeren und längereu, in
ringförmige Wiüste eingepflanzten Dornen, sowie mit Stachel-
reihen besetzt, deren mittlere nach vorn, die hii^teren nach
hinten convex sehen. Kopf mit 6 Borsten versehen, vom Rumpfe
abgesetzt, mit vier Kieferhälftenpaaren und zwei neben diesen
gelegenen dreigliederigen Palpen. Beine 8, fünfgliederig. das
Scabies. Krätzmilbe.
755
1. nnd 2. Paar bei beiden Gesclilechtern mit gestielten Haft-
scheiben. Das Weibclien (Fig. 51 und 52, die Zeicbmingen der
Milbentbiere nadi Hebra und Elfinger) trägt am 3. uud
4. Paar je eine lange Borste, bat am binteren Körperrand
zwischen den hintersten Rand-(Anal-)Borsten eine znv Begat-
tungsscheide führende Spalte und auf dem Bauche eine L e g e-
Fig. 52.
Befrnchtete.s Mil b e u we i b c lie n. Baucb.seite, die dem ersten
Fusspaare angehorige mediane Hiiftleiste (bei Männclien, "Weibchen und
Larve different, Bergh). Die Hinterfüsse mit langen Borsten. Im Innern
der Milbe ein reifes Ei.
scheide (Gtüdden). Ein in den Magen- und Darmcanal sich
abzweigender Ernährungsschlauch, Eierstock, Muskeln sind
anatomisch demonstrirbar (Gudden, Bourguignon, Eichstedt,
Wedl u. A.) und häufig ist ein reifes Ei im Innern der Milbe zu
sehen. Das Milbenweibchen soll zwischen 20— GO Tage leben
können.
48
750
Achtum] vierzigste Vorlesung.
Das Männchen ist kleiner (0-20 Mm. 1., 0-35 Mm. br.)
als (las Weibclien, trägt am 4. Fiiss paare eine Haft-
scheibe (statt der Borste beim "Weibchen) nnd zwischen den
Hinterfüssen ein medianes hufeisenförmiges Chitingerüste, in
welches ein gabelförmiger P e n i s eingelenkt ist, wie in Fig. 53
zu sehen.
Das Milbenmännchen wohnt in seichten Ausgrabungen der
Epidermis, kleinen Knötchen und Bläschen, in der Nähe der,
die weibliche Milbe beherbergenden Gänge und scheint auch
mehr unstät auf der Haut ximherzukriechen. Eine als dessen
Fig. 5.S.
I
Krätzmillje, jM ä u n c Ii e n, Bauchseite.
Begattung mit dem "Weibchen deutbare CoiDulation hatHEBßA
einmal unter dem Mikroskope gesehen. Männchen finden sich
in geringerer Zahl als Weibchen bei der menschlichen Elrätze,
sind hier schwer, leichter bei der Krätze der Thiere und in
der Krustenkrätze aufzufinden und sollen 6—8 Tage nach ihrer
Begattung zu Grunde gehen (Güdden).
Nur das geschleclitsreife , befruchtete Weibchen bohrt
einen Hohlgang in die Epidermis — Milben gang — (Fig. 54),
in welchem es Eier legt und nach Beendigung dieser Function
abstirbt.
Scabies. Milbeugang.
757
Fig. 54.
Milbengang von der Lendenhaut ausgesclinitten, bei schwacher Vergrösserung
unter dem Mikroskope besehen.
An dessen (Schwanz-) Ende die Milbe von der Bauchfläohe und ein reifes Ei in ihrem
Innern zu sehen. Hinter ihr 12 Eier und 12 Eihällen. Es scheint, dass diese Milbe
2 Eier im Tag gelegt hat, da erst im h. die erste Anlage des Embryo und erst im
12. ein mit deutlichem (hier nicht gut gezeichneten) vorderen Fusspaare versehene
reife Larve sich vorfindet, was bei anderen Gängen im 6.-7. Ei der Fall. Zwischen den
Eiern und EiUüUen schwarze Körperchen (Faecea).
Bei der experimentellen Uebertragung hat man die Art
beobachtet, wie die Milbe mit den scharfen Kieferscheeren die
758
Aclitundvierzigste Vorlesung.
Epidermis spaltet, den Kopf voran sicli einbohrt nnd unter der
Oberhaut verschwindet, und aus dem ausgeschnittenen Crange
lässt sich in Verbindung mit anderen Beobachtungsresultaten
der weitere Lebenslauf der Milbe erschliessen. Sie legt hinter
sich Eier, jeden Tag 1 , höchstens 2 , im Granzen 20 — 50, viel-
leicht auch mehr.
Die Eier (Fig. 54) sind oval, mit der Längsachse quer
7A\ der des Ganges gestellt, circa 0-16 Mm. lang. Oll Mm.
breit und zu 12—20 und mehr in einem Crange zugegen. Die
zuletzt gelegten, unmittelbar hinter der Milbe befindlichen
2 — 3 Eier sind mit gefurchtem Dotter erfüllt, im 3. — 5. ist
bereits die Anlage des Embryo , ^im 6.-9. die Milbenlarve in
den ältesten oft schon mit Kopf und vorderem Eusspaare
deutlich zu sehen (Fig. 54 «).
Fig. 56.
Milbenlarve mit 6 Beinen (Bauch- Zweite Häutimg.
fläche') Innerhalb einer achtbeinigen Milbe er-
^' kennt man das neu sich entwickelnde,
ebenfalls achtbeinige Thier.
Die Milbenlarve (Fig. 55) ist sechsbeinig, hat binnen
3_6 Tagen ihre Vollendung erreicht, durchbricht die Eischale,
wächst bis zu 0-15 Mm. Länge und O'IO Mm. Breite heran \md
Scabies. Krätzmilbe. 759
kriecht zuv EiubohrmigsöfFnung des Ganges, nacli Einigen
(G-ERLACH, BouRGüiGNON, Borchhard) cliircli „Luftlöcher" der
Gangdecke zu Tage, liräft auf der Haut eine Zeit lang umher
und bohrt sich dann in ein kurzes Nest, wo sie ihren Häutungs-
process durchmacht.
Die Milbe macht 3 (nach Gudden, Fürstenberg, Bourgui-
GNON 4) HäutiTugen durch. Die aus dem Ei gekrochene Larve
hat mir 1 Paar Hinterbeine, 2 Analborsten imd 10 Uücken-
dornen Aus der ersten Häutung (2. Stadium) geht eine acht-
beinige Milbe hervor, mit 4 Analborsten und 12 Rückendornen.
Li der zweiten Häutung gewinnt die Mübe noch 2 Rücken-
dornen und das mit 14 Dornen ausgestattete Thier wird nach
der dritten Häutung (4. Stadium) zur geschleclitsreifen Mübe.
Ausserhalb der Haut kann die IVLlbe 2-3 Tage und auch
in die Luft abschliessenden Flüssigkeiten (Wasser, Oel, Petro-
leum) längere Zeit am Leben bleiben.
Dass die bei verschiedenen Thieren (Schaf, Katze, Frett-
chen, Kaninchen, Pferd, Kameel, Dromedar, Elephant u. aO
vorkommenden Krätzmüben wesentlich derselben (vielleicht nach
dem besonderen Nährboden in der Grösse der Individuen al-
terirten) Mübenart, wie der Acarus des Menschen angehören,
scheint diu'ch die häufig constatirten wechselseitigen Uebev-
tragimgen zwischen Thier und Mensch, und nach dem Ergebniss
vergleichender Untersuchungen erwiesen.
NeuDündvierzigste Vorlesung.
Scabies. (Fortsetzung).
Symptome, Pathologie, Aetiologie, Therapie.
Die Symptome der Krätze besteneri mui iu er.ster
lleihe in jenen Veränderungen des Haiitorganes , welche die
Krätzmilben durch ihren Lebensaufenthalt innerhalb der Epi-
tlermis direct veranlassen, und unter diesen bildet das hervor-
ragendste der Milbengang (sillon).
Um einen solchen aiTs seinem verschiedentlicheu , aber
s tets charakteristischen klinischen Ansehen — ohne Bei-
liilfe der mikroskopischen Untersiichung — constatiren zu
können , ist es zu wissen nothwendig , wie derselbe entsteht
und wie seine Merkmale successive hervortreten.
Dort, wo die Milbe sich einbohrt, wird die Epidermis
in einem rundlichen Umkreise von 1 — 2 Mm. zerwühlt, wie in
der schematischen Zeichnung (Fig. 57 a) zu sehen , oder ent-
steht durch den Reiz , welchen das Beissen und Wühlen der
^lilbe veranlasst , Exsudation und ein Bläschen , welches gar
nichts für Krätze Charakteristisches hat und nach Vertrocknung
und Abblätterung der Decke wieder eine trichterförmige (im
Durchschnitte Fig. 57 a ovale) Exfoliation der Epidermis. Xun
bohrt die Milbe weiter, um in die Schichte der saftigen Rete-
zellen zu gelangen, und zwar in zur Hautoberfiäche schief ab-
steigender Riohtiuig und befände sicl\ nun aiif Punkt I (Eig. 57 a).
Wie ruiter jedem fremden Körper, z. B. einem eingestossenen
Holzsplitter, so entsteht auch imter der durch ilire Bewegungen
und Angriffe noch mehr, als ein fremder Körper, ii-ritirendeii
Milbe eine eliminatorische Epidermisliyperplasie und Verliornung
Scabies, Nosologie.
7G1
bei Punkt I. Dadurch wii-d eiuestheils die Partie iu die Hölie
gehoben, zugleich auch die Milbe von der nährenden Schichte
det« Rete abgeschieden. Sie bohrt also weiter in die Tiefe, um
Nahrung — zugleich Raum für die Eier — zu finden und ge-
langt bis Punkt II. Hier meder die eliminatorische Epidermis-
verhornuug uiiter ihr (2 Eig. 57 a) , das Emporgehobenwerden
des alten G-angtheiles und die Nothwendigkeit für die Milbe
weiter zu bohren, womit sie Punkt III, wieder relativ zu
Punkt II und I schief abwärts erreicht, und somit ist der
Milbengang und sein charakteristisches Ansehen gegeben.
Fig. 57 a.
n Schematischer Schief- üurchsclmitt durcli Epidermis, Milbengang und
Papillarschiclit der Cutis.
Derselbe erscheint als ein melu^ere Millimeter, oft gar 1
bis 2 Ctm. langer, gerader, oder meist etwas krummer, zackig-
bogenförmig verlaufender, von Stelle zu Stelle punktirter , wie
mit einer unter die Epidermis vorgeschobenen Nadel gemachter
Holilgang, eine Mine, dessen Contour mit einer zu Tage liegenden,
breit oval begrenzten Exfolation beginnt — Kopfende des
Ganges — (Eig. 57 a vor I), alsbald in eine schmale Parallele
übergeht, deren Linien erst am Ende des Ganges — Schwanz-
ende — wieder etwas auseinander weichen, um am Ende in
einer Rundung ineinander überzugehen (Eig. 57 a III), die
durch ein geblichweisses, glänzendes hervorragendes Pünktchen,
die Milbe, gekennzeichnet ist. Zugleich ist über dem älteren
und durch die unter demselben entstandene Verhornung in die
-^(59 Neunundvierzigste Vorlesung.
Hölie geschobenen Grangtlieile die Decke vielfach trocken, ein-
gesunken, zerklüftet, ansgefaUen. Je mehr dem jüngsten Tlieile
sich nähernd, desto tiefer liegt der Canal , desto dicker, succu-
lenter ist die über ilim liegende Epidermisdecke , desto mehr
weiss, lebendig sieht der Gang ans, dessen Inhalt, Eier und
Eaeces, als gelbliche und schwarze Punkte, durch die succulente
Decke durchschimmert , und dessen Ende durch ein gelblich-
weiss schimmerndes Knöpfchen, die Milbe, gekennzeichnet ist.
Man weiss also, dass nicht an der zerklüfteten, sondern an der suc-
ciüenten Seite, und zwar am knopfförmigen Ende des Ganges,
die Milbe herauszufischen ist und es gelingt leicht sie zu be-
•kommen , indem man mittelst der Spitze eines Federmessers,
oder einer nicht federnden Staarnadel knapp neben dem gelblich-
weissen Endpunkte einsticht, sachte den Inhalt herausholt und
auf den Daumennagel abstreift.
In dem geschilderten Ansehen ist der Milbengang typisch.
Man kann denselben für die Besichtigung unter dem ]\Iikro-
skope mittels Scheere abkappen, oder indem man, wie ich zu
thun pflege , von der Milbenseite her mittels einer Impfnadel
unter denselben durchfährt und am Schwanzende und seitUch
mit der Nadelspitze und Schneide herausfährt. Damit ist die
den Gang enthaltende Gewebsschichte aufgeklappt und kann
an der noch haftenden Seite ohne Quetschung abgekappt werden.
Zwischen zwei Objectgläser gepresst und unter dem i^Iiki^oskope
besehen, wird nun der Mübengang ein instructives Bild des
Eies Eaeces und der Milbe geben , wie in Eig. 54.
Etwas anders ist das Ansehen des Milbengaiiges , weim
die Anwesenheit der Milbe eine intensivere Reizung der Pa-
pillen veranlasst , so dass Exsudation , Bläschen- und Pustel-
bildung erfolgt (Scabies pustulosa). Dies kann m jedem
Stadium ilires Bohrens geschehen. Da die Exsudation aber
immer von den Papülargefässen aus stattfindet, so wird deren
Product stets unter der hornigen Zelllage sich befinden, welche
die Basis des Milbengaiiges bildet und die Epidermisschichte,
welche diesen einschliesst, bildet zugleich die Pusteldecke und
in dieser Decke ist die punktirte Linie des Milbengaiiges zu
sehen wie in Fig. 57 i. ... a ^ Ua
Zugleich bohrt die Milbe sofort weiter, um über das Be-
reich des Pustelherdes hinaus in normales Rete zu gela.ngen.
Daher sieht man stets den Pustelcontour in der Verlängerung
Scabies. Nosologie.
763
der punktirten Milbenganglinien etwas ausgebuclitet — da wo
die Milbe vorgerückt ist.
Milbengänge können sick an jeder Hautstelle finden, dock
kommen sie, okne dass eine Erklärung dafür gegeben werden
könnte, an gewissen Oertlickkeiten häufiger vor, weskalb diese
zu kennen für den praktischen Arzt sehr wichtig ist. Diese
sind nach der Reihe der Häufigkeit und Menge : Die Beugeseite
des Handwiu'zelgelenkes , die Seitenflächen und Uebergangs-
JFig. 57 b.
Scliematischer Durchschnitt durch eine Pustel (P), in deren Epidermis-
decke ein Milben gang verläuft.
Fig. 57 c.
Dasselbe in Flächenansicht. Die Milbe befindet sich jenseits der Pustelgrenze
im nicht abgehobenen Rete.
falten der Pinger, bei Kindern und mit zarter Haiit begabten
Personen die Flachhand, die Streckseite des Ellbogens, die
vordere Achselfalte, die Brustwarze und deren Umgebung bei
weiblichen Personen, der Nabel und dessen Nachbarschaft, der
Penis und zwar Eichel und Integument. penis , Scrotum , da.s
Gesäss besonders über den Trochanteren, der innere Fussrand.
Zu diesen Oertlichkeiten sind als besonderer Lieblingssitz der
Milbengänge noch zu zählen alle jene Hautstellen, welche
wiederholt gedrückt und in der Epidermis verdickt worden.
Neunjindvierzigste Vorlesung.
Daliei- finden sie sicli regelmässig an der Taille bei Weibern
nnd Männern, wo Mieder und Riemen die Haut schwielig ge-
macbt, bei Scliustern über den Sitzknorren, deren Haut vom
hölzernen Dreistulil verdickt, auf den Schultern bei Lastträgern,
bei Webern über dem Rippejibogen, der vom Webstuhl oft ge-
presst worden. Die genannten Oertlichkeiten bilden die regel-
mässigen Localisationen der Milbengänge, zugleich
C'entralherde , von denen aus die Invasion der Milben auf die
Nachbarschaft überzugreifen pflegt, so dass bei mässiger Er-
krankung einzelne der genannten Regionen , am regelmässigsten
Hände, Achselfalte und Penis , bei langer Dauer und Inten-
sität der Krätze nicht nur alle aufgezählten Hautstellen dicht
gedrängt, sondern auch alle zwischen gelegenen Hautpartien,
des Unterleibes, Vorder- und Oberarmes , Nates , Oberschenkel,
Sclmltern, bei Kindern auch Gresicht und behaarter Kopf, Hand-
und Fussrücken von Gängen besetzt erscheinen können.
Eine nebst den Milbengängen wichtige objective Erschei-
nung der Scabies bildet Eczem, welches zu einem Theile als
directer Effect der Milbe , zum anderen als indü^ecte Folge ihres
Einflusses sich herausstellt.
Zu dem Ersteren sind zu zählen die an der Einboimuigs-
steUe der Männchen , Jungen und unter den Gängen entstehen-
den Knötchen, Pusteln, Bläschen, Blasen, wonach
man ja von Scabies vesiculosa , bullosa , pustulosa spricht. Doch
haben diese Efflorescenzen an und für sich nichts für Krätze
Charakteristisches, sondern auir insoferne sie mit Milben-
gängen complicirt sind. Manche Menschen und Oertlichkeiten
sind besonders dazu disponirt. So finden sich bei Kindern xmd
jugendlichen, sovne weiblichen Personen, bei Scabies der Hände
und Füsse da oft viele und grosse Blasen und Pusteln , welche,
wie früher gezeigt worden (Fig. 57 b), den Milbengang vor sich
herwölben.
An der Achselfalte , der Brustwarze und dem Warzenhof,
am Nabel , über der Hüfte und am Penis bilden sieh unter den
Milbengängen rothe , derbe , der Richtung der letzteren folgen-
den Knoten , so dass der Gang auf dem Firste je eines Knotens
sitzt. (Nebstdem finden sich am Penis kurze , wie eine mit einer
Nadel angebrachte feine, zackige Ritze aussehende Gänge.)
Ein anderer Theil des Eczems entsteht durch reflectorische
Reizung, wie bei allen schon bestehenden Eczemen, sowie durch
Scabies. Nosologie.
705
örtliolie Complieatiüii , Eiterabsperrung ; vorwiegend (hirch das
Kratzen, zw welchem theils die Milben selbst, tlieils das
schon bestellende Eczeni Veranlassung gibt.
Das Jucken bei Krätze ist sehr intensiv, aber nicht
stetig zngegen , sondern macht sich zumeist des Abends beim
Entkleiden und in der Bettwärme geltend , offenbar , weil da
die IMilben ihr Bohr-, Wander- nnd Ernälmingsgeschäft am
lebhaftesten betreiben. Das Kratzen führt nun zur Steige-
runs- des Eczems und da Jucken und Kratzen auch vornehmlich
die Krätzherde betreffen , so entwickelt sich auch an diesen das
consecntive Eczem am intensivsten.
Die Eczemerscheinnngen halten demnach ihrer
Intensität nach auch die Localisationen der Milben-
gänge ein. Diese Thatsache ist ein wichtiges objectives Sym-
ptom der Krätze. Die eczematöse Eruption besteht im Allge-
meinen in discreten Knötchen und Bläschen , welche in demselben
Masse, als sie selber zerkratzt werden, mit Pusteln, Borken
und blutigen Excoriationen sich combiniren ; seltener in diffusem,
nässendem Eczem. Dasselbe occupirt in typischer Weise das
Hantterritorium von den Brustwarzen bis etwa zn den Knieen,
indem der vordere Stamm von den Warzen abwärts, die Scham-
gegend und die inneren Oberschenkelflächen von jenen discreten
Efflorescenzen und Kratzeffecten besetzt sind ; ferners die innere
Fläche der Arme, die Nates , die Unterschenkel , alle Regionen,
welche den kratzenden Fingern bequem zugänglich sind (daher
weniger den Rücken) , immer mit dem Charakteristicnm , dass
an den Hanptherden der Milbengänge, Warzen, Penis, Achsel-
falten etc., und deren nnmittelbare Umgebung die Eczemernption
am dichtesten gedrängt erscheint. Das Bild ist so charakteristisch,,
dass es schon von feriie besehen als von Scabies herrührend
sich 7A\ erkemien gibt.
Am intensivsten pflegt dasselbe alsE. pustniosum, crustosum
und mit Infiltration der Haut vergesellschaftet an den Händen,
an der weiblichen Mamma , am Gresäss der Schuster , nebstdem
manchmal am Penis nnd Scrotnm , an Händen und Füssen zn
sein , sowie überhaupt an allen Hantstellen , welche mit Drnck-
schwielen besetzt sind. An Händen und Füssen von Säuglingen
nnd jugendlichen Personen kommen unter nnd neben Milben-
gängen grosse , oft rupiaartig fortschreitende Bläschen nnd
766
Neunundvierzigste Vorlesung.
Blasen vor , deren Krusten die Milbengänge bis zur Unkenntlicli-
Iceit verdecken.
Als „Scabies norwegica" s. Boeckh (s. crustosa) hat
Hebea eine eigentliümlicbe , vorerst an Leprosen von Boeck und
Danielssen, später von Füchs, Gompert und Bamberger, Beegh,
RiGLER, Vogel, Düben, Mittermayer und in einzelnen Fällen
auch an unserer Klinik gesehene Krätzform beschrieljen , bei
welcher in Folge von jahrelangem Bestände der AfFection , oder
bei Manchen auch, unter individueller Disposition, nach kürzerer
Frist mehrere Millimeter dicke Epidermisschmelen an der
Flachhand und Fuss so hie, an den Ellbogen, am Knie
Fig. 58.
Borke von Scabies crustosa, Milben in verscliiedenen
Entwicklungsstadien, Milbenei, Faeces.
entstanden sind, innerhalb welcher die Milben nicht in regel-
mässigen Gängen , sondern, wie bei Scabies pecorina. in unregel-
mässig gegrabenen Eärunen sich vorfanden. Wahrscheinlich lag
dies in der grossen Menge der Milben, deren eine Unzahl in
allen möglichen Entwicklungsstadien innerhalb der Schleim-
schichte zu finden waren, während die für die Ernährung unzu-
reichenden Hornzellenlagen mir todte Reste derselben enthielten.
Auch käsige Verdickung der Fingernägel, imd Ausfallen
der Kopfhaare ist als Folge der massenhaften Milben beobachtet
worden , gerade so wie bei der Krätzräude der Tliiere. Ein im
Besitze der hiesigen Klinik befindlicher Fingernagel von Borken-
krätze enthält in unregelmässigen Höhhuigen Milbenreste in
reicher Menge.
Die Entwicklung der Krätze erfolgt, wie die expen-
menteUe Uebertragung , sowie die zufäUigen Erkrankungen
lehren, sofort imter Juckempfindung, die mit dem Fortschreiten
Scabies. Nosologie.
767
der Erkrankung au Intensität zunimmt. Da bis zur Entwick-
lung eines einzigen schönen Milbenganges ein Zeitraum von
8 bis 14 Tagen verstreicht und zur Entstehi^ng neuer Gränge
durch avisgewanderte und von ihrer Häutung absolvirte und
befruchtete Milben wieder einige Woclien vergehen, so kann
jede vielfach localisirte, wenn aivch mässig entwickelte Scabies
als mindestens 6 Wochen bis 3 Monate alt angesehen werden.
Bei ungestörtem Verlaufe breitet sich die Erkrankung bimien
wenigen Monaten allgemein aus , immer mit der stärkeren Aus-
prägung der Symptome (Gränge und Eczem) an den aufgezäldten
typischen Localisationen , und kann dieselbe dann unbegrenzt
lange, das ganze Leben hindirrch bestehen, wie einzelne von
Reisenden, von Boeck, Hebba, an Leprosen in Norwegen gemachte
Beobachtungen lehren. Eine andere Wirkung als die geschilderte
Eeihe von Veränderungen an der Haut hat Scabies auch
bei so langem Bestände nicht zur Eolge, namentlicli keinerlei
Benachtheiligung innerer Organe oder Functionen.
Während der Dauer von fieberhaften und depascirenden
Krankheiten , Pneumonie , Variola , Typhus , schweren Puer-
perien etc. verschwinden die Symptome der Krätze , indem das
Jucken aufliört , die Eczemeruptionen schwinden und die Milben-
gänge rmdeutlich werden. Die Scabies-Erscheinnngen treten
aber in der Reconvalescenz von diesen Krankheiten deutlich
wieder auf. Diese Thatsache hat zur Zeit , als man noch
in das AVesen der Scabies und auch in die Pathologie jener
fieberhaften Processe keine Einsicht hatte , den Grlauben erweckt
und gestützt , dass das Erlöschen der Krätze jene scliweren
und lebensgefährlichen Allgemeinerkrankungen verschuldet habe,
dass diese die Folge der durch „Erkältung", „Verschmieren" etc.
„zurückgetretenen", „verschlagenen" Krätze, dass sie Krätz-
metastasen seien. Es ist klar, um was es sich da handelt. Li
der durch Fieber abnorm heissen, trockenen, durcli Anämie
atonischen Haut sterben die Milben ab, daher kein Jucken
und Kratzen, und als weitere Consequenz Rückbildung des
Eczems. Die Eier aber bleiben erhalten. Li der wälirend der
Reconvalescenz turgescirenden Haut kriechen aus diesen junge
Milben und beginnen die Krätzsymptome auf's Neue.
Die Ursache der Scabies bedarf nach dem Besprochenen
•keiner neuerlichen Erörterung: sie ist einzig im Sarcoptes
gegeben. Die Ansteckung mittels Krätze erfolgt nur, wenn
Neiinundvierzigste Vorlesung.
luelix'ere träclitige Milben, oder Weihchen und Männclien zu-
gleich auf die Haut gelangen und sich da einnisten , sei es von
Menschen auf Menschen, sei es von rändigen Thieren. Die
erstere Art der Ansteckung ist die vulgäre. Sie erfolgt ziemlich
leicht , aber doch nur hei längerem und dauernderem Contact und
besonders in der Bettwärme , beim Zusammenschlafen , unter
Umständen , unter welchen die Milben auf der Hantoberfläche
ihren verschiedenen Zwecken (Begattung , Einbohrung) nach-
gehen. Bei Tage und flüchtigen Berührungen, oder durch den
(Tebranch von Geräthen und Kleidixngsstücken Krätzkvanker
wird gewiss schwer Scabies gewonnen. Ich demonstrire jahraus
jahrein die Scabiösen in der Vorlesung von Gruppe zu Gruppe,
halte dabei die milbengespickte Hand minutenlang , wasche auch
die meinige oft erst eine halbe Stunde später, habe aber noch
nie dabei Krätze bekommen. Unter den Gesellschaftsclassen,
welche bei uns das grösste Contingent von Ki'ätzigen liefern,
sind diejenigen zu nennen, bei denen die Arbeiter (Lehrlinge)
7AX Zweien ein Bett inne zu haben pflegen , , Allen voran die
Schuster , demnächst die Schneider. Die Schuster bilden 40 bis
r)07o unserer Scabiösen, die Schneider 20 bis ;)0'>lo miä Beide
haben bewirkt, dass wir in früheren Jahren an 1000 bis 1200
Krätzige im Jahre auf der dermatologischen Abtheilung zur
Behandlung hatten. Seit dem Jahre 18(34, seitdem die Hand-
werks-Innungen ihre eigenen Aerzte bestellt haben , welche die
Krätzkranken ambulatorisch behandeln , hat sich der Stand der
auf der Klinik an Krätze Behandelten auf 200 bis 300 per Jahr
vermindert. Aber bei den Schustern ist noch immer die Krätze
vorwiegend, und Dr. Weinberg , Innungsarzt der Schuster , hat
von lS64bis mm, d. i. innerhalb 15 Jahren, xmter. 29.497 ambula-
torischen Schustern 5632 Scabiöse , d. i. an 20 "/o aUer Kranken
ausgewiesen.
Zur Diagnose der Krätze bedarf es blos genügender
Aufmerksamkeit gegenüber ihren charakteristischen Symptomen.
Und doch ist es Thatsache, dass kaum eine Dermatose häufiger,
auch von sonst gut unterrichteten Aerzten übersehen nml ver-
kannt wird, als Scabies und der Fälle sind uns genug vor-
gekommen, in welchen Kranke wegen heftigen Juckens und
Kratzens (und Eczem) Monate und Jahre hindui-eli mit inner-
lichen und äusserlichen Mitteln, Trink- und Badecuren. aber
ohne Erfolg, behandelt worden sind, einzig und allein, weil
Scabies. Nosologie.
760
die Diagnose „Krätze" nicht gemacht worden war, während,
wie nnser Vorgehen lelirte , die Einreibung eines beliebigen
Krätzmittels mit einem Schlage dem langen Leiden ein Ende
gemacht hätte. Man kann nun freilich nicht erwarten, dass
jeder Arzt die Kunstfertigkeit besitze, Milben herausziiholen,
und es ist dies in complicirten und durch Baden, Seifen etc.
veränderten Formen auch für den Fachmann nicht leicht. Aber
die Krankheit zu diagnosticiren , ist denn doch nicht schwer.
Tu typischen Fällen sind ja die Milbengänge gut kenntlich. Nur
beschränke man sich nicht allein auf das Examen der Hände,
an denen die Gränge durch Einwirkung von Seife bei Personen
der besseren Stände, sowie bei weiblichen Dienstleuten; durch
Säuren, mechanische Reibung, bei Handwerkern, bis zur Un-
kenntlichkeit zerstört zu sein pflegen; sondern besehe auch
den Penis, bei Frauen die Brustwarzen und die Stelle unter
den Rippen, wo die ßockbänder gedrückt haben, an welchen
gewiss Milbengänge imd längliche Knoten sich vorfinden werden.
Aiich wenn dieselben durch unvollständig durchgeführte Krätz-
curen zerstört worden sind, erkennt man noch die charakteri-
stischen Contouren der Milbengänge (Fig. 57), welche von
gewöluilichen Hautritzen durch den streckenweisen parallelen
Lauf und die Divergenz nach der einen (der Anfangs-) Seite,
die runde Verschmelzung nach der anderen Seite sich kenn-
zeichnen.
Ein weiterer diagnostischer Behelf ist neben dem Charakter
desEczems (als grösstentheüs aus discreten Knötchen, Bläschen
und Pusteln bestehend) dessen vorwiegende Localisation an
den früher besprochenen Körperstellen. Und ich möchte rathen,
jeden Kranklieitsfall, in welchem eine solche Localisation sicli
dem Beschauer aufdrängt, ohneweiters als Scabies zu diagno-
sticiren, oder wenigstens — worauf es ja in der Praxis an-
kömmt — als solchen zu behandeln. Denn man wird durch
die Application einer Krätzsalbe gewiss den grössten Theil
der Symptome, Eczem und Jucken, beseitigen, awf keinen Fall
aber auch da, wo die Amiahme von Krätze nicht zutrifft,
schaden; gewiss weniger, als durch unthätiges Gehenlassen
und weit vom Ziel abschweifende Trink- und Badecuren.
Die Prognose der Krätze, auch solcher, die jahrelang,
in allgemeiner Verbreitung und mit Complicationen aller Art
bestanden, ist absolut günstig, da die Krankheit mit grösster
Kaposi, Hautkrankheiten. 49
Y'jQ Neuuundvierzigste Vorlesung.
Sicherheit und in kürzester Frist für alle Dauer geheilt
werden kann.
Der Therapie der Scabies ist die zu erfüllende Aufgabe
bestimmt vorgezeichnet. In erster Reihe handelt es sich darum,
das ursächliche und unterhaltende Moment der Krankheit, die
Krätzmilben und ihre Brut zu vernichten. Mit der
Eliminirung dieser wird auch in Einem das Jucken und
Kratzen, mit letzteren eine Ursache des Eczems beseitigt
und ist Gelegenheit geschaffen zur spontanen Involution des
bestehenden Eczems.
Da aber Eczem selber juckt und zu Kratzen veranlas.st,
auch in vielen Fällen von Krätze dasselbe bis zur Intensität
einer selbständigen Krankheit sich entwickelt hat, das Lidi-
viduum aber thatsächlich nicht gesund und arbeitsfähig ist,
so lange dieses zugegen ist, so besteht die zweite Aufgabe in
Heilung des Eczems.
Dieser Umstände sich bewsst zu sein, ist nothwendig,
Angesichts der in den letzten Jahren von vielen Seiten an-
gerühmten „Schnellcuren" der Krätze. Denn dem in die Sach-
lage Eingeweihten wird es klar, dass die erwähnte erste Be-
dingung der Therapie, die Tödtung der Müben, zwar jedesmal
rasch gelingt und damit der Patient in vielen EäUen auch
factisch hergestellt ist, dass aber dort, wo intensives Eczem
sich vorfindet, mit der meritorischen Heilung der Krätze der
Kranke factisch doch nicht genesen ist, da es noch gilt, das
Eczem zu heüen, dies aber nie durch eine SchneUcur, sondern
oft erst durch mehrtägige, oder wochenlange Behandlung gelingt.
AYeil wir nun den Krätzkranken nicht für geheilt betrachten,
wie dies ja auch der Thatsache entspricht, bevor nicht alle
aus der iirsprünglichen Ursache hervorgegangenen Krankheits-
erscheinungen gefügt, und das Individuum seinem Berufe und
Wohlbefinden wiedergegeben ist, so rühmen wir uns auch nicht
der Meisterschaft in der SchneUcur der Krätze, sondern ge-
stehen, dass bei uns im Spitale die durchschnittliche Beliaud-
lungsd'auer derselben bei Männern 3—5, bei Weibern 5—7 Tage
beträgt- u. z. weil bei Ersteren (bei Schustern und anderen
Handwerkern) das Eczem ad Nates, bei Weibern das der Mamma
oft 2— ß Wochen zur Heilung braucht.
Die Arzneimittel, welche zur Tödtung der Milben
d ihrer Brut sich als wirksam und verlässlich erwiesen
\i n ( I
Scabies. Therapie.
77i
haben, sind: Scliwefel; die Infusionen, Deeocte und ätheri-
schen Oele gewisser Pflanzen: Semina Staphysagriae, Helle-
boru8, Baccae lauri, Oleum Caryoiohyllorum, Roris marini,
Menthae u. Ä. ; ferner balsamische xmd empyreuma-
ti sehe Oele, Bals. periivianus, de Tolu, Petroleum, (Decaisne)
Styrax, (Pastau) Theer. An diese sind noch solche Mittel zu
reihen, welche, indem sie die Epidermis maceriren , das
Eindringen der genannten Parasiticidia in die Milbengänge
erleichtern, als Seife und rauhe Pulver (Kreide, Bimsstem).
Von den genannten ArzneistofFen hat die Empirie im
Laufe der Zeit nach Hunderten zählende Combinationen gemacht,
welche als „Krätzsalben", „Krätzmittel" mehr weniger renom-
mirt geworden smd und in der Anwendung sicli bewährt haben.
Von denselben seien hier einige angeführt:
Helmerich's Salbe: Sulf. citrini 10, Subcarbonat.
Potassael, Axungiae40. — ALiBERT'sSalbe:Flor.sulf.40,
Muriat. Ammoniae 10, Axung. 80. — Jadelot's Salbe:
Kalii sulfurat. 20, Sapon. alb. 80, Olei olivar. 14.
Olei Thymi 1. Vezin's Salbe: Flor, sulf.; Sapon. alb.:
Axung; aEi20; Pulv. hellebori albi 1, Nitri pur. 0,1;
— Unguent. Wilkinsoni modif. (Hebra): Flor, sulf.; Olei
fagi äa 40; Sapon. viridis, Axung. p o r ci ^ 80, Greta e
alb. pulv. 5. — "Weinberg's Salbe: Styr acis liquidi, Flor,
sulfuris, Cretae albae 10, Sapon. viridis, Axung.
porci. ^ 20. — Boürgüignon's Salbe: Olei lavand., Men-
thae, Caryophjdlor., Cinnamomi, aa 1,50, Grummi
tragacanth 5, Kali carbonici 35. Flor. sulf. 100.
Grlycerini 200, (sehr theuer). — Adolf's Salbe: Flor,
sulf.; Baccar. juniperi; Baccar laur. pulv.; Axung,
p 0 r c i äa 35 ; — S 0 1 u t. Vleäiingkx (Kalk-Schwefelleber-Lösung
magistraler Formel).
Ebenso können Schmierseife allein, oder die käufliche
Schwefelseife, S chwef elsandseif e; oder Perubalsam,
oder Styrax pur, oder mit Oelen gemischt nützlich sein, während
Petroleum allein, und alle aromatischen wässerigen Aufgüsse
und Deeocte weniger verlässlich sind.
Bei der Wahl des Mittels und der Methode seiner
Anwendung soll nach unserer Erfahrung die doppelte
Rücksicht massgebend sein, welche bei der Therapie principiell
zu erfüllen ist. Darnach ist jenes Mittel und in jener Metliode
49*
772
Nenmindvierzigste Vorlesung.
am besten zu empfehlen, welches am promptesten die Milben
und ihre Gänge zerstört und am wenigsten die Haut reizt.
In diesem Sinne ist üngu. Wilkinsoni modif. wohl das
allerbeste Krätzmittel. Unter demselben schrumpfen die
(xänge und auch die Eczemeruptionen ein und sistirt sofort
das Jucken. Zugleich gibt die scliwarze Injection der Gänge
mittels des Theeres die positive Ueberzeugung, dass die Milben
und ihre Brut mit dem Mittel imprägnirt worden sind, so dass,
wenn auch nachträglich Jucken auftreten sollte, der Arzt vor
der Verlockung behütet ist, neuerdings eine Krätzsall)e ein-
schmieren zu lassen, da unter solchen Umständen das Jucken
gewiss nur von Eczem, nicht von Krätzmilben herrülirt. Ich
möchte daher auf Grund der von uns wiederholt und jüngst
abermals im Grossen durchgeführten vergleichenden Versuche und
ihrer Resultate empfehlen, in jedem Falle von intensiver Scabies,
in der Privatpraxis wie im Spitale, das Ungu. Welkixsoxi
mo dif. zu verwenden. Gegen massige Erkrankungsfälle reichen
aus: Bals. peruvianus pur, oder ein Liniment von der
Formel: Styracis liquid. 5, Petrol. venalis, Olei olivar. ^ 15,
Bals. peruvian. 10, Spirit. sapon. kaiin. 20; oder Rep. Flor,
sulf. 15, Ungu. emoU. 30, Olei lavand., Menthae, Naphae ^
gutt. quinque.
Alle fettigen Mittel, wie Perubalsam, Styrax etc. liaben
dagegen den Nachtheil, dass unter ihrer Anwendung erstens
die bestehenden Eczeme nicht eintrocknen, und zweitens, dass
die Milbengänge, wegen Aufquellen ihrer Epidermisdecke, blass
und succulent und dabei farblos aussehen, so dass man nur
schwer überzeugt ist, ob auch in jedem Gange Milben und Eier
getödtet sind ; so dass in Folge der nach jeder Art Cur, be-
sonders nach Schwefelsalben auftretenden Eczemeruption und
Jiickens der Arzt leicht verführt wird, die Cur zu erneuern,
was meist zum Schaden der Haut, inuner aber zur Protrahirung
der Behandlung führt.
Eine Vorbereitung der Haut durch Bad und Abreibung
mittels Seife ist unnöthig, bei Gegenwart von Eczem auch
schädlich. Es genügt, die Krätzsalbe mit der Hand, ein öliges
Mittel mittels Flanelllappens energisch in die Haut einzureiben.
"Wiclitig ist nur, dass zunächst alle Hautstellen energisch be-
arbeitet werden, welche vorwiegend der Sitz von MUbengängen
sind. Es werden also zuerst die einzelnen Finger, die Finger-
« Scabies. Therapie. 77;')
falten, die Beuge des Handwurzelgelenkes, ElacUiand und Hand-
rücken , sodann die Streckseiten der Ellbogen, die vordere
Acliselfalte, die Brustwarzen und Umgebung, der Nabel, die
Hüfte, das Glesäss, besonders die Haut über den Sitzknorren,-
die Backenfalten, Penis und Scrotum, der innere Fussrüst,
einzeln und energiscb eingerieben, worauf daim das Mittel noch
allgemein über die Haut versclimiert wird. Zwei Einreibvingen
gut gemacht genügen ein- für allemal. Das Niederlegen der
Ea-anken zwischen Wolldecken, oder gar Schwitzen (ehemalige
„englische" Methode) derselben ist unnöthig und sogar schädlich,
insoferne derart arteficielles Eczem hervorgerufen wird. Man
lasse den Kranken nach der Inunction Wollkleider auf den
blossen Leib nehmen, oder (im Spitale) zwischen AVolldecken
sich legen, damit die Salbe nicht in die Wäsche sich imbibire,
und warte bis nicht nur die Haut ganz trocken geworden,
sondern auch die verschrumpfte Epidermis (nach Ung. Wilkinsoni
und allen Seifensalben) sich überall abgestossen und alle SjTuptome
der Hautreizung, die in den wenigsten FäUen ausbleiben, als
Urticaria, Eczema papulosuui, verschwunden sind. Erst dann
gestatte man ein ßeinigungsbad. Durchschnittlich eignet sich
hiefür der 3. — 5. Tag. Nachträglich habe man Acht durch
Empudern, Abhalten des irritirenden Schweisses luid Verbot
des weiteren Badens jede luxnöthige Reizung der Haut und die
Ursache für arteficielles Eczem fernzuhalten, u. z. dies um so
sorgfältiger, je mehr ein Hautorgan sich für arteficielles Eczem
disponirt zeigt.
Nach intensiver Scabies bleibt zumeist noch Eczem zurück,
als Nässen, Knoten, Pusteln ad Nates bei Schustern, Eczem
der Mamma bei Erauen, Pustel- und Blasenbildung an den
Eingern. Solche Eczeme werden nach den bekannten Regeln
mittels Ung. Diachyli, nassen Umschlägen, Aetzungen mittels
Kalilösung , Sublimat-Handbädern und Sublimat - Umschlägen,
Theer etc. zu Ende gebracht.
Fünfzigste Vorlesung.
Dermatozoonosen (Fortsetzung). Epizoonosen.
Acarus follieulorum. Pulex penetrans. Filaria medinensis. Leptus autum-
nalis. Ixodes Ricinus. Cysticercus cellulosae. — Epizoonosen: Pediculi
capitis, corporis, pubis et Pediculosis s. Phthiriasis. — Pulex irritans. Cimex
lectularius, Culex pipiens. Oestrus.
Die Haarsackmilbe
Acarus follieulorum
ist von G. Simon 1842 im Inhalte der HantfoUikel aufgefunden und
seither von Mieschek, Owen („Demodex follicu- ,g
lorum " ) , GrBRVAis ( „ Simonea foUiculormn " ), G-euby,
Wedl, Er. "Wilson, Küchenmeister u. v. A. be-
schrieben worden.
Man findet dieselbe bei vielen, besonders co-
piöse Fettsecretion und Acne der Gesichtshaut
darbietenden Personen, indem man durch Druck,
oder mittels eines Messerrückens über die be-
treffenden Gesichtstheile, Stirne, Ohr, Nase, Ober-
lippe streichend, den Inhalt aus den Talgdrüsen-
mündungen herausquetscht und unter dem Mikro-
skope beschaut.
In der zumeist vorfindlichen Gestalt prä-
sentirt sich die Milbe, oft Bewegung der Füsse
und der Mandibeln zeigend, als ein wurmförmiges
Thier in der Länge von O'OS— 0-12 Mm. und der
Breite von 0-02 Mm. (Fig. 59). Der rüsselförmig
verlängerte Kopf trägt seitlich zwei Palpen,
die aus zwei senkrecht stehenden Mandibeln be-
. . Acarus luliiculorum
stehenden Fresswerkzeuge, auf der Rückseite zwei (nach Küche u-
warzige Höcker und ist durch eine lialbmond- meistcr).
i
Acarus folliciiloniin. Pnlex penctrans.
775
förmige Fiirclie von dem Brnsttlieil getrennt. Dieser trägt
seitlich je 4: stummelföi-mige , dreigliedrige Füsse, welche
mit 3 (5) Hacken enden und Querstreifen (Gerüste), welche
wahrscheinlich ringsum den Körper laufen und mit einem
medianen Längsstreifen in Verbindung stehen. Der wurm-
förmige und in eine abgerundete Spitze auslaufende Hinter-
leib misst das Dreifache des Vorderleibes, ist mit seitlichen
Einschnürungen und feinen Kerben und mit rings laufenden
Querstreifen versehen. Im Innern sind Verdanungsschlauch
(Wilson, Wedl), schwärzliche und fetttropfenähnliche Körper
und ein herzförmiges Gebilde gesehen worden, welches Wedl
für das junge Thier hält. Dass die Haarsackmilbe ge-
trennten Geschlechtes, sowie Wedl's Annahme, dass dieselbe,
wie die Krätzmilbe Häutungen diirchmacht, ist durch die
neuesten Untersuchungen von Csokor über Demodex des
Schweines fast sichergestellt. Das oft gesehene sechsbeinige
Thier geht aus dem Ei hervor , aus der ersten Häutung ein acht-
beiniges und aus diesem durch zweite Häutung die reife Milbe.
In den Follikeln stecken die Acari zu 2, 5 bis 20, meist
mit dem Kopfe nach dem Follikelgrunde, doch veraiolassen sie
beim Menschen keine Krankheit und können sie nicht einmal
als Ursache der Acne angesehen werden.
Beim Hunde und Schweine (auch der Katze) kommt ein De-
modex der Follikel vor, welcher naturgeschichtlich als V a r i e t ä t
des Acarus foUiculormn hominis anzusehen ist (Csokor), hier aber
Pusteln, Furunkel, Abscesse in grosser Menge, bei ersterem
Ausfallen der Haare, Marasmus und den Tod veranlasst. Die
Uebertragung der Haarsackmilbe des Menschen auf Hunde ist
angeblich Geuby, sonst aber Niemandem gelungen, ebenso-
wenig zweifellos die Contagion der Hunde untereinander, ob-
gleich bei einzelnen das Thier zuweilen über den ganzen
Körper verbreitet und in diesem Grade auch in einzelnen
Hundekoppeln und bei ganzen Partien von Schweinen an der
hiesigen Marktstation vorgefunden worden ist (Csokor) — ein
Zustand, der die Schweine für den Genuss ungeeignet macht.
Der Sandfloh, Pulex penetrans,
(Rhinochopriön penetrans) ist im mittleren und südlichen
Amerika heimisch, zwischen dem 29. Grad nördlicher und süd-
licher Breite (Paraguay, Brasilien, Mexico, Virginien) und
776
Fünfzigste Vorlesung.
kommt unter dem Aequator (Quito , Bogota) bis zu 6000 bis
8000 Fuss Höhe der Cordilleren vor.
Ausser der Haut des Mensclien beherbergen auch Ratten,
Mäuse und andere Thiere die Eier der „Nigua" („la chique")
und tragen auch diese zur Verbreitung des parasitären In-
sectes bei. Die gelblichen Männchen laufen frei umheiv Nur das
trächtige "Weibchen (etwa halb so gross wie der menschliche
Floh) bohrt sich in die Haut ein , unter den Zehennagel , in
der Knöchelgegend, an irgend einer Stelle des Unterschenkels.
Der Schmerz des Einstiches ist unbedeiitend und verschwindet
alsbald , so dass unerfahrene Reisende , die davon betroffen
werden, nicht ahnen, was ihnen Besonderes widerfahren. Die
Hautstelle schwillt erst zwischen dem 2. — 5. Tage unter
heftigen Schmerzen und Entzündungserscheinungen an, welche
zu Lymphangioitis (wie Karsten an sich selbst erfahren), Ab-
scedirung , Grangrän , Necrose der Knochen , Tetanus und Tod
(bei Negern beobachtet) führen kann. Die Ursache dieser
Erscheinungen liegt in der durch das Reifen der Eier im
Eierstock veranlassten Anschwellung des Thieres bis zu 5 Mm.,
dem öfachen seiner ursprünglichen Grösse , und dem Ablegen
der reifen Eier in das Gewebe.
Bekannt ist die Methode der Eingebornen, das Thier
mittels einer glühenden Nadel auszuziehen und die "Wunde
mittels Tabak zu ätzen. Die Extraction gelingt zu Beginn
der entzündlichen Anschwellung besser, als unmittelbar nach
der Einbohrung, wo die Mandibeln leicht abreissen und in der
Haut zurückbleiben.
"Wie Karsten demonstrirt, steckt das Thier zwar grössten-
theils in der Cutis, doch derart, dass das Endstigma des
grösstentheils obliterirenden Trachealcanals mit der lufthältigen
Hornzellenschichte in Verbindung bleibt und die Athmung
möglich ist.
Der mit der Folge ähnlicher Erscheinungen in die Haut
der Unterschenkel sich einbohrende „Ochsenwurm" („Founza ia
ngömbe"), von welchem Duteieux aus Ostafrika jüngst berichtet,
dürfte eine Fliegenlarve sein.
Der Peitschenwurm, Filaria medinensis
(Filaria sanguinis) ist hauptsächlich an der Westküste
Afrikas (Senegal, Guinea) heimisch, sporadisch auch an den
rilaria medinensis. Leptus autuniualis. Ixodes.
777
indischen, arabischen Küsten, in Persien, Arabien, in Europa
aber nur in importirten Fällen gesehen worden. Dieser Paiasit.
hat seinen Sitz im Unterhaiitzellgewebe , gleichviel welcher
Körperstelle, unter der Conjunctiva, unter der Zunge, und
findet sich vereinzelt, bis zu 20 und darüber. Schmerz, Ge-
schwulst, Blasenbildung, Furunkel, bei deren Aufbruch ein
Theil des Wurmes sichtbar wird, sind die Kennzeichen ; Fieber,
Convulsionen die Begleiter; fistulöse Verschwärung , Gangrän
zuweilen die Folgen seiner Anwesenheit.
Man hat bis lange gelehrt, dass der Wurm sich in die
Haut einbohre. Dies ist offenbar nicht richtig. Die Studien
von Jakobson, Maisonneuve, Lang, Bancrost , Lewis haben ge-
zeigt, dass der Wurm vom Kopfende ab aus einer sarcode-
ähnlichen Hülle besteht, welche Millionen von Jungen beher-
bergt, die, wenn herausgenommen, sich lebhaft bewegen, 0"5 Mm.
lang und U'02 Mm. breit sind, einen dicken Kopf ohne Fress-
werkzeuge und einen spitzen Schwanz tragen und nicht befähigt
sind, sich in die Haut einzubohren ; und es ist daher die allgemeine
Angabe, dass der Peitschenwurm beim Barfussgehen im Sande,
oder beim Baden sich in die Haut einbohre, nicht richtig. Die
Sache scheint vielmehr sich so zu verhalten, dass die aus dem
Wurm frei gewordenen Jungen ausserhalb des menschlichen
Körpers zu reifen männlichen und weiblichen Ladividuen sich
entwickeln, und dass diese gelegentlich, wahrscheinlich mittels
Trinkwasser, in den Verdauungstract des Menschen gelangen.
Von da wandert das Thier, wahrscheinlich, wenn die Entwicklung
seiner Jungen dies erfordert, längs der Gefässe in die Gewebe
aus und nistet es sich in das Unterhautzellgewebe ein. Aber
man hat die geschlechtsreife Form auch in einem Lymph-
abscesse (Bancrost) und zahlreiche Embryonen im Blute und
in Hydrokele vorgefunden (T. Lewis), was ganz besonders für
die besprochene Art der Verbreitung des Parasiten spricht.
Nach wohlconstatirten Fällen beträgt der Zeitraum zwischen
dem Eintritt des Thieres in den Darm und dessen Auswanderung
in die Gewebe 5 — 14 Monate.
Die beste Behandlung ist die von den Negern
geül)te, den Wurm, sobald derselbe bei Eröffnung des ver-
meintlichen Abscesses oder Furunkels zum Vorschein kommt,
vorsichtig an einem Stäbchen herauszuwinden , was binnen 10
bis 14 Stunden gelingt. Beim Fühlen eines Widerstandes
778
Fünfzigste Vorlesung.
hält man inne, weil, wenn der Wurm zerreisst, die Schaar der
.Jungen in das umgebende Gewebe geräth und dessen Ent-
zündung steigert. Der Wurm kann 1 — 4 Meter lang sein.
Die Erntemilbe,
Leptus autumnalis, ist ein mit dem unbewaffneten Auge
noch gut wahrnehmbares Thierchen von rother bis gelblicli-
vother Farbe, mit nur 6 Beinen (Fig. 60), nach Schmarda die
(noch geschlechtslose) Larve von Throm-
bidium autumnale. Sie findet sich um die
Herbstzeit auf vielen Sträuchern (Stachel-
beeren) und Gräsern und bohrt sich
gelegentlich in die Haut des Menschen,
wo sie aber binnen wenigen Tagen ab-
stirbt. Sie veranlasst da heftiges Brennen
und Jucken und Urticaria-Quaddeln und
Knötchen, in deren Mitte sie als röthliches
Pünktchen kenntlich und mittels einer
Nadel herausgeholt werden kann. Das
Jucken, welches nach Absterben des
Thieres auch spontan erlischt, wird mittels
kalter Umschläge, oder alcoholischer Ein-
pinselungen gemildert, am besten, indem man mittels Ein-
reiben fetten Oeles, dem etwas ätherisches Oel beigemengt ist
(Bals. peruv. cum Oleo olivar.), zugleich das Tliier tödtet.
Auch andere Gras- und Getreidemilben bohi-en sich ge-
legentlich in die menscliliche Haut und erzeugen vorüber-
gehende, mitiuiter sehr heftige Eruption von Urticaria und
Eczema papulosum, wie erst jüngst Geber einen solchen Fall
mitgetheilt hat.
Der gemeine Holzbock, Ixodes Ricinus, meist in Kiefer-
gehölz zu Hause, ist eiförmig, gelblich-blutroth. Das l'ö Mm.
lange Weibchen saugt sich in die menschliche Haut ein und
schwillt durch das aufgesogene Blut zu einer bohnengrossen
Blase an, in welchem Zustande sie oft tagelang da hängen
bleibt. Reisst man das Thier weg, so bleibt leicht der Kopf
zurück, wodurcli die Entzündung, die es verursacht liat, länger
währt. Deshalb ist es zweckmässiger, das Tliier 7A\m frei-
Cysticercus cellulosae. — Epizoonosen, Pedicixli.
779
willigen Loslassen zu bewegen, was dnrcli Betupfen mittels
ätherisclien Oeles gelingt.
In anderen Gegenden heimische Zeckenarten, Ixodes
raarginatus, I. americanus, I. liumanus, welcher die
„Carabatos" genannte Menschenplage ausmacht (Schmarda), be-
fallen mit ähnlicher Wirkung einzelne, oder wie Aragas
persicus, manchmal ganze Völkerschaften.
Cysticercus cellulosae ist in den letzten Jahren wieder-
holt in der Haut des Menschen beobachtet worden (Lewin,
Schiff). Er bildet da einzelne bis zahlreiche, zerstreixt im TJnter-
hautzeUgewebe gelagerte, rundliche, erbsen- bis haselnussgrosse,
weich-elastische, bewegliche und unschmerzhafte Geschwülste,
welche mehrere Jahre unverändert bestehen können. Ausge-
schnitten zeigen sie eine bindegewebige Hülle, deren Inhalt eine
zartwandige Blase mit dem langhalsigen Kopfe bildet, an
welchem 4 Saugnäpfe und der Hackeiakranz sich befinden. In
manchen FäUen ist gleichzeitig Cysticercus der iimeren Organe,
Gehirn, Bulbus etc. constatirt worden, wodann eiitsprechend
schwere Functionsstörungen den Zustand begleiteten.
Epizoen und durch sie bedingte Hautkrankheiten.
Epizoonosen,
Die Läuse, Pediculi
bilden die 1. Familie (Pediculi da) der ersten Unterordnung
(Parasita) der ersten Ordnung (ßhjaichota) der Insecta ame-
tabolica (Schmarda) imd charakterisiren sich als un ge-
flügelte schmarotzende Insecten ohne Metamorphose mit zwei
einfachen kleinen Augen, mit saugenden und kauenden Mund-
theilen. Nach den Untersuchungen von Schmajkda, Wehl, besonders
aber Erichsohn, G. Simon und Landois muss man annehmen,
dass die Läuse ziierst mit den Mandibeln in die Haut ein-
beissen und dann in die so gemachte Wunde den Rüssel zum
Saugen einstecken. Von der Familie der Pediculida sind es
drei Arten, welche den menschlichen Körper infestiren :
a) die Kopflaus, Pedicnlus capitis;
b) die Kleiderlaus, Pediculus humani corp oris
s. P. vestimenti;
c) die Filzlaus, Phthirius inguinalis s. P. pubis.
780
Fünfzigste Vorlesung.
Die Aunalime einer vierten Lausart, Pediciüns tabescentium,
nach AiiT (1824) hat sich als irrthümlich erwiesen.
Seit SwAMMEEDAM weiss man, dass die Läuse ge-
trennten Gresclüechtes sind, Eier legen und aus diesen sich
entmckeln. Darnach ist es überflüssig auf jene Lelirmeümng
zurückzukommen, welche seit Aristoteles bis in die Neuzeit
sich allerwegen zu erhalten vermocht hatte und nach welcher
die auf dem Mensclien vorkommenden LäiTse aiTS den verdorbenen
Säften des Körpers entstünden, aus geschlossenen Beulen lier-
vorbrechen, durch massenhafte Entwicklung eine als Dyskrasie
aufzufassende „Läusesucht", „Phthiriasis", darstellen, in
welcher, wie man sich erzählte, zalilreiche hervorragende Mämier,
SüLLA, Hekodes, Philipp IE. u. v. A. elendiglich zu Grrvmde
gegangen wären. Es ist zweifellos, dass, wofern es sich in den
„historischen" FäUen von Phthiriasis nicht um in AA^inden
ausgebrochene Fliegenmaden, sondern thatsächlich um Läuse
gehandelt hat, diese nur von aussen auf den Körper gelangt
sein konnten, und dass es in dem traditionellen Siinie eben
keine Phthiriasis gibt.
Ebensowenig gibt es eine als Knesmus Acariasis Füchs oder
Prurigo pedicularis Autor, zu bezeichnende eigenartige
Läusejuckkrankheit. Die Wirkung der Läuse auf das Hautorgan
ist eben wesentlich keine andere, als die aller die Haut infestiren-
den Epizoen : zunächst Verletzung an der Ein stichstelle, örtlich
Austritt von Blut, Serum, und consecutiv Borkenbildiuig und als
Folge des Saugens der Laus Hämorrhagie, oder quaddelartige
Erhebung ringsum die Bisswunde; weiters Jucken und
Kratzen, in dessen Gefolge nicht nur an den Stichstellen,
sondern auch an anderen Körpergegenden Excoriationen, Eczem-
erscheinruigen in Form von Knötchen, Urticaria, Bläschen,
Pustehi, Borken, Furimkeln, Abscessen und endlich Pigmenta-
tionen sich einstellen, so dass der gesammte im Gefolge der
Anwesenheit der Läuse auftretende Sy mptomencomplex,
der als Pediculosis bezeichnet werden könnte, wesentlich
als Excoriationes s. Eczema e pediculis (capitis, oder
vestimenti, oder pubis) sich darstellt.
Nur in der äusseren Form, Localisation, Litensität und
Menge gestalten sich diese Veränderungen verschieden und
formiren sie ein besonderes Krankheitsbild, je nach der indi-
viduellen Art, Menge uiid Anwesenheitsdauer der Läuse. Li dieser
Pediculosis capitis.
781
Fig. 62.
Beziehung ist von besonderem Belang, dass die drei genannten
Lausarten ihr Territorium strenge gesondert wahren, indem die
Kopfläuse nie das Geläet des Capillitium überschreiten, die
Kleiderläuse niemals auf der Haut, sondern stets in den
Kleiderfalten, aber in der nächsten Nähe der Haut wohnen, dem-
nach vorwiegend dort, wo die Kleider dem Körper knapp
anliegen, am Nacken und Kreuz, und die Filzläuse vorwiegend
in den Schamhaaren nisten ; weshalb auch die durch die Thiere
veranlassten Excoriationen und Eczemerscheinungen vorwiegend
auf das jeweilig eigene Terrain der Laus sich beschränkt;
ferners, dass die grösste Art der Läuse, die Kleiderlaus, auch
die grösste örtliche Verletzung, demnach grosse tiefe Excoria-
tionen hervorruft.
Die Kopflaus,
Pediculns capitis, ist von grauer Farbe, 2 Mm. lang
Kopf und Extremitäten sind dicker, Thorax
breiter als bei der Kleiderlaus; randständig
beiderseits je 6 Stigmata der am Hhiterleibe
durch einen Bogen mit einander verbundenen
Tracheen. Thorax schmal, Hinterleib breiter,
mit 7 am Rande gekerb-
ten und schwärzlichen
Segmenten , 6 Ftisse mit
einem Hacken am letzten
Tarsusgliede , nach inneii
zwei kurzen Stiften ixnd
einer Borste. Die M ä n n-
c h e n weniger zahlreich
als die Weibchen, mit vor-
stehendem letzten Bauch-
ring , am Rücken mit
Miinnli cheKopflaus -p, ■,, ., ^inoT- nl^
mitdemTraclieensysteme Rauhheiten,, einer ^ al^
und den Eespirations- After und Porus genitalis
stycmen nach Küchen- -, -i nc-ffnmio-
meister anzusehenden Uettnung,
einem keilförmigen Penis
und 2 Paar Hoden versehen. Die W e i b c h e n
zahlreicher, mit tiefem Ausschnitt am letzten
Bauchring , in welchem die Aftermilndung, ^^^^ ^^.^ ^.^^^^^
2 Ovarien, deren Eileiter in eine Scheide Kopflaus.
Fig. 61.
782
Fünfzigste Vorlesung.
münden. * Die VaginalöfFnung avif der Bancliseite. Die Be-
gattnng kann nnr stattfinden, indem das Weibclien anf dem
Männchen liockt.
Die Eier (Nisse) werden vereinzelt, zuweilen in conti-
nuirlicher Reihe gelegt und an ein das Haar scheidenartig
umgebendes Chitingerüste (Fig. 62 aa) geklebt, indem die Laus
an diesem von unten nach oben kriecht, so dass von der Reihe das
unterste Ei das älteste ist und am frühesten zur Entwicklung
gelangt (Fig. G2i). Die Jungen kriechen nach 3 — 8 Tagen aus
und sind nach 18 — 21 Tagen ausgewachsen. Eine Mutterlaus
kann binnen 6 Tagen 50 Eier legen und binnen 8 Wochen
5000 Nachkommen haben.
Die durch die Kopfläuse veranlassten Krank-
heitserscheinungen^— Pediculosis capillitii — smd
die des arteficiellen Eczems und seiner örtlichen Folgen
und Complicationen.
Am vollständigsten sind die Symptome bei weiblichen
Individuen entwickelt, in deren Haarfülle die Läuse ein be-
hagliches Nest für ihre Existenz und unbegrenzte Vermehrung
finden. Die Pediculosis verräth sich schon durch die Gegenwart
zahlreicher discreter Pusteln, Blasen und Excoriationen am
Nacken, von der Haargrenze abwärts bis über die Schultern,
und vereinzelte Pusteln, zuweilen Pemphigus ähnliche Blasen
(Impetigo faciei, pag. 423), solchen entsprechende gummiartige
Borken und Pigmentflecke, oder auch diffus nässendes Eczem
im Gresichte. Werden die Haare vom Nacken her gelüftet, so
sieht man das Gewühl der aufgescheuchten Läuse, die Haare
reiclilich mit Nissen besetzt. Da die Läuse die Nisse stets
nahe am Haarboden ansetzen, so beweist die Gegenwart von
Nissen nahe den Spitzen der Haare einen langen Bestand der
Pediculosis, indem eben die Nisse mir mit dem Wachsthum der
Haare vorgeschoben worden sind.
Dringt man mit dem Finger, die durch Sebummassen und
klebriges Secret mit einander verldebten und unter einander
verfilzten (Plica) Haare auseinanderschiebend, weiter gegen den
Haarboden vor, so entdeckt man, vorwiegend auf den Hinter-
kopf beschränkt, meist in insulären Herden mit Borken, eiter-
l^edeckte, oder blutende und nässende Hautstellen, Eczem in
allen Abstufungen, zuweilen ki-euzer- bis thalergrosse Herde
von rothen, drusigen, nässenden und blutenden Wucherungen
Pediculosis capitis.
783
Aclior granulat\is, Porrigo, Tinea granulata. — "Hasel-
nuss- bis missgrosse Scliwellnng der Lj-mphdriisen längs des
hinteren Kopfnicker - Randes, bleiches, schläfriges AiTSsehen
der Kranken, ergänzen das Krankheitsbild. Litensives Jucken,
gestörter Schlaf, Schmerzhaftigkeit der Kopfhaut sind die swh-
jectiven Belästigungen von Seite des geschilderten Zustandes.
Die Entwicklung desselben lässt sich in vielen Fällen
von geringen Anfängen bis zu den, wie geschüdert, intensiven
Graden verfolgen. Ein Kind bekömmt ein paar Kopfläuse.
Lidern sie einbeissen und saugen, Jucken iind Kratzen ver-
anlassen, kommt es örtlich zu Bliit-, Serum-Austritt, "Wundsein,
Krustenbüdung, Eiterung, Schmerzhaftigkeit. Beim Kämmen
wird nun, aus Scheu Schmerz hervorzunifen, der „Grind" ge-
schont, mit dem Kamme vermieden. Damit haben die Läuse
ein Ideines Terrain für ihre Nistung gesichert xmA nun findet
ihre Ausbreitung von da aus etappenweise und unter ähnlichen
objectiven und subjectiven Begünstigungen statt. All' die be-
sclu-iebenen Eczemerscheinungen, nebst der Plica, sind weiter
Folgen der directen Verletzung der Kopfhaut durch die Nahrung
schöpfenden Thiere und des Kratzens; die entziindHche Litu-
mescenz der Lymphdrüsen wieder Folge der Entzündungs-
vorgänge in der Kopfhaut, während das schlechte Aussehen
der Kranken durch die Schlaflosigkeit, vielleicht auch durcli
eine von den hyperplastischen Lymphdrüsen herrührende Leuko-
cythose bedingt ist.
Pediculosis capitis findet sich vorwiegend bei jugendlichen
Lidividuen und bei weiblichen Personen, deren langes Kopfhaar
günstigere Gelegenheit für das Verbleiben von zufällig in das-
selbe gelangten Läusen darbietet. Dass Sorglosigkeit beim
Kämmen, oder gänzHches Unterlassen desselben die Pediculosis
capitis begünstigt, ist selbstverständlich und man trifft daher
dieselbe nicht nur bei der schlecht sich pflegenden, dienenden
Classe, sondern auch bei Kindern und Frauen der vornelinisten
Stände, wofern sie, wie Frauen im Puerperium, längere Zeit
bettlägerig gewesen und ungenügend gekämmt worden.
Die Diagnose der Pediculosis capillitii unterliegt nicht
der mindesten Schwierigkeit, da ja nebst dem charakteristisch
beschaffenen und localisirten Eczem die Gegenwart der Läuse
und Nisse deutlich genug den Zustand bezeichnet. Und doch,
so unglaubUch es scheint, wird derselbe in zahlreichen Fällen
784
Fünfzigste Vorlesung.
von den Aerzten übersehen, werden die Kranken monate- und
jahrelang an Eczem, oder wegen der Drüsenschwellung und
des blassen Aussehens an „Scroplmlose" mittels innerlicher
Mittel behandelt, während durch einfaches Lüften der Kopfhaare
die Diagnose Pediculosis und mit deren Behandlung die ganze
Krankheit mit einem Sclilage ihr Ende erreichen würde.
Die Therapie der Pediculosis capillitii schliesst in sich
zunächst die Tödtung der Läuse und Nisse, \md weiters die
Heilung des Eczems.
Zu ersterem Zwecke waren früher, und sind beim Volke
auch noch in Grebrauch Quecksilbersalbe, Lifuse, Decocte, Salben
von Sabadüla, Staphysagria , ätherische Oele und viel Aelm-
liches. Zweclonässiger ist das in den letzten Jahren vielfach
bewährte Petroleum, welches, um der Feuergefäludichlveit
vorzubeugen, am besten in der Mischung von: Petrolei venalis
100, Olei olivar. 50, Bals. peruviani 20, in reichem Masse auf
die Haare geschüttet und verrieben wird, worauf man den
Kopf mit Flanell einhüllt. Nach 24 Stunden sind wohl alle
Läuse todt und die Eier entwicklungsunfähig geworden. Xun
wird mittels Seifengeist abgewaschen. Da zugleich die Eczem-
krusten erweicht worden sind, so erscheint der Hairboden rein.
Nun werden die Haare geschlichtet und gekämmt , wobei in
alten Fällen viele ausgefallene Haare mit abgelöst werden.
Bei Aveiblichen Personen zum Zwecke dieser Cur die Haare
kurz abzuschneiden ist nicht zu entschuldigen, da es entstellend,
dienstsuchenden Personen hinderlich, und unnöthig ist. Die
weitere Behandlung ist nun die gleiche , wie bei jedem Kopf-
eczem : täglich Einölen ruid Waschen, so lange bis alle Eczera-
stellen verheilt sind, üuhiger Schlaf stellt sich sofort nach
Tödtung der Läuse ein, und alsbald vermindert sich aucli die
Drüsenintumescenz und bessert sich das Aussehen der Kranken.
Grrosse Mühe veranlasst noch die Beseitung der Nisse,
d. i. nicht der Eier, die ja rasch getödtet sind und versclirumpfen,
sondern ihres Chitingerüstes , welches in Form von braunen,
glänzenden Knöpfchen den Haaren anhaften unö. noch weiter
das Individuum als „lausig" erscheinen lassen, obgleich es that-
sächlich dies nicht mehr ist. Dieses Grerüste, welches scheide-
artig das Haar umgibt (Fig. 62 as^), ist nicht zu lösen und abzu-
In-öckeln, sondern als Granzes zu entfernen, indem man, am besten
durch verdünnte Essigsäure, dasselbe lockert und dann längs
Pediculosis corporis.
785
des Haarscliaftes abzieht. Darauf berulit der Erfolg des empi-
rischen Verfahrens der Wärterinnen , den Kamm in Essig zu
tunken und fieissig den Staubkamm anzuwenden , zwischen
dessen engen Zähnen das Haar einzebi durchgezogen und so
die Niss abgestreift wird.
Die Kleiderlaus.
Pediculus vestimenti, P. humanus, Zeug- oder Leib-
laus , ituterscheidet sich von der Kopflaus durch bedeiitendere
G-rösse und grössere Behendigkeit, und unwesentliche Varianten
ihrer wesentlich übereinstimmenden anatomischen Eigenschaften.
Sie bewohnt ausschliesslich die Leib-
wäsche und auf dem blossen Körper getra-
gene Kleidungsstücke , in deren Falten sie
in rosenkranzähnlichen Strängen ihre Eier
ablegt. Auf dem behaarten Kopfe ist sie
nicht zu finden, aber auch auf dem Stamme,
der das eigentliche Territorium für ihre
Nahnmgssuche abgibt, hält sie sich nur auf,
so lange sie daselbst saugt. "Wenn ein mit
zalilreichen Kleiderläusen behaftetes Indivi-
duum plötzlich entkleidet wird, kami man
eine oder die andere Laus auf der Haut
ertappen, die eben im Sangen begriffen, sich
Kleiderlaus, Weibchen 'beim Abfallen der Kleider jiicht rechtzeitig
(Küchenmeister), genug flüchten konnte. Aber alsbald beginnt
sie eilig umherzuirren, um' nach einem Schlupfwinkel zu gelangen.
Auf der Haut, und noch weniger iii derselben, wohnen also die
Läuse nicht. Und hat ein seit Monaten von Kleiderläusen
behaftetes Lidividiuum eben frische Wäsche und Kleider ange-
legt, so ist absolut keine Laus an ihm zu finden, obgleich das-
selbe alle Zeichen der
Pediculosis corporis
an sich trägt. Die Symptome dieser Krankheit sind sehr
charakteristisch und sind der getreue Ausdruck der Lebensweise,
der kürzeren und längeren Anwesenheit der Kleiderläuse.
Wesentlich bestehen dieselben wieder aus Excoriationen.
Allein da die Läuse in der nächsten Nähe der Haut wohnen,
um dieselbe rasch heimsuchen und von ilir rascli sich flüchten
Kaposi, Hautkrankheiten. 50
786
Fünfzigste Vorlesung.
zn können, demnach vorwiegend in den dem Körper eng anlie-
genden Falten der Wäsche hausen , so finden sich auch die
durch die Läuse hervorgerufenen Veränderungen an der Haut
zunäclist mid vorwiegend jenen Falten entsprechend am Xacken,
über den Schultern , über dem Kreuzbein , der Taille , an der
Manschette und an den Nates und äusseren Oberschenkelflächen.
Die durch die Kleiderlaus veranlassten Excoriationen
haben aber auch etwas Eigenthümliches. Dies rührt daher,
dass die Kleiderlaus mit ihren grösseren Fresswerkzeugen direct
eine flächenhafte Verletzung der Haut bewirkt und dass durch
ihi' kräftiges Saugen ringsum die Bisswunde eine grosse Quaddel
entsteht. Nun provocirt das hiedurch veranlasste Jucken, dass
sich das Individuum kratzt, und der kratzende Nagel trifit auf
ein durch die hämorrhagische und seröse Imbibition gelockertes
Rete, in welches er viel tiefer eindringen kann, als auf einer
nicht derart vorbereiteten Hautstelle. So entsteht ein mehrere
Centimeter langer, zugleich breiter und tiefer blutiger Exco-
riationsstrich, dessen Mitte, weil der Stichwunde entsprechend,
eine noch tiefere und breitere , über linsengrosse Excoriations-
fläche darstellt. Nach wenigen Tagen verheilen die strich-
förmigen Ausläufer der Excoriation, später auch deren mittlerer
Theil. Er bleibt aber noch für 2 — 3 Wochen durch dunkles
Pigment kenntlich, nach dessen Schwund der Streifen wieder
abnorm weiss, das Centrum oft sogar narbig erscheint.
Grerathen nu.n auf Jemanden zum erstenmale einige wenige
Läuse , so finden sich sofort einige frische Excoriationen von
der beschriebenen Form, zumeist am Nacken imd in der Sacral-
gegend. Zeigt er aber nebstdem noch Pigmentstreifen , oder
gar noch weisse solche Streifen an den Oertlichkeiten , so hat
er eben in Intervallen von einigen Wochen wiederholt Läuse
beherbergt, ist er ein Grewohnheits-Pediculöser. Die erstere
Form findet sich bei Handwerkern, die auf der Wanderiuig
einige Nächte auf Strohlager genachtet, Personen, die kurze
Zeit in Massenquartieren, im Polizeiarrest verbracht und auch
bei Wohlhabenden und Reinlichen, die auf Dampfschiffen, in
Waggons den Parasiten aufgenommen. Nicht selten findet sich
zugleich an solchen Personen eine allgemeine acute Eruption am
Stamme in Form von miliären Eczemknötchen (Milliaria rubia).
Bei habitueller Pediculosis von Personen, die
jahraus jahrein, mit kurzen Unterbreclumgen , die meist auf
Pediculosis corporis.
787
Spitalsaiafenthalt fallen, von Kleiderlänsen behaftet sind, steigern
sich mm die erwähnten Erseheinnngen in's Tin geh elterliche.
Die Excoviationen sind zahlreicher , tiefer , mit Entzündnng,
Eiterung , Borkenbildung combinirt , es gesellen sich Pusteln
mit Riipiafornien, Krusten, Lymphangioitis, diffuser Dermatitis
und Eieber hinzii , grosse , indolente Eurunkel , Abscesse , An-
tliraceg mit Gangrän ihrer Hautdecke, und da diese Bildungen
wohl allenthalben zerstreut, doch über den Schultern, am
Nacken und über der Lende am dichtesten gedrängt sind, so
kommt es zu unterminirenden Communicationen zwischen den
einzelnen Abscessen, Greschwüren mit zernagten, überhangenden
Rändern ruad warzigem Auswachsen ihrer Grrahulationen — einem
Symptomencomplex, der oft monatelang noch anhält, nachdem
die Kranken ihrer läusehaltigen Kleider entledigt worden sind.
Das geschilderte Krankheitsbild ergänzt sich in drastischer
"Weise durch eine intensiv dunkelbraune, graubraune und bis
zum Colorit der Kegerhaiit sich steigernde Pigmentirung
der Haut, welche wieder in mässigen Fällen über Nacken und
Kreuzgegend vorwiegend, bei lang andauernder Pediculosis aber
fast über die ganze allgemeine Decke verbreitet ist. Da solche
Personen zugleich catilinarische Existenzen, Vagabunden von
schlechter Ernährung , Säufer , malariasiech , vom Aufenthalte
in Baraken und im Ereien auch im Gresichte gebräunt zu sein
pflegen , so bieten sie ein Aussehen dar , wie dem Morbus Ad-
DisoNT zugeschrieben wird , und es ist nicht zu zweifeln , dass
in der Casuistik dieser noch fraglichen Krankheit manche Eälle
von intensiver Pediculosis figuriren.
Der Verlauf der Krankheit hängt also ganz wnü gar
von der Gegenwart der Läuse ab. Wird der Kranke von diesen
durch Abnahme der Kleider befreit und in einen reinen Aufent-
haltsort gebracht, so verheilen die Excoriationen, Abscesse und
Furunkel nach dem allgemeinen Schema, obgleich, wie erwähnt,
letztere noch lange Zeit hindurch recidiviren können. Auch das
dnnkle Pigment verliert sich binnen Wochen oder Monaten voll-
ständig. Eine aus der Pediculosis herzuleitende Cachexie ist
absolut unerfindlich und wenn einzelne solcher Personen marastisch
aussehen, oder in dem Zustande sterben, so liegt dies eben in den
früher erwähnten precären äusseren Lebensverhältnissen der
Individuen, welche ihre Gesundheit von langer Hand her unter-
erraben haben.
^ 50^'=
788
Fünfzigste Vorlesung.
i a g n 0 s e der Pediculosis corporis ist nicht immer,
leiclit zu stellen, da, sobald die Betreffenden die lausigen Kleider
abgelegt liaben, das bezeichnende Object, die Kleiderläuse, felilen.
Man halte sich daher an die früher geschilderte charakteristische
Localisation der Excoriationen und Pigmentation, um gegenüber
von Pruritus cutaneus imd Urticaria chronica, bei
welchen die Kratzspuren unregelmässig über den Körper zer-
streut sind, sich zu Orientiren. Bei wohlhabenden Personen,
die tägHch Wäsche wechseln und doch Pediculosis-Symptome.
darbieten, habe ich öfters das Corpus delicti in der ISTaht eines
ständig getragenen Wollleibchens, oder einer Flanellbauchbinde
nachweisen können.
Die Behandlung der Pediculosis corporis besteht vor
Allem in der Beseitigung der läusehaltigen Wäsche und Kleider.
Um die in den letzteren befindlichen Läuse und Nisse zu tödten,
werden in unserem Spitale die Kleider in einen hermetisch
verschliessbaren Kessel gebracht, dessen Innenraum durch in den
Raum der Doppelwand eingeführten Dampf auf 60 — 65" R.
erhitzt wird. Die beschriebenen Hautaffectionen leichteren
Grades heilen spontan, die intensiver entzündlichen und eiternden,
werden nach aUgemeiuen Grrundsätzen mittels nasser Einhül-
lungen, Salben, Pflaster etc. der rascheren Heilung zugeführt.
Die Filzlaus.
Phthirius inguinalis, Pediculus ^rabis, Morpion, hat
einen geigenförmigen Kopf und breiten Thorax. Sie lebt an
den behaarten Theilen des ganzen Körpers, mit Ausnahme des
Capillitiiim , vorwiegend in der
Schamgegend , aber bei grösserer
Menge auch an den Haaren der
Brust, der Achselhöhle , der Ex-
tremitäten , des Schnurr- und
Backenbartes und der Augen-
wimpern , deren Härchen oft der
Länge nach mit ihren Nissen be-
setzt erscheinen. Sie beisst und
bohrt sich tief ein, und liegt, xui-,
beweglich, den Kopf in den Fol-
likel gegraben, den Hintertheil
Die Filzlaus (nach Schmarda). nach aufwärts gehoben und mit
Phtliiriasis pubis. — Pulex irritans. Cimex, Culex, Oestrus. 789
den Vorderfüssen das austretende Haar umldammernd , so dass,
Tim sie abzulieben , man sie mit der Pincette von hinten fassen
lind längs des Haares abziehen mnss. Ihre Unbeweglichkeit
Tind blasse Farbe macht es, dass sie nnr bei genauem Zu-
sehen und guter Beleuchtung erkannt wird. Bei grosser Menge
fallen beim Entkleiden auch viele ab. Sie veranlassen sehr
lästiges Jucken und Eczem in Form von kleinen Knötchen.
Zur Heilung von der Phthiriasis inguinalis empfieldt sich
die ein- bis zweimalige Einreibung von die Läuse tödtenden
Mitteln an allen ihren Aufenthalt bietenden Stellen, als
TJno-uent. cinereum, oder die elegantere Salbe aus Präcip.
alb.^5, Ungu. emoll. 30.; oder Sublimat 1, ad 100 Aqu. dest.
Da aber die Quecksilbermittel oft intensives Eczem herbei-
führen, so empfiehlt sich besser die Einpinselung von Petroleum,
Peru-, Tolubalsam, Oleum laxiri u. Ä. in entsprechender Com-
bination, z. B. Rp. Petrolei, Bals. peruviani, ^, 15, Olei lauri 1.
Nach Application all' dieser Mittel wird Pouder aufgestreut
lind erst gebadet, wenn die durch dieselben veranlassten Irrita-
tionen (Rothe, Eczem) der Haut geschwunden sind.
Von den nur zeitweilig auf der Haut we ile n d en
-lind dieselbe irritirenden Epizoen sind als die häiifigst vor-
kommenden zu erwähnen :
Der gemeine Eloh, Pulex irritans. Er veraidasst
die als Elohstich bekannte Verletzung der Haut, dessen Zu-
fügung die Empfindiuig eines Stiches verursacht. Er stellt eine
punktförmige, mohnjvorngrosse Hämorrhagie vor, um welche
während des Saugens des Elohes ein 2—5 Mm. grosser, rother
Injectionshof entsteht. Dieser blasst alsbald ab, wähi-end der
hämorrhagische Punkt unter bekannter Earbenwandlung erst
nach einigen Tagen spurlos verschwindet. Bei zarter Haut, wie
bei Kindern, veranlasst der Eloh überdies durch directe Be-
rührung, sowie reflectorisch, den Ausbruch von Nesseln. Man
tritft oft die Haut eines Menschen mit Flohstichen besät
(„Purpura pulicosa"), so dass der Anschein von wahrer
Purpura erweckt wd. Die gleiche Grösse der Stiche, die
häuptsächliche Localisation entsprechend den enganschliessen-
den Falten der Kleider und die Gegenwart von einzelnen Halones
um die Stiche , sowie die bekannten Eloh-Faeces kennzeichnen
den Zustand zur G-enüge.
790
Fünfzigste Vorlesung.
Die W a 11 z e , Cimex lectularius, Acaiitliia lectiilaria, pro-
vocirt intensive Urticaria und heftiges Jucken, sowohl an
den durch Einstich, Saugen und Berülirung direct getroffenen
^teilen, als reflectorisch über den ganzen Körper, Die Kratz-
effecte erscheinen dabei, weil 2 — ;] Fingernägel zugleich
die erhabenen Quaddehi treffen , iii Form von gedoppelten
und dreifachen parallelen, oft dukatenähnlich sich kreuzenden
Strichen und in unregelmässiger Anordnung über der Haut zer-
streut. Die Diagnose ist gegenüber von Pruritus cutaneus und
Urticaria chronica, bei Kindern des 1. — 2. Lebensjahres gegen-
über beginnender Prurigo nicht leicht und vorwiegend daraus
zu erscliliessen, dass die Eruption des Morgens, nach dem Ver-
lassen des wanzenbergenden Lagers, am deutlichsten ist und
tagsüber schwindet.
Noch wären zu erwähnen die Mücken, Greisen (Culex
pipiens), Mosquitos, welche, sowie viele verwandte Arten,
besonders der Tropen, den Menschen gelegentlich stechen und
ansaugen und, örtlich wie allgemein, Quaddeln, beulenartige
ödematöse und echymotische Schwellung, Jucken und Schmerz
veranlassen. Gregeii ihren, wie den Stich der Bienen, empfiehlt
sich die sofortige Application von Ammoniak oder Salmiak.
Arten von. Oestrus, unter welchen eine als Oestrus
humanus von A. v. Hümboldt bezeichnet wurde , legen zu-
weilen mittels Einstiches ihre Eier iii die menschliche Haut
und veranlassen so einen schmerzhaften Abscess, aus dem
später die entwickelten Larven hervorgehen. Alle diese und
ähnliche andere Insecten spielen eben nur gelegentlich die
ßolle von Epizoen des mensclilichen Körpers.
-o— O-c-
Autoren- und Sach-Register
Autorenregister.
A.
Actxiarius 6.
Adamkiewicz 454.
Addison d. Ae. 503, 529.
Addison d. J. 592.
Adler Hans 247.
Adolf 771.
Aegina Paiü von 6.
Aetius von Amida 6.
Aicardius 8.
Alibert 12, 293, 466, 502, 516, 524,
547, 579, 580, 738, 771.
Alpin Prosper 541.
Amabili 589.
Anderson 527, 743.
Apjolin 140.
Ardsten 725.
Arning 531, 533.
Arno Id Jnli\is 29, 586.
Arnstein 567.
Astruc 9.
Attfield 387.
Aufhammer 32.
Auspitz 113, 250, 254, 271, 272,
466, 473, 492, 533, 628, 635, 743.
Antenrieth 426.
Averbeck 503.
Avicenna 6.
B.
Baerensprnng 19, 141, 162, 254,
308, 309, 322, 328, 480, 499, 518,
738, 745.
Baetge 510.
Balm anno Sqnire 387.
Bamberg er 480, 481, 482, 484,
702, 766.
Bancrost 777.
Bardeleben 633.
de Bary 716, 718.
Bäsch 250, 252.
Bateman 11, 164, 167, 329, 467,
589, 591, 616, 732, 734.
Baum 741.
Baumgarten 641.
Bazin 13, 166, 452, 468, 549, 726,
729, 732, 738, 743.
Bäumler 272.
Beigel 551, 570.
Ben-Sohr 752.
Bennett 725, 726.
Berger 627.
Bergh 511, 591, 753, 766.
Bergmann 139, 643, 653.
Berres 14.
Beschorner 525.
Besnier 434, 592.
Betzold 126.
Beyerlein 480, 482.
Bidenkap 658.
BiesiadeckiSl, 37,43,47, 50, 159,
339,342,403,404,411, 586,595, 602.
Biett 12, 608, 617.
Billroth 172, 174, 352, 359, 584,
599, 602, 604, 6C6, 629, 630, 662,
670, 718.
Bizio 140.
Bizzozero 641.
792
Autoren-Register.
Blasius 12.
B 1 ondus 8.
Boeck 19, 482, 643, 645, 651, 653,
658, 766.
Boerhave 9, 14, 221.
Bolin 493.
Bollinger 167.
Bonomo 752.
Bourguignon 753, 755, 759, 771.
Braune 482.
Bre sehet 14.
Broussel de Vauzfeme 14.
Bruns P. 542, 636.
Brücke 37, 41, 141, 174.
Buclimüller 197.
Buhl 171-
Bulkley 482.
Burchhard 759.
Burkart 264.
Busch 633.
C.
Caillant 13.
Canquoin 637.
Canstadt 753.
Carnochau 546.
de Carro 271.
Carter 657.
Cazenave 12, 13, 144, 319, 475,
478, 560, 608, 732, 733.
Gel sus 6, 467, 558, 560, 743.
Cestoni 752.
Chambard 592.
Charcot 309.
C h a u s i t 13. .
C haussier 536.
Chauveau 262.
Chiari 533, 641.
Chomel 293.
Cohn Hennann 592.
Cohn Ferd. 252, 718.
Cohnheim 113, 170, 171, 172, 544,
584.
Co oper 664.
Cooper Todd 562.
Constantinus Africanus 7, 220.
Cose 214.
Cotard 309.
Cotugnio 14, 221.
Gruse 535.
Csokor 775.
Curschmann 245, 255.
Curzio 529.
Czerny 542, 543, 545, 595, 599.
D.
Danielssen 19, 309, 482, 643, 645,
653, 653.
D a V a i n e 370.
Decaisne 771.
Deffis 743.
Degeer 752, 753.
Dehio 653.
Derby 445.
Devergie 13, 633.
Dieberg 580.
Diemerbroeck 223.
Dietel 75, 290.
Dittel 353, 601.
Dolaeus Johannes 9, 616.
D 0 n a V a n 380.
Döring 9, 201.
Dräsche 140.
Düben 766.
Dubini 743.
Duchenne-Dnparc 13.
Duguet 504.
Duhring 571, 595, 711.
Dumreicher 353, 548-
Dupuytren 569, 598, 638.
E.
Ecklund 657.
Eberth 37.
Ebn-Zor 6.
Ebner 565, 566, 567.
Ebstein 134, 252.
Eichhorst 720.
Eichstedt 715, 721, 748, 753, 755.
Eisenschitz 203, 209, 224.
Elfinger 18, 755.
Erichson 779. ^
Erls mann 243, 255.
Esmarch 619-
Esoff 565, 567.
Ettmüller 752.
Eulenburg 75, 706.
■ Autoren-Eegister.
793
F.
Fagge 531, 592, 594.
F alk 345.
Fallopia Gabriel 8.
Favre 14.
Feltz 211.
F ernclius 9.
Finol 140.
Fleisclil 600.
Fleisclimaun 224, 393.
Folimanu 14.
FoUin 580.
Folwarczny 480. .
Foot A. W. 592.
Fordos 139.
Forestus 8.
Forget 529.
Fournier 454, 492.
Fowler 330.
Fox Tilbury 132, 423, 454, 492,
516, 743.
Förster 533, 537, 741.
Fracastorius 8.
Frank Peter 13, 271.
Frank Jos. 484.
Frankel 134.
Franque 140.
Fredet 562.
Friedländer 624, 630.
Fritsch 718.
Fromm an 504.
Fuclis C. H. 13, 493, 529, 537, 623,
753, 7:6.^780.
Füps^rfnberg 753, 759.
G.
Gaddesden 7.
Galenus 5, 6.
Gales 753,
Ganville 7.
Gay 126, 141, 413, 445, 543.
Geber E. 367, 571, 572, 592, 594,
606, 608, 611, 612, 675, 778.
Geddings 608, 611.
Geisler 592.
Genersich. 38.
Gensdorf Hans 7.
Gerhardt 198, 224.
Gerlach 738, 753.
Gervais 774.
Gibert 13.
Gilberte ■ •
Gintr ac' 533.
Giraudaut St. Gervais 13.
Glax 571.
Ginge 664.
Goltz 110, 126.
Gordon 7.
■Gorracus8-
Götte 565, 566.
Grawitz P. 716.
Green Jonathan 19. '
Gregor von Tours 220.
Gregory 220.
Griffini 641.
Gruby 468, 560, 561, 726,732,734,
743, 774.
Gudden 726, 753, 755,756, 759.
GuiboTit 13.
Gull 592.
Gumpert 766.
Gurlt 14.
Gnssenbauer 670.
Gutmann P. 455.
Guy de Chauli ac 7, 752.
Günsburg 524.
H.
de Haen 9, 221, 223, -308.
Hafenreff er 9.
H ahnemann 753.
Haight 322, 331, 332, 358, 479.
Hall 641.
Hallier 252.
Hallier 717, 718.
Haly Abbas 6, 7.
Hamburger 525.
Hanemann 12.
Hanover 660, 661.
Hansen Armauer 645, 651, 653,
656, 657.
Hardy 13, 743.
Hartm a nn 134.
Hauptmann 752.
Häusiuger 308.
794
Autoren-Register.
Hawki n 580.
Heberdeeu 223.
Hebra Ferdinand 15, 16, 17, 18, 19,
20, 58, 98, 100, 103, 113, 121, 124,
133, 134, 135, 140, 152, 158, 161,
162, 166, 167, 187, 194, 198, 208,
224, 230, 248, 252, 255, 264, 268,
277, 284, 308, 312, 315, 329, 331,
333, 334, 344, 346, 347, 376, 378,
383, 386, 390, 394, 399, 402, 406,
411, 423, 440, 443, 44?, 453, 461,
472. 473, 474, 475, 477, 480, 482,
484, 494, 499, 500, 504, 506, 510,
517, 525, 591, 592, 594, 602, 603,
608, 617, 619, 624, 633, 635, 643,
706, 716, 725, 726, 732, 738, 745,
753, 755, 766, 771.
Hebra Hans 349, 393.
Heck er 220, 542, 545, 599.
Heiberg 586.
Heim 125, 139, 223.
Heinricli 480.
H eitzmann C. 18, 473.
Heller Fl. 481.
Heller 531, 533.
Helm 216.
Helmericli 771.
Henderson X65.
Hendy 539.
Henke 529.
He nie 14, 20, 26, 45, 47, 48, 566.
He noch 224, 492, 493.
Hensler 9, 643.
Hertz 481.
Hervieux 536.
Heschl 511.
Hesse 223, 224.
Hessberg 511.
Heusinger 565.
Hildenbrandt 753.
Hildegardis Sta. 752.
Hillairet 592.
Hillier481.
Hippocrates 3, 4.
Hirsch 293.
Hirschpriing 140.
His 661.
Hjort 6.58.
Hoffmann 221.
Hoffmann J. 716.
Hof mann E. 341, 345.
Home 188, 195.
Hueter 362.
Humboldt 790.
Hunter J. 753.
Hutchinson 132, 484, 527.
Huxley 45, 47, 48, 566.
J.
Jacenko 589.
Jakobson 777.
Jamieson 608.
Jany 592.
Jarisch A. 388, 630, 639, 641.
Jenner 222, 270, 271.
J 0 n s 1 0 n 560.
Jürgensen 140.
K.
Kaposi 411, 466, 534.
Karsten 718, 776.
Kassowitz 198, 224.
Katona 195.
Kaup 140.
Keber 261.
Keen 316.
Key Axel 38.
Klebs 252, 262, 345, 413, 624 , 630,
657, 662, 718.
Klein E. 584.
Klein haus 741.
Knapp 407.
Knecht 227, 239.
Kozlowski 653.
Köbner 272, 298, 329, 334, 423,
466, 482, 549, 636, 643, 653, 716,
725, 726, 738, 741, 743, 745, 748.
Köhler 533.
Kölliker 14, 43, 44, 565, 574.
Köster 142, 669.
Kranz 514.
Kr am er 263.
Kraus M. 37.
Autoren-Eegister.
795
■Krause 29, 36, 37, 42.
Krämer 753.
Krieg 601.
Külin 716.
Küclieameister 753, 774, 778, 785.
L.
L a b u s 292.
Lailler 492.
Landois 75, 282, 706.
Landolfi 637.
Landre 657.
Lanfranciis 7.
Langerhans 31, 36.
Langer 38, 70, 71, 357, 565, 566, 575.
Lauglians 489, 580, 581.
Lang E. 466,619,630,631,633,720.
Lang Ct. 777.
Lanquetin 753.
Larrey 541.
Lassar 544.
Law 146.
Lebert 507, 511,580,660, 661,664.
Lehmann 584.
Lenbossek 140.
Leube 141.
Lewin 281, 282, 283, 466, 493,
743, 779.
Lewis 777.
Liebermann 387.
Linne 752.
Lipp E. 381.
Lister 267, 362.
Lombroso 292, 382, 496.
Lorry 10, 12, 753.
Lott 586.
Lowe 716.
Lozes 511.
Löschner 537.
Luchsinger 126.
Lndwig E. 481.
Ludwig H. 520, 590.
Luginbühl 262.
Luisinus 8.
Lukomsky 360.
M.
Mader 583.
Mahon 728, 729, 732.
Maisonueuve 777.
Malmsten 480, 715, 721, 73,^ 734.
Malpigbi 14, 29.
Manardus Johannes 8, 418, 616.
Marcellus Cumanus 8.
M archand 518.
Martius 474.
Mayr 194, 208.
Mehlis 308.
Meissner 14, 29, 31, 34, 37, 741.
Mercurialis Hieronymus 8.
Messedaigla 496.
Meyer Jos. 584.
Meyer Lothar 224, 227, 549.
Michel 724.
Michelson 738, 743.
Miescher 774.
Mikulicz 606, 607.
Milton 295.
Mitchell 127, 316, 454.
Mittermayer 766.
Moisisowics 37.
Moldenhauer 334.
Monastirsky 653, 656.
Montagnana 7, 8.
Montague 222.
Monti 224.
Morehouse 316.
Morgagni 14.
Morton 187.
Mouffet Thom. 752.
Murchison 594.
Musa Brassavolus 8.
Müller 273.
N.
Navrocki 126.
Nägeli 718.
Neisser 657.
Neligan 146.
Neudörfer 362.
Neumann Isidor 34, 39, 256, 300,
376, 403, 411, 413, 445, 454, 473,
477, 481, 504, 533, 574, 608, 611,
620, 653, 716, 743.
Noris 171.
Nussbaum 684.
796
Aiitoren-Eegister.
O.
Obtiilowic 403.
Oelil 32.
Oppolzer 484.
Oribazius 6.
Orth 360.
Oser 171.
Ostrumoff 126.
Owen 774.
P.
Paeiui 36, 33.
Pagenstecher 31, 342, 586.
Paget 574.
Pantleu 641.
Pare Ambrosius 8, 752.
Pastau 771.
Pastorella 537.
Patersou 165.
Pavy 592, 594.
Pearsoii 380.
Peyritsch 725, 726.
Pfeuffer .384.
Pfleger 357.
Pbilipp 780.
Pick Arnold 284.
Piek F. J. 423, 510, 716, 725, 726,
745.
Pincus 564, 567.
Pissin 271, 272.
Plenck 10, 11, 58, 102, 514.
Plinius 5, 467.
Piumbe 19, 623.
Pococke 367.
P 0 d c 0 p a e w 37.
Pohl 627.
Polak J. E. 367, 556.
Pollender 370.
Ponfick 255, 360.
Poor J. 428.
■Pott 664.
Poupart 12.
Priessnitz 98.
Procopius 220.
Pruner 541.
R.
Eanvier 544.
Easmussen 529, 533, 534.
Easp ail 753.
Eavaton 562.
Eavogli 180.
Eayer 13, 308, 309, 466, 475, 484,
592, 617.
Eaysky 480, 481.
Eecamier 293.
Eecklingh ausen 170, 171.
Eedi 752.
Eemak 661, 715, 725, 726.
Eenn cci 753.
Eetzius Gr. 38.
Eeverdin 588, 684.
Eej'er 541.
Ehazes 6, 187, 220.
Eibbentrop 158.
Eiecke 13.
Eiemer 504.
Ei gier 307, 541, 766.
Eindfleisch 163-, 171, 251, 252,
254, 511, 561, 600, 606, 629, 662,
669, 670, 718.
Einecker 272.
Eochard 13, 387.
Robin 715, 743, 748.
Eobinson 132, 645.
Eogerius 7.
Eokitansky 15, 17, 169,509,517,
542 , 574, 578, 580, 584, 590, 599,
600, 660, 661, 662, 663, 664, 673.
Rolandus 7.
Rollet A. 584.
Rollo 539.
Roll 272.
Romberg 308, 562.
Roser 548.
Rossbach 533.
Roussel 12.
S.
Saliceto Wilhelm von 7.
Salz er 542.
Samuel 126, 172,
Autoren-Register.
797
Saruf 653.
Sattler 309, 310-
Sauvages 9, 12,221, 474, 547, 560,
Schabel 518.
Schaueustein 480.
Scheby-Bucli 490.
Schede! 12.
Sclieiber 290, 292.
Sclieuk vou Grafenberg 8.
Scberer 139.
Schieferdecker 316.
Schiff 779.
Schilling 140.
Schlossberger 518.
Schmarda 778, 779, 788.
Schmitz 569.
Schneider 480.
Schottin 14, 140.
Schönlein 13, 124, 139, 493, 516,
715, 721, 725, 753.
Schroen 31.'
Schuh 542, 580, 597, 598, 599,661.
Schuller 476, 477.
Schul in 567,
Schnitze B. S. 575.
Schultz e Max 30.
Schüppel 630.
Schwarzenbach 139-
Schwimmer 267, 570, 644, 671,
712.
Scorczewski 300.
Sed gwick 531.
Sennertus 9, 201, 616.
Serapion 6.
Sherwell 506.
Sigmund 686.
Simon Gustav 19, 141, 194, 411
445, 468, 460, 488, 510, 518, 653,
753, 774, 779.
Simon Oscar 24, 592, 594.
Simon Th. 227, 499.
Simon Franz 480, 518.
Simon F. A. 642.
Skoda 15.
Smith W. G. 570, 592, 594.
Sonnenburg 345.
Sotnitschewski 544.
Speranza 195.
Sprengel 12.
Stein 533.
Steiner 194, 209, 224, 480, 482.
Steinlin 565, 566.
Stellwag 232.
Stephan Antiochus 7.
Stieda 565, 566.
Stilling 630.
Stricker 36, 39, 75, 108, 110, 113,
126, 170, 171, 172, 173, 584.
Stroganow 608, 611.
Struwe 13.
Swammerdam 780.
van Swieten 9, 221.
Sydenham 9, 187, 221.
T.
Tanturri 674, 743.
Taylor 571.
Teichmann 34, 543.
Theodoricus 7.
Thiersch 584, 633, 661, 662, 669.
Thin 37, 608, 611.
Thoma 653.
Thomas 203, 215, 224, 334.
Thomson-Parkes 608.
Thomson 19, 223, 224.
Tilesius 520, 590.
Tittel 140.
T 0 d d Antony 19.
Tomsa 33, 36, 37.
Trallianus 6.
Treitz 140.
Trousseau 224.
Tschudi 580.
Tulasne 716.
Turner Daniel 9.
Tyson 148.
u.
Uffelmann 281.
Unna 31, 32, 251, 339, 565.
V.
Vater 36, 38.
Veiel d. Ae. 624, 629.
798
Autoren-Register.
A^eiel Th. 454, 461, 635, 636.
Verneuil 141.
Yetter 224.
Vidus Vidins 9.
Viennois 272.
Villanova 7.
Virchow 108, III, 141, 163, 166,
170, 171, 172, 174, 361, 452, 488,
511, 526, 537, 542, 574, 580, 585,
589, 590, 591, 592, 594, 597, .598,
599, 624, 62'8, 629, 630, 643, 653,
661, 662, 664, 669, 741.
Vitalis de Furiio 7.
Vlemiugkx 771.
Voisin 454.
Voigt 71.
Vogel 527, 766.
Volkmann 860, 615, 633, 634.
Vulpian 110, 126.
W.
Wagner E. 14, 37, 140, 163, 243,
255, 309, 641.
"Waldeyer 592, 594, 669.
"Walter 5.33.
Warren d. Ae. 580.
Warren d. J. 580.
"Weber E. H. 14.
Weber 0. 174, 574, 584, 619, 627,
633, 641, 662.
We dl 411, 413, 480, 580, 590, 599,
753, 755, 774, 775, 779.
Wegscheider 549.
Weichselbaum 504.
Weidner 309, 322.
Weigert 250, 251, 256, 26-2.
Weil 548.
Weinberg 768, 771.
Wenck 633.
Wendt 14.
Wernicke 529.
Werlhof 494.
Wertheim 71, 345, 376, 468, 565,
566, 567.
Westphal 246.
Wiclnnanu 752, 474.
Widerbofer 194.
Wiggelsworth 674.
Wilkinson 386, 435, 771.
Wilks S. 580.
Willan Robert 11, 13, 58, 22.3, 290,
307, 372, 374, 394, 474, 494, 495,
560, 589, 616, 782, 753.
Willemin 367.
Wilson Erasmus 19, 134, 140, 146,
432, 439, 511, 521, 529, 535, 571,
575, 592, 623, 643, 648, 743, 774,
775.
Winiwarter 670, 671.
Winternitz 291.
Wyss 0. 243, 3C9, 318.
Y.
Young 861.
Z.
Zeissl H. 300, 470, 514, 601, 262,
264, 360.
Ziegler 584.
Zöllner 504.
Zuelzer 243, 255, 256, 261.
Zürn 726.
Sachregister.
A.
Abscessus 5.
Acantliia lectvüaria 790.
Acarinae 753.
Acarus folliculornm 159, 750, 774.
— Scabiei 750, 753.
Achor, ay^wpc; 4, 63.
— gramilatus 783.
Acliorion Schönleinü 715, 721, 725.
Achroma 60.
Acne cachecticorum 453.
— disseminata 449.
— hordeolaris 450.
— indurata 450.
— mentagra 449, 463.
— picealis 453.
— punctata 157, 450.
— pustulosa 450.
— rosacea 449, 458.
— sebacee 144.
— variolifonnis 452.
— vulgaris 450.
Acrodynie 290.
Active Hj'perämien 108.
Acute Exantheme 9, 184.
Aerophyten 718.
Aetiologie, allgemeine 24, 73.
Aetzmittel 635.
aggregatus 68.
Akrochordon, äy.poydpoov 4, 5.
ixpod^iLioy 4.
Albarras 6.
Albini.smus 60, 551.
Albinos 551.
ä),ao? 4.
Allgemeine Aetiologie 24, 73.
— Diagnostik 81.
— Geschichte 2.
Allgemeine ■ Sjnnptomatologie 24, 56.
— Therapie 91.
Alopecia akomv/.ia 4 146, 557, 558.
— areata 558, 560.
— furfuracea 564.
— praematura 559.
— senilis 558.
— syphilitica 568.
Alvathim 7.
Ambustio 337.
Anaemiae 117.
Analgesie 706.
Anaphalantiasis 558.
Anatomie der allgemeinen Decke 24.
Angioma elephantiaticum, neuroticum
599.
Angiome 596.
Angioneurosen 75, 706.
annularis 68.
Anidrosis 137.
Anomalien der Hautdi'üsen 122.
— Fettsecretion 143.
— Schweisssecretion 125.
Anthrax, äv&pa? 3, 365.
Aqua picea 381.
Aragas persicus 779.
Area, Area Celsi, Jonstoni 5, 558.
Argyria 503.
An-ectores pilomm 40.
Arsenik 380.
Arsenikpaste 637.
Asteatosis cutis 155.
Atherom 157.
Atrichia 558.
Atrophia cutis propria 571.
— • (cutis) senilis 571.
Auskratzen 615.
Aussatz 6, 642.
800
B.
Bacterien 718.
Balanitis 148.
Bald Eiugworm 560.
Balsamica 382.
Barbadosbeiu 539.
Bartflune 463.
Bätarakta 6.
Bäder 98.
Beethaar 564.
Behandlung, allgemeine 91.
Benarbung 584.
Bindegewebsneubüdungen 578.
Bindegewebskrebs 678.
Blase 59.
Blasenausscbläge 474.
Blasenfieber 333.
Blasenpocken 274.
Bläschen 59.
Blausuctt 112.
Blattern 219.
Blatternnarbe 273.
Blatternimpfung 222.
Blepharomelaema 146.
Blutgefässe der Haut 33.
Borkeu 64.
Borkenki'ätze 766.
Bouton d'Alepp 367.
Breite Condylome 697.
Briganti 752.
Bromacne 453.
Bromidrosis 123, 133, 139.
Bulla 59.
Bullae 10.
c.
Gallus, CaUositas 507.
Calori 130.
Calvities 557.
Cancroid 663.
Cancroidkörperchen 664.
Canities 554.
Carcinoma 5, 660.
— lenticulare 673.
— melanodes 673.
— tuberosum 673.
Carbolsäure 381.
Carbunculus 5, 365.
Carbunkel 365.
Sach-Register.
Cai'o luxnrians 586.
Celluliire Neubildungen 579,
Chique 776.
CMoasma 60, 500, 747.
— cachecticorum 502.
— caloricum 501.
— toxicum 502.
— traumaticum 500.
— uterinum 502.
Cliolesteatom 157.
Chromidrosis 139.
Chronische exsudative Dermatosen 373.
Chi-ysarobin 387, 639.
Clu-ysophansäure 387.
Cicatrix 64, 583.
Cicatrisirendes Hautsclerem 532.
Cimex lectularius 151, 790.
Circinatus 68.
Circumscriptus 72.
Cisticercus cellulosae 750, 7'! 9.
Clavus 5, 509.
Cnidosis 294.
Coccobacteria 717.
CoUoid-Milium 163.
Combustio 337.
Comedo 157-
Comedonenquetscher 161.
Comedonenscheibe 158.
Common Ringworm 560.
Condyloma 5.
— acuminatum 512.
— latum 697.
Confertus 68.
Confluens 72.
Congelatio 350.
Continuirliches Bad 98, 347.
Contusio 489.
Corium 26.
Cornu cutaneum 510.
Corymbosus 68.
Couperose 458.
Cridones 9.
Crustae 10, 64.
— laniellosae 64.
Cryptolitheu 157.
Culex pipiens 751, 790.
Cutis 26.
— anserina 705.
Sacli-Eegister.
801
Cutis testacea 149.
Cyanosis 112.
Cyrons 752.
D.
Dal-fil 6.
Dartres 12.
Dasytes 521.
Defluvium Capillorum 558.
Delle 62, 252.
Derma 26.
Dermatitis 335.
— ambustidnis 337.
— congelationis 350.
— contnsiformis 284.
— papillaris capillitii 464.
Dermato-Pathologie 1.
Dermatologie 1.
Dermatologische Schule nacli Bebra 15.
Dörmatoraycosen 721.
Dematonosen 74.
Dennatozoen 750.
Dermatozoonosen 750.
Desquamatio ueonatonini 145.
Diagnostik, allgemeine 81.
Dietel'sclies Exanthem 75, 290.
diffusus 72.
discretus 63.
discoides 72.
dispersus 68.
Djadzam 6.
Dondos 551.
Drüsenkrankheit von Barbados 539.
Dyscbromasia 503.
E.
Eau de prlncesse 503.
Eccliymoma 488.
Eccbymosis 60, 487.
Ecthyma 471.
Eczema 408.
— acutum 410, 413.
— cbronicum 411, 417.
— crustosum 410.
— e pediculis capitis 418.
— erytbematosum 409.
— Intertrigo 131, 415.
— impetiginosum 410.
— madidans 409.
K a p 0 s i , Hautkrankheiten.
Eczema marginatum 423, 721, 745.
" — papulosmn 409.
— rubrum 410.
— solare 427.
— squamosum 410
— sudamen 427.
— vesiculosum 409
Ecthyma, E/.&uij.aTa 3, 63, 471.
Eczempocken 274.
Efflorescenzen 58.
Efftorescenz-Anordnung 68.
Effluvium capillorum 146, 553.
Eiterung 176
Elephantiasis 5, 529, 537, 540.
— Arabum 529, 537.
— cruris 538.
— genitalium 541.
— Graecorum 642.
— neuromatosum 542.
— telangiektodes 542.
Elephantenfnss 539.
Ephelis, Ear]'Xi; 4, 5, 500.
Epidermis 26.
Epidermisbildung 584.
Epilation 469, 523.
ir:'.w/-~ii ü.
Epithelialkrebs 663.
Epithelioma 661.
Epizoen 750.
Epizoonosen 779.
Erfrierung 350.
Ergrauen 554.
Erntemilbe 750, 773.
EpK% 4.
Erysipelas 4, 355.
Erysipelas ab acribus s. venenatiun 109.
— annulare 278.
— bnllosum 278.
— perstans faciei 610.
Erythema caloricum 109.
— eudemicum 293.
exsudativum multifonne 277.
_ (sp'JÖMaa) 4, 59.
— figuratum 278.
— gyratum 278. .
— infantile 110.
— Intertrigo 415.
— Iris 278.
51
802
Sachregister.
Erythema nodosum 284.
— papulatum 278.
— urticatum 278.
— variolosum 110, 227.
— vesiciüosum 278.
Exanthem, l^avfhtjixaTa 3, 68.
Excoriatioues 64.
Excresceiitiae 11.
Exsudation und Entzündung 169.
Exsudative Hautkrauklieiten 169.
F.
Falcadina 547, 643.
Favus 7, 721.
Färbung der Haut 25.
Fäulnisspilze 714.
Febris pemphigosa 334.
Fette 99.
Fettläppchen 27.
Fettretention 157.
Fettsecretion 123, 143.
Fettzellen 27.
Feuermal 597.
Feuermasern III.
Fibroma 595.
— molluscum 514, 589.
figuratus 72.
Filaria medineusis, sangtiinis 750, 776.
Filzlaus 751, 780.
Fiunenausschläge 449.
Fischschuppenkrankheit 515.
Fistulae 5.
Fleck 59.
Flecken 187.
Fleckenaussatz 648.
Fleischwärzchenbildung 584.
Flöhe 751.
Folliculitides 449.
Folliculitis barbae 468.
Founza ia ngömbe 776.
Framboesia 547.
Frattsein 131.
Furchen der Haut 24.
Fnrunculosis 366.
Furunculus 5.
Furunkel 364.
Fussgescliwür 681.
G.
Galaktidrosis 140.
Galvanocaustik 639.
G-angraena, ya.fyprYM 4, 5.
Gänsehaut 705.
Gefässneubildungen 578.
Gefässe der Haut 27.
Gefässmal 597.
Gefässpapillen 29.
Gefässsystem der Haut 32.
Gelsen 790
Gemeingefühl 55-
Geschichte der Dermatologie
Geschwüre der Haut 677.
Glandulae sudoriferae 41.
Gliederscliimmel 718.
Glossy skin 116.
Gneis 145.
Goa-Powder 387.
Gonidien 714.
Granulationsbildung 584.
Gnitum 157.
Gumma Syphiliticum 699.
Gutta rosea 458.
Gürtelausschlag 307.
Gja-atus 72.
H.
Haarbalg 43.
Haarbalgscheide 43.
Haarbeet 567.
Haare 43.
Haarfärbemittel 556.
Haarkelcli 566.
Haarkolbeu 566.
Haarmark 46.
Haarpapille 44.
Haar rinde 45.
Haarsackmilbe 750, 774.
Haarschaft 45.
Haartasche 43.
Haar Verlust 558.
Haarwechsel 564.
Haarwuchs 557.
Haarwurzel 45.
Haarwurzelscheide 45.
Haarzwiebel 45.
Sacliregister.
803
Haematidrosis 140, 496.
Haemorrliagiae cutaneae 486.
Halo 59, 228.
Hautabschürfung 63.
Hautblütheu 58.
Hautentzündungen 335.
Hautgescliwüi-e 64, 677.
Hautgries 157, 161.
Hauthorn 510
Hautjucken 706.
Hautkrankheit, Begriff der 79.
Hauttnberculose 640/
Hämophilie 496.
Hämon-hagisciie Flecke 60.
Hebra'sches Wasserbett 98.
Hefepilze 717.
Heilmittel, örtliche 98.
— innerUche 100.
Henle'sche Scheide (des Haares) 47.
Hereditäre Syphilis 701.
Heredität 76.
Herpes 306.
_ circinatus 279, 328, 732.
— facialis 325.
— Iris 279, 328.
— labialis 325.
maculosus et squamosus 734, 737.
— praeputiaUs s. progenialis 326.
— tonsurans 721, 732.
— Zoster 307.
Hirsuties 521.
Hitzblätterchen 130.
Hof 59, 228.
Holzbock 750, 778.
Homöoplasie 497.
Homschichte 29.
Humanisirte Lymphe 270.
Huxley'sche Scheide 47.
Hühnerauge 509.
Hydrosadenitis 141.
Hyperaemiae 105.
Hyperalgesie 706.
Hyperästhesie 706.
Hyperidrosis 128.
Hyi)erplasie 497.
Hypertrichosis 521.
Hypertrophiae 497.
Hypertrophische Narbe 581.
Hyphomyceten 714.
Hystricismus 517.
I.
Ichthyosis 515.
— congenita 519.
— hystrix 517.
— nitida 516.
— serpentina 516.
— sebacea 149, 519.
— Simplex 515.
Icteras 503, 709.
Idiopathische Dematonosen 74.
loptua 4
Ignis saeer 5. .
Impetigo 5, 63, 471.
— faciei contagiosa 422.
— herpetiformis 472.
Impferysipel 274.
Impfung 222, 269.
Innerliche Heilmittel 101.
Inoculation 221.
Integumentum 24.
lutertinctus 72.
Intertrigo 131, 415.
lOvS-ot 4.
Iris 72.
Ixodes Eicinus 750, 778.
— americanus, humauus, marginatus
779.
J.
Jodacne 453
Jodisme petechial 492.
Juckausschläge 408.
Jucken 297.
K.
Kablheit 557.
Kakerlaken 551.
Kali-Creme 436.
Kalk-Schwefelleber-Lösung 386.
Kantschuk-A^erbände 99, 383.
■/.£Y7.P'"' ^•
Keloid 579.
_ „Addison'sches" 529.
Keratosen 507.
•/.rjowv, Kerion 4, 5, 743.
51*
804
Sachregister.
Kleiderlaus 750, 785.
Kniuieldrüsen 14, 41, 141.
7.v^a[jLo; 4.
/.vioöj^i; 4.
Knollen 59.
Knollenkrebs 579.
Knoten 59.
Knotenaussatz 645-
Knotensypliilid 699.
Knötchen 59.
■/^oipaöe; 4.
Kopfgrind 150.
Kopflans 750, 779.
Krankheitsverlauf 86.
Krause'sche Körperchen 36.
Krätze 0, 751.
Krätzmilben 9, 150, 753.
Krätzmittel 771.
Krätzsalben 771.
Krebs Ü60.
Krebsgertist 661.
Krebsgeschwür 665.
Ki-ebsmasse 661.
Krebs und Lupus 633.
Krebszellen 660.
Krimskaja 644.
Kiimmerfeld'sches "Wasser 456.
Kupferhaudel 458.
Kushta 6.
L.
Lactmnen 8.
Lait sicilien 456.
Laus, Läuse 750, 779.
Leberflecke 502, 747.
Leicheiufectionspustel 369.
Leichdorn 509.
Lentigo 500.
Lenticula 5.
Lepra 612.
— alopecia 6.
— anaesthetica 648.
— Arabum 642.
— elcphantina 6.
— leoniua 6.
— (lir.poi.) 3, 6.
— maculosa 648.
— mutilans 647, 650.
Lepra tuberosa 645.
— Tyria 6.
Leprosy 642.
Leptothrix 718.
Leptus autumnalis 750, 778.
Leucopathia 60.
Leucoderma 551.
Leucoplakia buccalis 971.
Xsuzr;, Lenke 4, 6.
Liehen (Xer/^v) 3, 394.
— acuminatus 399.
— haemon-hagicus 488.
— lividus 396, 494.
— pilaris 516.
— planus 401.
— ruber 399.
— scrophulosorum 395.
— sypliiliticus 693.
— urticatus 279.
Linsenfleck 500.
Lipome 595.
Livedo 112.
— calorica 115.
— mechanica 113.
Lombardischer Aussatz 290.
XÖTtOt 3.
Lues 689.
— venerea 7.
Lunula (d. Nagels) 50
Lupus 9.
— erythematosus 608.
— exfoliativus 616.
— exulcerans 618
— maculosus 616.
— papillaris 618.
— tumidus 616.
— serpiginosus 618.
— L. vulgaris 616.
Lupusgeschwüre 618.
Lupus und Krebs 633.
Lupusknötchen 627.
Lymphangioma tuberös, multiplex 601
Lymphgefasse der Haut 34.
Lymphorrhoe 540.
M.
Maculae 10, 59, 106.
— atrophicae cutis 575.
Sachregister.
[j.aoapiü(ii; 4.
Matlaresis, Madesis 558.
aaowts; 4.
Mais-Tinctur 382.
Malignes Papillom 666.
Malleus, M. lixumdus 368.
Malpigliist'he Scliiclite 29.
marginatus 72.
Masern 6, 187.
Mäsvirikä 6.
Materia perspiratoria 123.
Matrix (d. Nagels) 49.
Mcasles 187.
MeclianisclLe Betandhing 384, 636.
Mei ssner'sclie Körperclien 36.
Melanosis 60, 501.
jj.c')>a:, Melas 4, 6.
Mentagra 5.
^licrococeus 718.
Microsporon Audoiiini 561.
_ furfiu- 721, 747.
Milctscliorf 8.
Milben 753.
Milbeneier 758.
Milbengang 757, 760.
Milbenmännclien 756.
Milbenweibclien 754.
Miliaria 331.
— alba 331.
— crystallina 331.
— rubra 331.
Milium 157, 161.
Milzbrandcarbunkel 369.
Missfärbung 60.
Mitesser 9, 157.
Mittel für örtliche Behandlung 98.
Molluscosis 591.
Molluscum atheromatosum 167.
— contagiosum 157, 164.
— librosum 542, 589.
— sebaceum 157.
— Simplex, non contagiosum, pendu-
lum 589.
— vernicosum 157, 514.
Morbilli 187.
Morbillentyphus 192.
Morbus Addisoni 502.
— maculosus Werlhofii 494.
Morphaea 6, 6-18.
Morve et farcin 368.
Mosquitos 790.
Motilitäts-Neurosen 705.
Mycosis framboesioides 547.
— fungoides 547.
— syphiloides 547.
Mullusciimkörperchen 165.
|j.up[irj-/.iat, Myrmekia 4, 5.
Muscardine 14.
Muskeln der Haut 39.
Mtickeu 751, 790.
Mycelitim 714.
N.
Naevus 59, 499.
— flammeus 597.
— mollusciformis 499.
— pilosus 499.
— spiltis 499.
— vascularis 597.
Nagel 49.
— -bett 49.
— -falz 49.
— -körper 49.
— -leistchen 50.
— -matrix 49.
wall 50.
— -Wurzel 49.
Narbe 64, 583.
Narbenbildung 584.
Narbenkeloid 581.
Nebenpocken 274.
Neoplasie 497, 576.
Nerven der Haut 36.
Nervennaevus 499-
Nervenpapillen 29.
Nervensystem der Haut 32.
Nesseln 294.
Nesselsucht 294.
Neubildungen 576.
Neurome 595.
Neurosen der Haut 704.
Neurotisches Papillom 517.
Nigrities 60.
Nigua 776.
Nirlus Hl.
806
Sachregister.
O.
Ooliseuwiirm 776.
Objective Symptome 56-
Oehl'sche Schichte 23.
Oestrus 790.
Oidiumformen 718.
Oleum fagi, Rusci, Cadinum 100, 385.
Oligotrichia 558.
Onychatrophia 570.
Onychauxis, Onychogryphosis 525.
Oaychia, 0. syphilitica 527.
Onychomycosis 721, 725, 741, 742.
Ophiasis 558.
Opistophalacrosis 558.
Originäre Lymphe 270.
Ortssinn 55.
Osmidi-osis 123, 139.
Ovine 270.
P.
Pachydermia 6, 537, 547.
Paciuische Körperchen 36.
Paedophlyctis 334.
Panniculus adiposus 27.
Pannus crassus s. leprosus 646.
Papel 691.
PapiUen 26.
PapiUoma 529, 547.
— neurotictun 517.
Papillomartiges Epitheliom 666.
Papulae 5, 10, 59.
— latae 697.
Papiilöses Syphilid 696.
Paqiielin' scher Thermocanter 639.
Parasitäre Hautkrankheiten 713.
— Organismen 713.
Passive Hyperämien III.
Pasta Canquoin 637.
— Laudolfi 637.
— Viennensis 638.
Pediculi 750, 779.
— corporis humani 750, 779, 785.
— humani capitis 751, 779, 781.
— pnbis 750.
— vestimentorum 750, 779, 785.
Pediculosis 780, 786.
Peitschenwurm 750, 776.
Poliosis rheumatica 287, 493.
Pellade 560.
Pellagra 290.
PelUcelli 752.
Pemphigus 8, 474.
— acutus 333.
— benignus 476.
— circinatus 475.
— contagiosus 334.
— diphtheriticus 477.
— fehrilis 333.
— foliaceus 475, 478
— haemoiThagicus 476.
— hystericus 482.
— leprosus 482, 649.
— malignus 476.
— pruriginosus 477.
— syphiliticus 482, 693, 699.
— vulgaris 475.
Penicillium 714.
Perganieuthaut 571.
Perspiration 54.
Petechiae 60, 487.
Petechialfieber 7.
Petechien, Tttiiym 4, 487.
Petite veröle 219.
Pflanzliche Parasiten 713.
ipaYcSocva 4.
Phalacrosis 558.
Phlegmone 363.
Phlyctänosen, o>,ux.-:a'.va! 4, 306.
Phlyzacium, oXurizta 4, 63.
Phthiriasis 780.
Phthirius inguinalis 788.
oüysa-Xov, Phygethlon 3, 5.
Ph^ma, oüaaTa 3, 5, 59.
Physiologie der Haut 24.
Pian (ruboid) 547.
Pigment 35, -ation 64, 498.
Pigmentanhäufung, P. Hypei-tropliie 60,
498.
Pigmentateophie 550.
Pigmoutkrebs 673.
Pigmentmal 60, 499.
Pigmentsarcom 674.
Pigmontverlust 60.
Pili 43.
Pillulae asiaticae 380.
Pilze 714.
Sachregister.
807
TTtTupiaai; 3.
Pityriasis capillitii 146.
— nigra 501.
— rubra 390.
— Simplex 155.
— tabesceutium 149.
_ versicolor 721, 747.
Plaques luuqueuses 697.
Pleomorpliie 716.
Plica 524.
Pocken 219.
TO[J.S)OS 4.
Poliosis 554.
Polytricliie 521.
Poren der Haixt 25.
Porrigo 5.
— decalvans 560.
— gramilata 783.
— scutiüata 560, 732.
Prickley heat 130.
Primäre Krankheitsersclieinungen 59.
Princessenwasser 506-
Prodronialexantliem 227.
Pruriginöse Ausscliläge 408.
Prurigo 440.
— agria 443.
— mitis 443.
— pedicularis 780.
Pruritus cutaneus 706.
— pudendoriim 710.
— senilis 708.
Pseudoerysipel 363.
Psoriasis 372.
— palmaris et plantaris 375, 692,
697.
Psilosis 558.
•J/üjpa 3.
Psoriasis mucosae oris 671.
Psydracium 63.
Pnccinia 726.
Pnlex in-itans 751, 789.
Pulex penetrans 750, 775.
Pulvis Cosmi 637.
Purpura 60, 490.
— cacliectica 492.
— haemorrhagica 494.
— papulosa 494.
— pulicosa 491.
Purpura rlieumatica 287, 493.
— senilis 491.
— Simplex 494.
— variolosa 235, 492.
Pustula maligna 369.
Pustulae, Pustel 5, 10, 59.
Pustelausscliläge 471.
Pustulöses SypMlid 698.
Pyrogallussäure 388, 639.
Q-
Quaddel 59.
Quetschung 489.
R.
Eadesyge 547, 643.
Easli III.
Eäude 752.
Eesineon 100.
Eesolution 177.
Eesorptionsvermögen der Haut 54.
Eetezapfen 30.
Eevaccination 271.
Ebagades 64.
Eliinophyma 460-
EMnosclerom 603.
Eiesenurticaria 295.
EiesenzeUen 630.
Eiffelzellen 30.
Eingworm 560.
Eitteln III.
Eose 355.
Eoseola 59, 106, 290.
— cliolerica III, 290.
— febrilis III.
— infantilis 110.
— rheumatica III.
— syphilitica 290, 695.
— typhosa III, 290.
— vaccinia III, 274.
— variolosa HO, 227.
Eossalia 201.
EotMauf 355.
Eotzkrankheit 368.
Eougeole 187.
Eötheln 187, 197.
Rubeolae 187, 197.
Eupia non syphilitica 694.
— syiihilitica 693.
808
Sachregister.
S.
Sahafati 7.
Sandfloh 750, 775.
Saprophyten 714.
Sarcoma 674.
— pigmentodes idiopathicuni 674.
Sarcomatosis cutis 675.
Sarcoptes hominis 753.
Scabies 5, 751.
— crustosa s. Norwegica s. Boeckii
651.
— pecorina 766.
— pustulosa 762.
Scarlatina 201.
— puerperalis 216.
Scarliavo 547, 643.
Schalthaar 5Ö4.
Schanker 085.
Scharfer Löifel 634.
Scharlach 9, 201.
Scharlachtj'phus 208.
Schimmelpilze 714.
Schizomyceten 717.
Sclüeimschichte 29.
Sclimarotzerpilze 714.
SchneUcur 770.
Schomsteinfegerkrehs 664.
Schuppenflechte 372. '
Schwangerschaftsnarben 576.
Schwefelpaste 456.
Schweissblätterchen 130.
Schweissdrüsen 14, 41.
Schweisssecretion 123, 125.
Schweissdrüsen-Entartung 141.
Geschwulst 141.
Schwielen 507.
Schuppen 64.
— Grinde 64.
Scirrhus 660.
Sclerodei-ma 529.
Sclerema, Sclerema adultorum 529.
— neonatorum 529, 536,
Scorbut 8, 495.
Scrophulose 640.
soitiformis 72.
Scutulum 721.
Seborrlioea 144.
Seborrhoea capillitii 145.
— congestiva 147.
— furfuracea 144.
— nigricans 146.
— localis 145.
— oleosa 144.
— sicca 144.
— syphilitica 146.
— universalis 145.
Sebumwarzen 158.
Secretion (d. Haut) 54.
Secundäre Krankheitserscheinungen 59.
Secundärhaar 567.
Seifen, Schmierseife 99, 383.
Sensibilitätsneurosen 706.
Seuren 9.
Sinnesorgan, die Haut als, 54.
Siwwens, Sibbens 547, 644,
Small-pox 219.
solitarius 69.
Solutio Fowleri 380.
— Vlemingkx 386.
Sommersprossen 500.
Spaltbarkeit der Haut 69.
Specieller Theil 105.
Spedalskhed 642.
Spiritus saponatus kaUnus (H e b r a) 152.
Spitze Warzen 512.
Sporen 714.
Squamae 11, 64.
Squamöse Dermatosen 372.
Stachelzellen 30.
Stauungshyperämie 112.
Steinpocken 274.
Stichelnadel 462.
Stippchen 61, 228.
Stratum corneum 29.
— lucidum 32.
— vasculosum 33.
Streupulver 154.
Striae atrophicae cutis 575.
Stropliulus III.
Structur der Haut 25.
Styrax 771.
Subjective SjTuptome 56.
Sudamina 130.
Sudor anglicus 159.
Suren, Sueren.752.
Sachrej
Sycosis 5, 449, 463
— parasitaria 466, 721, 743, 744.
Symptoinatisclie Dermatonosen 74.
Symptomatologie allgemeine 24, 56.
Sypltüis 7.
— cutanea, Syphilide 689-
— vegetans 701.
System der Hautkranklieiten nacli
Hebra 17.
Systematik der Haiitkrankheiten 102.
Syrones 752.
T.
Talgdrüsen 43, 48.
Tastorgan 54.
Tastsinn 54.
Tastwärzchen 55.
Tätowiren 504.
Teinte broncfee 503.
Tela snbcutanea 34.
Telangiektasie 596.
Telengiektasie 59.
Tep[i.iv&ot 3.
Thanns 714.
Theer 100, 381.
Theeraene 453.
Theerbad 385.
Therapie, allgemeine 91.
Therioma 5.
Thierische Parasiten 713.
Thymion 5.
Tinchira Eusei 100, 3851
Tinea 7, 150.
— graniüata 783. •
— pellada 560.
— tondens 732.
Transplantation 588.
Trichanxis 521.
Trichophyton tonsurans 721, 735, 376.
Trichorrhexis nodosa 570.
Trophische Nerven 39.
Tropho-Nenrosen 705.
Tubercnla 11.
Tnbercnlose der Haut 640.
Tnbcrculum 59.
Tumor cavernosus 600.
Tyloma, Tylosis 507.
Typhiisexanthem 290.
Kaposi, Hautkrankheiten.
igister. 809
u.
Ueborhäutimg 584.
Ulcera cutanea 64, 677.
Dlceröses Syphilid 700.
Ulcus cruris e varicibus 681.
ünguent. Eochardi 387.
— Vaselini plumbicum 432.
— AVilkinsoui 386.
— Wilsoni 432.
TJnguentum Diachyli (Hebra) 185.
Unguis 49.
UnterhautzeUgewebe 26.
Uridrosis 140.
Ursachen , allgemeine , der Hautkrank-
heiten 73.
Urtica 59.
Urticaria 294.
— annxüaris 294.
— bullosa 295.
— factitia 295.
— flgui-ata 294.
— gyi-ata 294.
— papulosa 295.
— porcellanea 294.
— tuberosa 284.
— vesiculosa 295.
Urticatio 296.
V.
Vaccination 222, 269.
Vaccine 269.
Vaccini'othlauf 359.
Vajuolo 219.
Varicella 223.
Variegatus 72.
Variola 219.
— confluens 244.
— haemoiThagica 234.
— modificata 223.
— Vera 223, 226.
Variolation 221.
Varioleneffloresceiiz 249.
Variolois 223.
Varix 5.
Varus 5.
Vaseline 99.
Vasoconstrictores 39.
Vasodilatatores 39.
52
810
Sachregister.
Vasomotorisulie Neurosen 705.
Vater'sche Kürperclum 36.
Venen der Haut 33.
Vei'brennung 337.
Vernix caseosa 145.
Vemica 511.
— filiforniis 514.
— mollusciformis 514.
— senilis 512.
— vulgaris 512.
Vertheilung der Efflorescenzeii 68.
Vesiculae 10, 59.
Vespajo del CapiUitio 743.
Vibioes 60, 487.
Vitiligo 5, 6, 551, 648.
VitiUgoidea 592.
W.
Wagner'sche Köi"perclien 37.
Wasserbett (Hcbra) 347.
Warze 511.
Weicliselzopf 524.
Wiebeln III.
X.
Xanthelasma, Xauthoiii:i 592.
Xerodermie 155, 571.
Y.
Yaws 547.
Z.
Wanzen 751, 790.
Zellenauswanderuug 176.
Zellenproliferation 176.
Zona 5.
Zoster 5, 307.
— haemorrhagicus 314.
Zoogloa 718.
•
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