Skip to main content

Full text of "Das mechanische Princip in anatomischen Bau der Monocotylen : mit vergleichenden Ausblicken auf übrigen Pflanzenklassen"

See other formats


•4 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2015 


https  ://arch  i  ve .  org/detai  Is/b2 1705525 


DAS 


MECHANISCHE  PRINCIP 


IM  AxNATOMISCHEN  BAU  DER 


MONOCOTYLEN. 


DAS 


MECHANISCHE  PIUNCIF 

IM  ANATOMISCHEN  BAU  DER 

MONOCOTYLEN 

MI  T  \  ERGLEICIIKNDEN  AIJSBEICKEN  AUF  DIE  ÜBRIGEN 

PFLANZENKLA8Si:N. 


VON 


S.  SOllWENDENER, 

PROFESSOR  DER  HOTANIK  IN  BASEL. 


MIT  13  HOLZSCHNITTEN  UND  14  LITHOGR,  TAFELN  IN  FARBENDRUCK. 


/ 


LEIPZIG. 

VERLAG  VON  WILIIKLM  KNGELMANN. 

1874. 


Inhaltsübersicht. 


Erster  Abschnitt.  Allgemeines. 
Erstes  Capitel. 

'  Seile 


Die  spezifisch-mechanischen  Zellen   1 

1 .  Morpholog'ie  der  niechanisoluMi  Zollen   :i 

'2.  Elasticität  und  Festigkeit  der  mechanisclien  Zellen   1) 

.■5.  Ueber  die  Lagerung  der  mecliauisolien  Zellen  im  Allgemeinen   IG 

Zweites  Capitel. 

Einige  Sätze  aus  der  Festigkeitslehre    19 

Der  einlaclie  Tragbalken.  Der  liohlcylindrisehe  Träger.  Vergleiclnmg 
vegetabilischer  Träger  mit  Eisenconstrnetionen.  Senkiuigsgrösse  belasteter 
Träger.    Die  Zug-  und  Drucklinieu  oder  Spannungstrajectorieu. 


Zweiter  Abschnitt.     Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 

Drittes  Capitel. 

Die  mechanischen  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderlichen  Biegungsfestigkeit  mit  mög- 
lichst geringem  Materialaufwande   40 

I.  Die  (^iiersohnittsforiiieii  des  ineehaiiisclien  Systems  in  ejiindrisclieii  Org-anen  41 

NB.    Die  in  folgender  Uebersiclit  in  Parenthesen  bezeichneten  Pflanzen 
sollen  bloss  als  Beispiele  dienen. 

1.  System  der  subepidermalen  Bastrippen. 

Erster  Typus.    Bastrippen  in  einfacher  Kinglage  {Amin  maculaium)    41 

Zweiter  Typus.    Kleinere  subepiderniale  Bastrippen  wecliscln  ab  mit  grösseren 

etwas  tiefer  liegenden  [Colocasiu  Anfiquorimi   42 

2.  System  der  zusammengesetzten  peripherischen  Träger. 

Dritter  Typus.    IJadiale  I-förmige  Träger,  bestehend  aus  Je  zwei  durch  Mestom*; 

verbundeneu  Bastnuissen  [Sviiyns  cacspUosus)   43 


*)  Mit  dem  Ausdruck  Mestom  bezeichne  ich  die  sämmtlichen  Bestandtlieile  der  Gelass- 
biindel  mit  Ausschluss  der  mechanischen  Zellen,  d.  Ii.  der  Bastzellen.  Ein  Mestonistrang  ist 
demzufolge  ein  bastfreier  Fil)rovasalstrang. 


\'\  Inhaltsübersicht. 

Seite 

Vierter  'l'yp  US.  Die  siibopidcrinalon  Basfrippeii  mit  «leu  tielor  liof>('iideii  Mcstoui- 
sträuf^tMi  nicht  diroct  verbmuleii ,  dtnisolltcii  alx'r  liiiiitii!,-  in  Zahl  und  La<?6 
(Mitsprechend  iPajn/rus  Antiqnorum)   ^'^ 

Fünfter  Typus  Die  subepidonnalen  Bastrippen  sehr  massiv  und  \veni}?er  zahlreich, 
stets  mit  den  innorn  und  -;n".ssten  (Jelassbiindoln  im  f>leichen  Radius  liej^end 
und  zu  'J'rjifi,-ern  \crlnnid(Mi  [Jutin/s  (//fiunis)    -'^I 

Sechster  Tyi)us.  Die  sidiepidennalen  liastrippen  den  peripherischen  Mestom- 
striinf;en  in  Zahl  und  Lage  entsprechend  und  bei  massigem  Abstände  häiifii^ 
mit  denselben  verwachsen  iJniicm  ro/if/lonn'rafus)  

Siebenter  Typus.  Die  Melirzahl  der  subepidermalen  Bastrippen  mit  den  periphe- 
rischen Mestomstränj.^en  verwaclisen.  Tiefer  liegende  Gefässbiindel  unref?el- 
niässifi^  fi:estellt  {Krinphnruii)  kitifolium)   54 

Achter  Typus.  Zahlreiche  subepidermale  Rippen  ohne  directc  Verbindung;-  nnt  den 
benachbarten  Mestomstränj?en ,  aber  nnt  letzteren  zu  einem  peripherischen 
Trägersj-stem  condjinirt  'Scirpiix  htciistris)    5(> 

Neunter  Typus.    Die  subepidermalen  Bastrippen  mit  einem  einfachen  Kreis  von 

.'1  bis  G  Gefässbiindeln  combinirt  {Isolepis)  "   •^'^ 

Zehnter  Typus.  Die  snbepi<lernialen  Rippen  frei  oder  zum  Theil  mit  Mestomsträngen 
verwachsen;  eine  Riiighige  der  letztern  durch  Bastverbindungen  in  tangen- 
tialer Richtung  verschmolzen  {Cladiimi)   f>*^ 

3.  System  des  gerippten  Hohlcylinders,  mit  Anschluss  der  Rippen  an  die  Epidermis. 

HIfter  Typus.    Character  des  Systems;  die  (Jefässbündei  an  den  Ring  angelehnt 

oder  doch  nur  wenig  ins  Mark  vorgeschoben  [(IramiiiKcn)   On 

Zwölfter  Typus.    Die  inneren  Gefässbiindel  meist  in  grösserer  Anzahl  im  Marke 

zerstreut  [F(tninim)   (i'i 

4.  System  der  peripherischen,  meist  durch  Mestom  verstärkten  Bastbündel,  mit  unregel- 
mässigen Verschmelzungen  derselben  unter  sich  und  mit  der  Epidermis. 

Dreizehnter  Typus.    Kein  eigentlicher  Bastring,  aber  die  peripherischen  Mestoni- 

stränge  mit  starken  Bastbelegen  {Sdcchantm)   (53 

5.  System  der  subcorticalen  Fibrovasalstränge  mit  starker  Bastentwicklung. 

V  i  e  r  z  e  h  n  t  e  r  Ty  p  u  s.    Zahlreiche  peripherisciie  (  Jelassbündel  mit  ausserordentlich 

starken  Bastbelegen  auf  der  Irmen-  und  Aussenseite  [Jiamhiisti]   (55 

Fünfzehnter  Typus.  Zahlreiche  subcorticale  Gefässbiindel  mit  starker  Bastbe- 
kleidung auf  der  Aussenseite  [Palnien]   (ift 

Sechszehnter  Typus.    Zahlreiche  subcorticale  Bündel  mit  starken  lyibrifornibelegen 

(Dmcaetiäj   (iS 

Siebzehnter  Typus.    Subcorticale  Gefässbiindel  mit  Bastbclegen,  hin  und  wieder 

in  tangentialer  Richtung  verschmolzen  [Musa]    7(i 

Achtzehnter  Typus.  Subcorticale  Gefässbiindel  mit  starken  Bastbelegen,  in 
tangentialer  Richtung  öfter  verschmolzen;  die  Rinde  ohne  (Jetassbündel 
[MnrantM)  -   72 

6.  System  der  subcorticalen,  in  tangentialer  Richtung  verbundenen  Fibrovasalstränge. 

Neunzehnter  'J'ypus.    Cliaracter  des  Systems  [Lnzulfi]   72 

7.  System  des  einfachen  Hohlcylinders  mit  eingebetteten  oder  angelehnten  Mestomsträngen. 

Zwanzigster  Tyjjus.    Character  des  Systems  (viele  Monocotylen)   74 

II.  Die  Qucrscliinttsforinen  des  niechaiiisolien  Systems  in  bilateralen  Organen    .  77 

1.  System  der  subepidermalen  Träger. 

Erster  Typus.    Zusammengesetzte  subepidermale  Träger  in  bilater.alcr  Anordnung  77 


f 

luliiiltsübersicht.  VII 

Seito 

Zweiter  TypiLs.    Siibepidoniiiile ,  mit  Mcstoin  vei-biindenc  Träger  auf  der  Druck- 

soife,  eoiubinirt  mit  inestunirreieii  Bastbiinderii  auf  der  Zu^;<cite   78 

Dritter  'l'yi)us.    Eiutaclie  oder  zusammengesetzte  l-fürmij;e  Träj^er,  obere  und 

untere  Blattseite  mit  einander  \erbindend   7i) 

Vierter  Typus.    Eiutaclie  1-t'örmigc  Träger  auf  der  Aussen-  oder  Unterseite  des 

Blattes   Sl 

Fünfter  Typus.    Einfache  I-förmige  Träger  auf  beiden  Blattsciten,  aber  in  alter- 

nirender  Stellung   81 

2.  System  der  Innern  Träger. 

Sechster  Typus.    Isolirte  innere  Träger  in  verschiedener  Anordnung   Sl 

Siebenter  Typus.    Unterbrochener  Bastring  nut  nach  innen  vorspringenden  Rippen  82 

3.  System  der  gemischten  Träger. 

Achter  Typus.    Subepidermale  Rippen  mit  innern  Trägern  conibinirt    82 

HI.  Die  mechanisclieii  Einrichtungen  zur  Erhaltung  der  Qucrschnittsforni    ...  84 

1 .  Verhalten  des  Pareucliyms   85 

2.  Die  Fächerung  der  Luftkanälc  durch  Diaphragmen  und  die  Älestomanastomosen  .  8*) 

'.'>.  Die  Aussteifung  der  Luftkanäle  durch  Filzgewebe   i)l 

4.  Die  Knoten  der  (iramineen   1)2 

IV.  Die  mechanischen  Einrichtungen  l'iir  den  intercalaren  Aufbau    1)4 

V.  Die  Festigkeitsabnahnie  des  nieclianischen  Systems  in  acropetaler  Kiclitung  .  ;)ü 

Träger  von  gleichem  Widerstande.  Spezielle  Besprechung  einzioluer  Fälle : 

1 .  Jane  KS  ylaKctta   i)9 

2.  3Iolima  eoerulea   10(1 

VI.  Steigerung  der  Biegungsfestigkeit  durch  (iewehcsi)annung  und  durcii  besondere 

Formverhältnisse    Joi 

Gewebespannung.    Torsion  aufrecliter  Flächenorgaue.  Querschuittsform 
der  Flächenorgaue. 

VII.  Das  mechanische  rrincip  in  seinem  Verhältniss  zum  ernährungsphysiologischen  l(i5 


Confiict  zwischen  mechanischen  und  assimilirenden  Zellen.  Die  Zugänge 
der  Mestonistränge  und  die  Parenchymwege  in  den  Wurzeln  von  Panduniis. 
Mehrschichtige  P]pidermis.    Mechanisch  wirksame  Parenchymzellen. 


VI  II.  Die  Nebenfunctiouen  der  mechanischen  Zellen    loD 

Anpassungen  für  die  Durchlüftung.   Chlorophyllführende  Bastzelien.  Be- 
theilignng  der  Bastzellen  an  der  Wasserleitung. 

IX.  Die  Diegungsfestigkeit  des  mechanisclien  Systems  in  ihrem  Verliältniss  zu 

dei'jeuigcn  des  ganzen  Orgaus   112 

Viertes  Capitel. 

Das  mechanische  System  in  Organen,  weiche  der  Biegungsfestigkeit  nicht  bedürfen    ...  115 

1.  Zugfeste  Einrichtungen   110 

2.  Festigkeit  gegen  radialen  Druck    125 

Festigkeit  gegen  longitudinaleii  Druck   Strebfestigkeit]   131 

4.  Festigkeit  gegen  Abscheeren  (SchubfestigkeitJ   V-V-i 

5,  Ueber  die  Verwendung  von  Bastzellen  zu  local-mechauischeu  Zwecken   134 


'\'I[f  Inhiiltsübcrsicht. 

*      '  SeitP 

ti.  Festigkeit  tler  N'crhiudiiiineu  zwisclii'n  TücIiLim-  und  Muttciuryan   l-**^ 

An  Illing;    Bemerkungen  iiiter  den  Hau  der  Monocotylen  im  Aligemeiuen                .  139 

Dritter  Abschnitt.    Vergleichende  Ausblicke  auf  die  übrigen 

Pflanzenklassen. 

Filnftes  Capitel. 

Die  Dicotylen  

1.  Hastltiidungeu  in  der  Rinde   ^'^•^ 

2.  Uebergänge  zum  intracanibiaieii  Librifurmring   ^^"^ 

3.  Intracambialer  Libritbrniriiig  ohne  Markstralilen    148 

4.  lutracand)ialer  Libril'ormring  mit  Parenchymstralilen   l'^l 

5.  Meeliauiselies  System  zugl'ester  Organe    lää 

ti.  Mechanisches  System  blattartiger  Organe  

7.  Das  Collcnchym  der  Dicotylen   '57 

8.  Meelianisch  wirksame  Parenchymzellcn   158 

Sechstes  Capitel. 

Die  übrigen  Gefässpflanzen   15!» 

1.  Gymnospermen   lö'.t 

2.  Farnkräuter   Kil 

3.  E(|uisetaceen   I(i2 

4.  lihizocarpeen    1H;5 

5.  Lycopodiacecm   KM 

Siebdutes  (!a|»ltel. 

Die  Zeilencryptogamen   K>(i 

Achtes  Capitel. 

Das  mechanische  System  in  phylogenetischer  Hinsicht    IGR 

Schlussbemerkungen   174 

Erklärung  der  Abbildungen   17H 


Erster  Abschnitt. 
Allgemeines. 


Erstes  Capitel. 
Die  speziflsch-mechaiüsclieii  Zellen. 

Die  höherstehenden  Organismen  zeichnen  sich  bekanntlich  durcli  eine  viel 
weiter  gehende  Arbeitstheilung  und  eine  entsprechende  morphologische  Differen- 
zirung  der  Gewebe  vor  den  niederstehendeu  aus.  Bei  den  Gefässpflanzen  sind  alle 
wichtigen  Functionen  auf  ebenso  viele  anatomisch  ausgezeichnete  Gewebeformen 
vertheilt.  Wir  finden  hier  besondere  Zellen  —  es  sind  die  verschiedengestaltigen 
Elementarorgane  des  trachealen  Systems  —  welche  der  Durchlüftung  dienen, 
andere  von  gänzlich  abweichendem  Bau,  welche  die  Verdunstung  verhüten  und 
die  Oberfläche  gegen  schädliche  Agentien  schützen ,  wie  das  Periderm ,  wieder 
andere,  denen  vorzugsweise  die  Wasserleitung  oder  die  Assimilation  etc.  über- 
tragen ist.  Alle  diese  Zellen  sind  um  so  schärfer  characterisirt ,  je  mehr  sie 
ausschliesslich  für  eine  bestimmte  Function  angepasst  sind.  Sobald  die  nämliche 
Zelle  gleichzeitig  oder  abwechselnd  zwei  oder  drei  verschiedene  Verrich- 
tungen Ubernimmt ,  tritt  auch  im  anatomischen  Character  derselben  eine  ent- 
sprechende Veränderung  ein. 

Da  nun  die  Herstellung  der  erforderlichen  Festigkeit  zu  den  wichtigsten 
Lebensbedingungen  gehört,  so  liegt  von  vorn  herein  die  Verinuthung  nahe,  dass 
die  Pflanze  zu  diesem  Zweck  ebenfalls  bestimmte  Zellformen  verwende,  die  zwar 
voraussichtlich  mancherlei  Verschiedenheiten  darbieten  mögen,  aber  doch  in  ähn- 
licher Weise  zusammengehören,  wie  etwa  die  Zellen  des  trachealen  Systems  oder 
die  verschiedenen  Zellformen  des  Periderms.  Diese  Vermuthung  gab  mir  Ver- 
anlassung zu  einer  vorläufigen  Orientirung;  sie  war  die  leitende  Idee,  die  mir  bei 
meinen  ersten  Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand  vorschwebte.  Denn  es 
schien  mir  vor  Allem  wichtig,  durch  eine  Reihe  von  Beobachtungen  festzustellen, 
ob  im  Gewebe  der  Gefässpflanzen  Elementarorgane  vorhanden  sind,  welche  als 
spezifisch-mechanische  Zellen  bezeichnet  werden  dürfen,  oder  ob  vielleicht  zur 
Herstellung  der  nöthigen  Festigkeit  Zellen  der  verschiedensten  Art  gleichmässig 
beitragen.  Es  bedurfte  keiner  langen  Arbeit,  um  die  Ueberzeugung  zu  gewinnen, 

S  0  b  w  e  u  d  e  11  e  r ,  Das  mechanische  Princip.  ^ 


2 


I.  Allgemeines. 


dass  in  dieser  Frage  ausser  den  Bastzellen  und  den  bastälmlichen  Collenchyra- 
zellen  höchstens  noch  gewisse  stäikere  Elemente  des  Xylems  in  Betracht 
konnneu  können,  deren  Widerstandsfähigkeit  in  manchen  Fällen  derjenigen  des 
Bastes  ungefähr  ebenbürtig  ist.  Das  genauere  Studium  dieser  Elemente  stellte 
jedoch  bald  heraus,  dass  eine  auch  nur  einigermaassen  beträchtliche  AVider- 
standsfähigkeit  denselben  keineswegs  allgemein  zukommt,  folglich  auch  nicht  als 
durchgreifendes  Merkmal  bezeichnet  Averden  darf.  Es  gibt  zahlreiche  Gefäss- 
blindel,  deren  Holzzellen  durchweg  zartwandig  sind,  so  dass  sie  mechanisch 
keine  Bedeutung  haben  können.  Bei  manchen  Familien  der  Monocotylen 
scheint  diese  Zartwandigkeit  des  Xylems  sogar  ein  allgemeiner  anatomischer 
Grundzug  zu  sein.  Die  Fähigkeit  der  Holzzellen,  ihren  Wandungen  einen 
hohen  Grad  von  Festigkeit  zu  verleihen,  ist  demgemäss  eine  mehr  zufällige, 
nur  unter  gewissen  Umständen  hervortretende  Eigenthümlichkeit  derselben,  aber 
kein  characteristisches  Merkmal.  Die  nämliche  Fähigkeit  kommt  Uberdiess 
auch  den  verschiedensten  anderen  Zellformen  zu.  Wir  finden  z.  B.  dickwandige 
verholzte  Zellen  sogar  im  Cambiform ,  so  bei  verschiedenen  Palmen ,  Liliaceen 
und  Paudanusarten,  wo  indess  nur  die  englumigen  Elemente  zu  dieser  Abweichung 
befähigt  sind;  ferner  im  Markgewebe  einiger  Cyperaeeen  und  Gramineen,  im 
Kindengewebe  mancher  Rhizome,  in  deu  Markstrahlen  krautiger  Dicotylen  etc. 
Auch  die  chlorophyllführenden  Zellen  sind  hin  und  wieder  mit  verdickten  Wan- 
dungen ausgerüstet.  Dazu  kommt,  dass  die  Gruppirung  der  Holzzellen  mit 
Rücksicht  auf  die  Gefässe  und  das  Cambiform  eine  auffallende  Constanz  zeigt, 
welche  allein  schon  beweist,  dass  diese  Elemente  nach  morphologischen  und 
nicht  nach  mechanischen  Principien  geordnet  sind.  Damit  soll  natürlich  bloss 
gesagt  sein,  dass  wir  über  die  tieferen  Gründe  der  fraglichen  Lagerungs- 
verhältnisse einstweilen  nichts  wissen;  was  spätere  Forschungen  darüber  erge- 
ben werden,  bleil)t  dahingestellt. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  mit  den  Bastzellen  und  dem  damit  gleich- 
werthigen  Libriform,  sowie  mit  den  bastähnlichen  Collenchj-mzellen.  Diese 
Zellen  zeigen  durchweg  eine  Widerstandsfähigkeit,  welche  im  Vergleich  mit 
derjenigen  benachbarter  Elementarorgane  zum  Mindesten  als  beträchtlich  und 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle  als  sehr  bedeutend  bezeichnet  werden  muss.  Die 
besseren  Bastsorten  bestehen,  wie  ich  weiterhin  darlegen  werde,  aus  einem 
Material ,  das  dem  Schmiedeeisen  in  Bezug  auf  Zugfestigkeit  innerhalb  der 
Elasticitätsgrenze  nicht  viel  nachgibt,  und  selbst  der  gewöhnliche  Bast,  wie 
er  bei  Cryptogamen  und  Phanerogamen  häufig  vorkommt,  kann  immerhin  mit 
Zinkguss,  gehämmertem  Kupfer  und  selbst  mit  Messing  concurriren.  Zu  dieser 
mechanischen  Widerstandsfähigkeit  kommt  überdiess  noch  die  Thatsache ,  dass 
die  betreffenden  Zellen  sowohl  als  Bestandtheile  der  Fibrovasalstränge ,  als  bei 
isolirtem  Auftreten  eine  Stellung  einnehmen,  die  jeder  morphologischen  Regel 
spottet,  sich  aber  den  mechanischen  Principien  unterordnet.  Wir  finden  z.  B. 
im  nämlichen  Organ  die  Bastzellen  bald  auf  der  Innenseite  der  Xylemstränge, 
d.  h.  in  der  Umgebung  der  primordialen  Gefässe  und  der  sie  begleitenden 


I.   Die  spozifisch-uiechanischen  Zellen.  3 

Holzzellen,  bald  aussen  am  Canibiforni  oder  als  Verbindungsgiicd  zwischen 
benachbarten  GefässbUndeln ,  nicht  selten  auch  in  Gestalt  von  isolirten  Hippen 
unter  der  F^pidermis  etc.,  aber  in  allen  diesen  Fällen  so  gruppirt,  wie  es  zur 
Erreichung  der  grösstniöglichen  Festigkeit  des  Organs  bei  gegebenem  Material- 
aufwand notlnvendig  war.  Bezüglich  der  nähern  Belege  hiefilr  muss  ich  auf 
die  folgenden  Capitel  verweisen;  hier  betone  ich  bloss  das  durch  die  Unter- 
suchungen gewonnene  Resultat,  um  daran  die  Folgerung  zu  knüpfen,  dass  die 
Bastzellen,  mit  Einschluss  des  Libriforms  und  der  bastähnlichen  CoUenchym- 
zellen ,  die  einzigen  Elementarorgane  sind ,  welche  eine  spezifisch-mechanische 
Rolle  spielen.  Diese  Zellen  sind  darum  auch  die  constanten  und  wesentlichsten 
Bestandtheile  des  mechanischen  Systems  der  Gewächse ;  sie  allein  bilden  die 
Gurtungen  der  Iförmigen  Träger,  die  subepidermalen  Rippen,  die  festen  Röhren 
u.  s.  w.  Die  Übrigen  Zellformen  figuriren  stets  nur  als  Verbindungsglieder 
oder  Fllllungsmassen  und  sind  in  erster  Linie  für  andere  Zwecke  angepasst. 


1.  Morphologie  der  mechanischen  Zellen. 

Die  Zellformen  des  mechanischen  S3^stems,  der  Bast  und  die  bastähnlichen 
Holz-  und  Collenchymzellen,  sind  zwar  in  mancher  Beziehung,  zumal  bezüglich 
ihrer  typischen  Erscheinungsformen,  längst  bekannte  Dinge,  deren  nähere  Be- 
schreibung hier  überflüssig  erscheinen  mag.  Allein  die  Unterscheidung  dersel- 
ben von  anatomisch  heterogenen  Elementen ,  die  Characteristik  der  hieher  ge- 
hörigen Zellen  als  Glieder  eines  besondern  Systems  und  die  damit  zusammen- 
hängende Bezeichnung  der  Gewebe,  wie  sie  in  der  Literatur  bis  auf  die  neueste 
Zeit  üblich  ist,  verräth  vielfach  eine  grosse  Unsicherheit  und  theilweise  auch 
eine  Willkürlichkeit  der  Auffassung,  die  nur  im  Einfluss  einer  herrschenden 
Idee  ihre  Erklärung  findet.  DippeP)  bezeichnet  z.  B.  bei  Monocotylen  die 
Bastbekleidungen  auf  der  Innenseite  der  Gefässbündel  als  Holz  und  nur  die- 
jenigen der  Aussenseite  als  Bast,  obschon  die  Zellformen  auf  beiden  Seiten 
genau  dieselben  sind.  Ebenso  Schacht  und  Unger^),  wobei  indess  der  Er- 
stere  dem  Worte  Holz  ein  Fragezeichen  beisetzt.  Vom  Bastring  der  Liliaceen 
und  anderer  Monocotylen  sagt  Mo  hl  3),  man  würde  sehr  irren,  wenn  man  dessen 
Zellen  mit  dem  Baste  der  Dicotylen  vergleichen  wollte;  es  sei  desshalb  nicht 
zu  billigen,  wenn  Link  und  Kies  er  diesen  Ring  für  Bast  erklären.  Die  von 
Mohl  angegebenen  Unterscheidungsmerkmale  sind  indessen  durchaus  nicht  stich- 
haltig. Neuere  Schriftsteller  gebrauchen  nicht  selten  den  Ausdruck  »Prosen- 
chymscheide« ,  um  die  fraglichen  Bastbekleidungen  zu  bezeichnen,  ein  Wort, 
das  wenigstens  Nichts  präjudicirt.  Daneben  werden  aber  auch  ächte  Bastzellen, 
die  mit  denen  der  »Prosenchymscheide«  vollkommen  übereinstimmen,  unter  der 


1)  Diijpel,  das  Mikroskop. 

~)  ünger,  Aniitomie  und  Physiol.  p.  218  ff. 

3j  Mo  Iii,  vermischte  Schriften  p.  150. 

1*  . 


4 


I.  Allgemeines. 


Benennung  «Hautgewebe«  mit  inbegriffen.  Bei  Dicotvlen,  die  ich  übrigens  hier 
nur  beiläufig  erwähne,  da  sie  in  einem  folgenden  Abschnitt  besonders  besprochen 
sind,  zählt  man  bekanntlich  alle  bastähnlichen  Zellen  innerhalb  des  Verdickungs- 
ringes  zum  Holz  oder  Xylem,  obschon  es  Fälle  genug  gibt,  in  welchen  diese 
Xylemelemente  0,5  bis  1,3  Millimeter  Länge  erreichen,  sich  spindelförmig  zu- 
spitzen und  überhaupt  von  den  ächtesten  Bastzellen  sich  gar  nicht  unter- 
scheiden lassen.  Umgekehrt  findet  man  im  sogenannten  Phloem  nicht  selten 
150  bis  250  Mik.  lange  Libriformzellen ,  die  sich  in  jeder  Hinsicht  dem  kurz- 
zelligen  Libriform  des  Xylems  anschliessen.  Manche  Dicotylen  besitzen  ausser- 
halb des  Verdickungsringes  keinen  Bast,  dafür  aber  ächte  Bastsicheln  auf  der 
Innenseite  der  Gefässbündel  oder  auch  einen  continuirlichen  Ring  von  Libri- 
form mit  oder  ohne  Parenchymstrahlen.  Bei  Cephalaria  tartarica  erreichen  bei- 
spielsweise die  Zellen  dieses  Ringes  eine  Länge  von  2  bis  Vji  Millimeter  und 
sind  dabei  so  lang  und  scharf  zugespitzt,  wie  die  ausgeprägtesten  Bastzellen. 
Ebenso  tritt  noch  in  vielen  andern  Fällen  klar  hervor ,  dass  der  Verdickungs- 
ring  mit  Unrecht  als  Grenzzone  zwischen  verschiedenen  Zellformen  betrachtet 
wird.  Xylem  und  Phloem  sind  überhaupt  mehr  topographische  als  anatomische 
Begriffe;  sie  beziehen  sich  eigentlich  bloss  auf  die  Lage  zum  Verdickungsring^). 
Die  Uebertragung  dieser  Benennungen  auf  die  Monocotylen  fand  in  der  un- 
glücklichsten Weise  statt.  Werfen  wir  noch  einen  Blick  auf  die  Gefässcrypto- 
gamen ,  von  denen  später  ebenfalls  ausführlicher  die  Rede  sein  wird ,  so  be- 
gegnen wir  auch  hier  den  nämlichen  mechanischen  Zellen,  die  wiederum  bald 
als  Holzzellen,  bald  einfach  als  prosenchymatische  Zellen  oder  als  Hautgewebe- 
zellen bezeichnet  werden. 

Man  wird  nach  alledem  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  die  Begriffe,  um  die 
es  sich  hier  handelt,  an  Klarheit  und  Schärfe  Manches  zu  wünschen  übrig 
lassen  und  dass  eine  rationellere  Fassung  derselben  ein  wirkliches  Bedürfniss 
geworden  ist.  Diesem  Bedürfniss  glaube  ich  nun  in  zweifacher  Beziehung  ent- 
sprechen zu  können:  in  physiologischer  durch  die  Deutung  der  fraglichen 
Zellen  als  spezifisch-mechanische,  in  morphologischer  durch  den  Nachweis, 
dass  alle  hieher  gehörigen  Zellformen  unter  sich  verwandt  sind  und  ein  durch 
bestimmte  Merkmale  ausgezeichnetes  anatomisches  System  bilden.  Diese  mor- 
phologische Seite  soll  im  Folgenden  näher  beleuchtet  werden. 

Es  ist  zunächst  leicht  zu  constatiren ,  dass  die  mechanischen  Zellen  in 
ihren  schwächsten  Repräsentanten  vom  collenchymatisch  verdickten  Parenchym 
kaum  verschieden  sind.  Sie  modelliren  sich  ganz  allmälig  aus  dem  Parenchym 
heraus,  strecken  sich  mehr  in  die  Länge,  spitzen  sich  prosenchymatisch  zu  und 
werden  dabei  ärmer  an  Chlorophyll.  So  lange  das  CoUenchym  parenchyma- 
tisch  aussieht,  die  Zellen  intensiv  grün  gefärbt  und  die  Poren  quer  gestellt 


1)  Nägeli  hatte  bei  Aufstellung  der  Begriffe  Xylem  und  Phloem  einzig  und  allein 
die  Lage  zum  Carabium  im  Auge.  Seitdem  sind  aber  dieselben  Benennungen  vielfach  in 
rein  anatomischem  Sinne  gebraucht  worden. 


1.  Die  spezitisch-mechanischen  Zellen. 


5 


sind,  wiegt  augenscheinlich  die  Assimilationsthätigkeit  vor,  und  die  mechanische 
Wirksamkeit  tritt  in  den  Hintergrund.  Erst  wenn  die  Zellformen  mit  Rück- 
sicht auf  die  Zuspitzungen  der  Enden  einen  entschieden  prosenchymatischen 
Character  annehmen,  indess  gleichzeitig  der  grüne  Inhalt  immer  spärlicher 
wird  oder  vollständig  verschwindet;  wenn  ferner  die  Poren,  sofern  solche  vor- 
handen ,  eine  spaltenförniige  Gestalt  annehmen  und  dabei  longitudinal  oder 
schwach  schief  gestellt  sind,  d.  h.  wenn  die  Molecularreihen  annähernd  in  der 
Längsrichtung  verlaufen,  erhält  die  mechanische  Bedeutung  das  Uebcrgewicht. 
Ein  solches  CoUenchym  findet  man  unter  den  Monocotylen  beispielsweise  bei 
Tradescantia  erecta  (und  andern  Arten),  wo  die  Zellen  bis  900  Mik.  Länge  er- 
reichen, unter  den  Dicotylen  bei  den  verschiedensten  Familien  ungemein  häufig, 
in  sehr  schöner  Ausbildung  namentlich  bei  Umbelliferen ,  Compositen,  Aggre- 
gaten ,  Cucurbitaceen ,  Malvaceen ,  Chenopodiaceen  etc.  Die  einzelnen  Zellen 
sind  bald  pfriemenförmig  zugespitzt,  bald  bloss  dachförmig  zugeschärft,  wobei 
die  schiefen  Enden  vorzugsweise  auf  Tangentialschnitten  deutlich  hervortreten. 
Da  ihre  Wandungen  schon  in  jungen  Internodien  vollständig  ausgebildet  sind, 
jedoch  später  an  der  Streckung  der  Gewebe  Theil  nehmen,  so  rücken  die  ur- 
sprünglichen Enden  allmälig  weiter  aus  einander.  Dabei  findet  gewöhnlich 
eine  Quertheilung  und  somit  eine  Fächerung  der  Mutterzelle  statt.  Ob  bei 
diesem  Vorgange  die  ersten  Querwände  sich  nach  und  nach  schief  stellen  und 
gleichzeitig  etwas  verdicken,  oder  ob  sie  ihre  urspründliche  Lage  beibehalten, 
kommt  als  entwicklungsgeschichtliches  Moment  hier  nicht  in  Betracht;  ich  be- 
tone bloss  die  anatomische  Thatsache ,  dass  die  Querwände  einer  an  beiden 
Enden  zugeschärften  Zelle  mit  verdickten  Wandungen  selbst  nicht  verdickt  sind. 
Die  Zahl  dieser  Wände  ist  übrigens  sehr  variabel;  bald  sind  es  nur  wenige 
oder  selbst  gar  keine,  bald  so  viele,  dass  die  einzelnen  Theilzellen  kaum  3 
bis  4  Mal  so  lang  als  breit  erscheinen.  Die  Poren  fehlen  nicht  selten  vollständig 
oder  sind  doch  sehr  spärlich  vorhanden ;  andererseits  gibt  es  aber  auch  Bei- 
spiele, wo  sie  in  grosser  Zahl  auftreten  (Tradescantia) .  In  allen  Fällen  stehen 
sie  longitudinal  oder  etwas  links-schief. 

Die  Wandungen  des  Collenchyms  sind  bekanntlich  sehr  weich  und  quellungs- 
fähig.  Es  kommt  jedoch  hin  und  wieder  vor,  dass  sich  später  einzelne  Zellen 
ganz  nach  Art  der  Bast-  oder  Libriformzellen  ausbilden,  indem  sie  eine  derbe 
Membran  von  gleichniässiger  Dicke  und  mit  zahlreichen  linksschiefen  Poren  er- 
halten. Solche  Zellen  kommen  z.  B.  in  den  ältern  Internodien  von  Tecoma 
raclicans  sowohl  unmittelbar  unter  der  Epidermis  als  auch  etwas  tiefer  im  In- 
nern regelmässig  vor;  sie  fallen  durch  ihre  Färbung  schon  im  Querschnitt  auf. 
Eine  ähnliche  Umwandlung  vollzieht  sich  im  Basttheil  (Phloem)  der  Gefäss- 
bündel  von  Eryngivm  planum  Taf.  XIV,  4),  Astragahis  falcatus  u.  a.  Der 
junge  Bast  —  das  Wort  im  herkömmlichen  Sinne  genommen  —  ist  bei  diesen 
Pflanzen  geradezu  collenchymatisch.  Erst  später  modelliren  sich  aus  diesem 
Collenchym  die  eigentlichen  Bastzellen,  die  sich  schon  durch  ihre  stärkere 
Lichtbrechung  abheben,  heraus,  so  zwar,  dass  der  übrig  bleibende  Membran- 


I.  Allgemeines. 


Stoff  nun  als  gewöhnliche  Intercellularsubstanz  erscheint.  Auch  hier  ist  übrigens 
diese  Umwandlung  keineswegs  eine  durchgreifende:  einzelne  Collenchymzellen 
bleiben  unverändert,  werden  jedoch  durch  den  Druck  der  ßastzellen  unregel- 
niässig  coniprimirt  und  verzerrt  (Taf.  XIV,  4;.  In  vielen  Fällen  bleibt  be- 
kanntlich das  Phloeni  vollständig  bastlos;  allein  statt  des  Bastes  tiguriren  häufig 
langgestreckte  Zellen  mit  collenchymatischen  Verdickungen  [Phlox  paniculata, 
Lycium  barbarum).  Es  kann  alsdann  vorkommen,  dass  bei  stärkeren  Gefäss- 
biindeln  einzelne  Zellen  dieses  Collenchyms  sich  in  ähnlicher  Weise  differenziren, 
wie  in  den  eben  genannten  Fällen :  d.  h.  sie  erhalten  derbere  und  gleichmässig 
verdickte  Wandungen,  wie  der  ächte  Bast  oder  das  Libriform;  so  z.  B.  bei 
Physostegia  speciosa. 

An  diese  Beispiele,  welche  den  Uebergang  von  Collenchyni  in  Libriform 
durch  eine  Art  von  nachträglicher  Metamorphose  veranschaulichen  sollen,  schlies- 
sen  sich  einige  weitere  an,  welche  durch  rein  anatomische  Zwischenstufen  von 
einer  Zellform  zur  andern  hinüberführen.  Ich  beschränke  mich  hier  wieder 
ausschliesslich  auf  Monocotylen.  Die  subepidermalen  Kippen,  wie  sie  bei  eini- 
gen Aroideen  [Arum  maculatum,  Atherurus  ternatus  etc.)  vorkommen,  gewähren 
im  Querschnitt  das  Bild  eines  typischen  Collenchyms.  Allein  die  Länge  der 
Zellen  ist  so  bedeutend  (oft  über  1  Millimeter),  die  Höhlung  durchschnittlich  so 
klein  und  die  Widerstandsfähigkeit  gegen  Zug  so  bedeutend,  dass  es  mit  ge- 
wöhnlichem Collenchym  nicht  in  die  gleiche  Linie  gestellt  werden  darf.  Die 
spärlichen  Poren  stehen  zwar  longitudinal ;  allein  diess  kommt  auch  bei  den 
besten  Bastsorten  hin  und  wieder  vor.  Ueberdiess  bestehen  die  entsprechenden 
Bündel  bei  andern  verwandten  Gewächsen,  z.  B.  im  Blattstiel  von  Colocasia 
antiquorum,  zum  Theil  aus  normalem,  nicht  collenchymatischem  Bast. 

In  Beziehung  auf  Fächerung  der  Zellen  kommen  sowohl  beim  Bast  als  beim 
Collenchym  die  verschiedensten  Abstufungen  vor :  keine,  wenige  oder  zahlreiche 
Querwände.  Auch  der  extracambiale  Bast  der  Dicotylen  ist  häufig  gefächert. 
Von  einem  wesentlichen  Unterschied  kann  also  in  dieser  Beziehung  nicht  die 
Rede  sein.  Die  vorkommenden  Abweichungen  beschränken  sich  einzig  und 
allein  darauf,  dass  die  Neigung  zur  Quertheilung  beim  Collenchym  öfter  und 
entschiedener  hervortritt  als  beim  typischen  Bast  mit  Einschluss  des  Libri- 
form s'  . 

Was  sodann  die  Unterscheidung  von  Libriform  und  Bast,  speziell  bei  Dico- 
tylen anbelangt,  so  wurde  schon  oben  erwähnt,  dass  der  Vcrdickungsring  kei- 
neswegs als  Grenzlinie  zwischen  morphologisch  verschiedenen  Gewebetypen  zu 
betrachten  ist.  Denn  man  findet  erstens  da  und  dort  Gefässbündel  mit  nor- 
malen Bastsicheln  sowohl  innerhalb  der  primordialen  Gefässe  als  ausserhalb  des 
Cambiums,  so  z.  B.  bei  Cocculus  laurifolius,  dann  bei  Senecio  coriaccus.  Scorzo- 
nerci  kmocarpa ,  Echinops  hannuticus  und  andern  Compositen.  Zweitens  ist  es 
ein  ebenso  häufiger  Fall ,  dass  der  Bast  auf  der  Phloemseite  der  Gefässbündel 


')  lieber  die  Fächerung  des  Libriforms  vgl.  Sanio,  Bot.  Zeitg.  186^5,  p.  lu9. 


1.  Die  spezifisch-mechanischen  Zellen. 


7 


vollständig  mangelt  und  ohne  Veränderung  der  Zellfornien  ganz  auf  die  Innen- 
seite des  Cambiums  verlegt  ist.  Ja  bei  Tropaeolum  majus,  das  einen  coutinuir- 
lichen  Bastring  besitzt,  nimmt  derselbe  im  Laubstamm  constant  die  eben  be- 
zeichnete Stellung  ein,  rückt  dagegen  in  den  Blatt-  und  Blüthenstielen  wieder 
auf  die  Aussenseite  des  Cambiums.  Dabei  sind  natürlich  die  Zellen,  aus  denen 
diese  Ringe  bestehen,  durchaus  übereinstimmend  gebaut ;  es  sind  langgestreckte 
Prosenchymzellen  mit  mässig  verdickten  Wandungen  und  linksschiefen  spalten- 
förmigen  Poren.  Eine  der  längsten,  die  ich  im  Stengel  gemessen,  hatte  eine 
Gesammtlänge  von  2,8  Mill.  und  eine  einzige  Querwand  in  der  Mitte.  Man  ersieht 
hieraus,  dass  die  Pflanze  bei  der  Aufstellung  der  mechanischen  Elemente,  zu- 
mal in  einjährigen  Trieben ,  auf  die  Lage  des  Verdickungsringes  wenig  Rück- 
sicht nimmt.  Drittens  ist  zu  bemerken,  dass  die  allerdings  häufig  zu  beobach- 
tende geringere  Längendimension  des  Libriforms  im  Xylem  der  Dictoylen, 
verglichen  mit  dem  Bast  der  nämlichen  Pflanze,  weder  ein  allgemein  zutreffen- 
des Merkmal,  noch  für  die  innerhalb  des  Cambiums  liegenden  Zellen  characte- 
ristisch  ist.  Kurze  mechanische  Zellen  kommen  auch  ausserhalb  des  Cambiums 
vor,  so  z.  B.  bei  Solidago  altissima ,  Aster  Novae  Angliae  etc.  zwischen  den 
normalen  Bastbündeln  und  dem  Cambium.  Ein  ferneres  Beispiel  hiefür  liefert 
auch  das  Libriform  im  Stamme  von  Dracaena  und  Cordyline,  von  welchem  wei- 
terhin gezeigt  werden  soll,  dass  es  die  Stelle  des  Bastes  vertritt.  Ebenso  kann 
man  in  den  Knoten  der  Gramineen ,  Juncaceen  und  anderer  Monocotylen  oft 
sehr  schön  beobachten,  wie  die  langen  Bastzellen  der  Internodien  sich  hier 
theilweise  ganz  auffallend  verkürzen ,  so  dass  sie  oft  nur  noch  4  bis  6  Mal  so 
lang  als  breit  sind. 

Die  Längenausdehnung  der  mechanischen  Zellen  ist  überhaupt  eine  Sache 
für  sich.  Sie  hängt  viel  zu  sehr  von  äussern  Einflüssen  ab,  als  dass  sie  für 
diese  oder  jene  Erscheinungsform  characteristisch  sein  könnte.  Es  ist  klar, 
dass  eine  starke  Streckung  der  Organe  auch  das  Längenwachsthum  der  Bast- 
und  Libriformzellen  begünstigen  muss,  während  umgekehrt  der  AViderstand  der 
Gewebe  in  ausgewachsenen  Organen  dasselbe  mehr  oder  weniger  beeinträchtigt. 
Demgemäss  ist  die  Gesammtlänge  der  mechanischen  Zellen  sowohl  von  der  Zeit 
der  Ausbildung  als  von  der  Beschaffenheit  der  Umgebung  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  abhängig.  Aus  dieser  Abhängigkeit  erkläre  ich  mir  z.  B.  die  Thatsache, 
dass  die  secundären  Bastzellen  in  der  Rinde  von  Crataegus  motiogyna  erheblich 
kürzer  sind  als  die  primären;  ihre  Länge  beträgt  nämlich  selten  über  0,5  Milli- 
meter und  variirt  bei  der  Mehrzahl  zwischen  0,15  und  0,3  Mill.,  die  kleinsten 
erreichen  oft  kaum  0,10  Mill.  In  gleicher  Weise  mag  die  Kürze  der  Libri- 
formzellen im  Stamme  von  Cordyline  australis,  wo  sie  in  den  Blattspurbündeln 
die  Stelle  der  Bastzellen  einnehmen,  mit  dem  geringen  intercalaren  Wachsthum 
des  Stammes  in  etwelchem  Zusammenhange  stehen.  Umgekehrt  denke  ich  mir 
die  aussergewöhnliche  Länge,  welche  die  mechanischen  Zellen  im  Holze  der  Dico- 
tylen  erreichen  können,  theilweise  durch  die  entgegengesetzten  äussern  Einflüsse 
bedingt :  durch  frühzeitige  Anlage,  beträchtliche  Streckung  des  Organs  oder  durch 


8 


I.  Allgemeines. 


Weichheit  der  Umj^ebuiig-.  Es  kommen  hin  und  wieder  Maxima  vor,  welche 
an  die  Dimensionsverhältnisse  des  ächtesten  Bastes  erinnern,  so  z.  B.  im  Khizoni 
von  (Jhjcirrhiza  glandulifera.  wo  die  betreffenden  Zellen  ,  die  hier  bündelweise 
oder  einzeln  zwischen  die  Gefässc  des  sonst  weichen  Xylems  eingestreut  sind, 
eine  Länge  von  1  bis  1,5  Mill.  erreichen.  Etwas  kleinere  Längen,  die  sich 
zwischen  0,6  und  0.7  Mill.  bewegen,  gehören  zu  den  liäufig  vorkommenden 
Fällen'). 

Richten  wir  endlich  unser  Augenmerk  auf  die  Porenkanäle ,  so  finden  wir 
eine  fast  durchgreifende  Uebereinstimmung  derselben  in  Form  und  Stellung. 
8ie  sind  stets  länglich  oder  geradezu  spaltcnförmig  und  bezüglich  der  Neigung 
zur  Axe  entweder  longitudinal  oder  mehr  oder  weniger  schief  gestellt.  Die 
schiefe  Stellung  schwankt  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fcälle  zwischen  0  und 
•15  Grad  und  entspricht  mit  ganz  seltenen  Ausnahmen  einer  linksläufigen  Schrau- 
benlinie, l'oren,  welche  sich  melir  der  Quer-  als  der  Längsrichtung  nähern, 
kommen  nur  bei  wenigen  Pflanzen  vor.  Obschon  nun  freilich  die  Poren  als 
verdünnte  Stellen  der  Membran  mit  der  mechanischen  Leistungsfähigkeit  der 
Zellen  Nichts  zu  thun  haben,  sondern  bloss  die  Durchlüftung  und  eventuell 
auch  die  Saftleitung  erleichtern,  so  lege  ich  doch  einiges  Gewicht  auf  dieses 
Merkmal,  weil  daraus  die  Richtung  der  Molecularreiheu  erschlossen  werden 
kann.  Wenn  die  Poren  fehlen,  was  kein  ganz  seltener  Fall  zu  sein  scheint, 
ist  die  Feststellung  des  molecularen  Baues  mit  Schwierigkeiten  verbunden. 

Von  den  Formveränderungen,  welche  die  mechanischen  Zellen  und  speziell 
die  Poren  erfahren ,  wenn  sich  jene  in  höherem  Grade  als  gewöhnlich  bei  der 
Durchlüftung  betheiligen ,  wird  später  die  Rede  sein.  Hier  bemerke  ich  nur, 
dass  der  Uebergang  zu  den  vorwiegend  trachealen  Zellformen  (Gefässen)  bei 
Dicotylen  (wie  übrigens  schon  Sani o  gezeigt  hat)  ein  ganz  allmäliger  ist,  wäh- 
rend bei  Monocotylen  liieher  gehörige  Zwischenformen  nur  bei  Cordyline  und 
ihren  Verwandten  vorkommen,  wo  jedoch  die  Metamorphose  nirgends  bis  zur 
eigentlichen  Gefässbildung  fortschreitet.  Doch  findet  man  l)ei  Chlor oplnjtam 
Sternher cjianum  Libriformzellen  mit  ringförmigen  Verdickungen,  zwischen  denen 
zuweilen  noch  links-schiefe  behöfte  Poren  in  grosser  Anzahl  zur  Ausbildung 
gekommen  sind. 

Ueberblicken  wir  jetzt  noch  einmal  — ■  von  den  Moosen  aufwärts  bis  zu 
den  Dicotylen  —  sämmtliche  Zellformen  des  mechanischen  Systems,  so  erkennen 
wir  als  allgemeinste  Merkmale  die  prosenchymatische  Form  und  die  longitu- 
dinale  oder  linksläufig-spiralige  Anordnung  der  Molecüle.  Dazu  kommt  in  der 
Regel  eine  sehr  beträchtliche  Länge,  eine  dem  molecularen  Bau  entsprechende 
Form  und  Stellung  der  Poren,  sowie  ein  luftführendes  Lumen.  Alles  Uebrige, 
wie  z.  B.  die  Beschaffenheit  und  relative  Dicke  der  Membran ,  die  Grösse  des 
Querdurchmessers  etc.,  ist  grossen  Schwankungen  unterworfen.  Aber  auch  in 
diesen  untergeordneten  Merkmalen  stimmen  die  Zellformen  der  verschiedenen 


Vgl.  Sanio,  Bot.  Ztg.  1863,  p.  106  u.  114. 


1.   Die  spezitiscli-uieclianischcn  Zollen. 


9 


Pflaiizenklassen  off  so  autfallend  überein,  dass  die  Unterscheidung  beliebig 
dnreli  einander  liegender  Bastzellen  von  Lycopodien,  Farnkräutern,  Monocotylen 
etc.  bei  richtiger  Auswahl  gar  nicht  möglich  ist.  Das  mechanische  System  der 
h()heren  Gewächse  besteht  somit  durchweg  aus  den  nämlichen  Zellformen. 

Anmerkunj;:.  Ich  erachte  es  für  überHiissig,  die  Eingangs  erwähnten  divergiren- 
den  Ansichten  hier  ausführlicher  zu  widerlegen,  da  sich  die  Unhaltbarkeit  derselben 
aus  den  folgenden  Capiteln  ganz  von  selbst  ergeben  wird.  Es  ist  z.  B.  nicht  der  ge- 
ringste Grund  vorhanden ,  den  Bast  der  Gefässbiindel  als  etwas  Besonderes  zu  betrach- 
ten, das  vom  isolirt  auftretenden  Baste  zu  unterscheiden  wäre.  Die  Zellforinen  sind  im 
Gegentheil  genau  dieselben.  Ueberhaupt  ist  die  gewiihnliche  Auffassung,  als  ob  der 
Bast  gleich  dem  Cambiform  und  dem  Holzparenchyni  wesentlich  zum  Gefässbiindel  ge- 
höre, eine  irrige.  Ich  werde  dartluin ,  dass  die  Vertheilung  desselben  im  Querschnitt 
nach  mechanischen,  nicht  nach  morphologischen  Gesetzen  und  darum  in  gewissem  Sinne 
unabhängig  von  den  Gefässbündeln  erfolgt.  Wenn  diese  trotzdem  häufig  kleinere  oder 
grössere  Bastbelege  besitzen,  so  hat  das  seinen  besondern  Grund. 


2.  Elasticität  und  Festigkeit  der  mechanischen  Zellen. 

Um  eine  mechanische  Construction  mit  Bezug  auf  ihre  Widerstandsfähigkeit 
beurtheilen  zu  können,  ist  vor  Allem  die  Kenntniss  des  Materials  nöthig,  aus 
welchem  die  wichtigsten  Constructionstheile  bestehen ;  erst  in  zw^eiter  Linie 
konmit  die  Art  der  Zusammenfiigung  in  Betracht.  In  unserem  Falle  sind  es 
die  typischen  Bast-  oder  Libriformzellen ,  welche  schon  mit  Rücksicht  auf  ihre 
häufige  Verwendung  am  ehesten  als  Maassstab  dienen  können.  Ihnen  kommt 
auch  unzweifelhaft  die  grösste  Widerstandsfähigkeit  zu,  die  sich  indess  je  nach 
der  Dicke  der  AVandungen  und  der  Beschaffenheit  der  Membransubstanz  vor- 
aussichtlich mannigfach  abstuft.  Das  Collenchym  ist  weniger  resistent  und  im 
Allgemeinen  um  so  schwächer,  je  mehr  es  sich  dem  Parenchym  nähert;  jeden- 
falls nimmt  es  in  der  mechanischen  Stufenfolge  die  letzte  Stelle  ein. 

Um  die  Elasticitätsverhältnisse  des  Bastes  zu  prüfen,  wandte  ich  folgendes 
Verfahren  an.  Es  wurden  Riemen  von  c.  150  bis  400  Millimeter  Länge  und 
etwa  2  bis  5  Mill.  Breite  aus  Blättern  oder  bastreichen  Stengeltheilen  heraus- 
geschnitten ,  am  obern  Ende  in  den  Schraubstock ,  am  untern  in  eine  starke 
Pincette  gespannt ,  welche  zugleich  zum  Anhängen  der  Gewichte  eingerichtet 
war.  Die  Messung  der  Längenzunahme  in  Folge  der  Belastung  geschah  mit- 
telst eines  Lineals,  welches  unten  auf  den  horizontal  abgeschliffenen  Kopf  der 
Pincette  aufgesetzt  und  oben  an  die  Seitenfläche  des  Schraul^stockes  dergestalt 
angelegt  wurde,  dass  hier  der  Abstand  vom  untern  Ende  durch  einen  dicht 
am  Rande  mit  der  Nadel  gezogenen  Querstrich  l)ezeichnet  werden  konnte. 
Auf  diese  Weise  wurde  zunächst  die  Länge  im  ursprüngliclicn  Zustande,  dann 
diejenige  im  belasteten  Zustande  notirt;  die  Entfernung  der  Striche  gal)  die 
Verlängerung.  Nach  Wegnahme  der  Gewichte  wurde  die  Messung  noch  einmal 
in  gleicher  Weise  ausgeführt,  um  eine  allfallige  bleibende  Verlängerung  oder 
aber  die  vollständige  Elasticität  des  Riemens  zu  constatiren. 


10 


I.  Allgemeines. 


Von  dem  so  geprüften  Kiemen  wurden  jetzt  in  der  Nähe  der  schwächsten 
.Stelle,  die  sich  in  zweifelhaften  Fällen  leicht  durch  Zerreissen  l)estimmen  Hess, 
Querschnitte  angefertigt,  bei  angemessener  Vergrösserung  mit  Hülfe  der  Camera 
lucida  skizzirt  und  sodann  die  Querschnittsfläche  der  widerstandsfähigen  Ele- 
mente auf  der  Skizze  gemessen.  Feste  Xylcmstränge  wurden  einfach  mit  in 
Rechnung  gebracht,  die  übrigen  Gewebe  dagegen  vernachlässigt,  weil  sie  für 
sich  allein  nachweisbar  keinen  nenuenswerthen  Widerstand  leisten.  Wo  es 
nöthig  schien,  wurde  auch  das  Verhältniss  des  Lumens  zur  Wanddicke  mit  be- 
rücksichtigt.   Alles  Weitere  ist  in  den  folgenden  Beispielen  enthalten. 

Erstes  Beispiel.  Riemen  aus  dem  mittleren  Theil  des  Blattes  von 
Phormium  tenax ,  390  Mill.  lang  und  nach  einigen  vorläufigen  Proben  auf  c. 
1,5  bis  2  Mill.  verschmälert.  Derselbe  verlängerte  sich  jetzt  bei  10  Kilo  Be- 
lastung um  5  Mill.  und  blieb  dabei  vollkommen  elastisch.  Bei  15  Kilo  Be- 
lastung riss  er  entzwei.  Der  Querschnitt  zeigte  im  Ganzen  nur  5  Gefässbündel 
mit  starken  Bastbelegen,  deren  Quadratinhalt  bei  40maliger  Vergrösserung  nicht 
über  750  DMill.  oder  rund  800  DMill.  betrug.  Die  wirkliche  Querschnitts- 
fläche des  Bastes  berechnet  sich  also  höchstens  auf  0,5  □Millimeter.  Das 
übrige  Gewebe  kann  um  so  eher  vernachlässigt  werden,  als  die  allerdings 
kleinen  Lumina  der  Bastzellen  nicht  in  Abzug  gebracht  sind.  Als  zulässige 
Belastung  per  Quadratmillimeter  erhält  man  demzufolge  20  Kilo. 

Ein  früherer  Versuch  mit  einem  Riemen  aus  dem  schwächern  Theil  des 
Blattes,  430  Mill.  lang  und  5  Mill.  breit,  ergab  bei  10  Kilo  Belastung  eine 
Verlängerung  von  5,6  bis  6  Mill.  bei  vollkommener  Elasticität.  Dieser  Versuch 
wurde  mehrere  Male  wiederholt.  Der  Riemen  zeigte  im  Querschnitt  8  durch- 
gehende I förmige  Träger  und  ebenso  viele  Nebenrippen.  Querschnitt  der  Bast- 
belege unbekannt ;  dafür  wurde  das  im  Schraubstock  eingespannt  gewesene 
Stück  gemessen.  Dasselbe  war  im  Mittel  250  Mik.  dick  und  ergab  einen  Ge- 
sammtquerschnitt  von  1,25  DMill.,  wovon  nach  spätem  Erfahrungen  auf  den 
Bast  etwa  die  Hälfte  zu  rechnen  ist.  Zulässige  Belastung  also  annähernd  IB 
Kilo  per  □  Millimeter. 

Zweites  Beispiel.  Ein  starker  Blüthenschaft  von  Fritillaria  impcrialis , 
dessen  oberes  Ende  noch  11  Mill.  Durchmesser  hatte,  wurde  in  4  Quadranten 
gespalten  und  Mark  und  Rinde  bis  auf  den  Bastring  möglichst  entfernt.  Einer 
der  so  erhaltenen  Riemen  von  8  Mill.  Breite  und  180  Mill.  Länge  trug  10  Kilo 
und  verlängerte  sich  hiebei  um  2  bis  2,2  Mill.  Mittlere  Dicke  des  Bastringes, 
im  Querschnitt  gemessen,  120  Mik.,  folglich  die  Schnittfläche  =  8  •  0,12  = 
0,96  oder  rund  1  DMill.  Behufs  genauerer  Berechnung  des  Querschnittes 
müssten  hier  die  Lumina  abgezogen  werden. 

Drittes  Beispiel.  Riemen  aus  einem  12  Mill.  dicken  Stengel  von  Li- 
lium  aurahmi.  in  gleicher  Weise  präparirt,  wie  im  vorhergehenden  Falle  aber 
nur  2,5  Mill.  breit  bei  einer  Länge  von  158  Mill.  Verlängerung  bei  15  Kilo 
Belastung  =  1,2  Mill.  Dicke  des  Bastringes  =  0,475  Mill.,  also  die  Quer- 
schnittsfläche 2,5     0,475  =  1,1875  oder  rund  1,2  DMill.    Zahl  der  Lumina 


1.   Die  spezifisch-mechanischen  Zellen. 


It 


nach  approximativer  Berechnung  auf  die  ganze  Fläche  c.  1700,  mittlerer  Durch- 
messer derselben  etwa  16  Mik.  und  folglich  der  Quadratiidialt  =  0,34  DMill. 
Nach  Abzug  dieser  Grösse  von  1,2  DMill.  bleiben  0,86  DMill.  Hievon  wären 
streng  genommen  noch  einige  im  Bastring  eingeschlossene  Cambiformstränge 
abzuziehen.  Alles  in  Anschlag  gebracht,  erhält  man  für  den  Quadratmillimeter 
jedenfalls  gegen  20  Kilo  Tragkraft.  —  Wollte  man  für  den  Bast  bloss  eine 
durchschnittliche  Membrandicke  von  6  Mill.  in  Rechnung  bringen,  wie  ich  sie 
in  meinen  Notizen  ausdrücklich  angegeben  finde,  so  würde  die  wirksame  Quer- 
schnittsflächc  noch  bedeutend  kleiner,  die  Tragkraft  also  grösser  ausfallen.  Bei 
einem  gleichmässigen  Durchmesser  von  29  Mik.  könnte  man  nämlich  auf  der 
gegebenen  Fläche  von  1,2  DMill.  etwa  1800  Kreise  placiren,  welche  in  unserem 
Falle  nur  etwa  0,4  DMill.  messen  würden.  Bei  dieser  Berechnungsweise  er- 
halten jedoch  die  Zwischenzellräume  zu  grosse  Werthe. 

Viertes  Beispiel.  Blattriemen  von  Juhaea  spectabilis ,  230  Mill.  lang 
und  5  Mill.  breit.  Belastung  12  Kilo,  Verlängerung  =  2,9  Mill.  bei  vollkom- 
mener Elasticität.  Dicke  des  Blattes  =  0,3  bis  0,32  Mill.  Querschnittsfläche 
des  Riemens  also  annähernd  5  •  0,3  =  1,5  DMill.  Hievon  nimmt  der  Bast 
etwa  einen  Viertel  ein;  addirt  man  hiezu  den  Widerstand  der  andern  Gewebe, 
indem  man  ihn  hoch  angeschlagen  in  Bast  ausdrückt,  so  kann  der  Gesammt- 
querschnitt  noch  kaum  0,6  DMill.  betragen.  Also  abermals  c.  20  Kilo  Trag- 
kraft per  DMill.,  ohne  Abzug  der  Lumina. 

Fünftes  Beispiel.  Riemen  von  der  Oberfläche  eines  Papyrusstengels, 
erhalten  durch  Abziehen  der  peripherischen  Haut,  nachdem  vorher  in  einer 
Entfernung  von  7  Mill.  radiale  Einschnitte  parallel  mit  den  subepidermalen 
Bastrippen  gemacht  worden.  Länge  des  Riemens  ==  460  Mill.,  Belastung  12 
Kilo,  Verlängerung  hiebei  =  5  Millimeter.  Dicke  des  Riemens  im  eingeklemm- 
ten Theil  etwa  0,2  Mill.  Querschnittsfläche  demgemäss  c.  7  •  0,2  =  1,4 
DMill.,  was  auf  Bast  reducirt  etwa  0,7  DMill.  ausmacht.  Das  Tragvermögen 
per  Quadratmill.  beziffert  sich  hienach  auf  17  Kilo. 

Ein  zweiter  Riemen  von  gleicher  Länge  und  6  Mill.  Breite  verlängerte  sich 
bei  10  Kilo  Belastung  um  4,5  Millimeter;  er  wurde  nachträglich  auf  4  Mill. 
verschmälert  und  zeigte  jetzt  bei  10  Kilo  Belastung  eine  Verlängerung  von 
7  Mill.  Eine  weitere  Verschmälerung  auf  c.  3  Mill.  ergab  unter  gleichen  Be- 
dingungen 8,6  Mill.  Längenzunahme,  aber  zugleich  eine  bleibende  Verlängerung 
von  0,6  Mill.  Die  Elasticitätsgrenze  war  also  überschritten.  Von  diesem  Rie- 
men wurden  nachher  Querschnitte  angefertigt,  welche  die  Grösse  der  Bast- 
bündel annähernd  zu  bestinmien  gestatteten.  Es  waren  vorhanden  (man  vergl. 
zur  Orientirung  Taf.  H,  Fig.  1): 

70  subepidermale  Bastbündel,  durchschnittl.  .  .  a  12  Zellen  =  840 
22  Gefässbündel  mit  starken  Bastsicheln  .  .  .  a  140  Zellen  =  3080 
17  raittelgrosse  Bündel  mit  Bastsicheln  .    .    .    .    a    70  Zellen  =  1190 

1 6  kleinere  Bündel  mit  Bastsicheln  .    .    .    .    .    a    12  Zellen  =  192  

Gesammtzahl  der  Bastzellen  5302. 


12 


I.  Allgemeines. 


Mittlerer  Durchmesser  der  Bastzellen  höchstens  H)  Mik.  Qiierschnittsfläche  einer 
Zelle  =  78,5  oder  rund  80  Quadratraik.,  macht  auf  5302  Zellen  =  0,42  Quadrat- 
niillimeter.  Auf  eine  Breite  von  1  Millimeter  [statt  3)  berechnet,  wird  diese 
Fläche  ungefähr  um  einen  Drittel  grösser,  also  annähernd  0,56  DMill.,  wovon 
indess  noch  die  Lumina  abzuziehen  wären.  Xylem  und  Parenchym  können 
nach  Versuchen  mit  Riemen  aus  dem  Marke  vernachlässigt  werden.  Die  Trag- 
kraft per  Quadratmill.  kann  also  wieder  auf  c.  20  Kilo  veranschlagt  werden. 

Sechstes  Beispiel.  Hälfte  des  Stengels  \o\\  Molinia  coerulea,  mittlerer 
Theil.  Länge  =  475  Mill.,  Verlängerung  bei  5  Kilo  Belastung  =  2Mill.,  bei 
10  Kilo  =  4  Mill.,  bei  12  Kilo  =  5,2  Mill.  Ich  konnte  keine  bleibende  Ver- 
längerung constatiren.  Bei  15  Kilo  Belastung  riss  der  Halm  am  schwächern 
Ende  entzwei.  Die  möglichst  genaue  Berechnung  der  Querschnittsfläche  ergab 
für  den  Bastring  =  0,204,  für  die  12  subepidermalen  Rippen  0,076,  zusammen 
=  0,34  Quadratmillimeter.  Hiezu  wären  noch  die  Bastbelege  der  grossen  in- 
neren Gefässbündel  zu  addiren,  sowie  die  der  Epidermis  und  den  übrigen  Ge- 
weben entsprechenden  Bastäquivalente,  die  jedoch  zusammengenommen  mit 
0,2  DMill.  eher  zu  hoch  als  zu  niedrig  angeschlagen  sind.  Der  Gesammt- 
querschnitt,  in  Bast  ausgedrückt,  kann  also  höchstens  0,54  DMill.  betragen. 

Siebentes  Beispiel.  Starker  Fibrovasalstrang  vom  Rande  eines  Blattes 
der  Pincenectia  recurmta.  Länge  =  310  Mill.,  Verlängerung  bei  1  Kilo  Be- 
lastung =  2,25  Mill.,  bei  1,5  Kilo  =  3,2  Mill.,  bei  2  Kilo  =  4,5  Mill.  Keine 
bleibende  Veränderung.  Reisst  bei  2,5  Kilo  Belastung  entzwei.  Dieser  Strang 
hatte  im  Querschnitt  eine  dreieckige  Form  und  bestand  aus  einer  einzigen,  auf 
zwei  Seiten  von  der  Epidermis  überzogenen  Bastmasse,  in  welche  auf  der 
dritten  Seite  ein  kleines  Gefässbündel  eingesenkt  war.  Die  Querschnittsfläche 
des  ganzen  Dreiecks  betrug  0,80  DMill.,  woraus  sich  für  den  Quadratmilli- 
meter eine  Belastung  von  25  Kilo  ergibt. 

Achtes  Beispiel.  Rhizom  von  Glycirrhiza  glcmdulifera,  7  Mill.  dick, 
in  4  Theile  gespalten.  Ein  solches  Theilstück  von  385  Mill,  Länge  verlängert 
sich  bei  2  Kilo  Belastung  um  10  Mill.,  beim  Hängenlassen  des  Gewichts  in 
etwa  20  Minuten  um  15  Mill.  Nach  Entfernung  der  Belastung  tritt  eine  plötz- 
liche Verkürzung  von  9  Mill.  ein,  die  sich  nach  einigen  Minuten  auf  11,5  Mill. 
steigert.  —  Bei  3  Kilo  Belastung  erfolgt  eine  allmälige  Verlängerung  bis  auf 
41  Mill.;  die  plötzliche  Verkürzung  bei  Wegnahme  des  Gewichts  beträgt  16 
Mill.,  dazu  kommen  eine  Viertelstunde  später  weitere  4  Mill. 

Neuntes  Beispiel.  Ganzer  Stengel  von  Dianthus  capitatus ,  240  Mill. 
lang  und  c.  2  Mill.  dick.  Derselbe  trug  10  Kilo  und  verlängerte  sich  hiebei 
um  1,8  Mill.  (Bei  stärkerer  Belastung  reissen  diese  Stengel  in  irgend  einem 
Knoten  entzwei,  bevor  die  Elasticitätsgrenze  der  Internodien  erreicht  ist.)  Dia- 
meter des  Bastringes  von  Mitte  zu  Mitte  =  1,8  Mill.,  Dicke  desselben  =  0,125 
Mill.,  daher  die  Querschnittsfläche  1,8  •  0,125  n  =  0,7  DMill.  Also  immer- 
hin eine  Tragkraft  von  14,3  Kilo  per  Quadratmillimeter. 


1.  Die  spezifisch-mechanischen  Zellen. 


13 


Zehntes  Beispiel.  Riemen  aus  dem  periplierisehen  Bastring  des  Blatt- 
stiels von  Cibotmm  Srhiedei ,  2,6  Mill.  breit  und  0,06  Mill.  dick.  Verlängert 
sich  bei  1 5  Kilo  Belastung  um  nahezu  1  Proeent.  Derselbe  Riemen  trägt  noch 
15  Kilo,  nachdem  er  auf  1,6  Mill.  Breite  verschmälert  worden.  Auf  1,25  Mill. 
Breite  reducirt,  widersteht  er  dem  nämlichen  Zuge  noch  etwa  2  Sekunden  und 
reisst  dann.  Nehmen  wir  1,5  Mill.  Breite  als  zulässig  an,  so  beträgt  der  Quer- 
schnitt des  Riemens  =  1  □Mill.,  nach  Abzug  der  Zellhöhlungen  beträchtlich 
weniger.  Die  Tragkraft  kann  demnach  immerhin  auf  18 — 20  Kilo  per  Quadrat- 
millimeter veranschlagt  werden. 

Elftes  Beispiel.  Eines  der  untern  5  Mill.  dicken  Internodien  von  Se- 
eale cei'eale  zur  Zeit  der  Fruchtreife  wurde  in  vier  ungefähr  gleich  starke  Rie- 
men gespalten.  Zwei  derselben  wurden  hierauf  so  eingespannt,  dass  das  Kopf- 
ende des  einen  neben  das  Fussende  des  andern  zu  liegen  kam.  Die  Länge 
dieses  Doppelriemens  betrug  285  Mill.,  die  Verlängerung  bei  10  Kilo  Belastung 
=  1,25  Millimeter.  Querschnitt  des  halben)  Bastringes  mit  Einschluss  der 
isolirten  Bastbelege  höchstens  1  Quadratmill.,  wovon  ungefähr  ein  Drittel  auf 
die  Zellhöhlungen  fällt  und  daher  in  Abzug  zu  bringen  ist.  Man  erhält  demnacli 
flir  das  Elasticitätsmodul : 

E  =  ^^f.  .        =  3450  per  DMill. 

wobei  zu  bemerken,  dass  diese  aussergewöhnlich  hohe  Ziffer  durch  die  Ver- 
änderungen während  der  Fruchtreife  bedingt  ist. 

Um  die  etwas  unsichere  Bestimmung  der  Querschnittsfläche  einigermassen 
zu  eontroliren  wurde  nachträglich  ein  150  Mill.  langes  Stück  eines  ungefähr 
gleich  starken  Internodiunis  von  5  Mill.  Durchmesser  im  lufttrockenen  Zustande 
gewogen.  Das  Gewicht  betrug  0,2664  Gramm.  Betrachten  wir  nun  vorläufig 
das  ganze  Gewebe  als  Bast  und  setzen  wir  das  spezifische  Gewicht  des  letz- 
teren =  1,5  (wie  für  die  lufttrockene  Stärke),  so  ergibt  sich  aus  dem  Ge- 
sammtgewicht  des  Halmstückes  ein  Volumen  von  177  Kubikmillimeter,  folglich 
ein  Querschnitt  von  1,18  DMill.  für  den  ganzen  und  von  0,59  DMill.  für  den 
halben  Hohlcylinder.  Erwägt  man  nun ,  dass  Gefässbüudel  und  Markgewebe 
jedenfalls  einen  nicht  ganz  unerheblichen  Bruchtheil  des  Gewichts  repräsen- 
tiren ,  so  ist  mindestens  soviel  sicher ,  dass  die  in  Rechnung  gebrachte  Quer- 
schnittsfläche (=  0,66  DMill.   eher  zu  hoch  als  zu  niedrig  angesetzt  wurde. 

Versuche  mit  andern,  etwas  weniger  reifen  Halmen  ergaben  für  das  längste 
Internodium  (von  400  Mill.;  eine  Tragkraft  von  ndndestens  20  Kilo  und  ein 
Elasticitätsmodul  von  1600. 


Stellen  wir  jetzt  die  erhaltenen  Resultate  Ubersichtlich  zusammen ,  so  er- 
gibt sich  eine  Verlängerung  bei  der  Elasticitätsgrenze  von  1  bis  1,5  Procent 
oder  von  10  bis  15  Längeneinheiten  auf  1000,  Nur  bei  LiUiim  aiiratum  sinkt 
die  Längenzuuahme  auf  etwa  ^''4  Procent,  bei  Seeale  eereale  zur  Zeit  der  Frucht- 


14 


I.  Allgemeines. 


reife  sogar  unter  >/2  Procent.  Das  Tragvermögen  per  Quadrutiiiillinieter  Quer- 
sclmittsfläche  variirt  gewölinlicli  zwischen  15  und  20  Kilo,  steigt  aber  in  sel- 
tenen Fällen  bis  25  Kilo.  Das  ElasticitätsnioduP)  beträgt  im  Minimum  etwa 
11 00,  im  Maxinmm  gegen  2000  Kilogrannn-Millimeter ;  nur  in  ganz  seltenen 
Fällen  otler  im  halb  ausgetrockneten  Zustande  erreicht  es  die  Höhe  von  2500 
bis  3500.    Die  speziellen  Daten  sind  in  folgender  Uebersicht  enthalten. 


Name 

A'erlängerung 
auf  1000 

Tragverniügen 
per  DMili. 

Elasticitäts- 
modul. 

Phoriuium  tenax 

13 

20 

1540 

Dasselbe 

14 

16 

1140 

Fritillaria  imperialis 

12 

Lilium  auratum 

7,6 

19 

2500 

Jubaea  spectabilis 

12, (j 

2(» 

1580 

Papyrus  antiquonim 

15,2 

20 

1310 

Molinia  coerulea 

11 

22 

2000 

Pincenectia  recurvata 

14,5 

25 

1720 

Dianthus  capitatus 

7,5 

14,3 

1910 

Seeale  cereale 

4,4 

15—20 

3450 

Zur  Vergleichung  mögen  nachstehend  noch  einige  auf  Metalle  bezügliche 
Angaben  Platz  finden.  Dieselben  sind  der  5.  Auflage  von  Weisbach 's  »In- 
genieur- und  Maschinenmechanik«  entnommen  und  beziehen  sich  ebenfalls  nur 
auf  Spannungen,  welche  die  Elasticitätsgrenze  nicht  überschreiten. 


Name 

Verlängerung 

Tragverniügen 

Elasticitäts- 

auf  1000 

pro  DMill. 

modul . 

Schmiedeeisen 

in  Stäben 

0,67 

13,13 

19700 

in  Drähten 

1,00 

21,9 

21900 

in  Blechen 

0,80 

14,6 

18300 

Deutscher  Stahl,  gehäm- 

mert und  angelassen 

1,20 

21,6 

20500 

Messing 

0,75 

4.85 

6400 

Messingdraht 

1,35 

13,3 

9870 

Zinkguss 

0,24 

2,3 

9500 

Kupferdraht 

1,00 

12,1 

12100 

Man  ersieht  hieraus,  dass  der  Bast  in  Beziehung  auf  Tragvermögen  bei 
der  Elasticitätsgrenze  selbst  dem  Schmiedeeisen  und  in  den  besten  Qualitäten 
sogar  dem  Stahl  ebenbürtig  ist.  Er  unterscheidet  sich  aber  durch  zwei  wichtige 
Merkmale  wesentlich  von  den  Metallen,  nämlich  1)  durch  die  ungleich  stärkere 
Dehnbarkeit,  worüber  die  mit  Verlängerung  bezeichneten  Colonnen  das  Nähere 
enthalten,  dann  aber  auch  2)  durch  die  geringe  Differenz  zwischen  Tragmodul 
und  Festigkeitsmodul,  d.  h.  zwischen  den  Zugkräften,  welche  bloss  eine  Ver- 


ij  Elasticitätsmodul  =   Tragvermögen  x  Länge 

V  erlangerung 


1.  Die  spezifisch-mechanischen  Zellen. 


15 


längerung  bis  zur  Elasticitätsg-renze,  und  denen,  welche  ein  sofortiges  Zerreissen 
bewirken.  Bei  dem  Selmiiedeeisen  in  Stäben  ist  beispielsweise  ein  Gewicht 
von  40  Kilo  per  DMill.  erforderlieh,  um  die  Cohäsion  der  Eisentheilclien  sofort 
zu  überwinden ;  das  Festigkeitsniodul  ist  also  ziendicli  genau  das  Dreifache  des 
Tragmoduls.  Aehnlich  bei  den  andern  Metallen.  Der  normale  Bast  dagegen 
zerreisst  sogleich,  sobald  die  Spannung  an  der  Elastieitätsgrenze  merklich  Uber- 
schritten wird.  Es  kam  mir  z.  B.  öfter  vor,  dass  ein  Riemen  bei  10  Kilo  Be- 
lastung trotz  mehrmaliger  Wiederholung  des  Versuches  und  selbst  bei  längerem 
Hängenlassen  des  Gewichtes  keine  bleibende  Verlängerung  zeigte,  aber  bei  12  bis 
13  Kilo  Belastung  augenblicklich  entzwei  riss.  Die  Natur  hat  otfenbar  ihre  ganze 
Sorgfalt  auf  das  Tragvermögen  verwendet.  Und  mit  Recht,  denn  das  Festig- 
keitsmodul kommt  bei  Constructionen  thatsächlich  gar  nicht  in  Betracht,  da 
jede  Ueberschreitung  der  Elastieitätsgrenze  durchaus  unstatthaft  ist.  Der  grös- 
sern Sicherheit  wegen  wird  nicht  einmal  das  Tragmodul  in  seinem  vollen  Werthe 
in  Rechnung  gebracht.  So  ist  z.  B.  beim  Bau  eiserner  Brücken  nur  eine  Maxi- 
malspannung von  6  bis  8  Kilo  pro  Quadratmillimeter,  also  ungefähr  die  Hälfte 
des  wirklichen  Werthes,  als  practisch  zulässig  erkannt  worden.  Soviel  dürfte 
man  den  bessern  Bastsorten  jedenfalls  auch  zumuthen. 

Im  Uebrigen  bemerke  ich  noch,  dass  sich  die  mitgetheilten  Beobachtungen 
nur  auf  den  lebensfrischen  Bast  beziehen.  Der  trockene  Bast  scheint  zwar  im 
Ganzen  genommen  übereinstimmende  Elasticitätsverhältnisse  darzubieten;  doch 
hat  das  Austrocknen  in  jedem  gegebenen  Fall  einen  gewissen  Einfluss  auf  die 
Cohäsion,  den  ich  jedoch  hier  nicht  näher  verfolgen  will.  Beispielsweise  führe 
ich  bloss  an,  dass  die  Längenzunahme  von  5,6  —  6  Mill.,  welche  ich  an  dem 
oben  erwähnten  5  Mill.  breiten  und  430  Mill.  langen  Blattstreifen  von  Phor- 
mium  tenax  bei  10  Kilo  Belastung  beobachtet  hatte,  am  andern  Tag  noch  3,5 
Mill.,  am  dritten  nur  noch  3,3  Mill.  betrug.  1 5  Kilo  Belastung  bewirkten  jetzt 
eine  Verlängerung  von  5  Mill.  bei  vollkommener  Elasticität.  Hiernach  würde 
das  Tragvermögen  pro  Quadratmillimeter  auf  nahezu  24  Kilo  anzuschlagen  sein. 
Das  Austrocknen  dieses  Riemens  fand  im  eingespannten  Zustande  statt;  auch 
die  Pincette  war  daran  hängen  geblieben.  Die  Länge  des  nicht  belasteten  Rie- 
mens war  nach  wie  vor  dieselbe.  —  Ferner  mag  noch  erwähnt  werden,  dass 
der  käufliche  Lindenbast  bester  Qualität  im  trockenen  Zustande  ähnliche  Er- 
gebnisse liefert.  Ich  beobachtete  z.  B.  eine  Verlängerung  von  12  auf  1000  und 
ein  Tragvermögen ,  das  sich  mindestens  auf  20  Kilo  per  Quadratmillimeter  be- 
rechnet'). 


•)  Ueber  das  Verhalten  der  mechanisch  wirksamen  tliiorischen  Substanzen  liegen  meines 
Wissens  nur  wenige  und  unvollständige  Angaben  vor ,  welche  sich  ebenfalls  vorwiegend  auf 
den  trockenen  Zustand  beziehen.  Nach  Wertheim  variirt  das  Tragvermögen  der  Knochen- 
substanz zwischen  und  15  Kilo  per  □Millimeter.  Die  Sehne  des  m.  plantaris  zerriss 
nach  Valentin  bei  einer  Belastung  von  3,7  Kilo  per  DMillimeter.  Nach  eigenen  Versuchen 
endlich  ist  die  Widerstandsfähigkeit  einer  trockenen  Gänsefederspule  ungefähr  derjenigen  der 
bessern  Bastsorten  gleich  (c.  15  Kilo  per  □Millimeter). 


IQ  I.  Allgemeines. 

Für  die  arithuietisclie  Berechnung  des  Bieg-ungsmomentes  ist  es  unter  Um- 
ständen bequemer,  statt  des  Millimeters  den  Centinieter  als  Einheit  zu  wählen. 
Selbstverständlich  werden  dadurch  Elasticitäts-  und  Tragmodul  1 00  mal  grösser. 
Ersteres  kann  alsdann  fUr  Bast  mit  100000  bis  200000,  für  Schmiedeeisen 
mit  rund  2  Millionen  in  Rechnung  gebracht  werden. 

3.  lieber  die  Lagerung  der  mechanischen  Zellen  im  Allgemeinen. 

Obschon  die  genauere  Würdigung  der  Lagerungsverhältnisse  des  Bastes 
eine  spezielle  Kenntniss  der  mechanischen  Systeme  voraussetzt  und  also  nur 
auf  Grund  der  folgenden  Ca])itel  oder  richtiger  dieser  ganzen  Abhandlung  mög- 
lich ist,  so  mag  doch  eine  vorläufige  Orientirung  an  dieser  Stelle  immerhin 
geeignet  sein,  das  Verständniss  des  Folgenden  zu  erleichtern  und  zugleich  von 
vorne  herein  die  Zielpunkte  der  Betrachtung  zu  bezeichnen. 

Ich  will  zunächst  versuchen,  an  einigen  Beispielen  zu  zeigen,  dass  der  Bast 
keine  morphologisch  bestimmte  Stellung  zu  den  andern  Elementen  des  Gefäss- 
bündels  einnimmt,  soiidern  bald  auf  der  Innern,  bald  auf  der  äussern  Seite 
auftritt,  je  nachdem  das  mechanische  Princip  diess  verlangt.  Auf  Taf.  X,  Fig.  5 
ist  ein  Durchschnitt  durch  eine  Blattrippe  von  Sjmrganium  ramosum  abgebildet. 
Die  beiden  an  die  Epidermis  angelehnten  Bastbündel  sind  hier  als  Gurtungen 
eines  I  förmigen  Trägers  zu  betrachten  und  darum  aus  mechanischen  Gründen 
möglichst  weit  aus  einander  gerückt.  Die  Füllung  dieses  Trägers  besteht  ans 
zwei  Gefässbündeln ,  deren  Cambiform  [cc  in  der  Figur),  wie  gewöhnlich,  der 
Blattunterseite  zugekehrt  ist.  Daraus  folgt  aber  mit  Nothwendigkeit ,  dass  die 
Bastgurtungen  mit  Bezug  auf  die  Gefässbündel  entgegengesetzte  Stellungen  ein- 
nehmen; die  eine  steht  mit  dem  Cambiform,  die  andere  mit  der  Vasalpartie  in 
Berührung.  —  Ein  zweites  Beispiel,  das  auf  Taf.  VIII,  Fig.  6  (Querschnitt 
durch  ein  Blatt  von  Cladium  mariscus)  veranschaulicht  ist,  soll  zeigen,  wie  der 
Bast  zur  Herstellung  durchgehender  Rippen  Verwendung  findet.  Die  Continuität 
der  festen  Theile  ist  hier  offenbar  das  oberste  Princip  der  Anordnung,  dem 
alles  Uebrige  sich  unterordnet.  Dem  entsprechend  sind  auch  bei  den  kleineren 
Bündeln,  welche  als  Zwischenrippen  figuriren,  die  Bastbekleidungen  stets  nach 
aussen  gewendet.  Umgekehrt  findet  man  bei  vielen  andern  Cyperaceeu  (Scir- 
pus,  Papyrus;  vgl.  die  Querschnitte  Taf.  I,  8,  U);  II,  1;  EI,  1)  peripherische 
Gefässbündel  mit  ausschliesslich  innenseitigen  Bastbelegen,  aus  dem  einfachen 
Grunde,  weil  diese  Belege  als  innere  Gurtungen  sich  mit  den  subepidermalen 
Rippen,  welche  den  äussern  Gurtungen  entsprechen,  zu  radial  gestellten  Trägern 
gruppiren;  Xylem  und  Parenchym  liegen  als  Verbindungsglieder  dazwischen. 
—  Sehr  instructiv  sind  auch  die  Blätter  von  Phormium  tenax.  Da  ihre  Dicke 
vom  Rande  gegen  die  Mitte  etwas  zunimmt,  z.  B.  von  0,5  auf  0,95  Mill.,  so 
ändert  sich  dem  entsprechend  auch  der  Bau  der  Träger.  Am  Rande  gehen 
dieselben  ausnahmslos,  ol)gleich  sie  in  Form  und  Griisse  differiren  und  min- 
destens drei  Abstufungen  unterscheiden  lassen,  ohne  Unterbrechung  von  Epi- 


1.  Die  spezifiscli-mechanischen  Zellen. 


17 


(lerniis  zu  F^pidennis :  die  starken  Bastbelege  scliliessen  sidi  beiderseits  an  das 
centrale  Gefässblindel  an  (wie  auf  Taf.  IX,  3  die  3  Hauptrippen^ .  Gegen  die 
Mitte  zu  hört  diese  Continuität  bei  den  Trägern  dritter  Ordnung  ganz  allmälig 
auf;  die  Bastgurtungen  der  Blattoberseite  lösen  sich  hier  vollständig  vom  Xylem 
ab,  schmiegen  sieh  aber  nach  wie  vor  an  die  Epidermis  an.  Die  Gurtungen 
der  Unterseite  bleiben  mit  den  Xylemsträngen  vereinigt  und  ziehen  dieselben  auf 
ihre  Seite  hinüber,  um  die  subepidermale  Lage  nicht  aufzugeben.  Aehnliche 
Ablösungen  kommen  auch  im  untern  reitenden  Theil  des  Blattes  vor,  wo  die 
Anordnung  der  Gefässbiindel  eine  erheblich  complicirtere  ist.  Allein  hier  scheinen 
die  grössern  Gefässblindel  dem  Zuge  der  Bastbelege  nach  der  Peripherie  zu 
widerstreben;  sie  bleiben  nicht  selten  mit  einem  Theil  des  Bastes  im  Innern 
zurlick,  indess  der  andere  Theil,  trotz  der  zunehmenden  Dicke,  seine  Stellung 
unter  der  Epidermis  behaui)tet.  —  Werfen  wir  endlich  noch  einen  Blick  auf 
die  zahlreichen  Monocotylen  mit  Bastring  oder  mit  starken  subepidermalen  Bast- 
rippen (s.  z.  B.  Taf.  I,  II  und  V),  so  tritt  die  Selbständigkeit  des  Bastes  immer 
entschiedener  hervor.  Wir  sehen  deutlich,  dass  er  sich  vorzugsweise  nach  den 
mechanischen  Bedürfnissen  der  Pflanze  richtet  und  mit  den  Xylemsträngen  nur 
in  einem  ganz  lockeren  und  mehr  zufälligen  Verbände  steht.  Die  Xylemstränge 
bedürfen  nämlich  unter  Umständen  einer  festen  Hülle  zu  ihrem  eigenen  Schutz ; 
wo  diess  der  Fall ,  lehnen  sie  sich  entweder  an  das  mechanische  System  an, 
oder  sie  erhalten  ihre  besondere  Bastbekleidung,  die  dann  keinem  andern  Zwecke 
dient ,  übrigens  meist  nur  eine  geringe  Mächtigkeit  besitzt.  Eine  andere  Be- 
ziehung zwischen  Bast  und  Xylem  (oder  Cambiform)  besteht  nicht;  daher  auch 
die  bekannte  Thatsache,  dass  viele  Gefässbündel  absolut  bastlos  sind. 

Ein  fernerer  Beleg  dafür,  dass  der  Bast  nicht  eigentlich  zum  Gefässbündel 
gehört  und  den  Zwecken  desselben  ganz  fremd  ist,  liegt  in  der  häufig  zu  be- 
obachtenden Abgrenzung  des  letztern  durch  eine  förmliche  Schutzscheide,  welche 
der  concentrirten  Schwefelsäure  widersteht  und  daher  voraussichtlich  für  wässe- 
rige L()sungen  wenig  permeabel  ist.  Eine  solche  Scheide ,  welche  sich  stets 
eng  an  Cambiform  und  Xylem  anschliesst  und  die  Bastbelege  davon  trennt, 
findet  sich  bei  den  zahlreichen  Typen  der  Cyperaceen  und  Juncaceen  durch- 
gehends,  bei  den  Gramineen  wenigstens  häufig  vor.  Zur  Veranschaulichung 
derselben  sind  auf  Taf.  III,  Fig.  2,  4  und  5  Gefässbündel  von  Eriophorum, 
Jimcus  und  Bromus  dargestellt;  desgleichen  auf  Taf  X,  1  ein  Bündel  von 
Gtjnerium.  Die  Scheidenzellen  sind  bald  dünnwandig  oder  nur  auf  der  Cambi- 
formseite  mit  etwas  derberer  Membran  ausgestattet,  bald  aber  auch  ringsum 
dickwandig  und  dann  gewöhnlich  schon  durch  ihre  dunklere,  gelbliche  Färbung 
ausgezeichnet.  In  Kali  erscheinen  sie  oft  tief  goldgelb,  so  namentlich  sehr 
schön  bei  Jimcus  und  vielen  Cyperaceen.  Von  den  Bastzellen  sind  sie  über- 
diess  durch  die  abweichende  Form  und  Gruppirung  der  Poren,  in  vielen  Fällen 
auch  durch  den  parenchymatischen  Character  verschieden.  Bei  Gefässbündeln, 
deren  Bastbekleidungen  zur  Erleichterung  der  Säftezufuhr  beiderseits  zwischen 
dem  Cambiform  und  den  grossen  Gefässen  unterbrochen  sind,  scheinen  an  dieser 

S  c  h  w  e  n  d  0  II  e  r  ,  D:is  iiic.'liiiiiische  Princip.  " 


18 


1.  Aligemeines. 


Stelle  iiucli  die  Seheicleiizellen  für  den  Durcligaug-  von  Lösungen  eingerichtet 
zu  sein,  da  sie  hier  meistens  durch  zartere  Wandungen  oder  auch  durch 
grösseres  Lumen  gegen  die  übrigem  abstechen  (Taf.  III,  4).  Auf  diese  «Zu- 
gänge« zum  Xylem  und  Cambiforni  werde  ich  weiterhin  noch  öfter  Gelegenheit 
haben  zurückzukommen. 

Die  Elementarorgane,  welche  von  dieser  Schutzscheide  umschlossen  sind, 
vermitteln,  soviel  bis  jetzt  bekannt,  vorzugsweise  die  I^eitung  von  eiweissartigen 
Stoffen,  wässerigen  Lösungen  und  Luft;  es  sind  also  wesentlich  leitende 
Organe,  deren  gegenseitige  Anordnung  von  den  Bedingungen  der  Festigkeit 
unabhängig  ist.  Da  sie  vorzugsweise  ernälirungs-i)]iysiologisclicn  Zwecken  dienen, 
so  stehen  sie  zum  Bast  in  einem  principiellcn  Gegensatz ,  der  billiger  Weise 
auch  in  der  Terminologie  zur  Geltung  gebracht  wird.  Für  die  kurze  und  prä- 
cise  Darstellung  ist  es  ein  wahres  Bedürfniss ,  die  sämmtlichen  Elemente  der 
Gefässbündel  mit  Ausschluss  des  Bastes  durch  ein  einziges  Wort  zu  bezeichnen. 
Ich  wähle  zu  diesem  Behufe  den  Ausdruck  Mestom  oder  Füllgewebe ')  und 
bezeichne  also  im  Folgenden  die  bastlosen  Gefässbündel  als  Mestomsträn ge 
und  die  vorhin  erwähnte  Scheide  als  Me s tom s cheidc.  Zur  Abwechslung 
gebrauche  ich  übrigens  hin  und  wieder  auch  die  bisherigen  Bezeichnungen  Ge- 
fässbündel oder  Fibrovasalstrang,  jedoch  nur  an  Stellen ,  wo  mir  die  Betonung 
des  vorhin  erwähnten  Gegensatzes  überflüssig  erschien. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  den  Scheiden  der  einzelnen  Mestomstränge  sind 
die  Schutzscheiden  der  llhizome,  welche  die  Gesammtmasse  der  Fibrovasal- 
stränge  umschliessen  und  somit  die  innere  Grenze  der  liinde  bezeichnen.  Aelin- 
liche  Scheiden  kommen  bekanntlich  auch  in  den  Wurzeln,  in  den  Stengeln  der 
Equiseten  etc.  vor.  Alle  diese  Scheidengcl)ilde  sind  offenbar  trotz  der  mancherlei 
Abweichungen  bezüglich  der  Membranverdickungen  etc.  morphologisch  gleich- 
werthig  und  haben  wohl  auch  i)hysiologisch  denselben  Zweck;  allein  die  Ge- 
webe ,  die  sie  nach  aussen  abgrenzen ,  können  morphologisch  sehr  ungleicli- 
werthig  sein. 

Die  Lagerungsverhältnisse  des  Bastes  sind  von  denen  des  Collenchyms 
nicht  wesentlich  verschieden.  Das  letztere  kommt  allerdings  am  häufigsten  in 
Gestalt  von  subepidermalen  Hip[)en  oder  Platten  vor;  allein  es  findet  sich  zu- 
weilen auch  tiefer  im  Innern ,  sei  es  als  coutinuirlicher  Bing  [Macropijjer  ex- 
celsum,  Althaea  armeniaca,  C&phalaria  tartarica)  oder  in  isolirten  Strängen 
[Levisticum  ofßcinale).  Hin  und  wieder  N'ertritt  es  auch  die  Stelle  von  Bast- 
belegen. Eine  scharfe  Grenze  lässt  sich  also  auch  in  dieser  Hinsicht  nicht 
ziehen.  Man  kann  nur  sagen,  dass  das  Collenehym  sich  seltener  mit  dem 
Mestom  com})inirt,  als  der  Bast,  und  überdiess  noch  mehr  als  dieser  gegen  die 
Peripherie  hinstrebt. 

1)  Mit  Rücksicht  auf  die  so  häufige  Lagerung  der  fragliclien  Elemente  zwischen  den 
Gurtungen  der  Träger  (als  Fiillungsmassej  oder  im  Innern  eines  continuirlichen  Eastrino-es 
oder  endlich  im  Libriformring  der  Dicotylen,  wo  dieselben  gleichsam  die  Lücken  und  Spalten 
im  mechanischen  Gerüste  ausfüllen. 


1.    Die  speziKscli-niochiiuisclien  Zellen. 


19 


Die  Cuinplicutioneii,  welche  die  Lagerunj^-  der  nieeluiniseheu  Zclleu  bei  den 
Dieotylen  erfährt,  will  ich  hier  iiicht  näher  erörtern,    leh  beschränke  mich  auf 
einige  GrundzUg-e  mit  alleiniger  Heriicksielitij>-ung-  der  Bast/ellen  und  des  Libri- 
forms.    Zunächst  leuchtet  ein.  dass  bei  perennirenden  Stämmen  mit  Dicken- 
waelisthum  die  mechanischen  Elemente  der  S])äteren  Jahresschichten  innerhalb 
des  Verdickung-sriuges  angelegt  werden  müssen ,  weil  sie  nur  in  dieser  Lage 
als  bleibende  Constructionstheile  des  mechanischen  Systems  fungircn  können. 
Dagegen  fällt  diese  Kücksicht  bei  einjährigen  Organen  hinweg,  und  die  augen- 
blickliche Zweckmässigkeit  kann  dieselbe  auch  bei  diessjährigen  Trieben  über- 
wiegen.   Es  gibt  darum  auch  bei  den  Dieotylen  Stengelorgane  mit  Bastring, 
welche  sich  unmittelbar  an  den  entsprechenden  Ty})us  der  Monocotylen  an- 
schliessen.    Zwischen  einem  solchen  Hing  und  einem  sogenannten  Libriform- 
ring,  der  bei  übrigens  gleichem  Bau  Aollständig  innerhalb  des  Verdickungsringes 
zu  liegen  konmit,  finden  sich  llebergänge,  ebenso  zwischen  den  weitern  Modi- 
ficationen  des  Ringes.    Man  sieht,  wie  die  Natur  sich  ganz  allniälig  für  die 
spätem  Wachsthumsvorgänge  einrichtet.    Manche  Gewächse,  wie  z.  B.  Pau- 
lownia  imperialis.  PeripJoca  (jraeca,  lUtus  Cotinus,  Norium  Oleander  u.  a.  ver- 
legen ihre  mechanischen  Zellen  nur  im  ersten  Jahr  theil weise  in  die  Kinde, 
indem  sie  hier  starke  Bastbündel  entwickeln;  später  verzichten  sie  darauf,  um 
die  jährlich  wiederkehrenden  Verluste,  welche  die  Borkenbildung  verursachen 
würde,  zu  vermeiden.    Andere  bilden  zwar  Bast  nach,  aber  nur  in  Gestalt  von 
kleinen  Strängen  und  isolirten  Zellen ,  die  offenbar  nicht  zum  biegungsfesten 
mechanischen  System  gehören,  sondern  bloss  die  Cohäsion  der  Binde  steigern 
oder  dem  Cambiform  als  Schutz  dienen  sollen;   diess  ist  z.  B.  der  Fall  bei 
Aesculus  Hippocustanum ,  Vhmis  ccmpestris ,   Glycine  sinensis,  Pterocarya  cau- 
cusica  u.  a.    Die  Wahrscheinlichkeit  sj)richt  sogar  dafür,  dass  alle  rindenstän- 
digen Bastbündel  der  spätem  Jahresschichten,  auch  wenn  sie  in  grösserer  Zahl 
und  Stärke  auftreten,  nur  diese  locale  Bedeutung  für  die  Pflanze  haben.  Denn 
augenscheinlich  hat  die  Festigkeit  des  Organs  in  diesem  spätem  Stadium  vor- 
zugsweise im  nolzkörj)er  ihren  Sitz,  wo  allerdings  die  si)ezifisch-mechanisclien 
Elemente  mit  den  Gefässen  und  Holzparenchymzellen  in  viel  complicirterer  Weise 
verbunden  sind,  als  im  Fibrovasalstrang  der  Monocotylen.    Hierüber  kann  in- 
dess  das  Nähere  erst  später  mitgetheilt  werden. 


Zweites  Capitel. 

Einige  Sätze  aus  der  Festigkeitslehre. 

Bevor  ich  zur  speziellen  Betrachtung  der  mechanischen  Systeme  übergehe, 

welche  die  Festigkeit  der  Organe  bedingen,  erscheint  es  mir  dem  botanischen 

Publicum  gegenüber  geboten,  einige  Erörterungen  allgemeiner  Natur  über  die 

2» 


20 


I.  Allgemeines. 


Festigkeit  der  Construetionen  voraus  zu  scliicken.  Ich  beschränke  mich  hiebei 
auf  die  Hervorhel)ung  derjenigen  Punkte,  deren  Kenntuiss  zum  Verständniss 
des  Folgenden  unerlässlicli  ist ;  diese  beziehen  sich  ausschliesslich  auf  die  Bie- 
gungsfestigkeit und  die  bei  der  Biegung  vorkommenden  Spannungen. 

Es  leuchtet  zunächst  ohne  Weiteres  ein,  dass  ein  beliebiger  Tragbalken, 
der  an  den  Enden  frei  aufliegt  und  in  der  Mitte  belastet  ist,  auf  der  nach  oben 
gekehrten  Seite  sich  etwas  verkürzen ,  auf  der  untern  entsprechend  verlängern 
muss.  Die  Spannungen,  denen  die  einzelnen  Schichten  oder  Fasern  des  Bal- 
kens Widerstand  zu  leisten  haben,  sind  dabei  an  der  obern  und  untern  Grenz- 
fläche nothwendig  am  grössten  und  entgegengesetzt ;  sie  nehmen  nach  der  Mitte 
zu  allmälig  ab  und  gehen  hier  durch  Null  in  einander  Uber.  Die  mittlere 
Faserschieht,  welche  der  Spannung  Null  entspricht,  wird  die  neutraleFaser 
genannt ;  dieselbe  geht  stets  durch  die  Schwerpunkte  sämmtlicher  Querschnitts- 
flächen. Da  nun  bei  Constructionen  keine  Faserschicht  Uber  die  Elasticitäts- 
grenze  hinaus  gespannt  werden  darf,  so  hat  die  zulässige  Belastung  des  Balkens 
ihr  Maximum  erreicht ,  sobald  die  Spannungen  der  am  weitesten  von  der  Neu- 
tralen abstehenden  Fasern  jene  Grenze  erreicht  haben.  Will  man  daher  einen 
Balken  so  construiren,  dass  das  darauf  verwendete  Material  möglichst  glcich- 
mässig  in  Anspruch  genommen  wird,  so  muss  dasselbe  vorzugsweise  dahin  ver- 
legt werden,  wo  die  Spannung  in  Folge  der  Belastung  am  grössten  ist,  d.  h. 
an  die  obere  und  untere  Grenzfläche.  Zwischen  diesen  Flächen  ist  jeder  Auf- 
wand von  Material  nur  insoweit  gerechtfertigt,  als  derselbe  zur  Herstellung 
einer  festen  Verbindung  zwischen  Oben  und  Unten  unumgänglich  nothwendig 
ist.  Die  Querschnittsformen ,  welche  diesen  Anforderungen  GenUge  leisten, 
werden  daher  im  Allgemeinen  ein  doppeltes  T  (I)  vorstellen,  obschon  sie  im  Ein- 
zelnen noch  mannigfach  differiren  können.  Es  gibt  z.  B.  Tragbalken  mit  con- 
tinuirlicher  Blechverbindung  zwischen  Ober-  und  Unterseite ,  andere  mit  Fach- 
oder Gitterwerk  u.  s.  w. 

Die  Tragkraft  eines  solchen  Balkens,  insbesondere  eines  Gitter-  oder  Fach- 
werkträgers, hängt  nach  dem  Gesagten,  wie  leicht  zu  ermessen,  fast  aus- 
schliesslich von  den  Constructionstheilen  ab,  welche  den  Querstrichen  des  dop- 
pelten T  entsprechen ,  vorausgesetzt  natürlich ,  dass  die  Verbindung  zwischen 
denselben  die  erforderliche  Festigkeit  besitze.  Man  pflegt  diese  wichtigsten 
Constructionstheile  der  Tragbalken  als  Gurtungen  zu  bezeichnen  und  unter- 
scheidet daher  eine  obere  und  eine  untere  Gurtung,  von  denen  jene  bei  frei 
aufliegenden  Brückenträgern  bloss  der  Druckspannung,  diese  bloss  der  Zug- 
spannung ausgesetzt  ist.  Je  grösser  diese  Spannungen  ausfallen,  desto  stärker 
müssen  natürlich  die  Gurtungen  construirt  sein.  Da  nun  aber  die  Zug-  und 
Druckkräfte,  welche  aus  der  Belastung  des  Balkens  resultiren,  dem  Abstände 
der  Gurtungen  umgekehrt  proportional  sind,  so  wächst  das  Tragvermögen  des 
Balkens  nicht  bloss  mit  der  Stärke  der  Gurtungen,  sondern  auch  mit  dem  ge- 
genseitigen Abstand  derselben.    Ist  h  die  Höhe  und  /  die  Länge  des  Balkens, 


2.   Einige  Siitze  aus  der  Festigkeitslehre. 


21 


Q  eine  gleichmässig  vertheilte  Last,  endlich  Ii  die  resiiltirendc  Druck-  und 
Zugkraft  in  der  Mitte  des  Balkens,  so  ist 

Bezeichnet  ferner  T  das  Tragverraögen  der  Gurtungen  \)yo  Flächeneinheit ')  und 
F  die  ganze  Querschnittsfläche,  folglich  FT  die  grösste  zulässige  Druck-  oder 
Zugspannung,  so  besteht  zwischen  dieser  Grösse  und  der  Belastung  Q  das 
Verhältniss 

Q  =  ~  .  FT 

Die  Verbindungsglieder  zwischen  den  Gurtungen  sind  verhältnissniässig 
geringem  Spannungen  ausgesetzt  als  die  Gurtungen  selbst  und  vertragen  daher 
auch  eine  leichtere  Construction.  Ein  Blick  auf  einen  beliebigen  rationell  con- 
struirten  Brückenträger  lehrt  diess  zur  Genüge,  und  je  länger  der  Träger,  desto 
grösser  ist  der  Unterschied.  Bei  Brücken  mit  grösserer  Spannweite  ist  das  Ge- 
wicht der  Gurtungen  ungefähr  doppelt  so  gross,  als  dasjenige  des  ganzen  Gitter- 
oder Facliwerkes,  der  mittlere  Querschnitt  einer  Gurtung  im  Vergleich  mit  den 
einzelnen  Füllungsgliedern  also  nothwendig  ein  Vielfaches  2) .  Eine  noch  viel 
grössere  Differenz  ergibt  sich  für  schlanke  Pflanzenorgane  (Blüthcnschäfte,  Gras- 
halme u.  dgl.,,  gegen  welche  die  leichtesten  Eisenconstructionen  plumpe  Ge- 
bilde sind.  Wenn  daher  ein  Träger  aus  zweierlei  Material,  z.  B.  aus  Holz  und 
Eisen,  construirt  werden  soll,  so  eignet  sich  selbstverständlich  das  schlechtere 
Material  nur  für  die  Verbindungsglieder  oder  Füllungen,  nicht  für  die  Gur- 
tungen. Aus  demselben  Grunde  bestehen  in  der  Pflanze  die  Gurtungen  stets 
aus  spezifisch-mechanischen  Zellen ,  die  Füllungen  dagegen  häufig  aus  Cambi- 
form  und  Xylem  oder  auch  aus  Parenchym. 

Bei  den  Gurtungen ,  welche  auf  Druck  in  Anspruch  genommen  werden, 
kommt  ausser  der  Grösse  des  Querschnittes  auch  die  Form  desselben  in  Be- 

')  Schmiedeeisen  in  Stäben  besitzt  z.  B.  ein  Tragverinögen  von  c.  13  Kilo  per  Quadrat- 
millimeter  oder  1300  Kilo  per  Quadratcentimeter,  d.  h.  eine  schniiedeiserne,  am  obern  Ende 
befestigte  Stange  von  einem  Quadratcentimeter  Quersclinitt  vermag  ein  Gewicht  von  1300 
Kilo,  welches  am  untern  Ende  angehängt  wird,  zu  tragen,  ohne  eine  bleibende  Verlängerung 
zu  erfahren.  —  Das  Tragvermögen  (Tragmodul)  eines  Körpers  in  Hinsieht  auf  Ausdeh- 
nung ist  übrigens  nicht  immer  gleich  dem  Tragmodul  des  nämlichen  Körpers  in  Hinsicht 
auf  Z  u  s  a  m  m  e  n  d  r  U  c  k  u  n  g. 

'■^)  Als  Belege  hiefiir  mögen  folgende  Beispiele  dienen: 

1)  Gitterbrücke  bei  Drogheda  (Sl  Meter  Spannweite). 

Gewicht  der  Gurtungen        per  Meter  1340  Kilo, 
Gewicht  des  Gitterwerkes      -      -  517 

2)  Kheinb rücke  bei  Köln  (98,22  Meter  Spannweite). 

Totalgewicht  der  Gurtungen     1,209744  Kilo, 
Totalgewicht  der  Gitterstäbe      684784  - 

3)  Brücke  über  den  Leck  bei  Kuilenburg  (150  M.  Spannweite). 

Totalgewicht  der  Gurtungen   3,926980  Kilo, 

Totalgewicht  des  Fachwerkes  1,900150  - 
Vergl.  ferner  am  Schlüsse  dieses  Capitels  die  Angaben  über  Maximal-  und  Minimalspan- 
pun^en  in  der  Richtung  der  Spannungstrajectorien, 


22 


I.  Allgemeines, 


trat'ht.  Es  ist  eine  wescutliclie  Bedingung-  ilirer  Festigkeit,  dass  die  einzelnen 
Thcile  nicht  etwa  seitlich  ausbiegen  oder  einknicken,  bevor  die  Grenze  der 
Elasticität  erreicht  ist.  :\ran  gibt  daher  auch  diesen  Gurtungen,  wie  dem  ganzen 
Tragbalken,  eine  Querschnittsform,  welche  die  Biegungsfestigkeit  derselben  er- 
höht, z.  B.  die  Form  eines  liegenden  Doppel-T  !H)  oder  eines  Kreuzes  oder 
auch  eines  geschlossenen  Rechteckes  u.  dgl.  Die  bloss  auf  Zug  beanspruchten 
Gurtungen  wirken  dagegen  einzig  und  allein  nach  Maassgabe  der  Querschnitts- 
grösse. 

Für  manche  Berechnungen,  die  sich  auf  die  Festigkeit  oder  die  Biegungs- 
erscheinungen der  Tragbalken  beziehen,  ist  es  nothwendig,  die  Summe  aller 
Productc  aus  den  einzelnen  FUlchentheilchen  der  Qiierschnittsfläche  in  die 
Quadrate  ihrer  Abstände  von  der  Neutralen  zu  kennen.  Es  ist  diess  die  Gnisse, 
welche  der  Senkung  des  Trägers  (z.  B.  einer  P>rückc;  in  Folge  der  Belastung 
umgekehrt  proportional  ist  und  deshalb  in  der  Mechanik  als  Maass  desBie- 
g-  u  n  g  s  m  0  m  e  n  t  e  s  oder  auch  als  Trägheitsmoment  der  Querschnitts- 
fläche  bezeichnet  wird.  Die  Bestimmung  dieses  Momentes  ist  bei  Trägern, 
deren  Füllungen  vernachlässigt  werden  dürfen,  ungemein  leicht.  Man  hat  bloss 
die  Gurtungsdurchschnitte  mit  dem  Quadrate  ihres  Abstandes  von  der  Neutralen 
zu  muitiplicircn :  die  Summe  der  Producte  ist  das  Maass  des  Biegungsmonientes. 
Hal)en  z.  B.  die  Gurtungen  bei  einem  gegenseitigen  Abstand  von  80  Centi- 
meter  je  50  DCent.  Querschnitt,  so  liegt  die  neutrale  Axe  offenbar  in  der 
Mitte,  also  in  einem  Abstand  von  40  Cent,  von  jeder  Gurtung,  und  das  Maass 
des  Biegungsmomentes  beträgt  2  •  50  •  40^  =  lOOOOO.  Bei  Trägern,  deren 
wirksame  Theile  ungleich  weit  von  der  Neutralen  abstehen,  wird  diesel])C  Rech- 
nung für  jedes  Stück  der  Querschnittsfläche  ausgeführt  und  die  Summe  der 
Producte  durch  Addition,  in  schwierigeren  Fällen  durch  Integration  bestimmt. 

Denken  wir  uns  jetzt  drei  oder  mehr  solcher  Tragbalken  dergestalt  com- 
binirt,  dass  sie  die  neutrale  Axe  mit  einander  gemein  haben  und  in  der  Quer- 
schnittsansicht einen  drei-  bis  vielstrahligen  Stern  bilden,  so  erhalten  wir  eine 
Construction ,  welche  nicht  bloss  nach  einer  Richtung,  wie  die  Brückenträger, 
sondern  nach  verschiedenen  Richtungen  senkrecht  zur  Axe  gleich  biegungsfest 
ist.  Mau  begreift  auch,  dass  die  radial  gestellten  Mittelwände  jetzt  nicht  mehr 
unumgänglich  nothwendig  sind,  sondern  durch  tangentiale  Verbände  zwischen 
den  Gurtungen  vollständig  ersetzt  werden  können.  Denn  es  ist  klar,  dass 
wenn  sännntliche  Gurtungen  unter  sich  fest  verl)unden  sind ,  auch  die  zusam- 
mengehörigen Paare  als  wechselseitig  verbunden  können  betrachtet  w^erden. 
In  dieser  Weise  ausgeführt,  erhält  unsere  Construction  im  Querschnitt  die  Form 
eines  regelmässigen  Polygons.  Lassen  wir  endlich  die  Gurtungen  seitlich  zu- 
sammenfliessen  und  das  Polygon  zum  Kreise  w^erden,  so  entsteht  die  cylindrische 
Röhre.  Alle  diese  Formen  sind  unter  der  Vorausetzung  gleicher  Querschnitts- 
flächen ungefähr  gleichwerthig ;  sie  entsprechen  bei  allseitig  wirkenden  Kräften 
in  demselben  Grade,  wie  der  einfache  Brückenträger  gegenüber  dem  einseitigen 
Zug  der  Schwere,  der  Anforderung  eines  möglichst  geringen  Materialaufwandes. 


2.  Einige  Sätze  aus  der  Fcstigkeitslelirc. 


23 


Hier  grösstmögliclie  Häufung-  des  Materials  an  der  obern  und  untern  Grenz- 
fläche, dort  eine  niüglieh.st  glciclnnässige  Vertheilung  auf  die  ganze  Periplierie. 

Der  AViderstand,  den  eine  solche  Construction  der  Biegung-  entgegensetzt, 
hängt  wiederum  von  der  Grösse  der  Querschnittsfiäche  nnd  von  der  jeweiligen 
Trägcrliöhe,  d.  h.  vom  Durchmesser  des  Querschnitts  ab.  Da  nun  im  »Maass 
des  Biegungsnu^mentes «  beide  Factoren  enthalten  sind,  so  hat  diese  Grösse 
auch  liier  Avieder  eine  der  Benennung-  entsprechende  Bedeutung;  sie  ist  das 
Maass  für  die  Stärke  der  Coustructionen.  Die  Bestimmung  derselben  geschieht 
nach  den  nämlichen  l\egeln,  wie  bei  einfachen  Balken.  Man  addirt  die  l*ro- 
ducte  aus  den  einzelnen  Flächentlieilchen  in  die  Quadrate  ihrer  Entfernungen 
von  der  neutralen  Faserschicht,  welche  in  unserem  Falle  in  einer  diagonalen 
Ebene  liegt.  Bei  einem  Kreisring-  und  andern  continuirlichen  Flächen  geschieht 
diese  Addition  am  einfachsten  mit  Hülfe  der  Integralrechnung. 

Als  Belege  dafür,  wie  sehr  die  peripherische  Anordnung  der  festen  Theile 
die  Biegnngsfestigkeit  erhöht,  habe  ich  nachstehend  die  Maasse  der  Biegungs- 
momente für  einige  hielicr  gehörige  Con.structionsformen  zusammengestellt.  Die 
Querschnittsfläche  ist  durchgehends  mit  Fj  der  Radius  mit  r  bezeichnet.  Letzterer 
bezieht  sich  bei  den  regelmässig-polygonalen  Formen  auf  den  umschriebenen 
Kreis.  Die  Richtung  der  biegenden  Kraft  wurde  hier  der  Einfaddieit  wegen 
rechtwinklig  zu  einer  Seite  des  Polygons  angenommen.  Die  beiden  (um  die 
Wauddicke  ditierircnden  Radien  hohler  Träger  sind  als  r,  und  unterschie- 
den. In  der  zweiten  Columne  ist  beispielsweise  das  arithmetische  Verhältniss 
der  betreffenden  Maasse  für  den  Fall  beigefügt,  dass  F  constant  und  = 
^ji^r^.    Der  volle  Cylinder  wurde  hiebei  willkürlich  zu  1000  angesetzt. 


Trägerform. 

Maass  des  Bie- 

AV  e  r  t  h  V  e  r  h  ä  1 1  n  1  s  s ; 

gnngsmoniente  s. 

wenn  r.j  —  |  r,  . 

Cylinder 

1000 

Ilohlcylinder 

4 

5545 

(Quadratischer  Balken 

F  . 

(i 

104(3 

lloliicr  f]ua(hat.  Balken 

r,2  +  ro2 

5S00 

Dreikantiger  Balken 

f'- 

936 

Hohler  dreikant.  Balken 

r,2  +  r.,2 
8 

6192 

Sechskantiger  Balken 

.5  •  r  - 
24 

1009 

Wie  sich  aus  den  mitgetheilten  Ziffern  ergibt,  bestellt  für  die  angenom- 
menen Diinensionsverhältnis.se  zwischen  dem  Maass  des  Biegnngsmomentes  eines 
vollen  Träg-ers  nnd  demjenigen  eines  g-leichgestalteten  hohlen  das  Verliältniss 
11  :  Gl.    Die  Differenz  wird  um  so  grösser,  je  mehr  sich  der  innere  Radius 


24 


I.  Allgemeines. 


dem  üussern  nähert,  je  geringer  also  die  Wanddicke  bei  gleichbleibender  Quer- 
schnittsfläche. Ist  7-2  =  0,99  r,,  so  steigt  das  Verhältniss  auf  1  :  99.  Einer 
unendlich  dünnen  Wand  entspricht  der  Grenzwerth  1  :  oo. 

Die  Folgerungen,  welche  sich  aus  diesen  Betrachtungen  ergeben,  werden 
nun  aber  thatsächlich  sehr  eingeschränkt  durch  die  Querspannungen,  welche 
aus  der  Belastung  der  Träger  resultiren  und  die  bei  allzu  dünnen  Wandungen 
leicht  ein  Einknicken  derselben  und  damit  ein  plötzliches  Nachgeben  des  Trä- 
gers bewirken  können.    Man  kann  dieses  Einknicken   an  einer  beliebigen 
Kautschukröhre,  die  man  allmälig  in  immer  stärkerem  Bogen  krümmt,  sehr 
schön  beobachten.    Der  kreisförmige  Querschnitt  nimmt  hiebei  zunächst  die 
Form  eines  Ovals  an,  dessen  Excentricität  mit  zunehmender  Spannung  grösser 
wird;  dann  entsteht  auf  der  concaven  Seite  plötzlich  ein  einspringender  Winkel: 
eben  darauf  beruht  das  Einknicken   der  Köhre.    Dasselbe  Verhalten  zeigen 
häufig  auch  hohle  Pflanzenstengel,  ebenso  Kiihren  aus  dünnem  Blech  u.  dgl. 
Es  geht  daraus  deutlich'  hervor,  dass  das  Verhältniss  der  Wanddicke  zum  Durch- 
messer eine  gewisse  Grenze  nicht  überschreiten  darf.    Fragen  wir  aber,  welches 
diese  Grenze  sei,  so  gibt  uns  die  theoretische  Mechanik  hierauf  keine  genügende 
Antwort.   Alle  einschlägigen  Capitel  der  Festigkeitslehre,  die  Theorie  der  hohlen 
Säulen  inbegriffen ,  bedürfen  noch  gar  sehr  der  Ausbildung.    Wir  sind  also 
vorläufig  einzig  und  allein  auf  die  Resultate  der  experimentellen  Prüfung  an- 
gewiesen.   Diese  sagen  uns  allerdings ,  dass  die  erforderliche  Wanddicke  im 
Allgemeinen  um  so  grösser  ausfällt,  je  dehnbarer  das  Material,  aus  dem  die 
Röhre  besteht;  allein  sie  lassen  uns  ebenfalls  vollständig  im  Stich,  sobald  wir 
in  einem  gegebenen  Falle  nach  speziellen  Daten  suchen.    Die  Ingenieure  be- 
dienen sich  gewöhnlich  verschiedener  Aussteifungsmittel,  um  den  röhrenförmigen 
Gurtungen  schmiedeiserner  Brücken  die  nöthige  Wandfestigkeit  zu  verleihen. 
So  wandte  z.  B.  Brunei  für  die  gedrückten  Gurtuugen  der  Royal  -  Albert- 
Brücke  bei  Saltash  Eisenblechröhren  von  5,1  Meter  Breite  und  3,66  Meter 
Höhe  an  und  verstärkte  dieselben  durch  6  Längsrippen  von  356  Mill.  Höhe  und 
13  Mill.  Dicke,  sowie  ferner  durch  besondere  Aussteifungsringe  von  50  Centi- 
meter  Höhe,  welche  in  Längenabständen  von  je  6,1  Meter  angebracht  wurden. 
In  ähnlicher  Weise  ist  auch  die  Brücke  über  den  Wye  bei  Cheptow  construirt. 
Von  den  in  Deutschland  ausgeführten  schmiedeisernen  Brücken  haben ,  soviel 
mir  bekannt,  nur  die  nach  Pauli'schem  System  construirten  (Rheinbrücke  bei 
Mainz,  Isarbrücke  bei  Grosshesselohe  oberhalb  München  etc.)  Träger  mit  röhren- 
förmigen Druckbogen ,  und  zwar  ist  der  Querschnitt  derselben  ein  •  Viereck. 
Hier  wird  die  Aussteifung  dadurch  bewerkstelligt,  dass  die  Massen  möglichst 
in  die  Ecken  gelegt  werden;  überdiess  ist  jede  Verbindungsstelle  der  Vertical- 
ständer  als  fester  Knoten  zu  betrachten.    In  gleicher  Weise  sind  bei  manchen 
andern  Constructionen  aus  Schmiedeeisen  besondere  Einrichtungen  vorhanden, 
welche  die  röhrenförmigen  Träger  vor  dem  Einknicken  schützen.    Bei  den  guss- 
eisernen Röhren,  welche  als  Gurtungen  oder  Streben  Verwendung  finden,  fallen 
allerdings  diese  Vorrichtungen  weg;  dafür  ist  aber  die  in  der  Praxis  übliche 


2.   Einige  Sätze  aus  der- Festigkeitslehre. 


25 


Waiiddicke  hier  verliiiltnisBmässig  sehr  bedeutend;  sie  beträgt  in  der  Regel  V5 
bis  Vti  und  selbst  in  den  extremsten  Fällen  noch  Vg  bis  i/g  des  Durchmessers. 

Die  biegnngsfestcn  Pflanzenorgane  sind  nun  zwar  in  der  Regel  so  construirt, 
dass  das  Einknicken  schon  erfolgt,  bevor  die  Längsspannung  das  zulässige 
Maximum  erreicht  Jiat;  denn  es  ist  diess  für  die  Pflanze  im  Allgemeinen  vor- 
theilhaft.  Ein  allzufrühes  Einknicken  darf  aber  gleichwohl  nicht  stattfinden, 
wenn  die  Construction  ihrem  Zwecke  entsprechen  soll.  Die  Wanddicke  niuss 
also  doch  annähernd  im  richtigen  Verliältniss  zum  Durchmesser  stehen.  Welches 
aber  dieses  Verliältniss  sei,  das  lässt  sich  hier  noch  viel  weniger  genau  bestimmen, 
als  für  Guss-  und  Schmiedeeisen ,  da  das  Material  ja  mannigfach  verschieden 
sein  kann.  Trotzdem  glaube  ich  der  Wirklichkeit  nahe  zu  kommen,  wenn  ich 
das  Minimum  der  zulässigen  Wanddicke  auf  ungefähr  '/t  Vs  des  Durch- 
messers anschlage  '] .  Ein  erheblich  geringeres  Maass  ist  jedenfalls  nur  unter 
der  Bedingung  statthaft,  dass  besondere  Aussteifungsvorrichtungen  die  Festig- 
keit der  Wand  erhöhen,  ähnlich  wie  bei  den  vorhin  genannten  schmiedeisernen 
Gurtungsröhren.  Solche  Aussteifungen  dünner  Wlinde  kommen  in  der  Natur 
häufig  vor  und  sollen  darum  auch  im  folgenden  Capitel.  gebührend  berücksich- 
tigt werden. 

Um  für  die  Festigkeit  der  Wand  gegen  Einknicken  einen  arithmetischen 
Ausdruck  zu  haben,  kann  man  sich  die  Röhre  aufgeschnitten  und  die  Wand 
eben  gelegt  denken.  Das  Maass  des  Biegungsmomentes  einer  solchen  riemen- 
artig ausgebreiteten  Wand  fällt  natürlich  viel  kleiner  aus  als  dasjenige  der  Röhre ; 
das  Verliältniss  zwischen  den  beiden  Ziffern  darf  jedoch  eine  gewisse  Grenze 
nicht  überschreiten,  wenn  die  Röhre  gegen  Einknicken  geschützt  sein  soll.  Für 
eine  Röhre  aus  Kautschuk,  die  übrigens  bei  starker  Krümmung  immer  noch 
einknickt,  ist  dieses  Verhältniss  ungefähr  1  :  40 ;  für  hohlcylindrische  Con- 
structionen  aus  festerem  Material  steigt  dasselbe  je  nach  Umständen  bis  auf 
1  :  JOO,  1  :  200  u.  s.  w. 

Um  die  in  den  Pflanzenorganen  vorkommenden  mechanischen  Systeme  unter 
sich  und  mit  verwandten  künstlichen  Constructionen  vergleichen  zu  können,  ist 
es  nothAvendig,  dieselben  auf  den  gleichen  Durchmesser  zu  reduciren.  Denn  nur 
unter  dieser  Bedingung  sind  die  Querschnittsflächen  der  mechanischen  Zellen 
und  die  daraus  abgeleiteten  Maasse  der  Biegungsmomente  vergleichbare  Grössen. 
Damit  will  ich  natürlicli  nicht  sagen,  dass  eine  in  kleinen  Dimensionen  aus- 
geführte Construction ,  die  man  in  Gedanken  beispielsweise  hundertmal  ver- 
grössert,  in  diesem  vergrösserten  Maassstab  gleich  zweckmässig  construirt  sei 
wie  im  kleinen.   Diess  wäre  ein  entschiedener  Irrthum.   Jede  Construction  kann 


']  Beim  Roggen  beträgt  die  Wanddicke  der  Hahne  .'allerdings  oft  nur  '/lo  des  Durch- 
messers, z.  B.  0,4  Mill.  auf  4  Mill.  Solche  Hahne  knicken  aber  auch  leicht  ein.  Noch  ge- 
ringer ist  die  Wanddicke  im  Kiel  der  Sciiwungfedern  mancher  Vögel ,  während  die  Röhren- 
knochen der  sämmtlichen  Wirbelthiere  als  Beispiele  für  das  entgegengesetzte  Extrem  gelten 
können.  Beim  Menschen  wird  z.  B,  die  normale  Wandstärke  eines  Röhrenknochens  zu  '/ö 
des  Durchmessers  angegeben, 


26 


I.  Allgemeinea. 


nur  für  diejenig-en  Dimensionen,  für  welche  sie  berechnet  wurde,  möglichst 
rationell  sein:  für  jede  andere  ist  sie  entweder  zu  leicht  oder  zu  plump.  Dessen- 

  ungeachtet  bietet   die  Vergleichung    der  Quer- 

I     I   -  schnittsverliältnisse   nach   vorhergegangener  lle- 

duction  auf  den  gleichen  Durchmesser  manches 
Interesse.  Ich  finde  überhaupt  keine  andere 
Grundlage,  um  wirklich  belehrende  Vergleichui;- 
gen  anzustellen. 

Was  nun  noch  die  Constructionen  aus  todtem 
Material  betrifft,  die  mit  cylindrischen  Pflanzen- 
organen mehr  oder  weniger  vergleichbar  sind,  so 
Avären  mit  Rücksicht  auf  rationelle  JMaterialver- 
theilung  in  erster  Linie  die  eisernen  Brücken  zu 
nennen.  Da  jedoch  die  Brücken  nur  für  einsei- 
tig wirkende  Kräfte  eingerichtet  sind  und  die 
Uebertragung  der  entsprechenden  Festigkeitsver- 
hältnisse auf  die  Röhrenform  bei  gewöhnlichen 
Gitter-  oder  Fachwerkbrücken  ohne  Willkürlich- 

 1  j  ■  j  keiten  kaum  möglich  ist,  so  hal)e  ich  eine  der 

 1  1  1  1     englischen  Röhrenbrückeu  ,  nämlich  die  bekannte 

Britanniabrücke,  als  Vergleichsobject  gewälilt.  Der 
Querschnitt  derselben  (Fig.  1 1)  hat  eine  solche  Form  ,  dass  ihre  Vervollständi- 
gung zur  Röhre  ohne  Veränderung  der  maassgebenden  Dimensionsverhältnisse 


möglich  ist.  Man  hat  nur  nöthig.  die  Constructionsform  der  obern  und  untern 
Wand  auch  auf  die  Seitenwände  auszudehnen  und  sodann  den  rechteckigen 
Querschnitt  zum  Kreisring  werden  zu  lassen  (Fig.  2,  Hälfte  der  Querscbnitts- 

')  Obige  Figur  nach  Laissle  und  Sch  übler,  der  Bau  der  Brückentrliger,  II  pag.  165 
jedoch  mit  Weghissung  der  Winkeleisen  und  anderer  Einzclnheiten.  —  Die  Eohre  ist  14  Fuss 
breit,  an  den  Enden  2.1,  in  der  Mitte  30  Fuss  hoch.    Die  Seitenwände  -derselben  bestehen 
aus  Eisenblech  von  Iii  bis  lü  Millimeter  Dicke.    Die  Decke  hat  8,  der  Boden  G  Zellen 


2.  Einige  Sätze  aus  der  Festigkeitslehre. 


27 


ansieht).  Ist  der  Diircliiuesser  dieses  Kreisriiij;es  =  10  Meter,  so  kann  die 
Diliereiiz  zwiselieii  dem  äussern  nnd  innern  Radius  zu  50  Cent,  und  die  Zalil 
der  Rippen  im  ganzen  Uintang-  zu  60  angenommen  werden.  Die  Zellen  fallen  unter 
dieser  Voraussetzung  nahezu  quadratisch  aus.  Für  die  Berechnung  der  Querschnitts- 
tiäehe  ist  jetzt  nur  noch  eine  bestimmte  Annahme  in  Betreff  der  Wanddicke 
nothwcndig.  Beträgt  diese  für  die  beiden  concentrischen  Rohren  je  1,5  Cent,  und 
für  die  radialen  RIi)pen  1  Cent.,  so  ergeben  sich  folgende  approximative  Ziffern  : 
Querschnittsfläche  =  I1S60  □Centimeter. 
Maass  des  liiegungsmomentes  1340  Millionen  Kilogr.  Cent. 
Steigert  man  die  Ilühe  der  Rippen  unter  übrigens  gleichen  Voraussetzungen  auf 
70  Cent.,  was  den  beiden  Seitenöftnungen  der  Britanniabrücke  eher  entsprechen 
würde,  so  ergibt  sich  als  Querschnitt  12870  DCent.  und  als  Maass  des  Bie- 
gungsniomentes  c.  1-100  Millionen.  In  Berücksichtigung  dessen  können  wir  für 
unsere  Röhre  in  runder  Zahl  einen  Querschnitt  von  12000  DCent.  und  als 
Maass  des  Biegungsmomentes  etwa  1350 — 1  iOO  Millionen  annehmen.  Auf  diesen 
nändichen  Querschnitt  von  12000  DCent.  werde  ich  in  der  Folge  die  mecha- 
nischen Systeme  der  stielrunden  Organe  reduciren. 

lieber  die  Senkungsgrösse  einer  solchen  Röhre,  die  ich  mir  für  diese  rein 
theoretischen  Betrachtungen  ohne  Vernietungen  denke,  geben  die  folgenden  Be- 
rechnungen einige  Anhaltspunkte.  Es  sei  die  Länge  der  Röhre,  JF  das  Maass 
des  Biegungsmomentes  =  1350  Millionen,  E  das  Elasticitätsmodul  =  1,900  000, 
Q  das  Eigengewicht  der  Röhre  =  0,0077  Kilo  per  Kubikcentimeter ,  dann  ist 
die  Senkung  aS'  der  mit  den  Enden  frei  aufliegenden  Röhre  in  deren  Mitte  ge- 
geben durch 

O  _  Q 

384  W  e  '  ^ 

oder  wenn  l  =  10  Meter  =  10  000  Cent.,  folglich  das  Gesammtgewicht  = 
12  000  ■  10  000  ■  0,0077  =  924000  Kilo 

^  _5_  1 0  0003  •  924  000        _    ^  /.  p 

384  ■  i-ib^Millionm ^iTo'ÖÖOÖO  ^  <-^entim. 

Die  Röhre  beschreibt  also  einen  nach  unten  convexcn  Bogen ,  dessen  Pfeilhöhe 
in  der  Mitte  4,6  Centimeter  beträgt.  Da  die  Senkung  der  Belastung  i)roi)or- 
tional  ist,  so  würde  ein  die  Röhre  ausfüllender  Güterzug  von  4000  Kilo  Ge- 
wicht per  laufenden  Meter  obige  Pfeilhöhe  um  c.  2  Centimeter  vergrössern,  so 
dass  die  Totalsenkung  jetzt  auf  c.  6,6  Cent,  zu  veranschlagen  wäre.  Dabei 
würde  die  Maxinialspannung  in  der  Röhrenwandung  annähernd  600  Kilo  per 
Quadratcentimeter  betragen. 

Soll  nun  irgend  eine  Construction  aus  J^ast,  z.  B.  das  mechanische  System 
eines  Scirpusstengels  oder  eines  Grashalmes,  mit  obiger  Röhre  verglichen  wer- 
den ,  so  ist  zunächst  die  Querschnittsfiäche  des  Bastes  zu  bestimmen  und  auf 
1000  Cent.  Durchmesser  zu  reduciren.  Damit  sind  auch  die  erforderlichen 
Daten  zur  Berechnung  des  Biegungsmomentes  gegeben.  Das  spezifische  Gewicht 
des  frischen  Bastes  kann  höchstens  1,5  betragen,  also  nur  ungefähr  des 


28 


I.  Allgemeines. 


Eisengewichts.  Nehmen  wir  ferner  an,  das  Elasticitätsniodul  sei  zu  125  000 
bestimmt  worden,  so  wird  in  der  Formel  für  die  Durchbiegung  das  Verhältniss 

%  constant  einen  andern  Werth  erhalten.    Q  ist  bei  gleichem  Querschnitt  5  Mal, 

E  c.  15  Mal  kleiner  als  beim  Eisen,  folglich  die  Senkung  in  der  Mitte  im  Ver- 
hältniss von  IT)  /u  5  grösser,  d.  h.  ungefähr  'i  Mal  so  gross.  In  Wirklich- 
keit ist  nun  aber  die  Querschnittsfläche  der  Bastconstructionen  bei  den  meisten 
Pflanzenorganen  bedeutend  grösser,  als  bei  der  angenommenen  schmiedeisernen 
Röhre :  sie  erreicht  in  vielen  Fällen  den  5  —  Oftichen ,  bei  den  Gramineen  nicht 
selten  den  1  Ufa  eben  Werth.  Damit  steigt  aber  natürlich  auch  das  Gewicht. 
In  Folge  dessen  würde  thatsächlich  die  Senkung  der  meisten  Bastconstructionen, 
isolirt  gedacht,  zwei-  bis  dreimal  so  gross  ausfallen,  als  bei  der  schmiedeisernen 
Röhre.  So  erhält  man  z.  B.  für  das  mechanische  System  von  MoUnia  coerulea, 
auf  1000  Centim.  Durchmesser  vergrössert  gedacht,  bei  einem  Querschnitt  von 
90,000  GCent.  und  einem  Eigengewicht  von  1,350,000  Kilo  ungefähr  eine 
Senkung  von  12  Cent,  auf  100  Meter  Länge;  diesel1)e  würde  durch  eine  weitere 
Belastung  von  450000  Kilo  (welche  einem  starken  Güterzuge  entspricht)  auf 
16  Cent,  gesteigert  werden  i).  Das  Maximum  der  zulässigen  Belastung  wäre 
damit  noch  lange  nicht  erreicht;  die  Spannung  würde  im  mittleren  Theil  nur 
115  Kilo  per  Quadratcentiraeter  betragen. 

Will  man  die  diesen  grossen  Dimensionen  entsprechenden  Ziffern  auf  die 
wirklichen  Grössenverhältnisse  reduciren,  so  kann  diess  durch  einfache  Division 
geschehen.  Ist  n  die  Verkleinerungsziffer,  z.  B.  1000  für  einen  wirklichen 
Durchmesser  von  1  Ccntimeter,  so  wird  in  der  Formel 


der  Zähler  w''  mal  kleiner,  weil  das  Gewicht  Q  den  dritten  Potenzen  der  Län- 
geneinheit proportional  ist ;  im  Nenner  dagegen  verändert  sich  bloss  IV  und 
zwar  mit  der  vierten  Potenz.  Die  Senkung  S  fällt  also  ii^  Mal  kleiner  aus, 
beträgt  somit  bei  1  Cent.  Durchmesser  auf  10  Cent.  Länge  nur  1  Millionstel 
des  oben  berechneten  VVerthes.  Das  will  sagen,  dass  die  Länge  der  Röhre 
jetzt  im  Verhältniss  zur  Dicke  um  Vieles  grösser  sein  niuss,  wenn  das  Eigen- 
gewicht nebst  einer  entsprechenden  Belastung  eine  erhebliche  Senkung  bewirken 
soll.  —  Für  MoUiiia  coerulea,  deren  Bastring  nur  3  Millimeter  Durchmesser 
hat,  ist  ti  =  3333,  ti^  in  runder  Zahl  11  Millionen.  Die  oben  gefundene  Sen- 
kung von  12  Cent,  reducirt  sich  also  bei  entsprechender  Länge  (=  30  Mill.) 
auf  c.  0,00011  Mill.  Setzen  wdr  für  /  den  20fachen  Werth  =  600  Mill.  ein, 
so  wird  Q  20mal  grösser,  folglich  der  Zähler  in  unserer  Formel,  da  l  in  der 
3.  Potenz  figurirt,  160  000  Mal  grösser.  Der  Nenner  bleibt  unverändert.  Die 
Senkung  S  erreicht  jetzt  den  Werth  160  000  •  0,00011  =  17,6  Millimeter.  Es 


')  Das  Elasticitiitsmodul  E  ist  hiebei  mit  150  000,  das  Maass  des  Biegungsmomentes  W 
mit  9400  Millionen  in  Rechnung  gebracht. 


WE 


2.   Einige  Sätze  aus  der  Festigkeitslehre. 


29 


verstellt  sich  übrigens  von  selbst,  dass  die  den  wirklichen  Dimensionen  ent- 
sprechenden Senknngen  auch  direct  erhalten  werden  können ,  wenn  man  in 
obiger  Formel  für  /.  Q  und  W  deren  Werth e  einsetzt.  Die  Reductiou  führt 
aber  in  der  Regel  rascher  zum  Ziele. 

Die  Berechnung  der  Einsenkung,  welche  das  mechanische  System  eines 
Organs  für  sich  allein  oder  unter  der  Last  der  damit  verbundenen  Gewebe 
zeigen  würde,  ist  namentlich  für  die  Vergleichung  mit  der  auf  experimentellem 
Wege  bestimmten  Senkung  des  ganzen  Organs  von  Interesse.  Die  letztere  fällt 
natürlich  kleiner  aus,  weil  die  parenchymatischeu  Gewebe ,  auch  wenn  sie  ge- 
gen Zug  sehr  schwach  sind,  doch  mindestens  auf  der  Druckseite  den  Wider- 
stand bedeutend  erhöhen. 

Für  die  experimentelle  Bestimmung  der  Senkungsgrösse  ist  übrigens  die 
Belastung  der  Mitte  eines  frei  aufliegenden  Organs  weniger  bequem,  als  das 
Anhängen  von  Gewichten  am  freien  Ende  eines  horizontal  eingespannten  Or- 
gans. Ich  habe  daher  vorzugsweise  diese  letztere  Methode  angewendet.  In 
der  Regel  kann  hiebei  das  Eigengewicht  vernachlässigt  w^erden.  Die  Senkung 
des  freien  Endes  ist  alsdann  gegeben  durch  die  Formel 

S= — — • P 
'dWE 

in  welcher  P  das  angehängte  Gewicht  bezeichnet.  Der  hieraus  berechnete 
Werth  ist  natürlich  auch  für  diesen  Fall  im  Allgemeinen  grösser,  als  die  am 
ganzen  Stengel  beobachtete  Senkung,  da  der  Widerstand  des  Parenchyms  gegen 
Druck  in  der  Formel  nicht  enthalten  ist. 

Man  darf  übrigens  nicht  vergessen ,  dass  die  erwähnten  Formeln  nur  für 
Träger  von  gleichmässiger  Dicke ,  nicht  aber  für  solche  von  gleichem  Wider- 
stande, Geltung  haben.  Diese  letztern  zeigen  unter  übrigens  gleichen  Verhält- 
nissen eine  erheblich  stärkere  Durchbiegung,  was  bei  Pflanzenorganen  von  be- 
trächtlicher Länge  wohl  zu  berücksichtigen  ist. 

In  den  nicht  gerade  seltenen  Fällen,  in  denen  die  Querschnittsfläche  des 
Bastes  und  folglich  auch  die  Grössen  W  und  E  schwer  zu  bestimmen  sind, 
kann  der  Nenner  3  JV  JE  in  vorstehender  Formel  durch  leichter  zu  ermittelnde 
Werthe  ersetzt  werden.  Bezeichnet  man  nämlich  mit  l  die  beobachtete  Ver- 
längerung eines  senkrecht  eingespannten  Organs  beim  Anhängen  des  Gewichtes 
G  am  untern  Ende,  ferner  mit  r  den  Radius  des  mechanischen  Systems  (z.  B. 
eines  Bastringes),  so  hat  man: 

3  WE  =  \  •  x^-^  ^ 

Beispiel:  Eines  der  untern  Internodien  von  Seeale  cereale.  235  Mill.  lang 
und  5  Mill.  im  Durchmesser,  verlängert  sich  nach  Beobachtungen  an  den  bei- 
den Hälften  zur  Zeit  der  Fruchtreife  bei  20  Kilo  Belastung  um  1,1  Millimeter. 
Da  der  Bastring  des  untern  von  der  Scheide  umschlossenen  Halmstücks  grossen- 
theils  subepidermal  ist,  folglich  r  nahezu  2'/2  Mill.,  so  hat  man  für  die  Sen- 
kung eines  100  Mill.  langen,  horizontal  eingespannten  Stücks  bei  einer  Be- 
lastung von  50  Gramm  =  0,05  Kilo: 


30 


I.  Allfjemeines. 


1 000000  •  0.05  =  50000;  ferner 
;^  jj'  ^  ^    .  -•'•^  .      .  20  =  40000;  lbli;lieli 

2       1,1  T 

r)()ll(l()  .  T.r.11.  , 

A  ==  . —  =  1-25  Milliineter 

-10000 

Das  Experiment  erg-ab  in  diesem  Falle  eine  etwas  stärkere  Senknng-,  nämlich 
1.5  Millimeter. 


Die  Zu^-  und  Druckspannungen,  welche  die  Fasern  oder  Schichten 
eines  belasteten  Trägers  in  longitudinaler  liichtung  in  Anspruch  nehmen,  sind 
nicht  die  einzigen,  welche  im  Innern  der  Trägermasse  zur  Geltung  kommen. 
Es  treten  in  Folge  der  Belastung  auch  scheerende  Kräfte  auf,  welche  die 
kleinsten  Theilcheu  nach  allen  Richtungen  auf  einander  zu  verschieben  trach-» 
ten.  Solche  Scheerkräfte  wirken  z.  B.  auch  parallel  der  Axe,  und  es  ist  leicht, 
ihr  Vorhandensein  auf  experimentellem  Wege  nachzuweisen.  Legt  man  z.  B. 
zwei  gewöhnliche  Lineale  von  gleicher  Länge  und  Dicke  so  über  einander,  dass 
die  entsprechenden  Endflächen  in  die  gleiche  Ebene  fallen,  und  lässt  nun  nach 
geeigneter  Befestigung  :etwa  durch  Einspannen  des  einen  Endes  in  den  Schraub- 
stock) eine  biegende  Kraft  darauf  einwirken,  so  beobachtet  man  sofort  ein  Ver- 
schieben der  freien  Endflächen  gegen  einander,  wobei  natürlich  auch  die  sich 
berührenden  Seitenflächen  auf  einander  gleiten ,  und  zwar  so ,  dass  in  Folge 
davon  die  convex  gewordene  um  eine  entsi)rechende  Grösse  über  die  con- 
cave  hervor  steht.  Will  man  dieser  longitudinalen  Verschiebung  der  Lineale 
vorbeugen ,  so  kann  diess  nur  durch  eine  Verkittung  oder  Verkoppelung  ge- 
schehen, deren  Widerstandskraft  der  Grösse  des  Longitudinalschubcs  mindestens 
gleich  ist.  Diese  Grösse  lässt  sich  für  jeden  gegebenen  Fall  berechnen;  sie 
erreicht  übrigens  in  der  Berührungsfläche  der  beiden  Lineale  einen  grössern 
Werth  als  in  jeder  andern  Schicht.  Ueberhaupt  nimmt  der  Longitudinalschub 
in  Trägern ,  deren  Querschnittsansicht  ein  l\echteck  bildet ,  mit  dem  Abstände 
von  der  neutralen  Ebene  nach  beiden  Seiten  hin  stetig  ab  und  wird  an  der 
Oberfläche  gleich  Null. 

Besteht  der  mediane  Thcil  eines  Trägers  aus  Fachwerk  oder  einer  beliebi- 
gen Füllungsmasse,  welche  die  Gurtungen  unter  sich  verbindet,  so  muss  selbst- 
verständlich diese  Füllung  stark  genug  sein ,  um  neben  andern  wirksamen 
Kräften  auch  der  longitudinalen  Schubspannung  widerstehen  zu  können.  In 
der  lebenden  Pflanze  liegen  freilich  die  Verhältnisse  selten  so,  dass  die  Füllungen 
auch  nur  einen  beträchtlichen  Theil  dieser  Schubspannung  aufzunehmen  hätten : 
«  denn  gewöhnlich  werden  dieselben  von  andern  Geweben,  zum  Theil  vom  mecha- 
nischen Gerüste  selbst,  in  ihrem  Widerstande  unterstützt.  Bei  Holzgewächsen 
mit  stark  entwickelter  Kinde  mag  indess  diese  Spannung  unter  Umständen  im- 
merhin eine  Höhe  erreichen,  welche  nothwendig  ein  Gleiten  der  Innern  Rinde 
auf  der  Oberfläche  des  Holzes  bewirken  müsste,  wenn  nicht  an  der  gefähr- 


2.   Einige  Sätze  aus  der  Festigkeitslelire. 


31 


liehen  Stelle  besondere  Eiuriclitungcn  zur  öteij^eriing  der  Scliubfcstig-keit  oder 
zu  gleiclnuässig-cr  Vertheiluug  der  Schubspaunungen  getroffen  wären. 

Dass  aucii  in  der  Querscbnittstläc'he  Schubkräfte  wirksam  sind ,  vermöge 
welcher  die  kleinsten  Theilchen  das  Bestreben  haben ,  in  der  Richtung  senk- 
recht zur  Axe  an  einander  vorbei  zu  gleiten,  leuchtet  ohne  Weiteres  ein.  Ist 
z.  B.  ein  Träger  am  einen  Ende  horizontal  eingespannt  und  am  andern  mit 
einem  Gewicht  P  belastet ,  so  hat  man  sich  bloss  die  Querschnittsscheibe ,  an 
welcher  das  Gewicht  hängt,  durch  einen  Sägeschnitt  isolirt  und  dann  wieder 
angeleimt  zu  denken,  um  sofort  einzusehen,  dass  die  Leimschicht  dem  Gewicht 
P  das  Gleichgewicht  halten  muss ,  um  ein  Gleiten  der  abgesägten  Scheibe  auf 
der  Schnitttiäche  zu  verhindern.  So  verhält  es  sich  auch  in  jedem  andern 
Quersdinitt.  Die  Sunnne  der  Schubkräfte  längs  der  ganzen  Querschnittsfiäche 
ist  stets  gleich  der  Kraft  P,  oder  wenn  mehrere  Kräfte  rechtwinklig  zur  Trä- 
geraxe  wirksam  sind,  gleich  der  Summe  dieser  Kräfte ') . 

Aus  der  Schubspannnng  in  der  Querschnittsfläche  und  derjenigen  parallel 
der  Axe,  coinbinirt  mit  den  früher  besprochenen  Zug-  und  Druckspannungen, 
deren  Grösse  mit  dem  Abstand  von  der  neutralen  Faserschicht  zunimmt,  lässt 
sich  nun  auch  durch  gewöhnliche  Kraftzerlegung  (nach  dem  Kräfteparalleh;- 
gramm)  die  Spannung  für  jede  beliebige  schiefe  Richtung  in  der  Verticalebeiie 
bestimmen.  Lassen  wir  z.  B.  eine  Querschnittsfläche  des  belasteten  Trägers 
sich  dergestalt  gegen  die  neutrale  Faserschicht  neigen ,  dass  sie  einen  beliebi- 
gen Winkel  (p  mit  derselben  bildet,  diese  aber  nach  wie  vor  rechtwinklig  zur 
Längsaxe  schneidet,  so  ist  es  ein  Leichtes,  die  wirksamen  Kräfte  in  zwei  Grup- 
pen von  Componenten  zu  zerlegen,  von  denen  die  eine  in  die  fragliche  geneigte 
Fläche  zu  liegen  konnnt,  während  die  andere  rechtwinklig  dagegen  gerichtet 
ist.  Die  ganze  Operation  kann  ebenso  gut  mit  Zirkel  und  Lineal  als  durch 
trigonometrische  Berechnung  ausgeführt  werden. 

Bezeichnen  wir  jetzt  die  Spannung  längs  unserer  geneigten  Fläche,  welche 
den  Winkel  cp  mit  der  neutralen  Faserschicht  bildet,  als  Tangentialspan - 
nung  T  und  die  rechtwinklig  gegen  dieselbe  gerichtete  als  Normalspan- 
nung iV,  so  lässt  sich  auf  mathematischem  Wege  derjenige  Werth  des  Win- 
kels (p  bestimmen ,  bei  welchem  die  Tangentialspannung  oder  die  Normalspan- 
nung zum  Maximum  oder  Minimum  wird.  Man  erhält  mit  Rücksicht  auf  die 
Tangentialspannung  T  für  einen  beliebigen  Punkt 

Iff^^f.  9     ^  1  .  Spannung  in  Folge  der  Biegung 
J  "  ^      2    Schubspannung  paraUel  der  Axe 
und  mit  Rücksicht  auf  die  Normalspannung  N 

,       n  i\    Schubspannung  parallel  der  Axe 

tanq  2  w  =  —  2  •  ^  — -. —  j — ^.  

^  Spannung  in  rolge  der  Biegung 

Für  die  graphische  Darstellung  der  Spannungsverhältnisse  haben  nun  na- 
mentlich die  grössten  und  kleinsten  Normalspannungen  eine  besondere  Bedeu- 
tung.   Ihre  Richtungen  im  Innern   der  Träger  bilden  nämlich  zwei  Curven- 


1)  Das  Eigengewicht  der  Trägersubstanz  ist  hiebei  nicht  in  Anschhig  gebracht. 


32 


I.  Allgeraeines. 


Systeme  (Fig.  3),  welche  die  neutrale  Axe  stets  unter  45",  sich  selbst  aber  und 
ebenso  die  äussersten  Fasern  unter  00"  schneiden.    Es  sind  das  die  Druck- 
und  Zuglinieu  oder  Spannungstrajectorien ,  so  genannt,  weil  hier  die  vor- 
handenen Spannungen 
nur  als    Druck  oder 
Zug  in  der  Richtung 
der  betreffenden  Cur- 
ven  wirken  und  dem- 
gemäss  keine  den  Cur- 
ven  parallelen  schee- 
renden  Componenten 
Pig.  3.  liefern.     Mit  andern 

Worten  :  die  Träger- 
elemente werden  in  der  Richtung  des  einen  Sj^stems  von  Trajectorien  bloss 
gedrückt,  d.  h.  gegen  einander  gepresst  oder  positiv  gespannt,  in  der  dazu 
rechtwinkligen  Richtung  des  andern  S3'stems  dagegen  aus  einander  gezogen  oder 
negativ  gespannt.  Bei  einem  Träger,  der  am  einen  Ende  horizontal  einge- 
spannt und  am  andern  Ende  belastet  ist  (wie  in  unserer  Figur),  sind  die  den 
Druckkräften  entsprechenden  Trajectorien  nach  oben  concav,  die  Trajectorien 
der  Zugkräfte  dagegen  nach  oben  convex.  Die  steilern  Enden  einer  jeden  Curve 
entsprechen  den  kleinsten ,  die  flacheren ,  mehr  der  Längsrichtung  folgenden 
Enden  den  grössten  Spannungen  . 

Denken  Avir  uns  nun  einen  beliebigen  Träger,  z.B.  den  Waagebalken  einer 
chemischen  Waage ,  in  Form  eines  Gitterwerkes  construirt,  und  zw^ar  so ,  dass 
der  Verlauf  der  sich  kreuzenden  Gitterstäbe  ein  getreues  Bild  der  entsprechen- 
den Zug-  und  Drucklinien  darstellt ,  so  können  wir  die  Stäbe ,  welche  nur  auf 
Druck  in  Anspruch  genommen  sind,  an  beliebigen  Stellen  durchschneiden,  ohne 
dadurch  irgend  welche  Störungen  zu  bewirken,  da  ein  Bestreben  der  Stücke, 
in  den  Schnittflächen  an  einander  vorbei  zu  gleiten,  nicht  vorhanden  ist.  Dage- 
gen wäre  selbstverständlich  eine  solche  Operation  im  andern  System  von  Stäben, 
welches  den  Zugkräften  Widerstand  leistet,  nicht  zulässig.  Es  ist  ferner  ein- 
leuchtend, dass  die  gedrückten  Stäbe  bezüglich  der  Querschnittsform  so  con- 
struirt sein  müssten,  dass  ein  Ausbiegen  nach  der  Seite  nicht  möglich  ist,  also 
röhrenförmig  oder  T-förmig  etc.,  und  was  die  Querschnittsfläche'-' betrifft ,  so 
würde  dieselbe  für  jedes  Stück  einer  Curve  nach  den  an  dieser  Stelle  wirk- 
samen Kräften  zu  bestimmen  sein. 

1)  Die  Construction  Fig.  3  ist  für  einen  bestimmten  Fall  annähernd  genau.  Es  wurde 
angenommen,  der  Trager  A  B  sei  homogen  und  im  Querschnitt  rechteckig.  Die  Breite  (senk- 
recht zur  Papierfläche)  betrage  1,  die  Höhe  ß  C  =  2  Centimeter,  das  Gewicht  P  am  freien 
Ende  des  Trägers  =  2  Kilogramm.  Unter  diesen  Voraussetzungen  wurde  die  Neigung  der 
Curven  für  die  verschiedenen  Abstände  von  der  neutralen  Axe  in  gleicher  Weise  berechnet, 
wie  diess  weiterhin  an  einem  Beispiel  ausführlich  gezeigt  werden  soll.  Selbstverständlich 
musste  die  Rechnung  für  eine  Reihe  von  Querschnitten  durchgeführt  werden.  Die  Figur 
stellt  den  Träger  in  natürlicher  Grösse  dar. 


2.   Einige  Sätze  uns  der  Festigkeitslehre.  3',^ 

Die  Construction  von  Gitterträgern  nach  Zug-  und  Drucklinien  würde  un- 
streitig auch  in  der  Technik  gewisse  Vortheile  bieten :  allein  sie  ist  mit  so 
grossen  practischen  Schwierigkeiten  verbunden,  dass  hier  die  viel  eintachere 
Herstellung  der  Gitterwerke  mittelst  geradliniger  Constructionstheile  entschieden 
den  Vorzug  verdient.  Im  Bau  der  Organismen  dagegen,  wo  dergleichen  Schwie- 
rigkeiten nicht  in  Betracht  kommen,  begegnet  man  hin  und  wieder  den  frag- 
lichen Curvensystemen,  jedoch  begreiflicher  Weise  nur  in  Organen  oder  Ge- 
webetheilen  mit  maschiger  Textur  und  bei  entsprechender  Inanspruchnahme. 
Sehr  schön  treten  dieselben  beispielsweise  in  der  spongiösen  Substanz  des 
menschlichen  Oberschenkelknochens,  speziell  im  Gelenkknopf  und  dem  an- 
grenzenden Halse ,  hervor.  Hier  sind  aber  auch  die  Bedingungen  so  günstig, 
wie  es  gewiss  nur  selten  vorkommt.  Ein  voller,  dabei  aber  doch  schwammig 
gebauter  und  relativ  kurzer  Träger,  der  etwas  schief  nach  oben  steht,  ist  zur 
Aufnahme  einer  bedeutenden  Last  bestimmt,  welche  denselben  fast  immer  in 
der  nämlichen  bestimmten  Weise  und  zwar  ungefähr  nach  Art  eines  gebogenen 
Kralins  in  Anspruch  nimmt.  Unter  solchen  Umständen  erhalten  die  in  Rede 
stehenden  Curven  eine  Krümmung ,  welche ,  wenn  sie  in  der  Anordnung  der 
festen  Theile  ihren  Ausdruck  findet,  dem  Beobachter  sofort  auffallen  muss  '  i .  — 
In  pflanzlichen  Geweben  habe  ich  bis  dahin  kaum  eine  Andeutung  dieser  Druck- 
und  Zuglinien  beobachtet,  und  ich  glaube  annehmen  zu  dürfen,  dass  sie  hier 
überhaupt  nur  selten  vorkonmjen  -) .  Die  Erklärung  dieser  Tliatsache  mag  haupt- 
sächlich in  dem  Umstände  liegen,  dass  die  beobachteten  vegetabilischen  Objecte 
meist  sehr  langgestreckt  sind,  so  dass  die  (wirksamen)  Schubspannungen  gegen 
die  Druck-  und  Zugspannungen  verschwindend  klein  werden.  Dazu  kommt 
dann  noch,  dass  in  der  Pflanzenwelt  die  Grundbedingungen  der  fraglichen  An- 
ordnung, nämlich  maschiger  Bau  und  annähernd  constante  oder  doch  gleich- 
sinnige Inans})ruclmahme  keineswegs  häufig  zusammentreffen.  Wenn  ich  trotz- 
dem die  Frage  der  Zug-  und  Drucklinien  in  belasteten  Trägern  hier  in  aller 
Kürze  berührt  habe,  so  geschah  es  einerseits,  um  den  Leser  darüber  aufzuklären, 
was  diese  Linien  zu  bedeuten  haben  und  warum  sie  in  Pflanzengeweben  ge- 
wöhnlich nicht  zur  Erscheinung  kommen ,  andererseits  aber  auch ,  um  darauf 
hinzuweisen,  dass  die  Kenntniss  dieser  Linien  und  der  entsprechenden  Kraft- 
grössen  in  jedem  gegebenen  Falle  die  beste  Einsicht  in  die  zu  untersuchenden 
Spannungsverhältnisse  gewährt.  Ob  irgend  eine  krummlinige  Anordnung  der 
Zellen  oder  Maschen  eines  Gewebes  als  Ausdruck  der  mechanisch-wirksamen 
Kräfte  zu  betrachten  sei ,  kann  offenbar  nur  Derjenige  entscheiden ,  der  über 
Grösse  und  Richtung  derselben  sich  wenigstens  annähernd  zu  orientiren  im 
Stande  ist. 


>,i  Vgl.  J.  Wolf,  Ueber  die  innere  Architectur  der  Knochen,  in  Virchow's  Archiv  L. 
Der  Abhandlung  sind  photographische  Abbildungen  dünner  Siigeschnitte  beigegeben. 

•-')  Culmann,  Graph.  Statik,  p.  237,  sagt  zwar,  die  fragliche  Fiberanlage  finde  »ihre 
Bestätigung  in  den  Millionen  Modellen,  welche  uns  die  Natur  und  der  Sügmiiller  in  jedem 

Q 

Schwende  II  er,  Das  mechanische  Princip.  ,  " 


34 


I.  Allgemeines. 


Zum  Schlüsse  mag-  hier  noch  die  Berechnung'  der  Zug-  und  Druckkräfte 
für  eine  bestimmte  Region  eines  gegebenen  Trägers  beigefügt  werden.  Ein 
eoncreter  Fall  ist  in  mancher  Hinsicht  belehrender  als  allgemeine  Betrachtungen. 
Ich  habe  zu  diesem  Behuf  absichtlich  andere  und  zwar  viel  schlankere  Di- 
mensionsverhältnisse gewählt  als  sie  in  den  Lehrbüchern  der  Mechanik  ge- 
wöhnlich vorausgesetzt  werden,  um  dadurch  den  im  Pflanzenreiche  vorwaltenden 
Verhältnissen  näher  zu  kommen.  Im  Uebrigeu  sind  natürlich  die  Daten  so 
einfach  als  möglich  gewählt. 

Es  sei  gegeben  ein  horizontal  eingespannter,  am  freien 
Ende  mit  zwei  Kilo  belasteter  Träger  von  ca.  1  Meter  Länge, 
1  Centimeter  Breite  und  2  Centimeter  Höhe.  Auf  Grund  dieser 
Daten  sollen  die  Maxima  und  Minima  der  Normalspannungen, 
sowie  die  Richtungen  derselben,  für  einen  Abstand  von  50  Centi- 
meter vom  freien  Ende  berechnet  werden.  Die  Querschnittsfläche  ist 
in  diesem  Fall  ein  aus  zwei  Quadraten  bestehendes  Rechteck :  das  eine  Quadrat 
liegt  oberhalb,  das  andere  unterhalb  der  neutralen  Ebene.  Das  Maass  des 
Biegungsmomentes  TV  beträgt  demzufolge ,  wenn  b  die  Breite  und  //.  die  Höhe 

12  12  a 

Ebenso  hat  man  für  die  Spannung  R  in  den  äussersten  Fasern,  d.  h.  an 
der  obern  und  untern  Grenzfläche,  die  Formel 

wobei  P  das  angehängte  Gewicht,  x  den  Abstand  des  gegebenen  Schnittes  vom 
freien  Ende  und  e  die  Entfernung  der  äussersten  Faser  von  der  Neutralen  be- 
deutet.   In  unserem  Fall,  wo     =  50  und  e  =  \  ,  ist  folglich 

R  =  - •     •  '  =  150  Kilo  per  □Centimeter. 

/3 

Bezeichnen  wir  jetzt  den  Abstand  eines  beliebigen  Punktes  von  der  Neu- 
tralen mit  z  (wobei  natürlich  alle  Werthe  zwischen  o  und  e  annehmen  kann) , 
so  ist  die  Schubkraft  L  längs  der  Axe  für  Balken  mit  rechtwinkligem  Quer- 
schnitt gegeben  durch  die  Gleichungen 

worin  h  wie  gewöhnlich  die  Breite  und  h  die  Höhe  bedeutet.  Für  die  Di- 
mensionen unseres  Trägers  ist  demnach  ganz  allgemein 


zu  Brettern  verschnittenen  Baum  zeigen«.  Dieser  Anschauung  liegt  aber  offenbar  irgend 
eine  irrtliümliche  Deutung  der  Jahrringe  zu  Grunde. 


2.   Einige  Öatze  aus  der  Festigkeitslehre.  35 


Der  L 

ongitudiiialschub  . 

L  berechnet  sich  hienach  wie  folgt 

für 

2  =  0  ist 

3 

i  =  T 

=  1,5     Kilo  per  □Centini. 

- 

1 

~  ~"  Töö 

.  e 

3 

ist  i>  =  y 

9999 
10000 

=  1,499    -  - 

- 

1 

~  ~  Tö  • 

e 

3 

-  '^  =  T 

255 
■  256 

=  1,494    -  - 

- 

1 

e 

3 

63 
■  64 

=  1,47()    -  - 

1 

^  =  T  • 

e 

-^  =  1 

15 
■  l6 

=  1,406    -  - 

1 

z        2  • 

e 

3 

'  T 

=  1,125    -  - 

 3 

~     T  ■ 

e 

^—  2 

7 

'  16 

=  0,050    -  - 

z  =  e 

-  L  = 

0 

=  0,000    -  - 

Die  Nor malspannung  rechtwinklig  zu  der  oben  erwähnten  geneigten 
Ebene ,  deren  Neigung  cp  übrigens  nachträglich  noch  besonders  zu  bestimmen 
ist,  erreicht  für  einen  beliebigen  Abstand  von  der  Neutralen  den  Maximal wertli 


.Ymax.  =|  +  ]/(|)'+i>-^ 

und  den  Miuimalwerth 

R 


iVinin.  =  y 


in  w-elchen  Formeln  die  Grössen  R  und  L  für  die  verschiedenen  z  arithmetisch 
zu  berechnen  sind.  In  unserem  Fall,  wo  R  für  die  äussersten  Fasern 
=  150  Kilo  beträgt,  ergeben  sich  für  die  Maximalspannung  folgende  Werthe: 

für  2:  =  0  ist       iVmax=  VX^  =  L  —    1^5  Kilo  per  □Centim. 

-  z=^^.e  ist  Amax=  I  •  ^  +  V0,752  +  1,4992  =    2,427-  - 

1  1  150 


iV^raax  =  4'  iir+V4, 692  +  1,4942=  9,6 


16  2  16 

1  1  150 


.  z  =  ^.e  -  iVmax  =  4~+V9,3752+l,4762=  18,865- 

-  z  =  \.e  -  A'max=y  •  ^  +yi8,752-|-l,4062=  37,55  - 
1                              1  150 

y  .  e  -  iYmax=y  •  -y 


-^.e  -  iYmax=4-T+V37,52  -h  1,1252=  75,02  - 


450 


-  z  =  y.e  -  iVmax=    ^    -hy56,252-f-0,6562  =  112,50  -  - 

-  z  =  e        -  iVmax  =    R  =150--- 

Bei  der  Berechnung  der  Minimalspannungen  ist  statt  des  -\-  vor  den  Wurzel- 
zeichen ein  —  zu  setzen.    Die  Ziffern  bleiben  unverändert.    Man  findet  für 

3* 


I.  Allgemeines. 


z  =  0        iVmin  =  —  1 ,51)  Kilo  per  □Ceiitini. 
~  =  j^,  .  e  iVmin  =  —  0,92    -  - 

~  ^  1  .      A^miii  =  —  0,22    -  - 
I  () 

] 

z  = .  e  A'iiiiu  =  —  0,10  -  - 
z  =  Y  .  e  Nirnw  =  —  0,05    -  - 

4 

z  =  ^  .  e  Nram  =  —  0,02  -  - 
z  =  e        iYmin  =        0      -  - 

Die  negativen  Vorzeichen  bedeuten  die  entgegengesetzten  Spannungen,  also 
Druck  statt  Zug,  und  umgekehrt. 

Die  Richtung  dieser  Maximal-  und  Minimalspannungen  ist 
gegeben  durch  den  Winkel  cp ,  welcher  die  Neigung  der  fraglichen  schiefen 
Ebene  zur  Horizontalen  oder,  was  dasselbe  ist,  die  Neigung  der  Spannungs- 
richtungen zur  Verticalen  bezeichnet.  Nach  der  Formel  für  das  Maximum  oder 
Mininmm 

tang  2  9)  =  —  — 

erhält  man  für  die  verschiedenen  Werthe  von  z  folgende  Winkeigrössen.  Bei 
z  ~  o  ist  tang  2cp  —  —  00,  also  2(p  —  270»  und  q)  =  135^',  die  man  ebenso 
gut  nach  rechts  wie  nach  links  herum  abzählen  kann.  Mit  Rücksicht  auf  einen 
bestimmten  in  der  neutralen  Axe  liegenden  Nullpunkt  des  Kreises,  von  dem 
aus  in  gleicher  Richtung  gezählt  wird,  ist  also  ^=135  oder  =45^.  Die 
beiden  Richtungen  kreuzen  sich  also  rechtwinklig  und  schneiden  die  neutrale 
Axe  unter  45o.  Maximal-  und  Minimalspannung  haben  in  diesen  Kreuzungs- 
punkten gleichen  Werth,  nämlich  1,5  Kilo  per  □Centim.,  dabei  aber  entgegen- 
gesetzte Vorzeichen,  weil  die  eine  von  Druck-,  die  andere  von  Zugkräften 
bewirkt  wird.  —  Bei  z  =  ej  d.h.  für  die  äusserste  Faser,  ist  tang  2^  =  0, 
also  Winkel  29  =  0  oder  180**,  folglich  cp  =  0  oder  90".  Die  Maximalspamiung 
ist  hier  =  150  Kilo  und  dabei  longitudinal  gerichtet;  die  Minimalspannung  ist 
zwar  in  der  Grenzfläche  selbst  gleich  Null ,  muss  aber  transversal  gedacht 
werden,  da  sie  schon  in  der  nächstliegenden  Faser  diese  Richtung  wirk- 
lich zeigt. 

Für  die  übrigen  Werthe  von  z  berechnen  sich  in  ähnlicher  Weise  die  nach- 
stehend bezeichneten  Winkel.  Die  gefundenen  Grenzwerthe  sind  der  Voll- 
ständigkeit wegen  noch  einmal  aufgeführt,  die  bei  der  Berechnung  erhaltenen 
Minuten  unter  '/2  Grad  dagegen  weggelassen. 


Eiuigo  Sätze  aus  der  Festigkeitslulu-o. 


37 


(p  = 

4t)"  Oder 

z  

1 

IUI) 

• 

rp  = 

58"  - 

148" 

1 

F)  • 

C ', 

1 

81"  - 

171" 

z  

1 

v  ■ 

0  ' 

^  5 

ff)   

cp  — 

Ä5<>  - 

1  7^0 

1 

T  ■ 

(p  = 

88"  - 

178" 

1 

"2^  * 

e : 

(p  = 

89»  - 

179" 

z  = 

3 

T  ■ 

e: 

(p  = 

90"  - 

180" 

^; 

(p  = 

90"  - 

180" 

Die  Richtungen  der  Maximal-  und  Minimalspannungen,  welche  die  neutrale 
Axe  unter  45"  schneiden,  nähern  sich  hienach  sehr  rasch  der  Längs-  und  Quer- 
richtung unseres  Trägers.  Schon  bei  z  =  ^/'^  .  e  beträgt  die  Abweichung  nur 
noch  5",  bei  z  =  ^'4  .  e  nur  noch  2" ;  alle  ausserhalb  liegenden  Fasern  werden 
also  ziemlich  genau  in  der  Längs-  und  Querrichtung  in  Anspruch  genommen. 
Die  Spannungen  in  der  Längsrichtung  steigen  hiebei,  wenn  wir  allmälig  von  der 
Neutralen  bis  zur  äussersten  Faser  fortschreiten,  von  1,5  Kilo  bis  auf  150  Kilo; 
diejenigen  in  der  Querrichtung  fallen  dagegen  von  1,5  Kilo  bis  auf  Null. 

Behufs  Construction  der  Curven  hat  man  nun  bloss  zu  berücksichtigen: 
1 !  dass  eine  kleine  Verschiebung  der  Querschnittsfläche ,  für  welche  die  Span- 
nungen berechnet  wurden  (sei  es  nun  in  der  Richtung  gegen  das  freie  Ende 
hin  oder  umgekehrt) ,  die  gefundenen  Spannungswerthe  und  Spannungsrichtungen 
nicht  erheblich  raodificirt,  und  2)  dass  die  Curvenstücke  der  untern  Trägerhälfte 
zu  denen  der  obern  symmetrisch  sind.  Statt  also  die  kurzen  Linien,  welche 
die  Spannungsrichtungen  bezeichnen,  in  der  nämlichen  Verticale  aufzutragen, 
schliesst  man  dieselben  so  an  einander  an,  dass  z.  B.  diejenigen,  welche  den 
Minimalspannungen  entsprechen,  eine  gebrochene  Curve  bilden,  welche  in  der 
neutralen  Faserschicht  45" ,  bei  2  =  •  ^  ^^ber  schon  85"  und  bei  z  =  '/j  •  ^ 
390  gegen  die  Horizontale  geneigt  ist,  u.  s.  f.  Es  bleibt  alsdann  nur  noch 
übrig,  dieser  Curve  eine  möglichst  regelmässige,  den  Neigungen  entsprechende 
Krümmung  zu  geben.  Ebenso  für  die  Maximalspannungen ,  die  indess  etwas 
weiter  von  der  gegebenen  Querschnittsfläche  hinwegführen.  Um  genau  zu  con- 
struiren,  müsste  die  Berechnung  hier  für  eine  Reihe  von  Querschnitten  aus- 
geführt werden.  Soviel  ist  aber  auch  ohne  diese  Berechnung  klar,  dass  die 
Curve  der  Maximalspannungen,  welche  die  neutrale  Axe  unter  45"  schneidet, 
schon  bei  z  =  '4  .  e  nur  noch  5",  bei  z  =  .  e  noch  ungefähr  2"  von  der 
Längsriclitung  ab^veicht  und  dass  sie  in  ihrem  weitern  Verlaufe  nach  der  Be- 
festigungsstelle hin  sich  immer  mehr  der  Längsrichtung  nähert,  um  in  der 
äussersten  Faser  dieselbe  vollständig  zu  erreichen.  Sowohl  Druck-  als  Zug- 
linien der  obern  Trägerhälfte  sind  also  für  die  bezeichnete  Entfernung  von 


38 


I.  Allgemeines. 


50  Centim.  vom  belasteten  Ende  bekannt  und  auch  der  weitere  Verlauf  der 
Zuglinien  ist  wenigstens  annähernd  gegeben.  Man  hat  jetzt  zur  Vervollständi- 
gung des  Bildes  nur  noch  nöthig,  in  der  untern  Trägerliälfte  das  Spiegelbild 
der  gezogenen  Curven  herzustellen,  oder  was  dasselbe  ist,  die  Zeichnung  auf 
dem  Papier  um  die  neutrale  Axe  zu  drehen  und  auf  der  andern  Seite  abzu- 
drucken oder  durchzupausen.  Die  Drucklinien  verlaufen  alsdann  von  der  obern 
Grenzfläche  in  der  bezeichneten  Weise  quer  nach  innen,  beschreiben  in  der 
Nähe  der  Neutralen  einen  starken  Bogen,  um  dieselbe  unter  45"  zu  schneiden 
und  nehmen  dann  in  der  untern  Trägerhälfte  ziemlich  rasch  eine  der  Axe  nahezu 
parallele  Richtung  an.  Die  Zuglinien  gehen  in  symmetrischer  Krümmung  von 
der  untern  in  die  obere  Trägerhälfte  Uber.  In  Fig.  4  ist  ein  zusammengehöriges 
Paar  solcher  Linien  dargestellt  . 

 ? 

I 

Zuglinv»   .  i  

 j  

J>rwcKlin4'»  ~  i  


Fig.  4. 

Für  die  Beurtheilung  der  im  folgenden  Capitel  zu  besprechenden  Träger- 
formen ist  es  nun  wichtig ,  darauf  hinzuweisen ,  dass  hier  das  Verhältniss  der 
Länge  zur  Höhe  sich  gewöhnlich  in  viel  höheren  Ziffern  bewegt,  als  für  die 
vorhergehende  Berechnung  vorausgesetzt  wurde.  Die  Druck-  und  Zuglinien 
gehen  folglich  in  schlanken  vegetabilischen  Trägern  noch  in  viel  stärkerer 
Krümmung,  unter  Umständen  beinahe  in  rechten  Winkeln  (natürlich  immer  mit 
abgerundeten  Ecken)  von  der  Quer-  in  die  Längsrichtung  über,  d.  h.  die  Maxi- 
mal- und  Minimalspannungen  entsprechen  noch  viel  entschiedener  der  Verticalen 
und  Horizontalen.  Wenn  nun  schon  in  unserem  Falle  die  Maximalspaunung  in 
der  äussersten  Faser  150  Kilo  erreicht,  während  die  quer  gerichtete  Minimal- 
spannung bloss  zwischen  0  und  1,5  Kilo  variirt,  so  muss  der  Unterschied  in 
schlanken  Blüthenschäften  u.  dgl.  noch  viel  grösser  sein.  Mit  zunehmender 
Länge  des  Trägers  steigen  nämlich  unter  übrigens  gleichen  Bedingungen  auch 
die  Maxima  der  longitudinalen  Spannungen ,  während  die  Minima ,  obschon  sie 
in  der  Axe  selbst  den  constanten  Werth  L  haben,  in  den  äussern  Fasern  immer 
kleiner  werden.  Es  darf  uns  daher  nicht  wundern,  wenn  in  der  Pflanze  die 
Füllungen  zwischen  den  Trägergurtungen ,  weil  dieselben  ja  bloss  die  quer 
gerichteten  Minimalspannungen  aufzunehmen  haben,  oft  auffallend  schwach 
gebaut  sind.   Wenn  vollends  der  einzelne  Träger  bloss  Bestandtheil  eines  hohl- 


>)  Die  Rechnung  wurde  für  die  Schnitte  AB  und  CD  ausgeführt.  In  letzterem  Schnitt 
weichen  die  Curven  nui  noch  um  ca.  l'/yO  von  der  Longitudinalen  ab. 


I 


2.  Einif-c  Sätze  aus  der  Festigkeitslelue.  ']9 

cylindriseheu  Systems  ist  und  folglicli  die  neutrale  Axe  nicht  in  sich  aufnimmt, 
wie  das  z.  B.  im  Öteng-el  von  Scirpus  caespifosus  vg-1.  Taf.  I  V\g.  5)  der  Fall 
ist.  so  erreichen  die  Querspaunungen  in  der  Fülhuii;'  nur  einen  verschwindend 
kleinen  Betrag-. 

Wir  haben  nun  allerdings  im  Vorhergehenden  die  Tangentialspannungen, 
d.  h.  die  Schubspannungen  parallel  der  schiefen  Ebene,  deren  Neigungen  q»  für 
das  Maximum  oder  Minimum  nach  der  oben  aufgestellten  Gleichung  zu  ermitteln 
wären,  unberücksichtigt  gelassen.  Allein  diess  ist  unter  den  gegebenen  Um- 
ständen gestattet.  Denn  obschon  die  Rechnung  für  die  i)eripherischen  Fasern 
einen  nicht  unbedeutenden  Maximalschub  ergibt  und  überdiess  zeigt,  dass  die 
Bichtungen ,  in  denen  diese  Schubkräfte  ein  Maxinmm  erreichen ,  die  rechten 
Winkel  der  sich  kreuzenden  Druck-  und  Zuglinien  genau  halbiren ,  so  kann 
doch  die  schiefe  Schubspannung  für  die  weiche  Füllungsmasse  schon  desshalb 
nicht  in  Betracht  kommen,  weil  jeder  schiefe  Schnitt  nicht  bloss  die  Füllung, 
sondern  auch  die  festern  Gurtungen  trifft.  Die  Füllung  hat  also  für  sich  allein 
bloss  den  oben  bezeichneten  kleinen  Spannungen  zu  widerstehen.  Aus  dem- 
selben Grunde  haben  z.  B.  die  Nietenreihen  in  der  Mittelwand  eines  schmiede- 
eisernen Blechträgers,  wie  sie  bei  kleineren  Brücken  angewandt  werden .  nicht 
dem  Maximum  der  schiefen  Schubspaimung ,  sondern  einfach  dem  Longi- 
tudinalschub  zu  widerstehen,  wozu  dann  allerdings  zunächst  der  Gurtung  noch 
die  entsprechende  Zug-  oder  Druckspannung  kommt. 

Mit  den  Spannungstrajectorien  belasteter  Träger  nicht  zu  verwechseln  sind 
die  Drucklinien  in  Gewölben,  auf  deren  nähere  Besprechung  an  dieser  Stelle 
ich  indess  verzichte ,  weil  die  Spannungsverhältnisse  gewölbeartiger  Con- 
structionen  im  Allgemeinen  bekannt  oder  doch  jedenfalls  weniger  unbekannt 
sind.  Einiges  Spezielle  hierüber  soll  bei  Besprechung  bestimmter  Fälle  mit- 
getheilt  werden. 


Zweiter  Abschnitt. 
Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


Drittes  Capitel. 

«     Die  mechanischen  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderlichen  Biegungs- 
festigkeit mit  möglichst  geringem  Materialaufwande. 

Nachdem  ich  im  vorhergehenden  Capitel  die  Grundlehren  der  Mechanik, 
welche  zum  Verständniss  des  Folgenden  unentbehrlich  sind,  einer  kurzen  Be- 
trachtung unterzogen,  gehe  ich  nun  zur  Darlegung  der  mechanischen  Systeme 
Uber,  durch  welche  die  oberirdischen  Organe  der  Monocotylen  die  erforderliche 
Biegungsfestigkeit  erhalten.    Wie  sich  zum  Voraus  erwarten  lässt,  stinniien 
diese  Systeme  sämmtlich  darin  überein,  dass  die  festen  Theile  —  es  mögen 
nun  isolirte  Stränge  oder  zusammenhängende  Gewebe  sein  —  soviel  als  thunlich 
von  der  neutralen  Axe  oder  Ebene  abstehen,  dabei  aber  unter  sich  oder  auch 
mit  weniger  festen  Geweben  so  combinirt  sind,  dass  beim  Biegen  ein  Einknicken 
der  Wandung  erst  durch  eine  Kraft  erfolgt,  w^elche  zugleich  die  Zugfestigkeit 
der  gespannten  und  die  Druckfestigkeit  der  comprimirten  Fasern  nahezu  bis 
zur  zulässigen  Grenze  in  Anspruch  nimmt.    Die  Anordnung  der  widerstands- 
fähigen Elemente,  im  Querschnitt  betrachtet,  wird  also  in  cylindrischen  Organen, 
weil  hier  die  biegende  Kraft  in  allen  zur  Längsaxe  rechtwinkligen  Richtungen 
wirksam  sein  kann,  im  Allgemeinen  eine  peripherisch-kreisfurmige,  in  Flächen- 
organen dagegen,  deren  Festigkeit  offenbar  vorzugsweise  in  der  Richtung  senk- 
recht zur  Flächenausdehnung  einer  Steigerung  bedarf,  in  der  Regel  eine  ober- 
flächlich-zweireihige sein.    Aber  innerhalb  der  Umrisse ,  welche  diese  gemein- 
samen Merkmale  zu  ziehen  gestatten,  sind  so  mannigfache  Verschiedenheiten 
der  Anordnung  denkbar  und  auch  thatsächlich  vorhanden ,  dass  zu  allernächst 
eine  Sichtung  der  verschiedenen  Typen  nach  rein  mechanischen  Gesichtspunkten 
nothwendig  erscheint,  um  die  Bedeutung  und  die  durchgreifende  Herrschaft  des 
mechanischen  Princips  klar  darzulegen.    Namentlich  sind  es  die  Querschnitts- 
formen der  vorkommenden  Systeme,  welche  als  besonders  geeignet  zur  Cha- 
racteristik  derselben  eine  eingehende  Betrachtung  erheischen.    Im  Querschnitt 
verräth  sich,  wie  man  aus  nachstehenden  Erörterungen  entnehmen  wdrd,  der 
ganze  Constructionsplan  des  Systems,  und  wenn  auch  manche  Einzelnheiten  und 


Dil'  uK'chauisclien  Systeme  zur  Herstellung  (U-r  ertbrderlielien  Biegungsfestigkeit.  41 

Ei{;entliüiulic'hkeiteii  des  Hiiues  erst  auf  Längsansichton  dputlich  hervortreten, 
so  lallt  doch  bei  dem  vorherrschenden  Parallclisnius  der  Öystenitlieile  die  An- 
ordnung- dersell)en  im  Querschnitt  stets  vorzugsweise  ins  Gewicht. 

Dieser  Anforderung  sucht  die  folgende  Zusammenstellung  der  verschiedenen 
Querschnittsformen  Genüge  zu  leisten ;  sie  ist  indess  nicht  etwa  auf  die  Ansicht 
basirt,  als  ob  die  Natur  hier  scharfe  Grenzen  gezogen  oder  vielleicht  gar  syste- 
matischen Einheiten  ihre  Signatur  verliehen  habe,  sondern  hat  einzig  und  allein 
den  Zweck,  der  mechanischen  Betrachtung  möglichst  bestimmte  Fälle  zu  unter- 
breiten und  nebenbei  einen  Ueberblick  über  die  wichtigeren  Combinationcn  zu 
gewähren,  welche  innerhalb  unserer  Pflanzenklasse  zur  Entwicklung  gekom- 
men sind. 

Betreffend  die  Bezeichnung  der  Systemtheile  glaubte  ich  vom  üblichen 
8prachgebrauche  etwas  abweichen  zu  sollen.  In  der  Mechanik  werden  nämlich 
die  Hauptstücke  einer  Construction  (z.  B.  einer  eisernen  Brücke),  wenn  sie 
senkrecht  stehen  als  Säulen,  Pfosten,  Ständer,  und  wenn  sie  wagrecht 
stehen  als  Balken  oder  Träger  bezeichnet.^  Da  nun  die  Uebertragung  dieser 
Ausdrücke  auf  Pflanzenorgane  sich  nicht  ohne  Weiteres  empfiehlt,  indem  das 
nämliche  Organ  unten  vertical  gestellt,  weiter  oben  aber  schief  oder  wagrecht, 
ja  selbst  überhängend  sein  kann ,  so  habe  ich  mir  erlaubt ,  die  Benennung 
»Träger«  ohne  Rücksicht  auf  die  Neigung  zum  Horizont  durchgehends  anzu- 
wenden. Die  übrigen  Bezeichnungen,  wie  z.  B.  Rippen,  Streben  u.  dgl.,  sind 
im  gew'öhnlichen  Sinne  gebraucht. 

I.    Die  Querschnittsformen  des  mechanischen  Systems  in  cylindrischen 

Organen. 

Ich  verstehe  unter  cylindrischen  Organen  ganz  allgemein  solche ,  welche 
nach  allen  Richtungen  rechtwinklig  zur  Längenausdehnung  in  Anspruch  ge- 
nommen werden.  Ob  sie  auch  im  geometrischen  Sinn  des  Wortes  cylindrisch, 
oder  etwa  drei-  bis  mehrkantig  sind,  kommt  hiebei  nicht  in  Betracht. 

Da  die  Zahl  der  Querschnittsformen  ziemlich  gross  ist,  so  habe  ich  die 
nachstehend  aufgeführten  Typen  im  Interesse  einer  übersichtlichen  Gruppirung 
zwar  fortlaufend  numerirt,  dieselben  jedoch  höheren  Einheiten,  die  als  Systeme 
bezeichnet  sind,  untergeordnet. 

].   System  der  subepidernialen  Bastrippen. 

Erster  Typus.  Bastrippen  in  einfacher  Ringlage,'  combinirt  mit  dünn- 
wandigem Mestom.  —  Hieher  die  Aroideengenera  Arum,  Afherimis,  Arisacfna, 
Dranmculus .  deren  Blüthenschäfte  und  Blattstiele  im  Wesentlichen  überein- 
stimmen. 

Abgebildet:   Arum  vmcnlatuin,  Taf.  I,  1,  2;  AthetKrus  tvrnntus,  Taf.  I,  3. 

Die  Bastbündel,  welche  hier  die  einzigen  dickwandigen  und  daher  vorzugs- 
weise widerstandsfähigen  Elemente  sind,  liegen  entweder  unmittelbar  unter  der 


42 


II.   Spczicllo  Betiaclituii}^  der  Mouocotylen. 


Epidermis  oder  sind  durch  1  bis  2  Scliicliten  chloropliyllfreier  Pnrenchyiuzellen 
davon  getrennt.  Die  genetische  Beziehung  der  let/tern  zur  peripherischen  Zell- 
schicht ist  mir  unbekannt:  dennoch  ghiube  icli  dieselben  unbedingt  zu  den 
cpidernialen  Bildungen  zählen  zu  diirleu,  und  zwar  in  einem  viel  engeren  Sinn 
des  Wortes,  als  in  neuester  Zeit  Pfitzer»)  den  Ausdruck  «oberhautartige 
Schichten«  angewandt  hat. 

Die  begleitenden  Mestomstränge .  welche  ausser  bei  Gelassen  keine  ver- 
dickten Zellwände  aufweisen,  schliessen  sich  nur  bei  den  kleinen  Bündeln  un- 
mittelbar an  den  Bast  an;  bei  den  grössern,  weiter  nach  innen  vorspringenden 
sind  zwischen  die  innersten  Bastzellen  und  die  peripherischen  Cambiformelemente 
(vasa  jiropria]  drei  bis  vier  zum  Theil  chlorophyllführende  Parenchymzellen 
eingeschoben,  die  sich  von  den  rechts  und  links  liegenden  Zellen  des  Grund- 
gewebes nicht  unterscheiden  lassen.  Die  niorpholdgische  Zusammengehörigkeit 
der  Bast-  und  Mestomzellen  ist  in  diesem  Falle  nur  noch  durch  die  Lage  der- 
selben auf  dem  gleichen  Radius  und  durch  die  Uebergänge  zu  normalen  Gefass- 
bUndelformen  angedeutet. 

Die  tiefer  liegenden  Gefässbündel  sind  sämmtlich  ohne  Bast  und  können 
daher  mechanisch  um  so  weniger  ins  Gewicht  fallen ,  als  die  Gefässe  die  ein- 
zigen Elenientarorgane  mit  verdickten  Wandungen  und  dabei  fast  durchweg 
Ringgefässe  sind,  von  denen  höchstens  die  nach  aussen  gekehrten  kleinlumigen, 
weil  hier  der  Abstand  der  Ringe  kleiner  ist  —  aber  auch  diese  nur  gegen 
Druck  —  etwelchen  Widerstand  leisten.  Ebensowenig  kann  das  durchgehends 
dünnwandige  Grundgewebe,  das  überdiess  zuweilen  von  Luftkanälen  durchsetzt 
wird  Athorurus  ternatus)^  mechanisch  von  Bedeutung  sein.  Dem  entsprechend 
besitzt  das  ganze  bastlose  Gewebe  des  Blüthenschaftes  oder  des  Blattstieles,  wie 
die  experimentelle  Prüfung  lehrt,  nur  eine  äussert  geringe  Zugfestigkeit,  indess 
die  Bastrippen  für  sich  allein  sehr  l)eträchtliche  GcAvichte  zu  tragen  vermögen. 

Die  Bastrippen,  deren  Zahl  bei  einer  Schaftdicke  von  4  bis  5  Millim.  etwa 
22  bis  25,  in  andern  Fällen  auch  nur  15  bis  20  beträgt,  verlaufen  unter  sich 
und  mit  der  Längsaxe  des  Organs  parallel.  Dasselbe  gilt  von  den  zugehörigen 
Mestomsträngen  und  im  Allgemeinen  auch  von  den  übrigen  Gefässbündeln.  — 
Auf  das  collenchymatische  Aussehen  des  Bastes  wurde  bereits  oben  (p.  6)  hin- 
gewiesen; im  Uebrigen  stimmen  die  Zellen  mit  typischen  Bastzellen  Uberein. 

Zweiter  Typus.  Kleinere  subepidermale  Bastrippen  wechseln  ab  mit 
grösseren  etwas  tiefer  liegenden ,  welche  sämmtlich  oder  zum  Theil  durch 
chlorophyllführende  Zellen  von  der  Epidermis  getrennt  sind.  Alles  Uebrige  wie 
im  vorhergehenden  Fall.  —  Hieher  die  Blattstiele  von  Colocasia  Antiquorum 
(Taf.  I,  4)  und  Alocasia  metallica. 

Die  peripherischen  Bastbündel  bilden  hier  eine  Zickzacklinie,  stellenweise 
sogar  eine  doppelte  Ringlage,  und  sind  überdiess  nicht  streng  subepidermal'^i: 


1)  Pringsheim's  Jahrb.  VII. 

2;  Nach  van  Tieghem  (Ann.  sc.  nat.  5.  seric  vol.  VI  pag.  95  ff.)  bilden  die  peripherischen 


;i.    Diu  uiechanischcn  Systoini?  zur  Heivstelluiig  der  ortürderliulK-u  Biegiiiigsfestigkeit.  -13 

auch  sind  die  einzelnen  Zellen  in  geringerem  Grade  oder  gar  nicht  colien- 
cliymatisch.  Das  Grnndgewebe  ist  von  zahlreichen  Luftgängen  durchzogen, 
welche  nieist  nur  durch  eine  ein-  bis  zweischichtige  Parenchymwand  von  ein- 
ander getrennt  sind.  Auch  die  Xylemstränge  der  Innern,  bastfreien  Gefäss- 
bündel  umschliessen  je  einen  Luftkanal. 

Für  die  mechanische  Betrachtung  der  beiden  Typen  dieses  Systems  ge- 
währt die  Voranssetzung  kreisförmig  gestellter  vierkantiger  Träger  in  ent- 
sprechender Anzahl  und  Stärke  einen  hinlänglich  genauen  Ueberblick.  Der 
bequemeren  Vergleichung  wegen  denken  wir  uns  ferner  den  Durchmesser  des 
Schaftquerschnittes  auf  1000  Centimeter  vergrösscrt.  Die  mittlere  Dicke  eines 
Trägers  darf  alsdann  nach  Maassgabe  der  bei  Arum  und  Atherurus  vorkommen- 
den Verhältnisse  auf  etwa  0,04  des  Schaftdurchmessers,  also  auf  40  Centim. 
geschätzt  werden.  Die  Zahl  derselben  sei  25  auf  den  ganzen  Umfang.  Unter 
diesen  Voraussetzugen  ist  die  Querschnittsfläche  eines  Trägers  1600  □  Centim., 
tolglich  aller  zusammen  25  .  1600  =40,000.  Das  Maass  des  Biegungsmomentes 
für  sämmtliche  Träger,  die  man  sich  natürlich  in  tangentialer  Richtung  fest 
verbunden  zu  denken  hat,  darf  als  gleichwerthig  mit  dem  eines  Kreisringes 
von  gleichem  Querschnitt  und  gleichem  Durchmesser  betrachtet  werden.  Ein 
solcher  Kreisring  müsste  13  Centim.  Dicke  haben;  das  Maass  seines  Biegungs- 
momentes  berechnet  sich  nach  der  Formel  W  =  ^  r"^  (vgl.  p.  23)  auf  5000 
Millionen.  Eine  Reduction  auf  einen  Querschnitt  von  nur  12000  □  Centim., 
wie  wir  ihn  oben  zur  Vergleichung  gewählt  haben,  ergibt  1500  Millionen.  Es 
ist  das  eine  überaus  günstige  Ziffer ;  dagegen  erhält  man  für  den  flach  gelegten 
Cylinder,  d.  h.  für  die  25  neben  einander  gelegten  Träger,  ein  280  mal  kleineres 
Maass ,  ein  Verhältniss ,  das  für  eine  Construction  in  Eisen  zulässig  sein  mag, 
für  jedes  dehnbarere  Material  aber  die  Gefahr  des  Einknickens  in  sich  schliesst. 

Das  vorliegende  System  von  Bastbündeln  würde  demnach  für  sich  allein 
seinem  Zwecke  nicht  ganz  entsprechen;  es  setzt  eine  hinreichende  Aussteifung 
durch  andere  Gewebe  voi'aus ,  wenn  seine  ganze  Kraft  der  Pflanze  zu  Gute 
kommen  soll. 

2.   System  der  zusammengesetzten  peripherischen  Träger. 

Subepidermale  Bastbündel  mit  tiefer  liegenden  zu  radial  gestellten  sym- 
metrischen oder  unsymmetrischen)  Trägern  verbunden ;  das  verbindende  Gewebe 
theils  Mestom,  theils  Parenchym. 

Dritter  Typus.  Radiale  I-förmige  Träger,  bestehend  aus  je  zwei  durch 
Mestom  verbundenen  Bastmassen.    Kleinere  Träger,  welche  die  Epidermis  nicht 

Träger  bei  einer  andern  hieher  gehörigen  Pflanze ,  die  offenbar  etwas  stärker  gebaut  ist, 
nämlich  bei  Alocasia  odora ,  eine  viergliedrige  Phalanx  mit  auffallend  regelmässiger  An- 
ordnung der  einzelnen  Bündel.  Natürlich  sind  in  Folge  dessen  die  innersten  Bündel  ziemlich 
weit  von  der  Epidermis  entfernt. 


44 


II    Spezielle  Betrachtung  der  Mouocotyien- 


berühren,  wechseln  gewöhnlich  mit  den  snbepidennalen  grossem  ah.  —  Hieher 
die  überirdischen  Stengel  ^folgender  Cyperaceen:  Scirjms  caespitosics  L.  und 
Sc.  aljnnus  Schleich.  Eriophorimi  alpimtm  L.  Ehjna  spicata  Schrad.  Kohremi 
caricina  Willd. ;  ferner  verschiedene  Carices ,  zumal  solche  von  schmächtigem 
oder  mittlerem  Wuchs,  z.  B.  Carex  arenaria  7^.,  hrizoides  L.,  disticha  Hudn.. 
stenophylla  IVa/ilbg.,  desgleichen  die  Aehrenstiele  stärkerer  Repräsentanten, 
wie  z.  B.  von  Carex  maxima  Scop.  Zum  gleichen  Typus  gehören  endlich  auch 
gewisse  Axentheile  von  Gramineen,  so  z.cB.  der  obere  Theil  der  Halme  von 
Panicum  sanguinale. 

Abgebildet:    Scirpus  cuespitosus,  Taf.jl,  5  ;  Kohresia  caricma,  Taf.  1,0. 

Die  grösseren  Träger  bestehen  aus  zwei  [ungefähr  gleich  starken  Bast- 
massen, von  denen  die  peripherische  sich  nach  aussen  stets  an  die  einfache 
Epidermis,  nach  innen  jeweilen  an  ein  Mestombündel  anlehnt,  indess  die  zu- 
gehörige tiefer  liegende  Masse  das  nämliche  Mestombündel  halbkreisförmig  um- 
schliesst.  Je  nach  der  Grösse  dieser  beiden  Bastkörper  ist  auch  der  Abstand 
ihrer  Ränder  an  den  Seiten  des  Mestoms  grösser  oder  kleiner ;  dagegen  zeigt 
das  Verhältniss  der  Trägerhöhe ,  d.  h.  ihrer  radialen  Durchmesser  zur  Stamm- 
dicke bei  den  verschiedenen  hieher  gehörigen  Gewächsen  nur  geringe  Schwan- 
kungen. Die  Gesammtzahl  solcher  Träger  sinkt  in  den  mir  bekannten  Fällen 
nie  unter  5  bis  6  herunter,  steigt  dagegen  bisweilen  auch  wohl  auf  das  Doppelte 
und  darüber. 

Die  kleineren  Träger,  welche  gewöhnlich  in  gleicher  Anzahl  vorhanden 
sind,  aber  auch  gänzlich  fehlen  können,  sind  häufig  auf  einen  einzigen  an  die 
Innenseite  des  Mestoms  angelehnten  Bastkörper  reducirt.  In  andern  Fällen 
scheint  es  wenigstens  Regel  zu  sein,  dass  diese  innere  Seite  mit  stärkeren 
BastbUndeln  ausgestattet  ist,  als  die  der  Epidermis  zugekehrte,  so  z.  B.  bei 
Eriophoriim  alpinum  und  Sciipus  raespitosus  (Taf.  I,  Fig.  5).  Beide  Vorkomm- 
nisse sind  offenbar  so  zu  deuten,  dass  der  ganze  radiale  Gewebestreifen  zwischen 
dem  Innern  Bastbündel  und  der  Oberfläche,  die  Epidermis  inbegriffen,  jenem 
als  Gegengewicht  dient.  Kleinere  Abweichungen  von  dieser  Regel,  deren  Moti- 
virung  zum  Theil  mit  Schwierigkeiten  ver])unden  ist,  kommen  namentlich  bei 
Stengeln  vor,  welche  zwischen  je  zwei  Ilauptträgern  von  einem  Luftkanale 
durchzogen  sind  [Elyiia.  Kohresia,  Carex  stenophylla  u.  a.),  wodurch  natürlich 
auch  die  mechanischen  Beziehungen  eine  Aenderung  erfahren.  Die  Kleinheit 
der  Bündel  mag  es  indessen  entschuldigen ,  wenn  ich  die  hierauf  bezüglichen 
Fragen  unberührt  lasse. 

Das  Mestom  ist  stellenweise  ziemlich  dickwandig  und  daher  meclianiscli 
widerstandsfähig;  namentlich  gilt  diess  von  den  gestreckten  porösen  Zellen 
zwischen  den  grossen  Gefässen.  Auch  die  Zellen  der  Mestomscbeide  sind  meist 
etwas  verdickt,  oft  so  stark,  dass  das  Lumen  im  etwas  gequollenen  Zustande, 
z.  B.  nach  dem  Kochen  in  verdünnter  Kalilösung,  vollständig  ausgefüllt  er- 
scheint; die  Mestomscbeide  hat  dann  ungefähr  das  Ausseben  eines  Perlen- 
kranzes. 


Die  mechanischen  Systeme  zur  Herstellung  der  erlbracrlich(Mi  Hief>uiigsfestiskoit.  45 


Fast  alle  hielier  gehörigen  Organe  sind  liohl ,  im  Querschnitt  also  ring- 
fiirniig.    Der  centrale  Hohlraiini  ist  mit  einem  zarten  und  immer  sehr  lockern 


Fasergetleeht  ausü-efUllt .  das 


übrigens 


in  spätem  Stadien  stellenweise  auch 


fehlen  kann. 

Zur  Beurtheilung  dieses  Typus  in  mechaniscdier  Hinsicht  mag  die  approxi- 


Fig. 


dargestellt  ist, 


niative  Berechnung  eines  bestimmten  Falles,  wie  er  in 
als  Grundlage  dienen.    Die  Figur  ist  sche- 
niatisch  gehalten ,  entspricht  aber  ungefähr 
den  bei  Scirpus  caesjntosus  vorkommenden 
Dimensionsverhältnissen. 

Wir  denken  uns  auch  hier  wieder  den 
Durchmesser  des  peripherischen  Kreises  auf 
1000  Centim.  vergrössert;  die  Wanddicke 
AA,  sei  0,17  oder  ungefähr  i/,.  des  ganzen 
Durchmessers.  Für  die  speziellen  Daten  ge- 
nügt folgendes  Verfahren.  Die  Querschnitts- 
fläche der  Bastbündel,  die  übrigens  nach- 
träglich durch  einfache  Division  reducirt  wer- 
den kann,  lässt  sich  mittelst  directer  Messung 
am  Objecte  selbst  oder  an  genauen  Abbil- 
dungen ungefähr  bestimmen;  der  Abstand 
derselben  resp.  ihrer  Schwerpunkte  von  der 
besten  auf  der  schematischen  Figur  (hinreichend  gross  ausgeführt)  mit  dem 
Zirkel  gemessen.  Nachstehend  das  Ergebniss  der  Messung  und  das  davon 
abgeleitete  Maass  der  Biegungsmomente :  die  Querschnittsflächen  sind  mit  l'\  die 
Abstände  von  der  neutralen  Axe  mit  i>,  die  Maasse  der  Biegungsmomente  mit 
W  bezeichnet.  Die  Epidermis  wurde  wegen  ihrer  beträchtlichen  Widerstands- 
fähigkeit mit  in  Rechnung  gebracht. 


neutralen  Axe  wird  dagegen  am 


1)  Die  Epidermis,  1  Ctm.  dick ;  F=  3140  DCtm.; 

2)  -Die  zwei  Bastbündel  AA 

3)  Die  zwei  Bastbündel  A,  A, 

4)  Die  4  Bündel  BBBB 

5)  Die  4  Bündel  B,  B,  B,  B, 
6'  Die  4  kleinen  Bündel  aaaa 


9000  - 
F=  9000  - 
F=±^\ 8000  - 

F=mm)  - 

F=  4000  - 
61140  □  Ctm. 


—  W=  392  Million. 

Z)=:470;  TF=1988  - 

Z>  =  350;  F^=1102  - 

Z)  =  240;  TF=1036  - 

Z)=180;  W=  583  - 

Z)  =  330;  W=  436  - 

5537  Million. 


Eine  Reduction  der  Querschnittsfläche  auf  12000  □Centim.  —  natürlich 
unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Schwerpunkte  der  Bastmassen  unverrückt 
bleiben  —  ergibt  als  Maass  des  Biegungsmonientes  1087  Millionen.  Die  (5  grossen 
Träger  nebeneinander  gelegt  repräsentiren  dagegen  bei  gleichem  Querschnitt 
nur  etwa  43  Millionen  oder  1/25  obiger  Ziffer.  Wir  dürfen  hieraus  den  Schluss 
ziehen,  dass  eine  nach  dem  Schema  Fig.  5  ausgeführte  Construction  in  Bast 
ungefähr  das  richtige  Verhältniss  zwischen  Wandstärke  und  Biegungsnioment 


46 


II.   Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


darbietet  und  folglich  einer  Aussteifung  durch  andere  Gewebe  nicht  be- 
darf i). 

*  *  - 

* 

Anhangsweise  mögen  hier  zwei  Arten  der  Gattung  Erioraulon  Erwähnung 
finden,  deren  Blüthenschäfte  mit  einer  doppelten  Ringlage  von  Gefässbündeln 
und  c.  5  bis  10  subepidennalen  Rippen  ausgestattet  sind,  welche  den  grössern 
Gefässbündeln  entsprechen  (Taf.  VlI,  5).  Bei  E.  flamdulum  Michx.  schliessen 
sich  diese  Rippen  unmittelbar  an  die  Gefässbiindel  an;  bei  E.  decangulare  L. 
dagegen  (s.  die  citirte  Figur)  gehen  dieselben  nach  innen  ganz  allmälig  in 
dünnwandiges  Gewebe  über,  von  welchem  der  die  Gefässbündel  begleitende 
Bast  sich  deutlich  abhebt.  Der  letztere  ist  Uberdiess  hier  wie  dort  derbwandiger 
als  die  beinah  collenchymatischen  Elemente  der  Rippen.  Das  Mark  ist  ge- 
schlossen parenchymatisch ,  die  Rinde  von  ebenso  vielen ,  mit  grünen  Zellen 
austapezierten  Luftgängen  durchzogen,  als  Rippen  vorhanden  sind.  —  Eine 
andere  Eriocaulee,  Tonina  ßtwiatilis  Auhl.  [Eriocaulon  amplexicaule  Rottb.) 
stimmte  im  Querschnitt  ziemlich  genau  mit  Juncus  hufonius  (Taf.  VII,  4)  überein. 

Vierter  Typus.    Die  subepidermalen  Bastrippen  mit  den  tiefer  liegenden 

Mestomsträngen  nicht  direct  verbunden,  denselben  aber  häufig  in  Zahl  und  Lage 

entsprechend;  nur  bei  beträchtlicher  Ueberzahl  ohne  Beziehung  zum  Mestom.  — 

Hieher  die  oberirdischen  Stengel  folgender  Cyperaceen :    Papyrus  Antiquorum ; 

Cypems  alternifolius ,  aureus  Ten.^  egregius  Kth.,  ßavescens ,  fuscus,  negetus 

IVilld.,  Motiti  Lin.  und  zahlreiche  andere  Arten;  FmihrisüjUs  an?iiia ,  dicho- 

toma,  spadicea  VaJil,  exilis  R  et  Sek.,  sqtiarrosa  Vahl,  Kraussiana  Höchst.; 

Schpus  MicJielianus  und  Holosclioenus .  —  Blysmus  compressus  vermittelt  den 

Uebergang  zum  vorhergehenden  Typus,  dem  die  stärkeren  Stammtheile  in  jeder 

Hinsicht  angehören ,  indess  bei  schwächeren  zwischen  Mestom  und  Bastrippen 

dünnwandige  Parenchymzellen  eingeschoben  sind.    Auch  bei  Cyperus  hadius 

und  longus  habe  ich  hin  und  wieder  eine  directe  Verbindung  der  Bastrippen 

mit  den  zugehörigen  Mestomsträngen  beobachtet.    Cyperus  conglomeratus  Rottb. 

und  albostriatus  Schrad.  gehören  zum  siebenten  Typus. 

Abgebildet:  Scirpm  Michelianus,  Taf.  I,  7,;  Sc.]Holosc}wenus,  Taf.  I,  S;  Cyjyerus  badiiis, 
Taf.  I,  9;  C.  ve(/etiis ,  Taf.  I,  lü;  Pajnjrus  Antiquorum,  Taf.  II,  1  und  III,  1;  Cyjierus 
egreyius,  Taf.  XI,  2;  C.  sj)ec.,  Taf.  XI,  0;  Fimhristylis  spadicea,  Taf.  XI,  3;  Hijpolytrum 
argenteum,  Taf.  XI,  5. 

Die  hier  zu  besprechende  Anordnung  der  mechanisch-wirksamen  Elemente 
bietet  trotz  der  bescheidenen  Anzahl  typischer  Repräsentanten  eine  so  auffallende 

'j  Die  Resultate  der  vorstehenden  Reclinung  würden  natürlich  für  jede  andere  Lage  der 
neutralen  Axe  etwas  abweichend  ausfallen.  Unsere  Figur  veranschaulicht  den  günstigsten 
Fall,  indem  die  grossen  Bastinassen  möglichst  weit  von  der  genannten  Axe  abstehen.  Auch 
darf  nicht  übersehen  werden,  dass  das  Verhältniss  der  Wandstärke  zum  Biegungsmoment 
im  lebenskräftigen  Stengel  ein  wesentlich  anderes  sein  kann,  als  im  isolirt  gedachten  System 
der  Bastbiindel.  Je  grösser  die  Festigkeit  der  übrigen  Gewebe,  wenn  auch  nur  gegen 
Druck,  desto  bedeutender  ihr  EinHuss. 


3.  ,Die  mechanischeu  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderlichen  Bieguugsfeatigkeit.  47 

Mainiigtaltigkeit  der  Quersclinittsfornien ,  dass  für  die  nähere  Betrachtung"  der- 
selben zunächst  eine  Auswahl  der  einfacheren  Fälle  rathsam  erscheint.  Als 
solche  betrachte  ich  diejenigen  Formen,  bei  welchen  die  subepidermalen  Bast- 
rippen mit  tiefer  liegenden  GefässbUndeln  im  nämlichen  Radius  liegen,  wie 
diess  beispielsweise  bei  Cyperus ßavescens  und  fmcus,  meist  auch  bei  C.  vegetm, 
ferner  bei  Scirpus  Miclieliamis ,  Fimhristylis  exilis  u.  a.  der  Fall  ist.  Einzelne 
überzählige  Bastbiindel  können  natürlich  auch  hier  vorkommen;  noch  häufiger 
sind  kleine  peripherische  Mestomstränge  zwischen  die  den  Bastrippen  ent- 
sprechenden eingeschoben  (z.  B.  in  den  stärkeren  Halmen  von  Fimbristylis  und 
bei  Cyperus  Monti]  oder  auch  einzelne  grössere  GefässbUndel  im  Marke  zer- 
streut [Sc.  Michelianus,  Cyperus  hadius,  egregius  u.  a.).  Ueber  alle  diese  Ver- 
hältnisse geben  die  oben  citirten  Figuren  den  erforderlichen  Aufschluss.  Be- 
sondere Erwähnung  verdient  nur  noch ,  dass  die  Gef  ässbündel ,  welche  den 
subepidermalen  Rippen  radial  opponirt  stehen,  vorzugsweise  oder  ausschliesslich 
auf  der  Innenseite  durch  Bastmassen  verstärkt  sind  und  demnach  mit  den  ge- 
nannten Rippen  radial  gestellte  I-förmige  Träger  bilden,  au  welchen  die  zwei 
Bastkörper  (Gurtungsbänderj  durch  Mestom  und  Parenchym  mit  einander  ver- 
bunden sind.  So  z.  B.  sehr  deutlich  bei  Sc.  Michelianus,  Cyperus  vegetus, 
longus,  hadius,  Fimhristylis  squarrosa  Vahl  etc.  Bei  schwächerer  Construction 
sind  die  Gefässbündel  nicht  selten  fast  gänzlich  ohne  Bast;  das  ganze  verfüg- 
bare Material  ist  in  diesem  Falle,  dem  mechanischen  Princip  gemäss,  auf  die 
peripherischen  Rippen  verwendet  worden.  Noch  grösser  sind  die  bereits  an- 
gedeuteten Abweichungen  bei  Blysmus  compressiis ,  dessen  kräftigere  Stengel 
sich  zunächst  an  Scirpus  caespitosus  anschliessen ,  indess  die  schwächeren  mit 
den  kleineren  Fimbristylis-Arten  übereinstimmen. 

Für  die  in  Rede  stehenden  einfacheren  Fälle  lassen  sich  demnach  die 
hauptsächlichsten  Trägerformen ,  soweit  sie  zu  diesem  Typus  gehören ,  durch 
die  schematischeu  Darstellungen  Fig.  Q  A  ]m  D  veranschaulichen.    Der  Bast 


A  ^  C  1) 


Fig/6. 


ist  wie  gewöhnlich  schraffirt,  das  Mestom  durch  einen  Kreis  bezeichnet.  Gerade 
punctirte  Linien  bedeuten  eine  Verbindung  mittelst  Parenchym.  Lockere 
Gewebe  mit  grösseren  Interstitien ,  wie  z.  B.  die  chlorophyllführendcn  Zell- 
gruppen zwischen  den  grossen  Gefässbündeln  und  den  zugehörigen  Rippen  / 
bei  Fimhristylis  spadicea,  können  natürlich  nicht  als  solche  Verbindungen  be- 
trachtet werden. 


48 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


Nach  dem  Schema  Fig.  6A  sind  im  Wesentlichen  auch  die  Träger  von 
Cyperus  vegetus  und  C.  spec.  construirt  (Taf.  XI,  6).  Jedes  subepidermale 
Bastblindel  (oder  hie  und  da  auch  ein  Paar  solcher  Bündel)  entspricht  wiederum 
einem  grössern  Mestomstrang,  an  den  sich  auf  der  Innenseite  eine  starke  Bast- 
sichel anschliesst.  Dazu  kommen  aber  noch  —  und  darin  liegt  eben  die  Ab- 
weichung —  mehrere  mark  ständige  Gefässblindel  mit  schwächerem  Bast- 
beleg, von  denen  schon  mit  Rücksicht  auf  ihre  Lage  kaum  anzunehmen  ist, 
dass  sie  noch  zum  mechanischen  System  gehören ;  der  Bast  dient  hier  offenbar 
einem  andern,  mehr  h)calen  Zweck,  von  dem  weiter  unten  in  einem  besondern 
Capitel  die  Rede  sein  wird.  Bei  Cyperus  spec.  Taf.  XI,  6)  ist  überdiess  die 
Form  der  Bastripi)en  beachtenswerth.  Dieselben  sind  nämlich  auf  der  Innen- 
seite concav,  und  die  Krümmung  ist  ungefähr  so  beschaffen,  als  ob  eine  directe 
Verbindung  mit  den  tiefer  liegenden  GefässbUndeln  stattfände.  Auch  hierin 
erblicke  ich  eine  Anpassung  besonderer  Art,  welche  zur  Festigkeit  der  Rippen 
in  keiner  Beziehung  steht,  dagegen  dem  anliegenden  Parenchym  zu  Gute 
kommen  mag. 

Schon  beträchtlicli  complicirter  ist  die  Querschnittsform  von  Cyperus  alterni- 
folius  hin.  Die  Bastrippen  sind  hier  viel  stärker  und  in  ungefähr  doppelt 
so  grosser  Anzahl  vorhanden  als  die  peripherischen  Mestomstränge,  denen 
sie  übrigens  hinsichtlich  der  Lage  noch  grossentheils  entsprechen.  An  diese 
Mestomstränge  lehnen  sich  auf  der  Innenseite,  aber  stets  nur  auf  dieser, 
starke  Halbmonde  von  Bast,  welche  mechanisch  als  innere  Trägerhälften  oder 
Gurtungsbänder  zu  betrachten  sind.  Gewöhnlich  sind  jedoch  diese  ein- 
fachen I-f(jrmigen  Träger  noch  mit  tiefer  liegenden  GefässbUndeln  dergestalt 
combinirt,  dass  dadurch  mehrgliedrige  Trägergruppen  entstehen,  wie  sie 
z.  B.  in  Fig.  1  auf  Taf.  II  für  Papyrus  Antiquorwii  dargestellt  sind.  Weiter 
nach  innen  wird  die  Bastbekleidung  der  Gefässbündel  sehr  schwach;  sie 
gehört  hier  offenbar  nicht  mehr  zu  den  eigentlichen  Constructionstheilen  des 
Systems. 

Die  höchste  Stufe  der  Gliederung  endlich  nimmt  unter  den  Cyperaceen 
Papyrus  Antiipuorum  ein,  indem  die  peri])herischen  Gefässbündel  hier  in  mehr- 
facher Abstufung,  gleichsam  als  mechanische  Phalanx,  den  subepidermalen 
Bastrippen  gegenüber  stehen.  Den  letzteren  am  meisten  genähert  sind  kleine 
Mestombündel ,  welche  nur  als  Verbindungsglieder  eine  Rolle  spielen:  dann 
folgen  etwas  grössere,  alternirend  in  zwei  bis  drei  Reihen  geordnete  Gefäss- 
bündel, deren  Innenseite  mit  einer  starken  Bastsichel  ausgestattet  ist,  weiter 
nach  innen  in  verschiedenen  Abständen  endlich  solche,  welche  auf  der  äussern 
wie  inncrn  Seite  durch  eine  kleine  Bastbekleidung  verstärkt  sind  Taf.  II,  Fig.  1 
und  Taf.  III,  Fig.  J ) .  Diese  doppelten  Bastbekleidungen  erreichen  indess  nie 
die  Stärke  der  vorhin  genannten  innenseitigen  Bastsicheln  und  sind  an  den 
zahlreichen  tiefer  liegenden  Bündeln  nicht  selten  auf  eine  einfache  Reihe  von 
Bastzellen  reducirt,  deren  Vorhandensein  für  die  Festigkeit  des  Organs  nicht 
in  Betracht  kommen  kann. 


Ii.  Dio  meclianischen  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderlichen  Biegun^^st'estigkeit.  49 


Eine  interessante  Ei^enthüniliehkeit,  die  ich  hier  anhangsweise  noch  er- 
wähnen will,  zeigte  mir  Cyperus  Monti.  Die  peripherischen  Träger  dieser  Art 
bestehen  aus  starken  sube^jidernialen  Rippen  und  aus  je  zwei  im  gleichen 
Radius  befindlichen  BastbUudeln ,  von  denen  das  innere  stets,  das  äussere  bis- 
weilen mit  Mestom  combinirt  ist.  Die  radiale  Verbindung  zwischen  diesen  drei 
Bestandtheilen  eines  Trägers  wird  durch  eine  schmale  Parenchymwand  ver- 
mittelt, welche  beiderseits  an  einen  grossen,  mit  sternförmigen  Zellen  aus- 
gefüllten Luftkanal  grenzt.  Behufs-  tangentialer  Versteifung  der  inncrn  Träger- 
hälften sind  dieselben  in  das  peripherische  Markgewebe  eingesenkt.  Dieser 
eigenthlimliche  Bau,  der  uns  hier  zum  ersten  Mal  entgegentritt,  steht  offenbar 
mit  der  maschigen  Structur  des  Organs  in  engem  Zusammenhang.  Wir  wer- 
den ähnlichen  Verhältnissen  bei  wasserliebenden  Gewächsen  in  der  Folge 
noch  öfter  begegnen,  so  z.  B.  in  den  Blättern  von  Txjpha  latifolia  und  in  den 
Blattscheiden  von  Scirpus  lacustris  und  dessen  Verwandten. 

An  Cypenis  reiht  sich  schliesslich  noch  Scirpus  Holosclioenus  an ,  dessen 
Querschnitt  auf  Taf.  I,  Fig.  8  dargestellt  ist.  Das  mechanische  Princip  ist  hier 
rein  zum  Ausdruck  gekommen :  markstäudige  BastbUndel  fehlen.  Die  Anord- 
nung der  Svstemtheile .  obschon  keineswegs  ganz  regelmässig ,  ist  immerhin 
äusserst  zierlich  und  dabei  leicht  zu  Uberblicken;  sie  stimmt  in  den  Haupt- 
punkten mit  derjenigen  bei  Cyperus  ulternifolms  überein.  Hier  wie  dort  sprin- 
gen die  Bastrippeu  ungewöhnlich  weit  nach  innen  vor;  die  meisten  derselben, 
zumal  jene,  welche  den  Mestomsträngeu  ungefähr  entsprechen,  reichen  gewöhn- 
lich bis  zu  der  chlorophvllfreien  Parenchvmschicht .  welche  die  GefässbUndel 
scheidenartig  umschliesst.  Eine  Verschmelzung  der  Rippen  mit  der  Mestom- 
scheide  findet  indessen  nie  statt.  Auch  die  Bastsicheln  gewähren  so  ziemlich 
das  nämliche  Bild :  sie  kommen  bei  den  kleineren  peripherischen  Bündeln  nur 
auf  der  Innenseite,  bei  den  tieferliegenden  grösseren  —  freilich  in  viel  schwä- 
cherer Ausbildung  —  auch  auf  der  äusseren  oder  Cambiformseite  vor.  Ob  diese 
kleinen  Bastsicheln  hier  wirklich  motivirt  sind,  oder  ob  sie  vielleicht  vorzugs- 
weise einem  andern ,  mehr  localen  Zwecke  dienen  (Verstärkung  der  Mestom- 
scheide  zum  Schutze  des  Cambiforms  u.  dgl.),  darüber  sollen  weiterhin  einige 
allgemeinere  Erwägungen  mitgetheilt  werden. 

Das  Grundgewebe  der  im  Vorhergehenden  erwähnten  Cj'peraceen  ist  stets 
dünnwandig-parenchymatisch,  dabei  in  der  Regel,  aber  keineswegs  ausnahms- 
los, von  luftführenden  Kanälen  durchzogen.  In  der  Vertheilung  dieser  Kanäle 
auf  den  ganzen  Querschnitt  herrscht  indess  dieselbe  Mannigfaltigkeit,  die  wir 
so  eben  auch  in  anderer  Beziehung  kennen  gelernt  haben.  Bei  Cyperus  regetus 
liegt  zwischen  je  zwei  peripherischen  Trägern  ein  grosser  Luftgang,  während 
das  Mark  keine  Luftlücken  zeigt,  und  ähnlich  verhält  sich  auch  Fimhristylis 
squarrosa,  Kraussiana  u.  a.  Blysmus  dagegen  hat  ein  von  Luftkanälen  durch- 
zogenes Mark,  das  in  älteren  Stadien  auch  wohl  vielfach  zerrissen  ist;  immer 
aber  zieht  sich  auf  der  Innenseite  der  peripherischen  Gänge  zur  Herstellung 
einer  tangentialen  Verbindung  ein  relativ  starkes  parenchymatisches  Band  von 

S  c  h  w  e  n  (1  e  n  e  r ,  Das  mecliaiiiscbe  Princip.  _  4 


50 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


Träger  zu  Träger.  Umgekehrt  ist  bei  Papyrus  Antiqiiorum  das  Gewebe  zwi- 
schen den  äusseren  Bündehi  durehgehends  dicht,  das  Mark  dagegen  von  zahl- 
reichen Luftkanälen  durchsetzt,  welche  durch  eine  einzige  Zellschicht  von 
einander  geschieden  sind  —  ein  Verhalten,  das  man  bekanntlich  bei  Wasser- 
pflanzen häufig  beobachtet.  Ebenso  zeigt  auch  bei  Srirpus  Holoschoenus  ein 
äusserer  ringförmiger  Theil  des  Gewebes  keine  LuftlUcken;  das  Mark  aber  ist 
hohl  und  mit  lockerem  Filzgewebe  ausgefüllt.  Bei  Cyperm  sphaerospernms 
Schrad.  ist  das  Mark  ebenfalls  hohl  und  die  Kinde  überdiess  mit  kleinen  Luft- 
kanälen ausgestattet,  u.  s.  w. 

Was  nun  noch  den  äusseren  Umriss  der  hieher  gehörigen  Querschnittsfor- 
men betrifft,  so  zeigt  derselbe  mannigfache  Uebergänge  von  der  Kreisform  zu 
einem  mehr  oder  minder  scharfwinkligen  Dreieck.  Je  deutlicher  aber  diese 
letztere  Form  hervortritt,  desto  entschiedener  verlangt  das  mechanische  Prin- 
cip,  wie  leicht  einzusehen,  eine  Verstärkung  der  Ecken.  Solche  Verstärkungen 
kommen  nun  in  der  That  vor,  und  zwar  oft  in  sehr  augenfälliger  Weise.  Als 
ein  prägnantes  Beispiel  dieser  Art  verdient  namentlich  Cyperus  badius  erwähnt 
zu  werden,  von  dem  ein  Querschnitt  durch  die  Kante  in  Fig.  9  auf  Taf.  I  dar- 
gestellt ist.  Man  ersieht  aus  dieser  Figur  ohne  Weiteres,  dass  die  starken 
Bastverbindungen  zwischen  den  peripherischen  Trligern  einen  bedeutenden  Ma- 
terialaufwand beanspruchen . 

Die  genaue  mechanische  Werthung  all'  dieser  verschiedengestaltigen  Grup- 
pirungen  würde  natürlich  ebensoviele  besondere  Berechnungen  voraussetzen, 
als  Verschiedenheiten  in  den  maassgel)enden  Form-  und  Distanzverhältnissen 
der  einzelnen  Systemtheile  vorkommen.  Auf  eine  so  umständliche  Prüfung 
glaube  ich  indess  füglich  verzichten  zu  dürfen.  Statt  dessen  mag  der  vorhin 
erwähnte  ausgezeichnete  Repräsentant  dieses  Typus,  Sciipus  Hohschoemis.  der 
sich  schon  durch  seine  cylindrische  Form  besonders  empfiehlt,  für  die  approxi- 
mative Schätzung  des  Systems  als  Beispiel  dienen.  Wir  setzen  den  Durch- 
messer des  ganzen  Querschnittes  wieder  =  1000  Centimeter  und  legen  sodann 
der  Berechnung  folgende  weitere  Annahmen  zu  Grunde. 

1)  Die  Epidermis  wird  als  eine  mit  Bast  gleichwerthige  Haut  von  1  Ctm. 
Dicke  in  Rechnung  gebracht. 

2)  Die  Zahl  der  Bastrippen  sei  96,  ihre  Höhe  40,  die  mittlere  Breite  12 
Ctm.,  folglich  der  Querschnitt  480  oder  zusammen  40080  DCtm.;  endlich  der 
Abstand  der  Schwerpunkte  vom  Centrum  =  480  Ctm. 

3)  Die  Gefässbündel,  resp.  deren  Bastsicheln,  sind  in  drei  Kreise  geord- 
net. Auf  je  4  Bastrippen  kommt  ein  Bündel  der  äussersten  Reihe  mit  einem 
Querschnitt  von  250  DCtm.,  zusammen  24.250  =  6000  DCtm.;  Abstand  vom 
Centrum  =  430  Ctm.  Auf  je  zwei  dieser  Bündel  kommt  ein  damit  alterniren- 
des  der  mittleren  Reihe,  macht  im  Ganzen  12  Bündel  mit  je  500  DCtm.  oder 
zusammen  (JOOO  DCtm.;  Abstand  vom  Centrum  =  400  Ctm.  Endlich  ebenso- 
viele Bündel  der  innersten  Reihe  mit  je  750  DCtm.  Querschnittsfiäche,  zusam- 
men 9000  DCtm.;  Abstand  vom  Centrum  360  Ctm. 


.  Die  meclianischen  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderlichen  Biegungsfestigkeit.  51 


Unter  diesen  Voraussetzungen,  welche  annähernd  der  Wirkliclikeit  ent- 
sprechen, ergibt  die  Keclinung  einen  Gesaniuitqncrschnitt  von  70220  DCtni. 
und  als  Maass  des  Biegungsmomentes  7318  Millionen,  folglich  auf  12000  DCtm. 
1250  Millionen.  Die  Wanddicke  der  Construction  beträgt  ungefähr  des  Durch- 
messers, also  etwas  weniger  als  bei  Scirpiis  caespitosuts  \  dafür  ist  dieselbe  auf 
der  Innenseite  durch  einen  wenigstens  ebenso  dicken  Beleg  von  Markparen- 
chym  hinlänglich  ausgesteift.  Das  Alles  beweist  uns,  dass  Scirpus  Ilolosrhoenus 
unstreitig  eines  der  stärksten  und  zugleich  bestconstruirten  mechanischen  Sy- 
steme besitzt. 

Flinfter  Typus.  Die  subepidermalen  Bastrippen  nicht  direct  an  die 
Mestomstränge  angelehnt,  meist  sehr  massiv  aber  wenig  zahlreich,  stets  mit 
den  inneren  und  grössten  GefässbUndeln  im  gleichen  Radius  liegend  und  zu 
Trägern  verbunden ;  zu  beiden  Seiten  dieser  Hauptträger  die  kleineren  Gefäss- 
blindel  in  symmetrischer  Anordnung,  —  Hieher  die  Stengel  von  Jimcus  glaucus, 
Schoenus  nigricans  und  ferrugineus. 

Abgebildet:  Juneiis  glaucus,  Taf.  II,  2  und  Taf.  III,      Schoenus  nigricans,  Taf.  II,  4. 

Zwischen  diesem  und  dem  vorhergehenden  Typus  kommen  Uebergänge 
vor,  die  jedoch  schon  desshalb  kein  besonderes  Interesse  gewähren,  weil  selbst 
die  oben  aufgezählten  typischen  Repräsentanten  den  im  Vorhergehenden  be- 
sprochenen Cyperaceen  ausserordentlich  nahe  stehen.  Die  Hervorhebung  der 
wenigen  abweichenden  Eigenthümlichkeiten  wird  daher  zur  Characteristik  die- 
ses Typus  vollständig  genügen. 

In  erster  Linie  fällt  wohl  jedem  Beobachter  der  relativ  grosse  Abstand 
zwischen  den  subepidermalen  Bastrippen  in  die  Augen,  deren  Gesammtzahl  in 
der  Regel,  je  nach  der  Stärke  des  Stammes,  nur  12  bis  18  beträgt  und  bei 
den  einheimischen  Formen  wohl  nie  Uber  20  steigt.  Dafür  sind  diese  Rippen 
beträclitlich  stärker  construirt  als  bei  Öyperus  oder  auch  bei  Scirpus  Holoschoe- 
nus  und  überdiess  durch  eine  beinahe  glockenförmige  Querschnittsform  aus- 
gezeichnet. Ein  weiteres  Unterscheidungsmerkmal  liegt  darin,  dass  die  grossen 
radialen  Träger  durch  Combination  der  Bastrippen  mit  den  GefässbUndeln  der 
inneren  Reihen  zu  Stande  kommen,  indess  die  kleineren,  mehr  peripherischen 
Bündel,  die  übrigens  auf  eine  einfache  Reihe  beschränkt  sein  können,  als  unter 
sich  und  mit  den  Hauptträgern  verbundene  Zwischenglieder  zu  betrachten  sind. 
In  complicirteren  Fällen,  wie  sie  namentlich  bei  Jimcus  glaucus  vorkommen, 
gruppiren  sich  die  GefässbUndel  in  eine  förndiche  Phalanx  von  4  bis  6  Glie- 


Fig.  7. 

dern,  welche  ungefähr  nach  den  Schemata  Fig.  7  aufgestellt  sind.  Die 
grösste  Complication  fand  ich  bei  einem  Riesenexemplare,  welches  von  Herrn 

4* 


52 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotj^len. 


Dr.  W.  Schimper  md  seaturigines  regionis  Raphidiim  g-esammelt  worden  war. 
Dasselbe  hatte  bis  zum  Gipfel  der  Inflorescenz  genau  2  Meter  Höhe  und  zu- 
nächst der  'Basis  5  Millimeter  Durchmesser.  Ein  Stück  eines  Querschnittes  ist 
auf  Taf.  III,  Fig.  3  dargestellt.  Die  peripherischen  Rippen  sind  hier  aus- 
nahmsweise viel  kleiner  als  gewöhnlich,  dafür  aber  in  grösserer  Zahl  vorhan- 
den. —  In  dritter  Linie  stinnnt  auch  der  Bau  der  einzelnen  Bündel  nicht  ganz 
mit  demjenigen  überein,  der  bei  den  Cyperaceen  des  vierten  Typus  der  ge- 
wöhnliche ist.  Die  Bastsicheln  sind  zwar  auch  hier  vorwiegend  (und  bei 
schwächeren  Stengeitheilen  zuweilen  ausschliesslich)  auf  die  innere  Seite  der 
Mestomsträuge  verlegt;  allein  es  kommt  doch  im  Ganzen,  zumal  bei  den  klei- 
neren Bündeln,  selten  vor,  dass  die  Aussenseite  einer  Bastbekleidung  vollstän- 
dig entbehrte.  Ja  bei  diesen  kleineren,  mehr  peripherischen  Bündeln  halten 
sich  die  beiden  Bastbekleidungen  hin  und  wieder  so  ziemlich  die  Waage,  wäh- 
rend die  den  Rippen  opponirten  grösseren  GefässbUndel  auf  der  Cambiform- 
seite  ausnahmslos  eine  schwächere  oder  auch  gar  keine  Bastbekleidung  auf- 
weisen. Unter  den  allerkleinsten  Bündeln  der  äussersten  Reihe  gibt  es  sogai' 
einzelne,  welche  nur  auf  der  Aussenseite  Bast  besitzen,  und  in  seltenen  Fällen 
kommen  auch  vollständig  isolirte,  von  grünen  Rindenzellen  rings  umschlossene 
Bastbündel  in  dieser  nämlichen  Region  vor. 

Wie  alle  diese  Vorkommnisse  mechanisch  zu  erklären  seien,  ist  mir  in 
den  Einzelnheiten  nicht  ganz  klar.  Im  Allgemeineu  aber  scheint  mir  die  rich- 
tige Deutung  der  Sache  in  folgender  Betrachtung  zu  liegen.  Der  grosse  Ab- 
stand zwischen  den  subepidermalen  Rippen,  der  für  Juncus  glaucus  im  Gegen- 
satz zu  Cyperus  und  dessen  Verwandten  characteristisch  ist,  bedingt  auch 
einen  entsprechenden  Bau  des  zwischenliegenden  Wandstücks.  Wenn  dieses 
Wandstück,  für  sich  allein  betrachtet,  eine  möglichst  grosse  Festigkeit  erhal- 
ten und  dadurch  den  hohlen  Stengel  vor  dem  Einknicken  bewahren  soll,  so 
müssen  seine  widerstandsfähigen  Elemente  nothwendig  so  gruppirt  sein ,  dass 
die  innere  Hälfte  ungefähr  so  stark  ist  als  die  äussere  und  mit  dieser  eine 
Trägergruppe  bildet,  deren  neutrale  Queraxe  nahezu  in  die  Mitte  der  Wand 
fällt.  Mit  andern  Worten:  die  Bastsicheln  der  iniferen  Gefässbündel  finden  in 
diesem  Wandstück  ihre  Opponenten  nicht  in  den  subepidermalen  Rippen,  w^ie 
bei  Cyperus^  sondern  in  den  aussenseitigen  Bastbündeln  der  peripherischen 
Mestomsträuge.  Die  subepidermalen  Bastrippen  sind  gleichsam,  soweit  sie  nicht 
zu  Hauptrippen  verschmolzen  erscheinen,  weiter  nach  innen  gerückt  und  haben 
sich  mit  den  benachbarten  Gefässbündeln  vereinigt. 

Besondere  Erwähnung  verdient  ferner  die  Mestomscheide,  die  in  den  mei- 
sten Fällen  mit  seltener  Deutlichkeit  hervortritt.  Der  äussere  oder  Cambiforni- 
bogen  besteht  nämlich  aus  stark  verdickten,  schon  in  Wasser  gelblichen  ^in 
Kali  goldgelben  oder  dunkel -orangefarbigen)  Zellen,  welche  sich  beiderseits 
an  das  hier  ziemlich  feste  Holzparenchym  anschliessen ;  der  grössere  innere 
Bogen  dagegen,  der  die  sämmtlichen  Gefässe  umspannt,  ist  aus  dünnwandigen 
oder  nur  wenig  verdickten  Zellen  zusammengesetzt. 


Die  mecliauisclion  Systonio.  zur  Herstellung  der  crfordcrliciien  Bicguiigsfestigkeit.  5^ 


Endlich  hat  aueli  noch  das  Grundg'cwcbc  seine  Eigenthünilichkeiten.  Das- 
selbe besteht  wie  gewöhnlicli  aus  einer  perii)lierisclicn  grlinen  und  einer  inneren 
farblosen  Zone.  Die  Gefässbündel  sind  fast  ausschliesslich  in  diese  letztere  ein- 
gebettet; in  der  grünen  Rinde  liegen  nieist  nur  die  subepidermalen  Kippen. 
Es  ist  ferner  beachtenswerth ,  dass  die  Luftkanäle ,  welche  bei  Jimcus  glaurm 
das  Grundgewebe  durchziehen ,  sich  im  Radius  der  grossen  Träger  befinden, 
statt  wie  bisher  zwischen  dieselben  eingeschoben  zu  sein;  jede  Bastrippe  ent- 
spricht einem  mit  lockerem  Filzgewebe  ausgefüllten  Luftkanal. 

Der  innere  Umriss  des  Grundgewebes  ist  im  Allgemeinen  durch  die  Lage 
der  Gefässbündel  bestimmt,  d.  h.  die  Höhlung  des  Markes  reicht  nahezu  bis 
an  die  inneren  Reihen  der  Geiässbündel.  Immerhin  ist  dieses  ringfcirmige 
Grundgewebe  stark  genug,  um  zwischen  den  Trägergrup})en  einen  genügenden 
tangentialen  Verband  herzustellen.  Das  lockere  Gewebe,  welches  den  grossen 
centralen  Hohlraum  ausfüllt,  besteht  aus  zierlich  verbundenen  sternförmigen 
Zellen. 

Bezüglich  der  Festigkeit  dieser  Construction  mögen  die  folgenden  approxi- 
mativen Ziffern,  die  sich  zunächst  auf  die  stärkeren  Stengeitheile  von  /.  glau- 
cus  beziehen ,  zur  Vergleichung  dienen.  Die  Gefässbündel  seien  nach  dem 
Schema  Fig.  7  geordnet.  Man  hat  alsdann  für  die  Querschnitte  der  Bastbeklei- 
dungen : 

1)  Im  innersten  Kreis  8  Bündel  mit  je  780  DCtm.,  'zusammen  =  6240 

□  Ctm.;  Abstand  d^r  Schwerpunkte  vom  Centrum  =  320  Ctm. 

2)  Im  folgenden  Kreis  8  Bündel  mit  je  700  DCtm.,   zusammen  =  5600 

□  Ctm.;  Abstand  vom  Centrum  =  330  Ctm. 

3)  Im  dritten  Kreis  16  Bündel  mit  je  640  DCtm.,  zusammen  =  10240^ 

□  Ctm.;  Abstand  vom  Centrum  =  400  Ctm. 

4)  Im  vierten  Kreis  32  Bündel  mit  je  400  □Ctm.,    zusammen  =  12800 

□  Ctm.;  Abstand  vom  Centrum  =  420  Ctm. 

5)  Sechszehn  Bastrippen,  jede  öO  Ctm.  hoch  und  im  Mittel  30  Ctm.  breit, 
folglich  mit  einer  Querschnittsfläche  von  16  .  1500  =  24000  □Ctm.;  Ab- 
stand vom  Centrum  =  480  Ctm. 

6)  Endlich  die  Epidermis,  J  Ctm.  dick;  Querschnitt  =3140  □Ctm.;  Ab- 
stand vom  Centrum  =  500  Ctm. 

Diess  vorausgesetzt  ergibt  die  Rechnung  einen  Gesammtquerschnitt  von 
62020  □Ctm.  und  als  Maass  des  Biegungsmomentes  5729  Millionen,  folglich 
auf  12000  □Ctm.  Querschnitt  1108  Millionen.  Da  die  Wanddickc  in  der  Regel 
zwischen  7,-,  und  '/,;  des  Durchmessers  variirt,  so  ist  die  Gefahr  des  zu  frühen 
Einknickens  von  vorn  herein  als  beseitigt  zu  betrachten. 

Sechster  Typus.  Die  subepidermalen  Bastrippen  den  peripherischen 
Mestomsträngen  in  Zahl  und  Lage  entsprechend  und  bei  mässigem  Abstände 
häufig  mit  denselben  verwachsen.  Gefässbündel  in  Abstufungen,  wie  bei  vor- 
hergehendem Tyj)us.  —  Ilieher  die  Stengel  folgender  Binsen :  Juncus  conglo- 


54 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Mouocotylen. 


meratus  und  effusus\  als  Uebergangsform  zum  vierten  Typus  auch  Schoenus 
mmromius. 

Abgebildet:  Jimms  conglomemtus,  Taf.  II.  Fig.  3;  Schoenus  mucronatm,  Taf.  II,  Fig.  5. 

Die  genannten  Gewächse  schliessen  sich  zunächst  an  die  stielrunden  For- 
men des  vierten  Typus,  weniger  eng  an  Juncus  glaucus  an.  Mit  jenen  haben 
sie  die  grosse  Zahl  der  subepidermalen  Bastrippen,  mit  diesem  die  anatomi- 
schen Eigenthüniliclikeiten  der  rTefässbündel  und  des  Grundgewebes,  die  stern- 
förmigen Zellen  des  Markes  und  stellenweise  auch  die  Lage  der  Luftkanäle 
gemein.  In  der  Anordnung  der  Gefässbündel  stimmen  ohnehin  die  in  Rede 
stehenden  Typen  im  Wesentlichen  überein.  Das  Unterscheidende  dieser  Gruppe 
liegt  denrzufolge  hauptsächlich  darin,  dass  viele  der  zahlreichen  Bastrippen  (es 
sind  deren  oft  über  50i  mit  den  benachbarten  Mestomsträngen  verwachsen  sind 
(Fig.  3  auf  Taf.  II).  Dieses  eine  Merkmal,  das  auf  den  ersten  Blick  von  ge- 
ringem Belang  zu  sein  scheint,  zeigt  indessen  eine  so  merkwürdige  Constanz, 
dass  ich  die  Aufstellung  einer  darauf  basirten  kleinen  Gruppe  nicht  wohl  um- 
gehen konnte.  Ich  habe  z.  B.  nie  Uebergänge  zu  Juncus  glaucus  gefunden, 
obschon  diese  Speeles  den  hieher  gehörigen  Arten  systematisch  nahe  steht. 
Selbst  die  hybride  Form  ./.  diffus us  Hoppe  =  J.  effuso- glaucus  Schnizl.  «5^ 
Frirkh.,  von  welcher  ich  zwei  Exemplare  untersuchte,  zeigte  in  einem  Falle 
genau  das  Verhalten  von  /.  glaucus^  im  andern  dasjenige  von  /.  effusus  oder 
conglomeratus.  Nichtsdestoweniger  liegt  natürlich  die  Verniuthung  nahe,  dass 
unter  einer  grösseren  Anzahl  Bastarde  auch  Zwischenformen  vorkommen  werden. 

Bei  dem  als  Uebergangsform  bezeichneten  Schoenus  mucronatus  sind  nui* 
etwa  5  bis  7  grössere  Bastrippen  mit  Mestomsträngen  verwachsen  :  die  übrigen 
sind  frei.   Auch  ist  das  Mark  nicht  hohl,  sondern  geschlossen-parenchymatisch. 

In  mechanischer  Hinsicht  sind  die  zwei  typischen  Repräsentanten  dieser 
Gruppe  beträchtlich  leichter,  aber  im  Uebrigen  ähnlich  construirt,  wie  /.  glau- 
cus. Der  Gesammtquerschnitt  der  Bastmassen  mag  bei  einem  Durchmesser  von 
1000  Ctm.  etwa  40,000  DCtm.  betragen,  welche  wegen  der  grossen  Abstände 
vom  Centrum  zwar  ein  verhältnissmässig  hohes  Biegungsmoment,  aber  eine 
geringe  Wandstärke  ergeben.  In  der  That  knicken  die  Halme  von  J.  conglo- 
meratus schon  bei  schwacher  Biegung  leicht  ein,  schnellen  aber  nachher  wie- 
der elastisch  empor. 

Siebenter  Typus.  Die  Mehrzahl  der  subepidermalen  Bastrippen  mit 
den  peripherischen  Mestomsträngen  verwachsen.  Vom  vorhergehenden  Typus 
durch  die  unregelmässige  Anordnung  der  tiefer  liegenden  Getässbündel  ver- 
schieden. Halm  dreikantig.  —  Hieher  die  Cyperaceen:  Carex  maxima,  lupu- 
lina  Mhlbg.^  Japonica  Thhg.  u.  a.  von  starkem  Wuchs,  Eriophorum  latifolium 
und  vaginatum,  Sciipus  7naritimus ,  sylvaticus  und  atrocirens  JVilld. ;  ferner 
Cyperus  conglomeratus  Rottb.  und  albostriatus  Schrad. 

Abgebildet:  Scirpm  atrovirem,  Taf.  II,  6;  Sc.  sylvaticus,  Taf.  IV,  1 ;  Er iophoruvi  latifo- 
lium, Taf.  III,  2 ;  Cyperus  conglvmerutus,  Taf.  XI,  4. 


I 


3.  Die  mechauischon  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderlichen  Bieguugsfestigkeit.  55 


Die  Querschnittsforiiien  dieses  Typus  hüben  unverkeniib<ar,  trotz  der  nahen 
Verwandtschaft  mit  dem  vorhergehenden,  etwas  Eigenartiges,  was  sie  vor  an- 
dern Halbgriisern  und  binsenartigen  Gewächsen  auszeichnet.  Wir  sehen  hier 
das  vorhandene  Bastmaterial  vorzugsweise ,  zumal  in  den  stärkeren  Stengei- 
theilen ,  auf  die  peripherischen  Rippen  verwendet ,  welche  in  manchen  Fällen 
mindestens  drei  Viertel  des  ganzen  Querschnittes  in  Anspruch  nehmen.  Schon 
die  Bastsicheln  der  zugehörigen  Mestonistränge  erscheinen  im  Vcrhältiiiss  zu 
den  Rippen  klein ;  noch  schwächer  sind  die  Bastbekleidungen  der  tiefer  liegen- 
den Bündel ,  dabei  aber  nicht  selten  auf  der  Innen-  und  Aussenseite  ungefähr 
gleich  stark  oder  auch  zu  einer  ringsum  geschlossenen  Hülle  verbunden.  Die 
Gruppirung  dieser  inneren  Gefässbündel  ist  fast  immer  eine  unregelmässige. 
Im  einfachsten  Falle  altcrniren  dieselben  in  nicht  ganz  gleichen  Abständen  mit 
den  peripherischen  Trägern ;  in  andern  Fällen  bilden  sie  eine  unregelmässige 
Doppelreihe  oder  liegen  beliebig  im  peripherischen  Theil  des  Markes  zerstreut. 
Hin  und  wieder  niijgen  sie  auch  etwas  weiter  nach  innen  vordringen ,  als  es 
das  mechanische  Princip  der  Bieguugsfestigkeit  verlangen  würde;  doch  sind 
solche  Vorkommnisse  im  Ganzen  genommen  nicht  häufig.  Bei  Scirjnis  srjlva- 
ticus  beträgt  z.  B.  die  VVanddicke  von  der  Epidermis  bis  zur  innersten  Gefäss- 
bündelreihe  nur  etwa  des  Durchmessers,  den  letzteren  von  einer  Seite  des 
Dreiecks  bis  zur  gegenüber  liegenden  Ecke  gemessen.  A.ehnlich  bei  Eriopho- 
rum  und  bei  Scirpus  atrovirens.  Der  aussergewöhnlich  stark  construirte  Cype- 
rus  conglomeratus  dagegen  besitzt  eine  Wandstärke  von  ca.  Vi  Durch- 
messers. 

Da  der  untere  Theil  des  Stengels  oder  wenigstens  der  Internodien  von 
starken  Scheiden  umhüllt  ist,  so  zeigt  das  mechanische  System  in  diesem  Theil 
des  Halmes  im  Allgemeinen  eine  schwächere  Ausbildung,  indem  z.  B.  die  peri- 
pherischen Rippen  nicht  selten  in  kleinere  Bastpartieen  zerrissen  erscheinen, 
von  denen  die  einen  sich  an  das  Mestom,  die  andern  an  die  Epidermis  anleh- 
nen. Durch  Verschmelzung  der  letzteren  in  tangentialer  Richtung  entstehen 
zuweilen  breite  Lamellen  (sog.  Hautgewebe) ,  deren  Elemente  indess  ächte  Bast- 
zellen sind. 

Das  Grundgewe])e  ist  in  den  meisten  mir  bekannten  Fällen  zwischen  den 
peripherischen  Trägern  durch  grössere  oder  kleinere  Luftkanäle  unterbrochen, 
welche  wie  gewöhnlich  ein  zartes  Fasergebälkc  enthalten:  nur  bei  den  genann- 
ten Cypei-us-kxiQVi  fehlen  dieselben.  Auch  der  centrale,  gefässbündelfreie  Theil 
des  Stengels  ist  gewöhnlich  mehr  oder  weniger  gelockert  oder  in  ein  Maschen- 
gewebe (wie  bei  Pajnjrun)  verwandelt;  aber  nur  selten  kommt  eine  grössere 
centrale  Höhlung  zu  Stande. 

Unter  den  schwächeren  Stammorganen  der  hieher  gehörigen  Gewächse  gibt 
es  manche,  welche  als  Uebergangsformen  zum  dritten  Typus  zu  betrachten  sind 
oder  auch  geradezu  diesem  Typus  angehören.  So  z.  B.  Eriophomm  Seheuch- 
zeri^  dessen  obere  Stengeltlieile  an  Scirpus  caespitosiis  und  Eriophorum  alpinmn 
erinnern,  indess  die  unteren  sich  an  die  grösseren  mehrjährigen  Wollgräser 


56 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


anschliessen.    Aelinlich  bei  Carex.  wo  die  Stengel  und  deren  Verzweigungen 
zwisclien  den  nämlichen  zwei  Typen  zu  schwanken  pflegen. 

Bezüglich  der  Widerstandsfähigkeit  dieses  Typus  bemerke  ich  nur,  dass 
die  dreieckige  Form  des  Querschnittes  bei  gleichmässiger  Vertheilung  des  Ma- 
terials,  sei  es  nun  auf  den  Umfang  oder  Uber  die  ganze  Fläche,  mechanisch 
ungünstig  ist.  Sowohl  die  Annäherung  an  die  Kreisform  als  die  Verstärkung 
der  Constructionstheile  in  den  Ecken  muss  demnach  als  eine  Anpassung  zu 
Gunsten  des  mechanischen  Princips  gedeutet  werden. 

Achter  Typus.  Zahlreiche  subepidermale  Kippen  ohne  directe  Verbin- 
dung mit  den  benachbarten  Mestomsträngen,  aber  mit  letzteren  zu  einem  peri- 
pherischen Trägersystem  combinirt.  Das  Grundgewebe  ein  Maschenwerk  mit 
eigenthlimlicher,  mechanisch  zweckmässiger  Anordnung  der  Scheidewände.  — 
Hieher  Scirpm  lacustris.  Tabernuemontani,  Duvalii,  triqueter  und  mucronatus. 
Abgebildet:  Scir/ms  lacustris,  Taf.  IV,  2,  4,  5  ;  Sc.  Buvalii,  Taf.  IV,  3. 

Die  reihenförmige  Anordnung  der  Typen  bringt  es  mit  sich,  dass  die  Ver- 
wandtschaftsbeziehungen derselben  nicht  immer  den  richtigen  Ausdruck  finden. 
Diess  gilt  namentlich  auch  von  den  oben  genannten  Scirpus-kri^Ti.  Dieselben 
schliessen  sich  gewissermaassen  zunächst  an  Papyrus  an,  dessen  Trägersystem 
in  allen  wesentlichen  Punkten,  wie  eine  Vergleichuug  der  Querschnitte  (Taf.  IV, 
Fig.  2,  3,  5  mit  Taf.  II,  Fig.  1)  sofort  ergibt,  übereinstimmend  construirt  ist. 
In  beiden  Fällen  zahlreiche  subepidermale  Rippen,  combinirt  mit  Mestomsträn- 
gen, von  denen  die  nächstliegenden  nur  auf  der  Innenseite  mit  Bastsicheln 
bekleidet  sind ,  während  die  weiter  abstehenden  beiderseits  kleine  Bastbelege 
aufweisen ;  dazu  ein  Grundgewebe,  dessen  peripherischer  Theil  aus  einem  ge- 
schlossenen Parenchym  besteht,  das  nur  zunächst  der  Epidermis  chlorophyll- 
haltig,  in  der  Umgebung  der  GefässbUndel  aber  farblos  ist. 

Diesen  übereinstimmenden  Merkmalen  steht  aber  eine  durchaus  verschie- 
dene Architectonik  des  Markgewebes  und  die  damit  zusammenhängende  Grup- 
pirung  der  markständigen  GefässbUndel  gegenüber.  Das  ganze  Innere  des 
Halmes  ist  nämlich  von  sehr  schwammiger  Beschaffenheit;  es  zeigt  uns  grosse 
luftführende  Kammern,  welche  durch  relativ  dünne,  meist  aus  drei  Zellschich- 
ten bestehende  Scheidewände  von  einander  geschieden  sind.  In  den  oberen 
Regionen  des  Stammes  bilden  diese  Wände  ein  einfaches,  auffallend  regel- 
mässiges Balkenwerk  (Fig.  4,  5  auf  Taf.  IV),  das  unwillkürlich  an  gewisse 
Holzconstructionen  (Lehrgerüste  u.  dgl.^  erinnert.  Weiter  nach  unten  wird  die- 
ses Balkenwerk  entsprechend  complicirter :  die  Grundfigur  bleibt  zwar  dieselbe, 
es  kommen  aber  mehr  und  mehr  neue  Streben  hinzu,  die  sich  in  verschiedener 
Weise  an  die  schon  vorhandenen  ansetzen.  Eine  Vergleichung  der  Figuren  4 
und  5,  von  denen  die  letztere  einen  Quadranten  vorstellt,  zeigt  am  besten,  wie 
auf  diesem  Wege  ein  immer  höherer  Grad  der  Gliederung  bei  augenfälliger 
Regelmässigkeit  der  Construction  zu  Stande  kommt.  Erst  ganz  unten  im 
Stamm,  wo  die  Zahl  der  Kammern  eine  sehr  grosse  ist,  geht  diese  Regel- 


3.  Die  mechanischen  Systeme  znr  Herstelintig  der  erforderlichen  Biegnngsfestigkeit.  57 

mässigkeit  theilweise  verloren ;  einzelne  Theile  der  Grundfigur  treten  aber  auch 
dann  noch  deutlich  hervor. 

Den  Knotenpunkten  dieses  Fachwerkes,  wenigstens  denjenigen  der  Grund- 
tigur,  entspricht  nun  je  ein  grösseres  Gefässbiindel ;  einzelne  kleinere  Bündel 
(bei  iS".  Duvalii  ausnahmsweise  auch  isolirte  Stränge  von  Bast)  kommen  auch 
ausserhalb  der  Knoten  in  den  secundären  Streben  vor.  Die  Bastbekleidungen 
dieser  Bündel,  zumal  der  inneren,  haben  stets  nur  eine  geringe  Mächtigkeit, 
sind  aber  in  der  Regel  auf  der  Aussen-  und  Innenseite  vorhanden ;  bei  schwä- 
cheren Stengeln  sind  es  oft  nur  wenige  Zellen ,  die  auch  vollständig  fehlen 
können. 

Diese  xVugaben  beziehen  sich  zunächst  auf  >S.  lacustris  und  Tabemaemon- 
tani^  sowie  auf  die  vorherrschenden  Formen  von  S.  Duvalii.  Die  Festigkeit 
des  Stammes  variirt  übrigens  bei  allen  diesen  Arten  bedeutend.  Sowohl  die 
Wanddicke,  als  die  Anzahl  und  Stärke  der  Bastbündel  erscheint  je  nach  dem 
Standorte  mehr  oder  weniger  verändert.  Am  stärksten  war  unter  den  Formen, 
die  mir  zu  Gesichte  kamen,  ein  Herbarienexemplar  von  S.  Duvalii  construirt, 
das  nach  der  Etiquette  »an  einem  ganz  abgelegenen,  unter  dichtem  Gebüsche 
verborgenen  Waldgraben  bei  Zienken  (Baden)«  gesammelt  worden  war  und  von 
dem  ein  Stück  eines  Querschnittes  in  Fig.  3  auf  Taf.  IV  dargestellt  ist.  —  Die 
beiden  letztgenannten  Repräsentanten  des  Typus,  S.  triqueter  und  mucronatus, 
weichen  schon  durch  die  scharfdreikantige  Form  des  Stengels  und  ausserdem 
durch  einige  Eigentliümlichkeiten  des  Baues  von  den  vorhergehenden  ab ;  sie 
besitzen  jedoch  ein  ähnlich  zusammengesetztes  Markgebälke  und  können  daher 
ungezwungen  hier  untergebracht  werden. 

Zur  Beurtheilung  der  Biegungsfestigkeit  mögen  nachstehend  noch  einige 
Ziffern  folgen,  welche  auf  Messungen  und  approximativen  Schätzungen  an  einem 
10  Millimeter  dicken  Halm  von  S.  lacustris  beruhen.  Man  hat  auf  1000  Ctm. 
Durchmesser : 

1)  Die  Epidermis,  deren  Dicke  ich  hier  bloss  zu  0,5  Ctm.  veranschlage; 
Querschnitt  1570  DCtra.    Maass  des  Biegungsmomentes  190  Millionen. 

2)  Dreihundert  Bastrippen  zu  8  DCtm.,  zusammen  2400  DCtm.;  Maass  des 
Biegungsmomentes  'MM)  Millionen. 

W]  Eine  Zickzacklinie  von  Gefässbündeln,  deren  Bastbekleidungen  zusammen 
etwa  3500  DCtm.  Querschnitt  besitzen  und  im  Durchschnitt  20  Ctm.  von 
der  Oberfläche,  folglich  480  Ctm.  vom  Centrum  abstehen.  Maass  des 
Biegungsmomentes  403  Millionen. 

4j  Zwanzig  Gefässbündel  mit  doppelter  Bastbekleidung  in  den  peripherischen 
Knotenpunkten  des  Markgebälkes;  Querschnitt  =  2000  DCtm..  Abstand 
vom  Centrum  =  450  Ctm.    Maass  des  Biegungsmomentes  203  Millionen. 

5)  Zehn  etwas  tiefer  liegende  Gefässbündel  mit  einem  Gesannntquerschnitt 
von  500  DCtm.:  Abstand  vom  Centrum  =  425  Ctm.  Maass  des  Bie- 
gungsmomentes 45  Millionen. 


58 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


Die  Addition  ergibt  einen  Querschnitt  von  9970  DCtm.  und  als  Maass  des 
Bieguugsmomentes  1147  Millionen;  folglich  auf  12000  DCtm.  1380  Millionen. 
Dieser  hohen  Ziffer  entspricht  jedoch  eine  auflallend  geringe  Wanddicke  des 
Systems,  in  Folge  welcher  die  Halme  trotz  der  mancherlei  Aussteifungsvorrich- 
tungen dem  P^inknicken  unterworfen  sind.  Diese  Gefahr  kann  indessen  durch 
einen  hinreichend  hohen  Wasserstand  beseitigt  werden;  die  Halme  bieten  als- 
dann dem  Winde  einen  ktirzern  Hebelarm  und  neigen  sich  überdiess  in  ziem- 
lich starken  Winkeln  von  demselben  ab. 

Neunter  Typus.  Die  subepidermalen  Bastrippen  mit  einem  einfachen 
Kreis  von  3  bis  G  Gefässhündeln  combinirt;  zwischen  diesen  Bündeln  gewöhn- 
lich grosse  Luftkanäle.  Das  Mark  geschlossen-parenchymatisch.  —  Plieher  die 
sämmtlichen  kleinen  holepts- Formen  :  I.  paucißora,  Satiana  R.  S..  Bergiana 
Nees,  proUfera  E.  Br..  setacea  und  supina^  sowie  die  Blüthenstiele  von  I.  ßid- 
tans.  Die  fluthenden  Halme  der  letztgenannten  Art  gehören  dagegen,  weil  sie 
keine  Biegungsfestigkeit  bedürfen ,  nicht  hieher ,  sondern  verhalten  sich  wie 
Rhizome. 

Der  vorstehenden  Characteristik  dieser  kleinen  Binsengewächse  habe  ich 
nur  wenige  Worte  beizufügen.  Die  Gefässbündel ,  deren  Zahl  für  die  unter- 
suchten Fälle  oben  angegeben  wurde,  haben  durchgehends  schwache  oder  auch 
gar  keine  Bastbekleidungen,  dabei  aber  doch  immer  starke  Mestomscheiden 
und  widerstandsfähige  Holzzellen.  Der  Bast  ist  demnach  in  manchen  Fällen 
auf  die  Rippen  beschränkt,  ganz  wie  bei  Arum  maculatum ;  da  jedoch  bei  der 
nändichen  Speeles  Uebergänge  vorkommen  und  alles  Uebrige  sonst  gleich  bleibt, 
so  hätte  eine  Trennung  auf  Grund  der  fehlenden  oder  vorhandenen  Bastbelege 
keinen  Sinn.  —  Die  Querschnittsform  ist  in  Fig.  7  auf  Taf.  IV  veranschau- 
licht. Verschiedene  stärkere  Repräsentanten  der  Gattung  Isolejns  gehören  zum 
vierten  Typus. 

Zehnter  Typus.  Die  subepidermalen  Rippen  frei  oder  zum  Theil  mit 
den  Mestomsträngen  verwachsen ;  eine  Ringlage  der  letzteren  durch  Bastverbin- 
dungen in  tangentialer  Richtung  verschmolzen.  —  Hierher  die  Halme  von  Jun- 
cus  paniculatus  (Taf.  V,  Fig.  2)  und  /.  acutus ,  sowie  von  Cladiimi  Mariscus 
(Taf.  IV,  8  und  V,  1). 

Das  wesentlichste  Merkmal  dieser  Gruppe  scheint  mir  darin  zu  liegen, 
dass  ein  Theil  der  Gefässbündel  durch  tangentiale  Bastverbindungen  zu  einem 
continuirliclien  oder  auch  öfter  unterbrochenen  Ring  verschmolzen  erscheint  und 
dass  gleichzeitig  subepidermale  Bastrippen  vorhanden  sind.  In  diesem  Punkte 
stimmt  Cladium  mit  den  genannten  Jimcus-kxtew  überein,  während  in  manchen 
andern  allerdings  erhebliche  Unterschiede  hervortreten.  Der  Gefässbündelring 
ist  z.  B.  bei  Cladium  in  der  Regel  nicht  unterbrochen;  es  ist  ein  förmlicher 
Bastring,  der  überdiess  mit  den  grösseren  subepidermalen  Rippen  in  ähnlicher 
Weise  in  Verbindung  steht,  wie  man  es  gewöhnlich  bei  den  Gramineen  beobach- 
tet.   Juncus  dagegen  gewährt  weniger  den  Eindruck  eines  Bastringes  als  den- 


3.  Die  mechauischeii  Systeme  zur  Herstelluug  der  erforderlichen  Biegungsfestigkeit.  59 


jenigen  verschmolzener  Bündel:  auch  stehen  die  Unterbrechungen,  wie  sie  bei 
schwächeren  Stengehi  häufig  vorkommen ,  mit  dem  Begriff  eines  Bastringes  in 
Widersprucli.  Wie  dem  auch  sein  mag,  in  mechanischer  Beziehung  liegt  so 
wie  so  eine  Combination  von  Bastrippen  mit  einer  ringartigen  Verbindung  tiefer 
liegender  Constructionstheile  vor,  wozu  sich  dann  noch  kleinere  und  grössere 
isolirt  stehende  Bündel  als  versteifende  Elemente  gesellen. 

In  gewissem  Sinne  konmien  übrigens  solche  ringförmige  Verbindungen  wi- 
derstandsfähiger Elemente  sciion  bei  den  früher  besprochenen  Typen  hin  und 
wieder  vor,  besonders  da,  wo  peripherische  Träger  mit  Luftkanälen  alterniren 
und  nach  innen  an  ein  lockeres  Markgewebe  grenzen.  In  solchen  Fällen  ist 
nämlich  das  Parencliym ,  welches  die  inneren  Gurtungen  (Trägerhälften)  unter 
sich  verbindet,  bisweilen  stark  verdickt  und  jedenfalls  sehr  fest,  so  z.  B.  bei 
Kobresia  caricina\  da  jedoch  für  unsere  Betrachtung  die  Gruppirung  der  Bast- 
zellen als  der  spezifisch  mechanischen  Elemente  maassgebend  ist,  so  können 
die  bezeichneten ^Constructionen  höchstens  als  gleich  starke,  nicht  aber  als 
gleichartige  Systeme  betrachtet  werden. 

Ausserhalb  der  Ringlage  von  Gefässbündeln  finden  sich  bei  sämmtlichen 
Repräsentanten  dieser  Gruppe  kleinere  Mestomstränge,  welche  bei  Cladium  mit 
den  Rii)pen  verwachsen,  bei  Jimcus  dagegen  durch  besondere  Bastsicheln  ver- 
stärkt sind ;  ebenso  auf  der  Markseite  des  Ringes  grössere,  mit  Basthüllen  ver- 
sehene Bündel;  die  sich  mehr  oder  weniger  weit  nach  innen  vorschieben.  Die 
meisten  dieser  Bündel  dienen  offenbar  zur  Aussteifung  des  Systems. 

Die  arithmetische  Bestimmung  der  Biegungsfestigkeit  würde  für  die  ver- 
schiedenen Vertreter  des  Typus  sehr  ungleich  ausfallen ,  da  die  Querschnitts- 
fiächen  bedeutend  differiren.  Am  stärksten  ist  wohl  Cladium  gebaut,  wo  die 
Rippen  (wie  gewöhnlich  auf  eine  Halmdicke  von  1000  Ctm.  berechnet)  etwa 
15000  DCtm.  und  der  Bastring  wenigstens  60000  DCtm.  Querschnitt  besitzt. 

* 

Als  Uebergangsformen  zu  dem  später  zu  besprechenden  Luzulatypus,  zu 
dem  auch  Jitncus  compressus.  hufonim  u.  a.  gehören,  erwähne  ich  nachträglich 
noch  Rhynchospora  alba  (Taf.  V,  Fig.  3)  und  Rh.  fusca,  deren  Gefässbündel- 
ring  nur  an  etwa  2  bis  4  Punkten  durch  vorspringende  Bastrippen  mit  der 
Epidermis  verbunden  ist ;  auch  bei  Juncus  tcnuis,  der  sich  sonst  eng  an  com- 
pressus anschliesst,  fand  ich  bisweilen  eine  solche  vorspringende  Bastrippe.  Es 
geht  aus  diesen  Vorkommnissen  klar  hervor,  dass  die  Unterschiede  des  Baues, 
denen  wir  bei  den  Juncaceen  begegnen,  selbst  innerhalb  dieser  Familie  nicht 
unvermittelt  dastehen  und  in  ihren  /Vnfängen ,  gleichsam  als  Wurzelformen, 
schon  bei  den  Cyperaceen  vertreten  sind.  —  Den  Anschluss  an  die  Gramineen 
vermittelt  Rhjnchospora  ßorida  A.  Dietr..  von  welcher  ein  Stück  eines  Halm- 
querschnittes  auf  Taf.  IV,  Fig.  6  dargestellt  ist. 


60 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylcn. 


3.  System  des  gerippten  Hohlcy  Ii  ndcrs  mit  Anschluss  der 

Rippen  an  die  Epidermis. 

Subepidennule  Bastrippen  in  Verbindung  mit  einem  continuirlichen  ßast- 
ring.  welcher  die  kleinen  Gefässbündel  der  äussersten  Reihe  in  sich  aufnimmt 
und  auch  mit  den  tiefer  liegenden  —  zum  Mindesten  mit  einem  Theil  dersel- 
ben —  verwachsen  ist. 

Das  System  des  gerippten  Hohlcylinders.  das  bei  Cladhim  noch  mit  freien 
subepidermalen  Bastrippen  combinirt  war,  gelangt  in  der  Familie  der  Gräser 
zu  völlig  selbständiger  Ausbildung  und  tritt  nun  bei  einer  grossen  Anzahl  von 
Repräsentanten  als  ein  in  sich  zusammenhängendes  Ganze  auf.  Wenn  wir  eine 
kleine  Gruppe  von  Gattungen  ausscheiden,  welche  sich  theils  den  Scitamineen, 
anderntheils  den  Palmen  anschliessen  [Saccharum .  Bambusa  etc.),  so  herrscht 
bei  den  übrigen  eine  so  grosse  Einförmigkeit  des  Baues,  dass  ihre  natürliche 
Verwandtschaft  auch  in  anatomischer  Hinsicht  sofort  in  die  Augen  springt. 
Der  Bast  erscheint  nämlich  durchgehends  als  ein  continuirlicher  Ring,  an  wel- 
chen sich  auf  der  Aussenseite  eine  veränderliche  Zahl  von  Rippen ,  auf  der 
Markseite  ein  Kranz  von  Gefässbündeln  anlehnt.  Die  Rippen  entsprechen  ge- 
wöhnlich den  Stellen,  wo  die  kleinen  peripherischen  Gefässbündel  sich  an  den 
Bastring  anschmiegen  oder  in  denselben  eingebettet  sind,  zuweilen  aber  auch 
den  grösseren  Bündeln,  welche  nach  innen  vorspringen.  Diese  Innern  Bündel 
stehen  nicht  selten  ungefähr  gleich  weit  von  der  Oberfläche  ab  und  bilden  als- 
dann auch  ziemlich  gleich  grosse  Vorsprünge  in  regelmässiger  Ringlage.  Oder 
sie  liegen  in  einer  Zickzacklinie  und  springen  zum  Theil  so  weit  nach  innen 
vor,  dass  die  Verbindung  mit  dem  Bastring  nur  durch  starke  Fortsätze  des 
letztern  erhalten  bleibt.  Bei  grösseren  Abständen  kann  es  auch  vorkommen, 
dass  solche  Bastfortsätze  in  der  Mitte  wie  eine  Sanduhr  zusammengezogen  oder 
auch  vollständig  zerrissen  sind,  indem  ein  Theil  des  Bastes  am  Bastring,  der 
andere  am  Gefässbündel  haften  blieb.  Noch  ein  Schritt  weiter,  und  das  Bün- 
del ist  ohne  alle  Beziehung  zum  Bastring. 

Endlich  gibt  es  auch  Gramineen,  bei  denen  nicht  bloss  einzelne  Gefäss- 
bündel vom  Bastring  getrennt  und  mehr  oder  weniger  nach  innen  vorgeschoben 
sind,  sondern  wo  eine  grössere  Anzahl  solcher  Bündel  im  Grundgewebe  zer- 
streut liegen.  Obschon  nun  freilich  dieser  letztere  Fall  durch  mancherlei  Ueber- 
gänge  mit  dem  erstgenannten  verbunden  ist,  so  schien  es  mir  doch  im  Inter- 
esse einer  bessern  Uebersicht  geboten,  solche  Abweichungen  in  einen  besondern 
Typus  zusammen  zu  fassen. 

Elfter  Typus.  Character  des  Systems;  die  Gefässbündel  sämmtlich  mit 
dem  Bastring  in  Verbindung  oder  höchstens  in  den  unteren  Internodien  etwas 
tiefer  ins  Mark  vorgeschoben  und  dann  isolirt.  —  Hieher  zahlreiche  Gramineen, 
z.  B.  Molinia  coerulea ,  Festuca  glauca ,  Bromus  spec.  Koelcria  cristata,  Ly- 


:^  Die  mechauisclien  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderlichen  Biegungsfestigkeit.  61 


geum  spartmn.  Plialaris  arundinacea^  Briza  media,  Pipfathernm  multißorum.  Alo- 
pecurus  pratensis  \\.  a. 

Abgebildet;   Plptatherum  nm/tißorum ,  Taf.  V,  4;    Molhiia  coemlea,  Taf.  V,  5;  Bromns 
spec,  Taf.  V,  6;  Alopecums  pratensis,  Taf.  V,  7. 

Der  den  Rippen  entsprechende  äussere  GefässbUndelkreis  besteht  vorwie- 
gend aus  kleineren  Bündeln,  die  sich  von  aussen  an  den  Bastring-  anlehnen 
oder  auch  mehr  oder  weniger  tief  in  denselben  einsenken.  Auf  der  Aussen- 
seite  werden  diese  Bündel  von  den  Rippen  überwölbt,  und  da  letztere  sich 
beiderseits  an  den  Ring  auschliessen,  so  liegen  die  Mestonistränge  thatsächlich  in 
einer  geschlossenen  Scheide  von  Bast.  Auch  die  grösseren  inneren  Bündel, 
deren  Canibiformseite  vöni  Bastring  gedeckt  ist,  besitzen  zuweilen  noch  eine 
förmliche  Basthülle,  welche  den  vorspringenden  Theil  des  Bündels  vollständig 
umschliesst,  oder  doch  eine  starke  Mestomscheide ,  die  mechanisch  den  näm- 
lichen Zweck  erfüllt. 

Der  Abstand  des  Bastringes  von  der  Oberfläche  und  die  damit  zusammen- 
hängende Höhe  der  Rippen  ist  im  obern  Theil  der  Internodien  fast  immer  etwas 
grösser  als  in  dem  von  der  Scheide  bedeckten  untern.  Hier  nehmen  die  Rippen 
eine  viel  breitere,  gleichsam  plattgedrückte  Form  an,  und  in  manchen  Fällen 
verschwinden  sie  vollständig,  indem  der  Bastring  sich  unmittelbar  an  die  Epi- 
dermis anlegt.  Und  wie  für  die  einzelnen  Glieder,  so  bestehen  merkliche  Unter- 
schiede zwischen  unten  und  oben  auch  für  den  ganzen  Halm.  Insbesondere  ist 
das  letzte  Internodium  nahe  der  Inflorescenz  nicht  selten  durch  verschiedene 
kleine  Eigenthümlichkeiten  ausgezeichnet,  welche  dem  Querschnitt  eine  etwas 
abweichende  Physiognomie  verleihen.  In  der  Hauptsache  jedoch  bleibt  das 
Schema  der  Anordnung  unverändert. 

Das  Markgewebe,  das  für  die  Aussteifung  des  Hohlcylinders  von  Bast 
immer  eine  gewisse  Bedeutung  hat,  ist  bekanntlich  in  der  Mitte  meistens  unter- 
brochen,  d.  h.  im  Querschnitt  ringförmig.  Die  Grösse  der  Höhlung  variirt 
übrigens  bedeutend:  sie  ist  beispielsweise  sehr  klein  bei  Festuca  glauca,  kaum 
entwickelt  bei  Lygeum  spartum  und  vollständig  fehlend  bei  Pipiatlierum  multi- 
ßorum. Wo  isolirte  Gefässbündel  im  Marke  vorkonnnen ,  sind  dieselben  stets 
nur  auf  eine  peripherische  Zone  vertheilt. 

Die  Epidermis  ist  bei  den  meisten  hieher  gehörigen  Arten,  wie  überhaupt 
fiist  durchweg  bei  den  Gramineen,  sehr  widerstandsfähig.  Ausnahmsweise 
erscheint  dieselbe  überdiess  durch  einen  Beleg  aus  bastähnlichen  Zellen  ver- 
stärkt ,  der  sich  ununterbrochen  über  die  ganze  Innenfläche  hinwegzieht ,  so 
z.  B.  bei  Plialaris  canariensis.  Diese  Zellen,  die  man  gewöhnlich  zum  Haut- 
gewebe rechnet,  sind  allerdings  nicht  innner  identisch  mit  den  Bastzellen  der 
nämlichen  Pflanze ;  sie  heben  sich  gerade  bei  Phularis  schon  durch  ihre  hellere 
Färbung  zumal  in  Kalilösungi  sehr  deutlich  von  denselben  ab.  Allein  sie 
geh()ren  doch  unstreitig  zur  Bastreihe  im  weitern  Sinne ,  indem  hiefür  schon 
ihre  bedeutende  Länge  und  die  kleinen  linksschiefen  Poren  die  erforderlichen 
Anhaltspunkte  liefern.    Uebrigens  ist  es  mir  wahrscheinlich .  dass  bei  der  An- 


62 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Moaocotylen. 


läge  und  Ausbildung-  solcher  Zellschicliten  unter  der  Epidermis,  wo  immer  sie 
auch  vorkommen  miigen.  in  erster  Linie  andere  Rücksichten  als  diejenige  auf 
die  grösstm()gliche  Biegungsfestigkeit  maassgebend  gewesen  sind. 

Der  mechanische  Werth  der  besprochenen  Construction  leuchtet  im  All- 
gemeinen ohne  Weiteres  ein,  da  sie  zu  den  in  der  Architectur  und  beim  Ma- 
schinenbau häufig  angewandten  gchcirt.  Speziellere  Daten  Uber  die  Dimensions- 
verhältnisse geben  die  dargestellten  Querschnitte  iTaf.  V,  Fig.  4—7),  von  denen 
man  im  Durchschnitt  sagen  kann,  dass  sie  eine  beträchtlich  grössere  Bastfläche 
enthalten,  als  sie  bei  den  Cyperaceen  vorzukommen  pflegt.  Der  untere  Theil 
eines  ca.  2  Mill.  dicken  Halmstückes  von  Molinia  caerulea  ergibt  z.  B.  — 
auf  1000  Ctm.  Durchmesser  berechnet  —  folgende  Querschnittsverhältnisse: 

1)  Dicke  des  Ringes  32  Ctm.;  Abstand  der  Ringmitte  von  der  Peripherie 
50  Ctm.  Querschnittsfläche  des  Ringes  90432  DCtm.  Davon  abgezogen 
die  Querschnitte  der  eingeschlossenen  GefässbUndel ,  zusammen  höchstens 
20000  DCtm.;  bleiben  für  den  Bastring  in  runder  Zahl  70000  DCtni. 

2)  Zahl  der  Rippen  30;  davon  15  kleinere  zu  6880  DCtm.  und  15  grössere 
zu  11500  DCtm.,  zusammen  18380  DCtm.  Abstand  der  Schwerpunkte 
vom  Centrum  490  Ctm.  —  Die  nach  innen  vorspringenden  Bastfortsätze 
und  Basthüllen  sind  nicht  in  Rechnung  gebracht. 

Der  Gesammtquerschnitt  beträgt  demnach  gegen  90000  DCtm.,  während 
die  bisher  erhaltenen  Ziffern  nicht  über  60—70000  hinausgingen.  Ein  nahezu 
Ubereinstimmendes  Ergebniss  lieferte  auch  die  möglichst  genaue  Berechnung 
der  Querschnittsflächen  einer  grossen  Bromus-Art,  deren  Halmdicke  3  Mill. 
betrug.  Als  Maass  des  Biegungsmomentes  ergibt  sich  hiernach  rund  9400 
Millionen;  folglich  auf  12000  DCtm.  1250  Millionen. 

Zwölfter  Typus.    Die  inneren  GefässbUndel  des  Stammes  nicht  mit 

dem  Bastring  verwachsen,  meist  in  grJisserer  Anzahl  im  Grundgewebe  zerstreut 

und  zuweilen  bis  gegen  die  Mitte  vorgeschoben.    Entschiedene  Neigung  zur 

Unterdrückung  der  subepidermalen  Bastrippen.  —  Hieher  die  folgenden  Gräser : 

Calamagrostis  argentea,  Apera  spica  venti,  Arundo  Donax ,  Cynodon  Dactylon, 

Spartina  stricta ;  ferner  die  Paniceen :  Pennisetum  longistylmn  Höchst. ,  Panicum, 

imhecille  Trin.,  pUcatum  Lam.,  Crus  galli,  miliaceum,  undidatifoUum  u.  a. 

Abgebildet:    Calamafjrostis  argentea,  Taf.  VI,  Fig.  1 ;  Setaria  viridis,  Taf.  VI,  Fig.  2 ; 
Panicmn  Crus  galli,  Taf.  VI,  Fig.  3 ;  Penniseium  longistylum,  Taf.  VI,  Fig.  4. 

Dem  vorhergehenden  Typus  am  nächsten  verwandt  und  nur  durch  die  zahl- 
reicheren markständigen  GefässbUndel  davon  verschieden  sind  Calamagrostis 
und  Apera.  Bei  den  übrigen  Repräsentanten  geht  die  Divergenz  noch  etwas 
weiter,  indem  beispielsweise  die  Halme  nur  stellenweise,  etwa  im  obersten 
Internodium,  subepidermale  Rippen  besitzen,  die  noch  dazu  den  Bastring  nicht 
immer  direct  berühren,  während  die  untern  Stengelglieder  gar  keine  Rippen 
aufweisen.  So  bei  Arundo^  Cynodon,  Pennisetum.  Andere  zeigen  zwar  durch- 
gehends  directe  Bastverbindungen  zwischen  Epidermis  und  Ring ;  allein  dieselben 


3.  Die  moclianischen  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderlichen  Biegungsfestigkeit.  63 


konimcu  nur  dadurch  zu  Stande,  dass  die  periplierisehen  Gefässbündel  sich 
radial  hinter  einander  legen  und  mit  ihrer  Basthülle  nach  aussen  vorspringen; 
so  z.  B.  bei  Pa/iinmi  plicatum.  Eigentliche  Rij)pen  habe  ich  in  älteren  Inter- 
nodien  nur  bei  Panicum  Crtts  galH  und  tmdulatifolinm  beobachtet;  aber  auch 
hier  haben  dieselben  bei  weitem  nicht  die  Höhe,  wie  bei  den  frliher  besprochenen 
Gramineen. 

Die  genannten  Panicecn  inclusive  Cynodon.,  das  alte  Panicum  Dacfylon 
Linne 's,  stimmen  ilberhaui)t  in  manchen  wesentlichen  Punkten  Uberein;  ihre 
Zusammengehörigkeit  spricht  sich  auch  in  den  anatomischen  Merkmalen ,  trotz 
der  bezeichneten  Unterschiede,  deutlich  aus. 

Die  markständigen  Gefässbündel  bilden  in  den  einfacheren  Fällen  [Panicum 
Crus  galli  und  undulatifolium]  einen  —  freilich  nicht  immer  regelmässigen  — 
Kreis ,  welcher  um  die  Dicke  eines  solchen  Bündels  oder  etwas  darüber  vom 
Bastring  absteht.  Offenbar  sind  alsdann  sämmtliche  Bündel,  obgleich  ihre  Bast- 
hüllen meist  sehr  schwach  sind,  im  Zusammenhang  mit  dem  Markgewebe  als 
versteifende  Elemente  des  mechanischen  Systems  zu  betrachten.  Bei  andern 
Paniceen  ist  die  Zahl  der  markständigen  Gefässbündel  grösser  (bei  Pennisetum. 
gegen  50)  und  in  Folge  dessen  auch  die  Anordnung  eine  weniger  regelmässige. 
Wo  das  Mark  voll  ist,  sind  die  Bündel  nicht  selten  fast  über  den  ganzen 
Querschnitt  zerstreut.  Was  endlich  Arundo  Donax  betrifft,  so  liegen  hier  die 
Gefässbündel  mit  ihren  starken  Basthüllen  in  etwa  6  bis  8  Lagen  hinter- 
einander, im  Ganzen  mehrere  Hundert,  zuweilen  in  unregelmässigen  schiefen 
Reihen,  welche  den  Radius  unter  ungefähr  gleichen  Winkeln  schneiden.  Dabei 
ist  der  Stengel  hohl,  und  die  Wanddicke  verhält  sich  zum  Durchmesser  etwa 
wie  3  zu  17. 

4.  System  der  peripherischen,  meist  durch  Mestom  verstärkten 
Bastbüudel,  mit  unregelmässigen  Verschmelzungen  derselben 
sowohl  unter  sich  als  mit  der  Epidermis. 

Dreizehnter  Typus.  Kein  eigentlicher  Bastring,  aber  die  peripherischen 
Mestomstränge  mit  starken  Basthülkn,  von  denen  die  äussersten  mit  der  Epi- 
dermis direct  verbunden  sind.  Das  Grundgewebe  nicht  hohl  (oder  höchstens 
stellenweise),  in  der  Nähe  der  Oberfläche  —  gleichsam  als  Ersatz  für  den 
Bastring  —  beträchtlich  fester,  gegen  die  Mitte  dünnwandig-parenchymatisch ; 
die  inneren  Gefässbündel  im  Marke  zerstreut.  —  Hieher  die  Stengel  von 
Erianthus  Ravennae,  Saccharum  strictum  Spr.,  Zea  Mais,  Andropogon  Gryllus 
und  IscJiaemum,  Heteropogon  Allionii,  Sorghum  halepense. 

Abgebildet:  Sacchamm  strictum,  Taf.  VI,  Fig.  5,  7  ;  Zea  Mais,  Taf.  VI,  Fig.  (i. 

Während  einige  der  im  Vorhergehenden  erwähnten  Paniceen  den  rippen- 
losen Bastring  zur  Entwicklung  bringen  und  dadurch  den  Uebergang  zu  einer 
langen  Reihe  von  Monocotylen  vermitteln,  wo  diese  Form  des  mechanischen 
Systems  stereotyj»  wird,  können  die  hier  zu  besprechenden  Gräser  als  Ver- 


64 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


biiidungsglieder  zwischen  den  gewöhnlichen  Gramineen  und  den  pahnenähnlichen 
Banibusen  betrachtet  werden.  Der  Bastring  tritt  zurück:  er  kommt  nur  noch 
hin  und  wieder  durch  tangentiale  Verschmelzung  benachbarter  Bündel  zu  Stande 
und  fehlt  bei  der  Mehrzahl  der  genannten  Vertreter  vollständig.  Dagegen  sind 
die  subepidermalen  Rippen  insofern  geblieben,  als  die  Basthüllen  der  peri- 
l)lierischen  Bündel  sich  in  ähnlichen  Formen  an  die  Epidermis  anlehnen,  wie 
es  bei  den  vom  Ring  ausgehenden  Fortsätzen  anderer  Gräser  der  Fall  ist. 
Hierin  eben  liegt  das  unterscheidende  Merkmal  im  Vergleich  mit  den  Bambusen, 
während  das  Fehlen  des  Bastringes  beiden  gemeinsam  ist. 

Die  Basthüllen  der  Getässbündel  erreichen  nur  im  festen  peripherischen 
Theil  des  Querschnitts  eine  beträchtliche  Mächtigkeit;  weiter  nach  innen,  wo 
das  Gewebe  dünnwandig  und  luftführend  ist,  werden  dieselben  allmälig  dünner 
und  bald  so  schwach,  dass  sie  mechanisch  kaum  mehr  in  Betracht  kommen. 
Statt  eines  geschlossenen  festen  Gürtels  bleiben  oft  nur  noch  zwei  kleine  Bast- 
sicheln übrig ,  von  denen  die  eine  dem  Cambiform ,  die  andere  dem  Luftkanal 
in  der  Umgebung  der  primordialen  Gefässe  als  Deckung  dient.  Oder  die  Bast- 
hUllen  sind  zwar  ununterbrochen ,  aber  auf  eine  einfache  Zellschicht  reducirt, 
welche  nur  an  den  zwei  radial-opponirten  Stellen  eine  kleine  Verstärkung 
zeigt.  Die  Querschnittsflächen  dieser  inneren  Bastbelege ,  denen  ich  ohnehin 
eine  mehr  locale  Bedeutung  zuschreibe,  können  offenbar  in  vielen  Fällen 
gegenüber  den  weit  grösseren  der  peripherischen  Zone  ganz  und  gar  vernach- 
lässigt werden. 

Die  Wanddicke  des  festeren  peripherischen  Gewebes  variirt.  Bei  Erianthus 
beträgt  dieselbe  durchschnittlich  nicht  über  einen  Millimeter  auf  10  Millimeter 
Durchmesser.  Noch  schwächer  ist  sie  bei  Sacchanmi  strichim ;  dafür  gruppiren 
sich  hier  die  markständigen  Bündel  grossentheils  in  einen  unregelmässigen 
Kreis,  der  in  den  unteren  Internodien  etwa  1—1,5  Mill.  auf  5  Mill.  Halm- 
dicke von  der  Oberfläche  absteht  und  daher  als  Versteifungskreis  zu  betrachten 
ist;  nur  wenige  Bündel  dringen  tiefer  in  das  Markgewebe  ein.  Aehnlich  ver- 
hält sich  auch  Andropogon,  während  bei  Zea  die  markständigen  Bündel  wieder 
in  grösserer  Anzahl  auftreten.  Solche  Abweichungen  kommen  auch  in  anderer 
Hinsicht  vor;  allein  sie  sind  zu  geringfügig,  als  dass  hier  eine  weitere  Be- 
sprechung derselben  am  Platze  wäre. 

5.    S^^stem  der  subcorticalen   (von  der  Epidermis  getrennten) 
Fi bro vasalstränge  mit  starker  Bastentwicklung  und  zuweilen 
mit  Verschmelzungen  in  tangentialer  und  radialer  Richtung. 

Mit  diesem  fünften  System  verlassen  wir  die  subepidermalen  Bastbündel 
für  inmier.  Von  jetzt  an  behauptet  das  der  Ernährung  dienende  parenchymatische 
Gewebe  in  der  Nähe  der  Epidermis  die  Oberhand  und  drängt  die  mechanischen 
Elemente  bis  auf  eine  gewisse,  freilich  nur  unbedeutende  Tiefe  zurück.  Hier 
bilden  dieselben  entweder  eine  Phalanx  isolirter  Bündel,  was  für  dieses  System 


3.  Die  mechanischen  Systeme  zur  Horstelhing  der  orforderllchen  Biegungsfestigkeit.  65 


cbaractcristisch  ist,  oder  sie  versclmiclzen  zu  einem  eoiitiimirlicheii  Kiug,  wie  wir 
iliess  bei  den  Lilioideen  mul  manchen  andern  Familien  beobachten. 

Vierzehnter  Typus.  Zahlreiche  peripherische  Gefässbündel  mit  ausser- 
ordentlich starker  Bastbekleidung :  die  grössern  Bastmassen  auf  der  Innenseite 
der  Bündel,  von  den  kleineren  äussern  durch  Parenchym  getrennt.  Rinde  von 
geringer  Mächtigkeit;  Stengel  hohl,  llieher  Bambum  spec.  m\(\  B.  nif/i-a  Lodd.. 
desgleichen  die  dickeren  Triebe  von  Arundinaria  falcuta  Nec\s. 

Abgebildet:  Bumhusa  spec,  Taf.  VII ,  Fig.  1 . 

Auf  eine  dünne  Rindenschicht  folgen  zuerst  kleine ,  dann  etwas  grössere 
Gefässbündel  mit  starken  Bastbekleidungen,  welche  zuweilen  in  tangentialer 
Richtung  zu  einem  unvollständigen,  da  und  dort  unterbrochenen  Ring  ver- 
schmelzen, häufiger  jedoch,  zumal  bei  Bamhusa,  durch  Parenchymstralilen  von 
einander  getrennt  sind.  Weiter  nach  innen  folgt  eine  vielgliedrige,  in  unregel- 
mässige Reihen  geordnete  Phalanx  isolirter  Bündel,  von  denen  die  äussern  nur 
durch  schmale  Pareuchymwände  geschieden  sind,  während  die  tiefer  liegenden 
mehr  und  mehr  aus  einander  rücken.  Je  dichter  die  Gruppirung,  desto  augen- 
fälliger ist  die  Tendenz  der  Reihenbildung  —  offenbar  eine  rein  mechanische 
Wirkung  des  wechselseitigen  Druckes.  Die  Bastsicheln  nehmen  zwar  nach 
innen  an  Grösse  ab,  sind  aber  doch  dnrchgehends,  die  innersten  ausgenommen, 
ganz  ausserge wohnlich  stark,  wie  ich  es  sonst  nirgends  beobachtet  habe. 

Als  eine  beachtenswerthe  Eigenthümlichkeit  verdient  auch  der  Umstand 
hervorgehoben  zu  werden ,  dass  die  beiden  zu  einem  Gefässbündel  gehörigen 
Bastbelege  nie  mit  eiuander  verschmelzen,  sondern  zu  beiden  Seiten  der  grossen 
Gelasse  durch  eine  Brücke  von  Parenchym  unterbrochen  sind,  welche  die  Ver- 
bindung zwischen  Mestoni  und  Grundgewebe  offen  erhält.  In  den  Zellen  dieser 
Brücke  beobachtet  man  nicht  selten  kleine  Stärkeköruer,  welche  auf  eine 
Wanderung  der  Stärkesiibstanz  hindeuten.  Zu  diesen  zwei  Parenchymbrücken 
kommen  bei  den  innersten  Gefässbündeln  noch  zwei^  andere  zu  beiden  Seiten 
der  primordialen  Gefässe.  Am  merkwürdigsten  aber  ist  das  an  Bambusa  be- 
obachtete Vorkonnnen  von  durchgehenden  Pareuchymunterbrechungen  in  den 
innenseitigen  Bastbelegen,  doch  immer  nur  bei  denjenigen  Gefässbüudelu,  welche 
ungefähr  in  der  Wandmitte  und  innerhalb  derselben  liegen  (Taf.  VII,  Fig.  1). 
Diese  Bastbelege  sind  bei  Bambum  spee.  in  zwei  ungleiche  Theile  geschieden, 
von  welchen  der  dem  Mestomstrang  anliegende  kleinere  aus  dickwandigen,  der 
andere  aus  dünnwandigen  oder  doch  nur  mässig  verdickten  Bastzellen  besteht. 
Jener  ist  gewöhnlich  unterbrochen,  indem  von  der  trennenden  Parenchymlamelle 
zwei  Brücken  zum  benachbarten  Mestom  hinüberführen.  Diess  deutet  nun 
allerdings  zunächst  auf  ernährungsphysiologische  An])assungen ;  die  trennende 
Parenchymlamelle  bildet  gleichsam  die  Zufahrt  zu  den  genannten  Brücken.  Es 
wäre  aber  doch  möglich,  dass  in  diesen  Lagerungsverliältnissen  auch  mechanische 
Zwecke,  über  deren  Natur  ich  freilich  im  Unklaren  bin,  ihren  Ausdruck  ge- 
funden hätten. 

Schweudeuer,  Das  mechanische  Princip.  " 


06 


II.  Spezielle  Betraclitung  der  Monocotylen. 


Für  die  mechanische  Werthung  dieses  Typus  wähle  ieli  den  33  Mill. 
dicken  Stengel  von  Bamhusa  spec.  als  Beispiel.  Die  etwas  uni-leichniässige 
Wanddickc  desselben  beträgt  G  bis  7  Mill.  In  einer  äussern  Zone  von 
3,5  Mill.  Breite  stehen  die  Gcfässbiindel  so  dicht,  dass  das  zwischenlicgende 
Grundgewebe  wie  ein  feines  Maschenwerk  aussieht;  die  Bastbelcgc  nehmen 
hier  nach  einer  möglichst  genauen  Schätzung  mindestens  die  Hälfte  der  ent- 
sprechenden Querschnittsfläehe  in  Anspruch.  Bringt  man  nun  bloss  diese  Hälfte 
in  Rechnung  und  vernachlässigt  alle  tiefer  liegenden  Bastbelege,  so  erhält  man 
auf  1000  Ctm.  Stammdicke  einen  Querschnitt  von  150000  DCtm.,  welche 
Ziffer,  obgleich  unter  der  Wirklichkeit,  doch  alle  bis  dahin  erhaltenen  weit 
übertrifft.  Das  Maass  des  Bieguugsmomentes  würde  sich  hieuach  auf  ca.  1 5000 
Millionen  stellen,  was  auf  12000  DCtm.  1200  Millionen  ausmacht. 

Fünfzehnter  Typus:  Palmen.  Zahlreiche  subcorticale  Gefässbündel 
mit  starker  Bastbekleidung,  letztere  auf  die  Aussenseite  der  Bündel  beschränkt, 
jedoch  bei  kleineren  Mestomsträngen  zuweilen  übergreifend.  Stengel  nicht  hohl, 
aber  im  Innern  weich;  die  markständigen  Bündel  im  Gewebe  zerstreut,  mit 
schwachen  Bastbelegen.    Rinde  von  zahlreichen  kleinen  Bast])ündeln  durchzogen. 

Abgebildet:    liliapin  ßahelliformis,  Taf.  III,  Fig.  ü. 

lieber  den  Innern  Bau  der  Palmen  stehen  mir  nur  wenig  eigene  Beobach- 
tungen zu  Gebote ;  ich  stütze  mich  desshalb  hauptsächlich  auf  die  einschlägigen 
Arbeiten  Mohl's  und  auf  die  in  den  Lehrbüchern  mitgetheilten  Thatsachen. 
In  einem  Punkte  jedoch  muss  ich  auf  Grund  meiner  Untersuchungen  an 
(Jhamaedorea  und  EJiapis .  sowie  nach  Analogie  der  übrigen,  mir  genauer  be- 
kannten Monocotylen,  den  Anschauungen  Mohl's  entgegen  treten i).  Es  ist 
nämlich  unrichtig,  dass  die  peripherischen  Gefässbündel  des  Holzkcirpers,  nach- 
dem sie  in  ihrem  bogenförmigen  Verlaufe  nach  unten  und  aussen  die  Oberfhiche 
des  letzteren  erreicht  haben,  endlich  als  Bastbündel  in  die  Rinde  eintreten.  In 


I)  H.  V.  Mo  hl  sclieint  übrigens  seine  Ansicht  über  den  hier  zu  besprechenden  Punkt 
später  geändert  zu  haben.  Man  vergleiche  z.  B.  folgende  Stellen.  In  den  »Vermischten 
Schriften«  p.  1  .'U)  unten  lieisst  es :  »Zwischen  diesen  holzartigen  Massen  (der  peripherischen 
Gefässbündel)  und  der  dünnen  Rinde  liegt  eine  dünne  Lage  feiner  bastähnlicher  Fasern«; 
sodann  p.  133  oben:  »dass  die  bastähnliche  Faserschicht  unter  der  Rinde  aus  den  unteren 
Endigungen  der  Gefässbündel  gebildet  ist«.  Den  gleichen  Sinn  hat  offenbar  auch  das  un- 
mittelbar folgende  Alinea,  desgleichen  p.  140  die  Stelle,  welclic  von  den  cocosartigen  Stämmen 
handelt,  und  p.  155  (oben)  die  Angabe,  dass  bei  Cocos  niclit  alle  gefässlosen  Faserbiindel 
(also  doch  ein  Theil  derselben !)  in  ihrem  Verlaufe  nach  oben  in  das  Innere  des  Stammes 
eintreten.  Dagegen  heisst  es  p.  184  unten:  »Ich  habe  in  meiner  Beschreibung  des  Palmen- 
stammes  angeführt,  dass  die  zweite  Klasse  von  Fasern  (nämlich  die  gefässlosen 

Bastbündel  der  Rinde)  die  untern  Endigungen  von  Bündeln  sind,  welche,  ohne  vorlier  ins 
Innere  des  Stammes  einzutreten,  in  die  äussern  Schichten  der  Blätter  verlaufen  und  sich 
hier  grosscntheils  in  wahre  Gefässbündel  verwandeln.«  Diese  Stelle  ist  dem  später  hinzu- 
gefügten Anhang  entnommen,  welcher  allerdings  viel  jüngeren  Datums  ist,  als  die  ursprüng- 
liche Abhandlung  de  stmctnra  piiliiKninti ,  und  darin  mag  denn  aucli  die  Erklärung  des  offen- 
baren Widerspruchs  liegen. 


■i.   Die  mechanischen  Systeme  zur  Ilerstollung  der  erforcUn-lichen  Biogunfysfestig-keit.  G7 

dieser  Bezieliiuii;-  kann  icli  die  gegcntheilig-e  Ansicht  von  Schacht')  nur  be- 
stätigen. Ks  kommt  überhaupt  bei  den  Monocotylen  nirgends  vor,  dass  ein 
GefässbUudel ,  das  sich  dem  Holzkörper  iBastring  mit  Gelassbündehi  n.  dgl.) 
einmal  angeschlossen,  denselben  weiter  unten  wieder  verlässt,  um  in  die  liinde 
nber/ugehen.  Die  rindenständigen  Bündel  —  es  mögen  nun  Gefäss-  oder  Bast- 
iMindel  sein  —  sind  nichts  anderes  als  Blattspuren,  welche  entweder  das  Gefäss- 
bündels}'steni  des  Stammes  auf  ihrem  Wege  nach  unten  und  innen  noch  nicht 
erreicht,  oder  —  wie  alle  Bastbündel  —  überhaui)t  nicht  die  Bestimmung  haben, 
sich  diesem  System  je  anzuschliessen.  Dadurch  ist  natürlich  nicht  ausgeschlossen, 
dass,  wenn  der  Stamm  nach  oben  oder  unten  beträchtlich  an  Dicke  zunimmt, 
auch  die  Zahl  der  rindenständigen  (und  ebenso  der  subepidermalen)  Bündel 
sich  ents[)rechend  vermehrt.  Auch  lässt  sich  zum  Voraus  erwarten,  dass  diese 
Bündel  au  der  Basis  des  Stammes  mit  den  AVurzeln  anastomosiren ;  nur  möchte 
ich  desshalb  Schacht  nicht  beistimmen,  wenn  er  bei  den  Palmen  den  Bildungs- 
heerd  und  Ausgangspunkt  aller  Bastbündel  in  diese  Wurzeln  verlegt. 

An  diese  Bemerkungen,  die  mir  für  das  Verständniss  des  Querschnittes 
notliwendig  schienen ,  knüpfe  ich  nun  den  Satz ,  dass  das  mechanische  Sj'stem 
des  Palmenstammes  in  dem  ausserordentlich  festen  peripherischen  Theil  des 
Holzkörpcrs,  und  nur  in  diesem,  zu  suchen  ist.  Sowohl  die  tiefer  liegenden 
Fibrovasalstränge  des  Markes  als  die  im  Bindenparenchym  zerstreuten  Bast- 
bündel können  mit  Rücksicht  auf  Biegungsfestigkeit  gar  nicht  in  Betracht 
kommen,  letztere  schon  darum  nicht,  weil  es  nach  mechauischen  Principien 
ganz  niul  gar  keinen  Sinn  hätte,  ausserhalb  der  beiden  Gurtungen  eines  Trägers, 
als  welche  hier  offenbar  die  auf  dem  nämlichen  Durchmesser  liegenden  peri- 
pherischen Bastbelege  des  Holzkörpers  zu  betrachten  sind,  noch  ein  paar 
schwächere  Gurtungen  in  der  Rinde  und  zwar  in  Gestalt  von  kleinen  Bast- 
bündeln anzubringen.  Das  Vorhandensein  solcher  IMtndel  muss  daher  noth- 
wendig  mit  irgend  welchen  andern  Bedürfnissen  der  Pflanze,  worüber  wir  frei- 
lich auf  Vermuthungen  angewiesen  sind,  im  Znsannnenhang  stehen.  Nach  den 
l)ci  zugfesten  Organen  beobachteten  Vorkommnissen  ist  es  mir  wahrscheiidich, 
dass  diese  rindenständigen  Bastbündcl  das  Zerreissen  oder  Abschieben  der  Rinde 
beim  Biegen  des  Stanmies,  etwa  durch  Herstellung  einer  grössern  Gleichmässig- 
keit  der  Ausdehnung,  verhüten  sollen.  Eine  erhebliche  Aenderung  der  absoluten 
Ausdehnungsgrösse  ist  selbstverständlich  nicht  denkbar. 

Der  mechanisch-wirksame  Theil  des  Holzkörpers  ist  also  wiederum ,  wie 
bei  den  Bambusgewächsen,  ein  aus  zahlreichen  Bastbelegen  bestehender  llohl- 
cvlinder,  dessen  Wanddicke  nur  einem  verhältnissmässig  kleinen  Bruchthcil  des 
ganzen  Durchmessers  entspricht.  Vermöge  dieser  Eigenthündichkcit  des  Baues 
werden  denn  auch  manche  Palmen,  deren  Mark  besonders  weich  ist,  wie  z.  B. 
AreiKja  mccharifera  LabilL.  Lodoireu  SerJiellnrum  l^ahill.,  Borassm  ßahelli- 
formis  L.,  nach  Entfernung  des  Markes  als  Wasserleitungsröhren,  Dachrinnen 

1)  .Schacht,  Lehrbucii.  T,  p.  328.  ^ 


68 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


u.  dgl.  verwendet,  und  \on  dem  rohrurtigen  Stengel  der  Iriartea  setigera  Mart., 
Enfcrpe  olerarca  Marl,  und  der  Kunthiu  montana  H.  B.  wird  bericlitet,  dass  die 
Indianer  ihre  Blasrohre  daraus  verfertigen,  indem  sie  das  weiche  Mark  mit 
einer  hingen  Ruthe  herausstossen.  Selbst  der  cocosartige  Stamm,  von  welchem 
Mohl  sagt,  er  sei  »in  der  Mitte  beinahe  so  hart  als  aussen«,  entfernt  sich 
offenbar  nicht  so  weit  vom  gewöhnlichen  Typus,  als  man  nach  diesen  Angaben 
vermuthen  möchte.  \ o\\  Cocos  nurifvra  sagt  B.  Seemann'),  dass  das  Markholz 
während  der  Periode  des  reichlichen  Fruchttragens,  etwa  vom  10.  bis  35.  Jahr, 
sehr  weich  und  schwammig  sei,  und  von  Cocos  coronata  Mart.^  dass  sie  ein 
Mark  enthalte,  welches  die  Eingeborenen  zu  Brod  verbacken.  Dass  auch 
Syagrus^  eine  mit  Cocos  nah  verwandte  Gattung,  sich  ähnlich  verhält,  davon 
habe  ich  mich  an  einem  in  der  Münchener  Sammlung  befindlichen  Stammstück 
selbst  überzeugen  können.  Unter  diesen  Umständen  scheint  mir  die  Vermuthung 
gerechtfertigt,  dass  auch  die  übrigen  cocosähnliclien  Palmen  im  frischen  Zustande 
ein  weiches  Markgewebc  besitzen,  wie  es  das  mechanische  Princip  verlangt, 
üb  vielleicht  die  niederliegenden  Stämme  der  Oelpalme  [Elaeis]^  über  deren 
Structar  ich  keine  näheren  Angaben  gefunden  habe,  von  dieser  Regel  eine 
Ausnahme  machen ,  lasse  ich  dahingestellt.  Was  endlich  die  Rotangpalmen 
[Calami(s)  betrifft,  so  entspricht  der  allerdings  abweichende  Bau  derselben  den 
mechanischen  Verhältnissen  der  Schlinggewächse,  von  denen  si)äter  die  Rede 
sein  wird. 

Ueber  die  Querschnittsgrössen  der  Bastsicheln,  welche  bei  den  Palmen 
die  Aussenseite  der  Gefässbündel  einnehmen,  bemerke  ich  nur,  dass  sie  un- 
gefähr denjenigen  der  Bambusen  entsprechen.  Das  Grundgewebe  des  peri- 
pherischen Holzkörpers  erscheint  auch  hier  Avegen  der  zahlreichen  und  ausser- 
gewöhnlich  starken  Bastbelege  als  ein  feines,  wenn  auch  etwas  weniger  regel- 
mässiges Netz ,  dessen  Maschen  nach  aussen  allmälig  kleiner  werden.  Nach 
einem  mir  vorliegenden  10  Centim.  dicken  Stammstücke  der  Sagopalme  zu 
schliessen,  ergibt  die  Rechnung  auch  in  Beziehung  auf  Gesammtquersclmitt  und 
Biegungsmoment  des  mechanischen  Systems  ungefähr  dieselben  Ziffern,  wie  für 
die  Bambusgewächse.  Jedeni'alls  besitzen  die  Palmen  einen  sehr  hohen  Grad 
von  Festigkeit'-). 

Sechszehnter  Typus.  Zahlreiche  subcorticale  Bündel  mit  starken 
Libriformbelegen ;  Libriformzellen  mit  behöften  Poren  (wie  bei  den  Conifereni, 
mechanisch  widerstandsfähig  und  zugleich  die  Gefässe  ersetzend.  Stamm  nicht 
hohl,  aber  im  Innern  weich,  mit  zerstreuten  Gefässbündeln  von  geringer  Wider- 
standsfähigkeit. —  Hicher  Dracaenu,  Cordijline.  Yucca. 


')  SeeniJinn,  Die  Palmen,   p.  112. 

-)  Den  Palmen  schliessen  sich  in  mechanischer  Hinsicht  die  Pandaneen  an.  Da  ich 
iüdess  von  dieser  (iruppe  nur  PiDidaims  py(iiiuirtis  zu  untersuchen  Gelegenheit  fand,  die 
grösseren  baumartigen  Formen  dagegen  nicht  aus  eigener  Anschauung  kenne,  so  beschränke 
ich  mich  auf  diese  kurze  Notiz. 


;i.  Dyj  mechanischen  Systeme  zur  IlerstcIIunf?  der  crforderliclicn  13icj?ungstestigkelt.  00 


Das  Merkwürdigste  an  diesem  Typus  ist  ausser  der  bekannten  Ei^^enscliaft 
des  Stammes,  in  die  Dicke  zu  wachsen,  die  Beschaffenheit  des  Bastes  oder, 
wenn  man  lieber  will,  der  mechanisch-wirksamen  Zellen,  welche  den  Bast 
ersetzen.  Es  sind  Tracheiden  im  Sinne  Sa  nio's,  den  Ilolzzcllen  der  Coniferen 
nicht  unähnlich.  Dass  sie  wirklich  das  morphologische  Analogon  des  Bastes 
sind,  geht  am  deutlichsten  aus  den  Veränderungen  hervor,  welche  die  Gefäss- 
biindel  beim  Eintritt  aus  dem  Blatt  in  den  Stamm  erfahren.  Im  Blatte  sind 
nämlich  die  Gcfässbündel  durchaus  normal  gebaut ;  ihre  Basthüllen  oder  ge- 
l>aarten  Bastsicheln  bestehen  aus  ächten  Bastzellen  von  gewöhnlicher  Beschaffen- 
heit. Sobald  aber  diese  Bündel  in  die  Aveiche  Basalregion  des  Blattes  und 
dann  in  das  Rindenparenchym  des  Stammes  eintreten,  verschwindet  dieser 
Bast;  an  seiner  Stelle  erblickt  man  ein  jugendliches  cambialcs  Gewebe  ohne 
alle  Verdickungen  und  folglich  ohne  bestimmten  Character.  Auch  das  Mestom, 
rings  von  diesem  Gewebe  umschlossen,  besteht  hier  nur  aus  Gefässen  und  zart- 
wandigen  Zellen.  Beim  Vordringen  des  Bündels  in  das  Innere  des  Stanunes 
erfährt  sodann  der  Querschnitt  etwelche  Veränderungen.  Die  cambialen  Zellen 
auf  der  Markseite  verschwinden  gewöhnlich;  das  Mestom  erhält  alsdann  an 
dieser  Stelle  zunächst  keine  Bekleidung.  Auf  der  Cambiformseite  dagegen  er- 
scheinen jetzt  bei  Draracna  an  der  nämlichen  Stelle,  wo  vorher  ächter  Bast 
gewesen,  die  oben  genannten  Tracheiden  mit  Porenhöfen,  Ebenso  erhalten  die 
mehr  peripherischen  Bündel  der  Blattspur  eine  starke  Bekleidung  von  Tracheiden 
und  zwar  meist  in  Gestalt  eines  geschlossenen  Ringes.  Das  Nämliche  gilt  auch 
von  den  gefässlosen  Bündeln,  welche  nachträglich  im  Verdickungsring  angelegt 
wurden ;  das  Cambiform  liegt  hier  ausnahmslos  im  Centrum  einer  ovalen  Libri- 
fornnnasse.  —  Aehnliche  Metamorphosen  finden  auch  bei  Yucca  uloefolia  statt; 
nur  erscheinen  hier  die  mechanischen  Zellen  stets  innerhalb  des  Cambiforras, 
bei  den  grösseren  Blattspuren  zwischen  jenem  und  den  Gefässen.  Die  im  Ver- 
dickungsring auftretenden  Bündel  sind  übrigens  auch  hier  gefässlos ,  im  Quer- 
schnitt oval,  mit  kleinen  Cambiformgruppen  auf  der  äussern  oder  Rinden- 
seite. Diese  Lagerungsverhältnisse  sind  nun  allerdings  derart,  dass  die  frag- 
lichen Libriformzellen  mit  behöftcn  Poren  topographisch  als  Xylemzcllen  er- 
scheinen. Da  sie  jedoch  in  jeder  andern  Beziehung  mit  den  entsprecliendcn 
Zellen  von  Dracaena  übereinstimmen,  deren  Vorkommen  aussen  am  Cambifoiin 
entschieden  auf  Bast  deutet  (nämlich  im  topographisch-anatomischen  Sinne),  so 
geht  aus  diesen  Schwankungen  des  morphologischen  Characters  nur  hervor, 
dass  das  mechanische  Princip  in  diesem  Falle  das  morphologische  durchkreuzt. 
In  der  That  sind  die  mechanischen  Zellen  bei  Yucca  und  Dracaena  dieselben; 
sie  haben  die  nämlichen  nnkroskopischcn  Merkmale  und  ungefähr  gleiche  Wider- 
standsfähigkeit. Aber  Avie  durch  Zufall ,  jedenfalls  nicht  aus  mechanischen 
Gründen,  sehen  wir  sie  das  eine  Mal  zwischen  Cambiform  und  Gefässen,  das 
andere  Mal  aussen  am  Cambiform  auftreten.  Ich  bemerke  übrigens,  dass  solche 
Verschiebungen,  für  Avelche  ich  allerdings  bei  Monocotylen  kein  zweites  Beispiel 
kenne,  bei  den  Dicotylen  nicht  selten  sind.    Es  kommt  hier,  Avie  später  gezeigt 


70 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


werden  soll,  häufig;-  vor.  dass  die  iiäinliclien  Zellen,  die  in  der  Re^^el  ausserlialb 
des  Camhiinnringes  zur  Entwicklung  kommen  und  folglich  zum  IMiloem  gezählt 
werden,  bei  gewissen  grösseren  und  kleineren  Gruppen  durchweg  im  Xylem 
figuriren. 

Was  die  Vertlieilung  der  mechanischen  Zellen  über  die  Fläche  des  ganzen 
Querschnittes  betrifft,  so  sind  zwar  auch  die  innern  liündel  nicht  ohne  Libri- 
formbekleidungen,  d(»cli  nehmen  die  letztern  nach  aussen  hin  an  Stärke  zu. 
Hauptsächlich  aber  sind  es  die  vorwiegend  aus  Libriform  bestehenden  stamm- 
eigencii  Hilndel  des  })eripherischen  Tlieils,  welche  späterhin  die  Festigkeit  des 
Stammes  bedingen.  Diese  Bündel  bilden  auch  hier  wieder,  aber  natürlich  nur 
in  Verbindung  mit  dem  zwischenliegenden  Grundgewebe,  eine  hohle  Säule, 
deren  Wanddicke  zwar  mit  der  Zeit  zuninnnt,  jedoch  nur  bei  älteren  Exemplaren 
über  das  gewöhnliche  Verliältniss  zum  Durchmesser  des  Stannnes  hinausgeht. 
Als  Belege  hiefür  mögen  folgende  Beispiele  dienen : 

1)  l^ei  einem  Stämmchen  von  Dracaena  [Corclyline)  auairalia,  dessen  Durch- 
messer in  der  Mitte  ca.  IG  Mill.  betrug,  hatte  der  in  Rede  stehende  Hohl- 
cylinder  eine  Wanddicke  von  2  Mill.,  die  Rinde  nebst  Meristem  eine  Mächtig- 
keit von  1,8  Mill.,  das  weiche  Mark  einen  Durchmesser  von  9  Mill. 

2)  Ein  anderer  Stamm  von  Dracaena  zeigte  bei  einem  Durchmesser  von 
^^5  Mill.  eine  sehr  feste  peripherische  Zone  von  2,5  Mill.  Dicke.  Hier 
waren  die  Bündel  nur  durch  schmale,  wellenförmig  verlaufende  Parenchym- 
strahlen  getrennt,  welche  beim  Liegenlassen  in  Wasser  der  Maceration  längwe 
Zeit  widerstanden,  während  das  weichere  Markgewebe  sich  rasch  in  die  einzelnen 
Zellen  auflöste,  so  dass  die  innern  Bündel  bald  vollständig  isolirt  w'aren.  Aber 
dessenungeachtet  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass  das  frische  Markgewebe ,  zumal 
der  äussere  Theil  desselben,  zur  Aussteifung  des  peripherischen  Hohlcylinders 
wesentlich  beiträgt. 

3)  Ein  80  Mill.  dicker  Stamm  von  Yucca  aloefolia  \\»XtQ  einen  festeren 
peripherischen  Theil  von  etwa  11  Mill.  Dicke:  doch  waren  die  Libriforrn- 
bündel  hier  lange  nicht  so  dicht  gestellt,  wie  im  vorhergehenden  Falle,  und  die 
Abgrenzung  nach  innen  war  keine  scharfe. 

Solche  Querschnittsverhältnisse  sind  nun  allerdings  viel  zu  unbestimmt  und 
zu  veränderlich,  als  dass  sich  eine  genauere  Berechnung  der  Festigkeitsverhält- 
nisse daran  knüpfen  Hesse:  doch  beweisen  sie  immerhin,  dass  das  mechanische 
Princip  auch  hier  zur  Geltung  kommt  und  selbst  in  ziemlich  dicken  Stämmen 
noch  deutlich  hervortritt. 

Siebzehnter  Typus.  Subcorticale  Gefässbündcl  mit  Bastbekleidungen, 
hin  und  wieder  in  tangentialer  Richtung  mit  einander  verwachsen ;  die  centralen 
Bündel  mit  schwächeren  Bastsicheln  oder  auch  ganz  ohne  Bast.  Mark  nicht 
hohl :  die  Rinde  mit  zahlreichen  Blattspurbündeln.  —  Hiclier  die  Stammorganc 
von  Musa. 


3.  Die  mochunisohen  Systeme  zur  Herstellung-  der  erforderlichen  Biegungsfestigkeit.  71 


Um  Missverständnissc  /u  verhüten,  ma^  es  iiidit  g-;iiiz  Uhcrfliissig  sein,  an 
dieser  Stelle  die  Be^ritt'sbestiimniiiij;'  der  Kinde  zu  wiederliolen.  Icli  verstelle 
darunter  stets  diejenige  perii)herische  Sehieht,  in  welcher  die  lihittspuren  in 
ihrem  Verlaufe  nach  unten  sich  entweder  schief  einwärts  bcweg'cn  oder  höchstens 
parallel  mit  der  Oberfläche  verbluten.  Die  innere  Grenze  dieser  ►Schicht  fällt 
zusammen  mit  der  Oberfläche  eines  Cylinders,  welcher  sämmtliche  in  das  Innere 
eingetretenen  Hlattspuren  umscliliesst,  auch  dityenigen.  welche  in  bogenförmigem 
Verlaufe  sich  zuletzt  der  Peripherie  soweit  als  möglich  genähert  haben.  Die 
kleineren  Blattspurbündel  bewegen  sich  gewöhnlich  nur  bis  zu  dieser  Grenze 
nach  innen  und  verlaufen  sodann  [)arallel  mit  der  Axe  nach  unten;  die  tiefer 
eingedrungeneu  grösseren  Bündel  nähern  sich  in  ihrem  untern  Verlaufe  dieser 
nändichen  Grenze  von  innen,  ohne  dieselbe  je  zu  überschreiten. 

Diese  Abgrenzung  der  Kindenschicht  ergibt  sich  für  Dracaena  und  die 
meisten  Palmen,  überhau})t  für  Stanuuorgane  mit  kurzen  Internodien,  so  zu  sagen 
von  selbst.  Bei  den  übrigen  Monocotylen  ist  allerdings  die  Sache  nicht  immer 
so  einfach ,  doch  beruht  der  Pfnterschied  eigentlich  nur  auf  dem  langsameren 
P'intritt  der  kleinen  ])lattsi)uren.  Wo,  wie  in  unserem  Falle,  subepidermale 
Bastbündel  nicht  vorkommen,  fällt  die  fragliche  Grenzlinie  stets  mit  dem  äussern 
Contour  des  mechanischen  Systems  oder,  was  dasselbe  ist,  mit  der  Grenze  der 
stärksten  Bastbelege  zusanmien. 

Das  mechanische  System  dieses  Typus  besteht  hiernach  im  Wesentlichen 
aus  einer  mehrf\iclien  Ringlage  von  Fibrovasalsträngen ,  von  denen  die  äusser- 
i  ^  sten  unmittelbar  unter  der  Kinde  liegen  und  zum  Theil  in  tangentialer  Richtung 
mit  einander  verschmolzen  sind.  Doch  kommen  solche  Verschmelzungen  nicht 
gerade  häufig  vor;  die  Bündel  sind  jedenfalls  vorwiegend  isolirt  und  oft  nur 
auf  der  äussern,  jedoch  an  stärkeren  Stellen  auch  auf  der  Innern  Seite  mit 
Bastsicheln  bekleidet  'i .  Weiter  nach  innen  werden  diese  Bastbelege  schwächer 
und  verschwinden  endlich  vollständig  oder  sind  doch  meist  auf  eine  einfache 
und  nicht  einmal  immer  continuirliche  Lage  von  Bastzellen  reducirt,  die  dann 
ottenbar  nur  local-mechanische  Bedeutung  haben. 

Eine  nicht  unerhebliche  Verstärkung  des  mechanischen  Systems  bilden  bei 
Mimi  die  grossen  Gefässbündel  der  Rinde,  welche  zum  Theil  mit  starken  Bast- 
belegen versehen  sind.  Aber  noch  viel  wichtiger  als  diese  Bündel  sind  die 
langen  Blattscheiden ,  welche  sich  nicht  bloss,  wie  bei  den  Gramineen,  über 
ein  Internodium,  sondern  über  eine  ganze  Reihe  von  Internodien  erstrecken,  so 
dass  beispielsweise  der  nämliche  Querschnitt  5  bis  8  Scheiden  zugleich  trifl't. 
Vom  Bau  dieser  Scheiden  wird  indess  später  die  Rede  sein;  hier  bemerke  ich 
nur  noch,  dass  eine  solche  Combination  von  über  einander  gerollten  Blatt- 
scheiden mit  einem  verhältnissmässig  dünnen  Stammorgan  mechanisch  ungünstig 

Die  Bastbelegc  der  Xylemscite  berühren  die  grossen  Gefiisse  hier  niemals  direet, 
sondern  sind  stets  durch  1  bis  2  Schichten  dünnwandiger  Xylcmzcllen  davon  getrennt. 
Wittmack  nennt  diese  Zellen  in  seiner  Abhandlung  über  Mum  Ensete  (Linnaea,  Bd.  35) 
Cambiformzellen,  jedoch  ohne  diese  Bezeichnung  zu  motiviren. 


72 


II.  Spezielle  Betrachtunj,'  der  Monocotylen. 


ist,  weil  dieselbe  notli wendig  eine  fast  gleichniässige  Vertlieilung  der  Hastbiindel 
über  den  Gesannntqucrschnitt,  das  Centruni  des  KStcngels  ansgenommen ,  zur 
Folge  liat.  Dem  entsprechend  sind  denn  auch  die  Bananen  viel  plumper  ge- 
baut, als  die  meisten  andern  Monocotylen  mit  absterbenden  Stammorganen. 
Das  mechanische  Princip  tritt  überhaupt  in  den  einzelnen  Organen,  zumal  in 
den  Blattschcidcn ,  deutlicher  hervor,  als  im  Gestaltungsprocess  der  ganzen 
Masse.  Es  ist  klar,  dass  l)ci  letzterem  vorwiegend  Anpassungen  anderer  Art 
maassgebend  sind. 

Achtzehnter  Typus.  Subcorticale  Bündel  mit  starken  Bastbelegen,  in 
tangentialer  Kiclitnng  öfter  verschmolzen.  Die  Kinde  ohne  GefässbUndel.  Im 
Uebrigen  wie  der  vorhergehende  Typus.  —  Hieher  Maranta. 

Abgebildet:    Maranta  spec,  Taf.  VII,  Fig.  2. 

Gewisse  hochstännnige  Marantaceen,  wie  z.  B.  Stromanthe  sanguinea.  weichen 
in  der  Tracht  und  im  inneren  Bau  so  sehr  von  den  Bananen  ab.  dass  ich  nicht 
umhin  konnte,  sie  in  eine  ])esondere  Gruppe  zu  vereinigen.  Diess  geschieht 
zunächst  allerdings  nur  mit  Rücksicht  auf  die  blattlosen  schlanken  Stämme 
unterhalb  der  Gabelungen,  welche  indess  durch  ihre  viel  dünnere  gefässbündel- 
freie  Rinde  und  durch  die  öftern  Verschmelzungen  der  Bastbelege,  die  stellen- 
weise fast  den  Eindruck  eines  Ringes  gewähren,  hinlänglich  characterisirt  sind. 

Ein  mir  vorliegendes  Präparat,  bestehend  in  Querschnitten  durch  einen 
5  Mill.  dicken  Stamm  einer  unbestimmten  Art  (w^ahrscheinlich  von  Sfromauthc) 
zeigt  beispielsweise  nur  eine  Rinde  von  40  bis  50  Mik.  Dicke.  Die  nächst- 
liegenden Bastbelege  bilden  durchgehends ,  sofern  nämlich  noch  Mestom  vor- 
handen ist,  geschlossene  Scheiden  und  sind  entweder  mit  den  benachbarten 
verschmolzen  oder  durch  festes  Grundgewebe  damit  verbunden.  Weiter  nach 
innen  sind  diese  Scheiden  unterbrochen  und  dann  gewöhnlich  auf  zw^ei  radial- 
opponirte  Bastsicheln  reducirt,  die  gegen  das  Centrum  des  Markes  allmälig 
schwächer  werden.  Das  Mark  war  übrigens  in  der  Mitte  etwas  hohl,  was  ich 
an  dünneren  Zweigen  von  nur  2  Mill.  Dicke  nicht  beobachtet  hatte. 

Als  eine  Besonderheit  der  untersuchten  Marantastämme  erwähne  ich  noch 
das  Vorkommen  isolirter  Bastbündel  im  Mark,  und  zwar  bei  den  dünnern  Ver- 
ästelungen im  mittleren,  bei  den  Hauptstämmen  im  peripherischen  Theil  des- 
selben. xVueh  mag  hier  noch  die  Bemerkung  Platz  linden,  dass  der  Querschnitt 
dieser  Stämme  nicht  kreisrund ,  sondern  elliptisch  ist ,  wesshalb  dieselben  an 
den  breiten  Seiten  auch  leicht  einknicken. 

6.  System  der  subcorticalen  in  tangentialer  Richtung  verbundenen 
Fibrovasalstränge.    Von  den  folgenden  Systemen  nicht  scharf 

getrennt. 

Neunzehnter  Typus.  Fibrovasalstränge  in  cinfjicher  oder  doppelter 
Ringlage,  mit  tangential  veibundenen  Basthüllen;  einzelne  Bündel  zuweilen 
weiter  nach  innen  vorgeschoben.  —  Hieher  die  Halme  folgender  Juncaceen : 


Die  nicclianisclieu  Systomo  zur  llcrstclluiig-  dvr  iTfordcrliction  Bioguugslbstigkcit.  TA 

Luzula  aUnda  u.  a.,  Juncas  hallu'us ,  arcticus ;  sfygius .  casfaneus ,  triylumis, 
fnJi(hLs;  capitatus.  ohlimflorus ,  htmprocarjms ;  squarrosus,  compresms,  Gcrardi, 
Tenugcia,  hufoniiis. 

Abgebildet:    Junem  balticus,  Taf.  VII,  Fig..};  /.  bitfonius,  Taf.  VII,  Fig.  4 ;  Luzula 
albula,  Taf.  VII,  Fig.  Ü. 

Bei  keiner  andern  PHan/cngattung  g'elien  die  mechanischen  Typen  so 
niannigtach  anseinander,  wie  hei  Juncus.  Nachdem  eine  Anzahl  von  Ke[)räsen- 
tanten  mit  subcpidermalen  Rippen  bereits  im  fünften,  sechsten  und  zehnten  Typus 
nntergehracht  worden,  folgt  hier  eine  ansehnliche  Reihe  von  xVrten  (denen  auch 
Luzula  beigezählt  werden  mnss),  welche  sänimtlich  durch  das  Fehlen  der  sub- 
epidernialen  Bastbiindel  und  durcii  das  Vorhandensein  tangentialer  Bastverbin- 
dungen im  Gefässbündelkreis  ausgezeichnet  sind.  Juncus  tenuis  und  lihyn- 
rhospora  bilden,  wie  bereits  früher  bemerkt,  Uebergaugsformen  zwischen  diesem 
und  dem  zehnten  Typus. 

Manche  der  genannten  Vertreter  dieses  Typus  schliessen  sich  enge  an  das 
nächstfolgende  System  des  einfachen  Hohlcylinders  an ,  indem  die  Bastbelege 
mit  ihren  Verbindungen  den  Eindruck  eines  Ringes  gewähren ;  bei  andern  sind 
die  ents[)rechenden  tangentialen  Verbindungen  nicht  continuirlich,  sondern  stellen- 
weise fehlend  oder  durch  dickwandiges  Parenchym  ersetzt,  ja  es  gibt  schwächere, 
mehr  wasserliebende  Formen,  bei  welchen  der  Gefässbündelring  vorwiegend  aus 
isolirten  Bündeln  besteht.  Aber  bei  alF  diesen  Abstufungen  herrscht  einerseits 
eine  so  grosse  Uebereinstimmung  im  anatomischen  Bau  und  andererseits  eine 
so  geringe  Constanz  bezüglich  der  vorkommenden  Abweichungen ,  dass  eine 
Vertheilung  der  oben  bezeichneten  Arten  auf  mehrere  Typen  kaum  durchzuführen 
wäre.  In  meinen  Augen  sind  die  fraglichen  Abweichungen  der  naturgemässe, 
wenn  auch  unvollständige  Ausdruck  der  Schwankungen,  welche  einst  beim  Ueber- 
gange  von  den  Cyperaceen  zu  den  lilienartigen  Gewächsen  (oder  umgekehrt] 
stattgefunden  haben;  es  ist  diess  einer  der  Fälle,  wo  die  Metamorphosen  des 
mechanischeji  Systems  in  der  gegenwärtigen  Vegetation  vollständiger  vertreten 
sind,  als  diejenigen  der  Blüthe  und  Frucht.  Die  Juncaceen  dieses  Typus  sind 
Uebergangsformen,  und  zum  Zeiclien,  dass  der  Uebergang  ein  vollständiger  ist, 
miigen  auch  diejenigen  Arten ,  welche  mit  gleichem  Rechte  in  das  folgende 
System  eingereiht  werden  könnten,  mit  ihren  Verwandten  vereinigt  bleiben. 

Dass  die  tangentialen  Parencliymverbindungen  zwischen  den  Bastscheiden 
gewisserniaassen  als  Vorstufe  eines  continuirlichcn  Bastringes  zu  betrachten  sind, 
dafür  liefern  namentlich  die  verschiedenen  Formen  von  /.  articulatus  L.  schöne 
Belege.  Während  z.  B.  bei  /.  ohtusißorus  Ehrh. ,  die  in  Rede  stehenden  Tan- 
gcntialverbindungeu  durchweg  aus  dickwandigem  Parenchym  bestehen ,  zeigten 
mir  /.  Jamprocarpus  Ehrh.  und  /.  acuminatus  Michx.  einen  continuirlichcn  Ring 
von  Bastzellen.  Aehnliche  Unterschiede  mögen  wohl  auch  zwischen  Individuen 
der  nändichen  Art  und  selbst  zwischen  Stengelthcilen  des  nänüichen  Individuums 
vorkommen.  Werfen  wir  endlich  noch  einen  Blick  auf  die  für  diese  Binsen 
cliaracteristischen  stielrunden  Blätter,  die  begreiflicher  Weise  schwächer  con- 


74 


1  .   Spezielle  Betrachtunji:  der  Monocotylen. 


struirt,  im  IJebrigeii  aber  stanimälinlicli  sind,  so  üiideii  wir  hier  eine  doppelte 
Kin^la<;e  von  Bündeln  mit  Bastbelejicn ,  die  aber  vollständig-  isolirt,  d.  Ii.  in 
dünnwandiges  Parenchym  eingebettet  sind.  Und  nni  zu  diesen  drei  Abstufungen 
nocii  eine  vierte  hinzuzufügen,  will  ich  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  in  den 
Spirrenzweigen  von  Lazula  albida  und  ebenso  im  Stengel  von  Jimms  lampro- 
carpns  Bastverbindungen  vorkommen ,  welche  auf  der  Innenseite  durch  Belege 
von  dickwandigem  Parenchym  verstärkt  sind. 

Betreffend  die  Formverhältnisse  des  mechanischen  Systems,  die  Anordnung 
der  Gefässbündel  u.  dgl.  verweise  ich  auf  die  citirten  Abbildungen  (Taf.  VII, 
Fig.  4,  iS  .  Besondere  Erwähnung  verdient  nur  das  Verhalten  der  unteren 
Internodien  von  ,/.  lamprocarpus  und  ohlmiflorua ,  wo  in  der  Kegel  ein  Kranz 
von  Blattsi)urbündeln  in  der  Nähe  der  Oberfläche  zurückbleibt  und  sich  mit  dem 
Gefässbündelkreis  des  Stammes  durch  radiale  Mestomanastomosen  derart  ver- 
koppelt, dass  zwischen  den  beiden  Hinglagen  das  für  Wasser])llanzen  unent- 
behrliche luftführende  Gewe1)e  Platz  findet,  indess  das  Mark  im  Gegensatz  zu 
den  obern  Stengeitheilen  ans  stärkeführendem,  von  Zwischenzellräumen  durch- 
zogenem Parenchym  besteht.  Doch  scheinen  diese  Verhältnisse  je  nach  der 
Höhe  des  Wasserstandes  sehr  zu  variiren.  So  fand  ich  z.  B.  auf  einem  Quer- 
schnitt durch  die  Mitte  eines  unteren,  70  Mill.  langen  Internodiums  von  J. 
lamprocarpus  das  Mark  etwas  hohl  und  die  Rinde  bloss  mit  grossen  luftführen- 
den Zellen  und  vereinzelten  Luftkanälen  ausgestattet,  dabei  von  normaler  Dicke 
und  ohne  Blattspuren,  den  Bastring  dagegen  aussergewöhnlich  stark  entwickelt 
und  überdiess  auf  der  Innenseite  mit  dickwandigen  Markzellen  belegt. 

Die  Querschnittsfläche  des  mechanischen  Systems,  auf  1000  Ctm.  Durch- 
messer berechnet,  mag  bei  sclnvächcren  Stengeln  ca.  30000  DCtm.,  bei  den 
stärksten  ca.  70000  DCtm.  l)etragen.  Das  Maass  des  Biegungsmomentes 
erreicht  in  günstigen  Fällen  ca.  12—1300  Millionen  auf  12000  DCtm. 

7.   System  des  einfachen  Hohlcylinders  mit  eingebetteten  oder 

angeleh nten  Mestom strängen. 

Zwanzigster  Typus.  Character  des  Systems.  —  Hieher  die  ober- 
irdischen Stengel  folgender  Familien  :  Restiaceen ,  Eriocaulonecu  (zum  Theil) , 
Commelynaceen,  Melanthaceen,  Liliaceen,  Smilaceen  (mit  Ausnahmen),  Irideen, 
Burmanniaceen ,  Hypoxidecn,  Dioscoreen,  Zingiberaceen,  Orchideen  (die  ein- 
heimischen), Alismaceen,  Butomeen,  Juncagineen  (Triglochin) ,  Typhaceen. 

Abgebildet:    AUium  vinmh,  Taf.  VII,  Fig.  8;  Tyi^lm  latifoUa,  Taf  VII,  Fig.  7. 

Der  rippenlose  Bastring,  der  mit  Bücksicht  auf  seine  grosse  Verbreitung 
als  das  bei  Monocotylen  herrschende  System  bezeichnet  werden  darf,  bildet 
naturgemäss  den  Scidussstein  unserer  Typenreihe.  Uebergänge  zu  demscll)cn, 
und  zwar  bis  zur  vollständigen  Durchbildung,  haben  wir  im  Vorhergehenden 
bei  den  Juncaceen  und  schon  früher  einmal  bei  den  Gräsern  (12.  und  13.  Typus 
kennen  gelernt.    In  gewissem  Sinne  schlicsst  sich  sogar  das  System  der  Gräser 


Die  luec'luiuisclien  Systoinc  zui-  Ilorstellung  der  erforderlichen  Biegungsfestigkeit.  75 


am  engsten  an  das  hier  zn  l)es[)recliende  an.  Man  hat  sich  bei  jenem  bloss 
die  subepidennalen  llipi)en  weg-zndenken ,  so  herrscht  im  Uebrigen  die  voll- 
ständigste Uebereinstinnnung.  Einige  Fanieeen  und  Chlorideen,  bei  denen 
wirklich  diese  Rippen  fehlen  (wenigstens  in  den  unteren  Internodien) ,  kimnten 
mit  gleichem  Recht  hier  wie  dort  eingereiht  werden. 

Der  ächte  Bastring  kommt  nicht  bloss  durch  Verschmelzung  von  Basthiillen 
zn  Stande;  er  ist  ein  Gebilde  für  sich,  in  Form  und  Lage  nur  wenig  beeinflnsst 
von  andern  Geweben:  der  unzweideutige  Vertreter  des  mechanischen  Princips. 
Die  peripherischen  Gefässbiindel  richten  sich  nach  ihm,  nicht  umgekehrt;  sie 
finden  an  ihm  einen  festen  Halt  oder  eine  schützende  Hülle,  indem  sie  sich 
bald  von  aussen  und  bald  von  innen  an  denselben  anlehnen  oder  im  Innern 
des  Ringes  einbetten.  Im  ersteren  Falle  sind  sie  gewöhnlich  durch  rippenartige 
Vorsprünge  mehr  oder  weniger  eingehüllt,  im  letzteren  durch  die  Bastzellen 
des  Ringes  selbst.  Kurz,  es  kehren  hier  alle  die  Variationen  wieder,  die  wir 
schon  bei  den  Gramineen  gefunden  haben.  Auch  die  Vertheilung  der  Gefäss- 
bündel  zeigt  ähnliche  Abstufungen;  nur  sind  hier  markständige  Bündel,  die 
sich  nicht  an  den  Bastring  anlehnen,  häufiger  als  bei  den  Gramineen.  Scharfe 
Gegensätze  konmien  übrigens  eben  so  wenig  vor  wie  dort,  und  die  Uebergänge 
sind  derart,  dass  ich  auf  Grund  der  Gefässbündelvertheilung  nicht  einmal  die 
Aufstellung  verschiedener  Typen  versuchen  möchte.  Ich  beschränke  mich  daher 
auf  die  Zusanmienstellung  einiger  Beispiele  für  einzelne  bestimmte  Fälle,  die 
ich  aus  der  grossen  Zahl  der  Querschnittsansichten  herausgegriffen  habe. 

1)  Alle  Gefässbiindel  von  innen  an  den  Bast  ring  angelehnt: 
Orchis  militaris,  Goodyera  repens  und  andere  einheimische  Orchideen,  Dioscorca 
sinuatu.  Tamus  communis,  SisyrincJiium  anceps,  TriglocJiin  mariiimum,  Burmamiia 
capitata  Murt.,  Ilypoxis  erecta,  Xyris  caroliniana  Walt. 

2)  Eine  Ringlage  kleiner  Gefässbündel  von  aussen  an  den 
Bast  ring  angelehnt:  Dianella  revoluta.  Hyacinthus  orientalis .  Aloe  verrucosa, 
Allimn  vineale  u.  a.    Tritoma  Burchelli,  Tigridia  Pavonia,  Iris  variegata  etc. 

3)  Die  Bündel  innerhalb  des  Bast  ring  es  (markständige  Bündel) 
entweder  durchgehends  oder  doch  im  mittleren  Theil  ohne  Bast: 
Tradescantia  zehrina  und  erecta,  Tricyrtis,  Ttdipa  Gessneriana,  Lilium  auratiim, 
Allimn  vincalc  u.  a.,  Tritoma  Burchelli Fritillaria  impo'ialis ,  Ilemerocallis 
fuha^  Medeola  asparagoides.,  Paris  quadrifolia ,  Convallaria,  muUißora ,  Tigridia 
Pavonia,  Iris  variegata  etc. 

4)  Auch  die  markständigen  Bündel  mit  Bastbelegen:  Aspho- 
delus  luteus,  Tritoma  llooperi  Hort.,  Kniphofia  aloides ,  Aspidistra  liiridct  (Blatt- 
stiel), Opliiopogon  Jahuran,  Geitonoplesium  cymosum,  liuscus  aculeatus,  Pardan- 
flius  chinensis ,  Aristea  cyanea,  Iris  higlumis ,  Crocosmia  attrea,  Alpinia  ntitans, 
Tgpha  latifolia,  Itestio  vaginatus  Thbg.^  Calopsis  panicidata  Desv. 

Vom  mechanischen  Gesichtspunkte  aus  betrachtet  liefern  diese  Gewächse 
weitere  Belege  dafür,  dass  die  Bastzellen  nicht  bloss  zur  Herstellung  der 


76 


II.   Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


erforderlichen  Riegungstcstigkcit  verwendet  werden,  sondern  jedenfalls  auch 
andern  Zwecken  dienen  können.  Aber  auch  hier  tritt  diese  sccundärc  Bedeutung- 
mit  Bezug  auf  den  damit  zusannncnhängenden  Materialaufwand  im  Ganzen  ge- 
nonnnen  sehr  in  den  Hintergrund. 

Flir  die  mechanische  Werthung  dieses  Systems  kommen .  abgesehen  von 
der  Querschnittsfläche,  verschiedene  Momente  in  Betracht.  Zunächst  die  hohl- 
cylindrische  Form,  die  an  und  für  sich  eine  der  günstigsten  ist;  sodann  das 
Verhältniss  der  Wanddicke  zum  Durchmesser  oder  überhaupt  die  relative  Stärke 
der  Aussteifungsgcbilde;  endlich  der  Abstand  von  der  Oberfläche  des  Stammes, 
der  unter  allen'^Umständen  ein  ungünstiges  Moment  ist.  Die  Aussteifung  l)e- 
tref!end,  so  tragen  die  angelehnten  Gefässbündel,  desgleichen  die  hin  und  wie- 
der etwas  verdickten  Zellen  des  peripherischen  Markes  und  der  Rinde^  offenbar 
wesentlich  dazu  bei.  Wo  die  dem  Bastring  benachbarten  markständigen  Ge- 
fässbündel starke  Bastbelege  besitzen,  sind  dieselben  als  besondere  Vorrich- 
tungen zu  diesem  nämlichen  Zwecke  zu  betrachten.  In  seltenen  Fällen  kommen 
hiezu  noch  tangentiale  Mestomanastomosen  [IlemerocaUis  fulmi).  Bei  Trades- 
caufia  endlich  ist  der  schwache  Bastring  mit  starken  subepidermalen  CoUen- 
chymplatten  combinirt. 

Der  Abstand  des  Bastringes  von  der  Oberfläche  ist  in  den  stärkeren  Stengei- 
theilen relativ  gering,  oft  nur  'z-,,,  bis  V.00  tles  Durchmessers;  er  kann  aber 
ausnahmsweise  auch  '/,„  und  selbst  ',7  des  Durchmessers  erreichen,  so  z.  B. 
im  obern  Theil  des  Blüthenschaftes  von  Ällium  virmile. 

Die  Bastzellen  des  Kinges  sind  gewöhnlich  zunächst  der  Aussenfläche  des- 
selben stärker  verdickt  als  weiter  nach  innen,  übrigens  von  durchaus  normaler 
Beschaffenheit.  Nicht  selten  ist  der  Uebcrgang  ins  Markgewebc  ein  allmäliger 
zu  nennen,  indem  die  Dicke  der  Zcllwandungen  nach  innen  langsam  abnimmt 
und  die  Zellformen  sich  ebenso  allmälig  dem  Parenchym  nähern.  Auch  wenn 
der  anatomische  Character  der  Zellen  sich  plötzlich  ändert,  tritt  diess  weniger 
auf  Querschnittsansichten,  als  im  Längsschnitt  augenfällig  hervor,  da  die  peri- 
pherischen Markzcllen  bezüglich  der  Wanddicke  den  inneren  Bastzellen  oft 
nicht  viel  nachstehen. 

Zur  Vergleichung  der  Querschnittsfiächen  und  Biegungsmomente  habe  ich 
nachstehend  einige  Daten  zusammengestellt,  die  sich  indess  nur  auf  die  stär- 
keren Stengeitheile  der  betreffenden  Pflanzen  beziehen.  Die  Berechnungen  wur- 
den, wie  gewöhnlich,  für  einen  Stammdurchmesser  von  1000  Ctm.  aus- 
geführt. 


Qucrsclmitt  des  Bast- 
ringes  in  DCtni. 

Maass  des 
Biegungsmomentes. 

Maass  dos  Biegungsmomen- 
tes auf  1200(1  bCtm. 

Al/itiin  vitieale 

14()0()U 

12000  Millionen 

1030  Millionen 

Veltheim ia  viridissima 

WMm 

9300 

1200  » 

Ixia  [/)'(( ndr/lorn 

1 12000 

11300  .) 

1200  » 

Liliitm  artratuvi 

lOOOÜÜ 
1 

10800  » 

1300  » 

."5.  Die  mecliaiüschen  Systeme  zur  llerstelliiug  üer  erloiiU'rliclien  Biogungsfi'stigkcit.  77 


Die  in  der  letzten  Colonne  enthaltenen  Ziffern  beweisen,  dass  das  System 
des  Hülde}linders  /n  den  denkbar  i!,ünstigsten  gehört.  Dass  Ällium  mneaU 
eine  Ausnahme  bildet,  rührt  von  der  relativ  stärkeren  Rinde  her,  deren  Mäch- 
tigkeit hier  etwa  6  Procent  des  Durchmessers  beträgt. 

Zum  Schlüsse  erwähne  ich  noch  einer  interessanten  Uebergangsbildung, 
die  ich  bei  Bocckhia  striata  Knth.  beobachtet  habe.  Diese  Restiacee  besitzt 
nändich  im  untersten  Theil  des  Stammes  (Bliithenschaftes)  [einen  einfachen 
Bastring  mit  eingebetteten  Gefässbiindeln.  Etwas  weiter  nach  oben  sendet 
dieser  Ring  strahlcnlorniige  Rippen  aus  (Taf.  X,  Fig.  11),  welche  das  grüne 
Rindenparenchym  im  ganzen  mittleren  und  oberen  Theil  des  Schaftes  vollstän- 
dig durchsetzen.  Die  farblose  peripherische  Zone  enthält  jene  eigenthümlichen, 
mit  besonderen  SchutzzcUen  austapezierten  Spaltöffnungshöhlcn,  welche  für  die 
Restiaceen  characteristisch  zu  sein  scheinen').  Die  Gesanmitdicke  der  Rinde 
wird  dadurch  beträchtlich  erhöht  und  in  Folge  dessen  das  mechanische  System 
weiter  als  gewöhnlich  nach  innen  gedrängt. 

II.  Die  Querschnittsformen  des  mechanischen  Systems  in  bilateralen 

Organen. 

Obsclion  mir  über  den  Bau  der  bilateralen  Organe,  zumal  der  Blätter,  nur 
unvollständige  Materialien  vorliegen,  so  halte  ich  sie  doch  für  zureichend,  um 
denselben  eine  Uebersicht  über  die  Avichtigeren  Constructionsformen,  welche  in 
den  Flächenorganen  der  Monocotylen  vorzukommen  pflegen,  entnehmen  zu  kön- 
nen. Dabei  habe  ich  allerdings  vorzugsweise  nur  die  wesentlich  neuen  Con- 
structionsformen im  Auge,  welche  in  der  Flächenentwicklung  der  Organe  be- 
gründet sind,  und  lege  dagegen  auf  die  kleineren  Eigenthündichkeiten  jener 
Blattstiele ,  deren  mechanisches  System  zwar  eine  bilaterale  Anordnung  der 
Theile  zeigt,  sich  aber  im  IJebrigen  an  die  im  Vorhergehenden  erwähnten  Ty- 
pen Immittelljar  anschliesst,  kein  Gewicht.  Unter  den  verschiedengestaltigen 
bilateralen  Organen  bieten  überhaupt  die  ausgesprochen  blattartigeu ,  wozu 
auch  die  Scheiden  zu  rechnen  sind,  für  unsere  Betrachtung  ein  grösseres  Inter- 
esse, als  die  mannigfachen  IJebergänge  zu  stammähnlichen  Formen. 

Die  Eintheiliing  der  Trägersysteme  ist  in  der  Hauptsache ,  wie  bei  den 
Stammorganen ,  auf  das  Verhältniss  zur  Epidermis  basirt.  Ich  unterscheide 
demgemäss  s  u  b  e  p  i  d  e  r  male,  innere  und  gemischte  Träger.  Diesen 
Systemen  sind  die  Typen  untergeordnet. 

1)  System  der  subepidernialen  Träger. 

Erster  Typus.  Zusannnengesetzte  subejjidermale  Träger  in  bilateraler 
Anordnung;  das  Uebrige  wie  im  vierten  Ty[)us  der  cylindrischen  Organe.  — 
Hieher  die  Blätter  xon  Scirptis  Holoschoeniis  (Taf.  VIII,  Fig.  1),  Schoenus  nigri- 


•)  Vergieiclie  liieriiber  Pfitzer  in  Pringsheim  s  Jahrb.  VII,  pag.  561. 


78 


II.  Spezielle  Betivaclitunf?  der  Monocotylcn. 


ra//6'.  Fhnhrisfißs  ^spadirm  Vahl  (Taf.  XI .  \]   iukI  verschiedene  (Ujperm- 

Arten . 

Die  Qiierschiiittslonu  dieses  Tyi)ns  ist  aus  den  citirtcn  Figuren  -lw  erselien. 
Alles  Uebrige  entsprich  in  der  Haui)tsa('lie  der  Beschreibnng  des  vierten  Ty- 
pus der  Stamniorgane,  auf  welclie  ich  hieniit  verweise.  Besondere  Erwähnnng 
verdient  nur  die  Art  und  Weise,  wie  die  iimenseitigen  Basthelcge  bei  Fhnhri- 
sfijUs  spadicea  angebraclit  sind.  Die  Mestonistränge  sind  nämlich  zunächst  Aon 
einem  lockeren  Gewebe,  l)estehend  aus  radial  verlaufenden  grünen  Zellreihen, 
umgeben,  an  welche  sich  auf  der  Innenseite  das  relativ  feste  parenchymatischc 
Mark  anschliesst  (erinnert  an  Selarjinclhi  und  Lycopodium) .  liier  erst  sind  in 
einem  Halbkreise  mehrere  isolirte,  aber  durch  das  Markparenchym  hinlänglich 
verbundene  Bastblindel,  welche  ofTeidjar  aus  einzelnen  Markzellen  entstanden 
sind,  aufgestellt  (Taf.  XI.  Fig.  1).  Es  ist  klar,  dass  durch  diese  Anordnung 
nicht  bloss  die  erforderliche  Festigkeit  erzielt,  sondern  zugleich  eine  schützende 
Hülle  für  die  Mestonistränge  und  ihre  nächste  Umgebung  hergestellt  wird  (wie 
diess  auch  bei  den  Lycopodiaceen ,  hier  aber  gewöhnlich  mittelst  eines  Bast- 
ringes geschieht  . 

Zweiter  Typus.  Subepidermale ,  mit  Mestom  verbundene  Träger  auf 
der  Druckseite,  combinirt  mit  mestomfreieu  Bastbändern  auf  der  Zugseite.  — 
Hieher  die  Blattmittelrippen  bei  Erianfhm,  Sarcharum,  Zea.  Gynmothrix.  Gy- 
nerimn  u.  a. 

Abgebildet:  Zea  Mais,  Taf.  VIII,  2;  Saccharmn  strictiim,  Taf.  VIII,  ö;   Eriimt/ins  Ra- 
vennae,  Taf.  XIT,  4;   GißDermm.  arf/enfeinn ,  Taf.  XII,  3. 

Ein  Blick  auf  die  citirten  Figuren  gibt  den  nötliigeu  Aufschluss  über  die 
Anordnung  der  Constructionstheile  im  Allgemeinen.  Ich  beschränke  mich  da- 
her auf  die  Hervorhebung  einiger  Einzelnheiten  und  Variationen,  welche  auf 
Querschnitten  weniger  in  die  Augen  Mlen.  Der  nach  unten  vorspringende 
Mittelnerv  zeigt  auf  der  convexen  Seite  der  Schnitte  einen  Halbkreis  von  stär- 
keren und  schwächeren  Trägern  in  regelmässiger  Alternanz.  Diese  Träger  be- 
stehen entweder  aus  einer  directen  Verbindung  von  Bast  und  widerstandsfähigem 
Mestom,  wobei  das  letztere  ül)erdiess  seine  besondere  Bastbekleidung  besitzt, 
oder  es  sind  zwei  durch  Parenchym  verkoppelte  Gurtungen  vorhanden ,  von 
denen  die  äussere  von  der  subepidermalen  Bastmasse,  die  innere  vom  Mestom 
nebst  zugehörigem  Bastbelege  gebildet  wird.  In  diesem  Falle  ist  indess  das 
verbindende  Parenchym  Chlorophyll  frei  und  fast  interstitienlos ,  zuweilen  über- 
diess  etwas  dickwandig ;  es  ist  offenbar  ein  Gewebe,  das  für  mechanische  Zwecke 
mehr  oder  w^eniger  angepasst  ist.  Die  Mächtigkeit  dieses  Parenchyms  ist  sehr 
verschieden ;  bald  ist  es  eine  einzige  Zellenlage,  bald  sind  es  deren  mehrere, 
die  sich  aber  stets  deutlich  von  den  beiderseits  angrenzenden  grünen  Zellen 
abheben.  Bei  Sarrharimi  strirtum  sind  die  subepidermalen  Rippen  der  Median- 
partie in  tangentialer  Richtung  mit  einander  verschmolzen  (Taf.  VIII,  5). 

Die  bandartigen  Bastjdatten  auf  der  oberen  Seite  des  Mittelnervs  liegen 


I 


3.  Die  mechanischou  Systenio  zur  Ilorstolhmg  der  mforderliclicn  Bioginift-sfestigkeit  79 


ebenlalls  uniuittelbar  unter  der  Epidermis,  llievoii  inaclit  nur  die  ßasalregion 
der  Ulattspreite  zuweilen  eine  Ausnalmie,  so  z,  B.  bei  Sarch(irn7n  strictum,  Wo 
sieh  der  Bast  an  der  bezeichneten  Stelle  etwas  von  der  E})iderniis  zurückzieht, 
nni  etwas  unterhalb  der  Lig-ula  wieder  den  gewohnten  Platz  einzunehmen.  Die 
t'raglichen  Zugbänder  beschreiben  demnach  beim  Uebergang  der  Spreite  in  die 
Seheide  einen  etwas  sanfteren  Bogen  als  der  äussere  Contour. 

An  die  oben  erwähnten  Beispiele  für  diesen  'i'yp^^s  schliessen  sich  mit  un- 
wesentlichen Variationen  noch  verschiedene  Blattscheiden  von  Gramineen  an. 
Zwar  herrscht  hier  im  Allgemeinen  der  folgende  Typus  vor;  doch  hahe  ich  in 
der  Nähe  der  Basis  Verschmelzungen  der  Bastrippen  zu  continuirlichen  Bast- 
belegen hin  und  wieder  beobachtet. 

In  mechanischer  Hinsicht  verdient  das  Verhalten  der  Blätter  von  Gynerium 
argenteum  noch  besonders  hervorgehoben  zu  werden.  Die  morphologisch  obere, 
d.  h.  die  in  der  Knospe  nach  innen  gekehrte  Seite,  ist  hier  ausnahmsweise 
für  Druck,  die  untere  oder  convexe  Seite  dagegen  für  Zug  construirt  (Taf.  XII,  3). 
Die  mechanische  Anpassung  geschieht  nun  in  der  Weise,  dass  ohne  Ausnahme 
jedes  Blatt  in  einer  gewissen  Höhe,  sobald  es  sich  nämlich  von  der  Verticalen 
entfernt  und  schief  gegen  den  Horizont  stellt,  eine  halbe  Umdrehung  erfährt, 
so  dass  nun  doch  die  bandartige  Bastplatte  nacli  oben  und  die  mehr  für  Druck 
eingerichteten  Träger  und  Faltungen  nach  unten  zu  liegen  kommen. 

Dritter  Typus.     Einfache  oder  zusammengesetzte  I-förmige  Träger, 
obere  und  untere  Blattseite  mit  einander  verbindend.  —  Hieher  die  Blätter  vieler 
'Gramineen  und  Cyi)craceen,  sowie  diejenigen  von  Tijpha.  Xerotes,  Pincenectia, 
Cordijlme  .  Phormhon  ,  Pandanus .  Hyphaene  thehaica ,  Antholyza  ,  Crocosmia. 
Miim.  Strelitzia  n.  a. 

Abgebildet  a;  volle  Träger:  Xerotes  mucronata  R.  Hr.,  Taf.  VIII,  7;  Hyphaenc  the- 
huim,  Taf.  VIII,  9  ;  Claäium ,  Taf.  VIII,  6 ;  Fhormmm  tenax ,  Taf.  IX,  3  ;  b)  Träger 
mit  ParencJiynifiilliingen :  Saccharum  strictw»,  Taf.  VIII,  4;  Zca  Mais,  Taf.  VIII,  3; 
Canx  litp/ilüta,  Taf.  VIII,  S;  Oipici-iimi  arf/mtemn,  Taf.  IX,  1  und  X,  1;  Strelitzia  u- 
(jina,  Taf.  IX,  2;  Musa  s/^ee. ,  Taf.  IX,  4;  Crocosmia  anrea,  Taf.  IX,  5;  Typha  lotifo- 
lia,  Taf.  IX,  S,  9;  Sparf/aiiinm  ramosum ,  Taf.  IX,  10  und  X,  5  —  7;  Uromas  spec, 
Taf.  III,  5;  die  Bastpartie  links  schliesst  sich  an  die  Epidermis  an. 

Eine  Constructionsform ,  welche  in  so  einfacher  Weise  die  mechanisch 
zweckmässigste  Anordnung  der  festen  Theile  zur  Anschauung  bringt,  bedarf 
keiner  langen  Erörterung.  Es  sind  I-förmige  Träger,  wie  wir  sie  bei  kleinen 
Eisenbahnbrücken,  Strassenübergängen  u.  dgl.  häufig  angewendet  finden.  Die 
einen  dieser  Träger  sind  voll,  d.  h.  nur  aus  Bast  (nebst  eingeschlossenem 
Mestom)  zusammengesetzt,  so  bei  manchen  Cyperaceen  und  Gramineen,  bei 
IIy/)hae7ie  thehaica ,  Cordyline,  Maranta  etc. ;  andere  dagegen  besitzen  bloss 
subei)idermale  Gurtungen  aus  Bast,  an  welche  sich  auf  der  einen  Seite  (oder 
auf  beiden)  die  Mestomstränge  anlegen,  indess  die  Verbindungen  zwischen  den 
Gurtungen  mittelst  Parenchyni  hergestellt  sind.  AViedcr  andere,  wie  Phormimn 
tenax.   verhalten  sich  zwar  in  den  schwächeren  Theilen  der  Blätter  ebenso 


80 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


(vgl.  Tat".  IX,  3),  zeigen  dagegen  in  den  stärkeren  einen  coniplicirteren  Bau, 
stellenweise  sogar  eine  mehrfach  abgestufte  Trägerphalanx.  Aehnlich  bei  67«- 
diuni  Mariscus.  Endlich  sind  als  besonders  zierliche  Formen  noch  die  Blätter 
von  Typhu.  Scv'jnis  und  andern  wasserliebenden  Pflanzen  erwähnenswerth,  wo 
die  parenchymatischen  Trägerverbindungen  zugleich  die  Scheidewände  zwischen 
den  grossen  Luftkanälen  sind. 

Geht  die  Blattsi)reite  nach  unten  in  eine  offene  oder  geschlossene  Scheide 
Uber,  wie  bei  den  Gramineen  oder  Cyperaceen,  so  bleiben  die  in  Kede  stehen- 
den Träger  in  ihren  peripherischen  Theilen  im  Wesentlichen  unverändert;  da- 
gegen werden  die  auf  der  Innenseite  liegenden  subepidermalen  Gurtungen,  wie 
sich  von  vorne  herein  erwarten  lässt,  schwächer  oder  verschwinden  vollständig. 
Das  Letztere  scheint  bei  den  geschlossenen  Scheiden  der  Cyperaceen  Kegel  zu 
sein;  wenigstens  habe  ich  den  entgegengesetzten  Fall  niemals  beol)achtet.  Ein 
gleiches  Verhalten  zeigen  auch  manche  Gramineen,  doch  gewöhnlich  erst  im 
mittleren  oder  unteren  Theil  der  Scheide.  Bei  andern  sind  zwar  noch  innere 
Gurtungen  vorhanden ;  allein  sie  bestehen  aus  schwächeren  oft  beinah  collen- 
chvmatisch  aussehenden  Zellen,  die  sich  von  den  normalen  Bastzellen  schon 
durch  ihre  hellere  Färbung  und  grössere  Quellungsfähigkeit  unterscheiden.  Die 
Erklärung  dieser  Abweichungen  mag  in  dem  Umstände  liegen,  dass  die  Scheide 
offen  ist  und  überdiess  den  Stamm  oft  nur  locker  umschliesst. 

Hat  das  Blatt  einen  starken  Mittelnerv,  wie  z.  B.  bei  CordtjUne  indirisa, 
so  ist  der  letztere  nicht  selten,  zumal  in  der  Nähe  der  Blattbasis,  mehr  oder 
weniger  abweichend  gebaut.  Bei  der  eben  erw^ähnten  Coixhjline  erscheinen  die 
Träger  in  der  Mediane  nicht  mehr  als  durchgehende  Rippen,  sondern  sie  gruj)- 
piren  sich  derart,  dass  ihre  Verbindungslinien  eine  geschlossene  Figur  bilden. 
Dabei  sind  die_weitaus  stärkeren  Bastbelege  beiderseits  der  Epidermis  zugekehrt : 
die  schwächeren  bestehen  meist  nur  aus  3  Zellschichten ,  welche  zum  Schutze 
des  Cambiforms  oder  der  Vasalpartie  des  Gefässbiindels  nothwendig  sein  mö- 
gen'). Im  oberen  Theil  des  Blattes,  W'O  der  Mittelnerv  schwächer  ist,  wird 
diese  Trägergruppe  durch  einen  einzigen  Fibrovasalstrang  ersetzt. 

In  den  keineswegs  seltenen  Fällen,  wo  die  Epidermis  mehrschichtig  ist, 
wie  bei  Maranta,  Musa,  PJiorniium.  HijpJiaene  etc.,  gehen  die  Bastrippen  ge- 
wöhnlich nur  bis  zur  innersten  oder  zweitinnersten  farblosen  Schicht.  Kommen 
auch  hin  und  Avieder  Ausnabmen  vor,  so  gilt  doch  im  Allgemeinen  die  Regel, 
dass  das  Hypoderm  die  nach  der  Oberfläche  strebenden  Gurtungen  zurückdrängt. 

Die  Festigkeit  der  hieher  gehörigen  Constructionen  variirt  zwischen  weit 
aus  einander  liegenden  Grenzwerthen.  Zu  den  stärksten  gehören  wohl  die 
Blätter  von  Hijphaene  thehaica,  sowie  diejenigen  mancher  Cyperaceen,  Grami- 
neen und  Liliaceen  (z.  B.  Plormium  tenax),  zu  den  schwachen  die  Blätter  von 
Ti/plui  und  Sparffanium.    Eine  Vergleichung  mit  grösseren  Brücken,  wie  sie 


')  Vgl.  weiter  xmteii  den  Paragraphen  über  die  Verwendung  der  Bastzellen  zu  local- 
mechanischen  Zwecken. 


3.  Die  mechaniscliüu  Systeme  zur  Hcrstelliiujj,-  der  erlünlerlichcn  Biegun^sfestigkeit.  81 


oben  für  Stanimorgane  dureligel'ülivt  wurde,  hätte  liier  nur  für  diejenigen  Fälle 
etwek'hen  Sinn,  in  welchen  die  Träger  nicht  allzuweit  von  einander  abstehen; 
man  könnte  alsdann  ein  Trägerpaar  mit  den  beiden  Tragbalken  der  Brücke 
vergleichen.  Für  die  übrigen  Fälle  dagegen  Hesse  sich  höchstens  eine  Parallele 
mit  kleinen  Strassenübergängen,  Dielen  u.  dgl.  ziehen.  Da  überdiess  eine  heraus- 
geschnittene Blattlamelle  bei  allen  schmalen  Blättern  eine  relativ  geringere  Festig- 
keit zeigt,  als  das  unversehrte  Blatt  (weil  sich  bei  letzterem  die  oberflächlichen 
Tlieile  am  Rande  wechselseitig  stützen'!,  so  verzichte  ich  auf  die  arithmetische 
Berechnung  bestimmter  Fälle. 

Vierter  Typus.  Einfache  I-förmige  Träger  auf  der  Aussen-  oder  Unter- 
seite des  Blattes  oder  der  Blattscheide.  —  Hieher  die  Blätter  von  Tradescan- 
tia,  sowie  die  Blattscheiden  der  Irideen  und  zum  Tlieil  auch  der  Gramineen. 

Da  dieser  Typus  sich  unmittelbar  an  den  vorhergehenden  anschliesst ,  so 
mag  die  vorstehende  Diagnose  genügen,  um  denselben  zu  characterisiren. 
Wahrscheinlich  kommen  hieher  gehörige  Constructionsformen  bei  schwächeren 
Blättern  noch  da  und  dort  vor. 

Fünfter  Typus.  Einfache  I-förmige  Träger  auf  beiden  Blattseiten,  aber 
in  alternirender  i nicht  opponirter)  Stellung.  —  Hieher  die  Blattspreiten  von 
Kniphofia  aloides,  Pardantlms  chinensis,  Iris  variegala  etc. 

Vom  vorhergehenden  Tyi)us  bloss  durch  die  Alternanz  der  Träger  verschie- 
den, Ausnainnsweise  stehen  übrigens  die  Bündel  hie  und  da  auch  opponirt 
und  bilden  dann  eine  durchgehende  Rippe.  Die  Bastbelege  sind  natürlich  nach 
aussen  gekehrt  oder  doch  auf  der  Aussenseite  stärker  entwickelt. 

"2.  System  der  inneren  Träger.  Die  Bastbelege  berühren  die 
Epidermis  nicht,  sondern  sind  durch  chlorophyllführende  Zellen 
von  derselben  geschieden.    Durch  Uebergänge  mit  dem  folgenden  System 

verlninden. 

Sechster  Typus.  Isolirte  innere  Träger  in  verschiedener  Anordnung.  — 
Hieher  die  Blätter  von  Allium  (verschiedene  Arten),  Tritoma,  Aspliodelus 
(Gefässbündel  ohne  Bast),  Aspidistra,  Opliiopo(jon,  Cypripedimn\  desgleichen 
mit  abweichender  Anordnung  die  Blätter  von  Yucca,  Bracaoia,  Agave,  Four- 
croya,  sowie  die  Blattstiele  von  RJuqm  und  anderen  Palmen. 

Ein  umfassenderes  Studium  ddr  hieher  gehörigen  Organe  würde  voraus- 
sichtlich eine  beträchtlich  weiter  durchgeführte  Eintheiluug  ihrer  Querschuitts- 
formen  nothwendig  erscheinen  lassen.  Denn  schon  die  oben  genannten  Bei- 
spiele ordnen  sich  naturgemäss  in  zwei  Gruppen,  indem  die  vorhandenen  Träger 
bald  in  einer  Ebene  liegen,  bald  zu  geschlossenen  Figuren  (Dreiecken,  Halb- 
kreisen etc.)  zusammengestellt  sind.  Da  ich  indess  nur  wenige  Bemerkungen 
über  einzelne  Vorkommnisse  zu  machen  habe,  so  hätte  eine  weiter  gehende 
Zersplitterung  der  Fälle  keinen  Zweck. 

Schwendener,  Das  mechanische  Princip.  ^ 


82 


II.  Spezielle  Betrachtimg  der  Monoeotylen. 


Zu  bemerken  habe  ich  erstens,  dass  die  Stellung  der  Träger  in  der  Mitte 
zwischen  der  Ober-  und  Unterseite  der  Blätter,  wie  wir  diess  bei  Aspidistra 
lurida.  Ophiopogon  Jahuran  u.  a.  beobachten,  eine  mechanisch  ungünstige  ist 
und  folglich  vom  mechanischen  Gesichtspunkte  aus  nicht  erklärt  werden  kann. 
Die  betreffenden  Bastscheiden,  die  übrigens  nur  selten  mehr  als  drei  Zellschichten 
zählen,  dienen  hier  offenbar  zunächst  den  saftleitenden  Gefässbündeln  zum 
Schutz  und  erst  in  zweiter  Linie  zur  Erhöhung  der  Biegungsfestigkeit.  Dem 
letzteren  Zwecke  entsprechen  dagegen  die  starke  Epidermis,  die  Collenchym- 
platten  unter  derselben,  die  Anordnung  der  festeren  Parenchymzellen  (z.  B.  bei 
Ophiopogo7i)  und  ähnliche  Momente. 

Zweitens  ist  zu  berücksichtigen,  dass  hier  die  Biegungsfestigkeit,  zumal 
bei  breiten  Blättern,  nicht  die  Bedeutung  hat,  wie  bei  schlanken  Stämmen, 
Blattstielen  u.  dgl.  Eine  ebenso  wichtige  oder  oft  wichtigere  Kolle  spielt  gegen- 
über den  äusseren  Einflüssen,  wie  z.  B.  starken  Windstössen,  der  Widerstand 
gegen  Torsion  und  gegen  Abscheeren.  Hiebei  kommt  al)er  nur  der  Quersclinitt, 
nicht  die  peripherische  Lage  der  Träger  in  Betracht.  Ebenso  sind  die  Quer- 
anastomosen  zwischen  den  längs  verlaufenden  Gefässbündeln  der  Blattspreite 
vorzugsweise  für  scheerende  und  drehende  Kräfte  berechnet. 

Eine  dritte  Bemerkung  bezieht  sich  auf  die  fleischigen  Blätter  von  Agave 
und  Fourcroya,  sowie  auch  auf  verschiedene  weniger  fleischige :  Draeaena, 
Yticca,  Blattstiele  von  llhapis  u.  a.  Hier  zieht  sich  nämlich  stets  eine  Bogen- 
reihe  grosser  Gefässbündel,  welche  offenbar  nicht  der  Biegungsfestigkeit  wegen 
da  sind,  von  Kante  zu  Kante,  wobei  der  Scheitel  des  Bogens  bald  ungefähr 
in  die  Mitte  zwischen  Ober-  und  Unterseite,  bald  mehr  in  die  Nähe  der  ersteren 
zu  liegen  kommt.  Wo  diese  Bündel  durch  Queranastomosen  verbunden  sind, 
wie  bei  Yucca,  vergrössern  sie  zunächst  die  Festigkeit  gegen  Abscheeren  und 
zwar  nicht  bloss  in  der  Querrichtung  (was  bei  allen  Bündeln  der  Fall  ist) ,  son- 
dern auch  in  der  Kichtung  parallel  mit  der  Axe  des  Blattes.  Bei  RJiapis  ßa- 
helliformis  gewähren  diese  nämlichen  Bündel  auf  den  ersten  Blick  den  Eindruck 
einer  Querverspannung;  da  jedoch  die  Anastomosen  hier  vollständig  fehlen,  so 
fällt  diese  Deutung  dahin. 

Siebenter  Typus.  Unterbrochener  Bastring  mit  nach  innen  vorspringen- 
den Rippen.  —  Hielier  die  Blattstiele  von  Aspidistra  lurida. 

Dieser  Fall  lehnt  sich  unmittelbar  an  denjenigen  der  Stammorgane  mit 
Bastring  an  und  bedarf  daher  keiner  weiteren  Erklärung. 

3.  System  der  gemischten  Träger.    Subepidermale  Rippen  mit 

inneren  Trägern  combinirt. 

Achter  Typus.    Character  des  Systems.  —  Hieher  die  Blattstiele  ver- 
schiedener Palmen :  Rhcqns flabclliformis ,  Cliamaerops  Fortunei,  Flioenix  dacüjli- 
fera,  Limstona  sinensis,  Juhaea  spectabilis.,  ^ahal  Adatisonii-,  ferner  die  Blätter 
einiger  Ju?icus- Arten  :  J.  cot)ipressus,  Gerardi,  Tenageia,  hvfonius. 
Abgebildet:  Juncus  compressus,  Taf.  IX,  ß. 


Die  mochanischcn  Systeme  zur  llei-st(ülmi<^-  der  erforderlichen  Rie.i^iinssiestigkeit.  83 

Unter  den  genannten  Palmblättcrn  gibt  es  solche,  bei  welchen  die  Bast- 
zcllen  zum  weitaus  grösseren  Theile  der  Biegungsfestigkeit  dienen,  zu  deren 
Erhöhung  überdiess  auch  die  starken  Epiderniiszcllen ,  bei  manchen  auch  die 
vorspringenden  Hippen  nicht  wenig  beitragen.  Bei  andern  sind  dagegen  die 
subepidernmlen  Baststränge  si)ärlicher  ausgestattet  und  dafür  die  inneren  Bün- 
del mit  starken  Bastbelegen  versehen.  Die  Epidermis  und  das  parenchynia- 
tische  Hyi){)derm,  obgleich  mechanisch  widerstandsfähig,  sind  wahrscheinlich  in 
erster  Linie  für  andere  Zwecke  eingerichtet. 

Die  oben  bezeichneten  -nJimci  planifoln((  haben  durchgehends  zwei  subepi- 
dermale  Randri})pen  auf  der  oberen  Seite ,  einzelne  auch  eine  su})e])idermale 
Kückenrij)pc,  welche  mit  dem  mittleren  Mcstomstrang.  in  Verbindung  steht.  Die 
übrigen  Fibrovasalstränge  berühren  die  Oberfläche  nicht. 

*  * 

* 

Eine  mechanische  Einrichtung  besonderer  Art,  die  unter  den  mir  bekann- 
ten Fällen  völlig  isolirt  dasteht,  findet  sich  bei  sämmtliclien  untersuchten  Ma- 
ranta-kxiQ,\\  auf  der  Unterseite  der  Blattmittelrippe,  sowie  im  ganzen  Umfange 
des  verdickten  Blattstieles  an  der  Basis  der  Spreite :  es  sind  mechanische  Zel- 
len, welche  bei  Maranta  hicolor  genau  radial  gestellt,  bei  den  übrigen  Arten 
dagegen  unter  ungefähr  45'^  gegen  die  Längsaxe  geneigt  sind,  wobei  der  spitze 
Winkel  dem  Scheitel  des  Organs  stets  zugewendet  ist  (Längsschnitt  auf  Taf.  X, 
Fig.  8 ;  der  linke  Rand  liegt  scheitelwärts) .  In  allen  Fällen  bilden  diese  Zellen 
einen  ununterbrochenen,  nur  von  der  Epidermis  und  etwa  noch  einer  oder  we- 
nigen Rindenzellschichten  überzogenen  Beleg,  der  im  Querschnitt  die  Form  einer 
Sichel  oder  eines  Kreisringes  zeigt.  Einzeln  betrachtet,  haben  dieselben  aller- 
dings nicht  das  Aussehen  typischer  Bastzellen ,  zum  Theil  schon  wegen  der 
geringeren  Länge  und  der  schwachen  Verdickung  der  Membranen,  hauptsäch- 
lich aber  darum  nicht,  weil  die  beiden  Enden  mit  Parenchym  in  Verbindung 
stehen,  welches  die  gewöhnliche  prosenchymatische  Zuspitzung  nicht  gestattet. 
Dessenungeachtet  steht  die  Bastnatur  dieser  Zellen  in  den  meisten  Fällen  ausser 
allem  Zweifel ;  ihre  Lumina  sind  lufthaltig  (selten  schwach  chlorophyllführend), 
die  Membranen  überdiess  durch  longitudinale  oder  etwas  linksschiefe  Molecular- 
reihen  ausgezeichnet,  denen  bei  Maranta  hicolor  und  Maranta  spec.  die  für 
Bast  cliaracteristischen  spaltenförmigen  Poren  entsprechen. 

Aus  der  Stellung  dieser  mechanischen  Elemente  zur  Axe  des  Organs  geht 
unzweifelhaft  hervor,  dass  sie  nicht  —  wie  diess  sonst  bei  biegungsfesten  Con- 
structionen  immer  der  Fall  ist  —  in  der  Richtung  ihrer  Längenausdehnung 
vorzugsweise  in  Anspruch  genommen  werden.  Die  Drucklinien  verlaufen  im 
Gegentheil  annähernd  senkrecht  zu  dieser  Richtung  oder  kreuzen  dieselbe  doch 
wenigstens  unter  ziemlich  starken  Winkeln.  Andrerseits  lehrt  das  Experiment, 
dass  dieses  eigenthümliche  Gewebe  einem  rechtwinklig  zur  Längsaxe  der  Zellen 
gerichteten  Zuge  nicht  lange  zu  widerstehen  vermag,  da  die  Zellen  sich  bald 

6» 


84 


II.  Spezielle  Betraclitiiiig  der  Moiiocotylcn. 


seitlich  von  einander  ablösen.  Die  ganze  Einrichtung  ist  also  vorzugsweise  auf 
Druck  construii-t  und  unterscheidet  sich  überdiess  von  andei-n  Constructionen 
aus  Bast  noch  durch  den  Umstand,  dass  die  Elasticität,  d.  h.  das  Federn  des 
Apparates  beim  Biegen  der  Organe  nicht  bloss  auf  den  physikalischen  Eigen- 
schaften der  Membransubstanz ,  sondern  nebenbei  auch  auf  den  Forniverän- 
derungen  der  dünnwandigen  Zellen  beruht  (die  zwar  ebenfalls  durch  jene  Eigen- 
schaften bedingt  sind ,  aber  doch  als'  besondere  Momente  unterschieden  werden 
müssen). 

Merkwürdig  ist,  dass  der  verdickte  Endtheil  des  Blattstieles,  bei  welchem 
die  besprochene  Einrichtung  sich  in  nahezu  gleicher  Mächtigkeit  über  die  ganze 
Peripherie  erstreckt,  im  üebrigen  augenscheinlich  auf  Zug  construirt  ist.  Die 
Fibrovasalbüudel  bilden  hier  nämlich  eine  centrale  Gruppe,  deren  Durchmesser 
stets  kleiner  ist.  als  im  übrigen  Blattstiel  und  z.  B.  bei  Maranta  hicolor  nicht 
viel  mehr  als  ein  Drittel  des  Stieldurchmessers  beträgt;  überdiess  sind  die 
stärkeren  Bastbelege  der  einzelnen  Stränge  nach  innen  gekehrt,  wie  wir  diess 
weiterhin  auch  bei  den  zugfesten  Rhizomen  von  Typha.  Scirpus  Tahernaemon- 
tani  u.  a.  finden  werden.  Die  Vermuthung  liegt  nahe,  dass  diese  Eigenthüm- 
lichkeiten  des  Baues  mit  der  heliotroi)ischen  Krümmungsfähigkeit  des  Blatt- 
stiels an  dieser  Stelle  im  Zusammenhang  stehen;  denn  1)ekanntlich  sind  ja 
auch  die  Blattstielpolster  der  Mimosen  und  die  entsprechenden  Bewegungs- 
organe der  Oxalisblätter  etc.  nach  demselben  Princip  gebaut.  Man  begreift 
auch,  dass  starke  und  ziemlich  rasch  eintretende  Krümmungen  (in  Folge  von 
grösserer  Turgescenz  oder  von  stärkerem  Waclisthuin  des  Parenchyms  auf  der 
einen  Seitej  bei  biegungsfesten  Constructionen  aus  Bast  nicht  wohl  möglich 
sind;  sie  könnten  hier  nur  durch  andauernde  Spannungsunterschiede,  die  sich 
immer  wieder  in  Wachsthum  umsetzen ,  allmälig  zu  Stande  kommen.  Die 
Pflanze  construirt  daher  ihre  beweglichen  Organe  mittelst  zugfester  axiler  Stränge 
und  druckfester  perii)herisclier  Hüllen,  wozu  in  unserem  Falle  ausnahmsweise 
auch  spezifisch  mechanische  Zellen,  aber  in  ganz  cigenthümlicher  Anordnung, 
verwendet  wurden. 


m.    Die  mechanischen  Einrichtungen  zur  Erhaltung  der  Querschnittsform. 

Im  Vorhergehenden  wurde  die  stillschweigende  Voraussetzung  gemacht, 
dass  die  peripherischen  Träger  und  deren  Constructionstheile ,  welche  das  Ge- 
rüste biegungsfester  Organe  bilden,  durch  irgend  welche  Gewebe  unter  sich 
dergestalt  verbunden  seien,  dass  ihre  gegenseitige  Lage  durch  seitlich  wirkende 
Kräfte  keine  wesentliche  Veränderung  erfährt.  Diese  Voraussetzung  war  ge- 
stattet, denn  sie  entspricht  der  Wirklichkeit.  Es  gewährt  mm  aber  ein  beson- 
deres Interesse,  den  Mitteln  nachzuspüren,  welche  die  Natur  zur  Herstellung 
der  fraglichen  Verbindungen  oder  Querverspannungen  in  Anwendung  bringt. 
Wir  werden  auch  hier  einer  gewissen  Mannigfaltigkeit  begegnen,  die  sich  zwar 


■i.  Die  uiechanisclicn  Systeme  zur  Herstellung  der  crforderliclien  Bief;ungsfestii;keit.  85 

niclit  mit  (lein  Rcielitlium  der  Qucrsclinittsforincu  messen  kann,  aber  doch 
manche  ncnnenswerthcn  Einzelnliciten  mit  sich  bringt. 

1.  Verhalten  des  Pareuchyms. 

Was  zunächst  die  zusannnenliäng-enden  parcnehymatisclicn  Gewebe  der 
Rinde  und  des  Markes  im  Allgemeinen  bctriß't,  so  leuchtet  ein,  dass  dieselben 
im  Zustande  der  Turg-escenz  einen  bedeutenden  Widerstand  gegen  Druck 
darbieten  und  folglich  eine  Verschiebung  der  eingebetteten  mechanischen  Ele- 
mente nicht  gestatten.  Diese  Gewebe  stellen  alsdann  nicht  bloss  die  erforder- 
lichen ifreilich  nur  auf  Druck  construirtcn)  Querverbindungen  her,  sondern  sie 
dienen  auch  zur  Aussteifung  des  Systems  und  verhüten  dadurch  ein  allzu  frühes 
Einknicken  der  Wände.  Dagegen  ist  der  Widerstand  gegen  Zug  in  den  mei- 
sten Fällen,  zumal  bei  dünnwandigen  Geweben,  ein  äusserst  geringer. 

Auch  die  luftführenden,  des  Turgors  entbehrenden  Zellen,  wie  sie 
namentlich  im  Marke  häufig  vorkommen ,  besitzen  eine  nicht  zu  vernachlässi- 
gende Widerstandsfähigkeit,  und  wenn  die  Wände,  wie  es  hin  und  Avieder  der 
Fall  ist,  an  mechanisch  wichtigen  Stellen  mehr  oder  weniger  verdickt  sind,  so 
dürfen  wir  diess  getrost  als  eine  Concession  zu  Gunsten  des  mechanischen 
Systems  betrachten.  Solche  Verdickungen  kommen  ül)rigcns  nicht  bloss  in  ab- 
gestorbenen, sondern  auch  in  lebensfrischen,  saftführenden  Geweben  vor.  Man 
findet  sie  beispielsweise  1)  bei  Stengeln,  deren  peripherische  Träger  mit  Luft- 
gängen alterniren,  im  l'arenchym  innerhalb  dieser  Luftgänge,  einerseits  um  da- 
durch die  Tangentialver])indungcn  zwischen  den  inneren  Trägerhälften  zu  ver- 
stärken, andererseits  zur  Erhöhung  der  Festigkeit  überhaupt  [Kohresia  carieina, 
Taf.  I,  (),  Schoemis  nujricam  u.  a.)  ;  2)  beim  19.  Typus  der  Stammorgane  [Lu- 
zida  und  einige  Jimcus -Arten]  an  den  Stellen,  wo  die  anderwärts  vorkommende 
tangentiale  Bastverbindung  unterbrochen  ist;  ferner  als  l>cleg  auf  der  Linen- 
seite continuirlicher  Lastverbindungen  zur  Verstärkung  derselben;  3)  bei  dem 
System  des  einfachen  Hohlcylinders  als  Bekleidung  der  inneren  Cylinderfläche, 
zuweilen  unter  Verwischung  der  Grenze  zwischen  ]5ast  und  Parenchyni;  -1)  bei 
den  Trägern  der  Gramineenblätter  in  jenem  eigenthümlichen  Parenchyni,  wel- 
ches sich  zwischen  Mestom  und  Bast  einschiebt,  wenn  der  letztere  den  Kaum 
zwischen  E[)idcrmis  uiul  Mestom  nicht  mehr  ganz  ausfüllt  (Taf.  X,  1). 

Von  allen  diesen  Zellen  dürfen  wir  annehmen,  dass  sie  in  erster  Linie, 
wenigstens  ursprünglich,  ernährungsphysiologischen  Zwecken  dienen  und  folg- 
lich in  mechanischer  Hinsieht  eine  secundäre  Bolle  S})ielcn.  Viele  derselben 
führen  auch  im  ausge])ildeten  Zustande  Stärke,  andere  wässerigen  Zellsaft, 
collenchymatisch  verdickte  hin  und  wieder  auch  Chlorophyll. 

Wo  die  radialen  oder  tangentialen  Verbindungen  zwischen  den  isolirten 
Trägern  durch  grünes  Parenchyni  hergestellt  sind,  lieobachtct  man  da  und  dort 
eine  Anordnung  der  Zellen,  welche  ungefähr  den  Linien  des  grössten  Druckes 
entspricht.    Sind  auch  die  Curven  nicht  scharf  genug  ausgeprägt,  um  Anhalts- 


86 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotyleu. 


punkte  zu  mathcinatischen  Betraclitungen  zu  liefern,  so  treten  sie  doch  in 
manchen  Fällen  in  so  augenfälliger  AVeise  hervor,  dass  über  die  Bedeutung- 
derselben  im  Allgemeinen  kaum  ein  Zweifel  möglich  ist.  Solche  Fälle  habe 
ich  bis  dahin  bei  folgenden  Pflanzen  beobachtet:  1)  bei  Juncus  glaucus,  J.  pani- 
culatus  und  /.  acutus  im  grünen  Kindengewebe  zwischen  den  subepidermalen 
Rippen  (Taf.  IX,  7;  V,  2;  Curven  durch  Punkte  oder  durch  die  Schraffirung  an- 
gedeutet ;  desgleichen  bei  Scirjms  Dicmlii  (Taf.  IV,  3)  in  der  grünen  Rinde 
zwischen  den  subepidermalen  Rii)pcn  und  den  tiefer  liegenden  Gefässbündeln 
(in  der  Figur  undeutlich);  2)  bei  Gijnermm  argenteum  im  grünen  Parenchym 
zwischen  den  I-förmigen  Trägern  der  Blätter  (Taf.  IX,  1  und  X,  1 ;  in  letzterer 
Figur  ist  der  Verlauf  der  Curven  durch  punctirte  Linien  angegeben).  Die  ge- 
nannten Beispiele  beziehen  sich  sämmtlich  auf  Querschnittsansichten.  Auf  Längs- 
schnitten können  entsprechende  Curvenbildungen  nicht  wohl  stattfinden,  da  das 
intercalare  Längenwaclisthura  und  die  damit  verbundene  Reihenbildung  alle 
andern  Einflüsse  total  verwischt. 

Um  die  Bedeutung  der  in  Rede  stehenden  Curven  auch  für  Diejenigen  klar 
zu  machen,  welche  mit  Druck-  und  Zuglinien  in  gewölbeartigen  Constructionen 
nicht  näher  vertraut  sind,  mag  hier  die  Erläuterung  eines  beliebigen  hieher 
gehörigen  Falles  am  Platze  sein.  Jedermann  begreift,  dass  eine  an  den  Enden 
befestigte  Kette  (Fig.  8),  welche  in  der  Mitte  mit  einem  Gewicht  P  belastet 
  ist,  ungefähr  die  in  der  Figur  dar- 
gestellte Form  annehmen  wird.  Die 
Krümmung  wird  im  Wesentlichen 
dieselbe  bleiben,  wenn  wir  die  kurz- 
gliedrige  Kette  durch  eine  Verbin- 
dung von  Stangen  ersetzen,  von 
denen  jede  einzelne  mit  der  benach- 
barten bcAveglich  verbunden  ist. 
Die  einzelnen  Stangen  Avirken  als- 
dann, wie  vorher  die  entsprechen- 
den Kettenstücke,  mit  ihrem  eige- 
nen kleinen  Gewicht  auf  das  ganze 
System,  wobei  wir  voraussetzen,  x> 
sei  kleiner  als  P.  Denken  wir  uns 
jetzt  diese  Stangenverbiudung  um 
180"  gedreht,  dergestalt,  dass  das 
Gewicht  P  senkrecht  über  die  Ver- 
bindungslinie der  fixen  Befestigungs- 
punkte zu  liegen  kommt  (Fig.  9  innere  Curve),  so  befindet  sich  das  System  auch  in 
dieser  Lage  im  Gleichgewichtszustande ;  nur  ist  das  Gleichgewicht  jetzt  ein  labiles, 
während  es  vorher  ein  stabiles  war.  Die  Stangenverbindung  stellt  uns  nun  die 
Drucklinie  eines  Gewölbes  dar,  in  dessen  Fugenflächen,  sofern  sie  rechtwinklig 
zu  jener  Linie  stehen ,  unter  den  vorausgesetzten  Belastungsverhältnisseu  keine 


ie  mechanischoii  Systeme  zur  llcrstelluiif?  der  oifordcrliclien  Bieguiigsfestigkeit.  87 


aiulerii  Kräfte  zur  Wirkung  kommen,  als  solche,  welche  mit  der  Drucklinie 
zusammenfallen.    Mit  andern  Worten:   Gewölbsteine  von  entsprechendem  Ge- 
wicht und  in  der  angegebenen  Weise  zusammengefügt,  haben  keine  Neigung, 
sich  in  den  Fugen  zu  verschie- 
ben, weil  der  gegenseitige  Druck 
auf  diese  letztern  rechtwinklig 
wirkt. 

» 

Denken  wir  uns  jetzt  zwei 
oder  mehrere  solcher  Gewölbe 
über  einander  gestellt  (in  un- 
serer Figur  sind  zwei  ange- 
nommen), so  erhalten  wir  ähn- 
liche Curven,  wie  in  den  oben 
bezeichneten  Geweben ;  auch 
ist  in  der  Tliat  die  Bedeutung 
derselben  in  beiden  Fällen  die 
nämliche.  Die  Bastripi)en  der 
genannten  Juncus-Arten ,  wel- 
che beim  Biegen  des  Stengels 
den  stärksten  radialen  Druck 
auf  die  inneren  Träger  aus- 
üben, entsprechen  dem  Gewicht 
P,  die  zwischeuliegendcn  Stel- 
len den  kleinen  Gewichten  2> ;  ^be  einzelnen  grünen  Zellen  sind  die  Elemente 
des  Gewölbes.  Da  diese  letzteren  in  der  Richtung  des  grössten  Druckes, 
also  parallel  den  Drucklinien,  am  meisten  in  Anspruch  genommen  sind,  so 
ist  es  mechanisch  zweckmässig,  dass  sie  in  dieser  Richtung  die  grösste  Wider- 
standsfähigkeit besitzen.  Diess  wird  in  den  vorliegenden  Fällen  dadurch 
erreiclit,  dass  die  Zellen  in  der  fraglichen  Richtung  verlängert  sind  und  folglicli 
pro  Flächeneinheit  eine  grössere  Zahl  von  stützenden  Membranen  aufweisen, 
als  in  irgend  einer  andern  Richtung.  Jede  einzelne  Zellreihe  entspricht  also 
gewissermaassen  einer  Verbindung  von  Stangen,  wie  wir  sie  vorhin  vorausgesetzt 
haben.  Demgemäss  können  luftfülircnde  Räume  nur  zwischen  den  Reihen,  aber 
nicht  zwischen  den  kleinen  Berührungsflächen  der  einzelnen  Glieder  zur  Aus- 
bildung kommen. 

In  ähnlicher  Weise  sind  auch  die  Curven  zwischen  den  Trägern  dci- 
Gynerium- Blätter  zu  erklären.  Hier  beobachtet  man  übcrdiess  auch  auf  Längs- 
schnitten deutliche  Drucklinien,  nämlich  quer  verlaufende  Zellreihcn  oder  viel- 
mehr Reihen  von  Zwischenzellräumen,  welche  bei  schwacher  Vergrösseruiig 
eine  deutliche  Querstreifung  bedingen.  Ebenso  bei  Erianthus  llavennue.  Die 
einzelnen  chlorophyllführenden  Zellen  sind  zwar  in  beiden  Fällen  in  der  Längs- 
richtung, die  grösseren  luftführcndeii  Räume  dagegen,  zumal  diejenigen  an  den 
obei-n  und  untern  Grenzflächen,  constaut  in  der  Querrichtung  verlängert  und  in 


Fig.  9. 


88 


II.   Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


(lieser  Kichtuiig-  iu  Iveiheu  geordnet.  Käiimlicb  geuommen,  verlaufen  allerdings 
die  kleineren  Zwisclicuzellräunic  glirtellormig  um  die  Zellen  herum;  sie  l)ilden 
im  Querschnitt  ein  zusammenhängendes  Maschenwerk  und  gewähren  eben  dess- 
lialh  in  jeder  beliebigen  Längsansiclit  ungefähr  dasselbe  Bild.  Die  Thatsache 
jedoch,  dass  sie  sich  in  horizontale  Schichten  ordnen,  welche  mit  ununter- 
brochenen Membranverbänden  alteruiren,  erleidet  dadurch  keinerlei  Einschrän- 
kung, und  darin  gerade  liegt  das  mechanische  Moment ') .  Für  die  Verstrebung 
der  Träger  in  tangentialer  Richtung  wäre  manche  andere  Anordnung  der  Inter- 
stitien  mechanisch  ungefähr  glcichwerthig:  zur  Herstellung  der  grösstmöglichen 
Festigkeit  nach  den  verschiedenen  Richtungen  der  Querschnittsebene  eignen 
sich  aber  unbedingt  durchgehende  horizontale  Platten  am  besten. 

Ein  weiteres  Beispiel  für  die  Verlängerung  grüner  Zellen  in  der  Richtung 
des  grössten  Druckes  liefert  Papyrus  Antiquorum.  Die  kleinen  in  der  Rinde 
verlaufenden  Mestomsträngc  sind  hier  von  einem  Kranz  grüner  Zellen  ein- 
geschlossen, welche  in  radialer  Richtung  gestreckt  sind  und  mit  ihren  Aussen- 
flächen  den  Druck  der  Oberhaut  oder  den  Gegendruck  ähnlicher  Zellen  auf- 
nehmen, die  zu  benachbarten  Bündeln  gehören  (Taf.  III,  Fig.  1). 

In  den  farblosen  Geweben  der  inneren  Rinde,  des  Markes  etc.,  die  sich 
in  der  Regel  durch  etwas  grössere  Festigkeit  auszeichnen,  habe  ich  die  fragliche 
Reihenbildung  bis  dahin  nur  selten  und  meist  nur  andeutungsweise  beobachtet. 
Dennoch  möchte  ich  einige  Vorkommnisse,  die  offenbar  in  diese  Categorie  ge- 
hören .  nicht  mit  Stillschweigen  übergehen.  Ich  rechne  hieher  zunächst  die  in 
der  Querrichtung  gestreckten  Zellen  in  den  Scheidewänden  zwischen  den  grössern 
Luftkanälen  von  Papyrus ,  sodann  die  Anordnung  dieser  Scheidewände  selbst, 
zumal  im  peripherischen  Theil  des  Markes.  Der  Querschnitt  zeigt  nämlich, 
dass  diese  Wände  zwischen  der  Rinde  und  den  tiefer  liegenden  Gefässbündeln 
mehr  oder  weniger  strahlenförmig ,  wenn  auch  in  Zickzacklinien ,  gegen  diese 
letztern  convergiren  (Taf.  II,  Fig.  1 ;  die  Convergenz  tritt  nicht  selten  noch 
deutlicher  hervor  als  in  der  Figur) ,  ein  Fingerzeig ,  dass  sie  hier  eine  festere 
Stütze  haben  als  im  lockern  Markgewebe.  Man  beobachtet  ähnliche  Erschei- 
nungen noch  da  und  dort  bei  wasserliebenden ,  von  Luftgängen  durchzogenen 
Pflanzen,  so  z.  B.  bei  Acorus  Calamus  und  verschiedenen  Cyperus-Arten.  In 
zweiter  Linie  mache  ich  auf  die  Anordnung  der  farblosen  Rindenzellen  bei  dem 
auf  Taf.  III,  Fig.  3  dargestellten  Stengel  von  Juncus  glaucus  aufmerksam.  Die 
Zellen  sind  hier  in  der  Richtung  der  i)unctirten  Linien  merklich  verlängert  und 
in  deutliche  Reihen  gestellt. 


1)  Um  sich  ein  richtiges,  Avcnn  uuch  scheniatisches  Bild  von  dieser  Anordnung  zu 
raachen,  denke  man  sich  eine  beliebige  Zahl  sechskantiger  Prismen  und  auf  jeder  Seiten- 
fläche derselben  einen  rinnenförraigen ,  quer  gestellten  Einschnitt  in  der  Mitte  zwischen  den 
beiden  Endkanten.  Fügt  man  jetzt  die  Prismen  nach  Art  der  Zellen  zusammen,  so  ent- 
sprechen sie  einer  horizontalen  Zellschicht  mit  ihrem  Netzwerk  von  Zwischenzellräumen.  Die 
Verbindung  zwischen  den  übereinander  liegenden  Lagen  dieser  Interccllularen  wird  nur  durch 
die  Athemhühlen  hergestellt. 


3.   Dio  mechanischen  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderliehen  Biegungsfestigkeit.  80 


2.   Die  Filchcriing  der  Luftkanäle  durch  Diaphragmen  und  die 

M  e  s  1 0  ni  a  n  a  s  1 0  m  0  s  e  n . 

Die  grossen  Luftgänge,  welche  bei  Scirpus  lacustris^  Papyrus  Antiqi/orum, 
Jimciis  glaucus  etc.  den  Stengel  durchziehen,  und  welche  in  ähnlicher  Weise 
auch  bei  andern  Wasserpflanzen  vorkommen,  sind  in  kleineren  oder  grösseren 
Abständen  durch  Diaphragmen  unterbrochen,  welche  gewöhnlich  quer,  zuweilen 
aber  auch  etwas  schief  gestellt  sind.  Bei  Scirpus  lacustris  und  Juncus  glaums 
stehen  dieselben  etwa  5  bis  lü  Millimeter  von  einander  ab,  bei  Papyrus  etwa 
10  bis  20  Millimeter  und  darüber.  Zunächst  der"  Peripherie  sind  die  Abstände 
meist  etwas  geringer,  bei  Scirpus  oft  nur  halb  so  gross  als  im  mittleren  Thcil 
des  Markes.  Jeder  Luftkanal  hat  gewöhnlich  seine  besondern  Querwände,  die 
höchstens  zufällig  mit  benachbarten  zusammenstosscn ;  nur  bei  Papyrus  durch- 
setzt die  nämliche,  meist  etwas  schief  verlaufende  Wand  5  bis  1 0  verschiedene 
Luftkanälc,  und  die  nächstfolgenden  Wände  sind  seitlich  so  verschoben,  dass 
sie  nur  einen  Theil  dieser  Luftkanäle  treffen ,  dafür  aber  mehrere  neue  in  die 
Verbindung  aufnehmen.  Auf  diese  Weise  erhält  das  ganze  Maschenwerk  des 
Markes  von  Zeit  zu  Zeit  die  erforderlicbe  Querverspannung, 

Dass  diese  Einrichtung  eine  spezifisch-mechanische  ist,  liegt  auf  der  Hand. 
Wendet  man  doch  heutzutage  in  der  Architectur  ganz  ähnliche  Constructionen 
an,  um  beispielsweise  hohlen  schmiedeeisernen  Pfeilern  die  nöthige  Festigkeit 
zu  geben.  Will  man  indessen  noch  einen  sprechenderen  Beleg  für  die  mechanische 
Bedeutung  der  Diaphragmen,  so  findet  man  denselben  in  den  Mestomanastomosen, 
welche  die  Diaphragmen  zwar  nicht  immer,  aber  doch  jedenfalls  sehr  häufig 
begleiten.  Diese  Mestomanastomosen  sind  kleine  Gefässbündel ,  bestehend  aus 
mehr  oder  weniger  langgestreckten,  zum  Theil  etwas  dickwandigen  Zellen  und 
aus  kleinen  ring-  oder  netzartig,  selten  porös  verdickten  Gefässen,  die  je  nach 
der  Stärke  des  Bündels  in  kleinerer  oder  grösserer  Zahl  sich  vorfinden.  Sie 
gehen  stets  vom  Mestom  irgend  eines  Trägers  aus,  verlaufen  im  Innern  der 
Diaphragmen  und  setzen  sich  wieder  nur  mit  dem  Mestom  benachbarter  Träger 
in  Verbindung.  Es  sind  also  Verspannungen  zwischen  Mestom  und  durch 
Mestom.  Oft  sind  dieselben  gabelig  verzweigt  und  anastomosiren  in  gleicher 
Höhe  mit  4  bis  G  verschiedenen  Trägern,  wobei  sehr  verschiedengestaltige 
Figuren  zu  Stande  kommen.  Man  vergleiche  mit  Bezug  auf  diese  Verhältnisse 
die  Querschnitte  Taf.  IX,  Fig.  8—14,  wo  diese  Anastomosen  durchgelieiuls  durch 
quer  schraffirte  oder  punctirte  Linien  angedeutet  sind,  dessgleichen  die  Figuren 
Taf.  n,  1  und  Taf.  XH,  (5. 

Die  Träger,  welche  durch  diese  Anastomosen  fester  gekoiipelt  werden, 
gehören  bei  Stammorganen  mit  markständigen  Gefässbündcln  nicht  bloss  dem 
peripherischen  System  an,  sondern  vertheilen  sich  zuweilen  über  die  ganze  Quer- 
schnittsfläche, so  z.  B.  bei  Scirpus  lacustris  und  Pa/njrus.  In  diesem  Falle  ist 
das  Vorkommen  von  Bastbelegen  auch  bei  den  inneren  Bündeln  mechanisch 
gerechtfertigt,  indem  die  Anheftungsstellen  der  Anastomosen  den  seitlich  wirken- 


90 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


den  Kräften  gegenüber  sonst  leiclit  zu  scliWcacli  sein  könnten.  Um  die  Rolle 
solcher  Verspannungen,  welche  das  Centrnm  mit  der  Peripherie  verbinden  (vgl. 
Taf.  IX,  Fig.  11  und  12),  wenigstens  in  der  Hauptsache  zu  verstehen,  genügt 
die  Erwägung,  dass  bei  der  Krümmung  eines  cylindrisclien  Stengels  der  kreis- 
förmige Querschnitt  desselben  die  Neigung  hat,  elliptisch  zu  werden,  und  folg- 
lich die  radialen  Verstrebungen  je  nach  ihrer  Lage  auf  Druck  oder  auf  Zug  in 
Anspruch  nimmt. 

Für  eine  peripherische  Trägerphalanx,  wie  sie  bei  Juncus  glaucus ,  con- 
glomeratus  etc.  vorkommt,  ist  die  Wirkungsweise  der  vorhandenen  Anastomosen 
an  und  für  sich  klar.  Das  von  Luftkanälen  durchzogene  und  dadurch  ge- 
schwächte Pareuchym  bedarf  offenbar  der  Unterstützung  durch  besondere  Vor- 
richtungen, um  die  Gefässbündel  in  ilircr  gegenseitigen  Lage  erhalten  zu  können. 
Die  Anastomosen  spielen  hier  dieselbe  Kolle,  wie  die  eisernen  Constructions- 
theile  (Zugstangen  u.  dgl.)  bei  hölzernen  Brücken  oder  Dachstühlen.  Wir 
sehen  sie  desshalb  l)ald  schief-radial,  bald  tangential  oder  auch  in  Gestalt 
von  Y-fürmigen  Gabelungen  zAvischen  den  Mestomsträngen  ausgespannt  (man 
vergleiche  die  Anordnung  der  Mestonistränge  auf  Taf.  II,  Fig.  2,  3  und  Taf.  III, 
Fig.  3) . 

Besonders  häufig  kommen  die  Mestomanastomosen  in  den  Blättern  vor.  Man 
braucht  nur  einen  Blick  auf  die  durch  Naturselbstdruck  erhaltenen  Abbildungen 
zu  werfen,  um  sich  hiervon  zu  überzeugen,  obgleich  das  auf  diesem  Wege 
erhaltene  Bild  der  anastomosirendeu  Bippen  ein  höchst  unvollständiges  ist. 
Denn  es  ist  klar,  dass  beim  Naturselbstdruck  nur  die  tangential  verlaufenden 
Querverbindungen  deutlich  hervortreten  und  dass  auch  für  diese  die  Lage  zu 
andern  Blattnerven  erst  durch  genaue  mikroskopische  Untersuchung  bestimmt 
werden  niuss.    Diese  Beziehung  zu  andern  Bündeln  ist  aber  für  unsere  Be- 
trachtung das  wichtigste  Moment.    Uebrigens  lässt  sich  in  den  meisten  Fällen, 
da  ja  das  mechanische  System  des  Blattes  im  Allgemeinen  aus  I-förmigen 
Trägern  besteht,  zwischen  denen  nicht  selten  Luftkanäle  oder  luftführende  Ge- 
webestränge liegen ,  mit  ziemlicher  Sicherheit  zum  Voraus  bestimmen ,  wie  die 
Mestomanastomosen  verlaufen  werden.    Sind  z.  B.  die  Gurtungen  eines  Trägers 
unter  sich  durch  Mestom  oder  starke  Parenchymplatten  hinlänglich  fest  ver- 
bunden ,  so  hätte  eine  Querverstrebung  von  Gurtung  zu  Gurtung  keinen  Zweck 
und  kommt  daher  in  solchen  Fällen  auch  nicht  vor;  die  Anastomosen  gehen 
alsdann  höchstens  von  Träger  zu  Träger,  bald  in  der  Nähe  der  Oberfläche  zur 
Verbindung  der  Gurtungen ,  was  zur  Steigerung  der  Biegungsfestigkeit  am 
meisten  beiträgt,  bald  aber  auch  tiefer  im  Innern,  wobei  in  erster  Linie  die 
Festigkeit  gegen  Abscheeren  Berücksichtigung  findet  (Taf.  IX,  4  und  Taf.  XII,  6). 
Sind  dagegen  die  Träger  sehr  leicht  gebaut  und  grossentheils  parenchymatisch, 
wie  z.  B.  bei  Ty2)ha  oder  im  Blattstiel  von  Mma,  Strclitzia  etc.,  so  verlaufen 
die  anastomosirendeu  Bündel  sowohl  parallel  mit  der  Oberfläche,  als  recht- 
winklig zu  derselben  (Taf.  IX,  8—10,  13),  weil  eine  Verstärkung  nach  beiden 
Kichtungen  augenscheinlich  gleich  notliwendig  ist. 


3.  Die  mechanischen  Systeme  zur  Hevstellung-  der  erforderlichen  Biegungsfestijjkeit.  91 

Es  war  vorzugsweise  das  Studium  dieser  Vcrliältnisse ,  welches  mich  Uber 
alle  Zweifel  in  Betreff  der  Function  der  fraglichen  Anastomosen  hinwegsetzte. 
Ich  hatte  anfänglich  an  die  Möglichkeit  gedacht,  dieselben  möchten  in  erster 
Linie  etwa  bloss  den  Säfte-  oder  Luftaustausch  zu  vermitteln  haben  und  nur 
nebenbei  zur  Verstärkung  des  mechanischen  Systems  dienen.  Allein  die  Wahr- 
nehmung, dass  diese  Verbindungsstränge  fehlen,  sobald  die  ParenchymfüUnngen 
eine  grössere  Festigkeit  zeigen,  dass  z.  B.  Cyperus  vegetm  Wühl,  derselben 
gänzlich  entbehrt,  während  sie  bei  Cyperus  alternifolius  hin  und  wieder,  bei 
dem  schwanmiig  gebauten  Papyrus  Antiquorum  häufig  vorkommen,  dann  die 
weitere  Beobachtung,  dass  die  Lage  dieser  Mestomverbindungen  sich  nach  den 
mechanischen  Anforderungen  richtet ,  indem  dieselben  nach  der  Oberfläche 
streben ,  wenn  es  sich  um  Erhöhung  der  Biegungsfestigkeit  handelt ,  nach  der 
Mitte  dagegen,  wenn  der  Widerstand  gegen  Abscheerung  gesteigert  werden  soll, 
wie  z.  B.  bei  den  Palmblättern  —  das  Alles  zusammengenommen  drängte  d\e 
Bedenken  gegen  die  mechanische  Deutung  der  Mestomanastomosen  zurück.  Ich 
füge  noch  bei,  dass  auch  die  Zahl  und  Widerstandsfähigkeit  derselben  je  nach 
Bedürfniss  variirt.  Die  stärksten  Anastomosen  habe  ich  in  den  Blättern  von 
Sabal  Adansonii,  Livistona  sinensis  und  einigen  Maranta-Arten  beobachtet.  Hier 
bestehen  sie  ausnahmsweise  nicht  bloss  aus  Mestom ,  sondern  zum  Theil  und 
oft  sogar  vorwiegend  aus  Bast,  wobei  die  Bastzellen  in  der  Richtung  des  ganzen 
Bündels  gestreckt  und  dabei  stark  verdickt  sind.  Die  genannten  Fälle ,  wie 
überhaupt  die  meisten  Querverbindungen  in  Blättern,  gehören  indess,  streng 
genommen,  nicht  hieher,  da  sie  offenbar  in  erster  Linie  der  Abscheerung  parallel 
den  Hauptnerven,  nicht  der  Biegung,  widerstehen  sollen. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  erwähnt,  dass  bei  Hedyclmim  Gardnerianum  in 
dem  von  Blattscheiden  umhüllten  Stengel  noch  tief  im  Innern  des  Markes 
Anastomosen  vorkommen,  deren  Bedeutung  mir  bis  dahin  unklar  geblieben  ist. 
Die  Pflanze  hat  überhaupt  sehr  zahlreiche  Mestomverbindungen;  doch  sind 
diejenigen  der  Blattscheiden  offenbar  nach  mechanischen  Principieu  angeordnet. 
Möglich,  dass  im  Marke  irgend  eine  Nebenfunction  der  Anastomosen,  wie  z.  B. 
die  Vermittlung  des  Luftaustausches,  ihr  Vorkommen  rechtfertigt. 

3.   Die  Aussteifung  der  Luftgäuge  durch  Filzgewebe. 

Bekanntlich  sind  die  Luftgänge  vers(;hicdener  Cy})eraceen  und  anderer 
wasserliebender  Gewächse  mit  einem  zarten  Gebälke  fadenförmiger,  verzweigter 
Zellen  ausgefüllt,  das  namentlich  bei  einigen  Scirpus- Arten  (/S'c.  lacustris, 
maritimus  u.  a.)  ein  überaus  zierliches  Bild  gewährt.  Diese  verzweigten  Zell- 
fäden sind  gewöhnlich  vorwiegend  in  der  Querrichtung  ausgespannt ;  doch  laufen 
manche  derselben  auch  schief,  ungerechnet  die  anastomosirendcn  Vcrästlungen, 
welche  nach  allen  möglichen  Kichtungen  abgehen.  Ein  Fall  dieser  letzteren 
Art  ist  auf  Taf.  X,  Fig.  9  dargestellt.  Die  meisten  der  Fasern ,  aus  \velchen 
dieses  Gebälke  besteht,  befinden  sich  im  lebenden  Stengel  in  gespanntem  Zu- 


92 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Mouocotylen. 


Stande:  sie  verlialteu  sich  also  wie  ein  Netzwerk  gespannter  Sclinlire.  Bei 
einigen  verrätli  sogar  die  äussere  Form  und  die  Faltung  der  Oberfläche  das 
Bestehen  dieser  Spannung  und  ihren  Einfluss  auf  den  Gestaltungsprocess.  In 
Fig.  10  auf  Taf.  [X  ist  z.  B.  ein  Stück  einer  langgestreckten  Zelle  abgebiklet, 
welclie  ganz  die  Form  einer'  ii])er  der  Flamme  ausgezogenen  Glasröhre  zeigt. 
Das  Lumen  ist  im  mittleren  Theil  bis  auf  wenige  kleine  Reste  vollständig  ver- 
schwunden; nur  die  Enden  deuten  noch  die  früheren  Dimensionsverhältuisse 
an.  Selbstverständlich  sind  solche  Vorkommnisse  nicht  als  directe  Wirkungen 
des  Zuges,  sondern  als  Resultat  eines  unter  bestimmten  Spannungsverhältnissen 
erfolgten  Waclisthums  zu  betrachten.  Auch  die  Spannung  selbst  ist  nicht  etwa 
bloss  durch  Krümmungen  des  Stengels  momentan  hervorgebracht,  sondern  im 
stärkeren  Wachsthum  der  umgebenden  Gewebe  begründet  und  folglich  bleibend 
in  jedem  Augenblick  wirksam. 

Ich  möchte  nun  nicht  behaupten,  dass  dieses  zarte  Gebälke  von  Zellfäden 
ein  spezifisch-mechanisches  Gebilde  sei,  weil  mir  hiefür  die  erforderlichen  An- 
haltspunkte fehlen;  aber  es  lässt  sicli  dessenungeachtet  nicht  in  Abrede  stellen, 
dass  diese  Zellfäden  die  Straffheit  der  Parenchymplatten  in  ähnlicher  Weise 
erhöhen,  wie  etwa  eine  Steigerung  der  Turgescenz  in  den  Parenchymzellen 
selbst.  Die  mechanische  Bedeutung  des  Filzgewebes  unterliegt  also  keinem 
Zweifel.  Zweifelhaft  ist  nur,  ob  es  daneben  noch  eine  andere,  vielleicht 
wichtigere  Function  hat. 

Eine  ähnliche  Rolle,  wie  das  im  Vorhergehenden  besprochene  Faser- 
gebälke ,  spielt  auch  das  aus  sternförmigen  Zellen  bestehende  Schwamm- 
gewebe, wie  es  z.  B.  bei  Junctis  conglomeratus  und  dessen  Verwandten  im 
Mark,  bei  Cyperus  Monti  L.  in  den  peripherischen  Luftgängen  vorkommt. 
Die  Zellformen  und  die  Faltungen  der  Membran  deuten  auch  hier  auf  einen 
stetig  wirkenden  Zug. 


4.    Die  Knoten  der  Gramineen. 

Nur  wenige  Monocotylen  haben  Knoten  in  dem  hier  zu  besprechenden 
Sinne.  Ich  zähle  hiehcr  nur  diejenigen  Insertionssteilcn  der  l^lätter,  an  welchen 
unabhängig  von  den  Gabelungen  und  Verschmolzungen  der  Blattsi)uren  zahl- 
reiche Mestomanastomosen  vorkommen,  welche  die  sämmtlichen  Gefässbündel 
des  Stammes  sowohl  in  radialer  wie  tangentialer  Richtung  verbinden  und  da- 
durch die  Festigkeit  des  mechanischen  Systems  erhöhen.  Wo  solche  Quer- 
versi)annungen  in  hohlen  Stengeln  auftreten,  wie  bei  den  Gramineen,  sind  die- 
selben in  starke  Diaphragmen  eingebettet ;  im  entgegengesetzten  Falle  verlaufen 
sie  durch  das  continuirliche  Mark,  so  z.  B.  bei  Tradescanüa.  Von  den  ge- 
wöhnlichen Diaphragmen  sind  die  Knoten  dadurch  verschieden,  dass  in  ihnen 
wiegen  des  Eintrittes  neuer  Gefässbündel  eine  theilweise  Verschiebung  der  peri- 
pherischen Träger  stattfindet  und  dass  sie  zugleich  den  Bcfestigungsstellen  seit- 
licher Organe  entsprechen.    Demgemäss  ist  jedes  Internodium  eines  mit  Knoten 


3.  Die  mechauischou  Systeme  zur  Herstellung-  der  erforderlichen  Biegunf,'sfestigkeit.  93 

versehenen  Stengels  als  ein  besonderes  Stockwerk  oder  Glied  des  mechanischen 
Baues  zu  betrachten. 

Die  Knoten  der  Gramineen  haben  übrigens  noch  eine  besondere  Bedeutung, 
welche  mit  dem  anatomischen  Begriff  eines  Knotens  nicht  nothwendig  verbunden 
ist :  sie  sind  in  ausgezeichnetem  Grade  der  geotropischen  Krümmung  fähig. 
Damit  hängen  einige  weitere  Eigenthümlichkeiten  des  Baues  zusammen,  deren 
spezielle  Betrachtung  zwar  nicht  hieher  gehört,  die  ich  aber  doch  mit  einigen 
Worten  erwähnen  will,  da  sie  neben  der  dynamischen  auch  eine  statische  Rolle 
spielen.  Der  Halm  wird  an  der  Stelle,  wo  die  Scheide  sich  wulstartig  ver- 
dickt ,  um  das  sogenannte  Gelenkpolster  zu  bilden ,  beträchtlich  dünner ;  er 
coütrahirt  sich  z.  B.  bei  Poa  pratemin  ungefähr  im  Verliältniss  von  5  zu  3 
(Taf.  X,  2—4).  Dieselbe  Contraction,  ja  eher  noch  eine  stärkere,  erfahren 
auch  die  Gefässbündel ,  deren  Basthüllen  überdiess  eine  unverkennbare  Aehn- 
lichkeit  mit  denjenigen  der  Rhizome  zeigen.  Die  starken  Bastrippen  der  Blatt- 
scheiden werden  an  dieser  Stelle  noch  viel  stärker,  nehmen  aber  zugleich  einen 
mehr  coUenchymatischen  Character  an,  was  namentlich  auf  Längsschnitten  un- 
gemein deutlich  hervortritt  (Taf.  X,  4).  Der  normale  (wenn  auch  kurzzellige) 
Bast  hört  da,  wo  die  polsterförmige  Verdickung  beginnt,  plötzlich  auf ;  einzelne 
Zellen  springen  mit  ihren  zugespitzten  Enden  zackenförmig  in  den  weicheren 
coUenchymatischen  Tlieil  vor,  welcher  letztere  schon  vermöge  seiner  helleren 
Färbung  sich  scharf  vom  eigentlichen  Baste  abhebt.  Dazu  kommt,  dass  die  in 
der  Blattscheide  verlaufenden  Gefässbündel  an  dieser  Stelle  nur  Si)ii"al-  und 
Kinggefässe  enthalten,  welche  der  Streckung  des  Gewebes  keinen  erheblichen 
Widerstand  entgegensetzen. 

Das  volle  Vcrständniss  dieses  Baues  setzt  die  Kenntniss  der  zugfesten 
Organe  voraus ,  welche  erst  im  folgenden  Capitel  besprochen  werden  können, 
Diess  berücksichtigend,  beschränke  ich  mich  hier  auf  nachstehende  kurze  Cha- 
racteristik.  Der  wulstförmig  verdickte  Basaltheil  der  Scheide  (Gelenkpolster) 
ist  biegungsfest  und  zugleich  streckungsfähig  construirt,  daher  die  Verwendung 
collenchymatischer  Zellen  für  die  einzelnen  Constructionstheile  ^)  und  die  starke 
Entwicklung  des  mechanisch  activen  Parenchyms.  Der  eingeschlossene  Basal- 
theil des  Internodiums  dagegen  ist  zugfest  (zumal  im  Verhältniss  zum  Ganzen) 
und  dabei  streckungsunfähig;  er  wird  bei  der  geotropischen  Krümmung  bloss 
auf  die  Seite  gedrückt.  Der  cambiale  Theil  der  Internodien ,  welcher  den 
intercalaren  Aufbau  vermittelt,  liegt  merklich  höher  (etwa  1,5  bis  2  Millimeter 
und  darüber);  die  Scheide  ist  an  dieser  Stelle  nicht  streckungsfähig,  sie  bildet 
daher  eine  starre  und  relativ  feste  Hülle  um  den  schwachen  Halm. 

Die  Knoten  der  Gramineen  erfüllen  demnach  einen  doppelten  Zweck.  Die 

1)  Da  der  collenchymatische  Bast  schwächer  ist,  als  der  normale,  so  ist  die  Querschnitts- 
fläche desselben  entsprechend  grösser,  bei  Poa  liratensis  z.  B.  zwei  bis  drei  mal  so  gross. 
Auf  1000  Cent.  Durchmesser  erliielt  ich  in  einem  bestimmten  Falle  für  die  Bastrippen  der 
Scheide  unmittelbar  über  dem  Knoten  80,000  DCentimeter,  für  den  coUenchymatischen  Bast 
dagegen  über  200,000  DCent. 


94 


II.   Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


imterstc  Region  dieut  Avesentlieh  zur  Aussteifung-  des  mechanischen  Systems ; 
der  gelenkartig  angeschwollene  Tlieil  dagegen  ist  in  erster  Linie  Bewegungs- 
organ und  daher  nach  denselhen  Principien  gebaut,  wie  die  Blattstielkisseu  von 
Phaseoluii,  Munosa  etc.  oder  auch  \vie  die  Blattstielenden  von  Maranta,  von 
denen  oben  die  Rede  war. 

Von  den  oben  citirteu  Abbildungen  stellt  Taf.  X,  Fig.  2  einen  Querschnitt 
durch  den  Knotenwulst,  Fig.  'S  einen  solchen  durch  den  cambialen  Theil  des 
Internodiums  nebst  Scheide  dar.  Die  Bastri])i)en  der  letzteren  sind  hier  sehr 
stark  entwickelt,  weil  die  Festigkeit  des  Stengels  an  dieser  Stelle  einzig  und 
allein  auf  dem  Widerstande  der  Scheide  l)eruht.  Der  Längsschnitt  Fig.  4  soll 
die  Lnge  des  Gclenkwulstes  zum  eigentliclicn  Knoten  und  die  Dimensions- 
verhältnisse der  verschiedenen  Theile  veranschaulichen. 

IV.   Die  mechanischen  Einrichtungen  für  den  intercalaren  Aufbau. 

Es  gibt  unter  den  Stammorganen  der  Monocotylen  solche,  bei  welchen  die 
das  Längenwachsthum  bedingende  Zellbildung  auf  die  Scheitelregiou  und  etwa 
noch  die  Jüngern  Internodien  beschränkt  ist.  So  z.  B.  bei  den  Palmen ,  Dra- 
caenen,  Pandaneen,  verscliiedenen  Liliaceen  etc.  Wo  diess  der  Fall,  geschieht 
der  Aufbau  einfach  dadurch,  dass  die  neuen  Constructionstheile  auf  einen  hin- 
länglich erstarkten  Unterbau  aufgesetzt  werden,  also  im  Wesentlichen  auf  gleiche 
Weise,  wie  etwa  ein  Thurm  oder  ein  Brückenpfeiler  von  unten  nach  oben  auf- 
gefülirt  wird. 

Andere  Stammorgane,  wie  die  Halme  der  Gramineen  und  Cyperaceen,  ver- 
danken dagegen  ihre  Längenzunahme  zum  grossen  Theil  intercalaren  Wachs- 
thumserscheinungen.  welche  ihren  hauptsächlichsten  Sitz  im  Basaltheil  der 
Internodien  haben.  Die  letzteren  verharren  bis  zu  einem  gewissen  Abstände 
vom  zugehörigen  Knoten  oft  noch  lange  Zeit,  nachdem  alle  übrigen  Theile 
l)ereits  vollständig  in  Dauergewebe  übergegangen,  im  cambialen  Zustande;  sie 
bleiben  hier  weich ,  chlorophyllfrei  und  in  stetem  Wachsthum  begriffen ,  und 
ihre  mechanische  Widerstandsfähigkeit  ist  so  zu  sagen  Null.  Diese  Verhältnisse 
hat  schon  Molden hauer  richtig  erkannt  und  demgemäss  den  entsprechenden 
Theil  des  Internodiums  g-ls  dessen  »Wachsthumsstreifen«  bezeichnet.  Derselbe 
liegt  natürlich  nicht  im  Knoten  selbst,  sondern  etwas  über  demselben. 

Wie  verfährt  nun  aber  die  Natur,  um  mitten  im  mechanischen  System  ein 
solches  Einschieben  zartwandiger  Zellen  und  deren  längeres  Verharren  im 
bildungsfähigen  Zustande  möglich  zu  machen,  ohne  die  Festigkeit  der  Stamm- 
organe zu  beeinträchtigen?  Jedermann  weiss,  dass  das  gewöhnlichste  Mittel 
zur  Ueberwindung  dieser  Schwierigkeit  in  der  Entwicklung  von  Blattscheiden 
besteht,  welche  die  schwächern  Stellen  des  Stammes  vollständig  umhüllen  und 
so  die  anstossenden  festern  Theile  continuirlich  verbinden.  Zu  diesem  Behufe 
sind  aber  auch  die  Blattscheiden,  sofern  sie  nicht  zu  mehreren  übereinander 
liegen,  besonders  angepassst,  indem  sie  jeweilen  über  dem  Knoten  beträchtlich 


3.  Die  mechanischen  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderlichen  Biegungsfestigkeit.  95 


Stärker  gehiiut  sind  als  weiter  nach  oben.  Dicss  tritt  iianieutlicli  bei  Gramineen 
sehr  deutlieh  hervor.  Man  vergleiche  z.  B.,  um  für  diese  Verstärkung  einen 
Maassstab  zu  erhalten,  den  Querschnitt  durch  eine  Scheide  in  der  Mitte  des 
Internodiums  mit  demjenigen  über  dem  Knoten;  man  wird  finden,  dass  die 
Bastrippen  hier  mindestens  um  die  Hälfte  grösser  sind.  'Beim  Biegen  der 
Halme  kann  man  sich  auch  leicht  überzeugen ,  dass  die  gefährliche  Stelle  in 
der  That  hinreichend  geschützt  ist. 

Bei  Stannnorganen  mit  verlängerten  Scheiden,  wie  z.  B.  bei  Musa,  Hedy- 
chium,  Typha  u.  a.  ist  eine  solche  Verstärkung  weniger  noth wendig,  weil  hier 
die  schwächeren  Stellen  des  Stammes  durch  eine  entsprechend  grössere  Zahl 
von  Scheiden  geschützt  sind.  Auch  bei  manchen  Carex-Arten  und  andern 
Cyperaceen,  deren  nackter  Blüthcnschaft  am  untern  Ende  lange  Zeit  wachs- 
thumsfähig  bleibt,  steckt  dieser  Theil  in  einer  hinreichend  festen  Umhüllung. 
In  der  Hochblattregion  dagegen ,  v^^o  ein  localisirter  intercalarcr  Aufbau  nicht 
stattfindet,  sind  auch  die  entsprechenden  Blattgebilde  scheidenlos. 

Weniger  ausgiebig,  als  die  Umhüllung  durch  Blattschciden ,  wirkt  die 
stärkere  Verdickung  der  Internodien  nach  unten  hin,  d.  h.  nach  der  Region  des 
stärkeren  intercalaren  Wachsthums.  Wir  finden  eine  solche  Dickenzunahme 
beispielsweise  bei  Tradescantia  erecta ,  wo  der  Durchmesser  eines  mittleren 
Internodiums  über  dem  untern  Knoten  9  Millimeter,  unter  dem  obern  nur  5  Mill. 
betrug.  Die  Internodien  haben  also  die  Form  eines  abgestumpften  Kegels,  und 
die  Beobachtung  zeigt,  dass  der  Querschnitt  nach  oben  ungefähr  in  gleichem 
Verhältniss  kleiner  wird,  als  die  Festigkeit  der  Gewebe  zunimmt.  Genauere 
Messungen  über  den  Verlauf  des  intercalaren  Wachsthums  in  den  Internodien, 
womit  die  Festigkeit  voraussichtlich  im  Zusammenhange  steht,  habe  ich  aller- 
dings nicht  angestellt. 

Endlich  kommt  in  der  angeregten  Frage  auch  noch  das  Collenchym  in 
Betracht.  Diese  Gewebeform  ist  bei  Monocotylen  nicht  gerade  häufig,  und 
Tradescantia  ist  (nebst  den  schlingenden  Dioscoreen)  das  einzige  mir  bekannte 
Beispiel ,  wo  dieselbe  neben  typischem  Bast  in  ausgeprägter  Weise  vertreten 
ist,  während  diess  bei  Dicotylen  zu  den  gewöhnlichen  Vorkommnissen  gehört. 
Das  Collenchym  bildet  bei  Tradescantia  (und  ebenso  bei  Dioscorea  und  Tanius) 
subepidermale  Platten,  zwischen  denen  das  grüne  Parcnchym  bis  zur  Epidermis 
vorspringt;  die  Spaltöffnungen  finden  sich  nur  an  diesen  Stellen.  Wie  bei  allen 
Pflanzen ,  welche  dergleichen  Collenchymplatten  besitzen ,  entwickeln  sich  die- 
selben auch  hier  viel  früher  als  der  eigentliche  Bast  oder  das  Xylem ;  sie  bilden 
in  jungen,  streckungsfähigen  Internodien  das  Gerüste,  welches  denselben  die 
nöthige  Festigkeit  verleiht,  ohne  ihr  Wachsthum  zu  verhindern,  da  es  ja  selbst 
wachsthumsfähig  ist.  Diese  Collenchymplatten  sind  nun  im  untern  Theil  der 
Internodien  dicker  und  zugleich  breiter,  folglich  beträchtlich  fester  als  in  der 
Nähe  des  obern  Knotens,  während  hier  allerdings  der  Bast  merklich  stärkere 
Wandungen  besitzt  und  dieselben  auch  früher  zu  verdicken  beginnt  als  im  untern 
Theil.    Das  Collenchym  stellt  also  offenbar  ein  vorläufiges  Skelett  dar,  ein 


96  II.  Spezielle  Betraclitung  der  Monocotylen. 

Arbeitsgerüste,  welches  in  unserem  Falle  auch  späterhin  das  eigentliche  mecha- 
nische System  während  der  ganzen  (einjährigen)  Vegetationsperiode  unterstützt, 
während  es  bei  Dicotylen,  wie  weiter  unten  gezeigt  werden  soll,  gewöhnlich  schon 
beim  Heiginn  des  zweiten  Vegetationsjahres  durch  Korkbildung  abgeworfen 
wird.  Die  Pflanze  entledigt  sieh  ihres  Arbeitsgerüstes,  nachdem  der  eigentliche 
Bau  die  erforderliche  Festigkeit  erlangt  hat. 

In  einzelnen  Fällen,  wie  z.  B.  bei  den  Amaryllideengenera  Jjeucojum.,  Ga- 
kmtkm ,  Clicia,  Amimjllis ,  desgleichen  bei  TrilUum  grandißorum  und  Allium 
fistulom?n  hat  es  bei  der  Ausbildung  des  Collenchyms  oder  eines  collenchymatisch 
verdickten  Parenchyms  mit  Zwischenzellräumen  für  alle  Theile  des  Blüthen- 
schaftes  sein  Bewenden:  die  Pflanze  erzeugt  keinen  Bast.  Die  genannten 
Amaryllideen  sind  aber  zum  Theil  auch  so  schwach,  dass  sie  nach  dem  Ab- 
blühen sich  auf  die  Erde  senken  und  in  dieser  Lage  ihre  Früchte  reifen;  so 
z.  B.  Galanthas  und  Leucojum.  Andere  werden  vorzugsweise  durch  die  Mit- 
wirkung der  Gewebespannung  aufrecht  erhalten. 


V.    Die  Festigkeitsabnahme  des  mechanischen  Systems  in  acropetaler 

Richtung. 

Eine  Construction ,  welche  der  Anforderung  möglichst  geringen  Material- 
aufwandes entsprechen  soll,  muss  in  jedem  (Querschnitt  die  gleiche  relative 
Festigkeit  besitzen;  kein  Theil  derselben  darf  von  den  in  Betracht  kommenden 
Kräften  stärker  in  Anspruch  genommen  werden,  als  irgend  ein  anderer.  Wir 
wollen  uns  nun  die  Frage  stellen,  in  wieweit  die  auf  Biegungsfestigkeit  con- 
struirten  Pflauzenorgane  dieser  Bedingung  genügen. 

Zur  Orientirung  in  dieser  Frage  muss  ich  einige  Sätze  aus  der  Mechanik 
voranstellen.    Es  sei  AB  (Fig.  10)  ein  horizontaler  Träger,  der  in  A  befestigt 

und  iii  B  belastet  ist ;  der  Quer- 
schnitt desselben  ein  Kreis 
mit  veränderlichem  Radius  ^, 
dessen  Maxi  mal  werth  in  A  wir 
=  1  setzen;  endlich  der  Ab- 
stand dieses  Radius  vom  vor- 
deren Ende  B  ^  x  und  die 
Gesannntlänge  =  l :  dann  ist 
die  Spannung  der  verschiede- 
nen Querschnitte  in  Folge  der  Belastung  in  B  durchgehends  gleich  gross  unter 
der  Bedingung,  dass 

Q-^  =  ~,  oder  Q  =  j/^  • 

Ist  z.  B.  die  Gesammtlänge  /==  160,  so  erhält  mau  als  zugehörige  Wcrthe 
von  X  und  q  die  folgenden  Ziffern.    Die  Längeneinheit  ist  hiebei  für  x  die- 


Fig.  10. 


0  mechanischen  Systeme  zur  Herstellung-  der  ei-rorderlichen  Biegungsfestigkeit.  97 


selbe  wie  für  ^  ist  in  Bruchtheilen  seines  Maximal- 

wertlies  in  A  berechnet,  welcher  letztere  von  /  imal)- 
hängig  ist. 

Werthe  von  x  1       1  ()      20     40     (JO      80      1 00 

-    Q  1,84    3,97    5      6,3    7,2     7,94  8,55 

Trägt  man  die  vorstehenden  Ziflfern  als  Abscissen  und 
Ordinaten  (letztere  nach  oben  und  unten)  auf  und  setzt  dabei 
/  =  160  Mill.  und  den  Maxiinalwerth  von  ^=1  Ctm.,  so 
erhält  man  die  in  Fig.  11  (aufrecht)  dargestellte  Curve.  Denkt 
man  sich  den  Scheitel  derselben  entfernt,  so  entspricht  das 
Übrig  bleibende  Stück  annähernd  einem  abgestumpften 
Kegel,  Avoraus  hervorgeht,  dass  dieser  letztere  ungefälu-  die 
Form  eines  Trägers  »von  gleichem  Widerstande«  besitzt.  Je 
geringer  die  Dicke  im  Verhältniss  zur  Gesammtlänge,  desto 
kleiner  fallen  die  Abweichungen  aus. 

Wenn  ein  solcher  Träger  von  gleichem  Widerstande 
und  mit  kreisförmigem  Querschnitt  horizontal  eingespannt 
und  durch  eine  am  Ende  wirkende  Last  gebogen  wird ,  so 
ist  die  Linie,  welche  hiebei  seine  neutrale  Axe  beschreibt, 
eine  Curve,  deren  Krümmungshalbmesser  in  A  (Fig.  10)  am 
grössten  und  in  B  am  kleinsten  ist.  Bezeichnet  man  mit 
C  eine  Constante,  welche  von  der  Grösse  der  Last  und  der 
Natur  des  Materials  abhängt,  so  berechnen  sich  die  Krüm- 
mungsradien für  die  Abscissen  20,  40,  60  und  100  an- 
nähernd zu  31,  39,  44  und  53  mal  C.  Man  begreift  nun 
leicht,  dass  die  fragliche  Curve  sich  um  so  mehr  der 
Kreisform  nähern  wird,  je  schlanker  der  Träger  gebaut  ist, 
d.  h.  je  kleiner  die  Dickenunterschiede  auf  eine  gegebene 
Länge.  Und  wenn  umgekehrt  ein  schlanker  Träger  oder 
ein  Trägersystem  mit  kreisförmigem  Querschnitt,  wie  sie 
bei  den  Pflanzen  häufig  vorkommen ,  sich  annähernd  nach 
einem  Kreisbogen  krümmt,  jedoch  nach  der  Spitze  hin  eher 
etwas  stärker,  so  dürfen  wir  annehmen,  dass  das  betreffende 
Organ  die  Eigenschaften  eines  Kör})ers  von  nahezu  gleichem 
Widerstande  besitze i).  Fig.  ii. 


')  Für  die  genaue  Kreisform  der  elastischen  Linie  gibt  die  Mechanik  unter  obigen  Voraus- 
setzungen die  Formel 

' '  X 


=  y  ,  oder  q  =  |/y 


Da  jedoch  die  Ableitung  dieser  Formel  auf  Annahmen  basirt  ist,  welche  bei  stärkern 
Krümmungen  nicht  zutreffen,  so  habe  ich  darauf  verzichtet,  sie  auf  die  vorliegende  Frage 
anzuwenden. 

Scb wendener,  D.xs  mechanisclie  Princip. 


98 


II.  Spezielle  Betrachtunsi:  der  Monocotyleii. 


Viel  einfacher  gcstaltcu  sich  die  Verhältnisse  für  bilaterale  Träger  von 
constunter  Höhe  (Dicke)  und  veränderlicher  Breite.  Wenn  ein  solcher  Träger 
unter  dem  Einflüsse  biegender  Kräfte  sich  nach  einem  Kreisbogen  krümmt,  so 
sind  auch  die  Maximalspannungen  in  sämmtlichen  Querschnitten  einander  gleich. 
Beides  tritt  ein,  wenn  die  Flächenansicht  die  Form  eines  Dreieckes  hat,  voraus- 
gesetzt, dass  der  Angriffspunkt  der  biegenden  Kraft  mit  dem  Endpunkt  zu- 
sammenfällt. Ist  diess  nicht  der  Fall,  vielmehr  die  Belastung  gleichmässig  über 
die  ganze  Fläche  vertheilt,  so  gehen  die  Seitenlinien  des  Dreieckes  in  zwei  mit 
der  convexen  Seite  einander  zugekehrte  Parabelbögen  über,  die  sich  aber  wieder  in 
eine  gerade  Linie  verwandeln,  wenn  der  Träger  nach  der  Befestigungsstelle  hin 
(wie  diess  bei  Blättern  gewöhnlich  der  Fall)  entsprechend  dicker  gedacht  wird. 
Man  wird  also  auch  bei  blattartigen  Organen,  sofern  sie  ungefähr  die  Form 
eines  langgezogenen  Dreieckes  besitzen ,  im  Allgemeinen  (wenn  auch  nur 
approximativ)  annehmen  dürfen,  dass  kreisförmige  Krümmung  und  gleichmässig 
vertheilte  Spannung  sich  wechselseitig  bedingen. 

Wenden  wir  uns  jetzt,  nach  diesen  theoretischen  Erörterungen,  wieder  der 
Beobachtung  zu,  so  lehrt  uns  schon  ein  flüchtiger  Blick  auf  die  Curven,  welche 
zuweilen  die  oberirdischen  Stammorgane  bei  schiefer  Stellung  und  genügendem 
Eigengewicht  beschreiben,  dass  sie  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  auch  mit  Bezug 
auf  die  Festigkeitsabnahme  in  acropetaler  Richtung  einen  hohen  Grad  von 
Anpassung  erreicht  haben.  Viele  derselben  sind  offenbar  annähernd  Träger 
von  gleichem  Widerstande.  Ebenso  die  Blätter  der  Gramineen,  Cyperaceen  etc. 
Eine  vollständige  Anpassung  lässt  sich  von  vorn  herein  nicht  erwarten, 
weil  der  Wuchs  der  Pflanze  mit  den  äussern  Ijebensverhältnissen  variirt.  Das- 
selbe Stammorgan,  das  unter  normalen  Bedingungen  den  stärksten  Winden 
trotzt,  kann  unter  andern  Verhältnissen,  z.  B.  in  fettem  Boden,  bedeutende 
Mängel  der  Anpassung  zeigen  und  an  den  schwachen  Stellen  schon  bei  mässigeni 
Winde  geknickt  werden. 

Beispiele  eleganter  Krünmiungen  liefern  vor  Allem  die  Halme  der  Gräser 
[Molinia,  Bromus  u.  a.),  die  hohen  Jeinsen  [Scirjms  lamstris,  Juncus  glaucus  etc.) 
und  ähnliche  schlank  gewachsene  Stengelorgane;  ferner  verschiedene  Blätter, 
insbesondere  diejenigen  von  Gynerumi  argentcum.  Andere  Organe,  wie  z.  B. 
die  Blütlienschäfte  der  Irideen  und  Liliaceen,  stehen  gewJUinlieh  steif  aufrecht 
und  krümmen  sich  nur  im  Winde  oder  bei  künstlicher  Belastung,  danp  aber 
oft  eben  so  schön. 

Zur  genaueren  Prüfung  der  Biegungsfestigkeit  in  verschiedenen  Höhen 
habe  ich  übrigens  eine  Reihe  directcr  Bestimmungen  ausgeführt,  welche  für 
das  im  Vorhergehenden  entwickelte  Gesetz  der  Abnahme  die  arithmetischen 
Belege  liefern.  Die  betreffenden  Stammstücke  wurden  in  horizontaler  Lage  in 
den  Schraubstock  gespannt,  am  freien  Ende  belastet  und  die  dabei  eintretende 
Senkung  dieses  Endes  direct  gemessen.  Selbstverständlich  darf  bei  solchen 
Versuchen  die  Elasticitätsgreuze  nicht  überschritten  werden.  —  Beispiels- 
weise mögen  hier  zwei  auf  diesem  Wege  erhaltene  Bcobaclitungsreihen  Platz 


3.  Die  mechanischen  Systeme  zur  Herstellung  der  erforderliclion  Riogungsfestigkeit.  99 

finden.    Die  Zalilen  geben  die  bei  gleicher  Belastung  beobachtete  Senkung 
/()  Millimeter    langer    Stengelstücke    in    verschiedenen  Abständen  von  der' 
Basis  an. 


1,   Juncus  glaucus. 

Senkungen  auf  eine  Belastung  von  10  Gramm  reducirt,  d.  Ii.  für  die  Fälle, 
wo  nur  5  Gramm  Belastung  /Ailässig  waren,  mit  2  multiplicirt: 

Abstände  von  der  Basis  in  xMill.  0  200  300  400  000  700  800 
Beobachtete  Senkung  -  -  —  5  —  9  —  16  — 
Durchmesser  des  Stengels  2,4      2,28    2,25    2.20    2,0      1,8  1,7. 

Die  Berechnung  obiger  Ziffern  für  die  nämlichen  Abstände  von  der  Basis, 
den  Stengel  als  Träger  von  gleichem  Widerstande  gedacht,  ist  nur  unter  der 
Voraussetzung  ausführbar,  dass  die  Gesanmitlänge  desselben  und  damit  der 
Ursprung  der  Abscissenaxe  [B  in  Fig.  10)  gegeben  sei,  was  in  Wirklichkeit 
nicht  der  Fall  ist.  Setzen  wir  diese  Gesammtlänge  willkürlich  (aber  doch  an- 
nähernd richtig)  =  1100  Mill.  und  betrachten  wir  die  kleinste  der  beobachteten 
Senkungen  als  bekannt,  so  ergeben  sich  für  einen  soliden  (nicht  hohlen)  Trä- 
ger, wenn  der  Durchmesser  zunächst  der  Basis  =  2,4  Mill.  beträgt,  folgende 
Ziffern  i) . 

Abstand  von  der  Basis  0  200  :300  400  600  700  800 
Berechnete  Senkung         —  5        —  6,85    —        14,2  — 

oder:         —  6        —  8,2      —        17  — 

Berechneter  Durchmesser    2,4       2,24      2,16      2,06      1,96      1,7  1,52 

Ungefähr  ebenso  günstig  fallen  die  Ziffern  aus ,  wenn  die  Gesammtlänge 
auf  1000,  statt  auf  1100  Mill.  veranschlagt  wird.  Die  Senkungen  verhalten 
sich  alsdann  wie  5:7:17  und  die  den  gleichen  Abständen  entsprechenden 
Durchmesser  berechnen  sich  auf  2,23  —  2,02  und  1,6  Mill.    Man  sieht,  dass 


^)  Die  Senkung  s  eines  am  freien  Ende  mit  dem  Gewicht  P  belasteten  Trägers,  dessen 
Länge  =  l,  berechnet  sich,  wie  schon  früher  bemerkt,  nacli  der  Formel : 

*  ~"  3  WE  ' 

wobei  W  das  Maass  des  Biegungsmomentes  und  E  das  Elasticitätsmodul  bezeichnet.  Bei 
constanter  Belastung  und  gleicher  Länge  verhalten  sich  demnach  die  Senkungen  s  imd  «' 
zweier  Träger  umgekehrt  wie  die  Maasse  W  und  W^i  ihrer  Biegungsmomente.  Sind  diese 
Träger,  wie  in  unserem  Falle,  Stücke  eines  längeren  Trägers  von  gleichem  Wider- 
staude, so  besteht  zwischen  den  Grössen  TF  und  auf  der  einen  und  den  entsprechen- 
den Abständen  vom  freien  Ende  (den  Abscissen  x,  .ri  .  .  .  .),  multiplicirt  mit  den  zugehöri- 
gen Radien  der  Querschnittsflächen  (den  Ordinaten  y,  y\  ■  .  ■  ■)  auf  der  andern  Seite  die 
Gleichung : 

W  :  Wi  =  xij  :  Xiyi 
Diese  Gleichung  wurde  der  Berechnung  zu  Grunde  gelegt. 

7* 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotj^lcn. 


eine  kleine  Differenz  bezüglich  der  angenünimencn  Gesamnitläng-e  von  geringem 
Belang  ist. 

2.    Molin  ia  coerulea. 

Die  Senkungen  anf  20  Gramm  Belastung  reducirt.  Länge  der  Steugel- 
stUcke  =  üO  Mill. 

Abstand  V.  d.  Basis    0   200  400     ÜOO     800     1000     1100     1200  1300 
Durchm.d.  Stengels    2,0    2,5    2,25    2        1,9       1,0       1,45      1,3  1,25 
Beobacht.  Senkung  -      1       1,3     1,6     3         5         9      —  — 

Für  die  Berechnung  der  Durchmesser  und  Senkungen  für  einen  Träger 
von  gleichem  Widerstande  wurde  die  Gesammtläuge  zu  1500  Mill.  angenom- 
men und  die  bei  200  Mill.  Abstand  beobachteten  Werthe  als  gegeben  betrachtet. 
Man  erhält  unter  dieser  Voraussetzung  folgende  Ziffern. 

Abstand  V.  d.  Basis    0   200   400     600     800     1000     1100     1200  1300 
Durchm.d.  Stengels    2,6    2,5    2,34    2,19    2,01      1,80      1,67      1,52  1,33 
Bereclm.  Senkungen  —      1       1,2     1,4     2,3       3,6       4,9       7,1  12,2 

Die  Vergleichung  dieser  Werthe  mit  den  beobachteten  führt  zu  dem  Er- 
gebniss,  dass  sowohl  die  Stammdurchmesscr  als  die  Senkungsgrüssen  in  Wirk- 
lichkeit etwas  rascher  ab-  oder  (nach  unten  hin)  zunehmen,  als  .bei  einem 
Träger  von  gleichem  Widerstande. 

Die  untersuchten  Jfo/«"ma-Halme ,  von  denen  die  längsten  m\i  Einschluss 
der  Inflorescenz  2  Meter  erreichten ,  verhielten  sich  übrigens  keineswegs  alle 
gleich.  Die  einen  krümmten  sich  bei  angemessener  Belastung  nahezu  gleich- 
massig,  während  andere  beispielsweise  im  untern  und  im  obern  Theil  je  ein 
Maximum  der  Krünniiung  zeigten.  Immerhin  sind  diese  Halme,  da  sie  keine 
Knoten  besitzen,  für  dergleichen  Untersuchungen  günstiger  als  manche  andere. 

Die  Verjüngung  der  Organe  von  unten  nach  oben  geschieht  selten  in  der 
Art,  dass  die  Formverhältnisse  des  mechanischen  Systenis  constant  bleiben  und 
nur  die  Dimensionen  allmälig  kleiner  werden.  Vielmehr  ist  mit  der  Festig- 
keitsabnahme in  acropetaler  Richtung  in  der  Kegel  eine  mehr  oder  weniger 
auffallende  Veränderung  der  Qucrschnittsfornien  verbunden,  welche  selbst  wie- 
der als  eine  besondere  Art  der  Anpassung  zu  betra(?hten  ist.  Besteht  diese 
Veränderung ,  wie  es  öfter  der  Fall ,  bloss  in  einer  Verstärkung  der  peripheri- 
schen Trägerphalanx  durch  Einschicben  neuer  Bündel  oder  subepidermaler  Rip- 
pen, so  ist  die  Sache  an  und  für  sich  klar  und  jede  weitere  Erörterung  über- 
flüssig. Auch  das  stärkere  Vorspringen  der  aussteifenden  Constructionstheile  an 
den  festeren  Stellen  erklärt  sich  von  selbst.  Spezielle  Erwähnung  verdienen 
hier  nur  die  weiter  gehenden  Unterschiede  in  der  Anordnung  der  widerstands- 
fähigen Theile,  wie  wir  sie  bei  Scirpus  lacustris ,  Juncus  glmicus  und  deren 
nächsten  Verwandten  beobachten. 

Bei  Scirpus  lacustris  und  Tahernaemontani  ist  es  namentlich  die  Architecto- 


3.  Die  lucchaniselu'ii  Systeme  zur  Horstellunj^-  der  ertbrdcrliclicn  Biogmigsfestigkeit.  101 

iiik  des  Markes,  d.  h.  die  Zahl  und  Aiiordiiung  der  Selieidewände  zwischen 
den  liifttulirenden  Kanälen,  welche  mit  zunehmender  Dicke  immer  complicirtcr 
wird.  Wie  bereits  erwähnt,  bilden  diese  Wände  im  oberen  Theil  des  Stengels 
ein  rechtwinkliges  Kreuz,  dessen  Arme  gegen  die  rcrii)herie  hin  je  zwei  Seiten- 
arme abgeben  (Taf.  IV,  4).  Weiter  nach  unten  kommen  indessen  immer  neue 
Wände  hinzu  (Taf.  IV,  5),  bis  endlich  der  Querschnitt  einem  viehnaschigen 
Netz  gleich  sieht,  in  welchem  aber  meist  der  ursprüngliclie  Grundplau  noch 
deutlich  hervortritt:  nur  in  der  Nähe  der  Basis  erscheint  derselbe  häufig  ver- 
wischt oder  schon  in  der  Anlage  modificirt.  Der  Zweck  dieser  Einrichtung  ist 
klar.  Mit  zunehmender  Dicke  des  Stengels  müssen  die  in  Eede  stehenden 
Wände,  da  sie  wie  Querverspannungen  wirken,  entweder  stärker  werden  oder 
in  grösserer  Zahl  auftreten ,  wenn  sie  ihrem  Zweck  in  innner  gleicher  Weise 
entsprechen  sollen.  Die  Natur  hat  hier  da^  Letztere  gewählt,  weil  sie  damit 
zugleich  den  Vortlieil  erlangt,  in  den  Knoten})unktcn  eine  grössere  Zahl  mark- 
ständiger Bündel  placiren  zu  können,  welche  nach  Früherem  als  Pfosten  zur 
Befestigung  der  zahlreichen  Mestomanastomosen  eine  Avichtige  Rolle  spielen. 

Weniger  augenfällig,  aber  doch  deutlich,  treten  diese  Veränderungen  der 
Querschnittsform  bei  Juncua  (jhmcm  hervor.  Abgesehen  davon,  dass  die  Bast- 
belege der  Mestomstränge  im  obern  Theil  des  Stengels  nur  aus  1  bis  2  Zell- 
schichten bestehen  und  daher  im  Vergleich  mit  den  subepidermalen  Rii)pen  als 
sehr  schwach  bezeichnet  werden  müssen ,  findet  nach  unten  hin ,  ausser  der 
Verstärkung  der  Bastbekleidungcn ,  ein  Auseinanderweichen  der  Gefässbündel 
in  radialer  Riclitung  statt.  Die  doppelte  Ringlage  abwechselnd  grösserer  und 
kleinerer  Bündel,  welche  die  oberen  Stengeitheile  characterisirt ,  geht  allmälig 
in  eine  mehrglicdrige  Phalanx  über,  die  zunächst  der  Basis  mindestens  4  bis 
5  Abstufungen  unterscheiden  lässt.  Man  vergleiche  in  diesem  Betreff  die  Ab- 
bildungen Taf.  II,  2  und  III,  3,  welche  dem  untern  Theil  des  Stengels  ent- 
sprechen, mit  dem  auf  Taf.  IX,  Fig.  7  dargestellten  obern  Stengelthcil.  Beson- 
ders instructiv  sind  successive  Querschnitte,  welche  etwa  in  Abständen  von  20 
zu  20  Ctm.  angefertigt  und  neben  einander  gelegt  werden.  Solche  Schnitte 
liegen  mir  vor,  und  auf  die  dazwischen  liegenden  Halmstücke  beziehen  sich 
die  oben  mitgetheilten  Ziffern  über  Festigkeitsabnahme  in  acropetaler  Richtung. 

Endlich  erwähne  ich  noch  die  analogen  Veränderungen  in  den  Blattstielen 
von  Scirpus  Holoschocnus  (Taf.  VIII,  1),  wo  jedoch  nur  die  Kanten  merklich 
differiren,  indem  hier  die  Anordnung  der  Gefässbündel  nach  oben  einfacher, 
nach  unten  complicirter  wird. 

VI.   Steigerung  der  Biegungsfestigkeit  durch  Gewebespannung  und 
durch  besondere  Formverhältnisse. 

Dass  die  Steifigkeit  der  Organe  durch  Gewebespannung  erhöht  wird, 
leuchtet  im  iVUgemeinen  ohne  Weiteres  ein^) ;  denn  jede  mit  comprimirter  Luft 

')  Man  vgl.  übrigens  Sachs,  Lehrbuch  der  Botanik.  3.  Aufl.  ))•  "53, 


102 


II.   Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


gefüllte  Kaiitischukrölire,  jeder  mit  Wasser  gelullte,  unter  starkem  Druck  ste- 
llende Schlauch  einer  Feuerspritze  liefert  Belege  liiefür.  Wie  aher  diese  Steifig- 
keitszunahme  mathematisch  zu  formuliren,  wie  der  ganze  Vorgang  zu  deuten 

  und  aufzufassen  sei,  verdient  immerhin 

4  ^   eine  genauere  Prüfung.    Sei  also  AB 

[Fig.  12j  ein  liolilcylindrischer,  am  freien 
Ende  B  belasteter  und  in  A  befestigter 
Träger,   beispielsweise  von  Bast,  und 
Fig.  12.  nehmen  wir  an,  derselbe  sei  vom  Behäl- 

ter E  aus  mit  comprimirter  Luft  gefüllt 
worden,  welche  unter  einem  Druck  von  5  Atmosi)hären  stehe  (also  4  über  den 
Gegendruck).  Wie  verhält  sich  alsdann,  gleiche  Belastung  vorausgesetzt,  die 
Tragkraft  dieses  Trägers  zu  derjenigen  im  nicht  gespannten  Zustande?  Um 
diese  Frage  in  Zahlen  zu  beantworten ,  müssen  natürlich  die  Dimensionen  der 
Röhre  gegeben  sein.  Es  sei  der  Radius  der  äusseren  Röhrenfläche  =  10,  der- 
jenige der  Innenfläche  =  0  Millimeter,  folglich  die  Wandstärke  ==  4  Mill.  Unter 
diesen  Voraussetzungen  wirkt  ein  Druck  von  4  Atmosphären  auf  die  Endfläche 
bei  B  wie  eine  Quecksilbersäule  von  4.760  Mill.  Höhe,  was  einem  Gewicht  von 
41,34  Gramm  pro  Quadratmillimeter  entspricht.  Auf  die  ganze  Endfläche 
=  113  DMill.  berechnet,  ergibt  sich  demgemäss  ein  Druck  von  113  .  41,34  = 
4671  Gramm,  welcher  selbstverständlich  dieselbe  Streckung  der  Röhre  bewirkt, 
wie  ein  gleich  grosses  in  der  Längsrichtung  wirkendes  Gewicht.  Da  der  ring- 
förmige Querschnitt  der  Röhre  einen  Flächeninhalt  von  201  DMill.  hat,  so  kommt 

auf  den  Quadratmillimeter  ein  Zug  von  =  23,2  Gramm. 

Der  Druck  von  4  Atmosphären  wirkt  nun  allerdings  auch  erweiternd  auf 
unsere  Baströhre  ein  und  zwar  mit  einer  Kraft,  welche  einem  quer-tangentia- 
len  Zuge  von  ca.  62  Gramm  per  Quadratudllimeter  entspricht  .  Um  indessen 
die  Aufgabe  nicht  unnöthiger  Weise  zu  verwickeln,  wollen  wir  annehmen,  diese 
Querspannuug  sei  durch  Metallringe  oder  sonst  irgendwie  eliminirt,  wie  diess 
gewöhnlich  bei  dergleichen  Betrachtungen  zu  geschehen  pflegt.  Wir  haben  es 
also  im  Folgenden  bloss  mit  der  Läugsspannung  zu  thun. 

Für  diesen  vereinfachten 
Fall  kann  die  Berechnung  der 
 Tragkraft  mit  Hülfe  der  For- 


meln geschehen,   welche  die 
Mechanik  in  der  Theorie  der 
f^jg  i;,  ^  gespannten  Balken  aufgestellt 

hat  2).  Ist  P  die  Tragkraft, 
d.  h.  das  Gewicht,  welches  ein  durch  die  Axcnkraft  Q  gespannter  Balken  (Fig.  13] 
an  seinem  freien  Ende  zu  tragen  vermag,  wenn  er  bis  zur  Elasticitätsgrenze 

')  Diese  Berechnung  nacli  Weisbach,  Lehrbuch  der  Mechanik.   4.  Aufl.  II,  pag.  912. 
2)  Weisbach,  1.  c.  I,  5.  Aufl.  pag.  624. 


3.    Dio  mechanisclien  Systeme  zur  Ilorstelluug  der  erfovderliclien  Riegungsfestif-keit.  103 


in  Ansi»riieli  ^cnomiuen  wird,  ferner  Pj  das  entsprechende  Gewicht  im  nicht 
j2,espannten  Zustande,  d.  h.  olme  die  Axenkraft  Q  -  endlich  TF  das  Maass  des 
Biei;un^-smomentes ,  ^  das  Ehistieitätsmochil .  P  die  Qucrschnittsflächc,  /  die 
Läng-e  und  T  das  Tragmodul,  d.  h.  die  Zui>kraft,  welche  einen  Balken  vom 
Querschnitte  Eins  bis  zur  Elasticitätsgrenze  ausdehnt,  so  hat  man: 

P,         \    ^   -^Wi:)    \  FT  /• 

Man  ersieht  hieraus,  dass  P  grösser  oder  kleiner  als  7^,  ausfällt,  je  nachdem 

■^Iye  grösser  oder  kleiner  als  Durch  die  Axenkraft  Q  wird  demnach 

die  Tragkraft  je  nach  Umständen  gesteigert  oder  vermindert.  Die  grösste 
Steigerung  findet  statt,  wenn  Q  für  sich  allein  eine  Spannung  erzeugt,  welche 
dem  dritten  Theil  der  zulässigen  Maximalspannnng  gleichkommt. 

Die  Anwendung  dieser  Formel  auf  die  oben  bezeichnete  Baströhre,  für 
welche  wir  E  =  100000  Kilogrannncentimeter  oder  =  1000  Kilogrammmilli- 
meter, ferner  T  =  1 0  Kilogramm  (die  Verlängerung  an  der  Elasticitätsgrenze 
zu  1"/o  angenommen)  setzen  wollen,  ergibt: 

P  1.     ,       4,()71  •  40000   \   /,  4,(371     \  P  . 

PT  =  (1  +    3  .6834-1000  )   ('  -  -2Örrro-)  '  PT  = 

Die  Differenz  ist  also  sehr  gering.    Setzt  man  dagegen  E  =  200  und  T  =2 
(per  Quadratmill.  Querschnitt),  so  steigt  dieselbe  auf  1,033;  bei  E=  100  und 
T=  1  auf  1,060;  bei  ^=10  und  T=  ,-V  auf  1,467  u.  s.  f.    Wird  die  Ver- 
längerung bis  zur  Elasticitätsgrenze  doppelt  so  hoch,  also  =  2  Procent  angesetzt, 
so  erhält  man  für  E=  10  eine  noch  günstigere  Ziffer,  nämlich  P  .  = 
1  :  1,6S9.    Sinkt  unter  übrigens  gleichen  Umständen  die  axile  Kraft  Q  von 
4,671  auf  1  herunter,  so  reducirt  sich  das  Verhältniss  auf  1  :  1,14,  kann  aber 
durch  Annahme  einer  Röhrenlänge  von  300  (statt  200)  MilL  sofort  wieder  auf 
1  :  1,4  gesteigert  w^erden,  indess  eine  Verkürzung  auf  50  Mill.  dasselbe  unter 
die  Einheit  herunterdrückt.    Aus  alledem  geht  hervor,  dass  die  Längsspannung 
der  Gewebe  für  die  schwächeren  und  dehnbareren  Internodien  oder  Theile  von 
Organen  eine  viel  grössere  Bedeutung  hat,  als  für  die  verholzten  älteren  Theile, 
und  ebenso  für  langgestreckte  dehnbare  Organe  eine  grössere  als  für  kurze. 
Wo  die  relative  Länge  des  weichen  Theils  unter  einem  gewissen  GrenzAverth 
zurückbleibt,  wird  die  Festigkeit  desselben  durch  Längsspannung  vermindert'). 


p 

')  Für  den  Füll ,  dass  Q  pro  Flächeneinheit  =  Vy  T,  wobei  -y-  sein  Maximum  erreicht, 
ergibt  sich  ganz  allgemeiu : 

P  _  ^  ■\/'~T~F_ 

Pi  ~  \)  y  "3  E '  w ' 

folglich  für  einen  vollen  Cylinder  vom  Durchmesser  d,  bei  welchem 

^  _  JÖ 


101 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


Torsion  aufrechter  FUlclieno  ri;a.ne.  Langgestreckte  aufreclite  Or- 
gane mit  bilateraler  Entwicklung,  wie  z.  B.  die  Blätter  von  Typha,  bieten  dem 
Winde  von  der  einen  Seite  eine  so  grosse  Stossfläclie  dar,  dass  sie  besonderer 
Einrichtungen  zur  Steigerung  des  Widerstandes  bedürfen,  um  ihre  aufrechte 
Stellung,  zumal  bei  verliältnissmässig  geringer  Dicke,  zu  behaupten.  Zu  die- 
sen Einrichtungen  gehört  unzweifelhaft  auch  die  Drehung  der  betreffenden  Or- 
gane um  ihre  Axe.  Man  Ijeobachtet  dieselbe  hin  und  wieder  bei  aufrecht 
stehenden  Blättern  ohne  Mittclrippe,  in  sehr  auffallender  Weise  namentlich  bei 
Tyi>ha  latifoUa  und  angustifoUa.  Hier  erreicht  die  Drehung  in  der  Regel  IV4 
bis  l\o  Kreisumläufe,  d.  h.  ein  beliebiger  Punkt  der  Blattspitze  muss  um  450 
bis  5400  zurückgedreht  w^erden,  um  die  Blattfläche  wieder  vollständig  eben  zu 
legen.  Das  gedrehte  Blatt  kehrt  demnach  dem  Winde  an  mindestens  zwei 
Punkten  seiner  Läugenausdchnung  die  schmale  Seite  zu,  in  welcher  Stellung 
begreiflicher  Weise  die  Biegung  fast  unmerklich  ist,  und  die  zwischenliegende 
Blattfläche  erscheint  in  der  Projection  auf  den  Hintergrund  um  einen  erheb- 
lichen Bruchtheil  kleiner.  Dazu  kommt,  dass  der  Wind  in  Folge  der  Drehung 
des  Blattes  auch  einen  Seitendruck  ausübt,  wodurch  die  Bewegung  desselben 
oft  wesentlich  bceinflusst  wird.  Ich  habe  diese  Bewegungserscheinungen  der 
Ty/;//rt-Blätter  im  Winde  öfter  beobachtet  und  mich  dabei  von  der  günstigen 
Wirkung  der  Torsion  hinlänglich  überzeugt.  Ob  das  äusserlich  analoge  Ver- 
halten des  zweischneidigen  Blüthenschaftes  von  SisyrincJdum  aticeps  die  gleiche 
Auffassung  zulässt ,  wie  der  eben  besprochene  Fall ,  erscheint  mir  zweifelhaft, 
da  dieser  Schaft  auch  sonst  die  nöthige  Festigkeit  erreicht.  Die  Drehung  ist 
überhaupt  eine  im  Pflanzenreich  viel  zu  verbreitete  Erscheinung,  als  dass  man 
annehmen  könnte,  sie  habe  immer  die  nämliche  Bedeutung  für  die  Pflauzen- 
organe.  Es  ist  im  Gegentheil  wahrscheinlich,  dass  z.  B.  bei  der  häufig  beob- 
achteten halben  Drehung  der  Gramineenblätter,  wobei  die  morphologisch  untere 
Seite  sich  nach  oben  oder  innen  kehrt,  die  maassgebenden  Momente  in  vielen 
Fällen  nicht  mechanischer  Natur  sind.  Ich  zähle  desshalb  nur  diejenigen  Fälle 
hieher,  bei  denen  die  mechanische  Zweckmässigkeit  der  Torsion  einleuch- 
tend ist. 

Quer  Schnitts  form  der  Flächenorgane.  Viel  häufiger  als  durch 
Dreh  ung  wird  die  Biegungsfestigkeit  der  Flächcuorgane  durch  besondere  Quer- 
schnittsformen erhöht.  Beispiele  hicfür  liefern  die  vorspringenden  Blattrippen 
bei  verschiedenen  Iridecn  [Tigridia  Pavonia,  Crocosmia  aurea)  und  Palmen  [Uhu- 
pis,  Sabal  Adansonii) ,  ferner  die  bei  Cyperaceen  und  Gramineen  so  häufig  vor- 
kommenden Faltungen,  wodurch  die  Blattspreite  eine  rinnenförmige  Gestalt 


Ist  r=  10  und  E=  1000,  wie  oben  für  die  besseren  Bastsorten  angenonunen  wurde,  so 
muss  /  mindestens  7  mal  so  gross  sein  als  d,  wenn  die  vorausgesetzte  Longitudinalspannung 
die  Tragkraft  steigern  soll.  Für  die  als  Beispiel  erwähnte  Baströhre  von  6  Mill.  Oeffnun«-- 
und  4  Mill.  Wanddicke  erhält  man  unter  den  gleichen  Voraussetzungen  als  Minimum  der 
Jjänge  150  Millimeter. 


3.  Die  mechanischen  Systonio  zur  Tlerstelhni}'-  der  erforderlichen  ,Bicf>-iinf?sfestigkcit.  105 


erhält.  Dabei  ist  die  Kiimc  entweder  cinfoeli  und  dann  in  der  Mitte  am  dick- 
sten, also  im  Querschnitt  mondsichelförmig-,  oder  es  sind  zwei  solclicr  Hinnen 
seitlich  mit  einander  verwachsen;  die  Verwachsungsnaht  bildet  alsdann  die 
l\Iittelrippe  des  Blattes,  und  die  Concavität  der  Kinnen  entspricht  der  morpho- 
logisch unteren  Seite.  Zuweilen  sind  die  Blätter  auch  mehrfach  gehütet,  so 
z.  B.  bei  Panicum  pUcatum. 

Dass  diese  Formverhältnisse  die  Steifigkeit  der  Organe  erhöhen,  ist  leicht 
zu  crmessen.  Die  Rinuenform  oder  ß-Form  ist  desshalb  auch  schon  beim  Bau 
eiserner  Brücken  (zuerst  bei  der  Eipelbrücke)  zur  Auwendung  gekommen,  um 
den  einzelnen  Gitterstäben  der  Tragbalken  eine  grössere  Festigkeit  zu  verleihen ; 
sie  wurde  jedoch  bald  durch  die  leichter  herstellbare  T-Form  verdrängt.  Ob 
auch  die  Zu-  und  Abnahme  der  Dickendimension,  zumal  die  Thatsache,  dass 
viele  Cyperaceen-Blätter  in  der  Mitte  zwischen  Mediane  und  Rand  am  dicksten 
sind,  mit  mechanischen  Principien  im  Zusammenhang  steht,  lasse  ich  dahin- 
g-estellt.  Einleuchtend  ist  jedentalls ,  dass  bei  gefalteten  Blättern  die  Kanten 
am  meisten  in  Anspruch  genommen  sind. 

Vn.    Das  mechanische  Princip  in  seinem  Verhältniss  zum  ernährungs- 
physiologischen. 

Da  die  Pflanzenorgane  nicht  bloss  den  Anforderungen  genügender  Festig- 
keU  zu  entsprechen,  sondern  nach  den  verschiedensten  Seiten  ihrer  Lebens- 
thätigkeit  mit  Anpassungsbedürfnisseu  zu  kämpfen  haben,  so  liegt  es  in  der 
Natur  der  Sache,  dass  das  mechanische  Princip  hin  und  wieder  mit  andern  bio- 
logischen Principien,  insbesondere  mit  den  unabweislichen  Ansprüchen  der  Er- 
nährung, in  Conflict  geräth.  Das  mechanische  Princip  beansprucht,  wie  wir 
gesehen  haben,  eine  peripherische  Zone  für  die  Aufstellung"  der  widerstands- 
fähigen Elemente;  auf  die  nämliche  Z(me  sind  aber  auch,  um  das  nächstlie- 
gende Beispiel  voranzustellen,  die  assimilirenden  Zellen  angewiesen,  weil  sie 
hier  oflenbar  die  günstigsten  Bedingungen  der  Lichtwirkung  vorfinden.  In  die- 
sem Widerstreit  der  Bedürfnisse  bleiben  zwei  Auswege  offen.  Entweder  die 
beiden  Princii)ien  theilen  sich  in  den  Raum  zunächst  der  Oberfläche ,  wie  wir 
diess  bei  den  13  ersten  Typen  der  Stamraorgane  und  fast  ausnahmslos  aucii 
bei  den  Blättern  beobachten,  oder  die  Ansprüche  der  Assimilation  wiegen  vor 
und  die  mechanischen  Zellen  treten  um  eine  Stufe  zurück,  wie  es  bei  den 
()  letzten  Typen,  welche  die  Mehrzahl  der  i^'amilien  umfassen,  der  Fall  ist. 
Zwischen  diesen  beiden  Typenreihen  bildet  der  gerippte  Hohlcylinder  gewisser- 
maassen  den  Uebergang. 

Im  Längsverlaufe  der  mechanischen  und  der  assimilirenden  Gewebe  kann 
nun  aber  das  Verhältniss  der  Wichtigkeit  zwischen  diesen  beiden  Functionen 
sich  ändern.  Diess  ist  sogar  noth wendig  der  Fall  bei  Stengclorganen ,  deren 
Internodien  theilweise  von  Blattscheidcn  umhüllt  sind,  wie  z.  B.  bei  den  Gra- 
mineen.   Hier  gerathen  die  grünen  Zellen,  welche  den  Raum  zwischen  den 


10(> 


II.  Spezielle  ßetrachtuiiK  der  Moiiocotylen. 


subepideniialeu  Itippen  ausfüllen,  jeweilcii  im  untern  Theil  der  Internodicn  in 
eine  entschieden  ungünstige  Situation,  welche  die  assimilatorische  Hiätigkeit 
beeinträchtigt  und  damit  die  Bedeutung  der  Zellen  an  dieser  Stelle  herunter- 
stimnit.  Sofort  rücken  in  Folge  dieser  Umstände  die  mechanischen  Zellen 
weiter  gegen  die  Peripherie  vor  und  verdrängen  die  assimilirenden  beinahe 
vollständig.  Diese  letzteren  sind  in  der  Nähe  des  untern  Knotens  meist  nur 
noch  in  kleinen  Gruppen  vertreten,  welche  sich  beiderseits  an  die  nach  aussen 
vorspringenden  Gefässbündel  anlehnen.  Bei  Poa  prutemis  waren  an  den  unter- 
suchten Exemplaren  auch  diese  Gruppen  gänzlich  verscliwunden.  Sind  die 
Blattscheiden  sehr  lang,  so  kann  sogar  der  Fall  eintreten,  dass  der  Bastring 
sich  durchgehends  an  die  P^pidermis  anschliesst,  so  z.  B.  bei  Oryza  sativa,  an 
einzelnen  Stellen  des  ümfangs  auch  bei  Seeale  ccreale. 

Noch  deutlicher  tritt  diese  centrifugale  Tendenz  der  mechanischen  Zellen 
bei  Organen  hervor,  welche  der  Assimilation  nicht  bedürfen,  so  z.  B.  in  den 
Blüthenschäften  einiger  Schmarotzer,  in  den  Stacheln  der  Palmen,  Agaven 
u.  dgl.  Von  den  schmarotzenden  Monocotylen  nenne  ich  Corallorrhiza  innata, 
deren  Bastring  fast  oder  ganz  bis  zur  Epidermis  geht;  die  etwa  noch  vorhan- 
denen Riudenzellen  sind  collcnchymatisch  verdickt.  Unter  den  stachelähnlichen 
Bildungen  kenne  ich  nur  solche  mit  streng  subepidermalem  Bastring,  wobei 
jedoch  die  Epidermis,  wenn  sie  sonst  durchweg  mehrschichtig  ist.  diesen  Cha- 
racter  beibehält ') . 

Bei  den  Monocotylen  mit  einfachem  oder  geripptem  Bastring  rückt  der 
letztere  in  dem  obern  nackten  Theil  der  Stammorgane  gewöhnlich  etwas  weiter 
nach  innen,  als  im  untern  beblätterten  Theil,  d.  h.  die  assimilirenden  Zellen 
des  schaftartigen  Stammstückes  behaupten  ein  um  so  grösseres  Arbeitsfeld,  je 
weiter  sie  von  der  Region  der  Laubblätter  entfernt  sind.  So  z.  B.  bei  den 
Gramineen ,  wo  die  Bippen  zunächst  der  Inflorescenz  eine  relativ  bedeutendere 
Höhe  erreichen  als  weiter  nach  unten,  desgleichen  bei  Hyacinilma  und  einigen 
Alliiim-kxitw.  [A.  vineale ,  foliomm  u.  a.),  deren  innere  Binde  überdiess  fast 
vollständig  farblos  ist,  woraus  hervorgeht,  dass  unter  Umständen  auch  nicht 
assimilirende  Zellen  den  Bastring  zurückzudrängen  A^ermögen. 

Für  die  Collenchymzellen ,  soweit  sie  zum  mechanischen  System  gehö- 
ren, liegen  in  der  Abtheilung  der  Monocotylen  zu  wenig  Beispiele  vor,  als  dass 
sich  allgemeine  Schlüsse  daraus  ableiten  Hessen.  Die  breiten  Collenchymplatten 
bei  Tradescantia  erecta  (und  andern  Arten),  Dioscorea  sinuata  und  Turnus  com- 
munis, sowie  die  collenchymähnlichen  Bastzellen  verschiedener  Aroideen  —  die 


Um  die  Zahl  der  Beispiele  noch  durch  eine  Sporeiipflanzo  zu  vermehren,  erinnere  icli 
ferner  an  die  chlorophyllfreicn  sterilen  Schosse  von  Equisctwn  Tdmutpja,  deren  Bastring  sich 
ebenfalls  an  die  Epidermis  anleimt.  Einen  ähnlichen  subepidermalen  Ring  besitzen  auch  die 
fcrtilen  Triebe  dieser  und  anderer  Arten,  nur  ist  derselbe  hier  viel  schwächer.  Im  Uebri- 
gen  kommen  bei  den  Equiseten  zwischen  den  grünen  und  den  mcclianischen  Zellen  verschie- 
dene Arrangements  zu  Stande,  die  ich  hier  nicht  Aveiter  erörtern  will  (vgl.  Duval-Jouve 
Hütoire  naturelle  den  JSquisetiwi  de  France,  Taf.  VI). 


Die  niochanischcii  Systeme  yaiv  Herstelliuii;  der  ciforderliclieu  Bief>uuj;-8festij!,keit.  107 


einzigen  mir  bekannten  Vorkoninmissc  —  schliesscn  sich,  wie  früher  erwähnt, 
stets  HU  die  Epidermis  an.  Ebenso  die  etwas  gelatiniis-,  aber  ^leichmässig 
verdickten  Ikistzellen  auf  der  Innenseite  der  Gramineen-Scheiden,  die  Jiippen 
von  EriocmiloH  etc.  Dagegen  kijnnen  i)arenchymatisclie  Zellen  mit  mehr  oder 
minder  ausgesprochen  coUenchymatischen  Verdickungen  ü))erall  vorkonnnen,* 
selbst  in  Geweben  von  intensiv  grüner  Färbung.  Diese  Yerdickungsform  schliesst 
weder  das  Vorkommen  von  Chloroi)hyll  oder  Stärke  im  Inhalt,  noch  die  Ent- 
wicklung von  Zwischenzellräumen  aus. 

An  diese  Fälle,  welche  vorzugsweise  den  CouHict  zwischen  mechanischen 
und  assimilirenden  Zellen  veranschaulichen  sollen,  schliesscn  sich  einige  weitere 
Vorkommnisse  an,  welche  in  analoger  Weise  die  Ansprüche  der  saftleitenden 
Zellen  mit  Bezug  auf  gewisse  Stellen  der  Fibrovasalstränge  anzudeuten  schei- 
nen. Es  ist  ein  ungemein  häutig  vorkonnnender  Fall ,  dass  die  lUistbelege 
der  Mestomstränge  zu  beiden  Seiten  der  grossen  Gefässe  unterbrochen  sind 
Taf.  III,  3,  4).  Das  sind  die  Stellen,  die  ich  gelegentlich  schon  oben  als 
»Zugänge«  bezeichnet  habe,  weil  hier  olfenbar  das  Einströmen  gelöster  Assimi- 
lationsproducte  aus  dem  umgebenden  Gewebe  in  die  leitenden  Zellen  des  Me- 
stoms,  eventuell  auch  die  umgekehrte  Bewegung  derselben,  vor  sich  geht.  Die 
Mestomstränge  verhalten  sich  gleichsam  wie  bedeckte  Drainirkanälc,  in  welche 
die  wässerigen  Lösungen  aus  dem  umgebenden  Medium  eindringen,  um  hier 
weiter  fortgeführt  zu  werden.  Zu  diesem  Behufe  stehen  die  beiden  Zugänge 
sowohl  mit  dem  Cambiforra  als  mit  den  übrigen  Elementen  des  Mestoms  in 
Verbindung;  sie  führen  bei  den  grossen  Gefässen  vorbei  direct  gegen  das  Cen- 
truni  des  Stranges.  Und  wie  es  scheint,  können  gerade  die  Bündel  mit  sehr 
starken  Bastbelegen,  wie  z.  B.  diejenigen  der  Bambuseu,  diese  Verkehrswege 
am  wenigsten  entbehren.  Sie  kommen  hier  ausnahmslos  bei  allen  grösseren 
Bündeln  vor,  und  wenn  sie  auch  wegen  der  starken  Verdickungen  der  Zell- 
membran auf  Querschnitten  nicht  immer  augenfällig  sind,  so  treten  sie  doch 
in  abgestorbenen  Stengeln,  weil  sie  hier  durch  ihre  braune  Färbung  sich  deut- 
lich von  den  Bastzellcn  al)heben,  um  so  entschiedener  hervor.  Die  inneren 
Bündel,  welche  in  der  Lage  sind,  dem  ernährungsphysiologisclien  Princip  etwas 
grössere  Concessionen  zu  nuichen,  besitzen  sogar  drei  bis  vier  solcher  Zugänge, 
nämlich  ausser  den  beiden  schon  genannten  noch  einen  oder  zwei  auf  der 
inneren  Seite  des  Mestoms.  Diese  letzteren  kommen  bei  Ariuidinaria  durch 
einfache  Unterbrechung  des  innenseitigen  Bastbeleges  zu  Stande;  bei  Bumhusa 
dagegen  münden  dieselben  in  eine  Parenchymlamelle .  welche  quer  durch  die 
innenseitige  starke  Bastbekleidung  hindurchgeht  (Taf.  VII,  1).  Eine  solche  Ein- 
schiebung  parenchymatischer  Zellen  in  Bastmassen,  die  sonst  immer  zusammen- 
hängen, lässt  meines  Erachtens  kaum  eine  andere  Deutung  zu,  als  diejenige, 
die  ich  ihr  vorhin  beilegte.  Zugleich  beweisen  dergleichen  Vorkommnisse,  dass 
die  Bastzellen  für  die  Leitung  der  Säfte  in  der  Querrichtung  ungünstig  gebaut 
sind.  Wir  werden  später  sehen ,  dass  sie  auch  in  der  Längsrichtung  zu  den 
schlechten  Leitern  gehören. 


108 


II.  Spezielle  Botraclituug  der  Monocotylcn. 


Zu  den  auatoiiiiselien  Tluitsacheii ,  welche  mit  den  eben  erwähnten  unter 
den  gleichen  Gesichtspunkt  fallen,  glaube  ich  auch  die  Zertheilung  der  Canil)ium- 
stränge  in  den  Stutzwurzeln  von  Pandcmus  odoratissimus  zählen  zu  dürfen , 
von  denen  weiterhin  noch  speziell  die  Rede  sein  wird.  Die  rarenchymlamel- 
len,  Avelche  bei  diesen  Wurzeln  die  zusammengehörige  Fibrovasalmasse  durch- 
ziehen, scheinen  auch  hier  bloss  den  Zweck  zu  haben,  der  Störung  des  Säfte- 
austausches ,  welche  mit  zusammenhängenden  Bastbekleidungen  nothwcndig 
verknüpft  ist,  vorzubeugen.  —  Ferner  rechne  ich  hieher  das  Vorkommen  einer 
farblosen  inneren  Rinde  bei  AUium  und  manchen  anderen  Pflanzen,  ohne  dass 
mir  über  die  Rolle  dieser  Rindenschicht  etwas  Näheres  bekannt  wäre;  des- 
gleichen das  Vorhandensein  einer  normalen  Rinde  bei  einigen  Schmarotzern, 
deren  mechanisches  System  nicht  bis  an  die  Oberfläche  vorzudringen  vermag. 

Endlicii  bleibt  noch  ein  dritter  Fall  zu  erwähnen  übrig,  in  welchem  die 
mechanischen  Elemente  den  nicht  mechanischen  die  erste  Stelle  einräumen :  es 
ist  die  Entwicklung  einer  mehrschichtigen  Epidermis  oder  eines  Hypoderm  und 
das  dadurch  bedingte  Zurücktreten  der  subepidermalen  Bastrippen  von  der 
Oberfläche.  Wir  beobachten  diese  Erscheinung  in  den  Blattstielen  und  Blüthen- 
schäften  einzelner  Aroideen  [Armn,  Arimema)  und  Restiaceen,  in  den  Blättern 
verschiedener  Palmen  [Sabal  Adansomi,  Jidjaea  spectahilis ,  Chamaerops  Fortu- 
nei,  Hypliaene  tliehaica  etc.).  desgleichen  bei  Phormium  tenax,  Pandanus  odo- 
ratiüsimus,  Marauta,  Musa  u.  s.  f.  Wir  wollen  hier  nicht  untersuchen ,  wie 
dieses  farblose  Hautgewebe  entsteht  und  welche  Function  seine  parencbymati- 
schen  Zellen  im  Haushalt  der  Pflanze  übernommen  haben  2),  sondern  bloss 
darauf  hinweisen,  dass  die  Lage  desselben  zunächst  der  Oberfläche  eine  dringend 
gebotene  sein  muss,  da  selbst  die  grünen  Zellen  diesen  Einfluss  auf  den  Bast- 
ring oder  auf  die  I-förmigen  Träger  der  Blattflächen  nirgends  ausüben.  Auch 
muss  die  fragliche  Function  dieser  wasserhellen,  die  mechanischen  Elemente 
stets  zurückdrängenden  Unterhaut  der  Art  sein,  dass  eine  Unterbrechung  der- 
selben ,  abgesehen  von  •  der  Einbusse  an  Flächenausdehnung ,  für  die  Pflanze 
nachtheilig  wäre. 

Als  Ersatz  für  die  im  Vorhergehenden  besprochenen  Concessioncu ,  welche 
die  Pflanze  auf  Kosten  des  mechanischen  Systems  zu  machen  genöthigt  ist, 
sind  auf  der  andern  Seite  die  Wandungen  der  verschiedenen  Gewebe,  welche 
•dem  Ernährungssystem  angehören ,  nicht  selten  so  beträchtlich  verdickt ,  dass 
auf  diesem  Wege  die  erlittenen  Verluste  mehr  als  gut  gemacht  werden.  Zwar 
ist  ein  Verzicht  auf  die  peripherischen  Punkte,  sofern  das  Biegungsmoment  un- 
verändert bleiben  soll,  notliwendig  mit  einem  Mehraufwand  von  Material  ver- 
bunden und  insofern  irreparabel;  allein  die  Pflanze  erhält  für  dieses  Opfer 
ausser  der  nöthigen  Festigkeit  noch  andere  wichtige  Vortlieile,  die  begreiflicher 


')  Vgl.  Nägel i,  Beiträge  I,  p.  30. 

2)  Vgl.  hierüber  Pfitzer:  Ucber  die  mehrschichtige  Epidermis  und  das  llypoderma, 
in  Pringshcim's  Jahrb.  VllI,  p.  Oo  ff. 


3.  Die  mochanisclien  Systeme  zur  Herstellung  der  erfonlerliclien  Biegung-sfestigkeit.  1()9 


Weise  ihr  besonderes  Stück  Arbeit  crlieisclieii.  Zu  dieser  Unterstützung  des 
mechanischen  Systems  können  die  verschiedenartigsten  Gewebe,  grüne  und 
nichtgrüne,  saft-  und  luftführende,  parenchymatische  und  prosencliymatisclie 
(nur  keine  Bildungsgewebe)  herbeigezogen  werden.  Eine  spezielle  Aufzählung 
derselben  ist  daher  überflüssig;  es  mag  genügen,  an  dieser  Stelle  einige  beson- 
ders wichtige  Fälle  hervorzuheben.   Als  solche  möchte  ich  folgende  bezeichnen : 

1)  Die  Verdickung  der  Mcstomzellen  zwischen  den  grossen  Gelassen.  Ein 
ungemein  häufig  vorkommender  Fall,  der  zunächst  für  das  Mestom  selbst  von 
Bedeutung  sein  mag,  nebenbei  aber  auch  zur  Steigerung  der  Biegungsfestig- 
keit beiträgt.  Die  betreffenden  Zellen  sind  oft  sehr  stark  verdickt,  iudess  die 
in  der  Umgebung  der  Spiral-  und  Kinggefässe  beündlichen  meist  dünnwandig 
bleiben. 

2)  Die  poröse  Verdickung  der  kleinlumigen  Cambiformzellen  in  den  Stannn- 
organen  von  AUsma  Plantago^  sowie  in  den  Blättern  von  Fandanus  odoratissi- 
mus  und  gramineus,  von  Gyncrium  argenteum,  Juncus  acutus,  Aspidistra  lurida 
und  in  geringerem  Grade  noch  hin  und  wieder.  Die  Wandverdickung  geht 
bei  den  genannten  Pflanzen  eben  so  weit,  wie  bei  den  Holzzelleu.  Die  engen 
Cambiformröhren  bilden  im  Querschnitt  gewöhnlich  ein  zusammenhängendes 
Netz,  dessen  Maschen  die  weiten  Siebröhreu  vollständig  umschliessen ;  so  na- 
mentlich bei  Pandanus  und  AUsma. 

'M  Die  Verdickung  der  Mestomscheide.  Ein  so  häufiges  Vorkonnnniss,  dass 
Beispiele  überflüssig  sind.  Der  concentrirten  Schwefelsäure  widersteht  hier  nur 
die  sogenannte  primäre  Membran;  die  mechanischen  Schichten  sind  nicht  cuti- 
cularisirt. 

4)  Die  starke  collenchymatische  Verdickung  der  peripherischen,  Chloro- 
ph}'ll  und  Stärke  führenden  Markzellen,  bei  Panicum  imhecille.  An  diesen  Fall 
würden  sich  nun  die  zahli-eichen  anderen  Verdickungsformen  parenchymatisciier 
Zellen  anschliessen,  auf  deren  spezielle  Erwähnung  ich  indess  glaube  verzich- 
ten zu  dürfen. 

Will  man  in  Betreff  des  Vorkonunens  dieser  Verdickungen  eine  allgemeine 
Regel ,  so  könnte  man  etwa  sagen ,  dass  dieselben  bei  stärkeführenden  und 
stärkeleitenden  Geweben  sich  häufig  vorfinden,  seltener  bei  assimilirenden  und 
eiweissleitenden  Geweben,  Auch  die  spezifisch  wasserleitenden  Fartieen,  sofern 
man  die  Umgebung  der  primordialen  Gefässe  und  das  farblose  Hypoderm  (von 
Maranta,  Musa  etc.)  als  solche  bezeichnen  darf,  sind  wenig  zur  Verdickung 
geneigt. 

VIII.    Die  Nebenfunctionen  der  mechanischen  Zellen. 

Der  Couflict  zwischen  dem  mechanischen  Frincip  und  den  Bedingungen  der 
Ernährung,  wie  er  im  Vorhergehenden  dargestellt  wurde,  behielt  mit  Kücksicht 
auf  die  mechanischen  Zellen,  d.  h.  die  Bastfasern,  den  Cliaracfer  eines  Kami)fes 
um  bestimmte  Punkte  oder  Zonen  des  Querschnittes,  während  allerdings  die 


110 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


feiudlic'lien  Elemente  niclit  bloss  vorrückten  oder  ziiriickwiclien ,  sondern  theil- 
weise  in  ihrem  innersten  Wesen  ergriffen  und  umgewandelt  wurden.  Im  Fol- 
genden soll  nun  gezeigt  werden,  dass  auch  die  Bastzellen  hin  und  wieder  Um- 
gestaltungen erfahren,  durch  Avelche  sie  für  irgend  eine  Nebenfunetion  in 
höherem  Grade,  als  diess  sonst  der  Fall  ist,  angepasst  Averden.  Solche  Verän- 
derungen sind  immer  als  eine  Concessiou  zu  betrachten,  welche  das  mechanische 
Frincip  seinen  eigenen  Vertretern  auferlegt. 

Eine  der  gewöhnlichsten  Anpassungen  dieser  Art  ist  diejenige  für  die  Luft- 
circulation.  Die  ausgebildeten  Bastzellen  —  ich  rede  hier  nur  von  solchen, 
die  unzweifelhaft  zum  mechanischen  System  gehören  —  führen  zwar  immer 
etwas  Luft;  wenigstens  ist  diess  der  normale  Zustand.  Auch  wird  man  zum 
Voraus  annehmen  dürfen,  dass  ein  gewisses  Minimum  von  Durchlüftung,  sei  es 
nun  durch  Zwischenzellräume  oder  durch  Lumina,  für  die  Bastzellcn  ebenso 
unentbehrlich  sei  wie  für  andere.  Wenn  man  indessen  die  Zellformen,  welche 
zu  den  mechanisch  günstigsten  zählen,  wie  z.  B.  diejenigen  des  Falmenbastes 
oder  die  Bastzellen  der  Gramineen  u.  dgl  ,  in  Beziehung  auf  Lumengrösse  als 
Norm  betrachtet  und  die  übrigen  damit  vergleicht,  so  ergeben  sich  mannig- 
faclie  Abweichungen  im  Sinne  einer  stärkeren  Durchlüftung,  welche  für  den 
Bast  allein  offenbar  nicht  nöthig  wäre.  Die  Lumina  werden  weiter,  die  Poren 
zahlreicher  und  grösser,  Beides  auf  Kosten  der  Festigkeit.  Zuweilen  kommen 
noch  trichterförmige  Erweiterungen  der  Poren,  die  ersten  Andeutungen  von 
Höfen  hinzu,  so  z.  B.  bei  VeUheimia  viridis  sijiut ,  FuuJda  ovata  und.  verschie- 
denen andern  Liliaceen.  Bei  Draeacna  und  Yucca  endlich  —  jedoch  nur  im 
Stamm,  nicht  in  den  Blättern  —  kommen  die  Porenhöfe  zur  vollständigen  Aus- 
bildung, ganz  wie  bei  den  Couiferen.  Die  mechanischen  Zellen  sind  hier  zu- 
gleich die  luftleitenden  Organe  geworden,  welche  der  Pflanze  für  alle  späteren 
Jahresschichten  die  Anlage  besonderer  Ventilationsröhren ,  etwa  in  Gestalt  von 
porösen  Gefässen,  ersi)aren;  wie  schon  früher  erwähnt,  besitzen  nur  die  mark- 
ständigen Fibrovasalsträngc  Gefasse.  Aber  trotzdem  weicht  die  Form  dieser 
eigenthümlichen  Zellen  nur  wenig  vom  gewöhnlichen  Typus  ab.  Dieselben  er- 
reichen die  normale  Länge  von  0,7  bis  1,3  Mill.,  greifen  in  der  Kegel  mit 
prosenchymatischen ,  mehr  oder  minder  spitzen  Enden  über  einander  und  be- 
sitzen übcrdiess  linksschiefe  spalteuförmige  Poren  mit  Neigungen  von  ungefähr 
45''.  Dass  es  wirklich  metamorphosirte  Bastzellen  sind,  welche  diese  zahlreichen 
behöften  Poren  zeigen,  geht  auch  aus  der  Thatsache  hervor,  dass  die  näm- 
lichen Zellen  bei  den  markständigen  Bündeln  (Blattspuren)  von  Cordyline  nu- 
ütralis  aussen  am  Cambiform  (wo  die  Holzzellen  jedenfalls  ausgeschlossen  sind) 
die  Stelle  einnehmen,  die  weiter  ol)en  im  Blatte  der  Pflanze  und  auch  sonst 
überall  dem  typischen  Bast  reservirt  bleibt.  —  Die  bei  Yucca  vorkommenden 
Abweichungen  in  Betreff  der  Lagerung  dieser  Libriformzellen  wurden  schon 
oben  (p.  69)  erwähnt,  wo  auch  einiges  Nähere  über  das  Verhalten  der  Blatt- 
spuren mitgetheilt  ist. 

Im  Allgemeinen  kommen  grosslumige ,   für  die  Durchlüftung  in  höherem 


3.  Die  moclianischen  Systeme  zur  Herstellun^j,-  der  or^oracrlielien  Biegiingsfestigkeit.   1 1 1 

Grad  in  Anspruch  genonnnenc  Bastzellen  am  häufigsten  bei  Monocotylcn  mit 
Bastring  vor,  also  bei  Liliaceen,  Irideen,  Conniielynaccen  etc.  Die  meist  be- 
anspruchten, mechanisch  schwächsten  Zellen  liegen  indcss  stets  auf  der  minder 
wichtigen  Innenseite  des  Ringes,  wo  sie  zuweilen  ganz  allniälig  ins  Markge- 
webe übergehen.  Dagegen  bleiben  die  Bastzellen  der  Cyperaccen  und  Junca- 
eeen,  wie  überhaupt  die  meisten  Typen  mit  subepidermalen  Rippen,  für  diese 
Durchlüftungsanforderungen  absolut  unempfindlich.  Die  Pflanze  sorgt  hier  auf 
andere  Weise  für  die  nöthige  Ventilation. 

Neben  der  Luftleitung  spielen  die  übrigen  Functionen,  welche  die  Bast- 
zellen gelegentlich  übernehmen,  eine  untergeordnete  Kolle.  Was  zunächst  die 
Assimilationstliätigkeit  oder,  um  mich  bloss  an  das  Beobachtete  zu  halten,  den 
Gehalt  an  Chlorophyll  betrifft,  so  mögen  einzelne  Chlorophyllkörnchen  hin  und 
wieder  im  Bastgewebe  vorkommen,  aber  sie  sind  doch  im  Ganzen  genommen 
selten  und  stets  nur  auf  dünnwandige  Zellen  beschränkt.  Sicher  beobachtet 
habe  ich  diesen  Fall  z.  B.  im  Stengel  von  Paris  quadrifolia^  dessen  Bastring 
allerdings  aus  sehr  zartwandigen  und  öfters  quergetheilten  Zellen  besteht,  die 
sich  aber  doch  durch  die  spaltenförmigen  linksschiefen  oder  longitudinalen 
l^ren ,  sowie  durch  die  bei  einigem  Suchen  nachweisbaren  zugespitzten  Enden 
als  Bastzellen  kennzeiclinen ;  auch  enthalten  keineswegs  alle  Zellen  Chloro- 
phyll. —  Ferner  gehören  zu  diesen  Ausnahmen  die  radial  gestellten  bastähn- 
lichen Zellen,  welche  die  polsterartige  Verdickung  am  obern  Ende  des  Blatt- 
stieles von  Maranta  hicolor  bedingen.  Es  sind  zwar  ebenfalls  keine  typisclien 
Bastzellen,  schon  wegen  der  durch  die  Stellung  bedingten  abweichenden  Form ; 
allein  sie  gehören  doch  unzweifelhaft  zum  mechanischen  System  und  zeigen  hie 
und  da  die  characteristischen  spaltenförmigen  Poren  i). 

Wie  wenig  die  Natur  der  mechanischen  Zellen  sich  im  Allgemeinen  mit 
der  Entwicklung  von  Chlorophyll  verträgt,  beweist  unter  anderem  auch  das 
Verhalten  der  Collenchymzellen.  Sobald  diese  letzteren  den  parenchymatischen 
Character  ablegen,  indem  sie  sich  bis  zu  1  Mill.  und  darüber  verlängern  und 
an  den  Enden  bastälinlich  zuspitzen ,  wobei  sie  gewöhnlich  auch  longitudinale 
oder  schwach  linksschiefe  Poren  erhalten ;  sobald  sie  überhaupt  eigentliche 
Collenchymzellen  sind  und  in  die  Reihe  der  spezifisch  mechanischen  Elemente 
eintreten :  so  verschwindet  das  Chloropliyll  vollständig.  Zwischen  diesem  Col- 
lenchym  und  dem  typischen  Bast  gibt  es  überhaupt  keine  scharfe  Grenze,  viel- 
mehr alle  möglichen  Uebergängc. 

Schwieriger  ist  die  Frage  zu  beantworten,  inwieweit  die  Bastzellcn  bei  der 
Leitung  des  Wassers  in  der  Pflanze  betheiligt  seien.  Vom  vergleichend  ana- 
tomischen Standpunkte  aus  lässt  sich  diese  Frage  mit  Sicherheit  niclit  ent- 
scheiden; doch  scheinen  mir  folgende  Verhältnisse  immerhin  beachtenswerth. 
Die  abnormen  Bastzellen  der  Dracaenen  sind  dem  Libriform  der  Coniferen  so 


ij  Die  niimlichen  radial  gestellton  Zellen  finden  sicli  auch  bei  andern  Arten  der  Gattung 
[M.  zehrinn  u.  regalis) ;  hier  fand  ich  sie  aber  durchweg  chlorophyllfrei. 


112 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


älmlich,  dass  wir  a  priori  auch  eine  entsprechende  Uebereinstimmung  in  der 
Function  voraussetzen  und  somit  die  Leitungsfähigkeit  denselben  nicht  abspre- 
chen dürfen  —  eine  Folgerung,  zu  der  übrigens  schon  der  Bau  des  Dracaena- 
staninies,  für  sich  allein  betrachtet,  führen  müsste.  Da  ferner  die  genannten 
BastzcUen  sich  eigentlich  nur  durch  die  grossen  Porenhöfe  von  den  weitluniigen 
typischen  Formen  unterscheiden,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  obiger  Schluss 
per  Analogie  könnte  auch  auf  diese  letzteren  anwendbar  sein,  natürlich  unter 
Vorbehalt  verschiedener  Abstufungen  in  der  Leitungscapacität.  Weiter  kommt 
man  indessen  auf  diesem  Wege  nicht :  die  Mehrzahl  der  besprochenen  Typen, 
weil  durch  kleinlumige  Bastzellen  charactcrisirt ,  bleibt  ausserhalb  der  Trag- 
weite solcher  Schlüsse. 

Auf  der  andern  Seite  lehrt  die  Beobachtung,  dass  gerade  die  weitlumigen 
Bastzellen  hin  und  wieder  durch  Lamellen  von  Intercellularsubstanz  getrennt 
sind.  Diese  Lamellen  bleiben  nach  Zusatz  von  concentrirter  Schwefelsäure 
ungelöst  und  verhalten  sich  überhaupt  in  jeder  Beziehung  wie  die  cuticulari- 
sirten  Membranen.  Mehr  oder  minder  deutliche  Spuren  dieser  Substanz  lassen 
sich  sowohl  bei  weit-  als  englumigen  Bastzelleu  häufig  nachweisen.  Bei  unter- 
irdischen Organen,  welche  in  feuchtem  Erdreich  vegetircn,  z.  B.  in  den  Wur- 
zeln und  Khizomen  der  Carex-k-\:ie,\\  mit  peripherischem  Bastring,  tritt  dieselbe 
coustant  und  in  starker  Ausbildung  auf.  Die  Neigung  der  Bastzellen,  sich  durch 
ein  korkähnliches  Häutchen  nach  aussen  abzuschliesseu,  scheint  mir  überhaupt 
so  weit  verbreitet  zu  sein ,  dass  die  Annahme  einer  allgemeinen  Betheiligung 
derselben  an  der  Wasserleitung  von  selbst  dahin  fällt.  Dazu  kommt,  dass  die 
experimentelle  Prüfung  der  Leitungscapacität  mittelst  farbiger  Flüssigkeiten  (die 
ich  zwar  nicht  als  absolut  entscheidend  betrachte)  mir  stets  nur  negative  Er- 
gebnisse geliefert  hat.  Die  dünnwandigen  Holzzellen  in  der  Umgebung  der 
Spiralgefässe  waren  oft  weit  hinauf  gefärbt,  während  die  Bastbelege  noch  keine 
S[)ur  von  Färbung  zeigten,  obschon  dieselben  auf  Querschnitten  den  Farbstoff 
zu  speichern  im  Stande  sind.  Die  Leitungsfähigkeit  der  Bastzellcn  ist  nach 
alledem  sehr  in  Frage  gestellt. 

IX.    Die  Biegungsfestigkeit  des'  mechanischen  Systems  in  ihrem  Verhältniss 

zu  derjenigen  des  ganzen  Organs. 

Zum  Schlüsse  theile  ich  nachstehend  noch  einige  Beispiele  mit,  w^elche 
über  den  Antheil,  den  das  mechanische  System  an  der  Biegungsfestigkeit  des 
Stengels  hat,  Aufschluss  geben.  Dabei  bemerke  ich  jedoch,  dass  die  ange- 
stellten Vergleiche  weiter  Nichts  bieten  können,  als  eine  ungefähre  Orientirung, 
die  allerdings  um  so  genauer  ausfällt,  je  sorgfältiger  die  der  Berechnung  zu 
Grunde  gelegten  Daten  bestimmt  sind. 

Die  Bestinnnung  der  Biegungsfestigkeit  ganzer  Organe  geschah  durch  das 
oben  schon  erwähnte  einfache  Verfahren.  Frisch  geschnittene  Stengel  wurden 
mit  dem  einen  Ende  horizontal  in  den  Schraubstock   gespannt,   hierauf  am 


;^.  Dio  incchauischiui  Systeme  /air  Ilcrstclluuj;-  dvv  crtonh  rliclicii  Biof?uugsl"cstigkcit.    1  1  ;> 

freien  Ende  belastet  und  die  dabei  eintretenden  Senkungen  direct  gemessen. 
Nöthigenialls  wurde  die  Messung  mehrere  Mal  nach  vorausgegangener  Drehung 
um  einen  beliebigen  Winkel  wiederholt  und  aus  den  erhaltenen  Zift'ern  das 
arithmetische  Mittel  genommen.  In  zweiter  Linie  bestimmte  ich  die  Qucrschnitts- 
Hiiche  der  Bastzellen  und  das  damit  zusammenhängende  Maass  des  Biegungs- 
monjcntes.  wo))ei  indcss  kleine  Fehler  nicht  zu  vermeiden  sind,  auch  wenn 
man  mehrere  iz.  B.  den  beiden  Enden  und  der  Mitte  entsprechendei  Querschnitte 
möglichst  genau  zeichnet  und  misst.  Endlich  blieb  noch  das  Elasticitätsmodul 
zu  bestimmen  übrig,  Avobci  ich  gewöhnlich  mit  längern  Stengelthcilen  experi- 
mentirte,  als  bei  der  Messung  der  Senkungen,  was  wiederum  als  eine  Fehler- 
quelle bezeichnet  werden  muss.  Kurz ,  es  kann  von  nuxthematischer  Genauig- 
keit in  den  folgenden  Berechnungen  keine  Rede  sein ;  aber  dessenungeachtet 
gestatten  sie  eine  approximative  Schätzung  der  Druckfestigkeit  des  Parenchyms 
und  eventuell  auch  des  Einflusses,  den  die  Turgescenz  der  Gewebe  ausübt. 
Auch  zweifle  ich  nicht ,  dass  die  maassgebenden  Elasticitätsverhältnisse  am 
nändichen  (nicht  verlängerten  Stengelstück  merklich  genauer  bestimmt  werden 
könnten,  wenn  man  sich  hiefür  die  nöthigen  Messeinrichtungen  verschjyffte. 

Die  Formel  für  die  Senkung  des  belasteten  Endes  ist  nach  Früherem,  wenn 
das  Eigengewicht  vernachlässigt  wird: 

wobei  /  die  Länge,  P  das  angehängte  Gewicht,  W  das  Maass  des  Biegungs- 
momentes und  E  das  Elasticitätsmodul  bezeichnet. 

Da  es  keinen  Werth  hätte,  Beobachtungen  ohne  die  zugehörigen  berech- 
neten Grössen,  oder  Berechnungen  ohne  annähernd  richtige  Grundlage  mitzu- 
thcilen,  so  beschränke  ich  mich  auf  die  Darlegung  der  wenigen  Fälle,  die  mir 
wenigstens  innerhalb  der  Grenzen  unvermeidlicher  Fehler  zuverlässig  zu  sein 
scheinen.  Bezüglich  der  Schwankungen  der  Biegungsfestigkeit,  welche  mit  der 
Ab-  und  Zunahme  der  Turgescenz  in  den  parenchymatischen  Geweben  zusam- 
menhängen, verweise  ich  auf  die  Lehrbücher  i)  und  auf  die  einschlägigen  Ver- 
öffentlichungen über  Gewebespannung,  in  theoretischer  Beziehung  überdiess  auf 
das  oben  (S..  101  flf.j  Gesagte. 

L  Molinia  coerulea.  Ein  2  Mill.  dickes  Halmstück  von  6(1  Mill.  Länge 
senkt  sich  bei  20  Gramm  Belastung  um  1,6  Mill.  Der  Querschnitt  des  Bast- 
ringes sammt  Ripj)en  beträgt  nach  früheren  Angaben,  auf  1000  Ctm.  Durch- 
messer berechnet,  ca.  9O,00ODCtm.,  das  Maass  des  Biegungsmomentes  9400 

94 

Millionen.   Letztere  Grösse  wird  in  Wirklichkeit  (5000)  '  Mal  kleiner  = 

^         '  b, 250, 000 

Kilogrammcentimeter.  Setzt  man  E  =  200,000,  so  erhält  man  als  Senkung 
für  das  isolirt  gedachte  mechanische  System : 

t>  216  .  6250000  -20  ah  r<t.         a      o        a  "  a/t-ii 

^  =  irrmm-r^rrwm  =  ^^'^^  =  4,/  Mill. 


')  Hofmeister,  physiol.  Bot.  I  p.  278.    Sachs,  Lchrb.  der  Bot.  ;i.  Aufl.  p.  695. 

ScLweudener,  Das  mechauische  Priiiuip.  8 


» 


114 


II.  .Spezielle  lJutiaclitung  der  Moiiocotyleii. 


Die  berechnete  Senkung  des  mechanischen  Systems  ist  somit  ca.  3  Mal  so 
gross,  als  die  am  ganzen  Halm  beobachtete. 

2.  Pipfatherum  muUißorum.  Ein  2.5  Mill.  dickes  und  100  Mill.  langes 
Malmstück  vom  untersten  Internodium  senkt  sich  bei  20  Gramm  Belastung  um 
3.5  Mill.  Die  Dicke  des  Bastrings  ist  auf  ca.  0,15  Mill.  zu  veranschlagen  {eine 
schärfere  Bestinnnuug  ist  unmöglich) ;  die  Querschnittsfläche  desselben  beträgt 
hienach  ca.  2,4  n  •  0,15  =  1,13  DMill. ,  das  Maass  des  Biegungsmomentes 
=  1,13  •  (1,2)2  ^  0^  u)af?  Elasticitätsmodul  berechnet  sich  nach  directen 
Versuchen  auf  ca.  200,00(1  per  Quadratctm.  oder  2000  per  DMill.  Man  hat 
folglich : 

3.  Secale  cereale  zur  Zeit  der  Fruchtreife.  Ein  Halmstück  von  100  Mill. 
Länge  und  5  Mill.  Durchmesser  senkt  sich  bei  50  Gramm  Belastung  um  1,5 

Mill.  Für  die  Kechnung  wurde  statt  3  WE  die  glcichwerthige  Grösse  Y2  ^"^  y  G 

pag.  29)  nach  directen  Messungen  eingeführt.  Es  war  /  =2,5;  /  =  285, 
l  =  1,25  Mill.,  =  20  Kilo  (für  das  ganze  Internodium;  :  folglich  dWE  in 
runder  Zahl  =  40000  und  S  =  1,25  Mill. 

4.  Juncus  (jlaiims.  Halmstück  von  2,25  Mill.  Dicke  und  70  Mill.  Länge. 
Beobachtete  Senkung  bei  10  Granau  Belastung  =  5  Mill.  Die  Rechnung  er- 
gibt, wenn  £  zu  150,000  und  das  Maass  des  Biegungsmomentes,  auf  1000  Ctm. 
Durchmesser  berechnet,  zu  5700  Millionen  angenommen  wird  in  Wirklichkeit 
4 4 004  Mal  kleiner)  ; 

o  343  .  0,010  ■  4400«  _o  r\L  r  a^mi 

^  =  :i  .  .5700,000000  ■  120,000  =  ^'^  ^^^^^l- 

Setzt  man  E  —  100,000,  was  vielleicht  richtiger  ist,  so  steigt  dieser  Werth 
auf  6,8  Mill. 

5.  Lilium  auratum.  Stengel  von  12  Mill.  Durchmesser  und  200  Mill.  Länge. 
Belastung  400  Gramm.  Beobachtete  Senkung  =  4,5  Mill.  Für  die  Berechnung 
hat  man:  Dicke  des  Bastringes  =  0,475  Mill.,  Querschnittsfläche  desselben 
annähernd  16  DMill.,  nach  Abzug  der  Lumina  noch  ungefähr  8  DMill.  Maass 
des  Biegungsmomentes  ca.  0,012  Kilogrammctni. ,  endlich  E  =  200.000: 
folglich : 

..!Z'  °o!.,ooo  =  Ö.«  ctm.  =  4,-1  Mill. 

Für  E  =  150,000  wird  S  =  5,5  Mill.  Hienach  scheint  die  Festigkeit 
des  Stengels  fast  ausschliesslich  auf  dem  Widerstand  des  Bastringes  zu  be- 
ruhen. Ich  vermuthe  jedoch ,  dass  das  Biegungsmoment  des  Ringes  bei  Lilia- 
ceen,  weil  hier  die  Innern  Zellen  stets  bedeutend  schwächer  sind  als  die  peri- 
pherischen, auch  bei  möglichst  genauer  Bestinmiung  des  Elasticitätsmoduls 
leicht  zu  hoch  angesetzt  wird,  so  dass  also  die  berechnete  Senkung  etwas 
kleiner  ausfällt,  als  sie  am  frei  präparirten  Bastcylinder  sich  tliatsächlich  her- 
ausstellen würde. 


.  Das  inochaiiisflic  System  in  OrjAanen,  wck-he  der  Bicj;inij;stestigkeit  nicht  bedürfen.  115 


().  FunJda  acuta.  Blüthciiscluift  von  5,5  Mill.  Durchmesser  und  (U»  Mill. 
Länge.  Kinde  0,3,  Bastrinj;-  =  0,14  Mill.  dick;  folglich  der  lladius  bis  zur 
Mitte  des  Ringes  =  2,12  Mill.  und  der  Querschnitt  des  Ringes  =  J,S  DMill. 
Belastung  =  0,2  Kilo;  beobachtete  Senkung  ==  3  Mill. 

Für  die  Rechnung  hat  man  als  Maass  des  Biegungsmonientes  0,21 2''^  •  O.OOO 
=  0,0001  Kilogrannnctm.,  als  Elasticitätsmodul  ca.  100,000.  Die  Senkung 
des  isolirt  gedachten  mechanischen  Systems  beziffert  sich  hiernach  auf 

.  .  0.000;  ."l^,.,ooi,  =  ».36  Ctm.  =  3,0  Mill. 
Also  abermals  ein  geringer  Unterschied  zwischen  der  beobachteten  Senkung  des 
ganzen  Schaftes  und  der  berechneten  des  Bastringes. 

7.  Papyrus  mitiquorum.  StannnstUck  von  28  Ctm.  Länge,  abgerundet- 
dreikantig: Durchmesser  eines  ungefähr  aequivalentcn  Kreises  =  2  Ctm.  mach 
den  mir  vorliegenden  Selbstabdrücken  der  obern  kleinern  und  der  untern  grös- 
sern Endfläche  bestimmt).  Belastung  =  0,2  Kilo;  Senkung  =  4  Mill.  Bei 
0,5  Kilo  erreicht  die  Senkung  =  12  Mill. 

Querschnitt  der  peripherischen  Bastmassen  eines  4  Mill.  breiten  Riemens 
nach  Früherem  ipag.  11)  =  0,56  DMill.  Solcher  Riemen  gehen  ca.  15  auf 
den  aequivalentcn  Kreis:  Gesammtquerschnitt  des  Bastes  demnach  15  •  0,56 
=  8,4  DMill.  =  0,084  DCtm.  (was  auf  1000  Ctm.  Durchmesser  ca.  21000 
DCtm.  ausmacht).  Maass  des  Biegungsmomentes,  da  der  Radius  =  1,  die 
Hälfte  von  0,084  =  0,042;  Elasticitätsmodul  nach  Früherem  =  131000.  Folglich 

^=  3  ■         'nnm  =  ^'^^^  ^tm.  =  2,66  Mill. 
Ich  schreibe  diese  Nichtübereinstimmung  zwischen  Rechnung  und  Beobach- 
tung vorzugsweise  dem  Unistande  zu,  dass  der  untersuchte  Stengel  sich  nach 
oben  verjüngte,  folglich  nicht  mehr  als  prismatischer  Träger  zu  betrachten  war. 


Viertes  CapiteL 

Das  mechaiiische  System  in  Orgaiieu,  welche  der  Bieguiigslesligkeit 

nicht  bedürfen. 

Ein  grosser  Theil  der  Pflanzenorgane  vcgetirt  in  Verhältnissen,  welche  von 
den  im  vorigen  Capitel  vorausgesetzten  durchaus  verschieden  sind  und  darum 
auch  meistens  eine  totale  Aenderung  der  mechanischen  Anforderungen  mit  sich 
bringen.  Die  einen  dieser  Organe  leben  unterirdisch  in  lockerer  oder  fester 
Erde,  deren  Druck  sie  während  ihrer  ganzen  Vegetationsdauer  auszuhaltcn 
und  stellenweise  zu  überwinden  haben,  indess  die  oberirdischen  Theile,  mit 
denen  sie  in  Verbindung  stehen,  in  der  Regel  zugleich  ihre  Zugfestigkeit  in 
Anspruch  nehmen.  Man  denke  z.  B.  an  den  enormen  Zug,  den  ein  im  Sturme 
sich  biegender  Falmenstamm  oder  ein  hohes  Bambusrohr  auf  einen  Theil  seiner 

8* 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotyleu. 


Wurzeln  ausübt.  Andere  Organe  und  selbst  ganze  Gewächse  wachsen  unter- 
getaucht in  stehendem  Wasser,  wo  sie  bald  aufrecht  stehen  [Najas  etc.;  und 
dann  ausser  dem  Druck  der  entsprechenden  Wassersäule  wegen  ihres  Luftge- 
haltcs  einem  continuirlichen,  wenn  auch  schwachen  Zuge  nach  oben  ausgesetzt 
sind,  bald  aber  auch  (z.  B.  gewisse  Potamogeton-Arten)  liegend  und  nahe  der 
Oberfläche  sich ,  ausln-eiten ,  wo  die  mechanischen  Anforderungen  sich  auf  ein 
jMinimum  reducifen.  Wieder  andere  sind  auf  fliessende  Gewässer  angewiesen, 
wo  vorzugsweise  die  Zugkraft  der  Strömung  in  Betracht  kommt,  die  je  nach 
der  Form  der  Organe  kleiner  oder  gnisser  ausfällt.  Manche  von  diesen  Was- 
serpflanzen besitzen  übcrdiess  neben  ihren  vegetativen  Organen  noch  Blüthen- 
und  Fruchtstiele,  welche  sich  Uber  die  Wasseroberfläche  erheben  und  folglich 
ganz  andern  Festigkeitsansprüchen  zu  genügen  haben.  Weiter  gibt  es  auch 
unter  den  in  Luft  vegetirenden  Organen  solche,  welche  sich  nicht  selbst  zu 
tragen  brauchen  :  Ranken,  Schling-  und  Klcttergewächse,  bei  denen  nur  in  der 
Jugend,  so  lange  sie  noch  keine  Stütze  gefunden,  eine  gewisse  Biegungsfestig- 
keit nothwendig  ist,  während  sie  später  zum  Theil  gar  nicht,  anderntheils  auf 
Zug  in  Anspruch  genonmien  werden.  Es  gibt  ferner  Flächenorgane ,  welche 
dem  Zerfetzen  (Abscheeren)  durch  Wind  oder  Wasser  ausgesetzt  sind  und  da- 
her gegen  scheerende  Kräfte  geschützt  sein  müssen.  Endlich  besitzen  wir  in 
den  Wurzeln  von  Pandanus  und  einigen  Palmen  [Iriartca,  Wettinia;  auch  Bei- 
spiele von  Organen,  welche  nach  Art  der  Säulen  belastet  sind. 

Diese  Aufzählung,  obgleich  unvollständig,  mag  immerhin  ein  Bild  geben 
von  der  Mannigfaltigkeit  der  mechanischen  Anpassungen,  welche  die  Pflanze 
anzustreben  hat.  Zwar  stimmen  die  genannten  Fälle,  wenn  man  die  wenigen 
bereits  bezeichneten  Ausnahmen  abrechnet,  durchgeliends  darin  überein,  dass 
die  biegenden  Kräfte  vernachlässigt  werden  können ;  allein  die  übrigen  Be- 
dingungen zeigen  dafür  um  so  grössere  Verschiedenheiten.  Manche  Wurzeln 
und  Rhizome  werden  fast  nur  auf  Zug,  andere  auf  radial  gerichteten  Druck, 
noch  andere  nach  beiden  Richtungen  in  Anspruch  genonmien;  auch  gibt  es 
solche,  deren  mechanische  Leistungen  so  zu  sagen  Null  sind.  Es  gewährt 
unter  diesen  Uniständen  ein  besonderes  Interesse,  den  anatomischen  Bau  dieser 
Organe  vergleichend  zu  untersuchen  und  unter  Berücksichtigung  der  äussern 

Lebensbedingungen  den  Principien  nachzuspüren ,  welche  bei  der  Anpassung  

bestimmten  mechanischen  Anforderungen  gegenüber  —  zur  Geltung  kommen. 
Wie  construirt  die  Natur  jene  Organe,  welche  fast  nur  durch  Zug,  wie  die- 
jenigen, welche  ausserdem  durch  radialen  oder  lougitudinalen  Druck  in  Span- 
nung versetzt  werden?  Diese  Frage  soll  im  Folgenden  erörtert  werden. 

1.    Zugfeste  Einrichtungen. 

Um  die  gestellte  Frage  zunächst  mit  Rücksicht  auf  Zugfestigkeit  zu  be- 
antworten, ist  vor  Allem  nöthig,  sich  der  hierauf  bezüglichen  mechanischen 
Grundsätze  zu  erinnern.    Die  Zugfestigkeit  hängt  einzig  und  allein  von  der 


mechanische  System  in  Orgiiuon.  wclciie  der  BioMnngslostigkoit  nicht  bedürfen.  117 


Grösse  des  Querschnittes  der  widerstaiidsfäliigcn  Elemente  ab;  die  Anordnung 
derselben  ist  daher  theoretisch  vollkommen  gleichgültig,  sofern'  nur  der  Zug 
gleielimiissig  auf  alle  widerstandsfähigen  Elemente  einwirkt.  Aber  gerade  um 
diese  Gleichmässigkeit  zu  erzielen,  wird  man  in  der  Praxis  im  Allgemeinen 
einer  compacten  Masse  vor  isolirten  und  beliebig  zerstreuten  Strängen  den  Vor- 
zug geben.  Man  hängt  bekanntlich  grössere  Gewichte  nicht  an  einzelne  Fäden, 
sondern  an  Schnüre  oder  Seile  auf;  ebenso  construirt  man  die  Zugstangen  bei 
Brücken  und  Dachconstructionen  nicht  etwa  röhrenförmig,  sondern  solid.  Das 
hat  nun  freilich  noch  seine  practischen  Gründe,  die  für  die  Pflanze  nicht  vor- 
handen sind.  Dafür  kommen  hier  physiologische  Rücksichten  in  Betracht, 
welche  im  Allgemeinen  nach  derselben  Seite  hin  den  Ausschlag  geben  müssen. 
Ist  es  auch  nicht  möglich,  alle  die  maassgebenden  Momente  zu  präcisiren,  so 
begreift  man  doch,  dass  eine  Wurzel,  welche  bloss  dem  Zug  ausgesetzt  ist,  ihre 
widerstandsfähigen  Zellen  von  der  Oberfläche  mehr  oder  weniger  zurückziehen 
muss,  sobald  das  mechanische  Princip  diess  gestattet  oder  sogar  begünstigt.  • 

In  der  That  zeigt  die  Beobachtung,  dass  bei  sämmtlichen  Wurzeln,  welche 
dem  Zuge  zu  widerstehen  haben,  sowohl  die  mechanischen,  als  die  damit  ver- 
bundenen leitenden  Elemente  in  Form  eines  axilen  Stranges  zur  Entwicklung 
kommen.  So  allgemein  die  Inanspruchnahme  auf  Zug,  so  constant  ist  der 
hierdurch  bedingte  anatomische  Bau.  Diess  gilt  nicht  bloss  für  die  Wurzeln 
der  Monocotylen,  sondern  ausnahmslos  auch  für  diejenigen  der  übrigen  Gefäss- 
pflanzen.  Wie  die  oberirdischen  Stengelorgane,  den  vorhergehenden  Darstel- 
lungen zufolge,  zum  Theil  als  wahre  Muster  biegungsfester  Constructionen  zu 
betrachten  sind ,  so  die  Wurzeln  im  Ganzen  genommen  als  Modelle  zugfester 
Constructionen.  Beide  haben  in  ihrer  Weise  den  höchsten  Grad  der  Anpassung 
erreicht,  was  sich  offenbar  dadurch  erklärt,  dass  die  Anforderungen  gleicher 
Natur  sind  und  überdiess  schon  an  die  Urtypen  der  jetzt  lebenden  Monocotylen 
gestellt  wurden. 

Von  den  Rhizomen  kann  man  diess  in  gleicher  Allgemeinheit  nicht  sagen. 
Sie  sind  zweifelsohne  verschiedenen  Alters,  auch  morphologisch  schon  desslialb 
nicht  ohne  Weiteres  vergleichbar,  weil  einzelne  ein  besonderes  unterirdisches 
Organsystem  bilden  [Paris  quadrifoUa) ,  indcss  die  übrigen  sich  später  in  direc- 
ter  Fortentwicklung  dem  Lichte  zuwenden,  wobei  das  horizontal  verlaufende 
Fussstück  bald  ziemlich  lang,  bald  aber  auch  sehr  kurz  ausfällt.  Das  sind 
alles  Unterschiede,  welche  eine  gleichmässige  Ani)assung  von  vorn  herein  nicht 
erwarten  lassen.  Dazu  kommt,  dass  manche  Khizome  bloss  zur  Vermehrung 
der  Individuen,  aber  Nichts  zu  deren  Befestigung  beitragen,  folglich  auch  nicht 
zugfest  zu  sein  brauchen;  so  z.  B.  bei  Hemcrocallis  und  Agave,  deren  reiche 
und  frühzeitige  Bewurzelung  keiner  Verstärkung  bedarf.  Andere  Jlhizome  da- 
gegen liegen  so  nahe  an  der  Oberfläche  und  sind  dabei  so  kurz,  dass  sie  an 
den  Biegungen  des  Stengels,  zumal  bei  schwacher  Bewurzelung,  mehr  oder 
weniger  Theil  nehmen  und  dem  entsprechend  gel)aut  sein  müssen.  Die  An- 
passHiigsbedingungen  enthalten  also  eine  ganze  Reihe  variabler  Grössen,  deren 


118 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monoeotylen. 


Werth  in  jedeiii  ge^-ebeneu  Falle  erst  eingesetzt  werden  müsste,  um  den  wahren 
Inhalt  der  mechanischen  Ansprüche  zu  ermitteln.  Aber  trotz  alledem  ist  bei 
sämmtlichen  Khizomen ,  wenige  begründete  Ausnahmen  abgerechnet,  eine  ent- 
schiedene Annäherung  an  den  anatomischen  Bau  der  Wurzel  nicht  zu  verken- 
nen, und  es  gibt  Beispiele,  wo  diese  Annäherung  fast  bis  zur  Uebereinstimmung 
geht.  In  dieser  Hinsicht  sind  namentlich  die  Halmgewächse  —  Gramineen, 
Cyperaceen  und  Juncaceen  —  äusserst  interessant.  Während  im  oberirdischen 
Stengel  die  mechanischen  Elemente,  wie  von  einer  centrifiigalen  Kraft  getrie- 
ben, nach  der  Peripherie  streben  und  häutig  sogar  der  ganze  Aufbau  einen 
dnnnwandig-röhrcnartigen  Character  erhält,  kommt  im  Bhizom  der  entgegen- 
gesetzte Zug  nach  innen  zur  (leltung.  Die  Mestomstränge  und  die  sie  beglei- 
tenden Bastzellcn  sind  hier  zu  einer  viel  engern  und  oft  sehr  dickwandigen 
axilen  Röhre  oder  sogar  zu  einem  compacten  Bündel  zusammengezogen,  dessen 
Durchmesser  oft  nicht  einmal  die  Hälfte  des  Gesanuntdurchmessers  beträgt  (Taf. 
XIII,  1 — <^  ^ — n>  •  Auch  das  eingeschlossene  Markgewebe,  obgleich  hin  und 
wieder  mit  kleiner  centraler  Höhlung  oder  von  Luftgängen  durchzogen,  ist  doch 
im  Allgemeinen  viel  dichter,  als  in  den  Stammorganen,  oft  sogar  ein  vollstän- 
dig geschlossenes  und  ziendich  festes  Parenchym  nut  kleinen  Zwischenzellräumen. 
Ja  es  gibt  Fälle,  wo  von  einem  Mark  eigentlich  nicht  mehr  die  Rede  sein 
kann,  wenn  man  nicht  die  markstrahlenartigen  Parenchymwände  zwischen  den 
centralen  Fibrovasalsträngen  mit  diesem  Namen  belegen  will.  So  z.  B.  im 
Rliizom  einzelner  Carex-Arten.  Für  Höhlungen  bleibt  unter  diesen  Verhältnis- 
sen im  ganzen  mittleren  Theil  nur  wenig  oder  gar  kein  Raum.  Die  grossen 
Luftkanäle,  welche  bei  wasserliebenden  Gewächsen  gewissermaassen  die  Atmo- 
sphäre ersetzen  und  darum  unentbehrlich  sind,  liegen  denn  auch  ganz  aussei-halb 
des  axilen  Stranges ,  in  einer  ringförmigen  Zone  zwischen  diesem  und  der 
Oberfläche,  womit  allerdings  der  Nachtheil  verbunden  ist,  dass  ein  hinlänglich 
fester,  dem  radialen  Druck  widerstehender  Abschluss  nach  aussen  unter  Um- 
ständen besondere  mechanische  Einrichtungen  erheischt.  Man  vergleiche  zur 
vorläufigen  Orientirung  Taf.  XIII,  1 — 3. 

Diese  centripetale  Tendenz  der  Fibrovasalstränge  tritt  auch  bei  Rhizomen 
hervor,  welche  mechanisch  sehr  schwach  gebaut  sind  oder  selbst  gar  keine 
mechanischen  Zellen  besitzen,  so  bei  HemeroralUs  fulm,  Agaiie  amerieuna, 
Sagitlaria  sagitfaefoKa.  Entweder  muss  also  auch  im  Mestoni  die  nämliche 
centrii)etale  Tendenz  obwalten,  oder  die  axile  Stellung  ist  das  morphologische 
Erbtheil  von  Vorfahren,  bei  denen  der  mechanische  Factor  in  höherem  Maasse 
zur  Geltung  kam .  Die  grössere  Wahrscheinlichkeit  spricht  wohl  für  die  erstere 
Annahme,  namentlich  wenn  man  berücksichtigt,  dass  die  leitenden  Zellen  auch 
bei  Stammorganen,  die  keinen  Bast  besitzen  und  wo  die  angedeutete  mecha- 
nische Degeneration  kaum  vorausgesetzt  werden  darf,  sich  dennoch  stets  in  der 
Nähe  der  Axe  zusammengruppiren ;  so  hax  Potamogeton  crispus,  Najas.  Rupjna, 
Hydrilki  etc.,  und  zwar  auch  bei  Arten,  welche  im  AVasser  fluthen  und  daher 
nur  in  verschwindeiul  geringem  Maasse  dem  Zuge  ausgesetzt  sind.    Es  scheint 


.  Das  niechanjsche  Systoii)  in  Orgiinon,  welche  der  Bief?un}?sfestiskeit  nlclit  bedürfen.  )1<) 


nach  alleclein  /n  i^ciiügeu.  dass  die  Ansprüche  auf  Biegunj^sfestigkeit  aiiflitircn, 
um  sotort  ein  Zurnclvweichen  der  leitenden  wie  der  mechanischen  Zellen  /u 
veranlassen.  In  dieser  Beziehung  bieten  besonders  die  fluthenden  Stengel  von 
Junrus  mpinus ,  Scirpus  ßuitans  und  AUsmu  nufam  wichtige  Anhaltspunkte. 
Sie  haben  ganz  den  anatomischen  Oharacter  der  Rhizome :  ein  festes  Mark, 
umgeben  von  einem  Kranz  von  Gefiissbündeln ,  beide  zu  einem  axilen  Strang 
von  verhältnissmässig  geringer  Dicke  vereinigt;  ausserhalb  desselben  grosse 
lul'ttuhrende  Kanäle  oder  ein  lockeres  Filzgewebe,  umschlossen  von  der  Epi- 
dermis und  etwa  noch  einer  Kinglage  von  Parenchymzellen  Taf.  XIII,  Fig.  8). 
Bei  Srirpns  JluHxms  (s.  die  eben  citirte  Fig.)  sind  ausserdem  noch  kleine  sub- 
epidermale  Bastrippen  vorhanden,  die  sonst  der  Biegungsfestigkeit  dienen,  hier 
aber,  wie  weiterhin  gezeigt  werden  soll,  die  Zugfestigkeit  der  Kinde  steigern 
sollen.  Diese  Bastblindel  werden  indess  in  den  Blüthenstielen,  weil  diese  eine 
gewisse  Biegungsfestigkeit  unzweifelhaft  bedürfen,  solort  beträchtlich  stärker, 
und  der  ganze  anatomische  Bau  nimmt  hier  wieder  den  normalen  Isolepis-i^XvA-- 
raeter  an  (s.  den  9.  Tyi)us).  Solche  Vorkommnisse  scheinen  mir  deutlich  zu 
zeigen ,  dass  die  Principien  der  Biegungsfestigkeit  allein  es  sind ,  Avelche  die 
fragliche  centrifugale  Tendenz  nothwendig  mit  sich  bringen;  alle  andern  Mo- 
mente wirken  in  der  Kegel  centripetal  und  nur  ausnahmsweise  und  unter  be- 
sondern Umständen  (z.  B.  bei  dem  sogleich  zu  besprechenden  Zuge  durch 
fliessendes  Wasser  im  entgegengesetzten  Sinn. 

Zwischen  den  biegungsfesten  oberirdischen  Stengeln  und  den  unterirdischen 
Organen,  welche  diese  Art  von  Festigkeit  entbehren  können,  besteht  demnach 
ein  so  radicaler  Gegensatz ,  dass  Rhizome  und  Wurzeln ,  bloss  weil  sie  unter 
verwandten  mechanischen  Verhältnissen  leben,  sich  anatomisch  näher  stehen, 
als  Khizome  und  oberirdische  Stammorgane.  Dieser  Gegensatz  steht  aber  kei- 
neswegs unvermittelt  da.  Es  gibt  liegende  Stämme,  Ausläufer  und  ausläufer- 
artige Khizome,  in  denen  der  Kampf  der  entgegengesetzten  Principien  noch 
nicht  zum  Austrag  gekommen  ist  und  welche  in  Folge  dessen  die  mannigfach- 
sten Uebergänge  zwischen  den  beiden  Extremen  aufweisen.  Der  aufstrebende 
Wurzelstock  von  Holms  mollis  verhält  sich  anatomisch  noch  ganz  wie  ein 
Stamm ;  die  Ausläufer  von  Agrostis  stolonifera  und  Poa  pratensis  dagegen 
haben  bereits  die  subepidermalen  Rippen  eingezogen,  die  Mächtigkeit  der  Kin- 
denschieht  etwas  verstärkt  und  die  Markh()hlung  verkleinert,  zum  Theil  sogar 
geopfert.  Viel  weiter  gehen  auch  einzelne  Rhizome  nicht;  doch  findet  man 
hier  bei  der  nämlichen  Pflanze,  z.  B.  bei  Tritinim  repens,  verschiedene  Ab- 
stufungen soAvohl  mit  Bezug  auf  Rindendicke  als  auf  Gnisse  der  Markhöhlung. 
Es  gibt  Queggenrhizome ,  deren  Durchmesser  stark  doppelt  so  gross  ist,  als 
derjenige  des  Fibrovasalcylinders,  und  wieder  andere,  wo  sich  das  Verhältniss 
ungefähr  wie  10  zu  7  gestaltet.  Dass  diese  Dimensionen  auch  sonst  sehr  er- 
hebliche Schwankungen  zeigen  und  theilweise  durch  die  Luftkanäle  bedingt 
sind,  geht  aus  den  Abbildungen  der  Taf.  XIII  zur  Genüge  hervor. 

Was  die  Anordnung  der  Gef ässbündel .   die  Form  der  Bastbelcge.  die  Be- 


120 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


scliaffenheit  des  Mark-  und  Rindeiigewebes  etc.  betrifft,  so  ist  trotz  der  grossen 
Mannigfoltigkeit  des  Baues  wenig  7a\  erwähnen,  was  für  unsere  Betrachtung 
von  Belang  wäre.  Die  Einrichtungen,  welche  sich  auf  die  Festigkeit  der  pe- 
ripherischen Rindenschicht  gegen  radiale  Druckkräfte  beziehen,  sollen  weiterhin 
besonders  besprochen  werden :  für  alles  Uebrige  beschränke  ich  mich  auf  die 
Hervorhebung  einiger  Unterschiede.  Wir  können  hierbei  folgende  Fälle  unter- 
scheiden : 

a)  Gefässbündel  in  einfacher  oder  mehrfacher  Ringlage,  zusammen  einen 
Kreisring  von  grösserer  oder  geringerer  Dicke  bildend;  jedes  einzelne  Bündel 
durch  eine  geschlossene  Bastscheide  geschützt,  die  periiiherischen  Scheiden 
nicht  selten  zum  Ring  verschmolzen.  So  Ijei  verschiedenen  Gräsern  [Triticvm 
repem,  Arrhenaterum  elatnis  (Taf.  XIII,  6),  Calamagrostis  stricta  etc.)  und 
Carex-krttw  [C.  incurva  Taf.  XIII.  2  u.  a.),  ferner  bei  Scheuchzeria  palustris 
und  im  zugfesten  Basaltheil  der  Internodicn  ])ei  Gramineen  (Taf.  X,  2) . 

b)  Wie  im  vorhergehenden  Fall ,  aber  die  Gefässbündel  zahlreicher  und 
weiter  ins  Mark  vorspringend ,  zuweilen  sogar  über  den  ganzen  Querschnitt 
desselben  zerstreut.  Mit  der  vorhergehenden  Gruppe  durch  alle  möglichen 
Uebergänge  verbunden.  Hieher  die  Rhizome  von  Carex  glauca  (Taf.  XIII,  1), 
distir/ta,  stricta  etc.,  desgleichen  von  Fhalaris  arundinacea  und  Cynodon  Dac- 
tylon. 

c)  Mit  continuirlichem  Bastring;  die  Gefässbündel  von  innen  an  denselben 
angelehnt,  ohne  Bastscheiden,  aber  das  Cambiform  von  den  Gefässen  umschlos- 
sen und  geschützt  (was  übrigens  auch  bei  der  vorhergehenden  Gruppe  vor- 
kommt). So  bei  Crocosmia  aurea  (Taf.  XIII,  9)  und  Paris  quadrifolia.  —  Das 
Rhizom  dieser  letztern  Pflanze  wächst  bekanntlich  nie  nach  oben,  sondern  er- 
zeugt die  oberirdischen  Triebe  aus  Seitenknospen.  Also  ein  mehr  wurzelähn- 
liches Verhalten.  Daher  denn  auch  die  grosse  Contraction  des  Gefässbündel- 
kreises,  der  hier  nur  ungefähr  des  ganzen  Durchmessers  einnimmt,  sowie 
der  ausgeprägt  eigenartige  Bau  der  Mestomstränge.  Der  Bastring  besteht  aus 
einer  einfachen  Zellreihe,  während  er  bei  Crocosmia  stark  entwickelt  ist. 

d)  Mit  schwachem  Bastring,  die  Bastzellen  dünnwandig;  Gefässbündel  bast- 
los, im  Mai'ke  zerstreut.    So  bei  Asphodelus  luteus. 

e)  Gefässl)ündel  im  mittleren  Theil  des  Rhizoms  zerstreut,  alle  mit  starken 
Bastbelegen  auf  der  dem  Centrum  zugewandten  Seite,  zum  Theil  auch  mit 
kleinen  Belegen  auf  der  Aussenseite.  So  bei  Trif.oma  Burchelli  (Taf.  XIII,  7), 
Tijpha  angustifolia  und  Scirpiis  Tuhcrnaemontam  (Taf.  XIII,  11),  sowie  in  den 
Blattstielen  der  Marantaceen ,  worüber  bereits  oben  das  Nähere  mitgetheilt 
wurde. 

Hiezu  bemerke  ich  noch,  dass  die  bei  den  Rhizomen  häufig  vorkommende 
Schutzscheide,  welche  den  ganzen  Fibrovasalcylinder  umschliesst,  namentlich 
bei  den  Carex-kvi^vi,  dann  bei  Triticum  rcpens  u.  a.  sehr  schön  entwickelt  ist 
und  meist  aus  zierlich  verdickten  Zellen  besteht.  Aehnliche  Scheiden  besitzen 
liin  und  wieder  auch  die  einzelnen  in  der  Rinde  verlaufenden  Blattspurbündel. 


\.  Das  mechanische  .System  in  Organen,  welche  der  Riegungsfestigkeit  nicht  bedürfen.  121 

Die  Verdickungsfornicn  der  Scheidenzellen  sind  im  Rhizom  dieselben,  wie  in 
der  Wnr/el. 

Besondere  Beachtung  verdienen  nachträglich  noch  diejenigen  Gewächse, 
deren  Zugfestigkeit  durch  fliessendes  Wasser  oder  ii])erhaupt  durch  Wasserbe- 
wegung auf  die  Probe  gestellt  wird.  Dahin  gehih-en  z.  B.  verschiedene  Po- 
taniogetou-Arten  [P.  ßtiitans,  longifoJius.  lanceolatus,  praelongus  u.  a.l,  und  da 
zwischen  diesen  und  den  in  stehendem  Wasser  vegetirenden  alle  Abstufungen 
des  Baues  und  der  Standortsverhältnisse  vorkommen,  so  bietet  sich  hier  eine 
besonders  günstige  Gelegenheit,  die  Beziehungen  zwischen  den  gegebenen  me- 
chanischen Lebensbedingungen  und  dem  anatomischen  Bau  der  Organe  zu 
untersuchen.  Diejenigen  Arten,  welche  nur  in  stehenden  und  langsam  fliessen- 
den Gewässern  leben,  wie  z.  B.  P.  crispus .  densiis  und  pectinatus^  besitzen 
weder  in  der  Rinde,  noch  im  axileu  Fibrovasalcylinder  besondere  mechanische 
Zellen.  Sie  verhalten  sich  demnach,  wie  die  von  Caspary  beschriebenen 
Hydrilleen^)  oder  wie  die  Stämme  von  Najas  und  Caulinia,  deren  genauere 
Kenntniss  wir  den  Untersuchungen  von  P.  Magnus 2)  zu  verdanken  haben; 
sie  stimmen  überhaupt  mit  all'  den  Gewächsen  überein ,  welche  im  ruhigen 
Wasser  vegetiren.  Andere  Potamogeton-Arten ,  darunter  P.  ntfescens  ^  zeigen 
in  einzelnen  Formen  kleine  Gruppen  von  Bastzellen  im  axilen  Fibrovasalstrang, 
dazu  collenchymatisclie  Verdickungen  im  übrigen  Gewebe.  Am  stärksten  ge- 
baut waren  die  Exemplare  aus  der  Ober-Lausitz  (um  Rietschen)  und  aus  der 
Gegend  von  Kaiserslautern.  Diese  hatten  bereits  zusammenhängende  Belege 
von  4  bis  7  bogenf()rmig  gestellten  Bastzellen ,  zumal  in  der  Umgebung  der 
axilen  Luftkanäle;  das  Maschenwerk  der  Rinde  war  aber  noch  durchgehends 
ohne  Bast.  Aehnlich  verhalten  sich  auch  Potamogeton  perfoliatus  und  Horne- 
7namn  \  nur  sind  die  Bastbelege  der  axilen  Gefässbündel  hier  beträchtlich  stär- 
ker. Gehen  wir  jetzt  zu  den  Formen  über,  welche  auch  stärker  fliessendes 
Wasser  vertragen^  können  oder  geradezu  auf  dasselbe  angewiesen  sind,  wie 
etwa  P.  lanceolatus  Sm,.,  longifolius  Gay,  compressus  u.  dgl.  ,  so  finden  wir 
hier  nicht  bloss  den  Centraistrang  entsprechend  verstärkt,  sondern  auch  die 
maschige  Rinde  mit  einer  grössern  oder  kleinern  Zahl  von  Bastbündeln  ausge- 
stattet. Diese  letzteren  sind  bald  nur  subepidermal  [P.  compressus^  ohiusifolius, 
acutifolius).  bald  aber  auch  in  viel  grfKsserer  Anzahl  auf  die  zahlreichen  Kno- 
tenpunkte des  parenchymatischen  Maschenwerkes  vcrthcilt  [P.  lanceolatus  Sm., 
P.  longifolius) :  manche  derselben  sind  übrigens  nicht  blosse  Bastl)Undel ,  son- 
dern enthalten  auch  einige  Cambiformzellen  oder  sogar  kleine  Gefässe. 

Was  soll  nun  dieses  i)erii)herische  System  von  Strängen,  das  wir  allmälig 
mit  der  steigenden  Inanspruchnahme  auf  Zug  sich  entwickeln  sehen,  dem  be- 
treffenden Organ  nützen ,   und  wie  erklärt^  sich  eine  solche  Zerstreuung  der 


1)  Caspary,  die  Hydrilleen,  Pringsh.  Jahrb.  T,  S.  377. 

'-}  P.  Magnus,  Beiträge  /.ur  Kenntniss  der  Gattung  Najas,  Berlin  1870. 


122 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


iiieclianischen  Elemente  ül)er  den  ganzen  Querschnitt  im  Gegensatz  zn  der  sonst 
so  entschieden  hervortretenden  centripetalen  Tendenz  derselben?  Die  Antwort 
liegt  in  folgenden  Erwägungen.  Da  die  Rindenschicht  von  zahlreichen,  meist 
nur  durch  eine  einschichtige  Wand  getrennten  Luftkanälen  durchzogen  wird, 
so  ist  sie  begreiflicher  Weise  mechanisch  sehr  schwach,  dabei  aber  doch  ziem- 
lich voluminös.  Sie  würde  desshalb  Gefiihr  laufen,  durch  den  Zug  des  fliessen- 
den Wassers,  der  zunächst  auf  die  Oberfläche  wirkt,  zerrissen  und  abgestreift 
zu  werden,  wenn  sie  nicht  selbst  mechnnische  Elemente  enthielte  und  in  Folge 
dessen  eine  gewisse  Widerstandsfähigkeit  besässe.  Diess  gilt  nicht  bloss  für 
die  Stiimminternodien.  sondern  auch  für  die  Blätter,  die  darum  auch  ganz  über- 
einstimmend gebaut  sind.  Ein  Querschnitt  durch  das  Blatt  von  P.  rompressus 
zeigt  z.  B.  in  der  Mitte  einen  axilen  Strang  mit  schwachen  Bastbelegen,  in 
der  Umgebung  der  Luftlücken  aber  noch  sieben  subei)idermale  Bastrippen.  Dazu 
komnjen  dann  noch  die  Kippen  (Nerven)  der  Rand))artieen ,  deren  Zaiil  bekannt- 
lich bei  den  verschiedenen  Arten  der  grasblätterigen  Laichkräuter  variirt ,  die 
aber  ebenftills  nur  aus  Bastzellen  bestehen. 

Zu  dem  Zug,  den  das  einzelne  Organ  für  sich  allein  auszuhalten  hat. 
kommt  dann  bei  allen  Stannniuternodien  noch  die  Sunune  aller  Zugkräfte, 
welche  auf  die  mehr  schcitelwärts  gelegenen  Theile  einwirken ;  denn  alle  diese 
Theile  stehen  direct  oder  indirect  mit  den  unteren  Stengelgliedern  im  Zusam- 
menhang. Diese  Zugkräfte  wirken  indess  einfach  wie  ein  angehängtes  Gewicht 
und  würden  für  sich  allein  bloss  eine  Verstärkung  des  axilen  Cylinders  ver- 
langen. Da  nun  aber  das  System  der  peripherischen  Bündel  einmal  da  ist,  so 
erheischen  auch  diese ,  sofern  sie  nicht  von  Zeit  zu  Zeit  durch  hinlänglich 
starke  Anastomosen  mit  dem  Centraistrang  verbunden  sind,  eine  entsprechende 
Verstärkung. 

Wie  sehr  die  Ausbildung  dieser  peripherischen  Bastbündel  von  den  mecha- 
nischen Anforderungen  des  Mediums  abhängig  ist,  beweist  unter  Anderem  auch 
die  Thatsache,  dass  Varietäten  derselben  Art  in  diesem  Punkte  differiren  kihi- 
nen,  wenn  sie  unter  verschiedenen  Bedingungen  leben.  So  hat  z.  B.  P.  fui- 
tans  ein  ziemlich  entwickeltes  S3^stem  von  llindenbündeln,  während  die  Varietät 
ß  stagnatiUs  Koch,  welche  in  stehendem  Wasser  wächst,  derselben  vollständig 
entbehrt.  Ich  bemerke  noch,  dass  die  untersuchte  Pflanze  ein  F.  Schultz - 
sches  Originalexemplar  von  P.  Billotii  war. 

An  die  Potamoffefon-Arteu  mit  subepidermalen  Bastrippen  schliessen  sich 
nun  auch  die  oben  erwähnten  fluthenden  Stengel  von  Scirpus  fuitans  an. 
welche  nach  einem  ganz  aualogen  Typus  gebaut  sind:  nur  ist  die  Zahl  der 
subepidermalen  Kippen  hier  so  gross  (ca.  16  bis  20),  dass  sich  mir  unwillkür- 
lich die  Frage  aufdrängt,  ob  sie  vielleicht  auch  zur  Erhöhung  der  Festigkeit 
gegen  radialen  Druck  beitragen  sollen.  Wahrscheinlich  ist  das  gerade  nicht, 
da  die  Natur  zu  diesem  Zweck,  wie  ich  später  darlegen  werde,  sonst  inniier 
die  liolilcylindrische  Köhre  verwendet.    Allein  da  andrerseits  der  Standort,  so- 


4.  Das  moclianische  System  in  Organen,  welche  der  Biegungsl'estigkeit  nicht  bodürien.  123 

weit  die  Angaben  der  Floren  hierüber  Aufschhiss  gebend),  starke  Wasserbewe- 
gungen  Wellenschlag  oder  Strömungen)  ansschliesst  und  die  fragliche  Pflanze 
in  der  Familie  der  Ovperaceen  vereinzelt  dasteht,  so  wollte  ich  die  angedentete 
Frage  doch  nicht  ganz  nnterdrücken.  Uebrigens  bemerke  ich  noch,  dass  auch 
der  Bau  der  Blätter  eher  eine  Anjjassung  an  strömendes  Wasser  verräth.  — 
Die  beiden  andern,  früher  mit  S'r.  fluiians  genannten  Ansnahnien,  nändich  die 
flnthenden  Stengel  von  Juncus  supmns  und  AlüMa  natans.  welche  beide  nur  in 
stehendem  Wasser  vorkonunen,  besitzen  keine  snbepidermalcn  Jlipjjen,  obschon 
die  Rinde  ebenfalls  sehr  locker  und  mechanisch  ungefähr  gleich  schwach  ist. 
Dieselben  schliessen  sich  also  ungezwungen  den  Speries  et  imrietafes  staynutiJes 
der  übrigen  Gattungen  an. 

Wie  Potamogefon.  so  verhält  sich  gewissermaassen  auch  Najas.  Unsere 
einheimischen  Arten,  welche  stets  nur  in  ruhigem  Wasser  vorkonunen,  ent- 
wickeln keine  mechanischen  Zellen.  Bei  gewissen  indischen  und  amerikani- 
sclien  Formen .  die  ich  übrigens  nur  ans  der  trefflichen  Darstellung  von 
Magnus-)  kenne,  scheint  dagegen  ein  etwas  stärkerer  Bau  nothwendig  zu 
sein:  denn  num  findet  sowohl  bei  N.  graminea  Del.  und  N.  tenuifoUa  Ii.  Br., 
als  auch  bei  der  amerikanischen  N.  microdon  A.  Br.  die  Blattränder  durch 
mechanische  Zellen  verstärkt,  welche  Magnus  mit  Recht  als  Bastzellen  be- 
zeichnet. Bei  den  erstgenannten  Arten  figuriren  einzelne  dieser  Zellen  auch 
auf  der  Ober-  und  Unterseite  der  Mittelrippe,  also  in  ähnlicher  Stellung,  wie 
bei  Potamogefon  rompressns  und  seinen  Verwandten.  Obschon  mir  nun  die 
Standortsverhältnisse  der  genannten  Gewächse  gänzlich  unbekannt  sind ,  so 
glaube  ich  doch  nicht  zu  irren,  wenn  ich  die  erwähnten  Bastnerven  als  Ein- 
richtungen gegen  den  Wellenschlag  oder  gegen  den  Zug  des  fliessenden  Was- 
sers deute. 

Das  Auftreten  von  Bastbündeln  in  der  maschigen  Rinde  von  Pofamogeton^ 
zusammengehalten  mit  den  Ursachen ,  welche  dasselbe  augenscheinlich  bewir- 
ken, legt  die  Vermuthung  nahe,  es  möchte  auch  mit  den  markständigen  Bast- 
bündeln in  den  stielrunden  Blättern  von  Junms  arntus.  soAvie  im  Stanune  von 
Snrp7(s  Diwalii  (wo  sie  übrigens  nicht  constant  vorkonnnen)  eine  analoge  Be- 
wandtniss  haben.  Ja,  es  wäre  sogar  mfJglich,  dass  auch  die  Bastbündel  im 
Marke  der  Marantastämme  einem  öfter  einwirkenden  Zuge  ihre  Entstehung  zu 
verdanken  hätten.  Die  Vegetationsverhältnisse  der  genannten  Gewächse  sind 
mir  indessen  nicht  genau  genug  bekannt,  um  diese  Vermuthungen  näher  prü- 
fen oder  motiviren  zu  können.  Dagegen  ist  es  mir  allerdings  mehr  als  wahr- 
scheinlich, dass  die  zahlreichen  Bastbündel  in  der  Rinde  der  PalmenAvurzeln 
(und  vielleicht  auch  der  Palmenstänime)  mit  dem  hier  wirksamen  starken  Zuge 
in  causalem  Zusammenhange  stehen. 

Eine  weitere  Thatsache,  von  der  ich  vermuthe,  dass  sie  auf  die  mecha- 


1;  Die  Angaben  lauten  z.  B. :  In  lmiii<lutis  Westi)haliue,  an  der  Themse  etc. 
2>  P.  Magnus.  1.  c.  Taf.  VI.  Fig.  1-5;  vgl.  auch  Taf.  VIII. 


124 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotj'len. 


nischen  Bedingungen  in  zAigfesten  Organen  znrückzufiihren  sei,  ist  die  Lage 
des  Bastes  in  llhizoraen  und  Wurzeln  mit  einseitigen  Bastbelegen.  Ich  habe 
hier  zunächst  die  horizontalen  Ausläufer  von  Typha  angustifolia  und  Scirpus 
Tabernuemontani  im  Auge,  deren  Fibrovasalstränge  vorwiegend  oder  ausschliess- 
lich auf  der  Innenseite  mit  Bastsicheln  versehen  sind.  Die  Cambiformbelege 
von  Typha  sind  nicht  stärker  als  in  vielen  andern  Fällen,  wo  sie  ausser  dem 
Schutze  der  leitenden  Zellen  keinen  andern  Zweck  haben  können.  Es  darf 
unter  diesen  Umständen  angenommen  werden,  dass  sämmtliche  Bastzellen, 
welche  einzig  und  allein  die  Zugfestigkeit  des  Organs  bezwecken,  auf  der 
Innenseite  liegen.  Das  nämliche  Stellungsverhältniss  findet  sich  in  sehr  aus- 
geprägter Weise  auch  in  den  Khizomen  von  Triioma  Burrhelli  und  in  gewissem 
Sinne  auch  in  den  Wurzeln  der  Monocotylen:  denn  die  Cambiformstränge  und 
die  primordialen  Gefässe  liegen  bekanntlich  an  der  Peripherie  des  Fibrovasal- 
cylinders,  die  Bastzelleu  weiter  nach  innen.  Wie  ist  nun  diese  Thatsache  zu 
erklären  ?   Ich  denke  mir  die  Sache  folgendermaassen. 

Zwischen  Mestom  und  Bast  besteht,  wie  ich  weiterhin  ausführlicher  dar- 
legen werde,  eine  gewisse  Abhängigkeit  in  dem  Sinne,  dass  die  Mestomstränge 
sich  gerne  an  die  vorhandenen  Bastbündel  anlehnen ,  weil  diese  ihnen  Schutz 
gegen  Druck  und  andere  störende  Einflüsse  gewähren.  Wir  sehen  desshalb 
den  Bast  so  häufig  in  Verbindung  mit  Mestom  auftreten :  das  letztere  folgt 
jenem  in  biegungsfesten  Organen  bis  in  die  Nähe  der  Oberfläche,  was  voraus- 
sichtlich der  eigenen  Neigung  des  Mestoms  wenig  entspricht  und  daher  auch 
bei  Gefässcryptogamen,  deren  mechanisches  System  isolirt  auftritt,  thatsächlich 
nicht  geschieht.  Der  Bast  zieht  also  vermöge  seines  centrifugalen  Strebens 
das  Mestom  hinter  sich  her,  wie  der  Komet  seinen  Schweif.  Dabei  kann  es 
vorkommen,  dass  das  Mestom  Widerstand  leistet  und  so  zu  sagen  auf  halbem 
Wege  zurückbleibt.  Es  behält  dann  nicht  selten  einen  Theil  des  Bastes  für 
sich,  indess  der  übrige  seinem  Zuge  nach  der  Oberfläche  freien  Lauf  lässt;  so 
z.  B.  bei  Phormium  tenax  und  hie  und  da  auch  bei  den  kleineren  subepider- 
malen  Rippen  der  Gramineen.  —  In  den  zugfesten  unterirdischen  Organen  ver- 
hält sich  die  Sache  umgekehrt.  Die  mechanischen  Zellen  streben  nach  innen, 
die  Mestomstränge  wahrscheinlich  auch,  aber  in  den  oben  genannten  Fällen 
nicht  in  demselben  Grade;  jene  gehen  also  wiederum  voran  und  ziehen  diese 
hinter  sich  her. 

Werfen  wir  jetzt  noch  einen  Blick  auf  die  schlingenden  Organe,  so 
ist  hier  das  Bedürfniss  der  Biegungsfestigkeit  während  der  Zeit  des  Suchens 
nach  einer  Stütze  für  die  Anordnung  der  Theile  maassgebend.  Wir  treffen 
daher  sowohl  bei  Tamus  und  Dioscorea  als  auch  bei  den  kletternden  Smila- 
ceen  einen  normalen  Bastring,  der  bei  jenen  sogar  durch  starke  Collenchyra- 
platten  verstärkt  und  in  jüngeren  Stadien  ersetzt  wird.  Eine  Markhöhlung 
kommt  indessen  nie  zu  Stande;  die  Markzellen  sind  im  Gegentheil,  wenigstens 
in  den  älteren  zugfesten  Internodien ,  fast  immer  etwas  verdickt,  so  dass  die 
verholzten  Mestomelemente  oft  nur  wenig  dagegen  abstechen.    Dasselbe  "ilt 


4.  Das  inochanisc'ho  ISybtom  in  Orf-ancii,  wcU-lu'  der  Hie^ninf;sfostigkcit  nicht  biHlürfen.    ]  25 

mutafis  mutandü  auch  vom  Gewebe  der  Kletterpalmen').  Es  ist  überliaiipt  eine 
allj;enieine  Regel-,  dass  sowohl  das  Mark,  als  die  markständigen  Bündel,  so- 
fern solche  vorkonnnen,  durchgehends  etwas  fester  gebaut  sind,  als  bei  nicht 
kletternden  Gewächsen;  überdiess  ist  der  ganze  Stamm  bekanntlich  viel  schlanker 
angelegt  und  dafür  behufs  hinlänglicher  Ventilation  mit  aussergcwöhnlich  gros- 
sen Gefässen  ausgestattet.  —  Wie  die  Schlinggewächse  verhalten  sich  im  We- 
sentliclien  auch  die  Ranken  von  Smilax  und  Gloriosa  mjwrba,  und  ich  füge 
hinzu:  auch  diejenigen  der  Dicotylen.  Nur  kommt  es  hier  vor,  dass  das  Col- 
Icnchym  für  sich  allein  den  Anforderungen  der  Biegungsfestigkeit  im  Jugend- 
zustaude  nahezu  genügt,  so  dass  die  Bastzellen  etwas  weiter  nach  innen  rücken, 
d.  h.  mit  etwelcher  Rücksicht  auf  die  später  herzustellende  Zugfestigkeit  an- 
gelegt werden  (Taf.  XIII,  10  Querschnitt  durch  eine  Ranke-  von  Smilax 
aspcra] . 

Stengelorgane,  welche  von  Anfang  an  nur  dem  Zuge  zu  widerstehen  haben, 
sind  unter  den  Landpflanzen  otTenbar  äusserst  selten;  ich  wüsste  kein  Beispiel 
zu  nennen.  Die  grösste  Annäherung  an  diese  Bedingung  dürfte  etwa  bei  den 
hängenden  Blüthenschäften  epiphytischer  Orchideen  und  bei  den  Inflorescenzen 
einiger  Palmen  zu  finden  sein.  Von  diesen  Objecten  kenne  ich  indess  nur  den 
Blüthenschaft  von  Stanhojiea  insignis.  Hier  fehlt  der  Bastring  und  die  Fibro- 
vasalstränge  sind  über  den  ganzen  Querschnitt  zerstreut,  die  Innern  aber  ent- 
schieden grösser  und  mit  stärkern  Bastbekleidungen  ausgestattet.  Die  centri- 
petale  Tendenz  ist  also  unverkennbar. 

Schliesslich  erwähne  ich  noch  die  Blattscheiden  der  Palmen,  welche  be- 
kanntlich später,  sobald  die  nächstoberen  ] Blätter  'entfaltet  sind,  einen  sehr 
starken  Zug  auszuhalten  haben.  Auch  hier  liegen  die  Bündel,  welche  der 
Scheide  die  nöthige  Widerstandsfähigkeit  verleihen,  in  der  Mitte  des  Gewebes, 
nicht  an  der  Oberfläche:  überdiess  stimmt  selbstverständlich  die  Richtung  der 
Fasern  mit  derjenigen  der  Zugkräfte  überein.  Die  letzteren  bilden  im  Allge- 
meinen zwei  Systeme,  von  denen  das  eine  den  Wirkungen  der  Schwerkraft  und 
der  entspreclienden  Belastungen  der  Blattspreite  durch  den  Wind ,  das  andere 
dem  Seitendruck  des  Windes  entspricht.  Durch  die  Kreuzung  der  beiden,  den 
Zugkräften  entsprechenden  Fasersysteme  entsteht  das  bekannte  Netzwerk  der 
Blattscheiden. 

2.  Festigkeit  gegen  radialen  Druck. 

Unterirdische  oder  in  Wasser  vegetirendc  Organe,  deren  Rindenparenchym 

von  Luftkanälen  durchzogen  oder  doch  mehr  oder  weniger  gelockert  ist,  be- 

Eine  mehr  oder  minder  ausgesprochene  Contraction  der  festen  Theile  bcobaclitet  man 
auch  bei  den  kletternden  Aroideen,  von  denen  ich  allerdings  bloss  Phüodßndron  Imbc  und 
Ph.  pertmuiii  selbst  untersucht  habe.  Die  erstgenannte  Art  zeigt  einen  peripherischen  Cylin- 
der  von  Hornparenchyni ,  welcher  nur  um  2  bis  3  Zcllschichten  von  der  Epidermis  absteht. 
Das  Periderm  entsteht  innerhalb  dieses  Cylinders.  —  Bezüglich  der  Contraction  des  Fibro- 
vasalcylinders  in  kriechenden  Aroideenstämnien  verweise  ich  auf  die  Abhandlung  van 
Tieghenrs  »Kecherches  sur  la  structure  des  Aroidees«  in  Ann,  sciences  nat.  5.  serie,  (> 
(I8Ü6),  Taf.  V,,  P'ig.  1  (Monstora  Adansonii). 


12(1 


II.  Spezielle  Betrachtung--  der  Monocotylen. 


dürfen  einer  festen  Abgrenzung-  nach  aussen,  welche  dem  radialen  Druck  des 
umgebenden  Mediums  auf  ^die  Oberfläche  den  erforderlichen  Widerstand  ent- 
gegen setzt.  Wären  die  Organe  biegungsfest  oder  nach  Art  der  Säulen  gebaut, 
so  wurden  besondere  Vorkehrungen  in  der  Regel  entbehrlich  sein ;  allein  da  sie 
in  erster  Linie  auf  Zugfestigkeit  angei)asst  sind ,  so  verlangt  die  Herstellung 
eines  festen  peripherischen  Mantels  ihren  besondern  Materialaufwand,  und  es 
kann  leiclit  vorkommen,  dass  die  Ei)idermis  nebst  Parenchym  für  diesen  Zweck 
nicht  mehr  genügt,  so  dass  die  Tflanze  sich  mit  spezifisch-mechanischen  Zellen 
behclfcn  muss.  Bei  welchem  Drucke  oder  unter  welchen  Umständen  diese 
Notliwendigkeit  eintritt ,  lässt  sich  a  priori  nicht  bestimmen ,  da  die  einschlä- 
gigen Formeln  die  Festigkeit  der  Feuerröhren  in  Dampfkesseln  etc.  betreti'end) 
aus  verschiedenen  Gründen  nicht  anwendbar  sind.  Es  bleibt  also  nur  übrig, 
das  herrschende  Gesetz  aus  den  anatomischen  Vorkommnissen  zu  erschliessen. 
Die  Beobachtung  zeigt  nun,  dass  zugfeste  Organe,  welche  in  stehendem  oder 
langsam  fliessendeni  Wasser  vegetiren ,  wie  die  Stengel  von  Jimcus  supinun. 
Alisma  natuns .  Scirpus  ßuitans ,  sowie  ferner  diejenigen  von  Najas,  Caulinia, 
Sacjittaria  etc.  keinen  andern  Abschluss  nach  aussen  besitzen,  als  eine  schwach 
verdickte  Ei)iderniis ,  an  welche  sich  eine  oder  mehrere  Lagen  dünnwandiger 
Parenchymzellen  anschliessen.  Und  doch  ist  dieser  dünne  Parenchymmantel 
zuweilen  bloss  durch  einschichtige  radiale  Wände  mit  dem  axilen  Fibrovasal- 
strang  in  Verbindung,  d.  h.  er  verhält  sich  wie  eine  Röhre  mit  schwachen 
Radialversteifuugen.  Ein  solcher  Bau  kann  natürlich  nur  bei  annähernd  gleich- 
mässigem  Wasserdrucke,  der  überdiess  vom  Luftdruck  in  den  Gängen  nicht 
merklich  al) weichen  darf,  haltbar  sein.  —  Es  gibt  zweitens  unterirdische  Or- 
gane, welche  zwar  theilweise  unter  einem  beträchtlichen  Erddruck  stehen,  da- 
für aber  keine  so  grossen  Luftkanäle  bedürfen,  ja  zum  Theil  sogar  eine  con- 
tinuirliche  Rinde  besitzen,  und  in  Folge  dieser  Begünstigung  ebenfalls  keinerlei 
Verstärkung  der  peripherischen  Zellen  nöthig  haben.  Dahin  gehören  z.  B.  die 
Rhizome  von  Agaoc ,  Hemer ocallis  und  Asphodelus ,  die  überhaupt  —  da  sie 
bloss  der  Vermehrung  dienen  —  sehr  schwach  construirt  sind ;  dann  aber  auch 
die  in  viel  höherem  Grade  zugfesten  Rhizome  von  Milium  effumm ,  Calama- 
grostis  stricta,  Tritoma  Burclielli.  Carex  alba  und  Carex  pilosa.  überdiess  viele 
Wurzeln,  deren  spezielle  Aufzählung  ich  übergehe.  Die  Rinde  ist  bei  diesen 
sämmtlichen  Gewächsen  durchweg  parenchymatisch,  zuweilen  überdiess  dünn- 
wandig bis  zur  Oberfläche,  andere  Male  zunächst  der  Epidermis  um  ein  We- 
niges stärker.  Ein  solcher  Bau  setzt  offenbar  einen  lockern,  luftführenden 
Boden  voraus.  —  Eine  dritte  Categorie  von  unterirdischen  Organen  vegetirt  in 
lehmigem  oder  wasserdurchtränktem  Boden  und  bedarf  in  Folge  dessen  wieder 
grössere,  zum  Theil  sogar  sehr  grosse  Luftkanäle,  welche  natürlich  die  Festig- 
keit der  Rinde  beeinträchtigen.  Hier  stellt  sich  nun  die  Noth wendigkeit  ein. 
den  perii)herischen  Theil  der  Rinde  durch  dickwandiges  Parenchym  oder  auch 
durch  typische  BastzcUen  in  zweckmässiger  Stellung  zu  verstärken:  das  Letz- 
tere ist  der  gewöhnliche  Fall.    Ueberdiess  hat  die  Pflanze  der  Anforderung  zu 


4.  Das  mochiinischc  System  in  Organon,  welche  iler  lüegungsfestigkoit  nicht  bedürfen.  127 


genügen,  das  Eindringen  des  Wassers  durch  Herstellung  einer  genügenden 
Schieht  verkorkter  Membranen  /ai  verhüten.  Die  mechanische  Verstärkung  ge- 
schieht in  den  mir  bekannten  Fällen  fast  ausnahmslos  durch  einen  hohlcylin- 
drisehen  Bastmautel,  welcher  sich  entweder  unmittelbar  an  die  Epider- 
mis oder  aber  an  eine  peripherische  Lage  verkorkter  Kindenzellen  anschliesst; 
nur  die  Uebergangsformen  begnügen  sich  mit  dickwandigem  Parenchym.  Die 
Abhaltung  des  Wassers  dagegen  wird  in  verschiedener  Weise  :  bald  nur  durch 
die  Epidermis  in  Verbindung  mit  der  verkorkten  Zwischenzellsubstanz  des  Bast- 
cylinders,  bald  ausserdem  noch  durch  die  vorhin  genannten  verkorkten  Kinden- 
zellen bewirkt.  Auf  Querschnitten  erscheint  also  der  Bastring  entweder  sub- 
epidermal  oder  aber  durch  korkartige  Zellen  etwas  weiter  nach  innen  gedrängt. 
Das  erstere  ist  beispielsweise  der  Fall  in  den  unterirdischen  Ausläufern  von 
Carex  stricta  (Taf.  XIII ,  1 ) ,  raespiforn .  culgaris  und  limosa  (Taf.  XIII ,  3) , 
ferner  im  Khizom  und  im  untern  Theil  des  aufrechten  Stammes  von  Scheuch- 
zcria  jyalustris ,  endlich  in  den  Rhizomen  verschiedener  Gramineen.  Durch 
verkorkte  Rindenzellen  nach  innen  gedrängt  ist  dagegen  der  Bastring  in  den 
Khizomen  von  Carex  Schreheri,  Ohiniilleriunu ,  brizoides .  stenophylla,  incurva 
(Taf.  XIII,  2   und  dkticha. 

Die  Ringlage .  in  der  die  mechanischen  Zellen  hier  auftreten ,  ist  offenbar 
radialen  Kräften  gegenüber  die  zweckmässigste.  Man  gibt  ja  auch  den  Feuer- 
rohren in  Üami)f kesseln ,  welche  einem  Druck  von  mehreren  Atmosphären  wi- 
derstehen sollen,  eine  möglichst  genaue  Cylinderform ,  da  jede  Ungenauigkeit 
eine  allmälige  Abplattung  derselben  herbeiführt.  Ebenso  bei  Gasleitungsröhren 
u.  dgl.  Aber  es  ist  doch  immerhin  bemerkcnswerth,  dass  die  erwähnten  unter- 
irdischen Stammorgane,  weil  sie  unter  andern  mechanischen  Bedingungen  vege- 
tiren,  von  den  biegungsfesten  oberirdischen  Stengeln,  welche  bekanntlich  isolirte 
peripherische  Träger  besitzen,  so  ganz  und  gar  verschieden  sind.  Ist  das  nicht 
abermals  ein  deutlicher  Hinweis  auf  die  unbestrittene  Herrschaft  des  mechani- 
schen Princips!' 

Zur  Verstärkung  des  Bastcylinders  bestehen  hie  und  da  die  radialen  und 
schief-radialen  Wände  zwischen  den  Luftlücken  der  Kinde  aus  dickwandigen 
Zellen.  Die  ganze  Construction  gewährt  alsdann  im  Querschnitt  ungefähr  das 
Bild  eines  Rades.  So  z.  B.  bei  Carex  brizoides  und  C.  Schreberi  und  in  ge- 
ringerem Maasse  auch  bei  C.  rigida  und  limosa.  In  den  Fällen,  wo  das  luft- 
führende Gewebe  zwischen  dem  axilen  Fibrovasalstrang  und  dem  Bastring  ein 
vielmaschiges  Netzwerk  ist,  wie  bei  C.  disticha^  stricta  (Taf.  XIII,  1)  und 
caespitosa^  sind  zuweilen  die  sämmtlichen  Maschen  durch  Verdickung  der  Zell- 
wandungen mehr  oder  weniger  verstärkt  [C.  striata).  Bei  C.  supina  endlich 
ist  fast  die  ganze  Rindenschicht  dickwandig  und  aussergewöhnlich  fest. 

In  der  Reihe  der  Abstufungen,  welche  das  mechanische  Rindensystem  in 
anatomischer  Hinsicht  darbietet,  lassen  sich  demgemäss  etwa  folgende  Stadien 
unterscheiden,  die  übrigens  noch  lange  nicht  alle  beobachteten  Ue])ergänge  um- 
fassen.   Die  Beispiele  beziehen  sich  nur  auf  Stammorgane.    Die  Characteristik 


128  II-  Spezielle  Betrachtung  der  Mouocotylen. 


der  Standorte  ist  bloss  zur  Orieiitirun^'  heigesetzt;  Genaueres  findet  man  i 
den  Floren. 


Meiüuiu. 

Anatomischer  Bau. 

Beispiele. 

Wasser 

1  ~   ' 

Rinde  mit  grossen  Luftkanälen  ;  UmhiillunKsraantel 
dünnwandig  -  pareiiciiymatisch ,  aus  2  bis  '.i  Zell  - 
schicliten  gebildet,  nur  bei  beträchtlicher  Dicke 
des  Organs  mehrschichtig. 

l*o(ani(>(/eioii  cris- 
2)us,  Najas,  JunciiH 
siipimis ,      Scirjf  Ks 
ßuitiDis  etc. 

Lockerer  Boden 

Luftkaniile  fehlend  oder  sehr  klein;  Rinde  durch- 
gehends  dUnnwandig-parencliyniatisch . 

Milium  i'ffusiiiii, 
Carex  pilvsa. 

Waldboden. 

Kleine  Lufträume  in  der  Umgebung  des  Fibrovasal- 
cjdinders  constant  vorhanden ;  Undiiillungsmantel 
vielschichtig,  dünnwandig-parenchymatisch. 

Ciirvx  alba. 

Fester  Wald-  oder 
Wiesboden. 

Rinde  ohne  Luftkanäle ,  mit  schwachem  periphe- 
rischem Bastring. 

Curcx  yluHca,  Tri- 
ticuvi  rcpens. 

Fester  Haideboden. 

Kleine  Luftkanäle  in  der  Umgebung  des  Fibrovasal- 
cylinders.  Peripherischer  Theil  der  Rinde  viel- 
schichtig, mit  massig  verdickten  Wandungen,  z.  Th. 
collenchymatisch ;  hie  und  da  vereinzeltes  Auftre- 
ten von  Bastzellen. 

Carex  ericetnrum 
fHaideforra). 

Fester  Grasboden. 

Kleine  Lufträume  in  der  Umgebung  des  Fibro- 
vasalcylinders.  Rindengewebe  dickwandig,  ausser- 
gewöhnlich  lest,  zunächst  der  übernache  aus  bast- 
ähnlichen Zellen  gebildet. 

Carex  sapinn. 

Fp  lichter  Wsild- 
oder  Sandboden. 

Kleinere  und  mittelgrosse  Luftwege  in  der  Umge- 
bung des  Fibrovasalcylinders ;  der  Bastring  ge- 
wöhnlie.h  etwas  sehwaeh  dafür  aber  diireh  fJielr- 
wandiges  Rindengewebe  (z.  B.  in  Gestalt  von  spei- 
chenartigen Fortsätzen  nach  innen)  verstärkt  und 
von  verkorkten  Rindenzellen  umschlossen. 

K^at  ex  Ol  i^oiuvs,  c 
Schreberi. 

Sumpfboden. 

Luftkanäle  so  gross  oder  doch  nicht  viel  kleiner, 
als  bei  untergetauchten  Organen.  Peripherischer 
Bastring  mit  verkorkter  Zwischenzellsubstanz,  bald 
subepidermal,  bald  innerhalb  verkorkter  Rinden- 
zellen; die  Rinde  dünnwandig-parenchymatisch. 

Carex  disticha,  C. 
stricta ,  C.  caespi- 
tosu  etc.  Juncus 
Gerardi. 

Bezüglich  der  Uebergänge  zwischen  Bast  und  Parenchym  bieten  neben  den 
näehstverwandten  Cariccs  auch  einige  /wwcws-Arten  interessante  Abstufungen. 
Während  z.  B.  die  Rhizome  von  /.  compressus  einen  festen  UmhüUungsniantel 


Das  mechaiiisclie  System  in  Organen,  welche  der  Biegungsfestigkcit  nicht  bedürfen.    1 20 


von  dickAvaiKUg-pavenchynuitischcm  Aussehen  besitzen ,  dessen  Zellen  auf  kei- 
nen Fall,  trotz  der  hie  und  da  vorkommenden  Schieten  Wände,  als  typische 
Bastzellen  bezeichnet  werden  können,  obwohl  sie  im  Querschnitt  sich  nicht  von 
denselben  unterscheiden,  zeigen  die  entsprechenden  Zellen  bei  dem  kaum  si)e- 
zitisch  verschiedenen  /.  Gerardi  bereits  die  characteristischen  schiefen  Poren 
und  proseuchymatisch  zugespitzte  Enden ;  diese  letztere  Form  besitzt  also  einen 
ausgesi)rochenen  Bastring.  Dabei  ist  die  verkorkte  Zwischenzellsubstanz  hier 
wie  dort  gleich  schön  entwickelt.  Der  Querschnitt  gewährt  überhaupt  in  beiden 
Fällen  so  ziemlich  dasselbe  Bild. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  Uebereinstinimung  der  im  Vorhergehen- 
den erwähnten  Khizome  mit  den  Wurzeln,  besonders  mit  denjenigen  der  nämlichen 
Pflanze.  Denn  es  ist  klar,  dass  hierin  der  Prüfstein  meiner  Anschauungen 
liegt.  Wenn  der  peripherische  Bastring  in  einem  schweren  oder  wasserdurch- 
tränkten Boden  nothwendig  ist,  um  die  Luftwege  der  Khizome  often  zu  erhal- 
ten, so  ist  er  natürlich  ganz  ebenso  unentbehrlich  für  die  Wurzeln,  welche 
unter  gleichen  Bedingungen  vegetiren.  Hat  dagegen  der  Bastring  einen  andern 
Zweck,  soll  er  z.  B.  bloss  eine  gewisse  Biegungsfestigkeit  bewirken,  die  viel- 
leicht für  Khizome  von  einigem  Nutzen  sein  könnte,  so  lässt  sich  nicht  ohne 
Weiteres  behaupten,  dass  sich  die  Wurzeln  im  gleichen  Falle  befinden.  Aus 
diesem  Grunde  erscheint  mir  die  Parallele  zwischen  Khizom  und  Wurzel  be- 
sonders beachtens Werth.  Die  angestellten  vergleichenden  Beobachtungen  haben 
nun  ausnahmslos  zu  dem  Ergebniss  geführt,  dass  die  Wurzel  auch  mit  Rück- 
sicht auf  diesen  Punkt  das  Modell  ist,  nach  dem  die  Khizome  geformt  sind,  ein 
Modell  en  mmiature ,  in  welchem  aber  doch  die  leitenden  Principien  durchweg 
einen  etwas  schärferen  Ausdruck  gefunden  haben ,  als  in  der  vergrösserten 
Nachbildung.  So  haben  z.  B.  die  Wurzeln  der  Carex-Arten,  deren  Khizome 
mit  grossen  Luftkanälen  und  einem  i)eripherischen  Bastring  versehen  sind, 
durchschnittlich  noch  etwas  grössere  Luftkanäle  und  einen  relativ  stärkern 
Bastring.  Grenzt  der  letztere  im  Khizom  unmittelbar  an  die  Epidermis ,  wie 
bei  Carex  limosa  und  vidgaris,  so  ist  diess  auch  in  der  Wurzel  der  Fall ;  liegt 
er  dort  innerhalb  einer  verkorkten  Rindenschicht,  wie  bei  C.  Schreberi  und 
disticha,  SO  auch  hier  in  der  Wurzel  (Taf.  XIII,  5).  Koramen  im  Khizom 
Schwankungen  vor,  indem  der  Bastring  sich  zuweilen  an  die  Epidermis  an- 
lehnt, während  er  gewöhnlich  etwas  von  ihr  zurückweicht,  wie  ich  es  hin  und 
wieder  bei  C.  stenophylla  beobachtete,  so  scheint  das  Zurückweichen  für  die 
Wurzel  Regel  zu  sein.  Eine  ähnliche  Parallele  besteht  auch  bezüglicli  der 
anatomischen  Variationen,  welche  man  bei  6'.  ericetonmi  je  nach  der  Ani)as- 
sung  an  mehr  feuchte  (z.  B.  (dpine)  oder  trockene  Standorte  beobaclitet '! .  Bei 

Die  Standorte  der  alpinen  Formen  von  Carex  n  icptormn ,  wie  iiberliaupt  der  meisten 
Alpenpflanzen ,  sind  während  der  Zeit  der  Schneeschmelze  mehrere  Wochen  hindnrch  von 
Wasser  durchtränkt,  daher  die  Nothwendigkeit  grösserer  Luftwege  in  den  unterirdischen 
Organen.    Die  beobachteten  Unterschiede  beziehen  sich  übrigens  nicht  bloss  hierauf,  son- 

S  r  )i  w  e  n  d  e  n  e  r  ,  Das  niechani.sclip  l'riiiciii.  ^ 


Spezieile  Betrachtung  der  Monocotylen. 

a.  arenaria  eiullich,  wo  der  Bastring  des  Eliizoms  im  Radius  der  Scheidewände 
iinterl)ro{then  ist.  indem  nur  die  Aussenseite  der  zahlreichen  Lnftkanäle  mit 
verdickten  Zellen  ausg'ekleidet,  die  Zwischenwände  und  die  übrige  Rinde  aber 
(liinnwandig-parenchymatisch  sind,  besitzt  die  Wurzel,  deren  Luftgänge  relativ 
grösser  und  durch  eine  kleinere  Zahl  von  Scheidewänden  geschieden  sind,  einen 
zwar  schmalen,  aber  ununterbrochenen  Bastring. 

Die  meisten  Hhizome  stimmen  nach  dem  Gesagten  auch  darin  mit  den 
Wurzeln  überein,  dass  sie  neben  dem  peripherischen  druckfesten  System  noch 
einen  zugfesten  Fil)rovasalstrang  besitzen,  welcher  nebenbei  auch  die  saftleiten- 
den Zellen  enthält.  Davon  macht  indess  Carex  chordorrhiza,  eine  nur  in  tiefen 
Mooren  und  Sümpfen  vorkommende  Art,  eine  Ausnahme.  Ihre  schief  nach 
oben  wachsenden  Rhizome  sind  nämlich  in  der  Mitte  hohl  und  daher  bloss  mit 
der  peripherischen  Baströhre  ausgestattet.  Die  Rinde  ist  von  zahlreichen  Luft- 
kanälen durchzogen,  welche  durch  radiale  Parenchymwände  von  einander  ge- 
trennt sind.  Zwischen  diesen  und  der  centralen  Markhöhlung  —  also  im  in- 
nersten Theil  der  Rinde  —  liegt  ein  Kranz  von  isolirten  Gefässbündeln  mit 
kleinen  Bastbelegen  iTaf.  XTII,  4).  —  Aehnlich  verhalten  sich  auch  die  Aus- 
läufer von  Phragmifes  communis,  nur  dass  hier  ausser  dem  subepidermalen 
Bastring  noch  ein  zweiter  innerer  vorhanden  ist,  der  Sj)äter  in  den  Bastring  des 
aufrechten  Stammes  übergeht  und  an  welchen  sich  demgemäss  die  kleinen 
peripherischen  Mestombündel  von  aussen  anlehnen.  Auch  die  grössern  inneren 
Bündel  sind  durch  verdickte  Parenchymzellen  in  tangentialer  Richtung  verbun- 
den. Die  Markhöhlung  ist  ungefähr  so  gross  wie  in  den  Halminternodien  ;  die 
l)eripherischen  Luftkanäle  gehen  in  den  untern  Theil  des  Halmes  über,  ver- 
schwinden aber  etwas  weiter  nach  oben  fast  vollständig. 

Ob  bei  solchen  Constructionen,  die  zugleich  den  Bedingungen  der  Biegungs- 
festigkeit entsprechen,  diese  letztere  als  eines  der  Anpassungsziele  zu  betrach- 
ten sei ,  ist  eine  Frage ,  deren  Beantwortung  ihre  besondern  Erwägungen  ver- 
langt. Bei  den  Carex-kxitw,  wo  die  biegungsfesten  Organe  nach  einem  gänzlich 
verschiedenen  Plane  gebaut  sind ,  ist  diese  Abweichung  schon  an  und  für  sich 
ein  wichtiger  Anhaltspunkt,  der  mir  in  Verbindung  mit  den  Standortsverhält- 
nissen, wie  sie  für  6'.  chordorrhiza  gegeben  sind,  zu  genügen  scheint.  Schwie- 
riger ist  die  Sache  bei  Phragmites,  weil  hier  der  anatomische  Bau  verschiedene 
Deutungen  gestattet.  Denn  einerseits  lässt  sich  nicht  behaupten,  dass  die 
Combination  zweier  concentrischer  Hohlcvlinder ,  welche  durch  Radialstreben 
zu  einem  Ganzen  verbunden  sind,  bei  radial  wirkendem  Druck  auf  die  Aussen- 
fiäche  irrationell  sei ;  eine  solche  Combination  kann  im  Gegentheil  zur  Verhü- 
tung des  Einknickens  oder  der  Abplattung,  zumal  bei  grösserem  Durchmesser, 
sehr  zweckmässig  sein.  Andrerseits  dient  aber  die  nämliche  Verbindung  auch 
zur  Erhöhung  des  AViderstandes  gegen  longitudinalen  Druck,   wie  überhaui)t 


(lern  auch  auf  den  Bau  des  axilen  Fibrovasalcylindcrs ,  der  bei  den  einen  gänzlich  raarklos 
ist.  während  er  hei  andern  ein  kleines  Mark  (nithält. 


4.  Das  mechanische  System  in  Organen,  wclciie  der  BicgunKstestigkeit  nicht  bodiiiibn.  ]:\] 

gegen  alle  Kräfte,  welche  unter  Umständen  Einknicken  der  Wand  bewirken 
mlissten.  Da  ferner  die  fraglichen  Ausläufer  unter  sehr  verschiedenen  Bedin- 
gungen vegetiren ,  so  lässt  sich  auch  von  dieser  Seite  ein  bestimmtes  Ani)as- 
sungsziel  nicht  ermitteln.  Möglich,  dass  die  Pflanze  gleichzeitig  verschiedenen 
Anforderungen  zu  genügen  suchte. 


3.  Festigkeit  gegen  longitudinalen  Druck. 

Es  handelt  sich  hier  um  die  sogenannte  rückwirkende  Festigkeit ,  die  wir 
natürlich  nur  bei  Organen  erAvarten  dürfen,  welche  nach  Art  der  Säulen  in  An- 
spruch genommen  werden.  Diess  ist  nun  allerdings  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
bei  allen  aufrechten  Organen  der  Fall,  da  dieselben  zum  Mindesten  ihr  eigenes 
Gewicht  zu  tragen  haben;  allein  in  erster  Linie  kommt  hier  doch  die  bereits 
besprochene  Biegungsfestigkeit  in  Betracht,  die  überdiess  in  der  Hauptsache 
die  gleiche  Materialvertheilung  verlangt  wie  die  rückAvirkende  Festigkeit  der 
Säulen.  Aus  diesem  Grunde  glaubte  ich  die  folgenden  Betrachtungen  haupt- 
sächlich auf  diejenigen  Organe  beschränken  zu  sollen,  welche  gewöhnlich  zug- 
fest construirt  sind,  ausnahmsweise  aber  auch  rückwirkend  als  Pfosten  oder 
Säulen  fungiren.  Zu  diesen  Ausnahmen  gehören  z.  B.  die  Stützwurzeln  von 
Pandamis  odoratissimus ,  Iriartea  exorrlnza  und  Wettinia ,  deren  äussere  Er- 
scheinung ich  im  Allgemeinen  als  bekannt  voraussetze.  Diese  Stützwurzeln 
sind  bei  gleichmässiger  Vertheilung  der  Last,  d.  h.  bei  senkrechtem  Wuchs 
der  Stämme,  einem  continuirlichen  longitudinalen  Drucke  ausgesetzt.  Wirkt 
ausser  der  Schwere  noch  eine  seitliche  Kraft,  z.  B.  bewegte  Luft,  auf  die  Ge- 
wächse ein,  so  wird  der  Druck  auf  der  dem  Winde  zugekehrten  Seite  vermin- 
dert; er  kann  sogar  negativ,  d.  h.  in  Zug  übergeführt  Averden ,  Avenn  das 
Angriffsmoment  der  seitlichen  Kraft  eine  gewisse  Grösse  überschreitet.  Dieser 
Fall  wird  unter  übrigens  gleichen  Umständen  um  so  öfter  eintreten,  je  grösser 
die  Krone  des  Baumes  und  je  höher  der  Stamm.  Wir  Averden  also,  nach  diesen 
rein  theoretischen  Betrachtungen,  erAvarten  dürfen,  dass  das  mechanische  System 
der  fraglichen  StützAvurzeln  soAvohl  gegen  Zug  als  Druck  die  nöthige  Festig- 
keit besitze  und  dem  entsprechend  construirt  sei.  Diese  Erwartung  wird  denn 
auch  durch  die  Beobachtung  bestätigt. 

Was  zunächst  die  Stützwurzeln  von  Pandanus  betrifft,  so  hat  bereits 
Nägel i  Bau  und  Entwicklung  derselben  genau  beschrieben .  Ich  hebe  für 
meinen  Zweck  bloss  herA^or,  dass  sie  vom  gewöhnlichen  Typus  der  Monocoty- 
lenAvurzeln  gänzlich  abAveichen,  ja  geradezu  stammähnlicli  gebaut  sind.  Zahl- 
reiche Gefässbündel  mit  starken  Bastbekleidungen  nehmen  den  ganzen  Innern 
Theil  des  Querschnittes  ein;  zAvischen  dieselben  und  in  die  umhüllende  Kinde 
sind  kleinere  und  grössere  Bastbündel  eingestreut,  Avelche  die  Festigkeit  noch 
bedeutend  erhöhen.  Die  Bastbündel  der  Kinde  gehen  in  sehr  erheblicher  An- 
zahl und  Stärke  bis  zum  Periderm ;  manche  liegen  noch  ausserhalb  desselben 

1;  Niigeli,  Beiträf^e  I,  pag. 

9  * 


132 


II.  Spezielle  Betrachtung  der  Monocotylen. 


iu  der  riugtürmigen  Borke,  welche  voraussichtlich  später  abgeworfen  wird. 
Die  einzelnen  Zellen,  aus  welchen  die  Uber  den  ganzen  Querschnitt  zerstreuten 
Stränge  bestehen,  ebenso  alle  dickwandigen  prosenchymatischen  Elemente  der 
Fibrovasalstränge,  sind  durchweg  spezifisch-mechanische  Zellen,  d.  h.  Bast- 
zellen ohne  erhebliche  Unterschiede.  Es  ist  kein  Grund  vorhanden,  einzelne 
derselben  als  »Holzzellen«  von  den  übrigen  zu  unterscheiden.  Wirkliche  Holz- 
zellen, welche  mit  denen  der  übrigen  Monocotylen  übereinstimmen,  kommen 
nur  in  der  Nähe  der  Gefässe  und  zwar  in  so  geringer  Zahl  vor,  dass  sie  für 
unsere  Betrachtung  vernachlässigt  werden  können. 

Die  nahezu  gleichmässige  Vertheilung  der  mechanischen  Elemente  scheint 
mir  nun  in  der  That  die  Annahme  zu  rechtfertigen,  dass  der  anatomische  Bau 
dieser  Wurzeln  der  wechselnden  Einwirkung  von  Zug  und  Druck  angepasst 
worden  sei.  Denn  würden  dieselben  bloss  nach  Art  der  Säulen  in  Anspruch 
genommen ,  so  wäre  ein  hohlcylindrischer  Aufbau  des  mechanischen  Systems 
entschieden  vortheilhafter ,  und  hätten  sie  bloss  dem  Zuge  zu  widerstehen,  so 
wäre  der  axile  Strang  beibehalten  worden.  Nur  die  Combination  von  Zug  und 
Druck  lässt  die  thatsächliche  Vertheilung  des  Materials  begründet  erscheinen. 

Von  den  Stützwurzeln  wesentlich  verschieden  sind  die  viel  dünnern  Nor- 
malwurzeln, welche  die  Bestimmung  haben,  im  Boden  zu  vegetiren.  Dieselben 
besitzen  einen  axilen  Fibrovasalstrang ,  dessen  Durchmesser  kaum  etwas  mehr 
als  ein  Drittel  des  Gesammtdurchmessers  beträgt,  stimmen  also  in  mechanischer 
Hinsicht  mit  den  Wurzeln  anderer  Monocotylen  überein ;  nur  ist  die  Rinde  auch 
hier  von  zahlreichen  Bastbündeln  durchzogen,  welche  nicht  bloss  die  Zugfestig- 
keit im  Allgemeinen  erhöhen,  sondern  speziell  auch  für  die  Cohäsion  der  Rinde 
ihre  besondere  Bedeutung  haben  mögen. 

lieber  die  Stütz  wurzeln  von  Iriartea  exorrhiza  gibt  Hugo  v.  Mohl  in 
seinen  Vermischten  Schriften  (S.  159)  eine  ziemlich  eingehende  Beschreibung, 
aus  welcher  deutlich  hervorgeht,  dass  der  Bau  dieser  Wurzeln  vom  gewöhn- 
lichen Typus  durchaus  abweicht,  indem  statt  eines  Centraistranges  eine  aus 
gedrängten  Gefässbündeln  bestehende  hohle  Säule  vorhanden  ist,  in  deren  Mitte 
ausserdem  noch  einzelne  Gefässbündel  zerstreut  liegen. 

Die  Wurzeln  von  WeUinia  endlich  sind  mir  allerdings  nicht_  näher  bekannt. 
Da  indess  die  Stämme  30  bis  40  Fuss  Höhe  erreichen,  so  ist  für  jene  ein 
ziemlich  fester  Bau  absolutes  Bedürfniss  und  demgemäss  eine  entsprechende 
centrifugale  Tendenz  der  mechanischen  Elemente  kaum  zweifelhaft. 

Als  Organe  mit  rückwirkender  Festigkeit  sind  auch  die  geraden  Stacheln 
an  den  Blattspitzen  von  Agave  americana^  sowie  an  den  Blattstielen  von  Ca- 
lamiis  adspersus,  Chamaerops  Jmmilis,  Lwistona  smensis  etc.  zu  betrachten.  Alle 
diese  Gebilde  besitzen  einen  starken  subepidermalen  Bastring,  der  nach  oben 
in  einen  vollen  Cylinder  übergeht;  ihre  äussere  Form  nähert  sich  derjenigen 
eines  Körpers  von  gleichem  Widerstande.  Da  ein  solcher  Bau  zugleich  bie- 
gungsfest ist,  so  tritt  eine  wesentliche  Veränderung  bei  den- Stacheln,  welche 
hackenförmig  gekrümmt  sind  und  auch  wirklich  nach  Art  der  Hacken  in  An- 


4.  Das  mechanische  System  in  Organen,  welche  der  Biegungsfestiykeit  nicht  bedürfen. 

Spruch  genommen  werden,  nicht  ein.  Nur  wird  hier  der  Querschnitt,  zumal 
gegen  die  Basis  zu,  in  der  Regel  elliptisch,  wobei  die  grosse  Axe  der  Ellipse 
der  starkem  Inanspruchnahme  entspricht. 

4.  Festigkeit  gegen  Abscheeren. 

Von  den  Querverbindungen,  welche  vorwiegend  den  erforderlichen  Wider- 
stand gegen  Abscheeren  bedingen,  war  schon  oben  bei  Besprechung  der  Flä- 
chenorgane gelegentlich  die  Rede.  Wie  bereits  bemerkt,  ist  hier  die  Bie- 
gungsfestigkeit durch  die  einfachen  Iförmigen  Träger  oder  durch  combinirte 
peripherische  Stränge  hinlänglich  gesichert,  und  da  diese  Träger  nicht  selten 
genau,  in  andern  Fällen  wenigstens  annähernd  in  einer  Ebene  liegen,  so  können 
die  seitlichen ,  parallel  der  Oberfläche  wirksamen  Kräfte  bei  einer  einfachen 
Biegung  nicht  von  Belang  sein;  jedenfalls  würde  die  Epidermis  in  Verbindung 
mit  dem  Parenchym  vollständig  genügen ,  um  denselben  das  Gleichgewicht  zu 
halten.  Ebenso  wäre  auch  bei  Wasserpflanzen  ein  so  starker  tangentialer  Ver- 
band, wie  er  thatsächlich  vorhanden  ist,  ganz  und  gar  überflüssig,  w^enn  es 
sich  bloss  um  einen  gleichmässigen  Zug  parallel  der  Axe  handelte.  Allein  die 
Inanspruchnahme  der  Flächenorgane  ist  in  Wirklichkeit  viel  complicirter.  Man 
darf  nicht  vergessen,  dass  bei  starker  Strömung  des  Wassers  oder  der  Luft, 
zum  Theil  schon  wegen  der  dadurch  bewirkten  flatternden  Bewegung  oder  auch 
in  Folge  einer  Torsion  der  Organe,  Kräfte  ins  Spiel  kommen,  w^elche  diesell)en 
senkrecht  zur  Flächenausdehnung  und  zwar  an  benachbarten  Stellen  olt  in 
entgegengesetztem  Sinne  ergreifen.  Diese  Kräfte  stellen  demnach  die  Wider- 
standsfähigkeit des  Organs  gegen  Abscheeren  und  nebenbei  auch  dessen  Zug- 
festigkeit auf  die  Probe,  wobei  natürlich  die  Querverbindungen  zwischen  den 
longitudinalen  Trägern  sehr  ins  Gewicht  fallen.  Da  nun  die  Festigkeit  gegen 
Zug  sowohl  als  gegen  scheerende  Kräfte  bei  gegebenem  Material  bloss  vom 
Querschnitt  abhängig  ist,  so  ist  es  begreiflich,  dass  die  in  Rede  stehenden 
Anastomosen  ins  Innere  der  Flächenorgane  verlegt  sind ;  denn  wir  wissen,  dass 
die  Pflanze,  sobald  das  mechanische  Princip  diess  gestattet,  ihre  Fibrovasal- 
stränge  von  der  Oberfläche  zurückzieht.  Stehen  dagegen  die  Anastomosen  in 
Beziehung  zur  Biegungsfestigkeit,  wie  in  den  Blättern  von  Typha^  den  Blatt- 
stielen von  Musa  etc.,  so  behaupten  sie  durchgehends  eine  mehr  peripherische 
Lage. 

Hieher  gehörige,  d.  h.  den  Scheerkräften  widerstehende  Anastomosen 
kommen  in  den  Blättern  der  Monocotylen  häufig  vor.  Sie  sind  meist  schon 
mit  blossem  Auge  zu  erkennen  und  treten  namentlich  in  dem  durch  Naturselbst- 
druck erhaltenen  Blattnetz  überaus  deutlich  hervor.  Am  stärksten  fand  ich  sie 
bei  Maranta  und  einigen  Palmen  [Livistona  sinensis,  Sabal  Adansonii)  entwickelt, 
wo  sie  ausnahmsweise  mit  starken  Bastbelegen  ausgestattet  sind.  Sonst. be- 
stehen diese  Verbindungen  stets  aus  Mestom;  nur  bei  Wasserpflanzen  [Pota- 
mogeton  acutifolius  u.  a.)  kommen  Bastanastomosen ,  die  aber  oft  nur  aus 
einer  einzigen  Zelle  bestehen,  zwischen  den  subepidermalen  Bastbündeln  vor. 


II    Spezielle  Betniclitiiu^  der  Monocotylen. 


Die  Festigkeit  gegen  Absciiceren ,  auch  Scliubfestigkeit  genannt,  kommt 
übrigens  auch  bei  biegungsfesten  Constructionen  in  Betracht,  da  bei  der  Biegung 
sowohl  ein  longitudinaler  Schul)  parallel  der  Axe,  als  auch  ein  Öeitenschub  in 
der  Querschnittsfläche  stattfindet.  Die  Vorrichtungen,  welche  diesen  Schub- 
kräften entgegenwirken,  sind  jedoch  identisch  mit  jenen,  welche  die  Erhaltung 
der  Qncrschnittsforni  liewerkstelligcn :  es  sind  wiederum  Mestomanastomosen 
in  Verbindung  mit  Parenchym  ,  worüber  bereits  früher  das  Nähere  mitgetheilt 
wurde.  Hier  bemerke  ich  nur  noch,  dass  die  Schubspannung  bei  allen  längeren 
biegungsfesten  Constructionen  im  Verhältuiss  zur  Zug-  und  Druckspannung  so 
klein  ausfällt,  dass  sie  vernachlässigt  werden  darf.  Sie  erlangt  erst  bei  ver- 
hältnissmässig  kurzen  Trägern  eine  grössere  Bedeutung,  in  der  Pflanzenwelt 
z.  B.  in  den  hackenförmigen  Stacheln  der  Kletterpflanzen  und  andern  ähnlichen 
Gebilden,  welche  unter  Umständen  einem  beträchtlichen  Zuge  ausgesetzt  sind. 
Doch  darf  man  auch  hier  nicht  erwarten,  dass  die  festen  Theile  etwa  nach  den 
bogenförmig  verlaufenden  und  in  der  neutralen  Axe  sich  rechtwinklig  kreuzenden 
Zug-  und  Drucklinien')  angeordnet  seien,  da  diess  bei  einem  vollen  hohl- 
cylindrischen  Träger  aus  Bast  gar  nicht  denkbar  wäre.  Eine  solche  Anordnung 
scheint  mir  überhaupt  nur  bei  Gitterconstructionen,  also  bei  maschigem  Bau  der 
Gewebe  oder  wenigstens  der  mechanischen  Partieen  möglich  und  zweckmässig 
zu  sein'-^). 

5.   lieber  die  Verwendung  von  Bastzellen  zu  local-niechänischen 

Zwecken. 

Es  erübrigt  jetzt  noch ,  die  schon  früher  gelegentlich  erwähnten  Bast- 
bekleidungen oder  Bastbündel  zu  besprechen,  welche  weder  in  biegungs-  oder 
zugfesten,  noch  in  druck-  oder  schubfesten  Organen  eine  rationelle  Stellung 
einnehmen.  Haben  auch  diese  einen  mechanischen  Zweck  oder  verdanken  sie 
ihre  Gegenwart  irgend  einer  nicht  näher  bekannten  Nebenfunction  ?  Ich  glaube 
diese  Frage  ohne  Bedenken  dahin  beantworten  zu  können ,  dass  die  meisten 
der  fraglichen  Bastbelege  offenbar  keinen  andern  Zweck  haben,  als  einerseits 
dem  Cambiform,  andrerseits  dem  zartwandigen  Xyleni  und  den  hier  vor- 
kommenden Luftgängen  den  nöthigen  Schutz  zu  gewähren.  Sie  bilden  mit 
andern  Worten  ein  localen  Zwecken  dienendes  inneres  Skelett ,  vergleichbar 

'j  Vgl.  png-.  :!0  ff.;  ferner:  Weisbach,  Mechanik  I,  ö.  AuH.  pag.  572;  Ciilmann,  Gra- 
phische Statik,  pag.  23(;. 

-)  Die  Bcclcutimg  der  Zug-  und  Drucklinien  für  dielinnero  Architectur  der  inenschlichcTi 
Knochen  hat  zuerst  Hermann  Meyer  hervorgehoben  Reichert's  und  Dubois-Reymond s 
Archiv  18G7).  Seitdem  ist  dieser  Gegenstand  wiederholt  behandelt  worden,  in  trefflicher 
Weise  namentlich  von  Julius  Wolff  (Virchows  Archiv  L.).  Die  Grundanschauungen,  die 
sich  durch  die  bezüglichen  Abhandlungen  hindurch  ziehen,  sind  zweifelsohne  richtig;  in  der 
speziellen  Durchführung  derselben  sind  jedoch  die  Zug-  und  Drucklinien  zum  Theil  willkürlich 
und  geradezu  unrichtig  wiedergegeben.  In  dieser  Beziehung  ist  nur  die  Wolft'  sche  Darstellung 
correct.    Uebrigens  sind  mir  Pflanzengewebe  mit  analoger  Architectur  nicht  bekannt. 


4    Das  uK^ehaniöclie  System  in  Orgauen,  weldu-  der  Hii-gungsfeatiKkcit  uu  li(  iKMliirten.  i;{5 

dem  Viscernlskelett  der  Pisclie,  dem  Ae(iuatürialring-  im  Auge  der  Sepia  etc. 
Diese  Auffassung  scheint  mir  namentlich  durch  die  Art  und  Weise,  wie  die 
Bastbelege  bei  Pohimo<jcton  allmälig  zur  Ausbildung  kommen,  nahe  gelegt  zu 
werden.  Die  Arten  der  stehenden  Gewässer  besitzen,  wie  oben  dargelegt 
wurde,  keinen  Bast.  Die  ersten  Bastbelcge  erscheinen  alsdann  im  centralen 
Pibrovasalstrang,  dessen  Zugfestigkeit  im  fliessenden  Wasser  einer  Steigerung 
bedarf.  Allein  sie  nehmen  hier  nicht  etwa  eine  beliebige  axile  Stellung  ein, 
wie  sie  es  mit  alleiniger  lUicksicht  auf  Zugfestigkeit  thun  könnten,  sondern  sie 
schliessen  sich  an  die  dünnwandigen  Xylemzellen  an.  welche  die  Luftgänge 
der  Gefässblindel ^umgeben  und  verrathen  dadurch  das  unzweideutige  Bestreben 
der  l*flanze,  diese  Stränge  nebst  den  darin  verlaufenden  \  entilationskanälen  zu 
schützen.  Andrerseits  kann  man  bei  den  Monocotylen  mit  Bastring  oft  genug 
die  Wahrnehmung  machen,  dass  der  Bast  den  benachbarten  Gefässbündeln 
gleichsam  entgegengeht,  um  denselben  eine  feste  Stütze  zu  bieten,  au  die  sie 
sich  anlehnen  können.  Der  Bastring  bildet  zu  diesem  Beliufe  nicht  bloss  Fort- 
sätze nach  innen,  sondern  schiebt  in  der  Kegel  auch  einzelne  Zellen  oder  Zell- 
gruppen nach  aussen  vor,  zum  Schutze  der  kleinen  peri})herischen  Bündel,  die 
sich  ihm  anschmiegen.  Es  besteht  überhaupt,  wenn  ich  mich  so  ausdrücken 
darf,  eine  gewisse  Anziehung  zwischen  Mestom  und  Bast:  das  eine  reicht  dem 
andern  die  Hand.  Bei  den  Gramineen  sind  zahlreiche  Mestomstränge  zwischen 
Bastring  und  Rippe  vollständig  eingeschlossen,  wie  das  Rückenmark  in  die 
Wirbelsäule.  In  den  Rhizomcn  der  Gramineen,  Cyperaceen  und  Juncaceen,  wo 
die  Fibrovasalstränge  zu  einem  axilen  Cylinder  oder  Hohlcylinder  zusammen- 
gedrängt sind ,  besitzt  jedes  einzelne  Mestombündel  seine  besondere  Bast- 
l)ekleidung.  Ein  täuschend  ähnliches  Bild  liefert  auch  der  zugfeste  Basaltheil 
der  Internodien  im  Knoten  der  Gramineen ,  von  welchem  oben  (i)ag.  92i  die 
Rede  war.  In  all'  diesen  Fällen  ist  offenbar  der  Schutz  der  Mestomstränge  bei 
der  Vertheilung  der  Bastzellen  als  maassgebend  zu  betrachten.  Aus  demselben 
Grunde  finden  wir  bei  den  subepidermalen  Trägern  der  Blattmittelrippe  von 
(Jordyl'me  indivisu  Hort.,  Antholyza  aethiopica  und  in  manchen  ähnlichen  Fällen 
einen  Theil  des  Bastes  auf  die  Innenseite  der  Gefässbündel  verlegt,  obschon 
das  Biegungsmoment  hier  begreiflicher  Weise  etwas  geringer  ausfüllt,  als  auf 
der  Cambiformseite.  Und  so  begegnen  wir  noch  da  und  dort  Lagcrungsverhält- 
nissen ,  welche  mit  der  Festigkeit  des  'ganzen  Organs  Nichts  zu  thun  haben, 
sondern  nur  auf  localen  Schutz  der  Mestomstränge  berechnet  sein  können. 
W^enn  dem  aber  so  ist,  so  kann  leicht  der  Fall  eintreten,  dass  das  Bedürfniss 
nach  localem  Schutz  für  sich  allein  genügt,  um  die  Herstellung  entsprechender 
Bastbekleidungen  zu  veranlassen,  die  dann  allerdings  ein  sehr  bescheidenes 
Maximum  von  Dicke  nicht  überschreiten  dürfen. 

In  dieser  Weise  erkläre  ich  mir  z.  B.  die  sämmtlichen  Bastbckleidungen, 
welche  zuweilen  in  biegungsfesten  Stammorganen  im  Innern  Theil  des  Markes 
vorkommen.  Es  sind  mir  übrigens  bis  jetzt  nur  folgende  Fälle  bekannt  ge- 
worden : 


11.  Spezielle  Betraclitung-  der  Monocotylen. 


1)  Markstäiulige  Bündel  mit  schwaclier  Bastbckleiduiig  auf  der  äussern  oder 
Canibiforniscitc.  Hielicr  die  Bliitlienscliäfte  von  Ophiopoyon  Jahuran,  Hyacinthm 
oricnUdis. 

%  Markständige  Bündel  mit  je  zwei  opponirten  Bastbelegen,  wovon  der 
eine  das  Cand)ifürm,  der  andere  die  dünnwandigen  Holzzellen  schützt.  Hieher: 

Sacchamm,  Zeu  Mais,  Typha  latlfolia ,  Geitonoplesium  cymosum ,  Asphodelus 
hiteus.  Pardunthm  chinensis,  Aristeu  cyanea,  Älpinia  nutam,  Anacamptü  pyra- 
midalis. 

■  3)  Markständige  Bündel  mit  geschlossenen  Bastscheiden  von  geringer 
Mächtigkeit.  Hieher  die  Blüthensehäfte  von  Iris  highimis  und  Crocosmia  aurea, 
sowie  der  Blattstiel  von  Aspidistra  lurida. 

Ich  bemerke  übrigens  noch,  dass  die  drei  hier  unterschiedenen  Fälle  nicht 
etwa  scharf  getrennt  sind.  fc)ü  findet  man  z.  B.  I)ei  Iris  hiyhmiis  im  untern 
Theil  des  ca.  SOO  Mill.  langen  Blüthenschaftes  geschlossene  Bastscheiden,  die 
an  den  Seiten  aus  einer  Zellenlage,  aussen  und  innen  aber  aus  zwei  bis  drei 
solcher  Lagen  bestehen,  während  im  obern  Theil  bald  nur  eine  einzige  kleine 
Bastgruppe  auf  der  Aussenseite,  bald  zwei  radial  opponirte  Belege  vorhanden 
sind.    Aehnliche  Abstufungen  zeigen  auch  die  übrigen  der  genannten  Pflanzen. 

Auffallend  starke  Belege ,  zumal  auf  der  Innenseite  der  Markbündel ,  habe 
ich  bei  zwei  Liliaceen,  nämlich  im  Blütbenschaft  von  Tritoma  Rooperi  und 
Kidphofia  aloides  beol)achtet.  Da  die  Zahl  der  Zellschichten  hier  drei  ül)er- 
steigt,  so  wage  ich  allerdings  nicht  zu  behaupten,  dass  ein  so  starker  Material- 
aufwand zum  Schutze  der  Gefässbündel  nothwendig  sei.  Das  Gegentheil  lässt 
sich  jedoch  ebensowenig  !)eweisen.  Ueberdiess  ist  es  beachtenswerth,  dass  bei 
Kniphoßa  aloides  auch  die  Gefässbündel  der  Blätter  zum  Theil  auffallend  starke 
innere  Bastbelege  besitzen. 

Dass  diese  Bastbelege  im  Allgemeinen  um  so  stärker  ausfallen,  je  weiter 
die  Gefässbündel  von  der  Axe  abstehen,  wurde  bereits  früher  erwähnt  und 
dabei  darauf  hingewiesen,  dass  die  peripherischen  Fibrovasalstränge  im  mecha- 
nischen System  die  Bedeutung  von  aussteifenden  Constructionstheilen  haben, 
was  auch  unzweifelhaft  richtig  ist.  Es  wäre  aber  doch  möglich,  dass  nebenbei 
auch  das  Bedürfniss  einer  festen  Hülle  oder  Stütze  für  die  Mestomstränge,  das 
mit  der  Entfernung  von  der  neutralen  Axe  jedenfalls  eher  zu-  als  abnimmt, 
etwelchen  Einfluss  übte.  Diese  Auffassung  scheint  mir  namentlich  da  eine 
gewisse  Wahrscheinlichkeit  für  sich  zu  haben,  wo  die  Bastbelege  vom  Centrum 
nach  der  Peripherie  hin  ganz  allmälig  an  Stärke  zunehmen. 

Kehren  wir  jetzt  noch  einmal  zu  Potamogeton  zurück,  so  können  uns  die 
in  der  maschigen  Rinde  von  P.ßuitans  u.  a.  auftretenden  Bastbündel  oder  Bast- 
scheiden als  Fingerzeig  dienen ,  um  ähnlichen  Vorkommnissen  bei  andern  Ge- 
wächsen auf  den  Grund  zu  kommen.  Ich  habe  bereits  oben  die  Vermuthung 
ausgesprochen ,  dass  die  Fibrovasalstränge  im  Marke  von  Scirpus  Duvalii  und 
Juncus  acutus,  vielleicht  auch  von  Maranta,  eine  analoge  Bedeutung  haben 
könnten.    Ebenso  glaubte  ich  die  rindenständigen  Bastbündel  der  Palmen  und 


1.  Das  luccliauische  System  in  Üi-f-Hnou,  wi'lclic  .Um-  J5ioj;nii-stVstij-kcit  nicht  bodUrl'on.  137 

randaiiecn  als  Einriclituiigen  zum  Schutze  des  llindenpavenchynis  'nicht  des 
ganzen  Organs)  bei  starkem  Zuge  deuten  zu  dürfen.  Das  sind  freilich  vorerst 
blosse  Vermuthungen ;  allein  sie  stützen  sich  immerhin  auf  Analogieen,  welche 
Beachtung  verdienen.  Auch  will  ich  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  bei  unsern 
einheimischen  Bäumen  ähnliche  (wenn  auch  durch  die  Beziehungen  des  Bastes 
zum  Cambiform  hinlänglich  ausgezeichnete)  Verhältnisse  vorkonunen ,  welche 
diesen  Vermuthungen  günstig  sind.  Das  Nähere  hierüber  kann  indess  erst 
später,  wenn  vom  Bau  der  Dicotylen  die  Rede  sein  wird,  mitgetheilt  werden. 

Man  Avird  nach  alledem  nicht  behaupten  können,  dass  meine  Deutung  der 
Bastzellen  als  spezifisch-mechanischer  Elemente  mit  dem  Vorkommen  derselben 
im  Widerspruch  stehe.  Bedarf  auch  hie  und  da  ein  vereinzelter  Fall  noch 
besserer  Aufklärung,  als  ich  sie  im  Vorhergehenden  bieten  konnte,  so  wüsste 
ich  doch  keine  Thatsache  anzuführen,  welche  mit  dieser  mechanischen  Auf- 
fassung in  einem  klaren  und  unKisbaren  Widerspruche  stände.  Uebrigens  wäre 
für  den  Fall  eines  solchen  Widerspruches  doch  erst  die  Frage  zu  erledigen,  ob 
nicht  irgend  eine  Nebenfunction  der  Bastzcllen  ihr  Dasein  rechtfertige. 

Mit  Rücksicht  auf  diesen  letzteren  Punkt  mag  hier  noch  eine  kurze  Be- 
merkung Platz  finden.  Es  ist  mir  kein  Beispiel  bekannt,  dass  Bastzellen  als 
Durchlüftungsorgane  an  Stellen  figurirten,  wo  sie  mechanisch  überflüssig  sind. 
Die  Durchlüftung  scheint  also  niemals  die  einzige  Function  des  Bastes  zu  sein, 
sondern  immer  nur  nebenbei  berücksichtigt  zu  werden.  Schwieriger  ist  die 
Frage  zu  entscheiden ,  wie  sich  der  Bast  zur  Wasserleitung  verhalte  und  ob 
vielleicht  dessen  Iktheiligung  hiebei  mit  dem  Vorkommen  oder  der  Stärke  ge- 
wisser Bastbelege  im  Zusammenhang  stehe.  Hier  ist  indess  zunächst  zu  be- 
rücksichtigen, dass  Bastzellen,  welche  mit  korkälmlicher  Intercellularsubstanz 
tiberzogen  sind,  von  vorne  herein  nicht  in  Betracht  kommen  können,  da  sie  zur 
Wasserleitung  von  Zelle  zu  Zelle  absolut  unfähig  sind.  Nun  ist  allerdings 
diese  Zwischenzellsubstanz  bei  oberirdischen  Organen  selten  derart  entwickelt, 
dass  sie  nach  Behandlung  des  Präparates  mit  concentrirter  Schwefelsäure  als 
zusanmicnhängendes  Netz  zurückbleibt;  aber  mehr  oder  minder  deutliche  Spuren 
derselben,  die  natürlich  beim  Aufquellen  der  Membransubstanz  leicht  zerrissen 
werden  können,  lassen  sich  doch  häufig  und  zwar  bei  Repräsentanten  der  ver- 
schiedensten Familien  nachweisen ,  und  das  scheint  mir  zu  genügen ,  um  die 
Bastzellen  im  Allgemeinen  als  schlechte  Wasserleiter  zu  charactcrisiren.  Da 
überdiess  die  experimentelle  Prüfung  der  Leitungscapacität  mittelst  farbiger 
Flüssigkeiten  entschieden  ungünstige,  wenn  auch  nicht  gerade  genaue  und  ent- 
scheidende Resultate  liefert,  so  halte  ich  es  für  unwahrscheinlich,  dass  die  etwa 
noch  vorhandene  Fähigkeit,  Wasser  zu  leiten,  auf  das  Vorkonmien  des  normalen 
Monocotylenbastes ,  von  dem  hier  allein  die  Rede  ist,  irgend  einen  nennens- 
werthen  Einfluss  übe. 


138 


II.  Spi'zifllc  Betniclitiiuf;-  der  Mouocotylen. 


().    Festigkeit  der  Verbindungen  zwischen  Tochter-  und 

Mutterorgan. 

Die  Beziehung  der  seitlichen  (Jrgnne  zum  Mutterorgan  liat  neben  der  nior- 
l)h(»logischen  jedenfolls  auch  ihre  mechanische  Seite.  Ich  erachte  es  desshalb 
für  meine  Aufgabe,  die  bezüglichen  Verhältnisse  wenigstens  mit  einigen  Worten 
zu  berühren,  obschon  ich  andrerseits  nicht  verkenne,  dass  die  hieher  gehörigen 
Fragen  mit  dem  bisher  eingehaltenen  Ideengang  in  keinem  directen  Zusammen- 
hang stehen.  Die  Befestigung  der  seitlichen  Organe  ist  in  der  That  eine  Sache 
für  sich,  auf  deren  eingehende  Betrachtung  ich  hier  gänzlich  verzichte. 

Was  zunä(;hst  die  Blätter  betrifl't,  so  greifen  ihre  Fibrovasalstränge  beim 
Eintritt  in  den  Stamm  um  so  weiter  nach  den  Seiten  herüber,  je  grösser  das 
Angriffsmoment  an  dieser  Stelle.  Während  die  Hochblätter  der  I^iliaceen, 
Orchideen,  Bananen  etc.  eine  verhältnissmässig  schwache  Blattspur  besitzen, 
deren  einzelne  Stränge  die  Kinde  des  Stammes  in  nahezu  radialer  Richtung 
durchsetzen',  sehen  wir  die  Blattbasis  bei  Palmen ,  Dracaenen  u.  a.  stark  ver- 
breitert und  die  Blattspur  stets  stengelumfassend ,  auch  wenn  es  die  Blattbasis 
nicht  ist.  Die  seitlichen  Spurstränge  verlaufen  in  schief-tangentialem  Bogen 
bis  auf  die  Kückseite  des  Stammes ,  und  sind  dort  durch  Einbiegen  in  den 
festen  peripherischen  Theil  des  Holzkörpers  gleichsam  verankert.  Um  dem 
centrifugalen  Zug  Widerstand  zu  leisten ,  den  das  Gewicht  des  Blattes  in  der 
Umgebung  des  Blattwinkels  hervorruft,  dringen  die  stärksten  Medianstränge 
sofort  in  beinah  horizontaler  Richtung  bis  tief  in  das  Innere  des  Stammes  ein, 
so  dass  sie  den  abreissenden  Kräften  mit  ihrer  vollen  Zugfestigkeit  entgegen- 
wirken. Die  schwächern  Bündel  verlaufen  in  verschiedenen  Abstufungen  und 
meist  in  grosser  Anzahl  schief  nach  unten  und  innen ;  sie  verhalten  sich  ])ei 
ruhiger  Luft  vorzugsweise  wie  Streben,  dem  Winde  gegenüber,  wenn  er  die 
untere  Blattfläche  trifft,  aber  ebenfalls  wie  Zugstangen.  Bei  den  Palmen 
kommt  hiezu  noch  das  Bastnetz  der  Scheiden,  welches  nicht  bloss  dem  Zug 
nach  aussen,  sondern  auch  der  seitlichen  Ausbieguug  des  Blattes  entgegenwirkt. 

Sind  die  Stammorgane  krautartig  und  mit  schwachem  mechanischem  System 
ausgerüstet,  wie  z.  B.  bei  Tradescantia ,  so  findet  in  dem  Knoten  eine  Ver- 
koppelung  sämmtlicher  Bündel  theils  durch  tangentiale,  theils  durch  radiale 
Mestomanastomosen  statt.  Die  eintretenden  Blattspurstränge  schliessen  sich  zum 
Theil  unmittelbar  an  diese  wesentlich  verstärkten  Punkte  des  Systems  an; 
anderntheils  anastomosiren  sie  wenigstens  mit  den  Gefässbündeln  des  Bast- 
ringes ,  um  dadurch  einen  festen  Halt  zu  gewinnen ,  dringen  aber  dann  bis 
gegen  die  Mitte  des  Markes  vor,  wo  sie  bis  zum  nächsten  Knoten  parallel 
verlaufen.  In  Organen,  die  einen  starken  Bastring  besitzen,  sind  dergleichen 
Anastomosen  überflüssig  und  daher  auch  nicht  vorhanden. 

Die  Blattscheiden  der  Gramineen,  Cyperaceen  etc.  sind  für  die  Befestigung 
der  Blätter  am  Stamm  ohne  Bedeutung;  sie  sind  bloss  zum  Schutze  der  Inter- 
nodien  während  der  Streckung,  nicht  der  Spreiten  wegen  da.    Mit  der  Festig- 


'as  inechiiuischo  System  in  Organen,  welclie  der  Uiej-uugsfestigkeit  nicht  bedürfen.    1  :{9 


keit  der  Verbindung  nicht  nur  die  Stärke  der  Scheiden  [Mum]  und  die  Art 
und  Weise,  wie  dieselben  den  Stanini  umfassen,  im  Zusammenhang.  Die 
Anastomosen  im  Knoten  der  Gramineen  dienen  daher  zunäclist  dem  Halm,  nicht 
den  Blättern. 

Die  Befestigung  der  Wurzeln  betretfend,  so  hat  schon  Mo  hl':  gezeigt, 
dass  ihre  Centralbündel  bei  den  Palmen  auf  der  äussern  Schicht  des  Holz- 
körpers sich  in  Form  einer  Scheibe  ausbreiten  und  sodann  in  zahlreiche  einzelne 
Fasern  zerfallen,  welche  strahlenförmig  nach  allen  Seiten  aus  einander  laufen, 
um  zwischen  den  Gefässbündeln  des  Stammes  ins  Innere  desselben  einzutreten. 
Aehnliche  Verhältnisse  fand  er  auch  bei  Drucaenu.  Ich  füge  hinzu ,  dass  ich 
eine  Scheiben-  oder  trichterähnliche  Ausbreitung  der  Wurzelfasern  an  der  Be- 
festigungsstelle und  den  dadurch  bedingten  möglichst  vielseitigen  Anschluss  der 
Faserbiindel  auch  bei  andern  Monocotylen  beobachtet  habe.  Für  zugfeste  Organe 
ist  diess  otfenbar  eine  sehr  zweckmässige  Befestigungsweise. 

A  11  Ii  a  11  g. 

Bemerkungen  Uber  den  Bau  der  Monocotylen  im  Allgemeinen. 

Bevor  ich  die  Monocotylen  ganz  verlasse,  um  mich  der  unabweisbaren 
Frage  zuzuwenden,  inwieweit  die  gewonnenen  Anschauungen  sich  auf  die 
übrigen  Gefässpflanzen  übertragen  lassen,  füge  ich  anhangsweise  noch  einige 
anatomische  und  entwicklungsgeschichtliche  Bemerkungen  bei,  welche  gewisse 
herrschende  Ansichten  auf  das  ihnen  zukommende  Maass  zurückführen  und 
dadurch  znr  richtigen  Auffassung  des  mechanischen  Systems  beitragen  sollen. 

Zunächst  ist  zu  bemerken,  dass  das  Mohl'sche  Schema  des  Gefässbündel- 
verlaufes  nur  bei  denjenigen  Monocotylen  dem  Sachverhalte  entspricht,  bei 
welchen  eine  nachträgliche  Streckung  der  Interuodien  unterbleibt,  also  bei 
Palmen,  Dracaenen,  Pandaneen  u.  dgl.  Und  selbst  hier  sind  es  nur  die  grössern 
Blattspurstränge,  welche  den  bekannten  bogenförmigen  Verlauf  zeigen ;  die  bast- 
reichen Bündel  der  Peripherie ,  aus  welchen  das  mechanische  System  der  ge- 
nannten Pflanzen  vorzugsweise  besteht,  verlaufen  stets  sowohl  unter  sich  als 
mit  der  Axe  des  Stammes  parallel  oder  doch  nahezu  parallel. 

In  den  schaftartigen  Stengeln  mit  Bastring  z.  B.  von  Allium  und  andern 
J Jliaceen  i ,  ebenso  in  manchen  gestreckten  Interuodien,  bilden  die  Mestomstränge 
des  Markes  und  der  Rinde  zwei  physiologisch  getrennte  Systeme.  Da  nänüicli 
der  Bastring  für  wässerige  Lösungen  wenig  oder  gar  nicht  permeabel  ist  und 
die  Mestomstränge  denselben  nicht  durchsetzen,  so  ist  die  Rinde  bezüglich  ihres 
Säfteverkehrs  ausschliesslich  auf  die  Mestomstränge  ausserhalb ,  das  Mark  auf 


1)  H.  v.  Mühl,  Venn.  Schriften,  p.  15«.  Vgl.  auch  p.  172  eine  hierauf  bezügliche  An- 
gabe MirbeJ's. 


110 


II.  Spezielle  Hetnichtmif,^  der  Moiiocotylen. 


diejenigen  innerhalb  des  Ringes  angewiesen.  Mestorastiänge,  welche  sich  ein- 
mal von  aussen  oder  von  innen  an  den  Bastring  augelehnt  haben,  behalten 
diese  Stellung  in  ihrem  weitern  Verlaufe  nach  unten  bei:  so  z.  B.  die  kleinen 
rindenständigen  Bündel  im  Blüthenschaft  von  Ällmm  (Taf.  VIT,  8)  in  ihrem 
ganzen  Längsverlaufe  von  der  Inflorescenz  bis  zur  Basis  des  Schaftes.  Aehnlich 
bei  Juncaceen,  Irideen,  Gramineen  und  andern  Repräsentanten  mit  blattlosen 
Schäften  oder  schlanken  Internodien. 

In  der  Umgebung  der  Mestomstränge  findet  man  hin  und  wieder,  auch 
wenn  das  übrige  Gewebe  farblos  ist,  chlorophyllfUhrende  Zellen,  zum  Theil  in 
scharf  abgegrenzten  kleinen  Gruppen;  so  z.  B.  im  untern  Theil  der  Internodien 
bei  Gramineen,  wo  die  grüne  Rinde  bis  auf  diese  Gruppen,  welche  hier  zu 
beiden  Seiten  der  peripherischen  Gefässbündel  liegen,,  verdrängt  ist.  In  andern 
Fällen,  wie  z.  B.  bei  Papyrus  antiquorum ,  finden  sich  parenchymatische  grüne 
Zellen  sogar  innerhalb  der  Mestomscheide  der  einzelnen  Bündel  in  der  un- 
mittelbaren Umgebung  des  Cambiforms,  jedoch  nur  bei  den  kleineren  peri- 
pherischen Gef ässbündeln  und  den  gcf ässlosen  Cambiformsträngen ;  die  letzteren 
sind  von  den  grünen  Zellen  meist  vollständig  umschlossen.  Als  etwas  Gewöhn- 
liches (auch  bei  Dicotylen)  erwähne  ich  endlich  das  Vorkommen  von  Chlorophyll 
in  den  jungen  Xylemzellen  zwischen  den  primordialen  Gefässen.  Alle  diese  Vor- 
kommnisse deuten  darauf  hin,  dass  die  assimilirenden  und  die  leitenden  Zellen 
(insbesondere  das  Cambiform)  in  einer  hier  nicht  näher  zu  erörternden  Weise 
auf  einander  angewiesen  sind. 

Das  Cambiform  der  Gefässbündel  kommt  zuweilen  in  Lagerungverhältnissen 
vor,  welche  deutlich  zeigen,  dass  die  übliche  Zweitheilung  der  Gefässbündel 
in  Cambiform  und  Holztheil  unstatthaft  ist.  So  zeigt  uns  z.  B.  Bioscorea  sinuata 
zwei  bis  drei  kleine,  durch  Holzzellen  getrennte  Cambiformgruppen  innerhalb 
der  grösseren  Gefässbündel,  und  zwar  radial  hinter  einander,  in  der  Umgebung 
der  Spiralgefässe  überdiess  eine  Gruppe  zartwandiger  Xylemzellen.  Hin  und 
wieder  sind  zwei  benachbarte  Cambiformgruppen  durch  eine  schmale  Brücke 
verbunden,  die  jedoch  an  andern  Stellen  der  Internodien  auch  unterbrochen 
sein  kann.  Dessenungeachtet  bilden  diese  Fibrovasalstränge  stets  ein  sehr 
regelmässig  gebautes  Ganzes ,  das  sich  namentlich  durch  eine  vollständige 
Ringlage  symmetrisch  gestellter  Gefässe  auszeichnet.  Aehnliche,  aber  weniger 
regelmässige  Ringlagen  kommen  auch  in  den  meisten  unterirdischen  Stamm- 
organen vor.  In  den  Rhizomen  von  Paris  quadrifolia  endlich  ist  die  Lagerung 
der  Gefässe  eine  so  eigenthümliche ,  dass  sie  sich  einer  characteristischen  Be- 
zeichnung, etwa  durch  ein  paar  Worte,  vollständig  entzieht;  man  kann  höchstens 
sagen :  die  Gefässe  sind  theilweise  in  Cambiform  und  zartwandiges  Xylera 
eingetaucht. 

Andrerseits  bilden  die  Holzparenchymzellen  sehr  häufig  zwei  scharf  ab- 
gegrenzte Gruppen:  eine  primordiale  mit  zarten  Wandungen,  welche  offenbar 
vorzugsweise  die  Wasserleitung  vermittelt,  und  eine  Mediangruppe  mit  festeren 
Wandungen,  welche  nebenbei  auch  mechanisch  und  zwar  als  Querverspannung 


I.  Das  mechanische  System  in  Organen,  welche  der  Biegnngsfestigkeit  nicht  bedürfen.  141 

zwischen  den  g-vossen  poriiscn  Gefässen  wirksam  ist.  Wir  müssen  demgemäss 
in  anatomiseber  Hinsicht  nicht  bloss  zwei,  sondern  mehrere  Categorieen  von 
Elcnientarorganen  untersclieiden,  deren  Anordnung  in  einzelnen  Fällen  mancherlei 
Al)wei(;hnngen  zeigt.  Aber  alle  diese  verschiedenen  Elenientarorgane  sind 
riieile  einer  höheren  Einheit  und  modelliren  sich  aus  der  cambialen  Anlage 
derselben  allmälig  heraus.  Darum  scheint  mir  eine  gemeinsame  Bezeichnung- 
dieser  zusannnengehörigen  Elemente  vollständig  gerechtfertigt  zu  sein.  Ich 
hätte  hiefür  am  liebsten  die  physiologische  Bezeichnung  »Leitbündel«  gewählt, 
wenn  dieses  Wort  nicht  schon  in  einem  ganz  andern  Sinne  gebräuchlich  wäre. 
Der  Ausdruck  »Mestom«  ist  nicht  gerade  bezeichnend,  aber  er  hat  doch  wenigstens 
das  Gute,  dass  er  die  herkömmlichen  morphologischen  Begriffe  nicht  alterirt. 

Das  mechanische  System  der  Monocotylen  geht  natürlich  aus  einer  besondern 
Anlage  oder,  was  auf  dasselbe  liinauskonnnt ,  aus  einem  besondern  Camlnum 
hervor.  Bei  den  Familien  mit  Bastring  erscheint  demgemäss  auch  die  cambiale 
Anlage  ringförmig:  es  ist  diess  der  »Verdickungsring«  nach  der  Auffassung  von 
Schacht  und  Sanio.  Kleinere  Bastbündel,  wie  sie  im  Mark  und  in  der 
Rinde  auftreten ,  haben  im  Querschnitt  oft  genau  die  Form  und  Grösse  einer 
gewöhnlichen  Parenchymzelle  und  verdanken  thatsächlich  ihre  Entstehung  der 
Theilung  einer  solchen  Zelle  im  jugendlichen  Zustand  (vgl.  Taf.  XI,  1 ,  3 ; 
Taf.  XII,  6).  Der  Theilungsprocess  erinnert  an  die  bekannte  Bildung  der 
Cambiumbündel  im  Meristemring  von  Dracaena. 

Der  vermeintliche  ^Verdickungsring«  war  bekanntlich  eine  Zeit  lang  Gegen- 
stand lebhafter  Erörterungen.  Man  stimmte  im  Allgemeinen  (namentlich  auch 
bezüglich  der  Dicotylen)  darin  überein ,  dass  das  Cambium  der  Gefässbündel, 
wenigstens  der  peripherischen ,  zu  den  Zellen  des  Verdickungsringes  in  irgend 
einer  genetischen  Beziehung  stehe,  wie  diess  nach  Früherem  auch  häufig  genug 
der  Fall  ist ;  aber  in  der  Art  und  Weise,  wie  man  sich  diese  Wechselbeziehung 
vorstellte,  gingen  die  Ansichten  aus  einander.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf 
diese  Gegensätze  näher  einzutreten;  dagegen  glaube  ich  nochmals  betonen  zu 
sollen,  dass  das  mechanische  System,  obschon  öfter  mit  Mestomsträngen  in 
Verbindung,  doch  etwas  im  Princip  durchaus  Unabhängiges  ist,  und  dass  dem- 
zufolge auch  entwicklungsgeschichtlich  von  einer  Gemeinsamkeit  des  Ursprungs, 
wie  sie  z.B.  Sanio')  für  Ruscus  durchzuführen  sucht,  im  Allgemeinen  nicht 
die  Rede  sein  kann,  am  wenigsten  bei  Pflanzen  mit  zahlreichen  markständigen 
Gefässbündeln. 


')  Bot.  Ztg.  IS()3,  pag.  38:{. 


Dritter  Absclniitt. 

Vergleichende  Ausblicke  auf  die  übrigen 

Pflanzenklassen. 


Fünftes  Capitel. 

Die  Dicotylen. 

Das  Studium  der  Moiiocotyleu  hat  uns  bezüglich  des  anatomischen  Baues 
zu  einer  Auffassung-  der  Dinge  geführt,  deren  Tragweite  weit  über  die  Grenzen 
dieser  einen  Pfianzenklasse  hinausreicht.  AVenn  es  wahr  ist,  dass  die  Bast- 
zelleu ,  das  Libriform  und  die  bastähnlichen  Collenchymzellen  bei  den  Mono- 
eotylen  die  spezifisch-mechanischen  Elemente  sind,  deren  Vertheilung  nach  den 
Grundsätzen  der  Mechanik  stattfindet,  so  ist  es  vor  Allem  ein  unabweisbares 
Bedürfniss,  die  Richtigkeit  dieser  Anschauungsweise  auch  für  die  Dicotylen 
darzuthun ;  denn  es  ist  allbekannt,  dass  hier  genau  dieselben  Zellformen  wieder- 
kehren, und  es  wäre  ungereimt,  denselben  nun  eine  andere  Bedeutung  zu- 
schreiben zu  müssen.  Diese  Erwägung  war  es,  welche  mir  Veranlassung  gab. 
eine  gr()ssere  Anzahl  dicotyler  Gewächse  zu  untersuchen,  in  der  Voraussicht, 
die  Schwierigkeiten,  welche  sich  auf  den  ersten  Blick  der  Uebertragung  meiner 
Auffassung  auf  unsere  LaubhJUzer  entgegenstellen,  durch  genauere  Prüfung  der 
Sachlage  beseitigen  zu  können.  Ich  will  es  nun  versuchen,  die  Resultate  meiner 
Beobachtungen,  jedoch  nur  soweit  sie  sich  auf  die  kritischen  Punkte  beziehen, 
in  aller  Kürze  vorzuführen:  eine  spezielle  Beschreibung  des  Dicotylenstammes 
liegt  nicht  in  meiner  Absicht^:. 


')  Ebenso  wenig  finde  ich  Veranlassung,  mich  bei  den  nun  folgenden  Aufstellungen  in 
Erörterungen  über  einschlägige  Beobachtungen  anderer  Autoren  einzulassen.  Ich  hätte  z.  B. 
die  sorgfältigen  Untersucliungen  Sanio's  über  die  Zusammensetzung  des  Holzkörpers  und 
über  endogene  Gefässbiindelbildung  (Bot.  Ztg.  1863  und  1804!  hin  und  wieder  benutzen  und 
auf  die  dort  gegebenen  Deutungen  näher  eintreten  können  ;  ich  habe  darauf  verzichtet,  weil 
es  sicli  ja  nicht  um  diese  oder  jene  einzelne  Thatsache,  sondern  um  eine  wesentlicli  neue 
Auffassung  der  Verhältnisse  handelt.  Um  diese  Auffassung  zu  motiviren ,  rausste  ich  mit 
eigenen  Augen  sehen;  die  citirten  Beispiele  stützen  sich  denn  aucli  durcligehends ,  wo  das 


5.  Dio  Dicotylon. 


1.    Ba st bi  1  düngen  in  der  Rinde. 

Erste  Gruppe:  Stammorgane  mit  Bastring.  Den  Ansehliiss  der 
Dieotylen  an  die  Monocotylen  vermitteln  mit  Rücksicht  auf  das  mechanische 
System  diejenigen  Gattungen,  welche  (ausserhalb  des  Verdickungsringes  oder 
der  Cambiumbündel)  einen  continiiirlichen  Bastring  besitzen.  Der  Querschnitt 
gewährt  hier  ungefähr  dasselbe  Bild,  wie  .bei  den  einheimischen  Orchideen  und 
andern  Monocotylen,  deren  Mestomstränge  ebenfalls  eine  einfaclie  oder  doppelte 
Ringlage  innerhalb  des  Bastringes  bilden.  —  Hieher  gehören  folgende  Gattungen, 
von  denen  ich  zum  Theil  mehrere  Arten  untersucht  habe :  bei  den  strauchartigen 
sind  die  jungen  Triebe  zu  verstehen : 

Heiichera^  ISaxifracja.  Aristolochia,  Thalictrmn  glcmcum.,  Anemone,  Lychnis, 
Saponaria,  Süene,  Tunica,  Dianthus,  Phytolacca,  Clienopodium,  Hahlitzia, 
Boussing aultia,  Hoiittuijnia ,  Epimedium.  Berheris,  Mahonia,  Pelargonium. 
Geranium,  Glaux ,  Primtda,  Trientalis ,  Hottonia,  Cortusa .  Plantago. 
Statice ,  Plumhago ,  Armeria,  Lonicera ,  Geum,  Agrimonia,  Lagenariu) 
Erhalium ,  Thladiantha ,  Pilogyne ,  Polygonum.  Bistorta ,  Mühlenherkia, 
Corroloha  platyclada.  Papaver,  Koelreuteria  u.  a.  Sapindaceen. 

Also  eine  sehr  ansehnliche  Zahl  von  Repräsentanten,  die  sich  zum  Theil 
eng  an  die  Monocotylen  anschliessen.  Manche  derselben  besitzen  ausser  dem 
Bastring  noch  subepidermale  Collenchymplatten ,  die  namentlich  bei  den  Cu- 
curbitaceen sehr  stark  entwickelt  sind.  Die  Mestomstränge  lehnen  sich  bald 
von  innen  an  den  Bastring  an,  bald  liegen  sie  isolirt  im  Mark.  Im  erstem 
Fall  bildet  der  Bastring  zuweilen  VorsprUnge  nach  innen,  welche  sich  an  das 
Cambiform  des  Mestomstranges  anlegen  (Taf.  XIV,  7)  oder  dasselbe  vollständig 
umschliessen ,  zuweilen  sogar  in  dasselbe  eindringen  [Geranium  pyrcnaieum} . 
Hie  und  da  finden  sich  auch  im  Innern  des  Ringes  kleine  Gefäss-  oder  Cambi- 
formbündel,  ganz  wie  bei  den  Monocotylen;  so  z.  B.  bei  Saxifraga  ligulaia^ 
Plantago  lanceolata,  Statice  latifolia  (Taf.  XIV,  Fig.  2),  Armeria  plantaginea. 
Ist  der  Stamm  mehrjährig,  so  wird  dieser  Bastring  später  (oft  schon  im  zweiten 
Jahr)  entweder  in  melirere  Stücke  aus  einander  gesprengt,  die  dann  noch  eine 
Reihe  von  Jahren  Bestandtheile  der  l^inde  bleiben  [Mühlenheckia  sagittifolia 
und  varians,  Aristoloehia  Sipho ') ,  oder  er  wird  durch  Korkbildung  abgeworfen 

(regentheil  nicht  ausdrücklich  angegeben ,  auf  eigene  Beobachtungen.  Ob  ich  dabei  gewisse 
Lagerungsverhältnisse  zum  ersten  Mal  gesehen  oder  bloss  eine  längst  bekannte  Saclie  durch 
Autopsie  constatirt  habe,  ist  völlig  gleichgültig.  Aus  diesem  Grunde  glaubte  ich  einer 
speziellen  Berücksichtigung  früherer  Angaben ,  da  sie  doch  nur  die  rein  anatomische  Seite 
meiner  Darstellung  berühren,  überhoben  zu  sein. 

Man  darf  hiebei  nicht  übersehen,  dass  Aristolnchia  Sipho  und  Mühlenbeckin  Schling- 
pflanzen sind ,  die  nur  in  den  jungen  Trieben  biegungsfest  zu  sein  brauchen.  Diese  sind 
denn  auch  mit  einem  sehr  starken  Bastring  ausgestattet.  —  Bei  Mühlcnheckia  tritt  später 
Hornparenchym  in  die  Lücken  des  Bastringes,  woraus  hervorgeht,  dass  derselbe  für  die 
PHanze  nach  wie  vor  eine  gewisse  mechanische  Bedeutung  hat.  Wahrscheinlich  soll  er  die 
Rinde  "-eo-on  radiale  Druckkräfte  schützen.   Aehnlich  bei  Koelreuteria  und  andern  Sajjindaceen. 


144 


III.  Vergleiclieiule  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflanzenklassen. 


[Berberis,  Lonicera),  sobald  das  LibrilV)vm  die  eiforderliclie  Festigkeit  erlangt 
hat.  Die  Ptlauze  verlegt  hier  schon  im  zweiten  Jahr  ihre  mechanischen  Zellen 
vorzugsweise  innerhalb  des  Verdickungsringes  in  das  sogenannte  Xylem,  offen- 
bar zu  dem  Zwecke,  den  jährlich  wiederkehrenden,  durch  Peridermbildung  be- 
diugten  Verlusten  an  Material  vorzubeugen.  In  der  Rinde  treten  fortan  bloss 
noch  einfache  Tangentialreihen  [Berberis)  oder  kleine  Gruppen  von  Bastzellen 
auf,  welche  augenscheinlich  nicht  mehr  der  Biegungsfestigkeit,  sondern  nur  noch 
local-mechanischen  Zwecken  dienen. 

Das  Vorkommen  eines  Bastringes  scheint  fUr  manche  natürliche  Familie 
characteristisch ,  wenn  auch  nicht  gerade  absolut  durchgreifend  zu  sein,  so 
z.  B.  für  die  Chenopodiaceen,  Cucurbitaceen,  Berberideen,  Sileneen  etc.  Andere 
Familien,  wie  die  Ranunculaceen,  Polygoneen,  Lonicereen  etc.  zeigen  dagegen 
diese  Uebcreinstimnmng  nicht.  Während  z.  B.  Loniccra  und  Caprifolkim  einen 
f()rmlichen  Bastring  entwickeln,  der  höchstens  an  einzelnen  Stellen  kleine  Unter- 
brechungen zeigt,  stellen  sich  diese  Unterbrechungen  bei  Leycestria  zwischen  den 
grossen  Gefässbündeln  regelmässig  ein,  hmd  bei  Weigelia  treten  die  BastzcUen 
nur  noch  in  kleinen  Gruppen  auf.  Doch  diess  nur  nebenbei ;  es  lag  ausserhalb 
meiner  Aufgabe,  dergleichen  Abstufungen  weiter  zu  verfolgen. 

Als  Curiosum  mag  noch  erwähnt  werden,  dass  der  Bastring  von  Coecoloba 
platyclada  mit  starken  Rippen  versehen  ist,  welche  in  der  Regel  bis  zur  Epi- 
dermis vorspringen.  Es  ist  das  gewissermaassen  eine  Wiederholung  des  Gra- 
mineentypus, wofür  ich  unter  den  Dicotylen  kein  zweites  Beispiel  anzuführen 
wüsste. 

Zweite  Gruppe:  Stammorgane  mit  einer  Ringlage  von  Bast- 
bündeln, die  später  abgeworfen  werden.  Wir  begegnen  hier  gleich- 
sam einem  in  zahlreiche  Bündel  aufgelösten  Bastring.  Diese  Bündel  bilden  das 
primäre  mechanische  System ,  welches  später  durch  den  Holzring  ersetzt  wird. 
Sobald  der  letztere  hinlänglich  erstarkt  ist,  hört  die  Bastbildung  vollständig 
auf;  es  entstehen  jetzt  höchstens  noch  Gruppen  dickwandiger  Parenchymzellen 
in  der  secundären  Rinde,  von  denen  aber  jedenfalls  soviel  feststeht,  dass  sie 
mit  der  Biegungsfestigkeit  in  keiner  Beziehung  stehen,  weil  sie  niemals  conti- 
nuirliche  Stränge,  sondern  bloss  isolirte  Nester  bilden.    Hieher  gehören: 

Paulovmia  imperialis ,  Periplora  graeca ,  Nerimn  Oleander ,  Cornus  san- 
gtiinea,  Ii/ms  Cotinus,  Mermpermum  canadense,  Alnus  imperialis:  Nach 
Han stein!)  ^^(j  Schacht 2)  ferner:  Platanus,  Acer  rampestre  (einige 
Jahre  Bast,  dann  nicht  mehr),  Fayus,  Betida,  Viseuni. 

Die  erwähnten  Hornparenchymzellen  finden  sich  z.  B.  bei  Fayus,  Paidowniia, 
Cornus  etc. 


')  Hanstein,  Untersuchungen  über  den  Bau  und  die  Entwicklung  der  Baumrinde. 
■-)  Schacht,  Der  Baum. 


5.  Dio  Dicotylcn. 


115 


Dritte  Gruppe:  Einfache  lvini2,lage  von  Bastbiindeln  im 
ersten  J  a  lir ,  später  bloss  einzelne  zerstreute  Bastzellcn  und 
kleine  Gruppen  von  solchen.  Von  der  vorhergehenden  Gruppe  bloss 
dureli  die  nicht  vollständig-  unterdrückte  liastbildung-  der  späteren  Jahre  ver- 
schieden.   Hieher  gehih'cn : 

Vlmus  cumpcstris .  Aesculus  Ilippocastanum,  Fterocanja  caucasicu,  Booh- 
mcria  nwea.  Glycine  sinensis,  Cijtisus  Lahurnmn.  Maclura  aurantiaca. 

Einzelne  dieser  Pflanzen  entwickeln  in  der  secundären  Rinde  ausser  den 
Bastzellen  auch  Horuparenchyni  in  grössern  oder  kleinem  Nestern.  Bei  Cytisus 
Labur/mm  kommen  hiezu  noch  die  zahlreichen  tangential  verlaufenden  Zonen 
von  abgestorbenem  Cambiform ,  welches  mit  dünnwandig'em  liindenparenchym 
abwechselt.  Die  si)ärlichen  Bastzellen  legen  sich  gewöhnlich  an  diese  ab- 
g-estorbenen  und  bis  zum  Verschwinden  des  Lumens  zusannneugedrUckten  oder 
verzerrten  Cambiformzellen ,  welche  gewissermaasseu  den  Bast  zu  ersetzen 
scheinen,  an.  Auf  Längsschnitten  erscheinen  diese  eigenthümlichen  Cambiform- 
stränge  in  Abständen  von  ca.  120  bis  MO  Mik.  knotig  verdickt;  es  sind  das 
die  Stellen,  welche  den  Querwänden  entsprechen.  —  Aehnlich  verhält  sich 
auch  Cytisus  sessilifolius ;  nur  ist  die  Zahl  der  nachträglich  entstandenen  Bast- 
zellen hier  relativ  grösser,  sie  bilden  kleine  Gruppen,  welche  sich  häufig  nicht 
bloss  an  abgestorbenes  Cambiform,  sondern  auch  an  gelbliches  Hornparencliym 
anschliessen.  Einzelne  Bastzellen  laufen  übrigens  hier  wäe  dort  mitten  im 
parencliymatischen  Gew^ebe  aus ,  ohne  sich  an  andere  anzuschliessen ,  woraus 
deutlich  genug  hervorgeht,  dass  sie  mit  der  Biegungsfestigkeit  des  Stammes 
Nichts  zu  thun  haben.  Alle  diese  Thatsachen  sprechen  zu  Gunsten  meiner 
Auffassung ,  wonach  nur  der  primäre  Bast  zum  biegungsfesten  System  gehört, 
während  der  spätere  bloss  mit  Bezug  auf  die  Kinde,  vielleicht  speziell  für  das 
Cambiform,  eine  gewisse  Bedeutung  hat. 

A'^ i e r t e  Gruppe:  Mit  starker  B a s t b i  1  d u n g  au c h  in  s j) ä t e r e n 
Jahren.  Ich  gestehe,  dass  diese  Gruppe  mir  Anfangs  manche  Bedenken 
erregte,  da  es  mir  fraglich  erschien,  ob  so  starke  Bastbelege,  wie  sie  z.  B. 
bei  der  Linde  vorkommen,  bloss  den  localen  Bedürfnissen  des  Rindengewebes 
entsprechen.  Es  bleibt  mir  indessen  keine  andere  Annahme  übrig,  da  jede 
Bastbildung  in  der  Rinde  bei  einem  ältern  Baume ,  dessen  ganze  Widerstands- 
kraft ihren  Sitz  im  Holzkörper  hat.  mit  Bezug  auf  Biegungsfestigkeit  durchaus 
irrationell  ist.  Damit  soll  natürlich  nicht  gesagt  sein ,  dass  solche  Bastlagen, 
wenn  sie  einmal  da  sind,  nicht  ebenfalls  das  Ihre  zur  Erhöhung  der  Festigkeit 
beitragen ;  allein  ihre  Anlage  ausserhalb  der  Hauptmasse  der  mechanischen 
Zellen ,  in  der  Eigenschjift  als  Trägerelemente ,  bleibt  nichts  desto  weniger 
widersinnig  und  muss  daher  noth wendig  durch  andere  Rücksichten  bedingt  sein. 
Dafür  spricht  übrigens  auch  der  Umstand,  dass  diese  Gruppe  von  der  vorher- 
gehenden keineswegs  scharf  abgegrenzt,  vielmehr  durch  alle  möglichen  Ueber- 
gängc  mit  derselben  verbunden  ist.    Die  Anordnung  der  Bastbündcl  ist  überdiess 

Seil  w  6  n  do  ner ,  Das  inechaiii.suhe  Priiieip. 


146 


III.    Vergleichende  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflanzenklassen. 


(liircligchends  dieselbe:   sie  iiininit  mich  in  den  bastreiclisten  Rinden  keinen 

wesentlich  andern  Character  an. 

Ausser  der  Linde  j^ehören  hiehcr  noch  folgende  baumartige  Pflanzen: 
?[af/iioUa  Yidan,    FAiralyptus  GlobuUis ,   Crataegus  7nonogyiia,  Castanea 
ccara.  Ehteaynus  aatioa,  Jur/lans  nigra.   Vitis  vinifera,  Clematis  Vitalba, 
Querem  liohur. 

Bezüglich  der  Bastbildnng  bei  Vitis  nnd  Clematis  glaube  ich  noch  speziell 
auf  den  Unterschied  zwischen  den  starken  primären  Bastbündeln  und  den 
späteren  bandartigen  Bastbelegen  hinweisen  zu  sollen.  Die  i)riniären  Bastbündel 
bilden  die  Pfosten  eines  biegungsfesten  Gerüstes,  dessen  die  Pflanze  im  ersten 
Jahre  bedarf:  die  spateren  haben  einen  andern  Zweck  und  sind  daher  auch 
anders  gebaut. 

Gehen  wir  von  der  Idee  aus,  die  Bastbündel  der  späteren  Jahre  seien  als 
schützende  Belege  für  das  Canibiform,  d.  Ii.  für  die  Siebröhren  und  die  paren- 
chymatischen  Gitterzellen  zu  betrachten,  so  hätte  man  sich  die  Sache  folgender- 
maassen  vorzustellen.  Das  junge  Canibiform  erhält  zunächst  eine  einfache, 
aus  zw^ei  bis  drei  Zellschichten  bestehende  Bastbekleidung.  Dasselbe  nimmt 
jedoch  in  Folge  des  Zuwachses  von  innen  allmälig  an  Mächtigkeit  zu ,  die 
schützende  Bastzone  rückt  weiter  nach  aussen,  und  so  entsteht  für  die  inneren 
Schichten  des  Cainbiforms  das  Bedürfniss  nach  Erneuerung  der  Bastplatte. 
Diesem  Bedürfniss  wird  entsprochen,  indem  der  Canibiuniring'  eine  zweite  Bast- 
schicht abscheidet.  Dieser  Process  kann  sich  im  Laufe  der  Vegetationsperiode 
noch  ein  drittes  und  viertes  Mal  wiederholen ,  so  dass  jede  Jahresschicht  der 
secundären  Kinde  drei  bis  vier  tangentiale  Bastreihen  erhält.  Die  nämliche 
Betraclitungsw^eise  lässt  sich  auch  auf  die  vorhergehende  und  auf  manche  nach- 
folgende Gru^tpe  ausdehnen ') . 

Fünfte  Gruppe:  Mit  subepiderm  alen  Bastrippen.  Unter  den 
Bastbildungen  der  Kinde  steht  das  Auftreten  von  subepidermalen  Bastrippen 
ziemlich  vereinzelt  da.  Mir  sind  bloss  zwei  Beispiele  hiefür  bekannt,  nämlich 
Casnarina  und  Russelia.  Bei  Casuarina  legen  sich  diese  I-vipjien,  etwa  8  bis 
10  an  der  Zahl,  mit  breiter  Basis  an  die  Epidermis  (oder  an  eine  oder  zwei 


1)  Für  die  Berechtigung  obiger  Idee  im  Allgemeinen  sprechen  hauptsächlich  folgende 
Punkte:  l)  die  Analogie  mit  den  Monocotylen ;  2)  das  A'orkoninien  von  Bastbelegen,  welche 
augenscheinlich  keine  andere  Bedeutung  haben  als  die  bezeichnete,  so  z.  B.  bei  den  mark- 
ständigen ]iiindeln  der  Passifloren,  Aralicen  und  Piperacecn,  sowie  bei  den  kleinen  Cambi- 
fonnst rängen,  die  sich  bei  Hypochocris  u.  a.  von  aussen  an  den  Libriformring  anlehnen; 
;j)  das  Vorkommen  von  schützenden  Belegen  aus  dickwandigem  Parenchym  auf  der  Innen- 
seite der  Gefässbündel  im  Fruchtstiel  von  Cucurbita  Mclopepo ,  welche  für  das  Cambiform 
das  Bedürfniss  nach  Schutz  constatiren;  4)  das  regelmässige  Auftreten  der  fraglichen  Bast- 
zonen in  der  Rinde  ,  welches  namentlich  bei  den  Gymnospermeu  [.hmiperus ,  Wellingtonia 
etc.)  sehr  augenfällig  ist,  indem  z.  B.  je  die  3.  oder  4.  Zelle  einer  radialen  Reihe  zur  Bast- 
zelle wird,  das  aber  auch  bei  mehrschichtigen  Bastzonen  sich  hin  und  wieder  recht  deutlich 
ausspricht. 


5.  Die  Dicotylen. 


147 


Lagen  subepidermaler  l^irciiclivinzelleiij  an  nnd  s[tringcn  nach  innen  ins  grüne 
Pareneliyni .  zuweilen  bis  zur  farblosen  Kinde  spitz  vor.  Zwischen  die  Bast- 
zellen sind  übrigens  merkwürdiger  Weise  Längsreihen  farbloser,  dünnwandiger 
rarencbvnizelleu  eingelagert,  Avelche  auf  Querschnitten  als  dunklere  Stellen 
erscheinen.  Nach  der  Erstarkung  des  llulzkörpers  sind  diese  Rippen  Über- 
flüssig; sie  werden  daher  durch  Teridennbildung  abgeworfen').  —  Ihisselia 
juncea  verhält  sich  ähnlich :  nur  sind  die  l\ii)pen  kleiner  und  von  al)weichender 
Qucrschnittsforni.  An  den  mir  zur  Verfügung  stehenden  ältern  Zweigen  Avaren 
dieselben  zum  Theil  durch  Abblätterung  der  Epidermis  verschw^mden ,  ohne 
dass  Peridermbildung  stattgefunden  hätte. 

2.    Uebergänge  zum  intracambialeu  Libriformring. 

Sechste  Gruppe:  Das  Cambium  der  Gefässbüiidel  theils  dem 
i  n  n  e  r  n  ,  theils  dem  äussern  0  o  n  t  o  ii  r  des  mechanischen  Ii  i  n  g  e  s 
anliegend  oder  in  den  Ring  selbst  eingebettet.  Zwischen  den  Dico- 
tylen mit  ßastring  und  den  hier  zu  besprechenden  Pflanzen  gibt  es  mannigfache 
liebergänge.  Während  z.  B.  manche  Chenopodiaceen  einen  normalen  Bastring 
besitzen ,  an  dessen  Innenseite  sich  die  Gefässbüudel  anlehnen ,  zeigt  schon 
Blititm  Bonus  Henricus  ein  Verhalten .  w' elches  den  Uebergang  zur  intracam- 
bialeu Libriformbildung  vermittelt  (Taf.  XIV,  1).  Der  Bastring  springt  hier 
zwischen  den  Cambiformsträngen  nach  innen  vor  und  setzt  sich  beiderseits  an 
die  Vasali)artie  der  Gefässbüudel  an.  Denken  wir  uns  also  eine  tangentiale 
Linie  mitten  durch  die  Candjiformgruppen  geführt  und  dadurch  den  mechani- 
schen Ring  in  zwei  Theile  getheilt,  so  ist  der  peripherische  Theil  ein  normaler 
Bastring ,  der  innere  ein  intracambialer  Libriformring,  wie  er  thatsächlich  bei 
manchen  Pflanzen  vorkommt,  wobei  zu  bemerken,  dass  ein  anderer  Unterschied, 
als  der  der  Lage,  hier  ebensowenig  besteht  als  bei  Bonus  Henricus. 

Aber  noch  interessantere  Zwischenstufen  finden  sich  bei  einigen  Compo- 
siten.  Ich  hebe  hier  namentlich  Ihjporhoeris  radicata  hervor,  wo  die  grösseren 
Gefässbündel  innerhalb,  die  kleineren  ausserhalb  des  mechanischen  Ringes  lie- 
gen (Taf.  XIV,  3).  Auch  Coreopsis  grandifiora ,  GaiUardia  \\.  a.  bieten  ähn- 
liche Querschnittsansichten ,  mit  Bezug  auf  Anschluss  der  Bastsicheln  an  den 
intracambialeu  Libriformring  auch  Ästrantia  major  (Taf.  XIV,  8;  nnd  Lysi- 
machia  vulgaris. 

Siebente  Grup])e:  Isolirte  Gefässbündel  mit  Bast  sich  ein 
auf  der  Innen-  und  Aussenseite.  Eine  zw'eite  Reihe  von  Uebergängen 
bilden  diejenigen  Stammorgane,  deren  Fibrovasalstränge  zwar  normale  Bastbe- 


')  Dasselbe  Schicksal  erfahren  auch  die  siibepidennalen  Rippen  von  AIncs  cxccisa  und  IJpfit  - 
dra,  wovon  später  die  Rede  sein  wird,  desgleichen  die  Rippen  nebst  Bastrinj;-  von  Coccnloba 
plati/clada ,  welche  der  ersten  Unippe  beigezählt  wurde.  —  Ueber  die  Peridermbildung  bei 
Casitarina  vgl.  Saiiiu  in  PringöliL-im'd  Jahrbücliern,  Ud.  II. 

10* 


148  III.  Vergleicliende  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflanzenklassen. 

klcidungen  auf  der  Ausseiiseite  besitzen ,  die  aber  auch  auf  der  Innenseite  mit 
ähnlichen  und  oft  ebenso  starken  Belegen  ausgestattet  sind.  Das  mechanische 
System  besteht  hier  wiederum,  wie  bei  manchen  Monocotylen,  aus  peripheri- 
schen Trägern,  deren  Gurtungen  durch  Mestom  unter  sich  verbunden  sind.  Hin 
und  wieder  schieben  sich  einzelne  Libriformzellen  mit  Porenhöfen,  zum  Theil 
auch  mit  durchbrochenen  Querwänden,  zur  Verstärkung  des  Mestoms  in  den 
peripherischen  Theil  der  Vasali)artie  herein,  wo  sie  nebenbei  auch  die  Durch- 
lüftung vermitteln.    Hieher  gehören: 

Rheum  undidatum,  Pohjfjoimm  salignum  ^stellenweise;  ,  Senecio  coriaceus, 
Scorzonera  ladocarpa,  Silphmm  perfoliaUmi.  EcUnops  bannaticus  ^) . 

Die  Parenchymstrahlen  zwischen  den  Fibrovasalsträngen  bestehen  zuweilen 
aus  dickwandigen  porösen  Zellen,  welche  die  isolirten  Träger  zu  einem  festen 
Hohlcylinder  verbinden  [Echinopti) ,  —  Lassen  wir  hier  die  äussern  Belege  all- 
niälig  kleiner,  die  inuern  dagegen  grösser  werden  und  bis  zur  Verschmelzung 
in  tangentialer  Richtung  sich  ausdehnen,  so  entsteht  abermals  ein  intracambialer 
Libriformring. 


3.   Intracambialer  Libriformring  ohne  Markstrahlen. 

Achte  Gruppe:  Ohne  Bast  auf  der  Aussenseite  des  Cambiums 
oder  Cambiforms.  Im  Libriform,  zwischen  den  Mestonisträngen, 
keine  Ge fasse.  Das  mechanische  System  ist  hier,  an  und  für  sich  betrach- 
tet, dasselbe  wie  bei  der  ersten  Gruppe  und  wie  bei  den  Monocotylen  mit 
Bastring;  nur  die  Stellung  zum  Cambium  der  Gefässbündel  (oder  zum  »Cam- 
biummantel«)  ist  eine  andere.  Die  Zellen  des  Ringes  sind  in  vielen  Fällen 
ächte  Bastzellen  von  0,7  bis  1  Mill.  Länge  und  darüber,  nicht  selten  aber  auch 
beträchtlich  kürzer.  Uebergänge  zu  Gefässen  kommen  hier  nicht  vor;  die 
Elemente  des  Mestoms  bilden  stets  geschlossene  Stränge ,  wie  bei  den  Mono- 
cotylen. Nur  die  Libriformzellen,  Avelche  sich  zuweilen,  zumal  in  stärkeren 
Gefässbündeln ,  zwischen  das  Cambiform  und  die  zugehörige  Vasalpartie  des 
Mestoms  einschieben,  sind  theihvcise  mit  Porenhöfen  ausgestattet  und  dadurch 
für  eine  ergiebigere  Durchlüftung  eingerichtet.    Hicher  gehören: 

Tropae(dum  majus  (Laubstamm) ,  Impatiens  Nolitaugere,  Centranthus  ruber ^ 
Tragopogon  spec,  Cachrys  [Daiicus)  littoralis ,  Sedum  reßexum,  altissi- 
mum  u.  a.  ^)  'Echeveria  retusa,  Mescmbnjanthemum  rubricaiile  u.  a. 
Arten. 

Der  Laubstamm  von  Tropaeolum  majas  ^  den  ich  schon  früher  als  beach- 

')  Auch  manche  Holzgewäclise,  wie  z.  B.  Cocculus  lanrifulius ,  verlialten  sicli  im  Wesent- 
lichen ebenso.  Sie  haben  starke  Bastsiclieln  auf  der  Aussen-  und  Innenseite  der  Gefäss- 
bündel ;  nur  ist  das  Mestom  in  viel  höherem  Grade  von  Libriformzellen  durchsetzt.  —  Aehn- 
lich  bei  Poli/f/otiwn  cuspidatmii . 

■-;  Bei  grösserer  Dicke  des  Libriformringes  treten  im  Innern  desselben  scharf  abgegrenzte 
Mestomgruppen  auf,  so  z.  B.  bei  Seduni  praeultum. 


5,  Die  Dicotyleu. 


149 


tenswertlies  Beispiel  anfiilirtc.  verdient  in  der  Tliat  besondere  Erwähnung-, 
weil  er  liinsiclitlich  der  Lage  des  Kinges  -zum  Cunibiuni  der  GefUssbiindel  sich 
vom  BlUthenstiel  unterscheidet.  Der  letztere  verhält  sich  wie  der  Blattstiel  und 
gehört  mit  diesem  in  die  erste  Gruppe.  —  Mesemhryauthcmum  zeichnet  sich 
durch  mancherlei  Eigenthümlichkeiten  des  Baues  aus.  deren  nähere  Beschrei- 
bung indess  nicht  hieher  gehört. 

Neunte  Gruppe:  Mit  grösseren  oder  kleineren  Bastbelegen 
auf  der  Aussenseite  des  Cambiforms;  alles  Uebrige  wie  bei  der 
vorhergehenden  Gruppe.  Die  peripherischen  Gefässe  sind  oft  vollständig 
in  Libriform  eingebettet,  die  zwischen  den  Bündeln  liegenden  Librifornizonen  aber 
ohne  Gefässe.    Hieher  gehören: 

Erynginm  planum,  ältere  Internodien  mit  Markstrahlen,  aber  keine  durch- 
gehenden :  Hieracium  praealtum ;  Piper  nigrum ,  Macropiper  exceUum 
(ältere  Stadien  dieser  Piperaceen  mit  breiten  Markstrahlen,  die  aber  den 
ursprünglichen  Libriformring  nicht  durchsetzen)  ,  rhysosiegia  speciosa. 
Astrantia  major,  Bcgonia ßoribunda  (zahlreiche,  aussen  Libriform  führende 
Gefässbündel  durch  gefässfreie  Librifornizonen  tangential  verbunden,  Taf. 
XIV,  5),   Urtica  dioica.  Passiflora  trifasciata . 

Zwischen  der  achten  und  neunten  Gruppe  gibt  es  alle  nur  denkbaren  Ile- 
bergänge,  indem  nicht  selten  die  nämliche  Pflanze  in  ihren  stärkern  Exemplaren 
kleine  Bastbelege  aufweist,  indess  die  schmächtigeren  an  deren  Stelle  höchstens 
langzelliges  Collenchym  entwickeln.  Die  Bastbelege  der  neunten  Gruppe  sind 
überdiess  selten  so  stark,  dass  man  sie  als  Constructionstheile  des  mechanischen 
Systems  zu  betrachten  hätte.  Bei  einigen  Repräsentanten  der  beiden  Gruppen 
wäre  überhaupt  die  Eintheilung  nach  einem  andern  Princip  naturgemässer.  Der 
Libriformring  ist  nämlich  bei  Passiflora.  Piper.  Tragopogon  etc.  nicht  bloss 
intracambial,  sondern  auch  intravasal ,  indem  er  sich  in  nahezu  gleichmässiger 
Stärke  auf  der  Innenseite  der  primordialen  Gefässe  hindurchzieht.  Bei  Begonia, 
Urtica  u.  a.  liegen  dagegen  die  primordialen  Gefässe  innerhalb  des  Kinges: 
die  Gefässbündel  bilden  hier  die  nach  aussen  und  innen  vorspringenden  Pfeiler 
des  mechanischen  Systems,  und  das  gefässlose  Libriform  stellt  bloss  die  Ver- 
bindungen zwischen  ihren  Seitenflächen  her').  Allein  der  Zweck  meiner  Grup- 
pirung  ist  nicht  die  Aufstellung  natürlicher  Gruppen  im  Sinne  der  Systematiker, 
sondern  die  Veranschaulichung  der  mannigfachen  Uebergänge  vom  extracam- 
bialen  Bastring  zum  normalen  Holzring  der  typischen  Dicotylen.  Mit  Rücksicht 
hierauf  hat  der  intravasale  Libriformring  von  Passiflora  etc.  keine  besondere 
Bedeutung.    Ebensowenig  konnte  für  mich  die  Länge  der  mechanischen  Zellen. 


1)  Auf  Durchschnitten  duicli  ältere  Stämnichen  von  Begovia  sprangen  zw.ar  die  gefiiss- 
fiihrenden  Partieen  des  Libriforniringes  nach  aussen  nicht  und  nacli  innen  nur  wenig  vor;  sie 
waren  jedoch  in  Folge  der  stärkeren  Verdickung  der  Wandungen  immer  noch  die  Pfeiler  des 
Systems.    Das  Libriform  hatte  hier  eine  Mächtigkeit  von  1  i\Iillinieter. 


Iii.  Vergleichende  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflanzenklasseu. 


die  z.  B.  bei  Bvgoma  nuv  gering,  bei  Passijiora  und  Tragopogon  dagegen  sehr 
bedeutend  ist,  maassgebcnd  sein. 

Beiläufig  mag  liier  nocli  die  Bemerkung  wiederholt  werden,  dass  Passiflora 
trifasciata  G  markständige  Gefiissbiindel  besitzt,  welche  auf  der  Innen-  und 
Aussenseite  mit  kleinen  Bastbelegen  zum  Schutze  der  leitenden  Zellen  ver- 
sehen sind. 

Als  Uebergänge  zur  10.  und  II.  (oder  auch  zur  12.)  Gruppe  liessen  sich 
einzelne  Labiaten  anführen,  welche  nur  in  den  Ecken  Parenchynistrahlen  zeigen, 
an  den  Seiten  dagegen  nicht  oder  nur  ausnalimsweise  [SmtelJaria  costaricana)  ^ 
uiul  wo  auch  die  Gefässe  vorwiegend,  wenn  auch  nicht  ausschliesslich,  auf  die 
Ecken  vertheilt  sind,  so  zwar,  dass  die  eine  oder  andere  Seite  oft  gar  keine 
Gefässe  besitzt.  Auch  andere  Labiaten,  wie  z.  B.  Saida  tricolor .  welche  in 
den  ältern  Trieben  ausser  den  vier  kantenständigen  Mestomsträngen  noch  vier 
kleinere  seitenständige  aufweisen,  gehiu'cn  in  diese  vermittelnde  Reihe,  da  das 
zwischenliegende  Libriform  gewöhnlich  mestomfrei  ist.  Weitere  Uebergangs- 
formen ,  aber  von  wesentlich  anderer  Art,  findet  man  ])ei  den  verschiedenen 
Vertretern  der  Gattung  Mühlenheckia.  Junge 'Triebe  besitzen  hier  stets  —  so- 
weit wenigstens  meine  Untersuchungen  reichen  —  einen  continuirlichen  Bastring 
und  innerhalb  desselben  einen  Kranz  von  zahlreichen  Mestomsträngen ,  welche 
durch  Libriform  mit  einander  verbunden  sind.  Dadurch  kommt  ein  intracam- 
bialer  Libriforiiiring  zu  Stande.  wel(;her  in  der  Folge  vom  Verdickungsring  aus 
neuen  Zuwachs  erhält.  Gefässe  und  Parenchymzellen  treten  hiebei  allerdings 
nur  im  Kadius  der  jirimären  Mestombüudel  auf;  da  jedoch  der  tangentiale  Ab- 
stand dieser  Gefässreiheii  nur  klein  ist,  so  hat  die  Querschnittsansicht  des 
Libriformringes  mit  derjenigen  der  10.  Grujipe  viel  Aehnlichkeit.  Bei  fortge- 
setztem Dickenwaclisthuin  kommen  endlich,  wie  bei  den  oben  erwähnten  Pipera- 
ceen ,  noch  mehrschichtige  Markstrahlen  hinzu,  die  aber  den  primären  Libri- 
formring  nie  durchsetzen.  So  z.  B.  bei  M'dliJenhechia  sagiffifoUa.  Eine  andere 
Polygonee.  die  schon  wiederholt  genannte  Coceoloha  platyclada.  hat  durchgehende 
Markstrahlen. 

Zehnte  Gruppe:  Im  Libriform,  unabhängig  von  den  Mestom- 
strängen, all  e  U ebergänge  zur  Gefässbild  ung  oder  doch  fertige 
Gefässe  (aber  keine  Parenchynistrahlen).  In  den  vorhergehenden  Gruppen 
war  der  Ort  der  Gefässbildung  durch  die  Lage  der  primordialen  Mestoinstränge 
bestimmt.  Diese  Abhängigkeit  besteht  hier  nicht  mehr.  Die  Gefässe,  welche 
nach  beendigtem  Längcnwachstlium  auftreten,  sind  über  die  ganze  Quersehnitts- 
fläche  des  Libriformringes  zerstreut;  sie  gehen  direct  und  regellos  aus  dem 
peri})herischen  Cambium,  das  zugleich  den  Zuwachs  des  mechanischen  Systems 
bedingt,  hervor,    llicher  gcliih-en  : 

Gentiana  asclepiadea ,  AUionia  nycfaginea,  Mirahilis  ^Talapa,  Vesicaria 
sinuata,  Iheris  Semper  vir  ens  .  Centradenia  grand'ifolia.  Echium  fastuosum. 
Veronica  Andersom'i  (Hort.)  Ardisia  (rennlaia.  Myrdne  africana. 


5.  Die  Dicotylon. 


151 


Die  beiden  zuletzt  g-enaniiten  Myrsiiieen  besitzen  in  den  jnng'cn  Trieben 
einen  continnirlieben  Bastring-,  der  später  unterbrocben  wird.  Bei  den  übrigen 
Vertretern  dieser  Gruppe  ist  dagegen  die  Bastbiklung  in  der  Rinde  oft  ganz 
unterdrückt.  Die  Crueiferen,  von  denen  ieli  ausser  den  oben  genannten  noch 
verscliiedene  andere  untersucht  habe,  scheinen  zwischen  dieser  und  den  beiden 
vorbergeliendeu  Gruppen  zu  schwanlvcn.  Kinjälirige  Stamniorgane  gehören 
meist  in  die  neunte  Gruppe. 

4.    Intracambialer  Libriformring  mit  Parencbymstrahl  en. 

Eilfte  Gruppe:  Parenchy  mstrahle  n  aus  longitudinal  ge- 
streckten Zellen  gebildet,  meist  ohne  deutliche  Fortsetzung 
durch  das  Cambium  in  die  Rinde.  Im  Libriforni  gewöhnlich 
Ue bergan ge  zur  Gef äs  sbi Idung,  wie  bei  vorhergehender  Gruppe. 
Die  zahlreichen,  für  diese  Gruppe  characteristischen  Parenchymstrahlen,  welche 
den  Ring  durchsetzen  oder  wenigstens  bis  in  die  Nähe  seines  Innenrandes  vor- 
dringen, dürfen  mit  normalen  Markstrahlen,  wie  sie  bei  unsern  einheimischen 
Laubhölzern  gewöhnlich  vorkommen,  nicht  ohne  Weiteres  auf  gleiche  Linie  ge- 
stellt werden.  Denn  erstens  gehen  dieselben  nicht  durch  das  Cambium  in  die 
secundäre  Rinde  über  oder  sind  doch  in  letzterer  nur  sehr  undeutlich  difteren- 
zirt:  zweitens  sind  die  einzelnen  Zellen  in  der  Richtung  der  Längsaxe  des 
Organs  nicht  selten  in  einem  für  Markstrahlen  ganz  aussergewöhnlichen  Grade 
gestreckt,  sie  erreichen  zuweilen  300  bis  400  Mik.  Länge  bei  nur  15  bis  18 
Mik.  Breite;  drittens  bilden  sie  auf  Tangentialsclmitten  longitudinale  Reihen, 
welche  in  viel  grösseren  Abständen  auslaufen,  als  diess  bei  normalen  Mark- 
strablen  der  Fall  ist.  Wahrscheinlich  stehen  diese  Unterschiede  mit  der  ver- 
schiedenen Richtung  des  Säfteaustausches ,  der  in  den  Parenchymstrahlen  sich 
vollzieht,  im  Zusammenhang.  In  unserm  Fall  ist  diese  Richtung  eine  vorwie- 
gend longitudinale,  bei  den  typischen  Markstrahlen  dagegen  eine  radiale.  Dass 
Lebergänge  vorkommen,  soll  damit  nicht  in  Abrede  gestellt  sein,  habe  ich  doch 
oft  genug  selbst  welche  beobachtet').  Die  Aufstellung  dieser  Gruppe  hat  über- 
haupt nur  den  Zweck ,  auf  Markstrahlenformen  hinzuweisen ,  welche  an  das 
Holzparenchym  der  Monocotyleu  erinnern.    Hieher  gehören: 

(Jephalaria  tartarica  und  leurantha.  Valeriana  ojßcinalis,  Epilobium  ros- 
niarinifoUum.  Vinca  major,  Hohnskioldia  sanguinea,  Taucriiim  Mariim. 

Einzelne  dieser  Gew'ächse  sind  ül)erdiess  mit  einer  Ringlage  kleiner  Bast- 
bündel ausgerüstet  [Epihhium ,  Vinca),  die  jedoch  zum  grössten  Theil  nicht 
als  Bestandtheile  des  biegungsfesten  mechanischen  Systems  zu  betrachten  sind. 
Bezüglich  der  Uebergangsformen  zwischen  den  ächten  Gefässen  und  bchöft- 
porigem  Libriform  ist  namentlich  Cephalaria  beachtenswerth. 

1)  Ich  bemerke  noch  ausdrücklich,  dass  diese  und  die  folgende  Gruppe  systematisch 
durchaus  zusammengehören,  indem  die  obiMi  hervorgehobenen  Unterschiede  nicht  einmal  für 
Gattungen,  geschweige  denn  für  grössere  Einheiten,  characteristisch  sind. 


152 


III  Vergleichende  Ausblicke  auf  die  übrigen  PHanzenklassen. 


Zwölfte  Gruppe:  Typische  Dicotyleu  mit  normalen  Mark- 
strahlen.  Wir  sind  hier  bei  dem  o-ewöhnlichen  Dicotylenstamme  angekommen, 
dessen  Bau  ich  im  Allgemeinen  als  bekannt  voraussetze.  Ich  beschränke  midi 
daher  auf  die  Hervorhebung  von  Einzclnheiten ,  welche  für  meine  Auffassung 
eine  gewisse  Bedeutung  haben. 

1)  Bei  lA'ptosjjermum  junipei'inum  bildet  der  intraeambiale  Holzring  un- 
zweifelhaft das  biegungsfeste  mechanische  System.  Desscnungeaclitet  iindet 
man  im  Marke,  innerhalb  der  primordialen  Gefässe  und  der  dieselben  beglei- 
tenden dünnwandigen  Holzparenchymzellen ,  eine  Anzahl  kleiner,  meist  nur 
aus  einer  einfachen  Zellreihe  bestehender  Bastbelege,  welche  unwillkürlich  an 
die  entsprechenden  kleinen  Bastsichclii  der  Monocotylen  erinnern.  Offenbar 
dienen  sie  auch  im  vorliegenden  Falle  bloss  zum  Schutze  der  dünnwandigen 
Vasalpartie  der  Mcstomstränge.  Aehnliche  Reihen  typischer  Bastzellen  konnnen 
nun  auch  in  der  Rinde  vor,  hier  aber  in  mehreren  Lagen  hinter  einander  (wie 
bei  der  Linde ,  nur  viel  schwächer! .  Man  kommt  hiebei  ganz  von  selbst  auf 
den  schon  oben  erAvähnten  Gedanken ,  die  äusserste  Reihe  habe  im  jungen 
Gefässbündel  das  Candjiform  in  gleicher-  W eise  geschützt ,  wie  die  markstän- 
digen Bastzellen  die  Vasalpartie.  Später  wurde  natürlich  das  primäre  Cambi- 
form  mit  sammt  seiner  Bastbekleidung  in  Folge  des  Dickenwachsthums  weiter 
nach  aussen  geschoben;  andere  Zellen  nahmen  jetzt  die  Stelle  aussen  am  Ver- 
dickungsring  ein  und  erhielten  ebenfalls  ihre  schützenden  Bastbelege.  Dieser 
Process  musste  sich  nothwendig  von  Zeit  zu  Zeit  wiederholen:  so  entstanden 
die  tangentialen  Bastreihen  der  secundären  Rinde.  Ich  habe  schon  oben  die 
Veriiuithung  ausgesprochen,  dass  diese  Auffassungsweise  auch  bei  unsern  ein- 
heimischen Bäumen  mit  rindenständigen  Bastbündeln  berechtigt  sein  m()chte. 
—  Als  ein  weiteres  Beispiel  von  Stammorganen  mit  schwachen  Bastbelegen 
auf  der  Markseite  der  periinordialen  Mcstomstränge  und  ungefähr  gleich  schwa- 
chen Belegen  auf  der  Rindenseite  nenne  ich  Nicandra  phy&aloides,  woliei  indess 
zu  bemerken,  dass  hier,  wie  bei  andern  Solaneen,  auch  die  Cambiformstränge 
zum  Theil  auf  die  Markseite  verlegt  sind. 

2j  Ln  Phloein  der  grösseren  Aster-  und  Solidagoformen.  z.  B.  bei  Asier 
Novae  Anf/liue ,  Solidago  aUissima  u.  a.  kommen  innerhalb  der  starken  pri- 
mären Bastbüiidel,  wie  schon  früher  angedeutet,  kleine  secundäre  Gruppen 
mechanischer  Zellen  zur  Entwicklung,  welche  zum  Theil  mit  den  kürzesten 
Libriformzcllen,  die  überhaupt  vorkommen,  übereinstimmen  und  jedenfalls  durcli- 
gehends  vom  typischen  Bast  verschieden  sind.  Die  Länge  dieser  Zellen  variirt 
in  der  Regel  zwischen  150  und  300  Mik. :  die  kürzesten  erreichen  oft  nur  60 
bis  80  Mik.  Dazu  kommt,  dass  die  neben  einander  liegenden  schiefen  Quer- 
wände ähnliche  Zickzacklinien  bilden,  wie  sie  sonst  nur  im  kurzzelligen  Libri- 
form  vorzukommen  pflegen.  Bei  Solidago  scliliessen  diese  Gruppen  nicht  selten 
kleine  Cambifornibündel  ein;  bei  Aster  bilden  sie  im  Querschnitt  netzförmig 
auastomosireiide  Reihen ,  zwischen  denen  ein  parcnchymatisches  Cambiform, 
stellenweise  mit   deutlichen  Siebporen,   eingebettet   liegt.    Beiläufig  sei  noch 


5.  Die  Dicotylen. 


153 


bemerkt,  dass  hier  diese  l)astähnlidien  Zellen,  so  laiig-Q  sie  nur  wenig  verdickt 
sind,  etwas  Chlorophyll  enthalten. 

Im  Anschlüsse  hieran  erinnere  ich  ferner  an  die  ebenfalls  schon  früher 
erwähnte  Tliatsache,  dass  auch  bei  den  baumartigen  Dicotylen  die  secundären 
Hastzellen  der  späteren  Jahre  zuweilen  beträchtlich  kürzer  sind  als  die  pri- 
mären: so  bei  Crataegus  momcjyna ,  wo  das  Minimum  der  Längenausdehnung' 
unter  JOO  Mik.  lieruntersinkt,  indess  die  mittleren  Werthe  etwa  zwischen  150 
und  300  Mik.  variiren.  Dergleichen  Vorkommnisse  scheinen  mir  deutlich  zu 
zeigen,  dass  die  Länge  der  mechanischen  Zellen  auch  bei  den  normalsten  Di- 
cotylen durch  die  Streckung  der  umgebenden  Gewebe  (vielleicht  auch  durch 
andere  Ursachen)  mehr  oder  weniger  beeinflusst  wird.  Frühzeitig  angelegte 
Libriformzellen,  wie  sie  zuweilen  innerhalb  der  Spiralgefässe  vorkonnnen,  sind 
dem  entsprechend  immer  lang  und  dabei  den  Bastzellen  der  Monoc()t}  len  oft 
auffallend  ähnlich;  später  angelegte,  besonders  wenn  sie  zusammenhängende 
Massen  bilden,  bleiben  in  der  Kegel  kürzer.  Eine  Trennung  von  Libriform 
und  Bast  ist  in  anatomischer  Hinsicht  auf  keinen  Fall  durchführbar. 

3)  Bei  manchen  unserer^  Laubhölzer  treten  die  mechanischen  Zellen  des 
Holzringes  in  gesonderten  Gruppen  oder  Zonen  auf,  welche  den  intracambialen 
Mestomelementen  —  ich  denke  hier  vorzugsweise  an  die  Holzparenchymzellen 
und  Gefässe  —  no(!h  ziemlich  viel  Raum  übrig  lassen ,  so  z.  B.  bei  Malwniu 
imit  radialen  Mestomzoneni .  Sapindus  Saponaria  und  Casuarina  (mit  tangentialen 
Mestomzonen) ,  ferner  bei  den  Leguminosen-Gattungen  Cytisus,  Rohinia.  Coro- 
nilla  11.  a.;  ebenso  im  Rhizom  von  Glycirrhiza  cjhmduhfera.  der  krautartigen 
Stammorgane  (Kohlrabi  etc.,  gar  nicht  zu  gedenken.  Sell)st  bei  den  härtesten 
Laubhrdzern,  wie  z.  B.  der  Buche,  Eiche  u.  dgl.  sind  die  Holzparenchymzellen 
bekanntlich  keineswegs  ganz  unterdrückt,  und  ihre  Anordnung  lässt  deutlieh 
genug  erkennen ,  dass  sie  zu  den  Gefässen  und  Markstrahlen  in  näherer  Be- 
ziehung stehen  als  zum  Libriform').  Auch  darin  erblicke  ich  eine  Bestätigung 
meiner  Auffassung.  Wir  haben  ja  schon  bei  den  Monocotylen  gesehen,  dass 
das  Mestom  in  der  Kegel ,  zumal  bei  starker  Bastbekleidung ,  durch  parench}- 
matische  »^Zugänge«  mit  dem  Parenchym  der  Umgebung  in  Verbindung  bleibt. 
Die  Dicotylen  bedürfen  natürlich  ähnlicher  Verkehrswege,  und  es  darf  uns  nicht 
wundern ,   dass   letztere  in  Gestalt  von  Markstrahlen  und  davon  abgehenden 


ij  Vgl.  hierüber  Sanio  in  Linnaea  Bd.  29  (1857),  pa^?.  \\\\  ff.  —  Die  Sanio  schen 
Beobachtungen  beziehen  sich  indess  ausschliesslich  auf  das  Abhängigkeitsvcihältniss  zwisclien 
Iloizparcnchym  und  Gefässen.  Wo  eine  solche  Abhängigkeit  nicht  besteht  oder  doch  sehr 
zurücktritt,  sollen  die  Holzparenchynizellen  entweder  kurze  tangentiale  Reihen  bilden  oder 
vereinzelt  liegen  (Pyrus).  Diese  Darstellung  entspricht  allerdings  dem  Verhalten  des  Quer- 
schnittes ;  allein  auf  tangentialen  Längsschnitten  habe  ich  mich  mehrfach  überzeugen  kön- 
nen, dass  die  angeblich  isolirten  Holzparenchymzellen  longitudinale  Reihen  bilden,  welche  in 
benachbarte  Markstrahlen  ausmünden.  Holz-  und  Strahlenparenchyni  bilden  also  zusammen 
ein  System  von  Saftwegen,  welchem  die  Gefässe  und  Tracheiden  die  zum  Stoffwechsel  nöthige 
Luft  zuführen.  Wo  das  Holzparenchym  fehlt,  wie  z.  B.  bei  lierheris ,  sind  ausnahmsweise 
die  Libriformzellen  zur  Speicherung  von  Stärke  befähigt. 


154 


III.  Vergleichende  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflanzenklassen. 


Reihen  x^m  Holzpareucliyinzelleii  um  so  regelmässiger  auftreten,  je  weniger  die 
mechanischen  Zellen  sich  selbst  bei  der  Leitung  wässeriger  Lösungen  bethei- 
ligen. Radiale  Verkehrswege  werden  bei  dickem  Holzring  selbst  da  noch  noth- 
wendig  sein,  wo  die  longitudinale  Wasserströmung  sich  vorzugsweise  im  Libri- 
.forni  l)ewegt. 

* 

In  vorstehender  Characteristik  der  verschiedenen  Dicotylengrui^pen  wurde 
dem  Worte  Mestom  durchweg  dieselbe  Bedeutung  beigelegt,  wie  bei  den  Mo- 
nocotyleu.  Dasselbe  bezeichnet  denigemäss  die  sämmtlichen  Elemente  der 
Fibrovasalstränge  mit  Ausnahme  der  mechanischen  Zellen,  und  soweit  bloss 
vom  Holze  unserer  Bäume  die  Rede  ist:  das  Holzparenchym  mit  Einschluss 
der  Parenchymstrahlen  und  die  Gefässe.  Diese  Bezeichnung  hat  unstreitig 
Manches  für  sich;  sie  findet  schon  darin  ihre  Berechtigung,  dass  sie  die  be- 
stehenden Analogieen  zwischen  Mono-  und  Dicotylen,  und  ich  kann  hinzufügen 
zwischen  Phancrogamen  und  Gefässcryptogamen,  festhält  und  dass  sie  überhaupt 
der  Einheit  der  Auffassung  entspricht,  die  ich  in  dieser  Abhandlung  auf  alle 
höheren  Gewächse  auszudehnen  bestrebt  war.  Es  sollte  gezeigt  werden,  dass 
die  im  zweiten  Abschnitt  als  Mestomstränge  bezeichneten  Gewebebündel  bei 
den  Dicotylen  wiederkehren  und  zwar  bei  zahlreichen  Reprjisentanten  in  we- 
sentlich übereinstimmender  Weise:  dass  sie  jedoch  bei  den  mehr  abweichenden 
Vertretern  ihre  ursprüngliche  Selbständigkeit  und  Abgeschlossenheit  einbüssen, 
indem  die  mechanischen  Zellen  sich  zwischen  ihre  eigenen  Elementarorgane 
einschieben  und  dieselben  in  getrennte  Zonen  oder  einzelne  Gruppen  etc.  aus 
einander  drängen.  Es  sollte  namentlich  auch  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
diese  scheinbar  isolirten  Theile  des  Mestoms  nach  wie  vor  ein  zusammenhän- 
gendes System  bilden,  wie  es  die  Function  derselben  nothwendig  verlangt,  und 
dass  Unterbrechungen  in  diesem  System  nur  da  einzutreten  pflegen,  wo  die 
mechanischen  Zellen  selbst  zur  Speicherung  von  Reservenahrung  (Stärke)  und 
zur  Saftleitung  befähigt  sind. 

Ich  bin  sonst  kein  Freund  von  neuen  Benennungen ,  besonders  wenn  es 
nur  Worte-  und  keine  Begriffe  sind;  allein  die  Aufstellung  eines  besondern 
mechanischen  Systems,  der  Nachweis  der  Zusammengehörigkeit  der  Saft-  und 
Luftwege  in  jedem  einzelnen  Fibrovasalstrang,  nicht  bloss  in  topographisch-ana- 
tomischer, sondern  auch  in  ])hysiologischer  Beziehung,  dazu  die  Verschiedenheit 
der  Princii)ien,  welche  die  Natur  und  Anordnung  der  beiderlei  Gewebe  be- 
herrschen, —  das  Alles  bedingt  rein  begrifflich  eine  von  den  herkömm- 
lichen Anschauungen  so  sehr  abweichende  Auffassung,  dass  sie  nothwendig 
auch  in  der  Terminologie  sich  irgendwie  abspiegeln  muss.  Es  mag  mir  daher 
nachträglich  gestattet  sein,  die  beiden  Begriffe,  um  die  es  sich  hier  handelt, 
noch  einmal  einander  gegenüber  zu  stellen  und  damit  weitere  Vorschläge  für 
die  Bezeichnung  derselben  zu  verbinden.    Ich  unterscheide: 

1)  Das  Gewebe,   aus  welchem  die  wesentlichen  Constructionstheile  des 
mechanischen  Systems  bestehen.    Man  könnte  dasselbe  etwa  als  Stcreom  und 


5.  Die  Dicotylen. 


155 


die  einzelvieii  Zellen  als  Steroiden  bezeichnen.  Zur  niiliern  Chnracteristik 
des  Stereoms,  wie  sie  die  beschreibende  Anatomie  verlangt,  mögen  die  bis- 
herigen Ausdrücke  (Bast,  CoUenchym  etc.)  Anwendung  linden.  Will  man  die 
^>tereiden,  welche  im  Hol/kih-per  der  Dicotyleu  vorkonnnen,  mit  Sanio  als 
Libritbrmzellcn  bezeiclmen,  wie  ich  es  selbst  im  Vorhergehenden  gethan  habe, 
oder  will  man  nberhan])t  irgend  eine  Eintheilung  nach  der  Lage  oder  nach  dem 
morphologischen  Ort  der  Entstehung  vornehmen,  so  ist  dagegen  Nichts  einzu- 
wenden ;  nur  darf  man  nicht  vergessen,  dass  die  so  entstandenen  Begriffe,  auch 
wenn  sie  für  gewisse  Betrachtungen  im  Vordergrunde  stehen,  dem  BcgrifV  des 
Stereoms  untergeordnet  sind. 

2)  Das  Gewebe  der  Fibrovasalstränge  oder  Fibrovasalmassen ,  welches 
vorzugsweise  die  Leitung  der  Säfte  besorgt  und  zeitweise  naturgemäss  auch  bei 
der  Speicherung  der  Reservenahrung  mit  betlieiligt  ist.  Mit  demselben  sind  in 
gesetzmässiger  Lagerung  verbunden,  weil  physiologisch  unentbehrlich,  die  luft- 
führenden Gefässe  oder  Traoheiden.  Dieses  Gewebe,  welches  ebenfalls  ein 
zusammenhängendes  System  bildet,  habe  ich  im  Vorhergehenden  als  Mestom 
bezeichnet.  Dasselbe  zerfällt,  wie  schon  früher  bemerkt,  in  mehrere  anatomisch 
und  physiologisch  differenzirte  Gruppen,  die  ihre  besondere  Bezeichnung  verdienen, 
und  sofern  die  einzelnen  Elemente  dieser  Gruppen  abermals  verschieden  sind, 
wie  z.  B.  beim  Cambiform.  so  mag  die  Histologie  auch  für  diese  Unterschiede 
ihre  Benennungen  einfuhren. 

Die  Markstrahlen  der  dicotylen  Hölzer  zeigen  in  Bezug  auf  Durchlüftung 
insofern  ein  abweichendes  Verhalten ,  als  die  dazu  gehörigen  Gefässe  longitu- 
dinal  verlaufen,  so  dass  der  nändiche  Durchlüftungskanal  sich  bald  an  diesen, 
bald  an  jenen  Markstrahl  anlegt,  bald  auch  mit  Holzparenchymzellen  in  Ver- 
bindung steht. 

5.    Mechanisches  System  zugfester  Organe. 

Dreizehnte  Gruppe:  AVurzeln  und  Rhizome,  fluthende  und 
schlingende  Sfammorgane.  Dass  die  Wurzeln  der  Dicotylen  im  Allge- 
meinen den  Bedingungen  der  Zugfestigkeit  entsprechen .  bedarf  keines  Nach- 
weises. Von  Rhizomen .  Ijei  welchen  die  ccntripetale  Tendenz  der  Fibrovasal- 
stränge deutlich  hervortritt,  nenne  ich  folgende :  Adoxa  moschatellina.  mit 
ständig  wurzelähnlicheni  Bau :  Menyanthes  trifoUaia ;  Viola  imlustris ;  Petasiten 
niveus,  mit  Sicheln  dickwandiger  Zellen  auf  der  Markseite  der  Stränge ;  TIki- 
Uctriim  (jalioides .  mit  starken  innenseitigen  Bastbelegen :  Houttiiynia  cordaia. 
deren  Gefässbündelkrcis  ungefähr  auf  die  Hälfte  des  Gesannntdurchmessers 
contrahirt  ist;  Pijrola  media ^  rldoraiitha  etc.,  Tmcrmm  Scordium  ^  beide  mit 
sehr  stark  zusaunneogezogenem  Libriformring.  Noch  viel  ausgeprägter  ist  der 
zugfeste  Bau  bei  den  unterirdischen  Ausläufern  von  Linaria  striata.  Apocijmmi 
andromemifolium ,  Uhus  (jlahra  und  Aristo! och ia  (Jlematifis,  die  ich  indess, 
gerade  auf  Grund  ihres  anatomischen  ^'erhaltens.  sämmtlich  für  ächte  Wurzeln 


III.  Vergleichende  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflanzenklassen. 


halten  ni()clite.  —  Das^s  sich  nebenbei,  insbesondere  bei  kürzeren  Rhizonien, 
mancherlei  Uebergäng-e  zur  Biegungsfestigkeit  vorfinden,  lässt  sich  erwarten; 
auch  mögen  hin  und  wieder  Lagerungsverhältnisse  zur  Geltung  kommen,  die 
ihre  besondere  Erklärung  verlangen.  Manche  Khizonic  haben  offenbar  eine 
vollständigere  Anpassung  einfach  desshalb  noch  nicht  erreicht,  w^eil  es  Bildungen 
einer  verhältnissmässig  jungen  geologischen  Periode  sind.  Man  findet  bei  den 
Arten  der  nändichen  (Jattung  liin  und  wieder  interessante  Uebergänge. 

Die  Stengel  der  wasserliebenden  oder  vollständig  untergetauchten  Dicotylen. 
wie  z.  B.  von  MyriopJnjUum,  Ceratophißhim  und  Hippuris  ^  stimmen  bekannt- 
lich in  der  Lage  der  Mestomsträuge  mit  xsujas.  Potamogeton  und  den  mecha- 
nisch verwandten  Monocotylen  überein.  Eine  starke  Contraction  der  Gefäss- 
biindel  zeigen  auch  die  fiuthenden  Stengel  von  Montia  rirularis  und  die  wur- 
zelnden von  Imardia  ■palustris,  ebenso  die  liegenden,  für  zeitweise  Durchtränkuug 
des  Mediums  angepassten  Stänmichen  von  Aretia  Vifaliana.  Bei  Raniinadus 
aqtmtilis  verhält  sich  allerdings  die  Saclie  anders  ;  aber  gerade  diese  Abweichung, 
zusammengehalten  mit  der  Metamorphose  der  schwimmenden  und  ausserhalb 
des  Wassers  vegetireuden  Blättern  [Var.  qninqucloha.  suvcnlenta  etc.),  sow'ie  mit 
der  grossen  Zahl  der  übrigen  Arten,  welche  meist  zu  den  ächtesten  Land- 
pflanzen gehören,  scheint  mir  auch  hier  auf  eine  relativ  späte  Abzweigung  der 
Wasserrauunkehi  von  irgend  einer  terrestren  Form  hinzuweisen. 

Die  schlingenden  Stammorgane  bedürfen  in  den  ersten  Stadien  ihrer  Ent- 
wicklung der  Bieguugsfestigkeit  und  sind  demgemäss  construirt.  Ihr  späteres 
Verhalten  entspricht  dem  der  schlingenden  Monocotylen.  Bei  Tecoma  radimns 
entsteht  sogar  nachträglich  innerhalb  der  Markscheide  ein  zw^eiter  Verdickungs- 
ring.  welcher  sich  allmälig  weiter  nach  innen  vorschiebt,  indem  er  nach  aussen 
Libriform,  Gefässe  und  Markstrahlenparenchym  ausscheidet^'.  Einen  deutliche. en 
Ausdruck  der  centripetalen  Tendenz  kann  man  sich  kaum  denken. 

6.    Mechanisches  System  blattartiger  Orgaue. 

Was  zunächst  die  Blattstiele  betrifft,  so  verhalten  sich  viele  geradezu 
wie  biegungsfeste  Stammorgane,  so  z.  B.  bei  Ricinus  communis,  JjUpinus  ßori- 
hiindus.  Aralia  japonica,  edulis  (Taf.  XIV,  6'  und  hispida  (Taf.  XIV,  9) ,  RJius 
glahra.,  Vifis  rinifera.  Aescidus  liippocastanum,  Pauloumia  imperialis  etc.  Diese 
bedürfen  keiner  weitern  Erklärung. 

In  der  Blattsi>reite  sind  zweierlei  Nerven  zu  unterscheiden,  nämlich 
1)  Hauptnerven,  welche  biegungsfest  gel)aut  und  gewöhnlich  mit  starken  Col- 
lenchymgnrtungen  und  kleinen  inneren  Bastsichelu  zum  Schutze  des  Cambiforms 
versehen  sind ;  2)  kleine  netzartig  anastomosirende  Nerven,  welche  yorzugsweise* 
die  Festigkeit  gegen  Abscheeren  und  gegen  Zerreissen  bedingen.    Jene  ragen 


'y  Schon  von  Sanio  beobachtet  und  in  der  Bot.  Ztg.  Jahrgang  1864  niitgetheilt,  natür- 
lich ohne  weitere  Erklärung. 


5.  Die  Dicotylcu. 


157 


i)ekanntlich  oft  nach  Hussen  vor,  weil  dadurch  ihre  Tragfähigkeit  crhöiit  wird; 
diese  verlaufen  mitten  durch  das  Gewebe,  Avie  die  Mestonianastomosen  der 
Gramineenblätter.  Die  Verwendung  des  Collenchyms  für  die  Gurtungen  findet 
ihre  Erklärung  in  dem  lange  andauernden  intcrcalaren  Wachsthum  der  Blatt- 
spreite, welches  noth wendig  die  Streekungsfähigkeit  des  Gerüstes  voraussetzt. 

Die  Vertheilung  der  Hauptnerven  auf  die  Blattfläche  gestattet  natürlich  die 
verschiedensten  Variationen,  deren  spezielle  Betrachtung  indess  nicht  hieher 
gehört.  Die  mechanischen  Bedingungen  sind  nur  bei  wenigen  Blattspreiten, 
wie  z.  B.  bei  den  handforniig  getheilten,  den  schildförmigen  und  einigen  an- 
dern so  bestimmt,  dass  damit  zugleich  das  Constructionsschema  in  den  Haupt- 
zügen gegeben  ist.  Bei  den  übrigen  hat  die  Natur  einen  ziemlich  freien  Spiel- 
raum, und  es  ist  bekannt,  dass  hier  die  Mannigfaltigkeit  der  Blattskelette  einen 
ausserordentlich  hohen  Grad  erreicht. 

7.  Das  Collenchym  der  Dicotylen. 

Die  Bedeutung  des  Collenchyms  für  den  Aufbau  der  Gewächse  wurde 
bereits  in  der  Einleitung  hervorgehoben.  Wie  schon  dort  erwähnt ,  bieten  ge- 
rade die  Dicotylen  die  besten  Anhaltspunkte  zur  Würdigung  dieses  Gewebes, 
indem  dasselbe  hier  ungemein  häufig,  ja  fast  regelmässig  zur  Entwicklung 
kommt.  Und  immer  sind  die  eigenthündichen  Wandverdickungen  schon  in 
jungen  Internodien ,  deren  Bast-  und  Libriformzellen  sich  noch  im  candiialen 
Zustande  befinden ,  vollständig  ausgebildet.  Besonders  schöne  subepidermale 
Collenchymplatten  oder  CoUenchymrippen  finden  sich  bei  Compositen,  Aralia- 
ceen,  Umbelliferen,  Cucurbitaceen,  Chenopodiaceen,  Labiaten  und  manchen  an- 
dern Familien.  Einem  tiefer  liegenden,  von  der  Epidermis  getrennten  Collen- 
chymcylinder  begegnet  man  bei  Macropiper  excelsum^  Althaea  urmeniaca,  Ce- 
phalaria  tartarica,  endlich  kleineren  oder  grösseren  Collenchymbelegen  ausser- 
halb des  Candiiforms  der  Gefässbündcl  hin  und  wieder. 

Sowohl  im  subepidcrmalen,  wie  im  tiefer  liegenden  Collenchym  differenziren 
sich  zuweilen  einzelne  Zellen  als  fonnliche  Bast-  oder  Libriforruzellen  heraus, 
worüber  das  Nähere  schon  oben  pag.  ö  u.  0)  mitgetheilt  wurde.  Es  ist  das 
meines  Erachtens  ein  deutlicher  Beleg  dafür,  dass  das  bastähnliche  Collenchym 
nur  eine  andere  Stufe  in  der  Keihe  der  mechanischen  Zellen  einnimmt,  als  der 
ächte  Bast,  sich  aber  im  Uebrigen  nicht  von  diesem  trennen  lässt,  ja  sogar 
durch  directe  Metamorphose  in  Bast  übergeführt  werden  kann. 

Das  Collenchym  bildet  das  provisorische  Gerüste  während  des  intcrcalaren 
Aufbaues.  Dieses  Mittel,  einen  solchen  Aufbau  zu  ermöglichen,  findet  bei  den 
Dicotylen  so  allgemeine  Anwendung,  dass  sowohl  die  stellenweise  Verdickung 
der  Internodien  (nämlich  jeweilen  in  der  Kegion  des  stärksten  Wachsthunis), 
als  auch  die  Anlage  von  Blattscheiden  fast  vollständig  zurücktritt.  Dabei  spielt 
die  Gewebespannung  eine  sehr  bedeutende  Kolle.  Ich  habe  an  saftigen  Früh- 
jahrstrieben,  z.  B.  von  PoJy(jo/m-m  cuspidatum.  wiederholt  beobachtet,   dass  sie 


158 


III.  Vergleicliende  Ausblicke  aut"  die  übrigen  Pflanzenklassen. 


bei  aiuiiihenKl  IiürizoiitHler  Stellung-  ilir  eigenes  Gewicht  nicht  mehr  zu  tragen 
vermochten,  sobald  das  Thermometer  auf  Kuli  oder  etwas  darunter  gesunken 
war.  Die  l^riebc  knickten  in  Folge  der  Abnahme  der  Turgescenz  ein,  jedoch 
ohne  zu  erfrieren;  sie  vcgetirten  den  ganzen  Sommer  Uber  fort,  und  die  durch 
das  Einknicken  entstandenen  A\'undcn  vernarbten. 

Dem  mechanischen  Princip  gemäss  streben  die  Collenchymmassen ,  soweit 
sie  als  Constructionstheile  des  mechanischen  Systems  zu  betrachten  sind,  nach 
der  Peripherie;  sie  occupiren  daher  bei  kantigen  Stengeln  'Labiaten,  Cucurbi- 
taceen, Ciienopodcen  ctc.j  die  vorspringenden  Theile.  Ihr  Zurückweichen  von 
der  Epidermis  muss  folgerichtig  inmier  als  eine  Concession  zu  Gunsten  anderer 
Gewebe  gedeutet  werden. 

8.    Mechanisch  wirksame  Parenchy mzellen. 

Die  Wandungen  der  Parenchymzellcn  sind  hin  und  wieder  gerade  an  den 
Stellen  verdickt,  wo  sie  sich  zwisclien  die  Constructionstheile  des  mechanischen 
Systems  einschieben.  In  diesem  Falle  ist  ihre  mechanische  Bedeutung  unzwei- 
felhaft; sie  dienen  zur  Absteifung  oder  Verspannung  der  aus  Bast  bestehenden 
Hauptträger.  So  sehen  wir  z.  B.  bei  Hclianfhus  moUis  die  Fibrovasalstränge 
durch  scharf  abgegrenzte  tangentiale  Zonen  von  Hornparenchym  unter  sich  ver- 
bunden ,  und  ähnliche  Verbindungen  finden  sich  auch  bei  EcJiinops  hannaticus^ 
Cocculus  laurifoUus  und  Araliii  cdiiUs ,  desgleichen  zwischen  den  Bastbelegen 
des  Cambiforms  bei  Verotiica  mrginica  und  Spiraea  Uhnaria. 

Eine  analoge  Bedeutung  haben  natürlich  auch  die  dickwandigen  Paren- 
chymstrahlen  des  Libriformringes,  zumal  wenn  sie  mehrschichtig  sind  und  eine 
beträchtliche  Längenausdehnung  erreichen.  Bei  den  holzigen  Gewächsen  ist 
das  allerdings  gewöhnlich  nicht  der  Fall,  indem  hier  sowohl  Bast-  als  Libri- 
formzcllen  in  tangentialer  Richtung  direct  verbunden  sind ;  die  Markstrahlen 
werden  also  nur  noch  auf  Druck  in  Anspruch  genommen. 

Uebrigens  können  auch  dünnwandige  Zellen,  bloss  durch  ihre  Form  und 
Anordnung,  den  Einfluss  mechanischer  Principien  verrathen.  Das  grüne  Palli- 
sadenparenchyni  der  Blätter  ist  z.  B.  in  manchen  Fällen  so  regelmässig  gebaut 
—  man  sehe  z.  B.  einen  Querschnitt  durch  das  Blatt  von  Iberis  semjKrvirens 
an  —  dass  man  auf  den  ersten  Blick  ein  System  eleganter  Drucklinien  zu 
sehen  glaubt.  Ich  zweifle  auch  nicht  daran ,  dass  Druckverhältnisse  die  An- 
ordnung dieser  Zellen  mit  beeinflussen,  ja  unter  Umständen  geradezu  maass- 
gebend  sein  können.  Allein  die  wissenschaftliche  Erledigung  dieser  Sache  hat 
vorläufig  noch  ihre  Hacken,  die  sich  nicht  so  ohne  Weiteres  beseitigen  lassen. 
Meine  eigenen  Beobachtungen  über  diesen  Punkt  sind  überdiess  viel  zu  lücken- 
haft, als  dass  ich  eine  l)estimmte  und  wohl  begründete  Ansieht  über  die  maass- 
gebenden  Factoren  hätte  gewinnen  können.  —  Als  einen  Fall,  der  sich  unmit- 
telbar an  die  Monocotylen  [Juncus  glauciis)  anschliesst,  möchte  ich  dagegen  die 
Curven  bezeichnen,  welche  die  grünen  Kindenzellen  bei  Camarina  bilden.  Die- 


•">.  Die  Dicotyjen. 


selben  stiit/en  sk'li  zum  Tlieil  auf  die  liastrii)[)eu .  andern  Tlicils  aul'  tlie  ein- 
gefaltete Epidermis  und  sind  ohne  Zweifel  als  Drucklinien  zu  deuten. 

Als  mechanisch  wirksame  Elemente  und  zwar  als  Einriclitun^-en  gegen 
radiale  Druckkräfte  betrachte  ich  endlicli  auch  die  Zellen  der  Schutzscheide  in 
Wurzeln  und  Khizomen,  jedoch  nur  soweit  sie  verdickte  AVaiidungen  besitzen; 
ebenso  Jene  eigenthiimlicheu  Membranverdickuugen.  welche  zuweilen  im  Paren- 
chym  ausserhalb  der  Schutzscheide  auftreten  und  um  diese  letztere  ein  zusam- 
menhiingendes  Netzwerk  mit  longitudinalgestreckten  Maschen  herstellen').  Wo 
solche  Verdickungsleisten  unter  der  Epidennis  oder  sonst  im  Parenchym  vor- 
kommen, mögen  sie  einem  analogen  Zwecke  dienen.  Aber  auch  hier  ist  es 
bloss  eine  hypothetische  Ansicht,  die  ich  ausspreche;  die  wissenschaftliche 
Prüfung  und  Durchführung  derselben  würde  eingehendere  Untersuchungen  vor- 
aussetzen, als  ich  sie  bis  dahin  angestellt  habe. 


Sechstes  Capitel. 
Die  übrigen  dleriisspflaiizen. 
t.  Gymnospermen. 

Wie  bei  den  dicotylen  Holzgewächsen,  so  liegt  auch  hier  die  mechanische 
Kraft  mehrjähriger  Stammorgane  einzig  und  allein  im  Libriformring ,  dessen 
Mächtigkeit  mit  den  Jahren  stetig  zuninnnt.  Dieser  King  ist  in  allen  mir  be- 
kannten Fällen  von  ächten  Markstrahlen  durchzogen,  und  die  mechanischen 
Zellen,  die  zuweilen  2  bis  4  Mill.  Länge  erreichen •^)'  sind  nebenbei  durch 
grösseres  Lumen  und  durch  behöftc  Poren  für  die  Durchlüftung  eingerichtet ; 
zur  eigentlichen  Gefässbildung  kommt  es  aber  bekanntlich  nur  bei  den  Gneta- 
ceen .  welche  sich  auch  in  anderer  Hinsicht  den  Dicotylen  näher  anschliessen. 
Von  den  im  Vorhergehenden  als  Mestom  bezeichneten  Elementen  fallen  also  die 
Gefässe  für  die  späteren  Jahresschicliten  in  der  Kegel  vollständig  weg:  an 
ihrer  Stelle  figurirt  das  tracheale  Libriform.  Dagegen  scheinen  die  Holzparen- 
chynizelleu,  obschon  sie  numerisch  sehr  zurücktreten,  doch  nirgends  ganz  zu 
fehlen. 

Der  extracambiale  Bast  kommt  bei  den  Gymnospermen  entweder  gar  nicht 
zur  Entwicklung,  oder  er  findet  sich  nur  in  kleinen  Grupi)cn  oder  tangentialen 
Reihen,  welche  wahrscheinlich  dem  Cambiform  den  nöthigcn  Schutz  gewähren 
sollen,  mit  der  Biegungsfestigkeit  aber  jedenfalls  Nichts  zu  thun  haben.  Aehn- 


1)  So  z.  B.  bei  Viburiinut  Opulns  und  Luuiand.  —  Aclinlichc  Verdickungen  kommen  be- 
kanntlich auch  bei  den  Coniferen  vor. 

2)  Vgl.  Sanio,  Uber  die  Grösse  der  Holzzeilen  bei  der  gemeinen  Kiefer,  in  Pringsheim's 
Jahrb.  VllI,  p.  401  if. 


IGO 


III.  Vergloicheiulo  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflauzenklassen. 


liehe  Gruppen  triÜ't  man  zuweilen  auch  innerhalb  der  primordialen  Mestomstränge 
im  Markgewebe. 

Als  Oonstructionstheile  des  mechanischen  Systems  sind  dag-egen  die  sub- 
epidermalen  Bastrippen  zu  betrachten,  wie  man  sie  bei  Abtes  exceha  und  Epliedra 
beobachtet.  Bei  Ahica  sind  es  ca.  1  bis  ü  Kippen  von  Je  10  bis  60  Zellen, 
die  indess  schon  durch  die  erste  Peridermzone  abgeschnitten  und  später  abge- 
worfen werden.  Der  rindcnstiindige  Bast  figurirt  also  auch  hier  nur  als  vor- 
läntiges  Gerüste,  an  dessen  Stelle  schon  im  zweiten  Jahr  der  Libriformring 
tritt.  Dasselbe  Schicksal  erfährt  auch  das  subepidermale  Collenchyra,  welches 
bei  einigen  Nadelhölzern  die  peripherischen  Bastripi)en  ersetzt. 

Von  besonderer  Bedeutung  für  die  einjährigen  Zweige  sind  die  herablau- 
fenden Blätter,  wie  sie  bei  manchen  Cupressineen  (sehr  entwickelt  z.  B.  bei 
Thuja  gifjantca)  vorkommen.  Dieselben  bilden  hier  mit  ihren  subepidermalen 
Bastzellen  das  eigentliche  Skelett  der  Internodien.  Eine  Verschiebung  der 
letzteren  innerhalb  ihrer  Schienenhülle  ist  jedoch  wegen  der  vollständigen  Ver- 
wachsung von  Stamm  und  Blatt  nicht  denkbar.  Folglich  kann  unter  diesen 
Umständen  auch  von  scharf  localisirter  Gewebebildung,  etwa  über  dem  Knoten, 
nicht  die  Bede  sein.  Die  Streckung  der  Internodien ,  soweit  eine  solche  that- 
sächlich  stattiindet,  niuss  sich  also  uothwendig  auf  deren  ganze  Länge  aus- 
dehnen. 

Viel  häufiger  als  in  den  Stammorganen  treten  die  subepidermalen  Bast- 
rippen in  den  Blättern  der  Gymnospermen  auf.  Ich  habe  hier  namentlich 
die  langen  Nadeln  von  Pinus  Sahiniana.  Laricio ,  Strohns  u.  a  im  Auge,  wo 
die  genannten  I\ii)pen  nach  Form  und  Anordnung  ein  biegungsfestes  System 
bilden.  Kommen  dagegen  die  Bastzellen  bloss  einzeln  oder  in  tangentialen 
Reihen  unter  der  Epidermis  vor,  wie  z.  B.  bei  der  Kothtanne,  oder  liegen  sie 
zerstreut  im  Blattparenchyni,  wie  bei  Ccratozamiu,  so  ist  ihre  Bedeutung  vor- 
aussichtlich eine  andere'). 

Die  Wachsthumsverhältnisse  der  Nadelhölzer  gehören  bekanntlich  zu  den 
regelmässigsten,  die  man  kennt.  Grosse,  schön  gewachsene  Fichtenstämme  sind 
denn  auch  annähernd  Träger  von  gleichem  Widerstände.  Sie  verhalten  sich  im 
Grossen,  wie  beispielsweise  die  Gras-  und  Binsenhalme  im  Kleinen.  Nur  ist 
es  eine  nothwendige  Folge  des  Dickenwachsthums ,  dass  diese  Stämme  nicht 
hohl,  sondern  von  unten  bis  oben  voll  construirt  sind.  Die  Gleichungen, 
welche  früher  für  beliebige  Träger  mit  kreisförmigem  Querschnitt  aufgestellt, 
und  die  Zahlenreihen ,  die  daraus  abgeleitet  wurden  (pag.  96) .  beherrschen 
hier  nicht  bloss  die  äussere  Form,  sondern  auch  die  jährliche  Dickenzunahme. 
Lassen  wir  in  Fig.  11  (p.  97)  die  Scheitelregion  als  der  Wirklichkeit  weniger 
entsprechend  ganz  bei  Seite,  so  erhalten  Avir  für  die  nachbezeichneten  Abstände 
X  die  beigesetzten  Zuwachsgrössen  für  q. 


'1  ü(!ber  den  Bau  der  hieher  gehörigen  Blätter  vgl.  Thomas  in  Pringsheim's  Jahrb. 
IV,  pag.  2;{ ;  forner  Kraus,  ebenda  IV,  y.  ;iU.3,  und  Dippcl,  das  Älikroskop  11,  p.  :'.U2. 


6.  Die  übrig-en  (üctasspflanzen. 


161 


Abstände. 

Zuwaclis  von  (j. 

Von  X 

—    40  bis  X 

60 

0,9 

X 

=    60    -  a: 

80 

0,74 

X 

=    80    -  X 

100 

0,61 

X 

=100    -  X 

120 

o,5:j 

X 

=120    -  X 

140 

0,48 

X 

=  140    -  X 

160 

0,44 

Um  diese  Werthe  den  wirklichen  Grössenverlüiltnisscn  einer  ausgewachsenen 
Fichte  ungefähr  anzupassen,  setzen  wir  die  Längeneinheit  für  q  =  30  Mill. 
und  die  Längeneinheit  fiir  x  —  300  MilL  Die  halbe  Dicke  des  Stammes  für 
die  Abscisse  =  160  beträgt  alsdann  ^  =  10  •  30  =  300  Mill.  Ebenso  erhält 
man  für  die  Gesanmitlänge  von  .^•  =  40  bis  x=  160  die  Ziffer  120  •  300  =  36000 
Mill.  =  36  Meter.  Nehmen  wir  jetzt  ferner  an,  die  Längenzunahme  per  Jahr 
betrage  im  Mittel  anderthalb  Einheiten  =  450  Mill.,  so  kommen  auf  einen  Zu- 
wachs von  20  Einheiten  13,3  Jahre,  während  welcher  Zeit  der  Kadius  des 
Stammes  sich  um  die  obenbezeiehneten  Grössen  verlängert.  Unsere  Tabelle 
kann  dem  entsprechend  auch  folgenderinaassen  geschrieben  werden : 


Abstand  von 

der  Basis. 

Abnahme  des  Kadins. 

Dicke  der  Jahressclirciiten. 

Von    0  bis 

6  Meter 

13,2  Mill. 

1,0  Mill. 

6  - 

12  - 

14,4  - 

1,08  - 

-    12  - 

18  - 

1.5,9  - 

1,2  - 

-    18  - 

21  - 

18,3  - 

1,45  - 

-     24  - 

30  - 

22,2  - 

1,67  - 

-    30  - 

30  - 

27,0  - 

2,0  - 

Der  Stamm  bleibt  hiernach  in  Bezug  auf  Biegungsfestigkeit  ein  Träger  von 
gleichem  Widerstande,  wenn  die  Dicke  der  Jahresschichten  in  der  angegebenen 
AVeise  von  unten  nach  oben  zunimmt.  Das  ist  nun  aber  thatsächlich  nicht  der 
Fall,  sondern  die  Jahresschichten  haben  nach  Sanio^)  oben  wie  unten  ungefähr 
dieselbe  Mächtigkeit  und  sind  sogar  im  untern  Theil  des  Stammes  durchgehends 
fester  als  im  obern.  Daraus  folgt  aber,  dass  die  Festigkcitsabiiahme  in  acro- 
petaler  Richtung  hier  merklich  rascher  erfolgt,  als  in  einem  Träger  von  gleichem 
Widerstande  . 

2.  Farnkräuter. 

Meine  Beobachtungen  hierüber  beziehen  sich  vorzugsweise  auf  die  Blatt- 
stiele.   Diese  besitzen  durchgehends  eine  subepidermale  oder  doch  streng-peri- 


>)  Vgl.  die  Tabelle  zur  oben  erwähnten  Abhandlung  in  Pringsheim's  Jahrb.  VIII. 
2)  Selbstv(irständlich  kann  diese  Betrachtungsweise  auch  auf  andere  Pflanzen  mit  Dicken- 
wachsthuni  übertragen  werden. 

Schwenclpiier,  Das  iiiechanischfi  Priiu'ip.  '  11 


162 


III.  Vergleichende  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflanzenklassen. 


pherische  Zone  meclianischer  Zellen'!  und  sind  in  hohem  Grade  biegimgsfest. 
Die  Gefässblindel  stehen  mit  diesem  King  in  keinem  Zusammenhang;  dafür 
besitzen  sie  zuweilen  ihre  besondern  Prosenehymscheiden ,  die  übrigens  nicht 
selten  einen  halb-parenchymatischen  Cliaracter  annehmen  und  selbst  vollständig- 
fehlen  können,  während  sie  allerdings  in  andern  Fällen  eine  beträchtliche 
Mächtigkeit  erreichen  oder  durch  mehrere  Lagen  fester  Parenchymzellen  ersetzt 
sind.  Zuweilen  sind  es  übrigens  keine  geschlossenen  Scheiden,  sondern  bloss 
isolirte  Gruppen,  welche  beispielsweise  den  einspringenden  Winkeln  der  Fibro- 
vasalstränge  entsprechen.  In  allen  Fällen  ha])en  diese  Innern  Belege  zunächst 
den  Zweck,  dem  Cambiform  der  Gefässbündel  den  erforderlichen  Schutz  zu 
gewähren. 

Als  Beispiel  schwacher  Bast-  oder  Parenchymbckleidung  führe  ich  an: 
Lastraea  crinita,  Pteris  arguta  und  argyrea,  Cibotium  Schiedei,  Diplazitmi  celtidi- 
folium.  Pteris  cretica ,  Aspidiuni  violaceum;  stärkere  findet  man  bei  Balantmm 
antarcticuni,  Stenocldaena  scandem,  DidymocJdacna  lumdafa. 

Eine  ähnliche  Anordnung  der  festen  Theile  zeigen  nach  den  übereinstim- 
menden Angaben  der  Autoren  auch  die  aufrechten  Stämme  der  Baumfarne.  Die 
Rhizome  dagegen,  von  denen  ich  mehrere  untersuchte,  sind  theils  sehr  schwach 
und  dann  von  einem  einzigen  centralen  Fibrovasalbündel  durchzogen,  theils 
aber  auch  entschieden  zugfest,  wie  bei  der  Mehrzahl  der  Monocotylen.  Die 
centripetale  Tendenz  der  Gefässbündel  tritt  überall  deutlich  hervor,  hie  und  da 
auch  die  Neigung  der  peripherischen  Rindenzellen,  eine  feste  röhrenartige  Hülle 
zu  bilden. 

Die  Wurzeln  sind  zum  Theil  mit  einem  peripherischen  Umhüllungsmantel 
ausgestattet,  welcher  das  Rindengewebe  gegen  Druck  schützt.  Sehr  ausgeprägt 
ist  derselbe  z.B.  bei  Psaronius,  einem  vorweltlichen,  offenbar  an  feuchte  Stand- 
orte angcpassten  Farnkraut,  bei  welchem  die  Rinde  von  zahlreichen  Luftkanälen 
durchzogen  war  und  daher  des  Schutzes  gegen  radiale  Druckkräfte  um  so  eher 
bedurfte.  Querschnitte  durch  diese  Wurzeln  sind  in  Corda's  Beiträgen  zur 
Flora  der  Vorwelt  (Taf.  XLY,  2;  XL  VI,  3;  XLVIL  2,  4)  abgebildet. 

3.  Equisetaceen. 

Die  oberirdischen  Stengel  der  Equiseten  sind  streng  nach  den  Principieu 
der  Biegungsfestigkeit  construirt.  Sie  besitzen  eine  starke  Epidermis  mit  an- 
liegenden Bastrippen  oder  continuirlichem  Bastring,  dazu  einen  Kranz  von  Me- 
stombündeln,  zum  Theil  mit  starken  tangentialen  Verbindungen,  als  Aussteifungs- 
apparat. Die  Construction  erinnert  in  mancher  Beziehung  an  gewisse  Cyperaceen, 


1)  Die  Zahl  der  dünnwandigen  Zellschichten  ausserhalb  der  Bastzone  variirt.  Gewöhn- 
lich sind  es  nur  1  bis  2,  andere  Male  3  bis  4.  Wie  in  diesem  Falle  die  Epidermis  zu  defini- 
ren  sei,  mag  hier  unerürtert  bleiben.  Dagegen  bemerke  ich  noch,  dass  der  mechanische 
Ring  zuweilen  in  zwei  symmetrischen  Punkten  auf  der  rechten  und  linken  Seite  unter- 
brochen ist. 


(k  Die  übrigen  Golasspflaiizon. 


iianieiitlicli  auch  mit  Bezug  auf  das  lang-  andauernde  intcrcalarc  Waclistliuni  im 
untern  Tbeil  der  Internodien,  wie  es  sonst  bei  Cryptogamen  nicht  vorkommt. 

Die  Rhizome  fügen  sich  ebenso  augenfällig  dem  rrincip  der  Zugfestigkeit. 
Die  centrale  Hühlung  ist  verschwunden  oder  doch  bedeutend  reducirt,  der  Ge- 
fässblindelkranz  enger  zusammengezogen,  das  System  der  Luftkauäle  vorzugs- 
weise in  die  Rinde  verlegt  u.  s.  w.  Man  vergleiche  hierüber  die  Abbildungen 
bei  Duval-Jouve '),  Taf.  V  und  VI,  und  dessen  Beschreibungen  der  einzelnen 
Arten.  —  Aehnlich  verhalten  sich  auch  die  hängenden  Zweige. 

Im  Wesentlichen  übereinstimmend,  obschon  im  Einzelnen  weniger  ab- 
weichend, erscheint  den  Beschreibungen  und  Abbildungen  zufolge  auch  der  Bau 
der  vorweltliclien  Calamiten^).  Die  lutcrnodien  waren  aber  doch  durchgehends 
kürzer,  zum  Theil  sehr  kurz,  das  Wachsthum  also  vorwiegend  acroi)etal,  die 
Blattquirle  nicht  zu  Scheiden  verschmolzen,  d.  Ii.  für  den  intercalaren  Aufbau 
der  Internodien  nicht  eingerichtet,  der  ganze  Bau  also  noch  ursprünglich  und 
dem  Plan  der  übrigen  Gefässcryptogamen  mehr  conform.  Aus  der  Art  und 
Weise,  wie  die  Calamiten  der  Steinkohle  erhalten  sind,  scheint  mir  überdies« 
hervorzugehen,  dass  die  subepidermalen  Bastbelege  nur  schwach,  die  intracorti- 
ealen  Gefässbündel  dagegen  um  so  stärker  entwickelt  waren.  Dem  Fibrovasal- 
cylinder  von  Calamodendron  Binney^)  muss  sogar  entschiedenes  Dickenw^achsthum 
zugeschrieben  werden ;  die  Frage  jedoch,  ob  er  neben  Gefässen  und  Markstrahlen 
auch  spezifisch-mechanische  Zellen  enthielt,  lässt  sich  auf  Grund  der  bezüg- 
lichen Darstellungen  nicht  mit  Sicherheit  beantworten. 

4.  Rhizocarpeen. 

Von  den  aufrechten  Organen  dieser  Gruppe  erwähne  ich  zuerst  die  Blatt- 
stiele von  Marsilea  Drummondi  und  M.  spec.  (einer  zweiten  exotischen  Art). 
Beide  besitzen  einen  continuirlichen  Bastring,  der  zu  den  Gefässgruppen  in 
keiner  Beziehung  steht  und  olfenbar  einzig  und  allein  die  Biegungsfestigkeit 
des  Organs  bezweckt,  sich  aber  dessenungeachtet  etwas  weiter  als  gewöhnlich 
von  der  01)erfläche  entfernt.  Diess  geschieht  indess  nur,  um  den  luftführenden 
Gängen  in  der  peripherischen  Rinde  den  nöthigen  Raum  zu  gewähren.  Man 
beobachtet  das  nämliche  Verhalten  auch  bei  Junctis  articidatus  [L] ,  ScheueJtzeria 
palustris  u.  a.,  jedoch  stets  nur  in  demjenigen  Theil  des  Stengels,  welcher 
mindestens  zeitweise  von  Wasser  umgeben  ist.  Bei  den  genannten  Marsilcen 
erstreckt  sich  diese  Ventilationsvorrichtung  auf  die  ganze  Länge  des  Blatt- 
stieles. —  Dasselbe  gilt  von  3/.  quadrifoUa,  nur  ist  der  mechanische  Ring  hier 
schwächer  und  mehr  parenchymatisch,  von  der  nächsten  Umgebung  des  Gefäss- 
bündels  überdiess  weniger  deutlich  abgegrenzt,  das  feste  Gewebe  überhaui)t 
stark  contrahirt,  indem  die  peripherischen  Luftkanäle  mindestens  die  Hälfte  der 


1)  Duval-Jouve,  histoire  nat.  des  Eqnisetum  de  France. 
-]  Vgl.  Schimper,  Paläontologie  vögetale,  I,  pag.  201  flf. 
a)  Vgl.  Schimper,  1.  c.  Taf.  XXI,  Fig.  8,  15. 

11* 


I()l 


III.  Vergleichende  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflanzenkiasseti. 


g-anzen  Quersclniittsfläche  einnehmen,  —  alles  Merkmale,  welche  offenbar  mit 
der  vorwieg-eutlen  An])assung-  an  Wasser  im  Zusammenhang-  stehen. 

Die  kriechenden  Stengel  der  Marsileen  zeigen  ein  ähnliches  Verhalten,  wie 
die  eben  beschriebeneu  Blattstiele.  Das  feste  Gewebe  ist  stark  contrahirt  und 
das  Ventihitioussystem  sehr  entwickelt,  fast  wie  bei  eigentlichen  Wasserpflanzen. 
Besondere  Erwähnung  verdient  der  centrale,  oft  dunkelfarbige  Faserstrang-  inner- 
halb der  Gefässzone,  ein  deutlicher  Beleg  für  die  centripetale  Tendenz  der 
mechanischen  Zellen. 

5 .  L  y  c  0 1 )  0  d  i  a  c  e  e  n . 

Es  gibt  wenige  Gefässpfianzen,  deren  Architectur  so  plump  und  irratiouell 
aussieht,  wie  bei  der  Mehrzahl  der  Lycopodiaceen,  denen  sich  die  vorweltlichen 
Lepidodendren  anschliessen.  Halten  wir  uns  vorläufig  an  die  Gattung  Lycopo- 
dium ,  so  bilden  hier  die  Gefässe  und  das  Cambiform  bekanntlich  einen  axilen 
Cylinder,  der  zuweilen  von  kleineren  oder  grösseren  luftführenden  Räumen  um- 
geben ist.  Einzelne  Arten,  wie  z.  B.  L.  complanatum.  amiotinum  und  clavatum, 
verhalten  sich  in  dieser  Beziehung,  wenigstens  in  den  untern  Theilen  oder  in 
den  Seitenzweigen,  ganz  wie  Selaginella.  Es  wäre  nun  rationell,  diesen  axilen 
Mestomcylinder,  beziehungsweise  den  umgebenden  Luftraum,  durch  eine  relativ 
feste  Umhüllung  zu  schützen  und  hiefür  je  nach  Bedürfniss  Parenchymzellen 
oder  spezifisch-mechanische  Zellen  zu  verwenden.  Das  biegungsfeste  mecha- 
nische System  dagegen  müsste ,  wie  immer ,  in  die  Nähe  der  Oberfläche  ver- 
legt werden.  Dieses  System  würde  in  liegenden  oder  aufsteigenden  Stämmen 
schwächer,  in  stramm  aufrechten  stärker  zu  construiren  sein;  bei  ersteren 
könnte  es  unter  Umständen  auch  ganz  wegfallen,  während  die  centrale  Scheide 
vielleicht  angemessen  zu  verstärken  wäre,  um  ihr  eine  grössere  Zugfestigkeit 
zu  verleihen. 

Ein  solcher  Bau  ist  nun  allerdings  sowohl  bei  Lycopodium  clavatum  und 
Selago.  als  auch  bei  verschiedenen  Selaginellen  thatsächlich  vorhanden;  doch 
zeigt  er  auch  hier  eine  geringe  Empfindlichkeit  gegenüber  den  Veränderungen 
in  den  mechanischen  Lebensljedingungen.  Der  liegende  Stamm  von  L.  clamium 
ist  z.  B.  nach  demselben  Plan  gebaut,  wie  der  aufrecht  stehende  Stiel  der 
Aehre.  Bei  andern  Arten  dagegen,  so  bei  L.  complanatum ,  inundatmi  und 
(ilpmum.  ist  eine  breite  peripherische  Zone  der  Rinde  dünnwandig,  oft  sogar 
locker-maschig  [L.  complanatum.  Chamaecyparissus)  ^  wie  es  sonst  nur  die  An- 
passung an  zeitweise  oder  dauernde  Ueberfluthung  mit  sich  bringt ;  die  mecha- 
nischen Zellen,  mit  Einschluss  der  verdickten  Parenchymzellen,  bilden  in  Folge 
dessen  einen  einzigen  starken  Ring,  dessen  Innenfläche  sich  unmittelbar  an  die 
Umgebung  des  Fibrovasalcylinders  anschliesst.  Die  Scheide  des  letztern  ist 
gleichsam  versclnnolzcn  mit  dem  biegungsfesten  mechanischen  System.  Welche 
Vortheile  die  Pflanze  dadurch  erzielt,  ist  mir  nicht  bekannt;  in  mechanischer 
Beziehung  büsst  sie  Jedenfalls  ein,  da  der  Aufwand  an  Material  in  Folge  der 


1 


t>.  Die  iil)ri,i;c'u  <^ct';isispHunz,en. 


105 


ung'Unstij^-en  Vcrtlieiluiig  ein  hctriiclitlich  {^Tösserer  wird.  Der  Bau  dieser  I^yco- 
podien  niuss  daher  im  AlliAeiucincu  als  seil  wert  alli^-  bezeiclinet  werden:  er 
veriiält  sieh  zu  der  selüanken  und  eorreeten  Areliiteetur  der  Equiscten  unge- 
tähr  wie  ein  alter  Thurm  mit  eolossalen  Mauern  zu  einer  modernen  Eiseneon- 
struction. 

Die  mcehauisehen  Zellen  der  l^ycopodien  sind  ül)rij;ens  in  manehen  Fällen 
typische  Bastzclleu  mit  schiefen  spaltenförmig-eii  Poren  (sehr  ausgeprägt  hei 
i/.  inundafumi.  In  andern  Fällen  erhalten  sie  durch  die  öfteren  Quertheilungen 
und  die  Grösse  der  Lumina  einen  halh-parenchymatischen  Cliaraeter.  Die  ver- 
schiedenen Formen  gehen  aber  auch  hier  ohne  scharfe  Grenze  in  einander  über. 

Von  den  exotischen  Gattungen  habe  ich  nur  IVdotum  untersucht.  Die  auf- 
rechten Stänmie  dieser  Pflanze  besitzen  einen  norjualen  peripherischen  Bastriiig, 
welcher  durch  etwa  zwei  bis  drei  grüne  Kindenzellschichten  von  der  Epidermis 
getrennt  ist.  Die  ßastzellen  sind  niässig  verdickt,  zum  Theil  chlorophyllführend 
und  mit  deutliehen  linksschiefen  Poren  versehen.  Dem  axilen  Mestomstrang 
fehlt  eine  besondere  Bastscheide :  selbst  in  den  ältesten  Htengeltlieilen  sind 
höchstens  die  nächstliegenden  Parenchymzellen  mit  etwas  stärkern  Wandungen 
ausgestattet.  Dagegen  enthält  der  Mestomstrang  selbst  ansnahnislos  einige  Bast- 
oder Libriformzellen,  die  ihm  eine  gewisse  Zugfestigkeit  Aerleihen.  —  In  den 
unterirdischen  Stammorganen,  den  sogenannten  Khizoiden,  fehlt  der  J^astring, 
weil  er  hier  zwecklos  wäre.  Dass  zugleich  die  Vasalgruppen  zu  einem  einzigen 
centralen  Strang  verschmelzen,  ist  bekannt. 

Die  vorweltlichen  Lepidodendren,  bekanntlich  Bäume  von  60  bis  100  Fuss 
Höhe,  waren  im  Allgemeinen  ähnlich  gebaut  wie  die  Lycopodien.  Die  bezüg- 
lichen Daten  sind  aber  doch  zu  lückenhaft,  als  dass  es  mir  möglich  wäre,  über 
die  Dimensionsverhältnisse  des  mechanischen  Systems  eine  klare  Vorstellung 
zu  gewinnen.  Wie  waren  z.  B.  jene  starken  Stännne  cojistruirt,  die  10  bis  \'l 
Fuss  Durchmesser  erreichten  und  eine  stattliche  Krone  zu  tragen  hatten V  Ich 
kann  mir  nicht  denken,  dass  hier  bloss  eine  Art  y>e2nderme.  romposc  de  rcUulcs 
frea-cfroitcs  et  aUongeea^^.  wie  Brongniart  angibt,  vorhanden  gewesen  sei; 
es  bedurfte  gewiss  einer  sehr  bedeutenden  Wandstärke  dieser  biegungsfesten 
peripherischen  Zone  oder  dann  eines  viel  dickeren  centralen  Hohlcylinders.  als 
diess  gewöhnlich  dargestellt  wird').  Nach  den  Angaben  Binney's  über  das 
verwandte  Genus  Süjillar'm  war  das  erstcre  der  Fall ;  derselbe  nennt  die  ober- 
llächliche  Schicht  ein  sehr  festes  kleinzelliges  Kindengewebc'-).  Ebenso  Cor  da 
in  seineu  Beiträgen  zur  Flora  der  Vorwclt. 


I  Vgl.  z.  B.  Unger,  Arut.  u.  Physiol.  der  Pflanzen,  p.  228,  Fig.  '.I5.  Der  Durch- 
messer des  centnden  Cylinders  betrügt  liier  weniger  als  '/;(  der  Gesjunnitdickr.  Aelinliche 
Verliiiltniöse  zeigen  auch  andere  Abbildungen. 

-';  ßinney,  citirc  von  Schiinper,  Paleontologie  vegetale  II,  p.  SO.  Urginalablumdliiu!; 
in  Phil.  Transact.  ISfiö,  p.  5Sü.  —  l\Iit  obiger  Auflassung  stimmen  auch  die  neuesten  Ver- 
öffentlichungen dieses  Autors  überein  Palaeontographical  Society,  vol.  XXV,  iS7]  . 


166 


III.  Vergleichende  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflanzenklii 


Siebentes  Capitel. 
Die  Zelleiicryptoganien. 

Die  mechauischeii  Zellen  sind  nicht  bloss  auf  die  Gefässpflanzen  beschränkt ; 
sie  finden  sich  in  verschiedenen  Graden  der  Ausbildung-  auch  bei  den  Muscineen. 
Jener  King  von  braunen  oder  brauugelben  Zellen ,  welcher  auf  Querschnitten 
durch  die  Stämmchen  oder  die  Fruchtstiele  der  Laubmoose  das  peripherische 
Kindengewcbe  bildet'),  ist  nichts  Anderes  als  das  biegungsfeste  mechanische 
System.  Sind  auch  die  Zellen,  aus  denen  dieser  Ring  besteht,  in  der  Regel 
porenlos  2)  und  folglich  weniger  deutlich  characterisirt ,  so  ist  doch  ihre  Länge 
oft  so  bedeutend  und  die  prosenchymatische  Zuspitzung  so  ausgeprägt,  dass  sie 
in  diesem  Punkte  sogar  mit  typischen  Bastzellen  coucurriren  können.  Zuweilen 
lindet  man  in  der  Umgebung  des  centralen 'Lcitbündels  abermals  einen  Ring 
schwach  verdickter  Zellen;  diesen  glaube  ich  als  schützende  Umhüllung  des 
Lcitbündels  deuten  zu  dürfen. 

Bei  einigen  wasserliebenden  Moosen  [Sphagnum,  Aidacomnium  paluatre^ 
Enrahjpta  ciliata)  treten  die  mechanischen  Zellen  mehr  oder  weniger  von  der 
Oberfläche  zurück,  um  diese  Stelle  einem  Durchlüftungsmautel  einzuräumen, 
der  bei  Sphagnum  sogar  3  bis  4  Zellschichten  in  Anspruch  nimmt.  Maü  ist 
zwar  gewohnt,  diese  luftführenden  peripherischen  Zellen  als  Capillarapparate 
zu  betrachten,  welche  angeblich  die  Wasserströmung  von  unten  nach  oben  zu 
unterhalten  bestimmt  sind.  Es  mag  auch  thatsächlich  vorkommen ,  dass  sie 
unter  Umständen  diese  Verrichtung  übernehmen.  Allein  diese  Zellen  sind  nur 
bei  Sphagnum  cymhifolümi  und  etwa  noch  bei  ein  paar  anderen  Arten  mit  offe- 
nen Poren  versehen,  bei  den  übrigen,  wie  z.  B.  bei  S2yh.  squarrosum,  geschlos- 
sen, so  dass  hier  von  Capillarwdrkung  von  vorneherein  nicht  die  Rede  sein 
kann.  Das  Vorkommen  solcher  Zellen  ist  aber  für  die  Sphagneen  ein  durch- 
greifendes Merkmal.  Ich  möchte  daher  diese  Erscheinung  eher  dem  Zurück- 
treten des  mechanischen  Systems  bei  den  biegungsfesten  Organen  wassei'lieben- 
der  Gefässpflanzen,  z.  B.  von  Juncus  articulatus .  Marsilea  Drummondi .  Hot- 
tonia  palustris  etc.  an  die  Seite  stellen ,  wo  ebenftills  Ventilationsapparate  die 
peripherische  Zone  zunächst  unter  der  Epidermis  behaupten  und  die  mechani- 
schen Zellen  um  so  weiter  zurückdrängen,  je  mehr  die  Pflanze  für  öftere  oder 
länger  andauernde  Ueberschwemmungen  der  Standorte  angepasst  ist. 

Die  kriechenden  und  fluthenden  Stammorgane  der  Muscineen  stimmen  hin- 
sichtlich der  peripherischen  Lage  der  mechanischen  Zellen  mit  den  aufrechten 
überein,  wobei  indess  zu  berücksichtigen,  dass  die  cylindrische  Röhre  nicht 
bloss  den  Bedingungen  der  Biegungsfestigkeit  entspricht,  sondern  zugleich  gegen 


')  Vgl.  Lorentz,  Grundlinien  zu  einer  vergleichenden  Anatomie  der  Laubmoose  i 
Pringsheim  s  Jahrb.  VI,  Tat'.  XXI  -  XXVIII. 

2j  Lorentz  gibt  nur  hei  Ehacomitrium  jjrotensum  Foren  an,  jedoch  ohne  etwas  Nähere 
über  deren  Form  mitzutheilen. 


7.  Die  Zellencrypto}2;ainen. 


167 


radiale  Druck-  und  longitudinale  Zugkräfte  widerstandsfähig  ist.  Bei  Fontinalis 
squamosa  und  antipijretica.  deren  Stämniehen  oft  nur  0,2  Millimeter  Dicke  er- 
reichen, wird  übrigens  der  feste  peripherische  Hohlcylinder  so  eng,  dass  nur 
noch  ein  kleiner  Strang  von  parenchymatischen  Leitzellen  darin  Platz  findet. 
Eine  wesentlich  andere  Anordnung  der  dickwandigen  Zellen  lässt  sich  hier  gar 
nicht  erwarten. 

Steigen  wir  in  der  Stufenleiter  der  Gewächse  noch  weiter  abwärts  zu  den 
Flechten,  Pilzen  nnd  Algen,  so  fehlen  hier  allerdings  die  spezifisch-mechani- 
schen Zellen,  aber  die  Herrschaft  des  mechanischen  Princips  tritt  nichtsdesto- 
weniger oft  recht  deutlich  hervor.  Wir  erkennen  z.  B.  in  dem  röhrenförmigen 
Thallus  der  Cladonien,  im  hohlen  Fruchtstiel  mancher  Agarici  und  anderer 
Pilze  sofort  wieder  den  biegungsfesten  Hohlcylinder,  iudess  der  centrale  Faser- 
strang von  Usnea  unverkennbar  die  ursprüngliche  Inanspruchnahme  auf  Zug 
verräth.  Ich  glaube  daher  nicht  zu  irren,  wenn  ich  die  hängenden  Formen  von 
Usnea  für  die  primären,  die  aufrechten  für  die  abgeleiteten  erkläre,  während 
bei  Bryopogon  und  Cornicularia  das  umgekehrte  Verhältniss  das  wahrschein- 
liche ist.  Eine  hängende  Form  wird  allmälig  zur  aufrechten,  indem  der  Mark- 
strang schon  in  der  Anlage  eine  grössere  Querschnittsfläche  erhält  und  für  die 
Folge  die  Fähigkeit  einer  stärkeren  Dickenzunahme.  Eine  aufrechte  Form 
wird  hängend,  wenn  das  Längenwachsthum  zu  sehr  vorwiegt  und  zugleich  die 
Höhlung  des  Hohlcylinders  theilweise  von  Marksträngen  ausgefüllt  oder  über- 
haupt relativ  kleiner  wird ') .  Die  Haftfasern  der  Parmelien  und  Imbricarien, 
die  natürlich  schon  bei  den  Urformen  auf  Zug  construirt  waren,  sind  nie  hohl. 

Bei  den  Algen  spielt  natürlich  die  Festigkeit  eine  mehr  untergeordnete 
KoUe.  Dessenungeachtet  ist  der  Gegensatz  zwischen  zugfesten  und  druckfesten 
Organen  keineswegs  ganz  verwischt.  Man  denke  z.  B.  an  die  hohlen  Thal- 
lome einzelner  Fucoideen  und  an  die  nicht  hohlen  Haftorgane  bei  Laminaria 
und  Fucus.  Eine  genauere  Untersuchung  würde  gewiss  auch  auf  diesem  Ge- 
biete manches  Neue  zu  Tage  fördern.  Ich  halte  es  sogar  für  wahrscheinlich, 
dass  sich  manche  längst  bekannte  Thatsachen  unter  den  mechanischen  Gesichts- 
punkt ordnen.  Dahin  rechne  ich  z.  B.  die  Stellung  der  Scheidewände  bei  ein- 
zelnen Meeresalgen.  Es  muss  Jedermann  auffallen,  dass  die  Querschnittsan- 
sicht von  Scirjnis  laciistris  (Taf.  IV,  4,  5)  gewissermaassen  das  Bild  eines  Quer- 
schnittes durch  ein  Sphacelaria-Stämmchen  im  vergrösserten  Maassstabe  wieder- 
gibt. Hier  sind  es  freilich  einfache  Zellmembranen,  welche  die  Maschen  des 
Netzwerkes  bilden,  dort  hingegen  Parenchymwände ,  welche  gewöhnlich  aus 
3  Zellschichten  bestehen ;  aber  beide  werden  sowohl  auf  Druck  als  auf  Zug  in 
ungefähr  gleicher  Weise  in  Anspruch  genommen.  Ebenso  besteht  eine  gewisse 
Aehnlichkeit  zwischen  den  Querschnittsansichten  von  Juncus  glaucus,  conglome- 
ratus  etc.  auf  der  einen,  und  denjenigen  von  Sphacelaria-Zweigen  auf  der  an- 


1)  Man  vergleiche  z.  B.  die  Querschnitte  von  Cormctilaria  und  JSvcnna  auf  Taf.  TV 
meiner  »Unters,  über  d.  FlechtenthaHus«  in  Nägeli's  Beiträgen  z.  wiss.  Bot,  II. 


](58  III.  VerKleichendc  Ausblicke  auf  die  übrigen  Pflauisenklussen. 

(lern  Seite.  Und  wie  in  den  Luftkanülen  von  Juneus  Zellenreihen  als  Zugbän- 
der von  Wand  zu  Wand  ausgespannt  sind,  so  im  Thallom  von  Caulerpa  die 
bekannten  Celluloscladen.  Dergleichen  Analogieen  Hessen  sich  noch  manche 
anführen.  Soviel  ist  sicher:  auch  bei  den  einfachsten  Gewächsen  behält  unter 
den  verschiedenen  Momenten,  welche  den  Aufbau  beeinflussen,  das  mechanische 
stets  eine  hervorragende  Bedeutung. 

Achtes  Capitel. 

Das  inccliaiiischo  System  in  phylogenetischer  Hinsicht. 

Wir  wollen  uns  zum  Schluss  noch  mit  der  Frage  beschäftigen,  inwieweit 
das  mechanische  System  bezüglich  der  Entwicklungsfolge  der  verschiedenen 
Typen  Aufschluss  oder  doch  gewisse  Anhaltspunkte  zu  bieten  vermag. 

Es  ist  zunächst  wahrscheinlich,  dass  das  Wachsthum  derjenigen  Gewächse, 
in  welchen  zum  ersten  Mal  ein  aus  mechanischen  Zellen  bestehendes  System 
zur  Entwicklung  kam,  ein  streng  basifugales  war.  Denn  der  intercalare  Auf- 
bau durch  localisirte  Streckung,  d.  h.  durch  fortdauernde  Gew^ebebildung  in  der 
Basalregion  der  Internodien,  beruht  offenbar  auf  einer  weiteren  Differenzirung 
und  bekundet  daher  eine  höhere  Stufe  der  Architectur.  Hienach  bilden  Pflanzen, 
wie  z.  B.  die  Moose,  Farnkräuter  und  Lycopodien  unter  den  Gryptogamen,  und 
wie  die  Mehrzahl  der  Coniferen,  dann  die  Dracaenen,  Palmen  und  Pandaneen 
unter  den  Phanerogamen  die  unterste  oder  Ausgaugsstufe ,  deren  Abgrenzung 
nach  oben  allerdings  die  bekannten  systematischen  Gruppen  mannigfach  durch- 
kreuzt. Nicht  einmal  alle  Gefässcryptogamen  gehören  hieher.  Die  Equiseten 
sind  bekanntlich  durch  ein  scharf  localisirtes  Wachsthum  der  Internodien  aus- 
gezeichnet. In  ähnlicher  Weise  stechen  unter  den  Gymnospermen  die  Gneta- 
ceen  gegen  den  herrschenden  Wachsthumstypus  der  Klasse  mehr  oder  weniger 
ab:  von  Monocotylen  und  Dicotylen,  bei  denen  bekanntlich  die  langen  Inter- 
nodien vorwiegen,  gar  nicht  zu  reden.  Aber  dessenungeachtet  glaube  ich  zeigen 
zu  können ,  dass  die  oben  genannten  Gewächse  mit  acropctalem  Aufbau  that- 
sächlich  die  ältern  sind  und  dass  für  eine  bestimmte  Entwicklungsreihe  die  mit 
der  localisirten  Streckung  verbundene  Complication  des  mechanischen  Systems 
einer  geologisch  Jüngern  Zeit  angehört. 

Was  zunächst  die  Equisetaceen  betrifft,  so  sind  die  ältesten  Repräsentanten 
derselben  die  Calamiten  aus  dem  Devonischen  und  der  Steinkohle.  Die  meisten 
derselben  haben  kurze ,  einzelne  sehr  kurze  Internodien ,  und  alle  ohne  Aus- 
nahme besitzen  freie,  nicht  zur  Scheide  verbundene  Quirlelemente.  Das  sagt 
uns  deutlich,  dass  eine  nachträgliche  Gewebebildung  über  dem  Knoten  nicht 
stattfand.  Bei  Calamocladus  equisctiformis ,  dessen  Stamminternodien  den  relativ 
längsten  beizuzählen  sind,  beweist  überdiess  auch  die  regelmässig  tonnentormige 
Gestalt  derselben  die  Gleichmässigkeit  der  Streckung.  Uebrigens  sind  die  als 
Calamocladus  beschriebenen  Formen  nach  den  übereinstimmenden  Ansichten  der 
Paläontologen  nichts  Anderes  als  die  Aeste  der  Calamiten,  und  ich  füge  hinzu : 


S.  Dil«  meciiiuiiischo  Sytstciu  in  phyloj;-cnctisc'.lier  Iliuf^icht. 


es  sind  walirscheiiilich  grosseiitlieils  hängende  Aestc  gewesen.  Icli  scliliesse 
diess  einerseits  aus  dem  Verschwinden  der  centralen  Höhlung-  in  den  Aesten 
verwandter  Calaniiten  [Calamodondron  Binney  >),  andererseits  aus  der  Krümmung 
der  Zweige  und  Blätter,  welche  entweder  auf  eine  entsprechende  Steilheit  (die 
jedoch  bei  andern  Arten  w^ahrscheiulicher  ist  als  bei  ü.  eqimefiformis) ,  oder 
aber  auf  den  Zug  der  Schwere  schliessen  lässt.  Wenn  das  Letztere  der  Fall, 
was  meine  Vcrmuthung  rechtfertigen  würde,  so  haben  auch  die  am  stärksten 
gestreckten  Internodien ,  wie  sie  an  den  Zweigen  dritter  und  vierter  Ordnung 
vorkommen,  nichts  Auttallendes ;  denn  die  letzten  Auszweigungen  waren  wahr- 
sclieinlicli  sciüafter  als  die  übrigen  und  der  Streckung  durch  Zug  in  höherem 
Grade  unterworfen. 

Wie  dem  auch  sei ,  die  Calamarieenstänime  der  Steinkohle ,  welche  nach 
Schimper  zu  den  Gattungen  Calamitcs.  (Jalamocladm  und  Iluttonia  gehören, 
sind  zum  grössten  Thcil  kurzgliedrig.  und  die  wenigen  Arten  mit  etwas  längeren 
Internodien  gehen  doch  selten  über  das  Maass  hinaus,  das  wir  z,  B.  an  den 
gegliederten  Palmstämnien  (Sagus,  Areca,  Caryota  etc.)  beobachten-^).  Eine 
entschiedene  Ausnahme  hievon  machen  nur  Annularia  und  Sphenophyllum, 
welche  vermuthlich  im  Wasser  vegetirten  und  daher  der  Biegungsfestigkeit  nicht 
bedurften.  Kein  einziger  Kepräsentant  der  ganzen  Gruppe  lässt  auf  localisirte 
Streckung  schliessen. 

Wenden  wir  uns  jetzt  zu  den  geologisch  jüngern  Formen,  deren  Culmina- 
tiousperiode  mit  der  Triasformation  zusammenfällt^),  so  begegnen  wir  hier  zu- 
nächst dem  Genus  Srhizoneura,  das  gewissermaassen  den  Uebergang  zu  den 
Equiseten  vermittelt.  Die  ziemlich  langen ,  quirlig  gestellten  Blätter  bleiben 
nämlich  längere  Zeit  zur  Scheide  verschmolzen ,  trennen  sich  aber  später  voll- 
ständig von  einander  und  bilden  dann  ein  »verficillum  liberum,  primo  erectum, 
postea  })atulum ,  tandem  reflexum  et  deciduum«.  Die  beträchtliche  Streckung 
der  Internodien,  die  bis  1 0  mal  so  lang  als  dick  sind,  findet  hier  otfenbar  unter 
dem  Schutze  der  Scheide  statt.  Bei  Flnjllotheca  und  Equisetum  ist  die  Scheide 
bleibend,  aber  die  Dimensionsverhältnisse  derselben  und  die  Länge  der  freien 
Blattsi)reiten  zeigen  manclierlei  Abstufungen.  Bei  der  erstem  Gattung  sind  die 
Spreiten  meist  abstehend  oder  zurückgeschlagen  und  durchgehends  länger  als 

')  Vgl.  Schimper,  Paleoatoiogie  vcgetale,  Taf.  XXI,  15  u.  17.  —  Ucbcr  andere  Cala- 
niarieen  liegen  anatomische  Untersuchungen  hierüber  nicht  vor. 

-)  Die  längsten  Internodien  scheinen  bei  C  Suckowii  Brg.  und  C.  Ciatii  Brg.  vor- 
zukommen; allein  so  schlank  wie  Dawson  dieselben  restaurirt  darstellt  (Acadian  Geology, 
pag.  442),  können  sie  nach  den  mir  bekannten  Abbildungen  und  Grössenangaben  doch 
kaum  gewesen  sein.  Uebrigens  lege  ich  das  Hauptgewicht  nicht  auf  die  Länge  der  Inter- 
nodien, sondern  auf  die  Art  ihres  Wachthums. 

3)  Ich  weiss  wohl,  dass  Equisetum-ähnliche  Stämme  mit  Scheiden  [Equisetides  Schim- 
per; schon  in  der  Steinkohle  auftreten.  Die  Zahl  der  hieher  gehörigen  Arten,  ja  sogar 
der  sämmtlichen  gefundenen  Exemplare  ist  indessen  sehr  klein,  während  die  ('alamiten  be- 
kanntlich in  ungeheurer  Anzahl  vertreten  sind.  Hieraus  geht  jedenfalls  hervor,  dass  die 
Stammformen  dieser  letztern  schon  lange  vorher  existirt  haben  müssen.  Dass  sie  den  Equi- 
seten vorausgehen,  wird,  soviel  mir  bekannt,  allgemein  angenommen. 


170 


III.  Vergleichende  Ausblicke  auf  <lic  übriKC"  Pflanzenklassen. 


die  Scheiden.  Die  mögliehe  Streckung  der  Internodien  erreicht  bei  beiden  einen 
ziemlich  hohen  Grad. 

Wie  die  Equisetcn  unter  den  Gefässcryptogamen ,  so  entsprechen  auch  die 
Guetaceen  unter  den  Gymnospermen  einer  spcätern  Entwicklungsstufe.  Bis  jetzt 
sind  fossile  Ueberreste  dieser  Gruppe  (Arten  der  Gattung  Ephedra)  nur  aus  der 
spätem  Tertiärzeit  bekannt,  während  die  Coniferen  und  Cycadeen  in  ihren 
ältesten  Repräsentanten  bis  zur  Steinkohlenperiode  zurückreichen.  Und  selbst 
unter  den  Nadelhölzern  gehören  die  Typen  mit  einigerniaassen  gestreckten  In- 
ternodien, wozu  beispielsweise  Thuja  gigantea  zu  rechnen  ist,  den  relativ  jüng- 
sten Formationen  an .  Intercalare  Streckung  durch  1  o  c  a  1  i  s  i  r  t  e  Gewebebildung 
findet  übrigens  auch  hier  nicht  oder  doch  nur  in  sehr  begrenztem  Maasse  statt. 

Neben  dem  Längenwachsthum  scheint  auf  den  ersten  Blick  das  Dicken- 
wachsthum  als  zweites  gleich  werthiges  Merkmal  in  Betracht  zu  kommen.  Wie 
ganz  anders  geschieht  z.  B.  der  Aufbau  eines  dicotylen  Baumes  als  derjenige 
einer  Palme.  Dort  ein  rasches  Emporschiessen  in  Gestalt  eines  holzigen  lieises, 
das  vorerst  kaum  stark  genug  ist,  sich  selbst  zu  tragen,  dabei  aber  die  Fähig- 
keit besitzt,  mit  jedem  Jahre  eine  neue  Ringlage  von  mechanischen  Zellen  zu 
entwickeln  und  so  ganz  allmälig,  nach  Maassgabe  der  Längenzunahme,  zu  er- 
starken. Hier  dagegen  ein  langsames  Anschwellen  der  Stammanlage,  gleichsam 
ein  vorsichtiges  Fundamentiren  auf  breiter  Basis ,  und  dann  erst  der  bekannte 
säulenartige  Aufbau  des  Stammes.  Das  sind  so  radicale  Gegensätze  der  Archi- 
tectur,  dass  die  Vermuthung,  dieselben  möchten  auch  für  die  Entwicklungs- 
geschichte des  Pflanzenreiches  eine  gewisse  Bedeutung  haben,  beinahe  selbstver- 
ständlich erscheint.  Dessenungeachtet  geben  uns  die  paläontologischen  That- 
sachen,  soweit  ich  sie  zu  beurtheilen  im  Stande  bin,  zwar  mancherlei  Winke, 
aber  keine  ganz  zuverlässigen  Fingerzeige  im  Sinne  einer  phylogenetischen  Auf- 
fassung des  Dickenwachsthums.  Wir  sehen  schon  unter  den  fossilen  Gewächsen 
der  Steinkohle  solche  mit  und  ohne  Dickenwachsthum,  spitz-pyramidale  Coniferen 
neben  den  Säulenformen  der  Sigillarien.  Auch  die  Calamiten,  obschon  in  ihren 
oberirdischen  Organen  einjährig,  hatten  —  nach  den  oben  erwähnten  Abbildun- 
gen Binney's  zu  schliessen  —  einen  Verdickungsring,  während  ihre  jüngeren 
Descendenten,  die  Equiseten,  und  ebenso  die  baumartigen  Farne  denselben  ent- 
behren. Zwischen  den  Lepidodendreen  und  ihren  nächsten  Verwandten,  den 
Lycopodien,  bestand  wahrscheinlich  ein  ähnliches  Verhältniss ;  nur  ist  hierbei 
zu  berücksichtigen,  dass  baumartige  Gewächse  nicht  ohne  Weiteres  mit  Kräutern 
oder  ZAvergsträuchern  verglichen  werden  dürfen.  Endlich  scheint  auch  bei  den 
Monocotylen  das  Vermögen,  in  die  Dicke  zu  wachsen,  gerade  die  ältesten  Ver- 
treter derselben,  die  Yucca-artigen  Liliaceen,  vor  allen  andern  auszuzeichnen. 
Solchen  Thatsachen  gegenüber  kann  man  sich  des  Gedankens  nicht  erwehren, 
das  Princip  des  peripherischen  Dickenwachsthums  habe  mit  dem  Zurücktreten 


<i  Für  einzelne  Repräsentanten  rauss  jedenfalls  die  Fähigkeit,  in  die  Dicke  zu  wachsen, 
angenommen  werden. 


8.  Das  uKHliaui.sclio  .System  in  pliylofiouetisohor  lliu.sicht. 


17J 


der  hauniartigeii  Vegetation  alliiiälig  an  Bedeutung-  verloren,  bis  endlich  das 
Ersdieinen  der  Dieotylen  in  einer  relativ  späten  Periode  demselben  aufs  Neue 
die  Herrschaft  verlieh.  In  diesem  Wandel  der  Dinge,  der  sich  im  Laufe  der 
Zeit  vollzogen  zu  haben  scheint,  blieben  nur  die^Coniferen ,  von  jeher  conser- 
vativ,  bei  ihrer  altbewährten  Architectur.  Das  ist  das  Bild,  in  welchem  ich 
die  Hauptzüg-e  im  Wechsel  der  Wachsthumstypen  ungefähr  richtig  wiedergegeben 
finde ;  aber  ich  wiederhole,  die  Anhaltspunkte  sind  trügerisch  und  unzuverlässig. 
Es  wäre  daher  wohl  möglich ,  dass  eine  genauere  Kejintniss  der  vorweltlichcn 
Vegetation  die  Sache  in  ein  anderes  Licht  stellen  würde. 

Ein  drittes  Merkmal,  das  uns  einige  weitere  Schlüsse  über  die  Entwick- 
lungsfolge gestattet,  ist  die  Porenbildung  in  der  Membran  der  mechanischen 
Zellen.  Doch  ist  dabei  wohl  zu  beachten,  dass  der  Gestaltungsprocess,  um  den 
es  sich  hier  handelt,  keineswegs  alle  Gewächse  umfasst,  sondern  nur  denjenigen 
Theil  der  Pflanzenwelt,  in  welchem  die  fragliche  Ausbildung  der  Poren  tliat- 
sächlich  stattgefunden  hat.  Die  einfachste  Porenform,  welche  zugleich  als  die 
typische  bezeichnet  werden  muss,  ist  die  spaltenförmige.  Wir  finden  sie  bei 
den  Farnkräutern  durchweg  ausgebildet,  während  die  mechanischen  Zellen  der 
Moose  (vielleicht  ndt  einigen  Ausnahmen)  noch  porenlos  sind.  Bei  Ltjcopodium 
inunclatum  zeigen  die  Poren  bereits  kleine  trichterförmige  Erweiterungen,  die  ersten 
Andeutungen  der  Höfe.  Bei  den  Gymnospermen  kommen  diese  Höfe  zur  vollen 
Ausbildung;  die  mechanischen  Zellen  dienen  nebenbei  der  Durchlüftung.  Ebenso 
bei  Drucaena ,  Cordyline  und  Yucca.  Ich  möchte  hieraus  den  Schluss  ziehen, 
dass  die  genannten  Monocotylen  sich  neben  den  Gymnospermen  als  ein  beson- 
'  derer  Zweig  von  Nachkömmlingen  gemeinsamer  Vorfahren  entwickelt  haben, 
und  zwar  möglicher  Weise  gleichzeitig  mit  den  in  der  Steinkohle  vertretenen, 
schon  vollständig  ausgebildeten  Typen  der  Cycadeen  und  Couiferen.  lieber  die 
Art  der  Abzweigung  lässt  sich  natürlich,  da  wir  Aveder  die  Uebergänge  zu  den 
Gymnospermen,  noch  diejenigen  zu  den  Monocotylen  kennen,  nichts  Näheres 
sagen.  Die  Palaeontologie  hat  bis  jetzt  bloss  constatirt,  dass  Yucca-artige  Ge- 
wächse ( Yuccifes  und  Eolyrion)  unter  den  bekannten  Vertretern  der  Monocotylen 
die  ältesten  sind. 

Für  die  Palmen,  Pandaneen  und  andere  Monocotylen,  welche  mit  den 
Dracaenen  das  streng  acropetale  Wachsthiim  gemein  haben,  deren  mechanisches 
System  aber  einer  andern  Entwicklungsreihe  angehört,  fehlen  bestimmte  anato- 
mische Anhaltspunkte  zur  Feststellung  des  relativen  Alters.  Ich  halte  es  für 
möglich,  dass  diese  Gruppen  zu  den  frühesten  Vertretern  ihrer  Klasse  gehören, 
für  Avahrscheinlicher  jedoch,  dass  sie  erst  nach  dem  Dracaenatypus  aufgetreten 
sind.  Gewissheit  ist  einstweilen  in  dieser  Frage  nicht  zu  erlangen.  Die  Palae- 
ontologie lässt  dieselbe  ebenfalls  unentschieden. 

Was  nun  noch  die  Monocotylen  mit  intercalarem  Aufbau  betrifft,  so  verräth 
zwar  das  mechanische  System  derselben  mancherlei  Verwandtschaftsbeziehungen, 
worüber  schon  bei  der  Aufstellung  der  Typen  das  Nähere  mitgetheilt  wurde. 
Allein  die  Reihenfolge,  in  welcher  diese  Typen  entstanden  sein  mögen,  lässt 


172 


III.  Vcrgloiciicndi'  Ausl)licke  niil"  die  übrigen  PtlHuzeiiklassea. 


sich  aus  den  angedeutctcu  Beziehungen  nicht  ermitteln.  Blicken  wir  z.  B.  auf 
die  kleine  Gruppe  der  Juncaceen,  welche  sich  einerseits  unuiittclhar  an  die 
Cyi)eracceu,  andererseits  den  Monocotylcn  mit  Bastring-  anschliesst,  so  lässt 
sich  durchaus  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen,  welche  von  den  beiden  Ueber- 
gangsroihen  die  ältere  sei.  Die  gewöhnliche  Annahme,  dass  die  lilienartigen 
Gewächse  die  vollkonmineren  und  darum  die  später  entstandenen  seien,  ist  offen- 
bar vorzugsweise  aus  der  einseitigen  BerUcksiclitigung  der  Blüthen  hervorge- 
gangen und  hat  im  Uebrigeu  keine  thatsächliche  Grundlage.  Es  ist  überdiess 
mehr  als  wahrscheinlich,  dass  der  anatomische  Bau  dieser  Gewächse  älteren 
Ursprungs  ist,  als  die  grossen  corollinischcn  BlüthenliüUcn.  AVarum  soll  man 
also  nicht  eben  so  gut  annehmen  dürfen,  dass  die  schlanken  Gramineen  und 
Cyperaccen,  schon  wegen  ihres  starken  intercalarcn  Wachsthums  und  der  damit 
zusannnenhängenden  Sclicidenl)ildung,  mit  zu  den  jüngsten  Descendeuten  der 
monocotylen  Urtypen  gehören  ?  Diese  Annahme  lässt  sich ,  wie  gesagt ,  nicht 
strenge  begründen,  ist  aber  jedenfalls  ebenso  berechtigt  als  die  entgegen- 
gesetzte. 

Die  Palaeontolügie  lässt  uns  auch  in  dieser  Frage  vollständig  im  Stich. 
Sie  zeigt  uns  in  der  Kreide  die  ersten  kümmerlichen  Spuren  hielier  gehöriger 
Gewächse  und  stellt  uns  dann  in  der  Tertiärperiode  mit  einem  Mal  die  Vege- 
tation der  Jetztwelt  vor  Augen.  Das  ist  so  ziemlich  Alles,  was  n)an  in  dieser 
Sache  thatsächlich  weiss.  Eine  plausible  Entwicklungsfolgc  von  der  ältesten 
Tertiärzeit  bis  zur  Gegenwart  vermag  ich  wenigstens  aus  den  palacontologischen 
Werken  nicht  herauszulesen. 

Soll  ich  endlich  noch  ein  Wort  über  die  Entwicklung  der  Dicotylen 
sagen,  so  scheinen  mir  hierüber,  soweit  ich  die  Sache  beurtheilen  kann,  fast 
gar  keine  Anhaltspunkte  vorzuliegen.  Dass  sie  im  Ganzen  die  höchst  differen- 
zirten  Pflanzen  sind,  lässt  sich  im  Hinblick  auf  die  so  mannigfach  abgestufte 
Ausbildung  der  mechanischen  Zellen  und  auf  ihre  verschiedenartigen  Beziehun- 
gen zu  den  Elementen  der  Gefässbündel  nicht  in  Abrede  stellen.  Man  darf 
sogar  dreist  behaupten,  dass  gerade  die  vergleichende  Anatomie  des  mechani- 
schen Systems  in  dieser  Beziehung  die  deutlichsten  Winke  gibt.  Dessenunge- 
achtet ist  die  Aufstellung  der  successiven  Differenzirungstypeu ,  wie  sie  am 
Stannnbaum  der  Angiospermen  nach  einander  zur  Entwicklung  kamen ,  mit 
grossen  Schwierigkeiten  verbunden.  Denn  auch  hier  fehlt  uns ,  wie  in  so 
manchen  andern  Fällen,  die  nötliige  Kenntniss  der  vermittelnden  Uebergänge. 
Und  selbst  das  vorhandene  lebende  Material  ist  in  >ergleichend-anatomiseher 
Hinsicht  noch  viel  zu  wenig  durchgearbeitet,  als  dass  eine  systematische  Gruppi- 
rung  der  fraglichen  Abstufungen  möglich  wäre.  Man  kann  allerdings  auf  Grund 
des  anatomischen  Baues  eine  Reihe  von  Typen  aufstellen  und  mancherlei  Ueber- 
gänge nachweisen:  aber  es  ist  schwer  zu  sagen,  wie  diese  Uebergänge  gene- 
tisch zu  einander  stehen.  Die  Palaeontologie  bietet  uns  in  dieser  Frage  so  gut 
wie  gar  keinen  Halt.  Man  begegnet  zwar  hin  und  wieder  der  Angabc,  es 
seien  zuerst  die  Apctalen,  dann  die  Dialypetalen,  endlich  die  Gamopctalen  auf- 


8.  Das  mechanische  System  in  phylof>onetischer  Hinsicht. 


173 


getreten,  oder  bezüglich  der  beiden  letztern  Abtlieihuiüen  auch  umiiekehrt :  zu- 
erst  die  Oamopetaleu  iiud  nachher  die  Dialypetalen.  Allein  dergleichen  Auf- 
stellungen haben  von  vorne  herein  nur  für  solche  Leser  einen  Sinn,  welche  die 
fragliehe  Drcitheilung  der  Dicotylen  für  eine  natürliche  halten,  und  auch  diese 
werden  sich  fragen  müssen,  ob  die  palaeontologischen  Thatsachen  wirklich  einer 
so  einfachen  Entwicklungsfolge  —  ich  meine  nicht  bloss  der  Blütlienfornien, 
sondern  der  Ptlanzentypen  —  entsprechen.  Die  Antwort  kann  jedenfalls  nicht 
sehr  entschieden  ausfallen .  IJeberdiess  ist  bekannt ,  dass  die  erwähnte  her- 
kömmliche Dreitheilung  von  der  neueren  Systematik  nicht  mehr  allgemein  an- 
erkannt wird.  Stellen  wir  uns  vollends  auf  den  Standpunkt  der  vergleichenden 
Anatomie ,  so  wird  es  sicherlich  Niemanden  einfallen ,  unsere  einheimischen 
Laubhölzer,  wie  z.  B.  die  Eiche  und  Buche,  die  zu  den  typischen  lle})räsen- 
tanten  der  Dicotylen  gehören,  als  Stammformen  derselben  hinzustellen.  Ein 
solcher  Einfall  hätte,  soweit  ich  die  Verhältnisse  kenne,  nicht  die  geringste 
thatsächliclie  Grundlage.  Die  fraglichen  Stammformen  haben  ohne  allen  Zweifel 
ganz  anders  ausgesehen. 

Wir  dürfen  uns  nach  alledem  nicht  verhehlen,  dass  zuverlässige  Anhalts- 
punkte bezüglich  der  Entwicklungsfolge  der  Dicotylen  -  Typen  zur  Zeit  noch 
vollständig  fehlen.  Die  Botanik  ist  in  dieser  Beziehung  viel  weiter  zurück  als 
die  Zoologie.  Unsere  Pflanzensysteme  sind  im  Vergleich  mit  den  zoologischen 
einseitig  und  conventionell,  es  sind  reine  Blüthensysteme ;  sie  mögen  immerhin 
für  einzelne  Gebiete,  ja  für  ganze  Reihen  von  Familien,  natürlich  sein;  für  die 
grossen  Hauptabtheilungen,  auf  die  es  hier  ankommt,  sind  sie  es  jedenfalls 
nicht.  Hier  ist  eine  Lücke,  welche  die  Wissenschaft  erst  ausfüllen  muss,  wenn 
die  sogenannten  natürlichen  Systeme  der  phylogenetischen  Entwicklungsfolge 
auch  nur  in  den  Hauptzügen  gerecht  werden  sollen. 


•)  Man  lese  z.  B.  die  hierauf  bezüglichen  Angaben  Schimper's  (Paleontologie  vege- 
tale,  p.  524  fF.  —  In  der  Einleitung  ipag.  83  ff.)  huldigt  freilich  auch  Schimper  der  An- 
sicht, die  Apetalen  seien  die  ersten,  die  Gamopetalen  die  zuletzt  erschienenen  liepräsentantea 
der  Monocotylen.  Allein  die  hierauf  bezüglichen  Angaben  sind  rein  statistischer  Natur  und 
beweisen  höchstens,  dass  die  Pflanzen  mit  gamopetalen  Blüthen  aus  irgend  einem  Grunde, 
vielleicht  wegen  des  erfolgreicheren  Insectenbesuches,  seit  der  mittleren  Tertiärzeit  die  be- 
vorzugten waren.  Die  anatomischen  Typen  waren  aber  voraussichtlich  schon  vollständig 
differenzirt,  bevor  dieser  Einfluss  der  Blüthenform  zur  Geltung  kam.  Daher  denn  auch  die 
Thatsache,  dass  der  gewöhnliche  Dicotylentypus  uns  schon  bei  den  Apetalen  ganz  ebenso 
ausgeprägt  entgegentritt,  wie  bei  den  GamopetaJen. 


Selilussbemerkiiiigeii. 


1)  Das  Verhalten  der  meclianischen  Zellen  in  Bezug  auf  Anordnung  der  Moleküle 
entspricht  in  den  Hauptpunkten,  wie  wir  gesehen  haben,  demjenigen  der  gezogenen  oder 
gewalzten  Metalle.  Nur  wendet  die  Natur  statt  der  longitudinalen  Reihen,  wie  sie 
die  Technik  z.  U.  im  Schmiedeisen  herstellt,  häufig  schiefe,  schraubenlinige  Grnppi- 
rungen  an,  die  gewissermaassen  an  die  Drahtseile  der  altern  Hängebrücken  erinnern. 
Welche  Vortheile  damit  verbunden  sind  oder  doch  unter  gewissen  Bedingungen  ver- 
bunden sein  k()nnen ,  will  ich  hier  nicht  erörtern ,  obschon  die  Frage  einer  theoreti- 
schen Behandlung  fähig  wäre.  Dagegen  mag  hier  noch  speziell  hervorgehoben  werden, 
dass  die  constante  Linksläufigkeit  der  fraglichen  Schraubenlinien  sich  durchaus  jeder 
Erklärung  entzieht,  auch  wenn  wir  die  physikalischen  Eigenschaften  des  Materials  als 
vollständig  gegeben  betrachten. 

2)  Die  Form-  und  Structur Verhältnisse  der  mechanischen  Zellen,  sowie  die  Stärke 
und  Anordnung  der  betreffenden  Zellcomplexe ,  gehen  durch  Vererbung  von  einer 
Generation  auf  die  andere  über,  wobei  natürlich  kleine  Abweichungen  vorkommen 
können,  welche  dem  Einfluss  der  natürlichen  Zuchtwahl  unterworfen  sind.  Diese 
Abweichungen  mögen  mit  beliebigen  andern  darin  übereinstimmen ,  dass  sie  grossen- 
tlieils  durch  innere  Ursachen  bedingt  sind;   ich  glaube  indessen  nicht,  dass  sie  ganz 
und  gar  unabhängig  von  den  mechanischen  Lebensbedingungen  stattfinden.    Es  er- 
scheint mir  im  Gegeutheil  kaum  zweifelhaft,  dass  die  Spannungen,  denen  die  Gewebe 
ausgesetzt  sind ,   gewisse  Abweichungen ,  die  sich  dann  allerdings  durch  natürliche 
Zuchtwahl  weiter  ausbilden  können ,  mit  Nothwendigkeit  hervorrufen.     Hiebei  habe 
ich  nicht  etwa  bloss  Dehnungen  und  Pressungen  im  Auge ,  wobei  die  von  aussen 
wirkenden  Kräfte  sich  so  zu  sagen  direct  in  Wachsthum  umsetzen,   wie  z.  B.  beim 
Anbinden  krummer  Stämmchen  an  einen  Pfahl  u.  dgl.,   sondern  ich  denke  mir  An- 
regungen ganz  anderer  Art  und  als  deren  Folgen  eine  den  jeweiligen  statischen  Be- 
dingungen entsprechende  Veränderung  der  inneren  Architectur.    Es  wird  Sache  der 
experimentellen  Prüfung  sein,  dergleichen  Anregungen  herbeizuführen,  die  entsprechen- 
den Veränderungen  zu  untersuchen  und  durch  geeignete  Mittel  zu  modificiren,  um  auf 
diesem  Wege  neue  Anhaltspunkte  für  die  Mechanik  des  Wachsthums  zu  gewinnen. 
Den  vorhergehenden  Untersuchungen  lag  diese  Frage  ferne;  aber  dessenungeachtet 
sind  mir  gewisse  individuelle  Verschiedenheiten  im  Bau  des  Parenchyms  nicht  ent- 
gangen, und  die  Vermuthuug,  dass  sie  in  dem  bezeichneten  Sinne  zu  deuten  sein 
möchten,  hat  sich  mir  oft  aufgedrängt. 


Schlussbemeikungon. 


175 


3)  Das  Vorkommen  spezifisch-mechanischer  Zellen  ist  nicht  bloss  auf  solche  Or- 
gane und  Gewebe  beschränkt,  in  welchen  dieselben  eine  ausschliesslich  statische 
Bedeutung  haben.  Sie  finden  sich  bekanntlich  auch  in  den  Wandungen  verschiedener 
Pericarpien  und  als  Schutzzellen  der  Athemhöhlen  im  »Hautgewebe«  der  Kestiaceen  etc.,' 
und  in  diesen  Fällen  ist  ihre  Anordnung  jedenfalls  mehr  den  mechanischen  Vorgängen 
des  Aufspringens  der  Früchte  und  des  hermetischen  Abschliessens  der  betreffenden 
Athemhöhlen ,  als  den  statischen  Bedingungen  der  Festigkeit  angepasst.  Diess  der 
Grund,  warum  ich  diese  Vorkommnisse  im  Vorhergelienden  unberücksichtigt  Hess. 

4)  Die  Substanzen,  welche  im  Pfianzen-  und  Thierreich  zu  mechanischen  Zwecken, 
speziell  zu  biegungsfesten  Apparaten ,  verwendet  werden  (Cellulose,  Chitin,  Knochen- 
substanz etc.) ,  sind  sämmtlich  viel  leichter  als  Schmiedeeisen ,  ohne  demselben  an 
Tragvermögen  innerhalb  der  Elasticitätsgrenze  entsprechend  oder  auch  nur  erheblich 
nachzustehen.  Es  ist  nun  ohne  Weiteres  klar,  dass  dieser  Umstand  für  die  Grenzen 
der  möglichen  Dimensionen  und  bei  Thieren  zugleich  für  die  Beweglichkeit  der  ein- 

^  zelnen  Theile  des  mechanischen  Gerüstes  überaus  wichtig,  ja  geradezu  entscheidend  ist. 
Ebenso  einleuchtend  ist,  dass  ein  solches  Material  auch  für  künstliche  Constructionen 
manche  Vortheile  bieten  würde.  Wenn  es  z.  B.  möglich  wäre,  gewöhnliches  Holz 
durch  ein  geeignetes  Verfahren  in  eine  compacte  Masse  zu  verwandeln  und  derselben 
die  Festigkeit  der  bessern  Bastsorten  zu  geben,  so  wäre  das  eine  nicht  zu  unter- 
schätzende Errungenschaft. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Die  mechanischen  Zellen  und  Zellcomplexe  sind  durchgehends  gelb  colorirt,  die  Mestomstränge 
bald  nur  im  Umriss  als  einfaches  Oval,  bald  auch  in  gewissen  augenfälligen  Einzelheiten  (Cambi- 
foi-mgiuppen ,  grosse  Gefasse,  Luftkanäle  in  der  Umgebung  der  Spiralgefässe  etc.)  wiedergegeben. 
Parenchymatische  Gewebe  und  ähnliche  Details  wurden  bloss  hin  und  wieder,  wo  es  zur  bequemeren 
Orientirung  nüthig  erschien,  flüchtig  angedeutet,  wichtige  histologische  Verhältnisse  dagegen  in  be- 
sonders hiefür  bestimmten  Abbildungen  dargestellt.  —  Die  Vergrösserung  wurde  der  Figurennummer 
in  Parenthesen  beigesetzt. 

Tafel  I. 

Fig.    1    (11):    Querschnitt  durch  den  Blütheuscliaft  von  Amin  maculatmn. 

Fig.    2  (3Sü):    Stück  eines  Querschnittes  diivcli  eine  Bastrippe  von  der  nämlichen  Pflanze. 

Fig.    '?>  (250):    Dasselbe  (nebst  Epidermis)  von  Atherums  ternatus. 

Fig.    4    (30):    Querschnitt  diircli  den  Blattstiel  von  Colocasla  antiquomm.    Mit  Luftkanäleu 
im  Gnindgewebe. 

Fig.  5  (90) :  Hälfte  eines  Querschnittes  durch  den  Halm  von  Scirpus  caespitosus  (Herbarien- 
exemplar) . 

Fig.    t>    (60):    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Halm  von  Kohresia  caricina.  Innere 

Trägergurtungen  durch  festes  Parenchym  tangential  verbunden. 
Fig.    7    (90):    Theil  eines  Querschnittes  durcli  den  stumpfdreikantigen  Halm  von  Scirpus 

Michelianus. 

Fig.    8    (60) :    Tlieil  eines  Quersclmittes  durch  den  ;stielrimden  Halm  von  Scirpus  JJolosehoenus. 
Fig.    9    (SO):    Querschnitt  durch  eine  Stengelkante  von  CijjJenis  badius. 
Fig.  10    (50):    'riieil  eines  Querschnittes  durch  den  stumpf-dreikantigen  Halm  von  Cpperus 
vegetus. 

Tafel  II. 

Fig.  1  (60):  Stück  eines  Querschnittes  durcli  den  Stengel  von  Fapyms  antiquomm.  Mark- 
gewebe von  zahlreichen  Luftgängen  durchzogen,  welche  in  der  Figur  hell  gelassen  sind, 
während  das  Masclienwerk  der  Wände  schattirt  ist.  Am  recliten  und  linken  Rande 
Stücke  von  Mestomanastomosen. 

Fig.  2  (60):    Theil  eines  Querscluiittes  durcli  den  Halm  von  Juncus  glaucus. 

Fig.  3  (70):    Dasselbe  von  Jii'Hcus  confflomcrafus. 

Fig.  4  (60):    Dasselbe  von  Schoeniis  nigricans. 

Fig.  5  (60):    Dasselbe  von  Schoemis  mucronatus. 

Fig.  6  (60):    Kantenstück  eines  Querschnittes  durch  den  Halm  von  Scii-pns  atrovirens. 

Tafel  III. 

Pig.  1  (ISO):    Peripherisches  Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Stengel  von  Pajn/ms  an- 
fiqiioru)!!. 


Erklärimg  clor  Ahbiklnnj^en. 


177 


Fi«v.  2   220  :    Querschnitt  durch  einen  peripherischen  Träger  von  Eriophomm  latifolium. 
Fig.  W    (30):    Theil  eines  Querschnittes  durcli  einen  aussergewöhnlicli  starken  Stengel  von 

Jiincus  (/lauciis.    Die  punotirten  Linien  deuten  die  Richtung  an ,  in  welcher  die  Paren- 

chymzellen  verlängert  und  in  Kciheu  geordnet  sind. 
Fig.  4  (300):    Querschnitt  durch  einen  Mestomstrang  nebst  Bastbelegen  von  Jimcus  artieu- 

latus.    Zwischen  Cambiform  und  Xylem  die  Zugänge  zum  Mestom. 
Fig.  5  (160):    Querschnitt  durch  einen  Mestomstrang  nebst  Bastbelegen  aus  der  Blattscheide 

von  Broinns  sjjec.    Zwischen  den  grossen  (lefässen  eine  Querzone  verdickter  Zellen. 
Fig.  G    (20):    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Stamm  von  Rhapis  ßuhclliformis. 

Tafel  IV. 

Fig.  1  ;40):    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Stengel  von  Scirpus  sylvuticus. 
Fig.  2  (60):    Dasselbe  von  Scirpus  laciistris. 
Fig.  3  (60):    Dasselbe  von  Schpics  Duvalii. 

Fig.  4  (9):  Querschnitt  durch  den  obern  Theil  des  Halmes  von  Scirpus  lacustris ,  um  die 
Architectur  des  Markes  zu  veranschaulichen. 

Fig.  5  (13):  Vierter  Theil  eines  Querschnittes  durch  ein  etwas  älteres  Halmstiiek  der  näm- 
lichen Pflanze. 

Fig.  6  (20):  Kantenstück  eines  Querschnittes  durch  den  Halm  von  Rhynchosporu  florida 
(Herbarienexemplar) . 

Fig.  7  60):    Querschnitt  durch  den  Halm  von  Isolepis  pauciflora  (Herbarienexemplar). 
Fig.  S  (60):    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Halm  von  Cladimn  Mariscus. 

Tafel  V. 

Fig.  1  (27;:    Querschnitt  durch  den  Halm  von  Cladimn  Mariscus. 

Fig.  2  (70):    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Halm  von  Juncus  paniculatus.  Die  Curven 

der  grünen  Rindenzellen  sind  durch  die  Schraffirung  angedeutet. 
Fig.  3  (60):    Querschnitt  durch  den  Stengel  von  Rhynchospora  alba. 
Fig.  4  f40):    Theil  eines  Querschnittes  durch  den  Halm  von  Piptatherum  multißonim. 
Fig.  5  (70):    Dasselbe  von  Molinia  coemlea. 

Fig.  6  (40):    Dasselbe  nebst  zugehöriger  Blattscheide  von  Bromm  spec. 
Fig.  7  (70):    Hälfte  eines  Querschnittes  durch  den  obern  Theil  des  Halmes  von  Alopecurus 
pratensis. 

Tafel  VI. 

Fig.  1  (70):    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Halm  von  CaUunagrostis  aryentea. 
Fig.  2  (70):    Dasselbe  von  Setaria  viridis. 
Fig.  3  (60):    Dasselbe  von  Panicum  Crus  galli. 

Fig.  4  (19):    Dasselbe  von  Pennisetum  longisUjhun.    Der  luftführende  Theil  des  Markes  ist 
schraffirt. 

Fig.  5  (70) :    Dasselbe  von  Saccharum  strictuin.     Der  luftführende  Theil  des  Markes  ist 

dunkler  gehalten. 
Fig.  6  (70):    Dasselbe  von  Zea  Mais. 

Fig.  7  (70):    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  obern  Theil  des  Stengels  von  Sacc/uirum 
strictum. 

Tafel  VII. 

Fig.  1  (27  :    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Stengel  von  Bamlmsa  spec.    Die  Innern 

Bündel  mit  parenchymatischen  Zugängen  auf  der  Xylemseite. 
Fig.  2  (60):    Dasselbe  von  Maranta  spec. 
Fig.  3  (60):    Dasselbe  von  Juncus  balticus. 

Fig.  4  (90):    Querschnitt  durch  den  Halm  von  Juncus  bufonius.     Markparenchym  flüchtig 
angedeutet. 

Fig.  ö  (60):    Theil  eines  Querschnittes  durch  den  Blüthenschaft  von  Eriocaulon  decangulare. 
Gesamratzalil  der  peripherischen  Rippen  =  8. 

Sch wendener,  Das  mechanische  Prineip.  1"- 


178 


Erklärung  der  Abbilduugeu. 


Fig.  ö  (70):    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Stengel  von  Luzula  albida. 
Fig.  7  (40):    Dasselbe  von  Typha  hitifolia. 

Fig.  S  (20):    Querschnitt  durch  den  Bliithenschaft  von  Allium  vineale. 

Tafel  VIII. 

Fig.  1  (4U):    Querschnitt  durch  den  Blattstiel  von  Scirpns  Holoschoenus. 
Fig.  2  (28j:    Querschnitt  durch  den  Blatt-Mitteluerv  von  Zea  Mais. 
Fig.  3  (2S):    Querschnitt  durch  die  Blattspreite  von  Zea  Mais. 

Fig.  4  (70):  Querschnitt  durch  die  Blattscheide  von  Saccharum  strictum.  Die  parenchj-nia- 
tischen  Zellen  sind  flüchtig  angedeutet,  die  Bastzellen  der  Zugbänder  einzeln  gezeichnet, 
um  die  Zahl  der  Reihen  zu  veranschaulichen. 

Fig.  5  (15):    Querschnitt  durch  den  Blatt-Mittelnerv  von  Saccharum  strictum. 

Fig.  6  (60):    Querschnitt  durch  die  Blattspreite  von  Claäium  3Iariscus. 

Fig.  7  (40):    Quersclmitt  durch  das  Blatt  von  Xcrotes  mucronata. 

Fig.  S  (40):    Querschnitt  durch  die  Blattspreite  von  Carex  lupulimi. 

Fig.  9  (60;:  Querschnitt  durch  einen  Blattstrahl  \o\\  Hyphucite  thebuica.  Die  niehrscliichtige 
Epidermis  flüchtig  angegeben;  ebenso  die  grossen  Getlisse  und  einzelne  Zellen  des 
Mestoms. 

Tafel  IX. 

Fig.    1  (40j:    Quersclmitt  durch  die  Blattspreite  von  Gynerium  argvntcum. 
Fig.    2  (60j:    Dasselbe  von  Strelitziu  reyinae. 
Fig.    3  (35):    Dasselbe  von  Phormiuin  tvnax. 

Fig.    4  (60):    Daselbe  von  Musa  rosucea.  ^ 

Fig.    5  (24):    Querschnitt  durch  den  Blatt-Mittelnerv  von  Crocosmia  awea. 

Fig.    ()  (27):    Querschnitt  durcli  das  Blatt  von  Juncus  squarrosus. 

Fig.    7  (70):    Querschnitt  durch  den  obern  Theil  des  Stengels  von  Juncus  glaucus. 

Fig.    8  (70):    Stück  eines  Querschnittes  durch  das  Blatt  von  Typha  latifolia. 

Fig.    9  (12):    Querschnitt  durch  das  nämliche  Blatt  bei  schwächerer  Vergrösserung. 

Fig.  10  (14):    Querschnitt  durch  die  Blattmediane  von  Spurganimn  ramosum. 

Fig.  11  (27):    Diaphragma  mit  Mestomanastomosen  aus  dem  Stengel  von  Scirpus  lacustris. 

Fig.  12  (20):    Dasselbe  von  der  nämlichen  Pflanze. 

Fig.  13    (6):    Querschnitt  durch  den  Blattstiel  von  Musa  msacea,  mit  Mestomanastomosen. 
Fig.  14  (20):    Gefässbündel  mit  Mestomanastomosen  aus  einer  Blattsclieide  von  Hedychium 
Gardmrianuni. 

Tafel  X. 

Fig.  1  (150;:  Querschnitt  durch  einen  I-lormigen  Träger  aus  dem  Blatte  von  Gynerium 
argenteum.    Die  punctirten  Linien  bezeichnen  die  Richtung  der  Zellreihen. 

Fig.  2  (27):  Querschnitt  durch  einen  Stengel-Knoten  von  Poa  pratensis.  Bastbelege  der 
Blattscheide  collenchymatisch. 

Fig.    3    (27):    Quersclmitt  durch  das  nämliche  Internodium,  unmittelbar  über  dem  Knoten. 

Fig.    4    (27):    Längsschnitt  durch  einen  solchen  Knoten. 

Fig.    5  (150;:    Stück  eines  Querschnittes  durch  das  Blatt  von  Sparganium  ramosmn.    y  ein 

Gefäss,  c  Cambilbrni. 
Fig.   6  (170):    Gefässbündel  mit  Bastbelegen  aus  dem  nämlichen  Blatte, 
Fig.    7  (150):    Ein  anderes  Gefässbündel  aus  demselben  Blatte. 

Fig.    8  (100):    Radialer  Längsschnitt  durch  den  verdickten  Endtheil  (Gelenkpolster)  des 

Blattstieles  von  3Iaranta. 
Fig.    9  (150):    Längsansicht  des  Filzgewebes  in  den  Luftkanälen  von  Scirjxus  maritimus. 
Fig.  10  (300):    Stück  eines  Zellfadens  aus  dem  Filzgewebe  in  Fig.  9. 
Fig.  11    (60):    Querschnitt  durch  den  Schaft  von  Boeckhia  striata. 

Tafel  XI. 

Fig.  1  (60):    Quersclmitt  durch  das  Blatt  von  Fimbristylis  spadicea. 


Erklärung  der  Abbikluugeu. 


179 


Fig. 

•>  iüO): 

Fig. 

3  ;()(): 

Fig. 

4  M,: 

Fig. 

5  (bU): 

Fi»-. 

t)  (GO): 

Fig. 

1  (Tu.: 

Fig. 

2  (150]: 

Fig. 

■i    f20) : 

Fi-. 

4  (24: 

rechte  L 

Fig. 

5  (60): 

Fig. 

0  (50): 

Fig. 

1  (28): 

Fiü:. 

2  (60): 

Fig. 

■^  (2Tl: 

Fig. 

4  (60): 

Fig. 

5  (3S): 

Fig. 

6  (27): 

Fig. 

7  (17): 

Fig. 

8  (90): 

Fig. 

9  (28): 

Fig. 

10  (60): 

Fig. 

11  (27): 

Dasselbe  von  Ili/po/i/inoii  argentotm. 

Dasselbe  von  Cypems  spec.  (einer  mit  C.  divcs  Del.  verwandten  Art). 

Tafel  XII. 

Querschnitt  durch  das  Blatt  von  Arundo  Donax. 


Querschnitt  durch  die  Blatt-Mittelrippe  von  Ericuithiis  Rucennac    Die  senk- 
lie  entspricht  der  Mediane  des  Schnittes. 

Querschnitt  durch  den  Halm  von  Cypvrus  sphaerospermus  (Herbarienexelnplar). 
Stück  eines  Querschnittes  durch  das  Blatt  von  Pandunus  odomtissimus. 

Tafel  XIII. 

Querschnitt  durch  das  Rhizom  von  Carex  strictu. 
Dasselbe  von  Carex  incurva. 
Dasselbe  von  Carex  limosu. 
Dasselbe  von  Carex  chordorrhiza. 
Querschnitt  durch  die  Wurzel  von  Carex  Schreberi 
Querschnitt  durch  das  Rhizom  von  Arrhenaterum  elatiiis. 
Dasselbe  von  Tritoma  Bitrchellii. 

Querschnitt  durch  den  Huthenden  Stengel  von  Scirpus  fluitans. 
Querschnitt  durch  das  Rhizom  von  Crocosmia  aurea. 
Querschnitt  durch  eine  Ranke  von  Smilax  aspera. 

Stück  eines  Querschnittes  durch  das  Rhizom  von  Scirpus  Tuhernaemontani. 
Die  Rinde  ist  weggelassen.    Das  Sternchen  bezeichnet  das  Centrum  des  Schnittes. 

Tafel  XIV. 

Fig.  1    (40):    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Stengel  von  Blüum  Bonus  Henricus. 

Mit  subepidermalen  CoUeuchymrippen. 
Fig.  2    (40) :    Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Stengel  von  Statice  lutifolia. 
Fig.  3    (70);    Dasselbe  von  Hypochoeris  rudicata. 

Fig.  4  (150):    Querschnitt  durch  eine  Bastzellengruppe  vom  Ery ngium  planum.  Zwischen  den 

Bastzellen  comprimirte  CoUenchymzellen. 
Fig.  5    (25;:    Theil  eines  Querschnittes  durch  den  Stengel  von  Begonia  floribunda. 
Fig.  6    (30) :    Theil  eines  Querschnittes  durch  den  Blattstiel  von  Aralia  edtilis.    Mit  sub- 
*       epidermalen  Colienchymplatten. 

Fig.  7    ^45j:    Theil  eines  Querschnittes  durch  den  Stengel  von  Thalictriun  ylaucnm. 
Fig.  S    (40):    Dasselbe  von  Astrantiu  major.    Mit  subepidermalen  CoUeuchymrippen. 
Fig.  9    (40):    Theil  eines  Querschnittes  durch  den  Blattstiel  von  Aralia  hispida. 


Druck  von  Breitkopf  nnd  Härtel  in  Leipzig. 


ütk.uümc'k  v.F.  M.  Strasskrger, Leipzig . 


Taf.  JIL. 


/220J 


.Cr 


-4 


0,0 


ff/20/ 


9  ^ 


%m  - 


Tar.  w. 


Lüh  Druck F,  M  Strs-ssbetqer  Leipzig. 


7äf.  i: 


Litn  sDruckvT  M.  Sirassoerger.Lexpzi-C . 


i 


Ta  f.  VI. 


LiikitDruck  f  M  Strassberger.Leipnj 


TaC.  Vif. 


LitkttDnickyF-M.  Strassberger.leipnq 


LithuDruckv.F.M.Slrassljerqer,  Leipzig 


Tat:  M. 


Lift  u  rmct  V  F  M.  Sirasslierijei,  I.tipsig 


TafUL 


Litti  i  ImrX  V   F  M  Sirassiergpr.  i.Bip^iq 


n. 


7(i/.  X/F! 


tiCi  IL  Enick  v  f  M.  Stassbsrgpr.  Läipalg . 


» 


Ta  f.  XIV. 


Lith.u  Druck  T.  F-  M.  S;rassl)er9er,!je'rpzi9 


• 


t  '