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Full text of "Über zwei verschiedene Typen in dem Bau der erectilen männlichen Geschlechtsorgane bei den strafssartigen Vögeln und über die Entwickelungsformen dieser Organe unter den Wirbelthieren überhaupt"

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zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectllen 
männlichen  Geschlechtsorgane  hei  den  straufsartigen 
Vögeln  und  über  die  Entwickelungsformen  dieser  Organe 


unter  den  Wirhelthieren  üherhaupt. 

Von 

H™*  MÜLLER. 

Vh/VVVVM'VVVVVVIA» 

[Gelesen  in  der  Akademie  der  Wissenschaften  am  17.  November  1836.] 


iC-ein  Organ  kann  in  den  Classen  der  Wirbeltbiere  so  grofsen  und  funda- 
mentalen Veränderungen  unterworfen  sein,  als  die  Ruthe.  Fehlt  sie  bei  den 
Fischen  und  nackten  Amphibien  (^)  in  der  Regel,  so  erscheint  sie  bei  den 
beschuppten  Amphibien  nach  zwei  verschiedenen  Typen  ausgebildet ; in 
beiden  ist  der  sie  durchlaufende  Canal  blofse  Rinne,  aber  nur  in  den  Schild- 
kröten und  Crocodilen  ist  diese  Rinne  auf  einem  frei  hervorzustreckenden 
Körper  angebracht,  bei  den  Schlangen  und  Eidechsen  befindet  sie  sich  auf 
der  innern  Wand  eines  hohlen  Schlauchs  und  wird  erst  durch  ümstülpen 
dieses  Schlauches  zur  äufsern  Rinne  und  überdiefs  ist  die  Ruthe  dieser 
Thiere  doppelt,  die  Ruthe  der  Schildkröten  und  Crocodile  einfach.  Bei 
den  Vögeln  kommen  aufser  der  Duplicität  der  Ruthe  alle  Verhältnisse  wie- 
der vor,  die  sich  bei  den  Amphibien  zeigten;  sie  erscheint  bald  solid  und 
mit  einer  Rinne  versehen,  wie  beim  afrikanischen  Straufs,  bald  schlauch- 
förmig und  zum  Ümstülpen  bestimmt,  wie  bei  den  Enten  und  Gänsen,  in 
welchem  Fall  die  an  der  innern  Wand  des  Schlauchs  verlaufende  Rinne 
durch  die  Umstülpung  des  Schlauches  zur  äufsern  wird  ; bald  endlich  scheint 
die  Ruthe  ganz  zu  fehlen,  wenigstens  diejenigen  Eigenschaften  abzulegen, 


(')  Bei  den  Coecillen,  wo  sich  nach  Nitzsch  eine  Ruthe  vorfinden  sollte,  hat  sich  die- 
ses Organ  in  Bischofrs  Untersuchungen  nicht  bestätigt.  Späterer  Zusatz. 


P/ij'siJicil.  Abliandl.  1836. 


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138  Müller  üher  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erecUlen 

welche  sie  hei  den  Amphibien  und  den  genannten  Vögeln  zeigte,  wie  hei 
den  meisten  hühnerartigen  Vögeln,  Passerinen  und  Anderen.  Die  Ruthe  der 
Säugethiere  hinwieder  ist  niemals  schlauchförmig  und  zum  Umstülpen  be- 
stimmt, ihr  Canal  ist  keine  oberflächliche  Rinne,  sondern  geschlossen  und 
nur  ira  Foetuszustande,  so  lange  die  Harnröhre  noch  rinnenai’tig  ist,  hat  diese 
Ruthe  einige  Ähnlichkeit  mit  der  einfachen  Ruthe  der  Crocodile,  Schild- 
kröten und  des  Straufses,  von  der  sie  sich  in  allen  Fällen  wieder  wesentlich 
durch  die  cavernöse  Beschaffenheit  ihrer  mit  Blut  zu  füllenden  Seitenkörper 
unterscheidet,  während  diese  Körper  hei  den  erwähnten  Thieren  solid  sind  und 
im  Innern  gröfstentheils  dem  cavernösen  Venengewebe  fremd  bleiben.  Die 
Hauptformen  der  Ruthe,  verschieden  wie  sie  sind,  scheinen  auch  von  der 
Natur  nach  einem  Princip  vertheilt  zu  sein,  das  uns  nicht  einsichtlich  ist. 
Denn  in  derselben  Ordnung  der  hühnerartigen  Vögel,  die  gewöhnlich  ohne 
eigentliche  Puithe  sind,  erscheinen  die  Hocco’s  mit  einer  sich  dem  Straufse 
annähernden  Bildung.  Dafs  der  schlauchartige  lange  Penis,  welcher  den 
Enten,  Gänsen  und  Schwänen  zukommt,  auf  die  Begattung  auf  dem  Was- 
ser berechnet  sei,  wie  Owen  (^)  scharfsinnig  vermuthet,  läfst  sich  auch 
nicht  festhalten,  da  sich  der  Typus  der  Entenruthe  nach  unseren  Beob- 
achtungen bei  allen  straufsartigen  Vögeln,  mit  Ausnahme  des  africani- 
schen  Straufses,  vorßndet.  So  willkührlich  die  Vertheilung  dieser  Typen 
scheint,  so  giebt  sich  doch  der  Gedanke  schwer  auf,  dafs  diesen  Bildungen 
ein  gemeinsamer  Plan  zum  Grunde  liegen  müsse.  Allerdings  hat  die  Natur 
bei  jeder  grofsen  Abtheilung  des  Thierreichs  einen  gewissen  Plan  der  Zu- 
sammensetzung des  Ganzen,  aus  theils  verschiedenen,  theils  analogen  Thei- 
len  zu  Grunde  gelegt,  in  der  That  wiederholt  sich  ein  gewisser  Plan  in  den 
Abtheilungen  der  Wirbelthiere  und  die  Natur  erlaubt  sich  Reductionen  und 
Erweiterungen  der  Zahl,  selten  gänzliche  Abweichungen  von  den  Typen  der 
Bildung  nach  der  Art  der  einzelnen  Geschöpfe;  aber  diese  Abweichungen 
werden  in  Hinsicht  der  erectilen  männlichen  Geschlechtsorgane  so  grofs,  dafs 
es  äufserst  schwierig,  wenn  nicht  unmöglich  erscheint,  eine  Formel  zu  finden, 
aus  welcher  allein  die  Abweichungen  in  der  Bildung  dieser  Geschlechtsorgane 
unter  den  Vögeln  mit  Leichtigkeit  abzuleiten  wären.  Leider  hat  es  für  einen 
solchen  Versuch  bisher  sogar  sehr  an  den  nöthigen  Vorarbeiten  gefehlt. 


(')  Cyclopaedia  of  anatomj  and  phjsiology  by  R.  T o d d.  pari.  IV.  p.  355. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  straufsartigen  Vögeln  u.  s.  w.  139 

Harvey  (^),  welcher  eine  Beschreibung  der  weiblichen  Geschlechts- 
theile  der  Vögel  giebt,  hatte  einige  Kenntnisse  von  der  Form  des  Penis  hei 
dem  Straufse  und  bei  der  Ente.  Bei  den  Vögeln  ohne  eigentliche  Ruthe 
sahen  ältere  Anatomen  die  papillenartige  Einmündung  des  duclus  cleferens 
auf  jeder  Seite  der  Cloake  als  Ruthe  an,  was  indefs  unstatthaft  ist,  da  diese 
Art  der  Einmündung  allen  Vögeln  zukommt  (^).  Nachdem  Perrault  bei 
seinen  Untersuchungen  über  die  Anatomie  des  Straufses  (^),  des  Casuars  (‘^), 
des  Hocco’s  (^),  der  Trappe  (*^),  des  Storches  (^)  die  allgemeinsten  Formen- 
verhältnisse der  Ruthe  dieser  Thiere  (zum  Theil  unrichtig)  angegeben,  theilte 
Tannenherg  (®)  inseiner  Schrift  über  die  männlichen  Geschlechtstheile  der 
Vögel  genauere  Kenntnisse  über  den  Bau  der  Ruthe  bei  den  Enten  und  Gänsen 
mit,  der  auch  von  Cu  vier  (^)  beschrieben  und  vonHome  abgebildet  wurde. 

Cu  vi  e r beschrieb  zuerst  genauer  die  Structur  der  Ruthe  des  afrikanischen  Strau- 
fses. Er  und  auch  Geoffroy  St.  Hilaire  kannten  die  dreiKörper,  welche 
sie  zusammensetzen,  haben  indefs  die  Natur  des  unpaaren  unteren  Körpers,  den 
sie  faserig-vasculös  nennen,  nicht  erkannt ; er  besteht  grofsentheils  aus  elasti- 
schem Gewebe,  welches  ganz  von  dem  weifsen  cohaei’enten  sehnigen  Gewebe 
der  beiden  anderen  Körper  ab  weicht.  Geoffroy  St.  Hilaire  entdeckte  aber 
noch  eine,  dem  Casuar  eigenthiimliche  Einstülpung  am  vordem  Ende  der 
Ruthe,  welche  der  Ausstülpung  bei  der  Erection  fähig  ist  und  den  Penis  ver- 
längert (^"),  während  Cuvier  die  Ruthe  des  Casuars  wie  bei  dem  Straufse 
gebildet  gefunden  hat.  In  Hinsicht  der  Vertheilung  der  verschiedenen  Typen 


(*)  Exercilaftones  de  generatione  animalium.  Exercil.  V. 

(g)  Vgl.  Tieclemann,  Anatomie  und  Naturgeschichte  der  Vögel.  I.  B.  707. 

(^)  Perrault,  Charras  und  Dodart’s  Abhandlungen  zur  Naturgeschichte  der  Thiere 
und  Pflanzen.  2 Bd.  Leipzig.  1757.  p.  86. 

(d)  Ebend.  p.  119. 

C)  Ebend.  I.  B.  p.  266. 

C)  Ebend.  II.  B.  p.  57. 

C)  Ebend.  II.  B.  p.  249. 

(®)  Tannenberg  spicilegium  ohservationum  circa  partes  genitales  masculas  avium.  Gotting. 

1789. 

(’)  Vorlesungen  über  vergleichende  Anatomie  übers,  v.  Meckel.  B.  4.  502. 

(*°)  Leclures  an  comparalive  anatomj.  T.  IV.  Tab.  134. 

(”)  Mcm,  du  mus.  d'ltisi.  nat.  T.  9.  p.  443. 

(^^)  II  n’esl  point  roule  en  spirale  cornme  cliez  le  canard.  II  sc  compose  d’un  fourreau 
memhraneux  dout  la  poinle  cst  atlachce  ä la  base.  Geoffroy  St.  Hilaire  a.  a.  O. 

S2 


140  Müller  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

unter  den  Vögeln  hatte  sich  schon  Cuvier  geäufsert.  Er  unterscheidet  drei 
Formen.  Die  gewöhnlichste  sei  die,  wo  sich  nur  eine  gefäfsreiche  Warze 
findet,  die  an  der  unteren  Fläche  der  Cloake  sitze  und  im  Zustande  der  Er- 
schlaffung oft  kaum  merklich  sei.  Der  zweite  Typus  ist  die  ausgehildete 
Ruthe  des  afrikanischen  Straufses,  wohin  er  mit  Unrecht  auch  die  ührigen 
straufsartigen  Vögel  rechnet.  Den  dritten  Typus  bildet  die  ausstülpbare 
schlauchartige  Ruthe  der  Enten  und  Gänse,  welche  Cuvier  mit  Unrecht  auch 
dem  Storche  zuschreiht.  Von  dem  letztem  Typus  hat  Ow'en  a.a.  O.  kürz- 
lich eine  ausführliche  Beschreibung  zu  der  Abbildung  von  Home  gegeben. 

Barkow  (^)  hat  in  einer  sehr  verdienstlichen  Arbeit  über  die  Arterien 
der  Vögel  unsere  Kenntnisse  mit  der  genauei’en  Beschreibung  gewisser  Wun- 
dernetze an  der  Cloake  bereichert,  wovon  bereits  Tannenberg  einige 
Kenntnifs  hatte,  indem  er  diesen  gefäfsreichen  Körper  an  der  Basis  der  Ruthe 
der  Gänse  und  Enten  als  Zellkörper  ansah.  Diese  gefäfsreichen  Körper  sind 
jedoch  kein  Theil  der  Ruthe  selbst  und  liegen  auch  bei  mehreren  Vögeln,  die 
keine  eigentliche  Ruthe  haben,  in  der  Nähe  der  Basis  der  Papillen  der  Samen- 
gänge. Die  Gefäfskörper  erhalten  nach  Bar kow’s  Untersuchungen  ihi'e  Ge- 
fäfse  entweder  aus  den  arteriae pudendae  internae,  wie  beim  Haushahn,  beider 
Gans,  Ente,  oder  aus  den  arteriae  epigastricae,  wie  bei  Podiceps  suhcristatus. 
Diese  Wundernetze  bestehen  entweder  aus  einem  Gefäfsknäuel,  wie  bei  der 
Ente,  der  Gans  und  dem  Haushahn,  oder  nur  aus  mehreren  geschlängelt 
nebeneinander  verlaufenden  Gefäfsen,  die  durch  Zweige  unter  einander  ver- 
bunden sind,  wie  bei  Podiceps. 

Eine  Eintheilung  der  Vögel  nach  der  verschiedenen  Ausbildung  der 
Ruthe  scheint  noch  lange  nicht  möglich.  Beobachtungen,  die  ich  angestellt, 
lehren  mich,  dafs  der  Bau  der  Ruthe  in  manchen  Fällen  als  ein  wich- 
tiges Unterscheidungsmerkmal  der  Familien  und  Gattungen  dienen  kann. 
Der  Zweck  der  gegenwärtigen  Abhandlung  ist,  diefs  für  die  straufsarti- 
gen Vögel  zu  erweisen.  Hiernach  bilden  die  sti-aufsartigen  Vögel  durch 
die  gröfsten  Unterschiede  im  Bau  dieses  Organes  zwei  scharf  zu  schei- 
dende Gi’uppen,  deren  eine  die  Straufse  mit  geschlossenem  Becken  und 
2 Zehen,  Gattung  Strutliio , die  zweite  die  Straufse  mit  offenem  Becken 
und  3 Zehen  {TUiea  americana , Promaius  nocae  Tlollandiae,  Casuarius 


(')  Meckel’s  Archiv  für  Anatomie  und  Physiologie  1830.  36. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  str aufsartigen  Vögeln  u.s.w.  141 

indicus)  enthält.  Die  letztei’en  stimmen  in  der  Bildung  ihrer  Ruthe 
ganz  mit  den  Enten  und  Gänsen  überein.  Eine  genaue  Beschreibung  der 
Structur  der  Ruthe  in  diesen  beiden  Gruppen  wird  uns  mit  den  wesentlich- 
sten Theilen  bekannt  machen,  welche  überhaupt  hei  den  Vögeln  die  erectilen 
Begattungsorgane  zusammensetzen. 


I.  Abschnitt. 

Von  dem  Bau  der  Ruthe  des  zweizehigen  Straufses  mit 
geschlossenem  Becken. 

Der  Bau  der  Ruthe  des  afrikanischen  Straufses  ist  von  Cu  vier  und 
später  von  Geoffroy  St.  Hilaire  beschrieben  worden.  Nach  Cu  vier 
besteht  diese 

1)  aus  zwei  soliden  kegelförmigen,  ganz  aus  faserigem  Gewebe  zusam- 
mengesetzten Körpern,  die  nach  innen  vom  Sphincter  der  Cloake 
mit  ihrer  Grundfläche  auf  der  untern  Wand  der  Cloake  aufstehen 
und  dicht  neben  einander  liegen.  Der  rechte  ist  kleiner  als  der 
linke  und  erstreckt  sich  nicht  so  weit  in  die  Ruthe  als  der  linke. 

2)  Aus  einem  faserig -gefäfsreichen  Körper,  der  längs  der  untern  Fläche 
der  Ruthe  einen  ansehnlichen  Vorsprung  und  die  Spitze  derselben 
allein  bildet.  Dieser  Köx’per  wird  von  mir  der  elastische  genannt. 

3)  Aus  einem  cavernösen  Gewebe,  welches  die  Wände  der  Ruthen- 
furche auf  dem  Rücken  derselben  Ijekleidet. 

Die  Basis  der  Ruthe  ist  auf  der  untern  Wand  der  Cloake  befestigt,  ihre 
mit  der  Rinne  versehene  Fläche  sieht  gegen  die  obere  Wand  der  Cloake. 
Die  Spitze  der  Ruthe  würde,  wenn  sie  gerade  wäre,  nach  rückwärts  abwärts 
sehen.  Aber  die  Ruthe  des  Straufses  ist  im  schlaffen  Zustande  immer  gebo- 
gen. Wird  die  Ruthe  an  dem  Präparat  aus  der  Tasche  der  Cloake,  worin 
sie  liegt,  herausgezogen,  so  krümmt  sie  sich  mit  der  Spitze  nach  unten  und 
selbst  etwas  nach  vorn,  vermöge  des  elastischen  Stranges  an  ihrer  untern 
Seite.  Im  zurückgezogenen  Zustande  ist  der  Endtheil  der  Ruthe  gegen  den 
Innern  Theil  so  umgeschlagen,  dafs  die  Ruthe  in  der  Mitte  wie  geknickt  oder 
knieförmig  gebogen  ist;  die  Umbiegung  findet  nach  der  untern  oder  derjeni- 


142  Mülleb  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

gen  Seite  der  Ruthe  statt,  welche  der  Rinne  entgegengesetzt  ist.  Ist  die 
Ruthe  knieförmig  gebogen,  so  wird  sie  mit  Leichtigkeit  in  ihre  Tasche  ge- 
bracht, wobei  das  Knie  vorangeht.  Diese  Rewegung  nach  der  Tasche  wird 
durch  Muskeln  ausgeführt.  Bei  der  Begattung  wird  die  Ruthe  durch  Muskeln 
hervorgeschoben,  wobei  sie  wahrscheinlich  in  Folge  der  Anfüllung  des  erecti- 
len Gewebes  der  Rinne  und  des  elastischen  Körpers  etwas  gestreckt  wird.  Ganz 
scheint  sie  sich  jedoch  nicht  zu  strecken.  Denn  Harvey  sah  sie  selbst  im 
Coitus  etwas  gebogen.  In  Struihione  mare  intra  pudendi  orißcium,  tanquam 
in  equi  praeputio,  praegrandem  glandem  et  nervum  rubicundum,  forma  et 
magnitudine  linguae  ceninae  aut  bubulae  minoi'is  reperi;  quem  in  coitu  rigi- 
dum  et  aliquantulum  aduncum  vibrare  saepius  vidi;  et  in  foemineam  vulvam 
immissum,  sine  subagitaüone  ulla,  diutius  teneri,  perinde  ac  si  clavo  aliquo 
ambo  in  coitu  colligati  essent  (^).  Die  Krümmung  der  Ruthe  durch  ihr  elasti- 
sches Gewebe  nach  unten  mufs  wohl  dazu  beitragen,  dafs  das  nach  hinten 
hervorgestreckte  Organ  in  die  Scheide  eingebracht  werden  kann. 

Die  häutige  Tasche  der  Cloake  am  Rückentheil  des  Afters  entspricht 
derjenigen  Gegend,  wo  bei  den  übrigen  Vögeln  die  Bursa  Fabricii  liegt. 
Vor  dem  Theil  der  Cloake,  in  welchem  die  Ruthe  befestigt  ist,  liegt  die  den 
straufsartigen  Thieren  eigene  Harnabtheilung  der  Cloake,  die  zwar  die  Fort- 
setzung des  Mastdarms,  von  diesem  aber  durch  eine  sphincterartige  Klappe  (^) 
geschieden  wird.  Die  Mündung  des  Harnbehälters  führt  am  hintern  Ende  der 
Ruthe  über  die  Furche  der  Ruthe  und  ist  verschlossen,  sobald  die  Ruthe  in 
ihre  Tasche  zurückgezogen  ist,  daher  wie  Cuvier  bereits  bemerkt,  die  Ruthe 
sowohl  bei  der  Ausleerung  der  Excremente  als  bei  der  Begattung  hervor- 
gestreckt werden  mufs. 

Der  feinere  Bau  der  Ruthe  ist  weder  von  Cuvier  noch  von  Geoffroy 
St.  Hilaire  ganz  richtig  beschrieben  worden.  Nach  Geoffroy  St.  Hi- 
laire  (^)  besteht  dieselbe  aus  drei  cylindrischen  Stücken,  wovon  er  zwei  den 
Corpora  cavernosa  und  das  dritte  der  Eichel  der  Säugethiere  vergleicht. 
Der  dritte  Theil  läuft  der  Länge  nach  an  der  untern  Seite  der  zwei  anderen 
zurück.  Die  Substanz  der  zwei  ersten  Cylinder  ist  durch  und  durch  sehnig (*) 


(*)  Ilarvey  Exercitationes  de  gcneratione  animalium.  Exercil.W. 
(^)  Siehe  Geoffroy  Mem.  du  mus.  d’hist.  nat.  T.  9.  Tab.  21. 

(^)  a.  a.  O.  p.  443. 


männlichen  Geschlechtsoi'gane  hei  d.  straufsartigen  Vögeln  u.  s.  w.  143 

und  weifs  und  enthält  im  Innern  kein  cavernöses  Gewebe.  Diese  beiden 
fibrösen  Cjlinder  seien  unter  sich  verbunden  und  umgeben  von  einem  fibrös- 
vasculösen  Gewebe,  dessen  Maschen  weit  und  gleicher  Dimension  seien. 
Das  Ende  der  Ruthe  und  der  dritte,  an  der  untern  Seite  zurücklaufende 
Körper  sollen  ganz  aus  diesem  Gewebe  von  homogenen  Maschen  bestehen. 
Bei  der  Untersuchung  der  wohlerhaltenen  männlichen  Genitalien  des  afrika- 
nischen Straufses,  welche  Hr.  Geheimer  Medicinah’ath  Professor  Otto  aus 
dem  anatomischen  Museum  zu  Breslau  mir  zur  Benutzung  gefälligst  über- 
sandte, fand  ich  Folgendes. 

1.  Fibröse  Körper. 

Die  beiden  fibrösen  Körper  sind,  wie  Cuvier  angab,  ungleich,  der 
linke  ist  länger  und  dicker,  als  der  rechte,  auch  ihre  Form  ist  nicht  symme- 
trisch, was  Cuvier  nicht  angab  (‘).  Der  linke  ist  kegelförmig;  seine 
stumpfe  Basis  sitzt  auf  der  untern  Wand  der  Cloake  auf,  wo  er  mit  einem 
später  zu  beschreibenden  Muskel  zusammenhängt.  Von  der  Basis  bis  ans 
Ende  des  Penis  nimmt  dieser  Kegel  allmählig  an  Umfang  ab.  Der  rechte 
fibröse  Körper  ist  nicht  wie  der  linke  innen  stärker,  sondern  beginnt  innen, 
indem  er  an  dem  rechten  anliegt,  ganz  dünn,  wird  allmählig  stärker  und 
nimmt  gegen  das  Ende  der  Ruthe  wieder  an  Dicke  ab , reicht  aber  nicht  bis 
ans  Ende  der  Ruthe,  wie  der  linke.  Der  linke  fibröse  Körper  ist  also  kegel- 
förmig, der  rechte  spindelförmig.  Beide  sind  in  der  Mittellinie  an  der  Be- 
rührungslinie durch  fibröse  Haut  fest  verbunden.  Auf  diese  Art  befindet 
sich  an  der  obern  und  untern  Fläche  beider  verbundener  Körper  in  der  Mit- 
tellinie eine  Rinne.  Die  Rinne  der  obern  Fläche  ist  mit  cavernösem  Gewebe 
ausgepolstert.  Dagegen  befindet  sich  kein  zelliges  cavernöses  Gewebe  im 
Innern  der  fibrösen  Körper,  welche,  wie  Cuvier  und  Geoffroy  bereits 
angeben,  durch  und  durch  fibrös  sind.  Cuvier  hat  richtig  bemerkt,  dafs 
sich  an  der  obern  Fläche  der  fibrösen  Körper,  wo  die  Rinne  ist,  cavernöses 
Gewebe  befindet,  Geoffroy  sagt  unrichtig,  dafs  das  cavernöse  Gewebe  die 
fibrösen  Körper  umgebe.  An  der  untern  Fläche  dieser  Körper  findet  sich, 
an  der  innern  Hälfte  der  Ruthe,  durchaus  kein  cavernöses  Gewebe  und  die 


(')  Geoffroy  St.  Hilaire  bemerkt,  dafs  der  rechte  Körper  länger  als  der  linke  sei, 
was  indefs  eine  Verwechselung  der  Sellen  ist. 


144  Müller  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

Seiten  der  fibrösen  Körper  sind  bis  ans  Ende  ganz  davon  entblöfst.  Auf 
dem  cavernösen  Beleg  der  Rinne  an  der  obern  Fläche  der  fibrösen  Körper 
liegt  die  Schleimhaut  auf.  Der  Samen  gelangt  aus  den  Papillen  der  Samen- 
gänge in  das  hintere  Ende  der  Rinne  (*).  Indem  nun  aber  das  cavernöse 
Gewebe  an  den  Seitenwänden  der  ganzen  Rinne  bei  der  Erection  sich  mit 
Blut  füllt,  wird  sich  wahrscheinlich  der  Halbcanal  durch  Aneinanderpressen 
der  oberen  Pxänder  der  Rinne  zu  einem  ganzen  Canal  schliefsen. 

2.  Elastischer  Körper. 

An  der  untern  Wand  der  fibrösen  Körper  befindet  sich,  wie  bemerkt, 
auch  eine  Rinne  bei  der  Berührungslinie  derselben.  Der  Anfang  dieser 
Rinne  ist  bis  gegen  die  Hälfte  der  Ruthe  von  den  sich  hier  inseriren- 
den  Muskeln,  den  Retractoren  der  Ruthe  ausgefüllt.  Der  übrige  Theil 
dieser  Rinne  und  die  ganze  untere  Fläche  des  Endtheils  der  Ruthe  ist  mit 
einem  dritten  fibrösen  Körper  besetzt,  der  sich  durch  seine  Structur  und 
physikalischen  Eigenschaften  ganz  von  den  seitlichen  fibrösen  Körpern  unter- 
scheidet. Dieser  untere  fibröse  Körper  ist  gelblich,  höchst  elastisch  und 
kommt  nur  an  der  letzten  Hälfte  der  Ruthe  vor;  er  beginnt  schwach  an 
der  Mitte  der  Länge  der  Ruthe,  geht,  indem  er  schnell  an  Höhe  zunimmt, 
bis  ans  stumpfe  Ende  der  Ruthe,  welches  fast  allein  von  diesem  untern  Kör- 
per gebildet  wird.  Der  elastische  Körper  ist  im  gröfsten  Theile  seiner  Länge 
höher  als  breit,  und  bildet  mit  seinem  untern  Rande  eine  Kante  an  der  letz- 
ten Hälfte  der  Ruthe,  so  dafs  der  Anfangstheil  der  Ruthe,  blofs  aus  den 
zwei  sehnig  fibrösen  Körpern  bestehend,  von  oben  nach  unten  zusammen- 
gedrückt, der  letzte  Theil  der  Ruthe  hingegen,  aus  zwei  sehnigen  und 
einem  elastischen  Körper  bestehend,  dreiseitig  erscheint.  Cu  vier  nannte 
den  untern  Körper  faserig -gefäfsreich,  Geoffroy  St.  Hilaire  hielt  ihn  für 
cavernös  und  verglich  ihn  der  Eichel.  Die  eigentliche  Beschaffenheit  dieses 
Bestandtheils  ist  beiden  Naturforschern  nicht  klar  geworden.  Beim  Ein- 
schneiden in  denselben  sieht  man  sogleich,  dafs  er  im  Innern  cavernös  ist, 
und  dadurch  unterscheidet  er  sich  sogleich  von  den  ganz  soliden  seitlichen 
fi^brösen  Körpern.  Aber  das  Aufsere  dieses  Körpers  besteht  aus  einer  ganz 
dicken  festen  Schichte  von  wahrem  elastischem  Gewebe.  Diefs  Fasergewebe 


(')  Geoffroy  St.  Hilaire  hat  von  diesen  Papillen  eine  richtige  Abbildung  gegeben. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  straiifsartigen  T'  Ögeln  u.  s.  (v.  145 

ist  gelb  wie  das  ligamentwn  nuchae  der  Säugetbiere  und  die  gelben  Bänder 
der  Wirbelbogen,  wie  die  elastischen  Bänder  des  Kehlkopfs  und  Zungen- 
beins, wie  die  elastischen  Fasern  der  Luftröhre  und  der  Bronchien,  die  mitt- 
lere Haut  der  Arterien,  das  elastische  Band  der  Flügelfalte  der  Vögel,  die 
elastischen  Bänder  der  Krallenphalanx  der  Katzen  u.  s.  w.  Man  hat  in  neue- 
rer Zeit  diefs  Gewebe  als  eigenthümlich  kennen  gelernt  und  man  weifs  aus 
den  üntei’suchungen  von  Lauth,  Schwann  und  Eulenberg  (^),  dafs  es 
sich  von  allen  anderen  Geweben  durch  die  wirkliche  Zerästelung  und  Ana- 
stomose  seiner  Primativfasern  unterscheidet.  Man  weifs  ferner,  dafs  diefs 
Gewebe  nach  viele  Tage  langem  Kochen  nur  sehr  wenig  galatinirenden  Leim 
giebt;  aber  diese  Materie  ist  eigenthümlich,  sie  unterscheidet  sich  von  dem 
Leim  der  Sehnen  und  nähert  sich  durch  ihre  chemischen  Eigenschaften  dem 
von  mir  beschriebenen  von  Alaun,  Essigsäure,  essigsaurem  Bleioxyd  und 
schwefelsaurem  Eisenoxyd  fällbaren  Leim  der  Knorpel,  oder  dem  Chon- 
drin (-).  Die  Elasticität  des  gelben  elastischen  Gewebes,  das  bei  den  Mol- 
lusken noch  einmal  in  dem  Schlofsband  der  Muscheln  wiedererscheint,  ist  so 
beständig,  dafs  sie  sich  so  vollkommen  wie  im  frischen  Zustande  in  Weingeist 
viele  Jahre  und  selbst  bei  viele  Tage  lang  fortgesetztem  Kochen  nach  meinen 
Beobachtungen  erhält. 

Die  Faserbündel  des  elastischen  Gewebes  bilden  nicht  blofs  das  Aufsere 
des  untern  Körpers  der  P\tithe,  sondern  durchkreuzen  auch  das  cavernöse 
Innere  dieses  elastischen  Körpers,  so  dafs  hier  die  Bündel  von  der  Venen- 
haut der  cavernösen  Venen  bekleidet  werden.  Das  vordere  Ende  des  elasti- 
schen Körpers  bildet  die  stumpfe  Spitze  der  Ruthe,  welche  von  einer  festen 
elastischen,  nicht  cavernösen  Rinde  und  einem  cavernösen  Kerne  zusammenge- 
setzt wird.  Das  hintere  Ende  des  elastischen  Körpers  ist  an  die  untere  Fläche 
der  seitlichen  sehnigen  Körper  angeheftet.  Durch  diesen  höchst  elastischen 
Strang  wird  die  Ruthe  des  Straufses  von  selbst  nach  unten  und  vorn  ge- 
krümmt, wenn  sie  aus  der  Cloake  tritt,  so  dafs  sie  im  schlaffen  Zustande 
regelmäfsig  in  der  Mitte  der  Länge  geknickt  ist. 


(')  Eulenberg  de  tela  elastica  diss.  Berol.  1836.  4. 

(^)  J.  Müller  über  die  ebemiseben  Eigensebaften  des  tbierischen  Bestandtheils  der  Knorpel 
und  Knochen,  in  Poggend.  Ann.  38.  Bd. 

Physilial.  Ahhandl.  1836. 


T 


146  Müller  über  zwei  verschiedene  Tjpen  in  dem  Bau  der  erectilen 

An  der  Ruthe  der  Säugethiere  und  des  Menschen  kommt  keine  Spur 
eines  solchen  Stranges  vor;  doch  ist  das  elastische  Gewebe  diesem  Organ 
auch  hier  nicht  ganz  fremd;  denn  Schwann  hat  elastisches  Gewebe  nicht 
blofs  im  ligamentwn  Suspensorium penis  des  Menschen,  sondern  auch  elastische 
Fasern  innerhalb  der  fibrösen  Queei’bündel,  welche  balkenartig  das  caver- 
nöse  Venengewebe  der  coipora  cacernosa  durchziehen,  gefunden.  Das  von 
mir  beschriebene  eigenthümliche  blafsrothe  Fasergewebe,  welches  im  Innern 
der  Corpora  cavernosa  der  Pferde  anastomosirende  Längsbalken  bildet,  ge- 
hört einer  ganz  andern  Classe  der  Gewebe,  derjenigen,  welche  einen  eiweifs- 
artigen Körper  im  Sinne  von  Berzelius  zur  Grundlage  haben,  an. 

3.  Muskeln. 

I.  Heber  der  Ruthe.  Nach  Cuvier  entspringt  er  von  der  untern 
Fläche  des  Heiligenbeins,  steigt  in  den  Umfang  des  Schliefsmuskels,  schlägt 
sich  um  die  Seite  der  Ruthe,  in  der  Nähe  ihres  hintern  Endes  weg  und  inserirt 
sich  an  der  untern  Fläche  ihres  ersten  Drittheils.  Da  an  dem  von  mir  unter- 
suchten Präparat  die  Verbindungen  der  Muskeln  mit  den  knöchernen  Theilen 
gelöst  sind,  so  kann  ich  die  von  mir  gesehenen  Muskeln  nicht  genau  auf  die 
von  Cuvier  angegebenen  Muskeln  zurückführen.  Ich  sehe  einen  breiten 
Muskel  (Tab.I.  Fig.  1.  ß),  dessen  Fasern  gröfstentheils  schief  von  oben  nach 
unten  an  der  Seite  der  Cloake  herabsteigen,  und  indem  sie  in  den  Umfang  des 
Schliefsmuskels  (Fig.  1.  h')  treten,  schief  gegen  die  Fasern  des  sphincter  ani 
gestellt  sind.  Er  hat  am  meisten  Ähnlichkeit  mit  dem  lecator  ani,  stimmt 
jedoch  im  Verlauf  nicht  mit  dem  von  Cuvier  (vergl.  Anatomie  übers,  von 
Meckel,  Bd.III.  p.553)  beschriebenen  lecator  ani  des  Straufses.  Denn 
seine  Fasern  setzen  sich  an  die  Seite  und  untere  Fläehe  des  ersten  Viertels 
der  fibrösen  Körper  der  Ruthe.  Zu  diesem  Muskel  treten  Fasern  von  der 
innern  Lage  des  obern  Theils  des  Sphincter  hinzu  (c),  die  sich  auch  an  der- 
selben Stelle  der  fibrösen  Körper  festsetzen.  Die  genannten  Muskeln  heben 
die  Ruthe  an  ihrer  Basis  aufwärts  und  drücken  sie,  wenn  sie  zusammengelegt 
in  ihrer  häutigen  Tasche  am  Rückentheil  der  Cloake  war,  heraus. 

II.  Rückzieher  der  Ruthe.  Ich  sehe  zwei  Muskeln  auf  jeder 
Seite,  welche  diese  Bewegung  ausführen  können.  Der  eine  {d)  ist  ein  wal- 
zenförmiger Muskel,  der  von  einem  Theile  des  Beckens  seinen  Ursprung 
nehmen  mufste,  in  vorliegendem  Präparat  mit  seinem  abgeschnittenen  Ur- 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  strauf sartigen  Vögeln  u.s.  w.  147 

sprungsende  durch  Zellgewebe  noch  am  vordem  obern  Rande  des  Sphincter 
anbängt.  Die  Ursprünge  beider  Muskeln  könnten  hier  um  1-t-  bis  2 Zoll 
von  einander  entfernt  sein.  Er  steigt  in  den  Ehnfang  des  Sphincter  auf  jeder 
Seite  zur  Ruthe  hin,  schlägt  sich  um  die  Seiten  des  Anfangstbeils  der  Ruthe 
herum  und  heftet  sich  vor  der  Insertion  des  Ruthenhebers  an  der  untern 
Fläche  seines  fibrösen  Körpers  und  in  der  untern  Vertiefung  zwischen  beiden 
fibrösen  Körpern  fest.  Diese  Insertion  geht  bis  zum  Anfang  des  zweiten 
Drittheils  der  Ruthenlänge.  Auf  der  rechten  Seite  geht  dieser  Muskel  fast 
einen  ganzen  Zoll  weiter  an  dem  viel  kleinern  fibrösen  Körper  dieser  Seite. 

Ein  anderer  Rückzieher  (e)  liegt  neben  dem  vorhergehenden,  inner- 
halb des  Sphincters  neben  der  Cloake  auf  jeder  Seite.  Er  ist  platter  und 
dünner,  V '^oll  breit.  Wo  er  im  Recken  entspringt,  weifs  ich  nicht  zu 
sagen.  Er  schlägt  sich  neben  dem  vorhergehenden,  durch  das  Rohr  des 
Sphincters  durchgehend,  gegen  die  Seite  der  Ruthe  und  theilt  sich  in  zwei 
Bündel.  Das  eine  legt  sich  mit  einer  Biegung  nach  unten  an  das  Muskel- 
fleisch des  vorhergehenden  Rückziehers  und  heftet  sich  (e),  verbunden  mit 
Fasern  der  tiefen  Lage  des  sphincter  ani,  an  der  untern  Fläche  der  Ruthe  in 
der  Rinne  an.  Einige  Fasern  gehen  auch  in  den  Seitentheil  der  Haut  an  der 
Wurzel  des  Penis.  Das  andere  (e")  geht  schmal  und  bandförmig  an  der  Seite 
seines  fibrösen  Körpers  fort  und  heftet  sich  an  der  Seite  seines  fibrösen  Kör- 
pers in  der  Gegend  der  Mitte  der  Ruthe  an.  Beide  ziehen  die  Ruthe,  das 
eine  an  ihrem  hintern,  das  andere  an  ihrem  vordem  Theile  zurück.  Die 
Insertionsenden  dieser  Muskeln  sind  von  der  glatten  Haut  der  Ruthe  umhüllt. 

Cuvier’s  Beschreibung  des  Zurückziehens  der  Ruthe  ist  mir  nicht 
recht  klar  geworden.  Er  sagt : dieser  Muskel  besteht  aus  zwei  Bündeln,  von 
denen  das  eine  von  der  angegebenen  Stelle  (untere  Fläche  des  ersten  Drit- 
theils der  Ruthe),  das  andere  von  dem  Ruthenbehälter  kommt.  Beide  ver- 
einigen sich  auf  ihrem  Wege  nach  vorn  und  setzen  sich  hinter  den  Nieren 
an  das  Darmbein. 

4.  Cavernöses  Venengewebe. 

Das  cavernöse  Gewebe,  welches  auf  der  obern  Fläche  der  Ruthe  die 
Furche  derselben  auskleidet,  geht  als  zwei  Stränge  von  netzförmiger  spon- 
giöser Substanz  neben  der  Cloake  innerhalb  des  Sphincters  fort  nach  vor- 

T 2 


148  Müller  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

wärts,  im  vorliegenden  Präparate  über  2-^  Zoll  weit  bin,  vielleicht  noch 
weiter,  denn  hier  war  das  spongiöse  Gewebe  an  dem  Präparate  abgeschnitten. 
Das  cavernöse  Gewebe  der  Rnthenfurche  hängt  vorne  mit  demjenigen  zu- 
sammen, welches  von  dem  elastischen  Körper  eingeschlossen  wird. 

5.  Haut  der  Ruthe. 

Die  Haut  des  Organs  ist  eine  Fortsetzung  der  Schleimhaut  der  Cloake 
und  hat  viel  mehr  Ähnlichkeit  mit  einer  Schleimhaut  als  mit  dem  Corium. 
An  der  Seite  der  Wiu’zel  der  Ruthe,  wo  diese  mit  der  untern  Wand  der 
Cloake  zusammenhängt,  befindet  sich  ein  Haufen  Dx’üsenbälge  der  Haut,  wie 
eine  Tonsille. 

Diese  Beschreibung  ist  nach  der  Untersuchung  der  Ruthe  des  Straufses 
des  anatomischen  Museums  zu  Breslau,  und  mit  Vergleichung  des  Exemplars 
des  anatomischen  Museums  zu  Halle  aus  der  Meckelschen  Sammlung  ent- 
worfen. Bei  dieser  Gelegenheit  spreche  ich  meinen  Dank  den  Herren  Otto 
und  D’ Alton  für  ihre  bereitwillige  Unterstützung  meiner  Arbeit  aus.  . 


II.  Abschnitt. 

Vom  Bau  der  Ruthe  bei  den  dreizehigen  Straufsen  mit 
ungeschlossenem  Becken. 

Die  Ruthe  der  dreizehigen  Straufse  ist  nach  dem  Typus  der  Enten 
und  Gänse  gebildet;  ich  fand  diese  Structur  bei  der  Untersuchung  der  Rhea 
americana,  hernach  auch  beim  iieuholländischen  Casuar,  Rromaius  novae 
Hollandiae  und  beim  Indischen  Casuar,  bei  welchem  letztem  schon  Geoff- 
roy  St.  Hilaire  den  eingestülpten  Theil  der  Ruthe  im  Allgemeinen  ange- 
geben. 

Rhea  americana. 

Wir  unterscheiden  einen  festen  und  ausstülpbaren  Theil  der  Ruthe. 

I.  Fester  Theil  der  Ruthe. 

1.  Fibröser  Körper  der  Ruthe.  Tab.  II.  Flg.  1.  E.  E. 

Dieser  Körper  liegt  wie  beim  Straufs  an  der  untern  Wand  der  Cloake. 
Der  ganze  fibröse  Körper  ist  platt,  der  Anfang  breiter  als  das  Ende.  Seine  Breite 


männlichen  Geschlechtsorgane  bei  d.  siraufsarligen  Vögeln  u.  s.  w.  149 

beträgt  am  innern  Ende  10'",  allmählig  versebmälert  er  sich  bis  auf  6'".  An 
seiner  Basis  ist  der  fibröse  Körper  auf  eine  Länge  von  i-~  Zoll  einfach  und 
ungetheilt,  seine  Hälften  sind  nur  nach  oben  etwas  gegen  einander  geneigt 
und  hierdurch  entsteht  der  Anfang  der  Rinne,  auf  welcher  der  Samen  ab- 
fliefst.  Durch  die  Theilung  und  Spiraldrehung  des  vordem  Theils  des 
fibrösen  Körpers  erhält  diese  Rinne  nach  vorn  hin  ebenfalls  eine  Drehung 
und  beschreibt  den  Anfang  einer  Spirale.  Nachdem  der  fibröse  Körper  in 
einer  Länge  von  i-]r  Zoll  einfach  war,  theilt  er  sich  und  seine  Theile  schieben 
sich  so  über  einander  weg,  dafs  der  rechte  Theil  von  unten  den  linken  deckt, 
ohngefähr  so,  wie  wenn  man  zwei  Finger  schief  über  einander  legt.  Hier- 
durch entsteht  an  der  untern  sowohl  als  obern  Fläche  der  fibrösen  Körper 
in  der  Mitte  eine  Vertiefung,  welche  nicht  gerade,  sondern  etwas  gebogen 
von  vorn  nach  hinten  und  der  Seite  verläuft.  Auf  diese  Art  kommt  die  eigen- 
thümliche  Krümmung  der  Ruthe  zu  Stande,  welche  den  ersten  Anfang  einer 
Spirale  bildet,  so  dafs  die  obere  Rinne,  welche  mit  der  Schleimhaut  ausge- 
kleidet, zur  Abführung  des  Samens  dient,  sich  erst  nach  rechts,  sofort  gegen 
das  Ende  der  Ruthe  nach  unten  und  links  krümmt.  Die  Endtheile  der  fibrö- 
sen Körper  sind  auch  ungleich  lang  und  breit.  Die  rechte  Hälfte  verschmä- 
lert sich  gegen  das  Ende  immer  mehr,  bis  sie  spitz  vor  dem  Ende  der  Ruthe 
endigt;  die  linke  Hälfte  geht  über  der  verschmälerten  rechten  anfangs  in 
gleicher  Breite  fort  und  verschmälert  sich  erst,  nachdem  die  rechte  aufgehört 
hat,  worauf  auch  diese  Hälfte  spitz  endigt.  Beide  Hälften  des  fibrösen  Kör- 
pers sind  übrigens  in  ihrer  spiralförmigen  Krümmung  und  relativen  Lage 
durch  fibröses  Gewebe  aneinander  geheftet,  übrigens  sind  die  fibrösen  Kör- 
per bei  lihea  americana  noch  fester  als  beim  zweizehigen  Straiifs  und  von 
Knorpelfestigkeit.  Bei  mikroskopischer  Untersuchung  zeigen  sie  sich,  wie 
auch  der  fibröse  Körper  der  Ruthe  des  Crocodils,  nur  aus  Fasern  gewebt, 
ohne  die  Knorpel -Körperchen  der  gewöhnlichen  Knorpel,  oder  Zellen  der 
Zellenknorpel  (Ohrknorpel  und  Kehldeckel) ; ihr  Gewebe  scheint  in  eine 
Kategorie  mit  den  wahren  sehnigen  Faserknorpeln  zu  gehören,  zu  welchen 
man  heut  zu  Tage  beim  Menschen  nur  die  Zwischengelenkknorpel  und  die 
Bandscheiben  der  Wirbelkörper  zählen  kann,  Bildungen,  die  sich,  vom 
wahren  Knorpelgewebe  entfernend,  sämmtlich  ganz  nahe  dem  fibrösen  Ge- 
webe anschliefsen  und  beim  Kochen  nicht  Chondrin,  wie  die  wahren  Knor- 
pel, sondern  Leim  geben. 


150  Mülle II  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

2.  Cavernöses  Gewebe  des  festen  Tlieils  der  Ruthe.  Tab.  III.  Flg.  1.  g'. 

Das  cavernöse  Gewebe  bedeckt,  wie  beim  Straufs,  die  obere  Fläche 
der  fibrösen  Körper  und  kleidet  die  Rinne  aus ; es  besteht,  wie  beim  Men- 
schen im  Innern  des  corpus  caceniosum  ureihrae  et  penis,  aus  lauter  zelligen 
Venenplexus.  Diese  beginnen  schon  zur  Seite  der  Cloake,  ohne  von  fibrö- 
sen Häuten  und  von  mehr  als  verdichtetem  Zellgewebe  eingeschlossen  zu 
sein. 

3.  Schleimhaut. 

Die  Schleimhaut  der  Cloake  geht  in  die  Schleimhaut  über,  welche 
die  Ruthe  bedeckt  und  die  mit  cavernösem  Gewebe  ausgepolsterte  Rinne  der 
Ruthe  auskleidet.  (Tab.  III.  Fig.  1.  g"). 

An  der  obern  Wand  der  Cloake  erhebt  sich  ein  häutiger  Sack  von 
34-  Zoll  Länge,  die  Bursa  Fahricii.  (Tab. HI.  Fig.  1.  Bi).  Ihr  Übergang  in 
die  Cloake  ist  weit,  jedoch  nicht  so  weit  als  der  Fundus  des  Sacks.  Diese 
Ausmündung  befindet  sich  über  dem  ersten  Theile  der  Ruthe  innerhalb  des 
Schhefsmuskels  des  Afters,  etwas  weiter  hinten  als  die  Stellen,  wo  die  Ure- 
teren  (c)  und  Papillen  der  Samenleiter  {d)  ausmünden.  Letztere  befinden 
sich  jederseits  am  Anfang  der  Ruthenfurche  und  wie  die  Öffnungen  der 
Harnleiter  hinter  der  Klappe  zwischen  Cloake  {A”)  und  Mastdarm  {A'). 
Diese  Klappe  läfst  einen  länglichen  Schlitz  zwischen  Mastdarm  und  Cloake 
zu,  von  der  Form  wie  der  Eingang  des  Rachens  beim  Menschen,  wenn  sich 
die  hinteren  Gaumenbogen  einander  genähert  haben.  Beim  zweizehigen 
Straufs  ist  die  Öffnung  zwischen  Mastdarm  und  Uro-genital-Theil  der  Cloake 
mehr  rundlich,  wie  Geoffroy  St.  Hilaire  abgebildet  hat. 

Bis  dahin  scheint  sich  die  Ruthe  der  Rhea  americana  nicht  wesentlich 
von  der  des  zweizehigen  Straufses  zu  unterscheiden,  als  dafs  die  Ruthe  der 
Rhea  americana  steifer  ist  und  nicht  umgeknickt  werden  kann,  und  dafs  sie 
den  dritten  Körper  nicht  besitzt,  der  äufserlich  aus  elastischem  Gewebe,  in- 
wendig aus  cavernösem  Gewebe  gebildet  ist.  Die  Ruthe  der  Rhea  zeigt  da, 
wo  beim  Straufs  der  elastische,  im  Innern  cavernöse  Körper  das  glatte  Ende 
derselben  bildet,  nur  ein  runzeliges  Ansehen  mit  einer  Vertiefung,  in  welche 
das  Ende  der  Rinne  sich  einsenkt.  Aber  die  Ruthe  der  Rhea  americana 
kann  durch  Ausstülpung  eines  verborgenen  Theils  aus  dieser  Öffnung  bis 
auf  das  Doppelte  ihrer  Länge  vergröfsert  werden. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  str  aufs  artigen  V^ögeln  u.  s.  w.  151 
II.  Aus  stülpbarer  Tbeil  der  Ruthe. 

1.  Rolirformiger  Theil  der  Rutlie.  Tab.  II.  N.  M.  O. 

Man  kann  bei  oberflächlicher  Untersuchung  diesen  Theil  der  Ruthe 
ganz  übersehen.  In  der  That  fand  ich  die  vorhex’heschriebenen  Theile  der- 
selben an  dem  Prcäparate  des  anatomischen  Museums  hlofsgelegt,  ohne  dafs 
etwas  von  diesem  zweiten  Apparate  sichtbar  war,  auf  diesen  wurde  ich  bei 
näherer  üntei’suchung  der  Vertiefung  am  Ende  der  Ruthe  aufmerksam. 
Diese  führt  nämlich  in  einen  sehr  langen  Canal,  der  in  allen  Stücken  dem 
ausstülpbaren  Theil  der  Ruthe  der  Enten  und  Gänse  gleicht.  Der  rührige 
Canal  geht  anfangs  an  der  untern  Wand  der  fibrösen  Körper,  zwischen  die- 
sen und  der  äufsern  Haut  der  Ruthe  fort,  als  Einstülpung  der  äufsern  Haut 
der  Ruthe.  Dann  verläfst  der  rührige  Canal  die  Ruthe  (O)  und  liegt  in  vie- 
len Krümmungen  von  einem  dichten,  mit  elastischen  Fasern  durchzogenen, 
Zellgewebe  verhüllt  an  der  untern  Seite  der  Cloake  zwischen  dem  Schliefs- 
muskel,  der  Ruthe  und  der  Haut  des  Afters.  Siehe  Tab.  II.  Fig.  1.,  wo  die 
Windungen  des  Canals  von  dem  umliegenden  Zellgewebe  befreit  dargestellt 
sind.  Die  Länge  des  Canals  beträgt  im  ausgedehnten  Zustande  gegen  8-9 
Zoll,  die  Breite,  wenn  er  der  Länge  nach  ausgedehnt  ist,  3-4  Linien.  Sein 
Ende  (N)  ist  blind  und  an  die  untere  Furche  der  fibrösen  Körper  (die  obere 
Furche  dient  zur  Ableitung  des  Samens)  festgeheftet.  Die  Stelle  dieser  An- 
heftung befindet  sich  vor  der  Hälfte  der  Länge  des  festen  Theils  der  Ruthe. 

Die  Schichten  der  Häute  dieses  Rohrs  sind  von  aufsen  nach  innen 
folgende : 

1)  Eine  äufsere  elastische  Schicht.  Sie  ist  als  eigene  Haut  an  der  innern 
Hälfte  des  Rohrs  am  stärksten.  An  der  äufsern  Hälfte  des  Rohi’s, 
die  in  das  Ende  der  übrigen  Ruthe  übergeht,  ist  die  äufserliche  Haut 
des  Rohrs  mehr  fibrös  und  das  elastische  Gewebe  liegt  hier  als  be- 
sonderer Strang  an  der  Seite  des  Rohrs  angewachsen. 

2)  Unter  dieser  liegt  zwischen  ihr  und  der  innern  Haut  cavernöses  Ge- 
webe, dessen  Höhlungen  sich  aufblasen  lassen.  Dieses  cavernöse 
Gewebe  ist  die  Fortsetzung  des  cavernösen  Gewebes,  w'elches  die 
Rinne  des  festen  Theils  der  Ruthe  auskleidet  und  kommt  blofs  an 
der  äufsern  Hälfte  oder  dem  Endtheil  des  Robrs  vor,  fehlt  dagegen 
an  der  andern  Hälfte  oder  dem  innern  mit  seinem  blinden  Ende  an- 
gewachsenen Theil  des  Rohrs.  Die  Balken,  welche  das  cavernöse 


152  Müller  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

Gewebe  bilden,  besteben  aus  Bündeln  paralleler,  wellenförmig  gebo- 
gener, nicht  elastischer  Fasern.  Gegen  die  Sehleimhaut  zu  laufen 
diese  Bündel  mehr  cirkelförmig,  so  dafs  sie  auf  den  ersten  Blick  eine 
eigene,  an  der  Schleimhaut  anliegende  Cirkel-Faserschicht  zu  bilden 
scheinen.  Ob  diese  Bündel  conti’actil  sind,  ist  unbekannt. 

3)  Die  innere  Haut  des  Rohrs  ist  eine  Schleimhaut  und  die  Fortsetzung 
der  Haut  des  festen  Theils  der  Ruthe,  welche  sich  am  Ende  dersel- 
ben an  der  erwähnten  Öffnung  nach  innen  einstülpt.  An  der  einen 
Seite  der  innern  Fläche  des  Canals  bildet  die  Schleimhaut  zwei  auf- 
rechtstehende Längsfalten,  die  eine  Rinne  zwischen  sich  haben. 
Diese  Falten  sind  die  Fortsetzung  der  Ränder  der  Ruthenfurche  und 
ebenso  ist  die  Rinne  zwischen  den  zwei  parallelen  Falten  im  einge- 
stülpten Theil  die  Fortsetzung  der  Furche  des  festen  Theils  der 
Ruthe,  die  sich  am  Ende  des  letztem  nach  einwärts  in  den  Canal 
begiebt.  Die  Säume  clerEurche  sind  so  gestaltet,  dafs  wenn  sie  sich 
aneinander  legen,  sie  einen  ganzen  Canal  bilden.  Die  Wände  dieser 
Säume  enthalten  im  Innern  auch  cavernöses  Gewebe.  Die  beiden 
Falten  und  die  Rinne  im  eingestülpten  Theil  der  Ruthe  befinden 
sich  blofs  in  derjenigen  Hälfte  dieses  Rohrs , welche  mit  dem  Ende 
des  festen  Theils  der  Ruthe  zusammenhängt.  Die  ganze  andere 
Hälfte  des  Rohrs,  deren  blindes  Ende  an  der  untern  Seite  der  fibrö- 
sen Körper  angeheftet  ist,  enthält  keine  Spur  davon.  Vielmehr  zeigt 
die  Schleimhaut  in  diesem  Theil  des  Rohrs  nur  kleine  Querrunzeln. 
In  Tab.  III.  Fig.  3.  sieht  man  die  innere  Fläche  desjenigen  Theils  des 
Rohrs  abgebildet,  wo  beide  Hälften  aneinander  grenzen.  So  weit 
als  die  Falten  und  die  Rinne  reichen,  so  weit  kommen  auch  nur  die 
cavernöse  Schicht  und  ihre  Faserbündel  vor.  Vom  Ende  der  Rinne 
an  bis  an  das  blinde,  angewachsene  Ende  des  Rohrs  haben  daher  die 
Wände  des  Rohrs  eine  ganz  andere  Beschaffenheit,  indem  die  elasti- 
sche Schicht  als  eigene  Haut  das  ganze  Rohr  umgiebt  und  dicht  an 
der  Schleimhaut  anliegt. 

Zieht  man  an  der  Öffnung,  am  Ende  des  festen  Theils  der  Ruthe,  die 
sich  hier  einstülpende  Haut  an,  so  kann  man  nach  und  nach  die  ganze  Hälfte 
des  Rohrs  wie  den  Finger  eines  Handschuhs,  der  vorher  eingestülpt  worden, 
ausziehen,  und  die  Ruthe  verlängert  sich  dadurch  bis  auf  das  Doppelte  des 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  strauf s artigen  Vögeln  u.s.  w.  153 

festen  Theils  derselben  oder  wächst  um  die  Hälfte  der  Länge  des  eingestülpten 
Rohrs.  (S.  Tab.  II,  Fig.‘i.)  Da  das  innere  blinde  Ende  des  Rohrs  angeheftet 
ist,  so  kann  es  sich  nur  zur  Hälfte  umstülpen,  wobei  die  innere  Hälfte  in  die 
äufsere  Hälfte  hineintritt.  Bei  dieser  Ausstülpung  wird  die  äufsere  Fläche  des 
eingestülpten  Rohrs  zur  inneren,  die  innere  zur  äufsern.  Die  Ansicht  Tab.  II. 
Fig.  2.  gleicht  in  allen  Verhältnissen  derjenigen  von  Fig.  1.,  nur  dafs  in  ersterer 
das  Rohr  ausgestülpt  ist.  iE  ist  in  beiden  Abbildungen  das  angewachsene  blinde 
Ende  des  Rohrs,  F ist  in  beiden  Figuren  das  Ende  des  festen  Theils  der  Ruthe ; 
jfund  cf)  sind  in  beiden  Figuren  die  Ränder  der  Ruthenfurche  am  festen  Theil 
derselben.  Man  sieht,  wie  nach  der  Ausstülpung  diese  Ränder  sich  in  die 
Ränder  der  nun  äufserlich  gewordenen  Rinne  des  ausgestülpten  Theils  ver- 
längern. Da  nun  die  Wände  des  Rohrs  cavernös  sind,  so  mufs  dieser  ausge- 
stülpte Theil  der  Ruthe  auch  steif  werden  können,  mag  er  nun  vor  dem 
Einbringen  der  Ruthe  in  die  Cloake  des  Weibchens  schon  heraustreten  oder 
nach  der  Immission  des  festen  Theils  erst  in  der  Cloake  sich  bis  in  den  Eier- 
leiter entwickeln.  Da  ferner  die  Säume  der  Rinne  wie  die  Wände  der  Rinne 
des  festen  Theiles  cavernöses  Gewebe  enthalten,  so  werden  sich  vielleicht 
diese  Säume  durch  Aneinanderlegen  ihrer  Ränder  zu  einem  Canal  schliefsen, 
durch  den  der  Samen  auf  der  Oberfläche  des  ausgestülpten  Theils  abfliefsen 
kann.  Wenn  diefs  aber  auch  nicht  möglich  sein  sollte,  so  müssen  sich  jeden- 
falls die  Säume  durch  Anfüllung  des  cavernösen  Gewebes  mit  Blut  aufstellen, 
und  wenn  dann  die  Ruthe  in  die  weiblichen  Geschlechtstheile  eindringt,  so 
müssen  die  Wände  derselben  dasjenige  ersetzen,  was  an  dem  Halbcanal  des 
ausgestülpten  Theils  zur  Bildung  eines  ganzen  Canals  fehlt.  Der  hintex’e 
Theil  des  Rohrs,  welcher  blind  endigt  und  nicht  ausgestülpt  werden  kann, 
weil  er  befestigt  ist,  hat  wahrscheinlich  die  Bestimmung  der  Schleimabson- 
derung ; indem  er  das  vordere  Stück  des  auszustülpenden  Rohrs  mit  Schleim 
befeuchtet,  dient  er  zur  Ei-leichterung  des  Austritts  und  der  Umwendung. 

2.  Elastisches  Gewebe. 

Die  Art,  wie  der  ausgestülpte  Theil  der  Ruthe  zurückgezogen  wird, 
ist  sehr  eigenthümlich.  Es  befindet  sich  nämlich  an  diesem  Rohr  ein  sehr 
starkes  gelbes  elastisches  Band  von  der  gewöhnlichen  Formation  des  elasti- 
schen Gewebes.  Dieses  Band  entspringt  an  der  untern  Fläche  des  fibrösen 
Ruthenkörpers  in  der  Mitte  einer  sich  hier  befindenden  Rinne,  die  von  der 
Phjsilcal.  Ahhandl.  1836.  U 


154  Müller  iiber  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

tlieilweisen  Deckung  der  beiden  Hälften  des  vordem  Tbeils  des  fibrösen 
Körpers  herrührt.  Von  dieser  Stelle  aus  werfen  sich  vielfach  verflochtene 
Bündel  von  elastischem  Gewebe,  zu  einem  bandförmigen  Sti’ange  verbunden, 
auf  die  äufsere  Oberfläche  der  auszustülpenden  Hälfte  des  Pvohrs  und  breiten 
sich  an  der  einen  Seite  des  Rohrs  bis  so  Aveit  aus,  als  das  Rohr  ausgestülpt 
Averden  kann.  Siehe  Taf.  IH.  Fig.  2.  X.  Von  derselben  ürsprungsstelle  an 
der  untern  Fläche  des  fibrösen  Ruthenstücks  geht  ein  anderes  Fascikel  von 
elastischen  Fasern  auf  den  innern,  nicht  auszustülpenden  Theil  des  Rohrs, 
welches  beim  Ausstülpen  des  erstem  nur  innerhalb  desselben  liegt.  Dieser 
Theil  des  Rohrs  ist  auf  seiner  äufsern  Fläche  von  einer  ganzen  Schichte  netz- 
förmig diirchflochtener  elastischer  Faserbündelchen  bedeckt.  Bei  den  übri- 
gen dreizehigen  Straufsen  verhält  sich  das  elastische  Gewebe  ein  wenig  ver- 
schieden. Es  wirft  sich  auf  die  ganze  Oberfläche  des  Schlauches,  füllt  aber 
auch  den  ganzen  Zwischenraum  der  Schlinge  des  eingestülpten  Schlauchs  als 
eine  fibröse  Platte  aus.  So  verhält  es  sich  beim  neuholländischen  Casuar 
Dromaius  nocae  Jlollandiae  und  indischen  Casuar,  Casuarius  Indiens.  Eine 
Abbildung  der  ganzen  fibrösen  Platte  vom  neuholländischen  Casuar  s.  Tab.I. 
Fig.  2.  Die  Elasticität  dieses  Gewebes  ist  so  stark,  wie  die  von  Kautschuck  und 
ganz  ei’halten,  obgleich  die  Theile  schon  viele  Jahre  in  Weingeist  bewahrt  sind: 
Der  Zweck  des  elastischen  Gewebes  an  dem  auszustülpenden  Rohr  ist,  die- 
ses zurückzuziehen  oder  einzustülpen,  sobald  die  Ursachen  der  Erection  auf- 
gehört. Diefs  geschieht  indefs  nicht  sehr  schnell,  Avie  man  von  Enten  und 
Gänsen  nach  der  Begattung  Aveifs,  bei  denen  der  merkwürdige  Apparat  noch 
einige  Zeit  ausAvendig  hängen  bleibt  (‘).  Die  Anfülhmg  der  Theile  von  Blut 
innerhalb  des  cavernösen  Gewebes  mufs  am  meisten  diese  Reduction  ver- 
hindern. 

III.  Muskeln  der  Ruthe. 

Wir  beschliefsen  diese  Beschreibung  mit  den  Muskeln  der  Ruthe. 

1.  Der  Vorzieher  der  Ruthe  (Tab. II.  Fig.  1.  K)  ist  zugleich  He- 
ber derselben.  Dieser  Muskel  geht  von  der  innern  Schichte  des  gewaltigen 
spliincter  ani  an  dem  obern  Seitentheil  des  Sphincters  ab,  und  begiebt  sich 


(')  Harvey  a.  a.  O.;  In  nigra  anale  penem  tantae  longiludinis  vidi,  ut  absoluta  coitu,  liumi 
pendentem  insec/uens  gallina  avide  eum  (Jumbricum  credo,  arbitrato)  mordicaret ; faceretque  illius 
citius  solito  relraclionem. 


vümnlichen  Geschlechlso/'gane  hei  d.  straufsartigen  T ögeln  u.  s.  w.  155 

abwärts  gegen  die  untere  Seite  und  den  Seitenrand  des  Basilarstücks  des  Kör- 
pers der  Ruthe.  Er  zieht  die  Pvuthe  nicht  blofs  hervor,  sondern  hebt  auch 
ihre  Basis  gegen  die  Dorsalwand  der  Cloake,  wodurch  das  Ende  der  an  der 
untern  Wand  der  Cloake  und  an  dem  Sphincter  ansitzenden  Ruthe  die  Di- 
rection  nach  vorwärts  erhält,  während  die  Ruthe  in  der  Ruhe  nach  rückwärts 
abwärts  sieht. 

2.  Zurückzieher  der  Ruthe  (Tab. II.  III.  Zv).  Er  liegt  zu  jeder 
Seite  der  Cloake  zwischen  ihr  und  dem  Sphincter  und  scheint  von  festen 
Theilen  zu  entspringen;  an  unserm  Präparat  ist  sein  Ursprung  abgeschnitten. 
Er  geht  innerhalb  des  Sphincters  als  walzenförmiges  starkes  JMuskelbündel 
nach  rückwärts  abwärts,  kommt  zwischen  Vorzieher  der  Ruthe  (/C)  und  dem 
fibrösen  Körper  derselben  an  der  untern  Fläche  des  letztem  zum  Vorschein 
und  convergirt  jetzt  mit  dem  der  andern  Seite  (Tab.  II.  Fig.  1.  LG).  Beide 
setzen  sich  an  der  untern  Fläche  des  fibrösen  Körpers  dicht  neben  einander  in 
der  Rinne  fest,  welche  durch  das  Übereinanderschieben  der  vorderen  Hälften 
des  fibrösen  Körpers  entsteht.  Diese  Insertion  befindet  sich  dicht  vor  der 
Insertion  des  blinden  Endes  vom  ausstülpbaren  Rohr  und  vor  dem  Ursprung 
des  elastischen  Stranges.  Das  Präparat  zu  dieser  Beschreibung  befindet  sich 
im  Königlichen  anatomischen  Museum  zu  Berlin. 

Dromaius  novae  Hollaudiae. 

Beim  neuholländischen  Casuar,  Dromaius  novae  Ilollandiae,  verhalten 
sich  alle  Theile  wesentlich  wie  bei  lihca  americana;  auch  er  besitzt  einen 
ausstülpbaren  Theil  der  Puithe.  Ich  habe  die  Genitalien  dieses  Thiers  durch 
die  Gefälligkeit  des  Ilrii.  Geheimen  Medicinalrath  Prof.  Otto  in  Breslau 
untersuchen  können.  Eine  weitläufige  Beschreibung  scheint  unnöthig  und 
glaube  ich  auf  die  Abbildung  verweisen  zu  können,  die  dieser  Abhandlung 
beigefügt  ist.  Das  elastische  Gewebe  wirft  sich  von  seiner  Befestigung  am 
fibrösen  Körper  auf  den  ganzen  eingestülpten  Theil  der  Ruthe,  überzieht  das 
ganze  Rohr  von  aufsen  und  füllt  den  Raum  innerhalb  der  Schlinge  dieses 
eingestülpten  Schlauches  plattenartig  ganz  aus.  Der  eingestülpte  Theil  ist 
verhältnifsmäfsig  kleiner  als  bei  liliea  americana^  auch  die  fibrösen  Körper 
viel  kürzer.  Siehe  Tab.  I.  Fig.  2. 


156  Müller  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 


Casuarius  indicus. 

Nacli  Cu  vier  sollte  sich  der  Casuar  im  Bau  der  Ruthe  wie  der  Straufs 
verhalten.  Schon  aus  der  Beschreibung  von  Geoffroj  St.  Hilaire  ergiebt 
sich,  dafs  sich  die  Ruthe  des  Casuars  nicht  so,  sondern  wie  bei  Rhea  ver- 
halten müsse.  Er  sagt : II  se  compose  dun  fourreau  memhraneux  dont  la 
pointe  est  attachee  ä la  base.  Tour  Vallonger  on  est  donc  oblige  d en  tirer  ä 
soi  les  par'ois  interieures.,  comme  on  feroit  ä Vegard  d un  doigt  de  gand  re- 
tourne;  on  reuissit  plus  ou  inoins  ä Vallonger,  ce  que  ne  peut  etre  execute  tres- 
efßcacement  que  par  Verection  vitale.  In  der  Meckelschen,  jetzt  Königlichen 
Sammlung  zu  Halle  habe  ich  kürzlich  die  Ruthe  des  Casuars  selbst  unter- 
suchen können.  Die  fibrösen  Körper  sind  wie  bei  Rhea  gebildet,  der  ein- 
gestülpte Schlauch  lang  und  gewunden.  Das  elastische  Gewebe  füllt  den 
ganzen  Zwischenraum  der  Schlinge  plattenartig  aus. 

Eine  vollständige  Bursa  Fabricii  ist  beim  neuholländischen  und  indi- 
schen Casuar  nicht  so  wie  bei  Rhea  americana  vorhanden,  sondern  der  grofse 
Beutel  der  letztem  auf  eine  kleine  Tasche  reducirt,  welche  den  Übergang 
zu  der  Penis -Tasche  des  Straufses  macht.  Da  die  straufsartigen  Vögel  eine 
besondere  cavitas  uro-genitalis  besitzen,  welche  durch  einen  Sphincter  von 
dem  Mastdarm  getrennt  ist,  aber  aus  dem  Mastdarm  die  Excremente  aufnimmt, 
und  da  ferner  Rhea  americana  zugleich  noch  eine  sehr  entwickelte  Buj'sa 
Fabricii  besitzt,  so  ist  hierdurch  und  besonders  durch  die  Coexistenz  beider  bei 
der  Rhea  americana  der  Beweis  geliefert,  dafs  die  Bursa  Fabricii  der  Vögel 
durchaus  nicht  der  ürinblase  anderer  Thiere  zu  vergleichen  ist.  In  Hinsicht 
des  Baues  der  Cloake  der  straufsartigen  Vögel  und  ihres  Verhältnifses  zum 
Mastdarm  mufs  ich  auf  die  treffliche  Abhandlung  von  Geoffroy  St.  Hilaire 
und  die  lehrreichen  dazu  gehörigen  Abbildungen  verweisen.  Den  Namen 
Harnblase  verdient  übrigens  die  erwähnte  Abtheilung  der  Cloake  nicht.  Es 
ist  vielmehr  gemeinsame  Höhle  für  die  Harn-  und  Geschlechtstheile,  indem 
sich  Ureteren  und  Samenleiter  darin  öffnen. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  str aufsartigen  Kögeln  u.  s.  157 


III.  Abschnitt. 

Von  der  Clitoris  der  straufsartigen  Vögel. 

Die  Clitoris  der  straufsartigen  Vögel  scheint  nach  demselben  Plan  wie 
die  Ruthe  dei’selben  gebildet.  Perrault  (‘ ) erwähnte  sie  zuerst  vom  Straufs, 
Geoffroy  St.  Hilaire  hat  ebenfalls  diejenige  des  afrikanischen  Straufses 
beschrieben  und  abgebildet.  Er  sagt:  Dans  la  femelle  les  choses  sont  dis- 
posees  de  meme,  saufle  volume  desparties  et  tous  les  inconvcniens  ou  avantages 
qui  resultent  de  cette  circonstance.  La  hase  du  clitoris  repose  sur  une  tres 
large  masse  formee  par  un  semblahle  tissu ßbro-vasculaire.  An  den  Geni- 
talien des  weiblichen  Sti-aufses  der  Meckelschen  Sammlung  hatte  dieser  dem 
Penis  des  Straufses  im  Allgemeinen  ähnliche  Körper  eine  Länge  von  8"',  an 
der  Basis  eine  Breite  von  4",  am  abgerundeten  Ende  eine  Breite  von  2'". 
Dieser  Körper  ist  platt  und  hat  auf  seiner  Oberfläche  eine  Rinne,  wie  der 
Penis  des  Straufses.  Die  Basis  sitzt  auf  der  vordem  oder  untern  Wand  der 
Cloake  auf,  mehr  als  einen  Zoll  vom  Rande  der  äufsern  Öffnung  entfernt. 
Die  drei  fibrösen  Körper  der  Ruthe  des  Straufses  konnte  ich  an  diesem  plat- 
ten weichen  Körper  nicht  unterscheiden,  doch  fühlte  ich  undeutlich  auf  der 
linken  Seite  einen  festem  Faden,  das  Analogon  des  linken  stärkern  fibrösen 
Körpers  der  Ruthe  des  Sti'aufses.  Siehe  Taf.  I.  Fig.  3. 

Die  Clitoris  des  indisehen  Casuars,  welche  ich  ebenfalls  Gelegenheit 
hatte,  in  der  Meckelschen  Sammlung  zu  untersuchen,  sitzt  an  derselben  Stelle. 
Sie  ist  cylindrisch,  nicht  platt  wie  beim  Straufs,  6"'  lang  und  Vf”  breit.  Auf 
ihrer  Oberfläche  läuft  eine  deutliche  Rinne  mit  zwei  häutigen,  sie  begrenzen- 
den Wällen  oder  Kämmen.  Aber  am  Ende  der  Clitoris  befindet  sich  eine 
Öffnung  wie  an  der  Ruthe  der  dreizehigen  Straufse.  Ich  führte  eine  zarte 
Borste  ein,  welche  ich  einige  Linien,  bis  fast  an  die  Basis  der  Ruthe  fortschie- 
ben konnte.  Dieser  Weg  scheint  nicht  künstlich  zu  sein.  Indefs  ist  jedenfalls 
kein  längerer  gewundener  Canal  zum  Ausstülpen,  wie  er  bei  den  Männchen 
vorkommt,  vorhanden.  Die  ganze  Clitoris  ist  von  einer  Fortsetzung  der  Haut 
der  Cloake  überzogen,  und  diese  bildet  an  der  vordem  Hälfte  derselben 
kleine  Querfältchen.  Siehe  die  Abbildung  Taf.  I.  Fig.  4. 


(')  Mern.  pour  servir  ä Vhist.  nat.  des  animaux.  Paris  1671.  III.  p.  175. 


158  Mülle  R über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

, Wahx’scheinlicli  ist  die  Clitoris  der  straufsartigen  Vögel  und  die  ähn- 
liche Clitoris  der  Enten  und  Gänse  hlofs  Wollustorgan,  wie  auch  bei  den 
Säugethieren.  Die  Erections-I  ähiglceit  dieses  Theiles  hat  man  zu  allgemein 
angenommen.  Gerade  bei  denjenigen  Säugethieren,  wo  die  Clitoris  am 
meisten  entwickelt  ist,  wie  bei  den  Affen  der  Gattung  Ateles , wo  sie  die 
Länge  des  Penis  fast  übertrifft,  ermangelt  sie  ganz  des  erectilen  Gewebesi 
Ich  sah  in  den  corpora  cavernosg.  der  Clitoris  der  Ateles,  die,  von  der 
behaarten  Haut  überzogen,  an  ihrer  untern  Fläche  eine  von  Schleimhaut 
bedeckte  Furche  zeigt,  und  eine  sehr  ansehnliche  Vorhaut  ihrer  Eichel  hat, 
nur  dichtes  Fett.  Gleichwohl  waren  die  nervi  dorsales  penis  hier  sehr  an- 
sehnlich, weil  der  Wollust  bestimmt.  Bei  Ateles  hyhi'idus  war  diefs  Organ 
3-i-  Zoll  lang,  6 Linien  breit.  Beim  Menschen  sah  ich  zwar  im  Innern  der 
Corpora  cavernosa  clitoridis  venöses  Maschengewebe.  Indefs  ist  auch  hier 
die  Erections- Fähigkeit  der  Clitoris  bei  noianalen  Individuen  nicht  constatirt 
und  jedenfalls  kein  constantes  Phaenomen  (^). 


IV,  Abschnitt. 

Von  den  Veränderungen  im  Bau  der  Ruthe  in  den  verschiedenen 

Familien  der  Vögel. 

Barkow  machte  bereits  einen  Versuch  einer  Deutung  der  versehie- 
denen  Grade  der  Ausbildung  der  Ruthe  bei  den  Vögeln.  Er  unterscheidet 
drei  Grade,  nämlich : 

1)  Ein  starker  kegelförmiger,  vorspringender,  Zellkörper  enthaltender 
Theil,  wie  beim  Straufs  und  Casuar.  Obgleich  die  Ruthe  des  Sti’aufses  eine 
eigenthümliche  Form  bildet,  so  gehört  doch  nicht  der  Casuar  dahin,  sondern, 
wie  gezeigt  worden,  in  eine  Kategorie  mit  den  Enten  und  Gänsen ; dann  ist 
zu  bemerken,  dafs  diejenigen  Theile  des  Straufspenis,  welche  den  corpora 
cavernosa  der  Säugethiere  entsprechen,  wenigstens  kein  cavernöses  Gewebe 
enthalten,  so  dafs  letzteres  blofs  auf  die  dem  gespaltenen  corpus  cavemosurn 
urethrae  des  Säugethier -Foetus  zu  vex'gleichende  Rinne  und  auf  den  der (*) 


(*)  Siehe  über  die  Clitoris  der  Ateles  die  Dissertation  von  Fugger  de  singulari  clitoridis 
in  simiis  generis  Atelis  magnitudine.  Berol.  1835.  4. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  straufsartigen  Vögeln  u.  s.  W’.  159 

Eichel  zu  vergleichenden  dritten  elastischen  Körper  der  Ruthe  des  Straufse^ 
reducirt  ist.  5 

2)  Die  zweite  Form,  welche  Barkow’unterscheidet,  ist  die,  wo  der 
Penis  aus  drei  Theilen  besteht,  nämlich  aus  einem  dem  Urethi’altheil  der 
Säugethiere  entsprechenden  und  zwei  Zellkörpern,  wie  hei  der  Gans  und  der 
Ente.  Findet  sich  schon  heim  Straufs  ein  dem  Grethraltheil  der  Ruthe  der 
Säugethiere  vergleichbarer  Theil,  nämlich  die  mit  cavernösem  Gewebe  ge- 
polsterte Rinne,  so  glaube  ich  nicht,  dafs  man  den  schlauchförmigen  Theil 
der  Enten  und  Gänse  einfach  dem  Urethraitheil  des  Penis  der  Säugethiere 
vergleichen  kann.  Der  Penis  jener  Thiere,  mit  welchem  die  Ruthe  der 
dreizehigen  Straufse  im  wesentlichen  ganz  übereinkommt,  hat  einige  Theile 
der  Ruthe  des  afrikanischen  Straufses,  aber  noch  einige  Theile  mehr,  wovon 
Struthio  camelus  keine  Spur  hat.  Gemein  mit  dem  Straufs  hat  er  den  festen, 
nicht  ausstiilpbaren  Theil  der  Ruthe  von  ßbrösem  Gewebe  mit  der  dem 
ürethraltheile  der  Ruthe  der  Säugethiere  entsprechenden  Rinne.  Dazu 
kommt  nun  bei  den  dreizehigen  Straufsen,  den  Enten  und  Gänsen  der  aus- 
stülpbare  hohle  Theil  der  Ruthe.  In  diesem  eingestülpteii  Theil,  nämlich 
auf  seiner  innern  Wand,  liegt  allerdings  die  Fortsetzung  der  Rinne;  aber 
dieses  schlauchartige,  am  Ende  blindgeendigte  Organ  kann  unmöglich  mit 
der  Harnröhre  verglichen  werden,  deren  Analogon  die  offene  Rinne  des- 
jenigen Stücks  des  Penis  ist,  welches  die  Enten,  Gänse  und  die  dreizehigen 
Straufse  mit  dem  zweizehigen  Straufs  gemein  haben. 

Auch  in  Hinsicht  dessen,  was  Barkow  die  Zellkörper  der  Ruthe 
nennt,  weiche  ich  von  diesem  hochgeschätzten  Anatomen  ab.  Barkow 
meint  darunter  die  von  ihm  beschriebenen  Wundernetze  oder  Tannen- 
berg’s gefäfsi’eichen  Körper  an  der  Basis  der  Puithe  der  Enten  und  Gänse 
oder  richtiger,  wie  Barkow  selbst  angiebt,  hinter  den  Papillen  der  Samen- 
gänge. Ich  finde  diesen  Körper  bei  den  Enten  und  Gänsen  zwar  ganz  unge- 
mein gefäfsreich,  aber  die  Gefäfse  haben  in  ihnen  die  gewöhnliche  feine  Ver- 
theilung.  Die  eigentliche  spongiöse  Substanz,  nämlich  ganz  dasselbe  venöse 
Zellengewebe,  wie  bei  den  Säugethieren  im  corjms  cacernosum  penis  et 
urethrae,  liegt  bei  den  straufsartigen  Thieren  (mit  oder  ohne  entenartigen 
Anhang  des  Penis)  in  den  Wänden  der  Rinne  der  Ruthe  als  Analogon  des 
Corpus  cacernosum  urethrae.  Da  nun  die  fibrösen  Körper  der  Ruthe  der 
straufsartigen  Vögel,  welche  den  corpora  cacernosa  penis  der  Säugethiere 


160  Müller  über  zwei  verschiedene  Tjpen  in  dem  Bau  der  erectilen 

entsprechen,  durchaus  solid  sind,  so  fehlt  hier  das  spongiöse  Gewebe  der 
Corpora  cacernosa  penis  überhaupt  und  ist  an  keiner  andern  Stelle  zu  suchen. 
Die  gefäfsreichen  Körper,  welche  Tannenberg  und  Barkow  beschrieben 
haben,  haben  durchaus  keine  spongiöse  zellige  Beschaffenheit,  und  scheinen 
mir  eine  den  Vögeln  eigenthüinliche  Bildung  zu  sein,  die,  wie  man  aus  feinen 
Injectionen  hei  Gänsen  sieht,  zwar  sehr  blutreich  sein  mufs,  aber  doch  keiner 
eigentlichen  Erection  und  Steifigkeit  fähig  sein  kann. 

3)  Die  dritte  Form  der  Begattungsorgane  bei  den  männlichen  Vögeln, 
welche  Barkow  unterscheidet,  ist  die  einfachste,  wo  nur  die  gefäfsreichen 
Körper  vorhanden  sind,  wie  heim  Haushahne.  Hier  fehle  das  demUrethral- 
theil  der  Säugethiere  entsprechende  Stück  der  Ruthe.  Nach  unserer  Ansicht 
fehlt  hier  sowohl  das  corpus  cac>ernosum  penis  als  das  corpus  cavernosum 
urethrae,  und  es  sind  die  Begattungsorgane  auf  die  Gefäfskörper  an  den  Pa- 
pillen der  Samengänge,  die  den  Vögeln  eigenthümlich  sind,  und  auf  diese 
Papillen  selbst  reducirt.  Ich  unterscheide  für  jetzt  folgende  Variationen  in 
der  Bildung  der  männlichen  Begattungsorgane  der  Vögel. 

1)  Zwei  fibröse  solide  Körper,  mit  einer  dem  gespaltenen  corpus  caver- 
nosum  urethrae  des  Säugethier-Foetus  zu  vergleichenden,  mit  caver- 
nösem  Gewebe  ausgekleideten  Rinne.  Ein  dritter  elastischer,  im 
Innern  cavernöser  Körper,  welcher  an  der  der  Rinne  entgegenge- 
setzten Seite  des  Penis  liegt,  und  das  der  Eichel  zu  vergleichende 
Ende  der  Ruthe  bildet.  Der  elastische  Körper  krümmt  die  Ruthe 
im  Zustande  der  Erschlaffung  und  sie  wird  im  geknickten  Zustande 
eingezogen.  Die  Anfüllung  des  cavernösen  Gewebes  im  Innern  des 
elastischen  Körpers  streckt  die  Ruthe  bei  der  Erection  und  hält  dem 
elastischen  Gewebe  das  Gleichgewicht. 

Hierher  gehört  allein  der  zweizehige  Straufs,  Struthio  camelus. 

2)  Zwei  fibröse,  mehr  oder  weniger  entwickelte  Körper,  mit  einer  dem 
gespaltenen  corpus  cavernosum  des  Säugethier-Foetus  zu  verglei- 
chenden, mit  cavernösem  Gewebe  ausgekleideten  Rinne.  Keine 
Eichel.  Dagegen  setzt  sich  das  Ende  der  Ruthe  in  einen  eingestülp- 
ten schlauchförmigen,  zuletzt  blinden  Theil  fort,  welcher  auch  eine 
Fortsetzung  der  Rinne  enthält  und  zur  Hälfte  ausgestülpt  werden 
kann.  Ein  elastisches  Band  zieht  diesen  Schlauch,  wenn  er  sich  aus- 
gestülpt hat,  wieder  ein. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  straufsartigen  Vögeln  u.  s.  w.  161 

Hierher  gehören,  so  yiel  ich  bis  jetzt  habe  ermitteln  können,  blofs  die 
dreizehigen  Straufse  unter  den  Grallen,  und  die  Enten  und  Gänse  unter  den 
Palmipeden.  Nach  einer  Angabe  von  Perrault  (*)  würde  auch  der  Storch 
(der  weifse)  hierher  gehören,  dessen  Ruthe  nach  ihm  wie  bei  den  Gänsen 
sein  soll.  Indefs  mufs  hier  ein  Irrthum  obwalten.  Denn  bei  Untersuchung 
eines  frischen  männlichen  schwarzen  Storchs,  Ciconia  nigra,  fand  ich  von 
dieser  Bildung  nichts,  sondern  nur  eine  undeutliche  Spur  der  kleinen  zun- 
genförmigen Warze,  die  man  bei  mehreren  Stelzenläufern  an  der  untern 
Wand  der  Cloake  antrifft. 

Der  ausstülpbare  blindsackige  Theil  der  Ruthe  kann  einigermafsen 
einer  weitern  Entwickelung  der  Vorhaut  verglichen  werden. 

3)  Zungenförmiges  Rudiment  der  Ruthe,  bald  mit,  bald  ohne  deutliche 
Rinne. 

Hierher  gehören  mehrere  Stelzenläufer.  Perrault  (^)  sagt  von  der 
Trappe  Otis  tarda:  an  dem  obeni  Rand  des  Afters  fand  sich  ein  kleiner 
Anhang,  welcher  anstatt  der  Ruthe  diente.  Am  obern  Pvande  des  Afters 
kann  indefs  die  Ruthe  nicht  sitzen,  und  es  ist  die  untere  Wand  der  Cloake 
mit  der  obern  verwechselt.  Ich  sehe  in  der  That  an  einer  Cirkelfalte  im 
Innern  der  Cloake  und  zwar  an  ihrem  untern  Theile  einen  schwachen  lip- 
penartigen Vorsprung,  ohne  deutliche  Rinne,  welche  vielleicht  durch  die 
Muskelcontraction  des  Sphincters  erst  entsteht.  Ebenso  finde  ich  es  bei 
Ardea  stellaris , bei  Ciconia  nigra,  Phoenicopter'us  ruber.  Deutlicher  sah 
ich  die  kleine  zungenförmige  Ruthe,  nach  Art  der  Lefze  des  Kehldeckels 
bei  Platalea  Leucorodia. 

Unter  den  hühnerartigen  Vögeln  gehören  hierher  die  Gattungen  Crax, 
Penelope,  Crypturus.  Perrault  (^)  sagt  vom  indianischen  Hahn : Die  Ruthe 
lag  an  dem  unterm  Theile  des  Steifses,  welcher  dem  Bürzel  oder  der  Schwanz- 
spitze gegenüber  war.  Ihre  Gestalt  war  pyramidenförmig  und  sie  hatte  vier 
Linien  in  der  Länge  und  an  ihrer  Grundfläche  drei  Linien  in  der  Breite. 
Sie  bestand  aus  zween  harten  Körpern,  die  mit  einigen  schwammigen  Häut- 
chen bekleidet  waren,  welche  die  höhlichteii  Körper  machten.  Von  Pene- 


(’ ) Perrault  a.  a.  O.  II.  Bd.  p.  249. 
C)  Ebend.  II.  Bd.  p.  57. 

(^)  Ebend.  I.  p.  266. 

Physikal.  Abhandl.  1836. 


X 


162  Mülleb  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

lope  cristata  sagt  Owen  (^)  the  Guan  presenis  a singulär  exception  to  the 
other  Rasorial  Birds  in  liaving  a single  linguiform  pointed  penis  deceloped,  the 
sides  of  which  are  procided  with  retroverted  papillae,  as  in  the  Ans  er  ine  Birds. 

Bei  Crypturus  ist  die  Ruthe  von  Nitzsch  entdeckt,  welcher  die  Ge- 
fälligkeit hatte,  mir  bei  meiner  Anwesenheit  in  Halle  eine  Mittheilung  dar- 
über zu  machen  und  mir  die  Bildung  vorzeigte,  wovon  ich  die  anf  Taf, I. 
Fig.  5.  6.  enthaltenen  Zeichnungen  entwarf.  Die  Ruthe  ist  auch  zungen- 
föx’mig  wie  die  Lefze  des  Kehldeckels,  hat  aber  auf  ihrer  ohern  Fläche  eine 
Rinne,  welche  ziemlich  lang  ist,  und  schon  an  der  Basis  der  Ruthe,  wo  diese 
sich  noch  nicht  frei  über  die  Haut  der  Cloake  erhebt,  deutlich  ist,  indem  sie 
zwischen  zwei  zarten  Hautwällen  eingeschlossen  ist.  Gegen  das  freie  Ende 
der  Ruthe  verflacht  sich  diese  Rinne. 

Unter  den  Passeres  ist  bis  jetzt  keine  Wiederholung  einer  eigentlichen 
Ruthe  bekannt  geworden,  mit  einziger  Ausnahme  der  Gattung  Alecto  Less., 
Textor  Temm,  Prof.  Nitzsch  hat  mich  in  dieser  Hinsicht  auf  eine  Bemer- 
kung von  Lesson  (^)  aufmei’ksam  gemacht.  Dieser  sagt  nämlich  Alecto. 
Le  male  de  la  seule  expece  de  ce  genre  offre  la  particularite  tres  remarquable 
d'acoir  une  verge  longue  de  quatre  ä six  lignes  et  de  V introduire  dans  le  clo- 
aque  de  la  fenielle.  II  y a donc  chez  V Alecto  plus  que  simple  contact  dans 
Xacte  de  la  fecondation?  Gelte  verge  est  tjxs  apparente  dans  les  peaux,  mais 
surtout  tres  visible  chez  les  indiridus  vivans.  Ich  stelle  Alecto  vorläufig  in 
diese  Reihe , obgleich  weitere  Untersuchungen  uns  erst  über  die  Richtigkeit 
oder  Unrichtigkeit  dieser  Stellung  belehren  müssen. 

Die  grofsen  Raubvögel  sollen  nach  Cuvier  höchstens  nur  eine  Warze 
an  der  untern  Fläche  der  Cloake  haben.  Ich  fand  in  mehreren  Fällen  selbst 
diese  nicht. 

4)  Mangel  einer  eigentlichen  Ruthe  bis  auf  die  gefäfsreichen  Körper  an 
der  Basis  der  Samenpapillen.  Diese  gefäfsreichen  Körper  sind  selbst 
wieder  sehr  verschieden  ausgehildet,  wie  aus  Barkow’s  Unter- 
suchungen hervorgeht. 

Ein  vollständiger  Mangel  einer  eigentlichen  Ruthe  scheint  sowohl  bei 
einzelnen  Stelzenläufern,  als  bei  der  Mehrzahl  der  hühnerartigen  Vögel,  der 
Passerinen,  der  Scansores  und  mehrerer  Palmipeden  stattzufinden. 


(')  a.  a.  O.  (^)  Lesson  traile  d’omiihologie.  Paris  1831.  p.  433. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  str aufsartigen  T^ögeln  u.  s.  w.  163 

Unter  den  Grallen  vermifste  Owen  (^)  die  Rutlie  ganz  bei  Gallinula. 
Bei  den  hühnerartigen  Yögeln  und  Passerinen  fehlt  sie  bekanntlich  in  der 
Regel.  Unter  den  Pahnipeden  vermifste  ich  sie  ganz  bei  Pelecanus  Ono- 
crotalus. 


V.  Abschnitt. 

Von  der  Analogie  der  Ruthe  der  Säugetliiere,  Yogel 
und  Amphibien. 

Die  merkwürdigen  Formen  der  Begattimgsorgane  bei  den  Vögeln  sind 
keine  isolirte  Bildung.  Ein  Theil  derselben  findet  sein  Analogon  im  Foetus- 
zustande  der  Säugethiere.  Ein  anderer  Theil  derselben  findet  sich  wieder  bei 
einigen  Amphibien  vor,  während  er  bei  den  Säugethieren  nicht  vorkommt. 
Und  dieser  Theil,  nämlich  der  ausstülpbare  Theil  der  Puithe,  leidet  er  bei  den 
Amphibien  wichtige  Veränderungen,  welche  für  die  Deutung  der  zum  Plan 
der  erectilen  Apparate  der  Wirbelthiere  gehörigen  Organe  von  der  gröfsten 
Wichtigkeit  sind. 

Bei  den  Amphibien  kann  man  folgende  Verschiedenheiten  in  Hinsicht 
der  Gegenwart  und  der  Entwickelung  der  erectilen  männlichen  Geschlechts- 
organe unterscheiden. 

1)  Vollständiger  Mangel  der  Ruthe,  bei  Mangel  einer  Immission  des 
Samens  in  die  weiblichen  Organe  und  bei  Befruchtung  der  Eier 
aufser  dem  weiblichen  Körper. 

Hierher  gehören  alle  nackten  Amphibien  mit  Metamorphose  (^). (*) 


(*)  In  the  Gallinula , which  seeks  ils  fand  in  water,  liiere  is  nn  penis.  Its  tlicrefore  rnost 
prohahly  copulales  on  land.  Todd  the  cjclnpaedia  of  anatornj  and  phjsiologj.  Aves.  p.  355. 

(d)  Was  die  von  Nitzscli,  Fitziiiger,  Mayer  für  den  Penis  der  Coecilien  angesproche- 
nen Tlieile  betrifft,  so  ist  ihre  Deutung  zweifelhaft.  Nitzsch  sah  nur  einen  unpaaren  ausge- 
tretenen Penis.  Mayer  beschreibt  die  Theile  folgendermafsen : ,,Ganz  am  Ende  des  Unter- 
leibes neben  dem  Mastdarm  oder  am  Ende  des  Darmkanals  liegen  zwei  dem  Penis  der  Schlan- 
gen analoge  Körper.  Sie  sind  2-3  Linien  lang,  dünn,  conisch,  sich  nach  vorwärts  zuspitzend, 
nach  dem  After  hin  breiter  oder  dicker  werdend.  Sie  liegen  innerhalb  der  Bauchhöhle,  wohl 
weil  äufserlich  am  After  kein  Schwanzende  vorhanden  ist.”  Mayer  51.  Die  Lage 

dieser  Körper  ist  ganz  verschieden  von  derjenigen  der  Ruthen  der  Schlangen,  letztere  liegen 
hinter  dem  After  am  Schwänze.  Bel  den  Tjphlops,  wo  auch  kein  Schwanz,  liegen  doch  die 

X 2 


164  Müller  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

2)  Einfache  Ruthe,  bestehend  aus  einem  fibrösen  Körper  mit  Rinne^ 
die  mit  cavernösem  Gewebe  ausgekleidet  ist,  Eichel  mehr  oder 
weniger  cavernös,  ohne  elastischen  Körper. 

Hierher  gehört  die  Ruthe  der  Schildkröten  und  Crocodile.  Es  ist  hier 
nicht  meine  Absicht,  eine  Beschreibung  der  Ruthe  dieser  Thiere  zu  geben. 
Ich  erinnere  nur  in  der  Kürze,  um  Vergleichungspunkte  mit  den  Vögeln  zu 
erhalten,  an  die  wesentlichsten  Formenverhältnisse.  Die  Ruthe  der  Riesen- 
schildkröte besteht  aus  zwei  dicken  fibrösen  Platten,  welche  mit  ihren  innern 
Rändern  in  der  Mitte  aneinander  liegen,  mit  ihren  äiifsern  Rändern  sich  nach 
oben  und  innen  umbiegen,  vorn  aber  platt  w'erden  und  sich  in  der  Spitze  der 
Ruthe  innig  vereinigen.  (Taf.III.  Fig.5.  Querdurchschnitt,  a « fibröse  Körper.) 
Das  Innere  der  fibrösen  Körper  besteht  aus  lauter  sehnigen  Fasern,  die  sehr 
dicht  sind,  fast  wie  im  Penis  der  reifsenden  Thiere  und  der  Wiederkäuer.  Diese 
Faserbündel  gehen  von  einer  zur  andern  Fläche,  meist  von  oben  nach  unten 
gerade  durch,  und  obgleich  sie  viel  weicher  sind,  als  im  Penis  der  Säugethiere, 
stehen  sie  doch  so  dicht,  dafs  sehr  wenig  Raum  für  cavernöses  Gewebe  im 
Innern  der  fibrösen  Körper  übrig  bleibt,  welches  hier  so  gut  wie  im  Innern 
der  fibrösen  Körper  der  Vogelruthe  zu  fehlen  scheint.  Die  Primitiv -Fasern 
dieser  fibrösen  Bündelchen  sind  sehr  regelmäfsig  alternirend  hin  und  her 
gewunden.  Deutliches,  venöse  Höhlungen  bildendes  cavernöses  Gewebe 
kleidet  den  Anfangstheil  der  Rinne  {e)  aus  an  der  obern  Fläche  des  Penis, 
dessen  Rinne  hier  wie  am  Straufs- Penis,  ein  gespaltenes  corpus  caverno- 
sum  urethrae  darstellt.  Die  Eichel  besteht  ganz  aus  cavernösem  Gewebe. 
Auf  der  Oberfläche  des  Anfangstheils  der  fibrösen  Körper  liegt  auch  caver- 
nöses Gewebe.  Das  erstere  und  letztere  wird  nicht  durch  fortgesetztes 
cavernöses  Gewebe  verbunden,  sondern  an  jeder  Seite  der  Penisfurche  liegt 
ein  starker  venöser  Canal,  von  der  Stärke  des  Kiels  einer  Schreibfeder  {h). 
Dieser  Canal  verbindet  das  cavernöse  Gewebe  auf  dem  innern  Anfangstheil 
der  fibrösen  Körper  mit  demjenigen  der  Eichel.  Der  venöse  Leiter  liegt  in 
der  seitlichen  Bucht  der  mit  ihrem  äufsern  Rande  sich  nach  oben  und  innen 
umbiegenden  fibrösen  Körper.  Aus  diesem  Canal  gehen  kleine  Venen  in  die 


Pcnes,  wie  bei  allen  wahren  Schlangen,  hinter  dem  After.  S.  Müller  in  Tied.  Zeitsch. 
IV.  2.  Taf.xxi.  Fig.  17.  — Nach  Bischoff’s  Untersuchungen  haben  die  Coecilien  keine 
Ruthe.  Siehe  den  Nachtrag.  Späterer  Zusatz. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  str auf sar Ligen  Vögeln  u.  s.  w.  165 

fibrösen  Körper,  andere  stärkere  in  ein  Netzwerk  von  Venen  unter  der 
Schleimhaut  der  Rinne.  Am  Boden  des  venösen  Canals  liegt  die  arleria  penis, 
welche  sich  dann  sowohl  in  die  fibrösen  Körper  als  in  das  spongiöse  Gewebe 
verbreitet. 

Den  genannten  venösen  Canal  zu  jeder  Seite  der  Rinne  des  Penis,  in 
der  Excavation  des  fibrösen  Körpers,  darf  man  nicht  mit  dem  von  Cuvier, 
Martin  St.  Ange  und  Mayer  beschi’iebenen  Peritonealcanal  (c)  verwech- 
seln, welcher  sich,  an  der  obern  Seite  des  venösen  Canals  gelegen,  bis  gegen 
die  Eichel  hin  fortsetzt  und  hier  blind  endigt. 

An  der  untern  Seite  des  Anfangstheils  der  Ruthe  befindet  sich  in  der 
Mittellinie  der  fibrösen  Körper  ein  Fascikel  von  elastischen  Fasern. 

Beim  Crocodil  sind  die  fibrösen  Körper  viel  fester,  ohne  Spur  von 
cavernösem  Gewebe ; sie  sind  nur  hinten  von  einander  getrennt,  im  gi’öfs- 
ten  Theile  der  Ruthe  sind  sie  untereinander  verschmolzen,  während  oben 
zwischen  beiden  die  Rinne  verläuft.  Vorn  enden  sie  al)gerundet  platt  und 
bilden  den  untern  Theil  des  Endes  der  Ruthe.  Hinten,  wo  sie  ausein- 
ander weichen,  ist  ihre  Oberfläche  ausgehöhlt  und  hier  liegt  ein  starker 
venöser  Plexus,  wovon  Zweige,  ohne  dichtes  cavernöses  Gewebe  zu  bilden, 
an  der  Seite  der  Penisfurche  sich  fortsetzen  und  vorn  in  das  cavernöse 
Gewebe  der  Eichel  übergehen.  Die  Eichel  ist  trichterförmig,  so  dafs  die 
Aushöhlung  des  Trichters  am  Ende  der  Ruthe  ist.  Die  Penisfurche  öffnet 
sich  aber  nicht  in  der  Spitze  des  Trichters,  sondern  setzt  sich  an  der  obern 
Wand  des  Trichters,  zwischen  zwei  starken  wulstigen  Säumen  fort,  so  dafs 
der  Halbcanal  über  das  Ende  der  obern  Wand  des  Trichters  noch  einige 
Linien  weit,  wie  eine  vorspringende  Dachrinne  vorragt.  Der  Trichter 
besteht  grofsentheils  aus  faserigem  Gewebe,  die  wulstigen  Säume  der  Rinne 
über  dem  Trichter  sind  faserig  cavernös;  wenn  diese  anschwcllen,  kann  sich 
vielleicht  die  Rinne  zum  ganzen  Canal  schliefsen.  Der  ganze  Trichter  entsteht 
dadurch,  dafs  sich  das  vordere  Ende  der  Rinne  von  dem  Ende  des  fibrösen 
Körpers  beträchtlich  entfernt,  w^ährend  Rinne  und  Ende  des  fibrösen  Körpers 
seitwärts  durch  cavernöse  Wand  verbunden  bleiben.  Cavernöses  Gewebe 
überzieht  auch  das  Ende  des  fibrösen  Körpers.  Auf  diese  Art  bleibt  also  ein 
trichterförmiger  Raum  zwischen  dem  Ende  des  fibrösen  Körpers  und  demEnde 
der  Furche,  die  oben  liegt.  Das  Innere  des  Trichters  ist  jedoch  durch  eine 
fibrös-häutige  Scheidewand,  die  von  der  Schleimhaut  des  Trichters  überzogen 


166  Müller  iiher  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

wird,  senkrecht  getheilt,  so  dafs  diese  Scheidewand  von  der  untern  Wand  der 
Rinne  zur  obern  Fläche  des  Endes  des  fibrösen  Körpei’s  geht.  Der  Zweck 
einer  so  eigenthüinlichen  Bildung  der  Eichel,  die  sich  durch  ihre  Festigkeit 
von  der  spongiösen  Eichel  der  Schildkröte  unterscheidet,  ist  unbekannt.  Im 
Innern  des  Trichters  ist  keine  Öffnung.  Vielleicht  kann  man  den  Trichter 
mit  einer  Andeutung  der  Einstülpung  am  Ende  der  Ruthe  der  dreizehigen 
Straufse  vergleichen,  und  da  der  Tilchter  getheilt  ist,  so  liegt  auch,  wenn 
jener  Vergleich  richtig  war,  die  Erinnerung  an  die  beiden  Schläuche  der 
Penes  der  Eidechsen  und  Schlangen  nahe. 

Sehen  wir  ab  von  den  Verschiedenheiten  der  Eichel  der  Schildkröten 
und  Crocodile  und  fassen  wir  das  ähnliche  zusammen,  so  gleicht  die  Ruthe 
dieser  Ahtheilung  der  beschuppten  Amphibien  sehr  derjenigen  des  zwei- 
zehigen  Straufses.  Die  fibrösen  Körper  enthalten  noch  kein  wahres  erectiles 
Gewebe,  dasselbe  beschränkt  sich  auf  die  Auskleidung  des  ohern  gerinnten 
Theils  des  Penis ; aber  die  Ruthe  des  Straufses  und  dieser  Abtheilung  der 
beschuppten  Amphibien  unterscheiden  sich  hauptsächlich  in  zwei  Puncten, 
erstlich  in  dem  Mangel  eines  elastisch-cavernösen  Körpers  an  der  Ruthe  dieser 
Amphibien,  zweitens  darin,  dafs  beim  Straufs  die  Rinne  im  ganzen  Verlauf 
mit  cavernösem  Gewebe  bekleidet  ist,  dafs  hingegen  bei  jenen  Amphibien  im 
gröfsten  Theil  der  Länge  der  Rinne  diese  hlofs  von  stärkei’en  venösen  Stäm- 
men begleitet  wird,  dafs  sich  hingegen  das  cavernöse  Gewebe  hlofs  zu  den 
Seiten  des  Anfangstheils  der  Rinne  und  am  entgegengesetzten  Ende,  an  der 
Eichel  anhäuft. 

3)  Doppelte  ausstülphare  Ruthe  der  Schlangen  und  Eidechsen. 

Bei  den  Schlangen  und  Eidechsen  findet  sich  dasselbe  Organ,  welches 
wir  hei  den  dreizehigen  Straufsen,  den  Enten  und  Gänsen  beobachteten,  ein 
eingestülptes  und  bei  der  Begattung  sich  umstülpendes  Rohr,  aber  dieses 
Rohr  ist  doppelt  vorhanden,  ein  rechtes  und  linkes;  es  liegt  auch  im  ruhigen 
eingezogenen  Zustande  nicht  gewunden  in  kleinem  Raume  neben  dem  After, 
sondern  ist  auch  eingestülpt  in  ganzer  Länge  ausgehreitet,  indem  es  hei  der 
Länge  des  Schwanzes  dieser  Thiere  Raum  genug  erhalten  hat,  an  der  untern 
Fläche  des  Schwanzes  gegen  dessen  Spitze  hin  sich  zu  entwickeln.  Auch 
darin  liegt  ein  Unterschied  dieses  rührigen  Penis  von  der  Ruthe  der  drei- 
zehigen Straufse,  der  Enten  und  Gänse,  dafs  jener  des  festen  fibrösen  Theils 
des  Penis  ganz  ermangelt;  dafs  das  Rohr  nicht  mehr  durch  elastisches  Ge- 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  slraufsartigen  T ögeln  u.  s.  w.  167 

webe>  sondern  durch  einen  Muskel  nach  der  Ausstülpung  eingestülpt  und 
zurückgezogen  wird  ; dafs  das  blinde  Ende  des  Rohrs  nicht  fixirt  ist,  sondern 
selbst  durch  den  Muskel  eingezogen  werden  kann , aber  auch  ganz  sich 
ausstülpen  kann.  Alles  übrige  bleibt  sich  gleich,  die  Rinne  ist  im  Innern 
an  der  Wand  des  rührigen  Penis  vorhanden  und  beginnt  auf  jeder  Seite  der 
Cloake  nahe  der  Ausmündung  des  Satnencanals ; die  Rinne  (’)  wird  dux’ch 
Ausstülpung  zur  äufsern  und  dient  dem  Abllufs  des  Samens ; die  Wände  der 
Röhre  haben  dieselben  Häute;  auch  hier  liegt  cavernöses  Gewebe  zwischen 
ihren  Schichten.  Nur  darin  unterscheidet  sich  das  Innere  des  Rohrs,  dafs 
die  Rinne  hier  bis  auf  das  blinde,  vom  After  entfernt  liegende  Ende  des 
Rohrs  fortgeht.  Ich  habe  hier  nicht  die  Absicht,  eine  vollständige  Beschrei- 
bung der  Begattungsorgane  der  Schlangen  zu  geben , welche  Ilr,  Prof.  We- 
ber in  Bonn  in  einer  schon  vor  längerer  Zeit  ausgeführten,  aber  nicht  ver- 
öffentlichten Arbeit  aufgeklärt,  und  verweise  auf  die  zur  Erleichterung  der  Ver- 
gleichung Taf.III.  Fig.  4.  gegebene  Abbildung  der  Penes  des  Crolalus  horn’idits, 
wovon  der  eine  aufgeschnitten  und  zurückgezogen,  der  andere  umgestülpt 
dargestellt  ist.  Man  weifs,  dafs  die  Penes  der  Klapperschlangen  und  Vipern 
nicht  blofs  doppelt  sind,  sondern  dafs  sie  sich  noch  einmal  gabelig  theilen. 
(Tyson  Philos.  Trans.  Vol.  XIII.  Tab.  1.  Fig.  2. 3.)  In  unserer  Abbildung  sieht 
man  diese  Theilung  des  Rohrs  sowohl  im  eingezogenen  als  im  ausgestülpten 
Zustande,  und  wie  die  Rinne  sich  ebenfalls  in  jedem  Rohr  wieder  gabelig  für 
die  beiden  Blinddärme  des  Rohrs  theilt,  wie  ferner  der  vom  Schwanzende 
kommende  Muskel  jedes  der  beiden  Penes  sich  wieder  theilt,  so  dafs  jeder 
Blinddarm  des  Penisrohrs  ein  Eascikel  erhält.  Bei  dem  künstlich  ausgestülp- 
ten Penis  hat  man  den  Muskel  künstlich  von  seinem  Ursprungsende  ablösen 
müssen,  weil  bei  der  Rigidität,  welche  die  Theile  im  Weingeist  angenommen 
haben,  die  Ausstülpung  nicht  anders  ganz  zu  vollbringen  war.  Man  sieht 
ferner  in  der  Abbildung,  wie  der  hintere  Theil  der  beiden  Blinddärme  jedes 
Penisrohrs  viele  Schleimgrübchen  enthält,  der  vordere  Theil  des  Rohrs  mit 
Staeheln  bewaffnet  ist,  welche  im  eingezogenen  Zustande  vorwärts,  im  aus- 
gestülpten Zustande  des  Penisrohrs  aber  rückwärts  stehen.  Diese  Bildung 


(' ) In  der  BeschrelLiing  der  Rutlie  der  Sclilangen  von  E ni  m e r t (Fran  q u e praes.  E m m er  t 
diss.  de  serpenliian  qunrundam  genilaHbus  ovisque  incubi/is.  Tublng.  1817.  4.)  ist  die  Rinne 
übersehen. 


168  Müller  über  zwei  verschiedene  Tjpen  in  dem  Bau  der  erectilen 

ist  nicht  constant  hei  den  Schlangen  und  es  giebt  viele  Schlangen,  wie  die 
Python  u.  a.,  bei  denen  die  Schleimhaut  des  Penisrohrs  glatt  ist. 

Bei  den  Coluber  und  noch  anderen  unschuldigen  Schlangen  ist  jeder 
der  beiden  Penes  ungetheilt,  wie  hei  den  Eidechsen,  aber  man  kann  die 
einfache  Duplicität  des  Penis  nicht  für  eine  constante  Eigenschaft  der  gift- 
losen Schlangen  und  die  Quadruplicität  des  Penis  oder  richtiger  die  gabel- 
artige Theilung  jedes  einfachen  Penis  nicht  für  eine  ausschliefsliche  Eigen- 
schaft giftiger  Schlangen  halten.  Denn  ich  habe  hei  Python  tigris  auch 
die  gabelartige  Theilung  jedes  der  beiden  Penes  bemerkt.  Unter  den  Ei- 
dechsen habe  ich  die  Bildung  der  Buthe  bei  Arneica  Teguixin  und  Tupi- 
nambis  elegans  untersucht.  Sie  stimmt  im  Allgemeinen  ganz  mit  derjenigen 
der  Schlangen  ohne  Bifiircation  der  beiden  Ruthen  überein  und  wird  auch 
durch  einen  Muskel  zurückgezogen.  Bei  Tupinambis  elegans  liegen  in  der 
Schleimhaut  der  ausgestülpten  Ruthe  sehr  regelmäfsige  Zickzackfalten  und 
auch  unter  ihr  am  Ende  des  ausgestülpten  Theils  zwei  Knorpelplatten.  Die- 
ser Knorpel  gehört  der  mikroskopischen  Untei’suchung  nach  unter  die  liga- 
mentösen  Faserknorpel.  Mit  dem  fibrösen  Körper  der  Ruthe  der  Vögel  kann 
man  diesen  Knorpel  nicht  vergleichen,  denn  dieser  befindet  sich  an  der 
untern  Wand  der  Cloake,  der  gegenwärtige  aber  am  Ende  des  Rohrs. 

Aus  diesen  Betrachtungen  geht  hervor : 

1)  Die  Schlangen  und  Eidechsen  haben  von  dem  festen  fibrösen  Theil 
des  Penis  der  Straufse,  der  Schildkröten  und  Crocodile,  welcher 
Theil  an  der  untern  Wand  der  Cloake  angeheftet  ist,  nichts. 

2)  Dagegen  haben  sie  den  ausstülpbaren  Theil  der  Ruthe  der  drei- 
zehigen  Straufse,  Enten,  Gänse  allein  mit  denselben  inneren  Be- 
standtheilen,  aufser  dafs  dieses  Penisrohr  nicht  dui’ch  elastisches 
Gewebe,  wie  hei  den  Vögeln,  sondern  durch  einen  Muskel  ange- 
zogen wird,  dafs  ferner  das  blinde  Ende  dieses  Rohrs  nicht  an  festen 
Theilen  angewachsen  ist,  sondern  selbst  bis  auf  seinen  Grund  sich 
ausstülpen  kann,  wenn  der  an  ihm  befestigte  Muskel  es  zuläfst,  und 
dafs  endlich  dieses  Rohr  doppelt  ist. 

Wir  haben  schon  früher  erwähnt,  dafs  die  Rinne  des  Penis  des  zwei- 
zehigen  Straufses,  des  festen  Theils  des  Penis  der  dreizehigen  Straufse,  des 
Penis  der  Crocodile  und  Schildkröten,  mit  dem  cavernösen  Gewebe  an  der 
obern  Fläche  des  Penis  und  in  der  Rinne,  dem  gespaltenen  corpus  cavernosum 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  straufsartigen  Vögeln  u.  s.  w.  169 

urethrae  des  Säugetliier-Foetiis  zu  vergleichen  sei,  und  diese  Ansicht  war 
schon  in  Hinsicht  des  Straufses,  der  Crocodile  und  Schildkröten  die  der 
meisten  Schriftsteller  über  unsere  Materie.  Hierüber  kann  kein  Zweifel  sein. 
Lage,  Zusammensetzung  sind  dieselbe.  Die  Rinne  des  gespaltenen  corpus 
cavernosum  urethrae  des  Säugethier-Foetus  sieht  auch  noch  an  der  Basis  nach 
hinten  und  oben,  während  die  Corpora  caeernosa  vor  und  unter  ihm  liegen. 
Bei  der  Direction  des  Penis  von  der  lu’sprünglichen  foetalen  Schamspalte  bei- 
der Geschlechter  nach  vorn,  erhält  die  Harnröhrenspalte  zwar  eine  andere 
Direction,  nämlich  nach  unten,  aber  das  Yerhältnifs  des  Zusammenhanges 
bleibt;  der  ganze  Penis  des  Säugethierfoetiis  geht  von  dem  untern  Umfang 
der  primitiven  Schamspalte  aus,  wie  der  Penis  des  Straufses,  Crocodils,  der 
Schildkröte,  und  die  Rinne  am  Penis  liegt  hei  allen  diesen  Thieren  an  der 
gleichnamigen  Seite.  Man  kann  sich  die  Vorstellung  erleichtern,  wenn  man 
sich  den  Penis  des  Straufses  in  der  Direction  zur  Begattung  denkt ; er  krümmt 
sich  dann  auch  so,  wie  sich  der  Penis  des  Säugethierfoetiis  durch  Anwachsung 
richtet,  nach  vorn,  und  die  Pxinne,  welche  hei  ihrem  Beginn  an  der  obern 
Wand  der  Ruthe  liegt,  wird  hei  der  veränderten  Direction  des  Penis  zur 
Begattung  im  Mafse  der  Krümmung  nach  unten  umgewendet. 

Die  cavernösen  Körper  des  Menschen  und  der  Säugethiere  linden  sich 
in  dieser  Art  hei  den  Vögeln  und  Amphibien  nicht  mehr  vor.  Das  cavernöse 
Gewebe  ist  nämlich  verschwunden,  und  das  Gewebe,  welches  an  den  corpora 
cavernosa  der  Säugethiere  blofs  an  der  Oberfläche  derselben  und  in  ihren 
Querbalken  fibrös  ist,  wird  hei  den  Vögeln,  Crocodilen,  Schildkröten  allein 
fibrös.  Schon  hei  den  reifsenden  Thieren  und  Wiederkäuern  ist  die  Menge 
der  fibrösen  Querbalken  so  aufserordentlich  vermehrt,  dafs  eine  Annäherung 
stattfindet.  Dafs  aber  die  fibrösen  Körper  den  cavernösen  der  Säugethiere 
entsprechen,  ergieht  sich  schon  aus  ihrer  gleichen  Lage  und  ihrem  Verhältnifs 
zu  der  cavernösen  Rinne,  die  dem  corpus  cavernosum  urethrae  entspricht. 
Mit  den  Eichelknochen  und  Knorpeln  lassen  sich  jene  nicht  vergleichen, 
denn  an  ihnen  befestigen  sich  Muskeln,  wie  an  den  cavernösen  Körpern  der 
Ruthe  der  Säugethiere. 

Die  Eichel  findet  sich  als  cavernöser  Körper  unter  den  Säugethieren 
noch  vor.  Bei  den  Vögeln  ist  sie  blofs  dem  zweizeiligen  Straufs  zuzu- 
sprechen; insofern  der  dritte  oder  elastische  Körper,  am  vordem  untern 
Theil  des  Penis,  der  gegen  die  Spitze  Haupttheil  wird,  in  seinem  Innern 
Phjsikcd.  Abhandl.  1836.  Y 


170  Müller  über  zwei  verschiedene  Tjpen  in  dem  Bau  der  erectilen 

sehr  viel  cavernöses  Yenengewebe  enthält.  Unter  den  Amphibien  erscheint 
die  Eichel  hei  denjenigen  wieder,  die  einen  festen  Penis  haben  und  ist  aus- 
nehmend deutlich  bei  der  Schildkröte,  wo  sie  dieselben  Elemente  wie  hei 
den  Säugethieren  und  dem  Menschen  enthält.  Die  dreizehigen  Stz’aufse  haben 
keine  wahi’e  Eichel. 

Bei  den  Schlangen  und  Eidechsen  fehlt  die  Eichel  ganz,  aber  auch  die 
fibrösen  Körper.  Aus  dem  Mangel  der  letztem,  welche  immer  vom  untern 
oder  vordem  Theil  der  Cloake  ausgehen,  ist  es  zu  erklären,  dafs  sich  hei  den 
Schlangen  am  vordem  oder  untern  Theil  der  Cloake  gar  kein  Theil  des  Penis 
befindet,  und  dafs  die  röhrigen  Ruthen,  unähnlich  sowohl  dem  corpus  cacer- 
nosum  penis  als  dem  corpus  cacernoswn  urethrae , am  hintern  Theil  der 
Cloake  sich  entwickeln. 

Die  letzte  Frage  ist,  ob  der  ausstülpbare  Theil  der  Ruthe  der  drei- 
zehigen Straufse,  der  Enten  und  Gänse  mit  irgend  einem  Theil  der  Genitalien 
der  Säugethiere  im  erwachsenen  oder  Foetuszustande  verglichen  werden 
könne.  Ich  glaube  nicht;  denn  denkt  man  sich  die  gespaltene  Harnröhre 
des  Säugethier -Foetus  am  Ende  der  Ruthe  versuchsweise  in  ein  zurücklau- 
fendes, von  der  Haut  des  Penis  umschlossenes  vollständiges  Rohr  verlängert, 
so  erhält  man  eine  völlig  neue  Bildung,  ein  Divertikel  am  Ende  der  Harnröhre. 
Nach  meiner  Meinung  ist  dieser  ausstülpbare  Theil  der  Ruthe  keine  Modi- 
fication  irgend  eines  im  allgemeinen  Plan  der  Ruthe  der  Wirhelthiere  liegen- 
den Stücks,  sondern  eine  ganz  eigenthümliche  und  den  Säugethieren  völlig 
fremde  Erscheinung,  gleichsam  eine  hlinddarmartige  Verlängerung  der  Ca- 
vität  der  Vorhaut  oder  der  Ruthenscheide  nach  rückwärts.  Da  nun  die  Ruthe 
der  Schlangen  und  Eidechsen  lediglich  auf  den  rohrförmigen  blindsackigen 
Theil  zum  Ausstülpen  reducirt  ist,  so  ist  zugleich  deutlich,  dafs  diese  Thiere 
keineidei  wesentliche  Elemente  des  Säugethier -Penis  mehr  besitzen.  Die  Na- 
tur, kann  man  sagen,  hat  in  der  grofsen  Abtheilung  des  Thierreichs,  in  den 
Wirhelthieren,  die  ganze  Anzahl  der  Organtheile  des  erectilen  Apparates,  den 
sie  benutzt,  weder  bei  den  Amphibien  noch  hei  den  Säugethieren  angewandt. 
Bei  den  Schlangen  und  Eidechsen  läfst  sie  uns  nur  den  einen  Theil,  hei  den 
Säugethieren  und  dem  Menschen  nur  den  andern  Antheil  des  Apparates  er- 
blicken. Der  den  Säugethieren  zukommende  Theil  erscheint  unvollkomme- 
ner, nämlich  ohne  cavernöses  Gewebe  der  corpora  cavernosa  und  mit  Spal- 
tung des  corpus  cavernosum  urethrae^  wieder  bei  dem  zweizeiligen  Straufs, 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  str  aufs  artigen  Vögeln  u.s.w.  171 

den  Schildkröten  und  Crocodilen.  Nur  bei  den  drelzehigen  Straufsen,  den 
Enten  und  Gänsen  hat  die  Natur  beiderlei  Extreme  des  Apparates  zugleich 
angewandt,  den  Säugethier-Tjpus  und  Schlangen-Typus  im  unvollkommenen 
Zustande  vermittelnd;  vom  Säugethier-Typus  hat  sie  das  caveimöse  Gewebe 
der  Corpora  carernosa  penis  fallen  gelassen  und  das  Gerüste  behalten,  vom 
Corpus  carernosum  urethrae  hat  sie  die  foetale  Spaltung  erhalten.  Vom  Typus 
der  Schlangen  und  Eidechsen  hat  sie  einen  unvollkommenen  Gebrauch  ge- 
macht, indem  sie  nur  eine  der  beiden  Röhren  zur  Entwickelung  brachte. 

Man  hat  die  gespaltene  Eichel  der  Beutelthiere  öfter  mit  der  doppel- 
ten Ruthe  der  Schlangen  und  Eidechsen  verglichen.  Es  bedarf  jetzt  kaum 
der  Bemerkung  mehr,  dafs  dieser  Vergleich  nur  im  Allgem.einen  richtig  ist. 
Denn  die  Entwickelung  einer  doppelten  Rrthenröhre  bei  den  Schlangen  und 
Eidechsen  ist  keine  Spaltung  eines  einfachen  Organs,  sondern  paai’ige  Ent- 
wickelung eines  ganzen  Theils.  Die  Theilung  der  Eichel  hingegen  ist  wirk- 
lich Spaltung  und  kaum  anders  zu  betrachten,  als  die  Spaltung  des  corpus 
cavernosum  urethrae  beim  Foetus.  Die  Bifurcation  jeder  der  beiden  Ruthen- 
röhren bei  den  Klapperschlangen,  Vipern  und  Pythonen  i;nd  die  Bifiu’cation 
der  Eichel  bei  den  Beutelthieren  sind  analoge  Theilungen  in  ganz  verschie- 
denen Organtheilen. 

Am  Schlüsse  dieser  Untersuchung  dürfte  die  Bemerkung  gemacht  wer- 
den können,  wie  unrichtig  es  vom  Gesichtspunkt  der  hier  erörterten  Gegen- 
stände ist,  die  straufsartigen  Thiere  als  solche  zu  betrachten,  welche  vom 
Typ  US  des  Vogels  am  meisten  sich  entfernend,  am  nächsten  von  allen  Vögeln 
den  Säugethieren  sich  anschliefsen.  In  Hinsicht  der  Geschlechtsorgane  zeigt 
sich  diese  Idee  als  ganz  unstatthaft.  Denn  die  Crocodile  und  Schildkröten 
stehen  jenem  Typus  eben  so  nahe,  als  die  straufsartigen  Vögel;  die  dreizehigen 
Straufse  aber  entfernen  sich  von  dem  Typus  der  Säugethiere  eben  so  sehr, 
als  die  Enten  und  Gänse,  und  nähern  sich  in  demselben  Gi’ade  den  Schlan- 
gen und  Eidechsen.  Aber  auch  die  andern  Gründe,  welche  man  für  die 
Säugethier- Ahnlichheit  der  sti'aufsartigen  Vögel  angeführt  hat,  sind  ebenso 
fehlerhaft.  Weder  das  Geschlossensein  des  Beckens  bei  dem  afrikanischen 
Straufse,  noch  der  Mangel  der  Gabel  ist  säugethierähnlich;  denn  das  Becken 
der  Amphibien  ist  geschlossen  und  die  Crocodile  besitzen  keine  Gabel. 
Ebenso  wenig  kann  ich  die  Ideen  von  einer  Annäherung  der  Monotremen 
an  den  Typus  der  Vogelbildung  anerkennen.  Nähert  sich  ein  Thier  in  einer 

Y 2 


172  Müller  iiber  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

Beziehung  den  Charakteren  einer  andern  Classe,  so  entfernt  es  sich  meist  in 
anderen  eben  so  weit  wieder  davon. 

Nachtrag. 

Eine  briefliche  Mittheilung  von  Hrn.  Prof.  Bischoff  in  Heidelberg 
an  mich  vom  24.  Nov.  1837  enthält  einige  Bemerkungen  über  den  sogenann- 
ten Penis  der  Coecilien,  welche  ich  nicht  umhin  kann,  in  diesem  Nachtrag 
zur  allgemeinem  Kenntnifs  zu  bringen.  Bekanntlich  hatte  Hr.  Fitzinger 
in  Wien  bei  der  Versammlung  der  Naturforscher  in  Breslau  mitgetheilt,  dafs 
er  hei  Prof.  Nitzsch,  dessen  Tod  wir  jetzt  betrauern,  das  Exemplar  einer 
Coecilia  gesehen,  hei  welcher  aus  dem  After  ein  penisartiges  Organ  hei'aus- 
gehangen,  welches  Prof.  Nitzsch  für  einen  wirklichen  Penis  hielt,  obgleich 
er  dasselbe  nicht  näher  untersucht  hat.  (Siehe  1834.  p.  695.)  Hr. 
Fitzinger  hatte  blofs  von  dem,  was  er  gesehen,  Bericht  abgestattet,  aber 
auch  das  nähere  Verhalten  nicht  selbt  untersucht.  Hrn.  Bischoff  stieg  des- 
halb der  Verdacht  auf,  ob  das  beobachtete  penisartige  Organ  nicht  ein  um- 
gestülpter Theil  der  Cloake  oder  der  mit  dem  Mastdarm  verbundenen  Ab- 
dominalblase gewesen  sei.  Hr.  Bischoff  untersuchte  zunächst  in  Wien  5-6 
ziemlich  grofse  Exemplax’e  von  Coecilia  annulata,  welche  von  Hrn.  N älte- 
rer aus  Brasilien  mitgebracht  waren.  Nur  eines  dieser  Exemplare  war  un- 
verletzt, diefs  war  ein  Weibchen.  Bei  den  meisten  anderen  waren  die  Ein- 
geweide ausgeschnitten.  Allein  bei  keinem  der  anderen  war  Hr.  Prof.  Bi- 
schoff im  Stande,  auch  nur  das  Geringste  zu  entdecken,  was  einem  Penis 
ähnlich  gesehen,  und  doch  war  bei  den  meisten  die  Cloake  mit  der  Abdomi- 
nalblase noch  vorhanden.  Sollten,  fragte  er  sich,  auch  alle  diese  Weibchen 
gewesen  sein?  Dafs  bei  dem  Exemplar  von  Prof.  Nitzsch  eine  Täuschung 
obgewaltet,  wurde  Hrn.  Prof.  Bischoff  zur  Gewifsheit,  als  er  bei  einem 
Naturalienhändler  in  Wien  eine  Coecilia  annulata  sah,  aus  deren  After  in 
der  That  etwas  heraushing,  was  er  alsobald  für  die  umgestülpte  Abdominal- 
blase erkannte.  Gerade  so,  versicherte  Hr.  Fitzinger,  jenen  Theil  an  dem 
von  Prof.  Nitzsch  beobachteten  Exemplar  gesehen  zu  haben.  Hr.  Pi’of.  Bi- 
schoff zweifelt  daher  kaum,  dafs  es  sich  auch  so  mit  dem  von  dem  Inspector 
Robermann  der  Versammlung  der  Naturforscher  vorgezeigten  Exemplare 
verhalten  wird. 


VWVWl^W^^VWV 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  str aufsartigen  V ögeln  u.  s.  w.  173 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel  I. 

Fig.  1.  Ruthe  des  afrikanischen  Straufses  von  unten. 

A.  Mastdarm. 

B.  Sogenannte  Harnblase,  die  Fortsetzung  des  Mastdarms. 

a.  Heber  der  Ruthe. 

b.  Sphincter  ani. 

c.  Portion  von  der  innern  Lage  des  obern  Theils  des  Sphincters,  welche  sich  an  den 
Ruthenheber  anschliefst  und  an  dem  fibrösen  Körper  x ansetzt. 

d.  Rückieher  der  Ruthe. 

d',  Fortsetzung  desselben  und  Insertion  In  der  Rinne  an  der  untern  Seite  der  fibrösen  Körper. 

e.  Zweiter  Rückzieher  der  Ruthe. 

e'.  Fortsetzung  desselben  und  Insertion  in  der  Rinne  an  der  untern  Seite  der  fibrösen 
Körper  x. 

e".  Fascikel  des  Muskels  e,  welches  sich  an  der  Seite  des  fibrösen  Körpers  in  der  Gegend 
der  Mitte  der  Länge  der  Ruthe  anheftet. 

X.  Fibröse  Körper  der  Ruthe  von  unten. 

j.  Untere  Kante  des  vordem  Theils  der  Ruthe,  wo  der  elastlsch-cavernöse  Körper  Hegt. 
z.  Haut  der  Ruthe  vom  hintern  Theil  der  untern  Fläche  der  Ruthe  abgelöst. 

Fig.  2.  Ruthe  des  neuholländischen  Casuars  von  der  untern  von  der  Cloake  abgewandten  Seite. 
aaaa.  Eingestülptes  Rohr  der  Ruthe,  von  Fasclkeln  elastischen  Gewebes  eingehüllt. 

b.  Elastische  Platte,  den  Zwischenraum  der  Schlinge  des  Rohrs  ausfüllend  und  von  allen 
Selten  sich  über  die  Oberfläche  des  Rohrs  ausbreitend,  sie  geht  von  der  untern  Fläche 
des  fibrösen  Körpers  x aus. 

X.  Fibröser  Körper  der  Ruthe. 
jr.  Sphincter  ani. 
z.  Ruthenheber. 

Fig.  3.  Clitoris  des  afrikanischen  Straufses. 

a.  Basis,  auf  der  untern  Wand  der  Cloake  aufsitzend. 

b.  Freies  Ende. 

c.  Rinne  der  Clitoris. 

Fig.  4.  Clitoris  des  indischen  Casuars. 

a.  Basis. 

b.  Ende. 

c.  Rinne. 

d.  Öffnung  am  Ende  der  Clitoris^  wo  sich  die  Rinne  in  einen  an  der  untern  Seite  der 
Clitoris  fortlaufenden  Canal  einsenkt. 


174 


Müller  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

Fig.  5.  Cloake  und  Ruthe  eines  Crypiurus, 

a.  Hautwulst  am  Sphincter  ani. 

b.  Circulare  Haulfalte  im  Innern  der  Cloake. 

c.  Mastdarm. 

d.  Zungen fürmiger  Penis  mit  der  Furche  an  der  obern  Seite. 

Fig.  6.  Öffnung  und  untere  Wand  der  Cloake  von  Crjpturus. 

a.  Hautwulst  am  Sphincter  ani. 

b.  Hautfalte  im  Innern  der  Cloake. 

c.  An  der  untern  Wand  der  Cloake  angewachsene  Ruthe. 

d.  Freier  Theil  der  Ruthe. 

e.  Rinne  der  Ruthe. 

/.  Hautwülste,  welche  die  Piinne  begrenzen. 

Tafel  II. 

Ruthe  der  Rh  ea  arnericana. 

Fis:.  1.  Ruthe  der  Rhea  arnericana  von  unten, 
o 

A.  Mastdarm,  untere  Seite  desselben. 

a.  Ein  Fascikel  der  Längsfibern  des  Mastdarms,  welches  sich  an  dem  Sphincter  festsetzt. 

B.  Bursa  Fabricii. 

C.  Ureteren. 

Z).  Samenleiter. 

Y.E.  Angewachsener  Anfangstheil  der  fibrösen  Körper  der  Ruthe.  Das  hintere  Ende  war 
an  dem  Präparat  durch  einen  Schnitt  in  den  Sphincter  getheilt.  Sie  sind  mit  der 
untern  Wand  des  vordem  Theils  des  Sphincters  verbunden,  und  unter  sich  innig 
verwachsen. 

s'  e Fortsetzungen  dieser  Körper,  welche  sich  trennen  und  über  einander  wegschieben, 
g'  gelangt  unter  e'  und  von  seiner  Seite  auf  die  entgegengesetzte,  e'  gelangt  über  e'  und 
auch  auf  die  entgegengesetzte  Seite. 

F.  Ende  des  festen  Theils  der  Ruthe. 

G.  Rinne  der  Ruthe,  welche  sich  gegen  das  Ende  der  Ruthe  von  der  obern  Flache  der 
Ruthe  nach  rechts,  unten  und  dann  nach  links  dreht. 

/ cp.  Ränder  der  Rinne. 

H.  Öffnung  am  Ende  des  festen  Theils  der  Ruthe,  welche  in  das  Rohr  OMN  führt. 

I.  Sphincter  ani,  ln  der  Mitte  der  untern  Fläche  künstlich  der  Länge  nach  getheilt. 

K.  Vorzieher  der  Ruthe.  Sein  Ursprung  von  der  innern  Schichte  des  Sphincter  ani  ist 
hier  verdeckt,  aber  seine  Insertion  am  Seltenrand  und  an  der  untern  Fläche  der  Basis 
des  fibrösen  Körpers  ist  sichtbar. 

L.  Zurückzieher  der  Ruthe.  Man  sieht  in  dieser  Abbildung  blofs  das  Ende  der  beiden 
Zurückzieher  LL,  wie  sie  unter  dem  Vorzieher  der  Ruthe  K hervortreten,  und  sich 
in  der  Rinne  zwischen  beiden  sich  thellenden  fibrösen  Körpern  g'  und  e'  festsetzen. 

MISO.  Eingestülptes  Rohr  der  Ruthe. 

M.  Windungen  des  Rohrs  in  der  Ruhe.  Sie  sind  aus  ihrer  natürlichen  Lage  zwischen 
dem  festen  Theil  der  Ruthe,  Sphincter  und  Haut  des  Afters  etwas  zur  Seite  gezogen. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  str aufsartigen  Vögeln  u.s.w.  175 

N.  Angewachsenes  blindes  Ende  des  Rohrs.  Es  ist  In  der  Mitte  der  untern  Seite  der 
fibrösen  Körper  befestigt,  da  wo  sie  sich  getheilt  haben. 

O.  Das  andere  Ende  des  Rohrs  oder  derjenige  Thell,  welcher  mit  der  Öffnung  //  am 
Ende  des  festen  Thells  der  Ruthe  In  Verbindung  steht.  Bel  O Ist  am  Präparat  In 
das  Rohr  eine  künstliche  Öffnung  gemacht  und  eine  Borste  gegen  die  Öffnung  II  am 
Ende  des  festen  Thells  der  Ruthe  durchgeführt,  wie  In  der  Abbildung  angegeben  Ist. 

P.  Haut  über  dem  Sphincter  ani. 

Flg.  2.  Die  Bezeichnung  ist  dieselbe  wie  In  der  vorigen  Figur,  und  alles  In  derselben  Lage, 
mit  Ausnahme  des  rührigen  Thells  der  Ruthe.  Dieser  Ist  am  Präparat  an  der  Öffnung 
H herausgezogen,  so  dafs  sich  die  Ruthe  bis  auf  das  Doppelte  Ihrer  Länge  ver- 
gröfsert  hat. 

F Ist  das  Ende  des  frühem  festen  Thells  der  Ruthe,  entsprechend  F In  Flg.  1. 

G ist  die  Rinne  am  Ende  des  festen  Thells  der  Ruthe,  entsprechend  G In  Fig.  1.  Auch 
sind  / und  </>  die  Ränder  dieser  Rinne,  wie  in  Flg.  1. 

H Ist  die  Stelle,  wo  In  Fig.  1.  sich  die  Öffnung  befand,  welche  In  den  rührigen  Theil 
der  Ruthe  führte. 

M Ist  das  umgestülpte  Rohr,  dasselbe  was  M in  Flg.  1. 

f und  cp'  sind  die  Ränder  der  Rinne  des  ausgestülpten  Rohrs,  die  Fortsetzung  der  Ränder 
/ und  f/)  des  festen  Thells  des  Rohrs  Flg.  1.  und  2.  Auch  ist  ff,  die  Rinne  zwischen 
diesen  Säumen,  die  Fortsetzung  von  G Flg.  1.  und  2. 

N.  Das  angewachsene  blinde  Ende  des  rührigen  Thells  der  Ruthe,  dasselbe  was  N Flg.  1. 


Tafel  m. 

Flg.  1.  Cloake  der  lihea  americana  von  oben  aufgeschnitten,  der  Schnitt  thellt  auch  die  Bursa 
Fabricii  In  zwei  seitliche  Hälften,  welche  auseinander  geschlagen  und  aus  der  natür- 
lichen Lage  gebracht  sind.  Man  sieht  in  den  Uro-genital- Thell  der  Cloake  und  auf 
die  zur  Abführung  des  Samens  dienende  Rinne  an  der  obern  Fläche  der  Ruthe. 

A.  Mastdarm.  a.  Fascikel  der  Längsfasern  des  Mastdarms,  die  sich  an  den  Sphincter  heften. 

A'.  Inneres  des  Mastdarms. 

A".  Cavilas  uroffenitalis  der  Cloake. 

A'".  Sphlncterartlge  Klappe  zwischen  Masldarm  A’  und  Urogenital-Thell  der  Cloake  A”, 

B.  Schleimhaut  an  der  obern  Wand  der  Cloake,  der  Länge  nach  getheilt. 

B'.  Bursa  Fabricii,  von  der  obern  W^and  der  Cloake  ausgehend,  über  dem  hintern  Theil 
der  Ruthen  furche. 

C.  Ureteren,  sie  öffnen  sich  (c)  Im  Urogenltal-Theil  der  Cloake. 

D.  Samenleiter,  d Papillen  derselben  Im  Urogenital -Thell  der  Cloake,  hinter  und  unter 
den  Öffnungen  der  Harnleiter  c. 

e.  Ruthenfurche,  mit  cavernüsem  Gewebe  und  mit  Schleimhaut  ausgekleidet. 

e e Gabeliger  Anfang  der  Ruthenfurche  Im  Boden  der  Cavilas  uro-ffcnitalis.  In  den 
Anfang  der  Furche  auf  jeder  Seite  Ist  die  Papille  des  Samenganges  d gerichtet. 

/.  Ende  der  Rinne  am  festen  Theil  der  Ruthe,  sich  nach  rechts  und  unten  wendend. 

ff.  Schleimhaut  an  der  obern  Fläche  der  Ruthe.  Darunter  Hegt  cavernöses  Gewebe. 

ff'.  Cavernöses  Gewebe. 


176  Müller  über  zwei  verschiedene  Typen  in  dem  Bau  der  erectilen 

I.  Sphincter  der  Cloake,  an  der  obern  Wand  der  Länge  nach  getheilt. 

K.  Innere  Lage  des  Sphinctcrs,  von  ihr  geht  der  Vorzieher  der  Ruthe  K Tah.II.  Flg.  1.2.  ab. 

L.  Ziirückzieher  der  Ruthe.  Die  Fortsetzung  sieht  man  unter  L Tah.II.  Flg.  1.  2. 

S.  Ein  breiter  Muskel,  der  zwischen  den  Vorzieher  der  Ruthe  K,  der  oben  die  innere 
Lage  des  Sphincters  bildet,  und  den  wahren  Sphincter  I tritt.  Wahrscheinlich  ent- 
springt er  von  festen  Thellen.  In  dem  Präparat,  so  wie  Ich  es  vorfand,  war  sein 
Ursprung  natürlich  nicht  mehr  zu  erkennen.  Nach  hinten  verliert  er  sich  zwischen 
beiden  Lagen  des  Sphincters  in  eine  Aponeurose,  welche  zwischen  beiden  Lagen  des 
Sphincters  verläuft.  Er  zieht  den  After  und  überhaupt  die  Cloake  vorwärts  und  Ist 
wohl  der  levator  ani. 

P.  Haut  über  dem  Sphincter  ani,  der  Länge  nach  mit  dem  Sphincter  und  der  Schleim- 
haut der  Cloake  getheilt. 

Flg.  2.  Dieselben  Theile  der  Rhea  americana  wie  Tab.  II.  Fig.  1.  mit  gleicher  Bezeichnung. 
Aber  das  In  Tab.  II.  Flg.  1.  gewundene  Rohr  des  Penis  ist  hier  straff  nach  der  Seite 
gezogen,  so  dafs  man  die  Ausbreitung  des  elastischen  Gewebes  sieht. 

N.  Angewachsenes  blindes  inneres  Ende  des  Rohrs.  Die  Befestigung  ist  an  der  untern 
Seite  der  fibrösen  Körper  in  der  Mitte. 

O.  Aufseres  Ende  des  Rohrs,  welches  mit  der  Öffnung  des  Penis  H zusammenhängt. 

X.  Strang  des  elastischen  Gewebes,  welcher  von  der  untern  W'^and  der  fibrösen  Körper 

In  der  zwischen  ihnen  befindlichen  Rinne  ausgeht,  sich  auf  die  Hälfte  O des  Ruthen- 
Robrs  wirft  und  sich  an  der  Seite  desselben  schweifförmig  ausbreitet. 

F.  Elastisches  Gewebe,  welches  auf  der  zweiten  Hälfte  des  Rohrs  eine  ganze  äufsere 
Schichte  oder  äufsere  Haut  bildet.  Dieses  elastische  Gewebe  geht  von  derselben  Stelle, 
wo  X,  aus,  und  wirft  sich  zunächst  auf  das  blinde  Ende  des  Rohrs,  von  dort  auf 
die  äufsere  Oberfläche  der  ganzen  Innern  Hälfte  des  Rohrs  bis  M.  Hier  bei  M Ist  die 
Stelle,  wo  das  elastische  Gewebe  aufhört,  vollständige  äufsere  Haut  des  Rohrs  zu 
sein.  Von  H bis  O und  M ist  innerlich  In  der  Höhle  des  Rohrs  an  der  Wand  des- 
selben die  Rinne  angebracht,  welche  man  an  dem  ausgestülpten  Rohr  Taf.  II.  Flg.  2.  g 
auswendig  sieht.  Bei  M hört  Inwendig  die  Rinne  auf.  Der  Thell  des  Rohrs  von  M 
bis  ans  blinde  Ende  O ist  ohne  Rinne. 

Flg.  3.  Mittlerer  Theil  des  Rohrs  der  Ruthe  von  Rhea  americana,  aufgeschnitten. 

O.  Theil  des  Rohrs,  worin  die  Rinne. 

/'  cp'.  Ränder  der  Rinne , aus  aufrechtstehenden  Hautsäumen  bestehend,  entsprechen  /'  cp’ 
Tab.  II.  Flg.  2. 

g.  Rinne  zwischen  beiden  Hautsäumen,  entspricht  g Tah.II.  Flg.  2. 

N.  Theil  des  Rohrs,  in  welchem  sich  keine  Rinne  befindet,  und  die  innere  Haut  nur 
Querrunzeln  zeigt. 

M.  Stelle,  wo  der  eine  und  andere  Theil  des  Rohrs  anelnandergränzen,  entspricht  der 
Stelle  M Tab.  III.  Fig.  2. 

Flg.  4.  Ruthen  von  Crotalus  horridus.  Die  eine  Ruthe  Ist  ausgestülpt,  die  andere  Ist  In  Ihrer 
natürlichen  ruhigen  Lage  an  der  Unterseite  des  Schwanzes,  aber  der  Länge  nach  auf- 
geschnitten. 

A.  Mastdarm. 

B.  Cloake. 


männlichen  Geschlechtsorgane  hei  d.  straufsartigen  T^ögeln  u.s.w.  177 


C.  Ureteren. 

Z>.  Samenleiter. 

E.  Öffnungen  für  den  Austritt  der  Penes. 

FF'.  Ruthe  der  linken  Seite,  aufgeschnitten.  F.  Einfacher  vorderer  Thell  des  Ruthen- 
rohrs, F'  hinterer  doppelter  Theil  des  Ruthenrohrs  mit  blindem  Ende. 

/.  Stacheln  an  der  Innern  Wand  des  Ruthenrohrs. 

/'.  Zellenartige  Bildung  der  Innern  Haut  In  den  blinden  Enden  des  Ruthenrohrs. 

G.  Rinne  des  einfachen  Thells  des  Ruthenrohrs. 

G'  G'.  Rinnen  des  doppelten  Thells  des  Ruthenrohrs. 

ZT.  Muskel  der  Ruthe,  und  zwar  hinterer,  einfacher  Ursprung  von  den  hintern  Schwanz- 
wirbeln. 

H'  H'.  Vorderes  doppeltes  Ende  des  Muskels,  an  die  blinden  Doppelhörner  sich  befestigend. 

I F.  Ausgestülpte  rechte  Ruthe.  I einfacher  Thell  derselben,  /'  doppelter  Thell. 

g.  Einfacher  Thell  der  Rinne. 

g'.  Doppelter  Theil  der  Rinne. 

h.  Muskel  der  Ruthe  und  zwar  einfacher  Thell  desselben,  von  seinem  Ursprünge  künst- 
lich abgelöst.  Die  zwei  Köpfe  liegen  jetzt  im  Innern  der  ausgestülpten  Doppelhörner 
des  Ruthenrohrs.  Zu  bemerken  ist,  dafs  um  einen  solchen  Grad  von  Ausstülpung  an 
dem  todten  Körper  hervorzubringen,  es  nothwendig  gewesen  ist,  den  Ursprung  des  Mus- 
kels am  hintern  Ende  des  Schwanzes  abzulösen.  Im  lebenden  Zustande  wird  die  Aus- 
dehnbarkeit des  Muskels  die  Ausstülpung  des  Ruthenrohrs  gestatten. 

Flg.  5.  Quer-Durchschnitt  des  Penis  einer  Testudo  Mjdas  in  der  Mitte  seiner  Lange. 

a.  a.  Fibröse  Körper. 

b.  b.  Venöser  Sinus. 

c.  c.  Peritonealcanal. 

d.  Schleimhaut. 

e.  Von  der  Schleimhaut  ausgekleidete  Rinne  des  Penis. 

/.  Ilautsäume  der  Schleimhaut,  welche  die  Rinne  oben  begrenzen. 


Physilcal.  Ahhandl.  1836. 


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über 


die  Lyrnphherzen  der  Schildkröten. 

Von 

H™-  MÜLLER. 

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[Gelesen  in  der  phys.  Klasse  der  Akademie  der  Wissenschaften  am  14.  October  1839.] 

In  den  beiden  ersten  Mittheilungen  über  die  Lyrnphherzen  der  Amphibien 
in  Poggendorf’s  Annalen  1832.  Augustheft  und  in  Philos.  Transact.  1833. 
p.  1.  handelte  ich  von  der  Existenz  dieser  Organe  bei  den  Fröschen,  Kröten, 
Salamandern  und  Eidechsen  nach  Beobachtungen  an  lebenden  Thieren.  Die 
gegenwärtige  Mittheilung  betrifft  die  einzige  Ordnung  der  Amphibien,  in 
welcher  sie  bis  jetzt  noch  unentdeckt  geblieben  sind,  obgleich  die  Schild- 
kröten unter  den  Amphibien  am  häufigsten  in  Beziehung  auf  das  lymphati- 
sche Gefäfssystem  untersucht  worden  sind.  Ich  fand  sie  zuerst  bei  einer 
frisch  untersuchten  Landschildkröte  unter  dem  hinteren  sehr  vorsichtig  ab- 
genommenen Theil  des  Rückenschildes,  etwas  entfernt  vom  oberen  Ende 
des  Darmbeins  nach  hinten.  An  denselben  Stellen  liegen  sie  bei  den  Flufs- 
schildkröten  und  ich  sah  sie  bei  2 lebenden  Individuen  der  Emys  europaea 
pulsiren.  Kürzlich  untersuchte  ich  sie  bei  einer  lebenden  sehr  grofsen  See- 
schildkröte, Chelonia  mjdas,  von  140  Pfund  Gewicht.  Die  Lyrnphherzen 
sind  bei  den  Seeschildkröten  am  leichtesten  zu  finden,  theils  wegen  ihrer 
sehr  bedeutenden  Gröfse,  theils  wegen  der  geringen  Entfernung  des  Darm- 
beins vom  hinteren  Rande  der  Schale,  was  einen  geringeren  Umfang  der 
Verletzung  erfordert.  Man  kann  sich  hier  folgendermafsen  orientiren.  Die 
beiden  Organe  liegen  unter  dem  hintersten  grofsen  Medianschild  der  Schale. 
Theilt  man  die  Mittellinie  dieses  Hornschildes  in  3 gleiche  Theile,  und  zieht 
durch  diese  Theilungspunkte  Linien  senkrecht  auf  die  Mittellinie,  so  be- 
zeichnet die  zweite  Querlinie,  welche  das  zweite  und  dritte  Drittel  von  ein- 
ander trennt,  die  Lage  der  beiden  Lyrnphherzen.  Sie  liegen  nämlich  in 
der  Direction  dieser  Linie  dicht  unter  der  Knochenschale  und  nur  von  Zell- 


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«/<7. 


über 

den  Bau  und  die  Lebenserseheinungen  des 

Branchio Stoma  lubricum  Costa, 
Amphioxus  lanceolatus  Yarrell. 

Von 

MÜLLER. 

[Gelesen  in  der  Akademie  der  Wissenschaften  am  6.  December  1841.] 


^ . Historischer  Bericht. 

JL/as  wunderbare  Tbierchen,  dessen  Bau  und  Lebenserscbeinungen  aufzu- 
klären, Gegenstand  dieser  Abhandlung  ist,  wurde  zuerst  von  Pallas,  der  es 
aus  dem  Meere  von  der  Küste  von  Cornwall  erhielt,  als  Limax  lanceolatus 
in  den  Spicilegia  zoologica  Fase.  X.  p.  19.  beschrieben  und  abgebildet.  Herr 
Costa  in  Neapel  hat  es  seither  zuerst  wieder  beobachtet  und  im  Jahre  1834 
als  Typus  einer  neuen  Fischgattung  unter  dem  Namen  Bj'anchiostoma  luhri- 
cum  beschrieben  in  seiner  Schrift  Annuario  zoologico,  oder:  Cenni  zoolo- 
giei  ossia  descrizione  sommaria  delle  specie  nuove  di  animali  discoperti  in 
diverse  contrade  del  regno  nell  anno  1834.  Napoli  1834.  p.  49.  Eine  aus- 
führliche Beschreibung  mit  Abbildung  lieferte  derselbe  in  seiner  Fauna  del 
regno  di  Napoli.  Napoli  1839  (^),  worin  die  Verwandschaft  mit  den  Cyclo- 
stomen  richtig  aufgefafst,  die  anatomischen  Mittheilungen  mangelhaft  sind. 

In  England  ist  es  an  der  Cornischen  Küste  von  Hrn.  Couch  wieder- 
gefunden. Von  diesem  Exemplare  hat  Hr.  Yarrell,  im  Jahre  1836,  im  zwei- 
ten Theil  seiner  History  of  British  fishes  London  1836.  p.  468.  eine  Be- 
schreibung und  Abbildung  geliefert.  Er  hat  ihm  den  Namen  Amphioxus 


(')  Dieses,  über  alle  Tbierklassen  sieb  ausdebnendc  VV^erk,  besteht  aus  mebreren  Ab- 
tbeilungen, wovon  noch  keine  vollendet  ist;  so  weit  sie  gedruckt  sind,  werden  sie  von  dem 
Verfasser,  auf  dessen  Kosten  sie  ersebeinen,  ausgegeben. 


80 


Müller  über  den  Bau  und  die  Lehenserscheinunsen 

lanceolatus  ertheilt,  und  es  aucli  als  Fisch  aus  der  Familie  der  Cyclostomea 
erkannt.  Hier  finden  wir  die  Chorda  dorsalis  als  knorplige  Vertebral -Co- 
lumna  zuersterwähnt.  Die  Schwedischen  Naturforscher  Herren  Sundewall 
und  Löwen  fanden  das  Thierchen  in  Bohuslän,  im  Sommer  1834.  Die  ge- 
sammelten Exemplare  waren  indefs,  in  Folge  der  Cholera -Krankheit,  lange 
stehen  geblieben,  bis  der  verstorbene  Fries  das  Thier,  ohne  von  dem  Funde 
Sundewall’s  und  Lowen’s  zu  wissen,  1838  wiederfand.  S.  Forhandlinger 
ved  de  Skandinaviske  Naturforskere  andet  möde.  Kjövenhavn  1841.  p.280. 

Einige  anatomische  Bemerkungen  über  den  Bau  desselben  wurden  von 
Hrn.  Retzius  aus  briefllicher  Mittheilung  am  11.  November  1839  in  der 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  gelesen,  und  sind  mit  den  Ergeb- 
nissen der  Untersuchung,  die  ich  an  zweien  von  Him.  Retzius  mitgetheilten 
Exemplaren  anstellte,  im  Monatsbericht  der  Akademie  November  1839,  ab- 
gedruckt. 

Eine  ausführliche  anatomische  Untersuchung  über  diesen  Gegenstand, 
ist  von  Hrn.  Rathke  veröffentlicht:  Bemerkungen  über  den  Bau  des  Am- 
phioxus  lanceolatus  von  H.  Rathke.  Königsberg  1841.  4. 

Im  Mai  1841  hat  Hr.  Goodsir  über  seine  Untersuchung  des  Thiers 
in  der  Pv.  Society  of  Edinburgh  (Annals  of  natural  history.  Vol.  VII.  p.  346) 
Kenntnifs  gegeben.  Die  ausführliche  Abhandlung  aus  den  Transactions  of 
the  Royal  Society  of  Edinburgh.  Vol. XV.  p.I.  ist:  on  the  anatomy  of  Am- 
phioxus  lanceolatus.  By  John  Goodsir.  Edinburgh  1841.  4. 

Obgleich  alle  diese  Beobachtungen  die  Kenntnifs  einer  unter  den  Wir- 
belthieren  und  Fischen  so  ganz  eigenthümlichen  und  abweichenden  Organi- 
sation gefördert  haben,  so  waren  doch  einige  der  wichtigsten  Puncte  im  Bau 
des  Thieres  zweifelhaft,  und  andere,  ebenso  wichtige,  völlig  unbekannt  ge- 
blieben, und  man  durfte  nicht  hoffen,  ohne  Untersuchung  lebender  Exem- 
plare hierüber  in’s  Klare  zu  kommen.  Im  Herbste  des  Jahres  1841  bot  sich 
dazu  eine  ebenso  willkommene  als  belohnende  Gelegenheit,  und  es  dürfte 
jetzt  erlaubt  sein  zu  behaupten,  dafs  die  Organisation  dieses  Thieres  jetzt 
fast  so  gut  als  die  irgend  eines  Cyclostomen  erkannt  sei. 

Hr.  Retzius  durfte  es  bei  dem  reizbaren  Zustande  seiner  Augen, 
welcher  eine  längere  und  anhaltende  mikroskopische  Beschäftigung  schon 
seit  geraumer  Zeit  verbietet,  nicht  wagen,  die  mikroskopische  Analyse  des 
Thieres  im  frischen  Zustande  auszuführen.  Bei  dem  Antheil,  welchen  er  an 


des  Branchiosioma  luhricwn  Costa,  Ampliioxus  lanceolatus  Yarrell.  81 

den  Arbeiten  über  die  vergleichende  Anatomie  der  Mjxinoiden  genommen, 
zu  welcher  er  selbst  einst  durch  seine  Untersuchungen  über  die  Mjxine  glii- 
tinosa  den  Grund  gelegt,  wünschte  er,  dafs  ich  die  feinere  Anatomie  des 
Thiers  ausführe  und  lud  mich  ein,  ihm  zu  diesem  Zweck  nach  Bohuslän  zu 
folgen. 

Durch  Hrn.  Lowen’s  Fürsorge  waren  wir  so  glücklich,  sogleich  ei- 
nige lebende  Exemplare  anzutreffen,  was  um  so  willkommner  war,  als  der 
Fang  des  Thiers,  in  sehr  bedeutender  Entfernung  von  unserm  Aufenthalts- 
orte in  den  Bohuslänschen  Scheeren,  mit  aufserordentlichen  Schwierigkeiten 
verknüpft  ist.  Gleich  nach  unserer  Ankunft  gingen  die  mit  dem  Fange  des 
Thierchens  vertrauten  Fischer  abermals  in  die  See  und  es  wurden  nach  einer 
fünftägigen  Excursion  noch  12  lebende  Exemplare  eingebracht  (*).  Am 
wichtigsten  wurden  unter  diesen  einige  sehr  junge  durchsichtige  Individuen, 
die  kleinsten  von  6 Linien  Länge.  Unsere  mikroskopischen  Hülfsmittel  wa- 
ren ein  Schieksches  Instrument,  das  wir  mitbrachten  und  ein  anderes  von 
Oberhäuser,  zu  dessen  Benutzung  uns  die  Güte  des  Hrn.  Areskough 
aus  Gothenburg  Gelegenheit  gab.  Alle  neuen  Thatsachen  wurden  durch 
eine  während  12  Tagen  anhaltend  fortgesetzte  mikroskopische  Beobachtung 
der  Thierchen  gewonnen.  Die  meinem  Fi’eunde  nöthige  Vorsicht  in  dem 
Gebrauche  des  Mikroskops  hinderte  ihn  nicht,  sich  bei  den  gemachten  Ent- 
deckungen wesentlich  zu  betheiligen.  Nur  durch  diese  Gemeinschaft  war 
es  möglich,  in  einer  sparsam  zugemessenen  Zeit  über  die  wichtigsten  bisher 
dunkel  gebliebenen  Punkte  in  der  Anatomie  des  Thiers  und  über  seine  neu 
sich  darbietenden  physiologischen  Erscheinungen  ins  Klare  zu  kommen  (^). 

Beschreibung  des  Aufsern. 

Der  Körper  des  Thiers  ist  gestreckt,  seitlich  zusammengedrückt,  nach 
beiden  Enden  verdünnt  und  zugespitzt.  Die  Oberseite  ist  in  ganzer  Länge 


(')  In  Neapel  ist  der  Fang  des  Thierchens  sehr  leicht  in  uninittelharer  Nähe,  da  cs  auf 
sandigem  Grunde  am  Pausilip  in  grofser  Menge  lebt.  Von  meinem  Aufenthalt  in  Neapel 
im  Spätsommer  1842  habe  ich  über  tausend  Exemplare  in  Weingeist  mitgebracht. 

Zusatz. 

O Der  Monatsbericht  der  Akademie,  December  1841,  enthält  eine  vollständige  Über- 
sicht der  Resultate  der  Untersuchung. 

Phjsilc.-math.  Kl.  1842. 


L 


82 


Müller  über  den  Bau  und  die  Lebensej'scheinungen 


gekielt.  Der  Bauch  ist  breiter  und  abgerundet  bis  auf  2 denselben  bese- 
tzende seitliche  Hautfalten,  die  bereits  Pallas  kannte.  Das  hintere  Drit- 
theil  des  Körpers  ist  auch  an  der  Unterseite  gekielt.  Uber  die  Mittellinie 
des  Rückens  zieht  sich  eine  zarte  saumartige  Rückenflosse  (limbus  mem- 
branaceus  Pallas).  An  der  Unterseite  befindet  sich  am  hintern  Drittheil 
eine  ähnliche,  von  da  an,  wo  die  seitlichen  Bauchfalten  aufhören.  Es  ist 
die  Afterflosse.  Rückenflosse  und  Afterflosse  gehen  am  hintern  spitzen 
Ende  in  einander  über.  Durch  eine  leichte  Erhebung  der  Rückenflosse  und 
Afterflosse  vor  dem  Ende  entsteht  eine  Art  Schwanzflosse  von  lanzettför- 
miger Gestalt,  wie  es  die  Abbildung  von  Rathke  (fig,  1)  richtig  ausdrückt, 
welche  überhaupt  allein  eine  richtige  Ansicht  von  der  Gestalt  des  Thierchens 
gewährt.  Die  Flossen  sind  von  zarten  Strahlen  gestützt,  welche  schon  von 
Yarrell  und  Costa  (‘)  bemerkt  sind,  ihr  Saum  ist  häutig.  Brust-  und 
Bauchflossen  fehlen.  Unter  dem  comprimirten  lanzettförmigen  Vorderende, 
in  welches  die  Rückenflosse  ausläuft,  befindet  sich  der  Mund  in  Form  einer 
ellipsoiden  Längsspalte.  Die  Mundränder  beider  Seiten  schicken  eine  Reihe 
(15  auf  jeder  Seite)  steifer  langer  Cirren  aus,  welche  Hr.  Costa  (^)  bereits 
erwähnt,  aber  als  Kiemen  angesehen.  Diese  Cirren  sind,  unter  dem  Mikro- 
skop betrachtet,  von  Stelle  zu  Stelle  mit  kleinen  stumpfen  Erhabenheiten 
besetzt,  welche  der  Haut,  nicht  dem  innern  Knorpel  angehören  (^).  Das 
Thier  kann  die  Cirren  beider  Seiten  gegen  einander  wenden  und  kreuzen 
und  dadurch  den  Mund  gegen  das  Eindringen  fremder  Körper  schützen. 
Am  Ende  des  zweiten  Drittheils  des  Körpers,  wo  die  seitlichen  Bauchfalten, 
sich  einander  nähernd,  aufhören,  befindet  sich  eine  rundliche  Bauchöffnung 
in  der  Mittellinie  des  Bauches  (Taf.I.  fig.  l.i.).  Sie  ist  schon  von  Hrn.  Yarrell 
bemerkt,  aber  von  ihm  wie  von  Hrn.  C osta  (‘^)  für  die  Afteröffnung  genommen, 
was  sie  nicht  ist;  sie  ist  von  Hrn.  Retzius  (^)  richtig  als  porus  respiratorius 
erklärt.  Quecksilber,  welches  derselbe  durch  den  Mund  eingofs,  flofs  aus 


(')  Fauna  del  Regno  di  Napoli.  1839. 
Cenni  zoologici  p.  49. 

(^)  Älüller,  Monatsbericht  1839,  p.  199. 

(^)  Fauna  del  Regno  di  Napoli. 

(^)  Monatsbericht  1839,  p.  198. 


des  Branchiostoma  luhricum  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  83 

dieser  Öffnung  hervor  (^).  Sie  dient  auch  zum  Abgang  der  Eier  und  des 
Samens  (^).  Diese  Öffnung  ist  von  zwei  seitlichen  Lippen  eingefafst. 

Der  After  liegt  viel  weiter  nach  hinten,  nicht  weit  von  dem  Schwanz- 
ende an  der  linken  Seite  der  untern  Flosse  (^)  (Taf.I.fig.  l.c.).  Diese  anomale 
Lage  des  Afters  zur  Seite  der  Afterflosse  erinnert  an  die  gleiche  Anomalie 
bei  Lepidosiren.  An  der  untern  Wand  des  Bauches  scheinen  durch  die  Haut 
2 Reihen  von  gelblichen  Säcken  hindurch,  die  Geschlechtsorgane.  Sie  sind 
bereits  von  Hrn.  Costa  erwähnt  und  auch  in  der  Abbildung  von  Hrn.  Yarrell 
zu  erkennen.  Die  Seiten  des  Körpers  sind  von  den  Seitenrauskeln  bedeckt, 
welche  ihre  regelmäfsigen  Abtheilungen  durch  die  Haut  erkennen  lassen  und 
welche  Pallas  zu  der  Bemerkung  veranlafsten : Catera  striis  ohsoletis  ohli- 
quatis  prope  dorsum  angulo  recurvatis , ut  quasi  latus  pisciculi  desquamatum 
referant.  Vorn  und  hinten  laufen  die  Seitenmuskeln  spitz  aus  und  die  vor- 
dere Spitze  geht  bis  an  das  lanzettförmige  Vorderende  über  dem  Munde 
hinaus. 

Im  frischen  Zustande  bemerkt  man  mit  dem  Mikroskop  am  Kopfe 
über  dem  spitzen  Anfang  der  Seitenmuskeln  vor  und  über  dem  Munde  einen 
schwarzen  Punkt,  das  Auge,  welches  von  Hrn.  Retzius  entdeckt  ist  und 
von  anderen  Beobachtern  übersehen  wurde. 

Die  beiden  Geschlechter  will  schon  Hr.  Costa  (^)  erkannt  haben,  wel- 
cher behauptet,  dafs  die  Männchen  weniger  dick  seien  und  Hoden  an  der 
Stelle  der  Ovarien  besitzen. 

Die  durchsichtige  fast  farblose  Haut  ist  nackt  und  nur  von  Epithelium 
von  pflasterartigen  Zellen  bedeckt  (*^).  Die  Haut  irisirt  sowohl  im  lebenden 
als  todten  Zustande  (^).  Sonst  erscheint  der  Körper  nur  blafs  fleischfarben 
oder  in  einem  farblosen  Weifs.  Einige  Exemplare  hatten  Pigmentflecke  im 
Innern  an  den  Seiten  der  Mundhöhle.  Bei  vielen  sieht  man  eine  Reihe  brau- 


(')  wie  Ratlike  p.  17  anfiilirt. 

O Müller,  Monatsbericht  1839,  p.  200.  Rathke,  p.  25. 
O Retzlus,  Monatsbericht  1839,  p.  198.  Rathke,  p.  4. 
('*)  Monatsbericht  1839.  198. 

(^)  Costa,  Fauna. 

(*’)  Müller,  Monatsbericht  1839.  200.  Rathke,  6. 

(^)  Rathke,  7.  Gooclsir,  256. 


84  Müller  über  den  Bau  und  die  Lebenserscheinunsren 

O 

ner  Flecke  an  den  Seiten  des  Bauches  (^),  sie  rühren  von  Pigment  her,  wel- 
ches dem  Peritoneum  anhängt,  wo  es  die  Geschlechtsorgane  überzieht  (^). 

Branchiostoma  lubricuin  erreicht  eine  Gröfse  von  2 Zoll  Länge,  seine 
Höhe  vei'hält  sich  zur  Länge  wie  1:10,  seine  Breite  zur  Länge  wie  \ \ 10. 

Aufenthalt  und  Lebensart. 

Das  Thierchen  scheint  an  den  europäischen  Küsten,  vom  Mittelmeer 
bis  in  die  Nordsee  vei'breitet  zu  sein  (^).  Es  lebt  auf  dem  sandigen  Grunde, 
daher  ist  es  zu  erklären,  warum  es  in  der  Nähe  der  felsigen  Scheeren  schwie- 
rig zu  erhalten  ist.  Seine  Lebensart  kann  man  in  einem  mit  Seewasser  ge- 
füllten Glase,  dessen  Boden  mit  Sand  bedeckt  ist,  beobachten.  Es  liegt  die 
längste  Zeit,  stundenlang  bewegungslos  auf  der  Seite  und  wie  todt  auf  dem 
Boden.  Wird  es  beunruhigt,  so  schnellt  es  plötzlich  auf  und  wirft  sich  in 
sehr  geschwinden  Schnellungen  hin  und  her,  oder  schwimmt  mit  wellenför- 
migen Biegungen  seines  Körpers  davon,  um  nach  kurzer  Zeit  entweder  wie- 
der platt  auf  dem  Sande  liegen  zu  bleiben  oder  sich  im  Sande  zu  verkrie- 
chen. Im  letzten  Fall  ist  es  ganz  im  Sande  versteckt  bis  auf  das  Mundende, 
welches  allein  aus  dem  Sande  hervorsieht.  Nach  Hrn.  Costa  ist  das  Thier- 
chen gegen  das  Licht  empfindlich.  Seine  ruhige  Seitenlage,  in  der  man  es  in 
einem  kleinen  platten  Glasschälchen  mit  wenig  Wasser  erhalten  kann,  machte 
es  zur  anhaltenden  mikroskopischen  Beobachtung  sehr  geschickt,  ohne  dafs 
es  nöthig  oder  zweckmäfsig  wäre,  Compressorien  anzuwenden.  Die  Indivi- 
duen, welche  mehrere  Stunden  der  Beobachtung  gedient,  brachten  wir  zur 
Erholung  wieder  in  ein  gröfseres  Gefäfs  mit  Meerwasser  und  sie  dienten  in 
den  folgenden  Tagen  wieder  zur  Beobachtung. 

Während  der  ganzen  Zeit,  dafs  wir  die  Thiere  heobaehteten,  haben 
wir  sie  nicht  fressen  gesehen,  gleichwohl  gaben  sie  immerfort  Excremente 

(')  Costa,  Fauna. 

(^)  Ratlike,  p.  23. 

(^)  Ilr.  Kroyer  hat  es  auch  in  Brasilien  entfleckt  unrl  hat  die  Güte  gehabt,  mir  ein 
Exemplar  aus  Brasilien  niitzutheilen.  Er  war  geneigt,  es  für  eine  eigene  Art  zu  halten,  die 
er  Branchiosioma  Mudleri  nannte.  Bei  einer  sorgsamen  Vergleichung  desselhen  mit  den 
europäischen  Exemplaren  habe  ich  indefs  keine  Unterschiede  bemerken  können. 

Zusatz. 


des  Branchiostoma  liihricum  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  85 

von  sich,  die  in  langen  Schnüren  ahgehen.  Hieraus,  wie  aus  anderen  wei- 
terhin mitzutheilenden  Beobachtungen  geht  hervor,  dafs  sie  blofs  von  Infu- 
sorien und  anderen  mikroskopischen  Thierchen  und  animalischen  Theilchen 
des  Meerwassers  leben,  welche  durch  eine  schon  im  Munde  beginnende  Wim- 
perbewegung ihnen  zugeführt  und  weiter  bewegt  werden. 

Die  Thierchen  sind  sehr  lebenszähe.  Sie  verlieren,  länger  aufbe- 
wahrt, zuweilen  einen  Theil  ihrer  innern  Kiemenbekleidung,  leben  aber 
gleichwohl  in  diesem  Zustande  fort.  In  täglich  mehrmals  erneuertem  Meer- 
wasser kann  man  sie  mehrere  Wochen  lebend  erhalten.  Wir  erhielten  meh- 
rere, die  wir  nicht  im  lebenden  Zustande  zu  Zergliederungen  verwandten, 
während  der  ganzen  Zeit  unseres  Aufenthultes  in  den  Scheeren  und  als  wir 
die  Untersuchung  schlossen,  nahmen  wir  die  noch  übrigen  Exemplare  lebend 
auf  einer  Reise  durch  Bohuslän  in  einer  Kölnisch  Wasserflasche  mit.  Diese 
blieben  trotz  der  Erschütterungen  des  Fahrens  auf  dem  Lande  noch  zwei 
Tage,  so  lange  wir  ihnen  frisches  Meerwasser  verschaffen  konnten,  am 
Leben. 


Bau  des  Rückgrats. 

Die  Grundlage  des  Rückgrats  ist  die  Chorda  dorsalis.  Sundevall  (') 
bemerkte  zuerst  das  merkwürdige  Verhalten,  dafs  diese  Chorda  nicht  nach 
vorne  in  der  Weise,  wie  bei  den  Cyclostomen  und  Stören  endigt,  wo  sie  bis 
in  die  Mitte  der  Basis  cranii  verläuft,  sondern  mit  ihrem  spitzen  Ende  bis  in 
die  äufserste  Spitze  des  Kopfes  ausläuft  und  also  weit  über  den  Mund  hin- 
ausragt. 

Sie  besteht  aus  einer  fibrösen  Scheide  und  einem  Inhalte.  Die  er- 
stere  ist  wie  gewöhnlich  aus  fibrösen  Ringsbündeln  gebildet  (^).  Der  Inhalt 
der  Scheide  weicht  nach  den  übereinstimmenden  Beobachtungen  von  Hrn. 
Goodsir(^)  und  uns  sehr  von  dem  Inhalte  der  Chorda  der  Cyclostomen 
ab.  Er  besteht  nämlich  aus  weichen  Fasern.  Diese  faserige  Masse  läfst  sich 
leicht  in  Form  von  faserigen  Blättchen  ablösen,  welche  eine  quersenkrechte 


(')  Monatsbericht,  1839.  p.  198. 

(^)  Müller,  Monatsbericht,  1839.  199. 
(D  a.  a.  O.  p.  250. 


86 


Müller  über  den  Bau  und  die  Lehenserscheinunsen 

O 

Stellung  haben.  Die  Fasern  der  Blättchen  haben  nach  unsern  Beobachtun- 
gen überall  eine  quere  parallele  Bichtung.  Hr.  Goodsir  erwähnt  auch  das 
über  die  Chorda  verlaufende  ligarnentum  longitudinale  superius  und  hiferius. 

Die  Bohre,  worin  das  centrale  Nervensystem  liegt,  ist  wie  bei  den  My- 
xinoiden  häutig  und  erweitert  sich  nicht  wie  bei  anderen  Thieren  zu  einer 
besondern  Schädelhöhle  (’),  sondern  hört  in  der  Gegend  der  Spitze  der  Sei- 
tenmuskeln und  in  der  Gegend  des  schwarzen  Augenpunktes  abgerundet  auf. 
Diese  Röhre  ist  eine  Fortsetzung  von  einer  häutigen  Schichte,  welche  auch 
die  Scheide  der  Chorda  rundum  bedeckt  und  häutige  Platten  nach  den 
Bauchwänden  abschickt,  die  sich  am  Schwanz  unter  der  Chorda  zu  einem 
untern  Canal  vereinigen.  Alles  dies  ist  bereits  von  Rathke  und  Goodsir 
naturgemäfs  beschrieben  und  ist  nur  zu  bemerken,  dafs  das  vordere  Ende 
der  Centraltheile  des  Nervensystems  nicht  spitz  nach  vorn  ausläuft,  wie  Hr. 
Rathke  angiebt,  sondern  stumpf  und  abgerundet  endigt.  Das  Rückgrat  be- 
findet sich  demnach  auf  einer  Bildungsstufe  wie  bei  den  Myxinoiden,  wo  die 
Elemente  die  nämlichen  sind,  eine  Chorda  mit  ihrer  Scheide  und  eine  die 
Scheide  selbst  wieder  umgebende  fibrös  häutige  Schichte,  welche  letztere  al- 
lein in  die  Querplatten  für  die  Leibeswände  und  in  die  Röhre  für  das  Rük- 
kenmark  ausläuft  (^). 

Auch  wie  bei  den  anderen  Cyclostomen  bildet  die  aus  der  skeletbil- 
denden Schichte  ausgehende  Röhre  für  das  Rückenmark  über  diesem  noch 
einen  zweiten  Canal  (^)  und  geht  erst  dann  als  häutiges  Septum  zwischen  den 
Seitenmuskeln  in  der  Mittellinie  in  die  Höhe,  um  der  Rückenflosse  als  Basis 
zu  dienen.  Ein  ähnliches  Septum  befindet  sich  am  Schwänze  unten  zwischen 
den  Seitenmuskeln  und  von  derselben  Schichte  gehen  an  den  Seiten  des 
Rückgrates  die  ligamenta  intermuscularia  der  Seitenmuskeln  ab  (‘^). 


(')  Rathke,  p.  11. 

(^)  Diese  von  mir  von  der  Scheide  der  Chorda  unterschiedene  Schichte  ist  bei  den  mehr- 
sten  Thieren  die  skeletbildende.  Osteol.  d.  Myxin.  Bel  den  meisten  Fischen  ossificirt  auch 
die  Scheide  der  Chorda.  Neurol.  d.  Myxin.  Anhang.  Hr.  Rathke  hat  die  äufsere  Schichte 
mit  dem  Namen,  Belegungsmasse  der  Rückensalte,  bezeichnet.  Entwickelungsge- 
schichte der  Natter.  Königsberg.  1839.  p.  33. 

C)  Rathke,  p.  9. 

C)  R.athke,  Goodsir. 


des  Branchiostoma  luhricum  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  87 


Mundknorpel. 

Ein  den  Mund  umgebender  Knorpel  und  seine  Fortsetzungen  in  die 
Mundcirren  wurden  schon  von  lirn.  Yarrell  entdeckt  und  abgebildet.  Er 
nennt  ihn  Zungenbein.  Es  ist  der  einzige  Knorpel  am  Kopfe,  ein  Reifen, 
der  um  den  ganzen  Mund  herum  geht,  so  dafs  seine  dünneren  Enden  oben 
unter  der  Choi'da  an  einander  stofsen.  Er  ist  nicht  ein  einziger  Knorpel, 
sondern,  wie  aus  den  Beobachtungen  von  Hrn.  Goodsir(^)  und  uns  her- 
vorgeht, aus  vielen  einzelnen  Gliedern  articulirt,  dergestalt,  dafs  jedes  Stück 
des  Ringes  sich  seitlich  schief  in  einen  Knorpelfaden  fortsetzt,  der  in  der 
Achse  der  Mundcirren  verläuft.  Diese  Knorpel  bestehen  aus  einer  cortica- 
len  Substanz,  die  das  Ansehen  einer  dicken  Membran  hat,  und  einer  marki- 
gen innern  quergestreiften  Substanz,  welche  aus  Zellen  zu  bestehen  scheint, 
wie  die  Knorpelfäden  in  den  Kiemenblättern  der  Fische. 

Der  Knorpelreifen  um  den  Mund  entspricht  nicht  dem  Kieferapparat 
anderer  Thiere,  auch  nicht  dem  Zungenbein,  wofür  ihn  Yarrell  und  Good- 
sir  halten,  sondern  gehört  in  jene  merkwürdige  bei  den  Knorpelfischen  ans- 
gebildete Kategorie  der  Mundknorpel,  welche  in  der  vergleichenden 
Osteologie  der  Myxinoiden  als  eigenthümliches  Svstera  nachgewiesen  ist(“). 
Er  ist  ganz  verwandt  mit  dem  Knorpelring  des  Mundes  der  Petromjzon, 
ferner  den  Tentakelknorpeln  der  Myxinoiden,  bei  welchen  beiden  aufserdem 
ein  besonderes  Zungenbein  vorhanden  ist.  Die  Seitenwände  des  Mundes 
zwischen  dem  Mundring  und  dem  Rückgrat  sind  blofs  häutig,  die  äufsere 
Haut  und  die  Schleimhaut  des  Mundes  berühren  sich  hier  bis  auf  eine  inter- 
stitiale  nicht  knorpelige  Schichte.  Dadurch  erhalten  die  Seitenwände  der 
Mundhöhle  die  Form  von  Klappen,  welche  an  ihrem  Rande  durch  den  Mund- 
ring auseinander  gehalten  werden  und  bei  der  Verengerung  des  Mundes,  die 
nur  von  den  Seiten  aus  geschehen  kann,  durch  eine  Längsspalte  getrennt 
sind. 


(')  Gooclsir,  Anat.  of  the  Amphioxus  lanc.  1841.  Taf.  II.  fig.  18. 

(^)  Vergleichende  Osteologie  der  Myxinoiden.  Abhandl.  d.  K.  Akad.  d.  Wissensch.  zu 
Berlin,  J.  1834.  p.l97. 


88 


Müller  über  den  Bau  und  die  Lebenserscheinungen 


Flossenstrahlen. 

Die  Flossenstrahlen  sitzen  auf  dem  fibrösen  Blatt  der  skelethildenden 
Schichte  auf,  welches  sich  von  dem  Rückgrat  in  der  Mitte  zwischen  den  Sei- 
tenmuskeln erhebt.  Sie  gehen  in  der  Rückenflosse  von  der  Gegend  des  vor- 
dem Endes  des  centralen  Nervensystems  oder  des  Auges  bis  ans  Schwanz- 
ende, diejenigen  der  Afterflosse  auch  durch  die  ganze  Länge  derselben 
und  nicht  blofs  bis  zum  After,  wie  Hr.  Rathke  angiebt. 

Diese  Strahlen  haben  einen  sehr  eigenthümlichen  Bau.  Sie  bestehen 
aus  durchsichtigen  hinter  einander  stehenden  röhrigen  Kapseln,  deren  Basis 
zwischen  den  obern  Theilen  der  Rückenmuskeln  versteckt  ist.  Sie  füllen 
nicht  die  ganzen  Flossen  aus,  der  Rand  der  Flossen  enthält  nichts  davon  und 
ist  blofs  häutig  ohne  Abtheilungen.  Der  häutige  Theil  der  Flosse  ist 
durchgängig  ein  niedriger  Saum,  aber  vorn  setzt  sich  dieser  häutige  Saum  in 
das  plattenförmige  Schnautzenende  des  Thieres  fort,  welches  durch  das  Ende 
der  Chorda  in  eine  obere  und  untere  Hälfte  getheilt  wird.  Am  Schwanz- 
ende vor  dem  After  fängt  der  häutige  Theil  der  Rückenflosse  sowohl  als  Af- 
terflosse an  höher  zu  werden,  wodurch  die  lanzettförmige  Schwanzflosse  ent- 
steht, deren  Ende  von  dem  spitzen  Ende  der  Seitenmuskeln  fast  erreicht 
wird. 

Im  Innern  der  beschriebenen  zellenartigen  Abtheilungen  in  den  Flos- 
sen befindet  sich  eine  durchsichtige  Flüssigkeit  und  aufserdem  eine  consi- 
stentere,  aber  jedenfalls  weiche  Masse  (*),  an  der  von  uns  keine  Structur 
erkannt  werden  konnte,  welche  mit  scharfen  Conturen,  von  dem  Grundtheil 
der  Kapsel  ausgehend,  sie  zum  Theil  ausfüllt.  Das  abgerundete  Ende  er- 
reicht das  Ende  der  Kapsel  nicht.  In  den  Kapseln  der  Afterflosse  sind  diese 
Massen  doppelt,  eine  rechte  und  linke  neben  einander.  Hr.  Rathke,  welcher 
diesen  Bau  der  Flossenstrahlen  nicht  beobachtet  hat,  sagt  nur,  dafs  sie  un- 
gegliedert, dafs  ihr  Gewebe  eine  Knorpelsubstanz  sei  und  dafs  sie  die 
Gestalt  von  Tafeln  haben.  Aber  er  erwähnt,  dafs  die  Strahlen  der  After- 
flosse aus  zwei  gleichen  Seitenhälften  bestehen.  Der  häutige  Theil  der 
Flosse  zeigt  weiter  keine  Abtheilungen.  Doch  liefsen  sich  in  der  Nähe  des 


(')  Goodsir,  251. 


des  Brancliiostoma  lubricum  Costa,  Ampliioxus  lanceolatus  Yarrell.  89 

Schwänzendes  in  diesem  Saum  der  Länge  nach  verlaufende  parallele  Linien 
erkennen,  welche  zart  von  Linien  durchschnitten  wurden,  die  senkrecht  auf 
ihnen  standen  und  deren  Stellung  den  Zwischenstellen  zweier  Flossenstrah- 
len entsprachen.  Endlich  waren  am  Schwanzende  in  dem  häutigen  Saume 
auch  dichtstehende  in  denselben  ausfahrende  Fäden  zu  erkennen,  welche 
den  Pvand  des  Saumes  nicht  erreichten  (Tab.I.  fig.3). 


iSkelet  der  Kiemen. 

Die  Mundhöhle  führt  in  den  Kiemenschlauch,  welcher  fast  bis  in  die 
Hälfte  des  Thieres  reicht  und,  sich  zuletzt  verengend,  in  die  Speiseröhre 
übergeht;  er  liegt,  wie  seine  Fortsetzung,  der  Darm,  in  der  Bauchhöhle. 
An  der  Grenze  zwischen  Mundhöhle  und  Höhle  des  Kiemenschlauches  be- 
findet sich  eine  zirkelförmige  ziemlich  hohe  Falte,  welche  in  lange  Fran- 
zen  (^)  ausläuft.  Bei  lebenden  Thierchen  hat  man  hei  der  Profilansicht  nur 
den  Anheftungsrand  oder  die  Dicke  dieser  Falte.  Diese  Stelle  hat  unregel- 
mäfsige  Ränder  und  ganz  das  Ansehen,  als  wenn  hier  eine  knorpelige  Leiste 
von  der  Chorda  nach  unten  herahginge.  Bei  der  Präparation  hat  sich  aber 
ein  besonderer  Knorpel  niemals  finden  lassen. 

Das  Gerüste  der  Wände  des  Kiemenschlauches  besteht  aus  sehr  vielen 
von  oben  nach  unten  und  hinten  verlaufenden  parallelen  dünnen  Kiemen- 
rippchen ohne  Strahlen  (^),  welche  in  dem  hintersten  engem  Theil  des  Kie- 
menschlauches an  Länge  abnehmen.  Ihre  Anordnung  ist  von  Rathke  und 
Goodsir  beschrieben.  Beide  geben  die  oberen  Enden  dieser  knorpeligen 
Leisten  als  einfach  an.  Wir  haben  sie  dagegen  bogenförmig  mit  einander 
verbunden  gesehen.  Die  unteren  Enden  hingegen  enden  wirklich  alle  frei. 
Diese  freien  Enden  vei’halten  sich  abwechselnd  verschieden,  indem  eines  der 
Stäbchen  einfach  ausläuft,  das  nächstfolgende  aber  sich  gahelig  theilt,  dar- 
auf folgt  wdeder  ein  einfaches  Ende  und  dann  wieder  ein  gabeliges  u.  s.  w. 
wie  von  Hrn.  Rathke  ganz  richtig  angegeben  und  ahgehildet  worden  ist.  Jeder 


(')  Pvatlike,  fig.  5.  d. 

C')  Pvetzius,  MonatsLericlit,  1839.  198.  Rathke,  31.  fig- 7.  GooJsir,  255.  Taf.  2. 
fig.l4. 

Physdi.-math.  Kl.  1842. 


M 


90 


M ÜLLER  Über  den  Bau  und  die  Lehenserscheinunsen 

Ast  der  Gabel  gebt  einem  Ast  der  nächsten  Gabel  entgegen,  um  einen  Spitz- 
bogen zu  bilden,  der  von  dem  ungetbeilt  auslaufenden  Zwiscbenstäbcben  wie 
ein  Fenster  getbeilt  wird.  Die  Spitzbogen  der  rechten  und  linken  Seite  ste- 
hen unten  nicht  einander  gegenüber,  sondern  alterniren.  Drei  auf  diese 
Weise  zusammen  gehörende  Rippchen  sind  jedesmal  auch  noch  in  der  Quere 
durch  stabförmige  Sparren  vereinigt,  welche  den  Querbalken  eines  Fensters 
gleichen  (Q.  Die  Quersparren  setzen  sich  nicht  in  einer  Linie  fort,  sondern 
liegen  an  verschiedenen  Spitzbogenfenstern  in  verschiedener  Höhe.  Bei  den 
jüngsten  Individuen  von  nur  6'"  Länge  waren  gegen  25  solcher  Spitzbogen- 
fenster auf  jeder  Seite  des  Kiemenschiauches,  oder  doppelt  so  viele  Längsab- 
theilungen und  nicht  mehr  als  4 Querbalken  an  jedem  Doppeltfenster  in  ver- 
schiedener Höhe  desselben.  Bei  Individuen  von  1 Zoll  Länge  war  die  Zahl 
der  Abtheilungen  viel  gröfser,  ganzer  Spitzbogen  40-50  und  mit  dem  wei- 
tern Wachsthum  wird  sie  noch  mehr  zunehmen.  Es  waren  auch  gegen  9 
Querbalken  an  jedem  Spitzbogenfenster.  Vorn  und  noch  mehr  hinten  sind 
die  Spitzbogenfenster  niedriger  und  nehmen  hinten  bis  zum  kleinsten  ab  und 
hier  entstehen  offenbar  die  neuen  Abtheilungen.  Das  Gerüste  jeder  Seite 
ist  sowohl  oben  als  unten  durch  einen  der  Länge  nach  verlaufenden  gelben 
bandartigen  Streifen  verbunden.  Dieses  Band  geht  am  vordem  und  hintern 
Ende  von  dem  untern  zum  obern  Rande  bogenförmig  über.  Das  rechte  und 
linke  Kiemengerüst  berühren  sich  fast  in  der  obern  und  untern  Mittellinie,  sie 
sind  hier  durch  eine  sehr  kleine  Lücke  getrennt,  welche  von  Haut,  der  Haut 
des  Kiemenschlauchs,  ausgefüllt  wird.  Die  obere  häutige  Commissur  hängt 
der  Chorda  an.  Die  untere  ist  frei,  wie  die  Seitenwände. 

Wir  haben  aber  auch  eine  Befestigung  der  Kiemenwände  durch  ein 
besonderes  Band  bemerkt.  Die  Kiemenwände  sind  nämlich  nach  aufsen  von 
der  Chorda  durch  eine  von  den  Leibeswänden  abgehende  häutige  Leiste  be- 
festigt, deren  unterer  Rand  in  Spitzen  ausläuft,  wie  das  ligamentum  deniicu- 
latum  des  Rückenmarkes.  Die  Spitzen  befestigen  sich  an  jede  dritte  Kie- 
menleiste. Zwischen  den  Spitzen  bildet  dieses  Band  freie  Arkaden  über 
dem  obersten  Theil  der  Kiemenspalten.  An  den  übrigen  Stellen  liegt  der 
Kiemenschlauch  ganz  frei  in  der  Bauchhöhle  und  seine  zahlreichen  Kie- 
menspalten, d.  h.  die  Zwischenräume  zwischen  den  Längsrippen  und 


(’)  Ratlike , fig.  7. 


des  BT'anchiosioma  luhricum  Costa,  Amphioxus  lanceolaius  Yarrell.  91 

Quersparren  führen  nach  unseren  Beobachtungen  aus  dem  Kiemenschlauch 
direct  in  die  Bauchhöhle. 

Die  Knorpelleisten  des  Kiemenapparates  sind  sehr  eigenthümlich  ge- 
bildet, sie  bestehen  aus  lauter  verklebten  Längsfasern,  welche  sich  an  den 
obern  Bogen  und  an  den  untern  Spaltungen  der  Stäbchen  auseinander  be- 
geben. Diese  Art  von  Knorpelfäden  gehört  mit  den  ähnlich  gebildeten  zar- 
ten Knorpelfäden  am  Ende  der  Flossen  der  übrigen  Fische  und  in  den  soge- 
nannten Fettflossen  derselben  zu  einer  eigenen  Formation  der  Faserknorpel. 
Die  Flossen  der  Fische,  die  aus  articulirten  Strahlen  bestehen,  besitzen  immer 
am  Saume  dieser  Flossen  solcheFäden,  auch  die  Flossen  der  Haifische  und  Ro- 
chen; die  sogenannten  Fettflossen  bestehen  dagegen  ganz  aus  solchen  Fäden, 
sie  enthalten  daher  nur  das  eine  Element  der  articulirten  Flossen.  Zur  Un- 
tersuchung dieser  Art  von  Knorpel  eignen  sich  am  besten  die  Flossen  der 
Haifische  und  Rochen.  Untersucht  man  einen  der  feinen  knorpeligen  stei- 
fen Fäden,  mit  denen  das  Ende  der  Flosse,  wo  die  Articulation  aufhört,  be- 
legt ist,  unter  dem  Mikroskop,  so  sieht  man,  dafs  diese  Fäden  aus  lauter  fei- 
nen verklebten  Fasern  bestehen,  in  welche  sie  sich  leicht  spalten  lassen. 
Ganz  dieselben  Elemente  finden  sich  in  den  sogenannten  Fettflossen  ohne 
Flossenstrahlen. 


Muskelsystem. 

Das  Muskelsystem  des  Branchiostoma  besteht  aus  den  Seitenmuskeln, 
den  Bauchmuskeln,  den  Muskeln  des  Mundringes  und  der  Mundtentakeln, 
den  Muskeln  des  gefranzten  Ringes  zwischen  Mundhöhle  und  Kiemenschlauch 
und  den  Muskeln  des  Kiemenapparates.  Die  Seitenmuskeln,  gebildet  wie 
bei  anderen  Fischen,  liegen  auf  den  tiefen  Leibeswänden  auf,  nämlich  auf 
den  Seiten  der  Chorda  und  der  skeletbildenden  häutigen  Schichte  und  ihren 
Verlängerungen  in  der  ganzen  obern  Mittelebene  und  untern  Mittelebene  am 
Schwanztheil  des  Thiers,  soweit  Bauchhöhle  ist  aber  auf  den  fibröshäutigen 
Verlängerungen  der  skeletbildenden  Schicht  des  Rückgrats,  welche  die  inner- 
sten Bauch  wände  bilden  und  welche  Hr.  Rathke  fascia  superficialis  interna 
nennt.  Die  Seitenmuskeln  bedecken  den  ganzen  Bauch  nicht,  vielmehr  wird 
der  untere  und  untere  seitliche  Theil  der  Bauchwände  allein  von  den  Bauch- 
muskeln bedeckt,  welche  nur  bis  zum  porus  abdominalis  reichen.  Die  Sei- 

M2 


92 


M üLLEß  Über  den  Bau  und  die  Lehenserscheinungen 


tenmuskela  becleckea  auch  die  Basis  der  Strahlen  der  Rückenflosse  und  Af- 
terflosse, Nach  vorn  und  hinten  laufen  sie  spitz  aus.  Die  Spitze  der  Sei- 
tenmuskeln  geht  auf  dem  ohern  Theil  der  Mundwände,  auf  dem  vordem 
Ende  des  Rückgrats  bis  zu  der  Gegend  des  dunkeln  Augenpunktes,  so  dafs 
die  Spitze  der  Chorda  und  die  senkrechte  Platte  des  Kopfendes  eine  gute 
Strecke  darüber  hinaus  hervorragen.  Die  hintere  Spitze  der  Seitenmuskeln 
geht  bis  auf  das  letzte  Ende  des  Schwanzes.  Sie  bestehen,  wie  bei  anderen 
Fischen,  aus  Abschnitten,  welche  den  Rändern  des  Winkels  des  vordem 
spitzen  Endes  der  Seitenmuskeln  überall  parallel  durch  ligamenta  intermus- 
cularia  abgetheilt  sind.  Die  parallelen  Winkel  der  Abschnitte  sehen  daher 
überall  nach  vorn,  die  Spitzen  der  Winkel  entsprechen  ohngefähr  der  Mitte 
oder  Achse  der  Chorda,  die  Schenkel  der  Winkel  laufen  nach  oben  und  un- 
ten rückwärts  in  den  obern  und  untern  Rand  der  Seitenmuskeln  aus,  indem 
sie  sich  gegen  den  Rand  dieser  Muskeln  etwas  krümmen.  Unter  dem  Mikro- 
skop erkennt  man  überall  Querstreifen  in  den  primitiven  Bündeln  dieser 
Muskel  (Q. 

Am  Bauche  liegen  2 Schichten  von  Muskeln,  eine  dichte  obere  Schichte 
von  Querfasern  (^)  und  eine  Schichte  von  Längsbündeln.  Beide  sind  ohne 
Querstreifen  (^);  dafs  es  aber  Muskeln  sind,  sieht  man  an  den  lebenden 
Thierchen  an  ihrer  Contractlon.  Die  Längsbündel  entspringen  von  dem  un- 
tern Seitentheil  des  Mundringes  und  endigen  vor  der  Afterflosse  und  zugleich 
in  den  Seitenlippen  des  porus  abdominalis.  Im  Allgemeinen  verkürzen  sie 
den  Bauch,  ihr  vorderer  Theil  zieht  den  Mundring  auseinander,  ihr  hinterer 
Theil  zieht  die  Lippen  des  porus  auseinander  und  erweitert  diesen  porus, 
eine  Bewegung,  welche  man  mit  dem  Rhythmus  einer  Athembewegung  an  den 
lebenden  Thierchen  erfolgen  sieht. 

Die  Lippen  des  porus  abdominalis  scheinen  auch  musculös  zu  sein  ('^), 
wovon  die  rhythmische  Verengung  der  Öffnung  abhängt.  Wahrscheinlich 
entwickeln  sich  diese  Fasern  aus  dem  hintersten  Theil  der  Querbündel  des (*) 


(*)  Müller,  Monatsbericht,  1839.  200. 

(^)  Müller,  Monatsbericht,  1839.  200.  Rathke,  14.  Goodsir,  254. 
C)  Müller,  Monatsbericht,  1839.  200.  Goodsir,  254. 

(^)  Müller,  Monatsbericht,  1839.  200. 


des  Branchiostoma  luhricum  Costa,  Amphioocus  lanceolatus  Yarrell.  93 

Bauches.  Nicht  selten  sieht  man  die  Ränder  der  Lippen  des  porus  ahdomi- 
nalis  leicht  gekräuselt. 

Die  Seitenhälften  des  Mundringes  werden  durch  einen  von  Hrn. 
Goodsir  angezeigten  Muskel  gegen  einander  gezogen. 

Vom  untern  Seitentheil  des  Mundringes  entspringt  ein  Fascikel  von 
Muskelfasern,  welches  sich  an  der  Leiste  verliert,  welche  zwischen  Mund- 
höhle und  Kiemenschlauch  von  der  Chorda  herabgeht  und  entweder  ein  be- 
sonderer Knorpel  oder  die  Seitenansicht  jener  ringförmigen  Falte  an  dieser 
Stelle  ist,  deren  Ränder  gefranzt  sind.  Durch  diesen  Muskel  wird  jene  Falte 
und  die  Franzen  derselben,  welche  man  an  den  durchsichtigen  Thierchen  in 
der  Regel  nach  einwärts  rückwärts  gestellt  sieht  (Taf.  I.  fig.  2.  o.),  nach  vorwärts 
gezogen.  Diese  Bewegung  tritt  von  Zeit  zu  Zeit  plötzlich  vorübergehend 
ein,  worauf  die  Franzen  wieder  in  ihre  gewöhnliche  Stellung  zurückkehren. 

Noch  giebt  es  einige  contractile  Theile  am  Kiemenapparat.  Die 
Kiemenleistchen  enthalten  nämlich  aufser  dem  knorpeligen  Faden  auch 
einen  contractilen  Strang.  Denn  wurde  bei  einem  lebenden  Thierchen 
das  Kiemengerüst  zergliedert  und  Stücke  abgeschnitten,  so  zeigte  sich 
nicht  sogleich,  aber  bald  nachher  ein  wellenförmig  hin  und  her  gebogener 
doppelter  Strang  an  den  straffen  Knorpelstäbchen.  Entweder  sind  diese 
an  quer  durchschnittenen  Kiemen  sich  wellig  biegenden,  dicht  neben  ein- 
ander liegenden  Stränge  Muskeln  oder  auch  die  Kiemengefäfse.  Zuwei- 
len wurden  unter  dem  Mikroskop  sehr  heftige  Bewegungen  des  Kiemen- 
thorax gesehen.  Ob  die  bei  der  Beschreibung  des  letztem  erwähnten  gelb- 
lichen Bänder,  welche  die  Knorpelchen  oben  und  unten  Zusammenhalten, 
auch  contractil  sind,  müssen  wir  dahin  gestellt  sein  lassen. 

Nervensystem. 

Rathke  (^)  und  Goodsir  (^)  lassen  das  Rückenmai’k  nach  beiden 
Enden  sich  verjüngen  und  vorn  und  hinten  spitz  auslaufen.  Wir  haben  das 
centrale  Nervensystem  nach  vorne  immer  stumpf  und  abgerundet  gesehen. 
Das  Pvückenmark  ist  allerdings  in  der  Mitte  der  Länge  des  Thiers  etwas  dik- 


(-)  p.l2. 

(0  p.251. 


94 


M ÜLLEK  üher  den  Bau  und  die  Lehenserscheinungen 

ker  und  wird  nach  vorn  und  hinten  allmählig  dünner;  aber  nach  vorn  zu  be- 
trägt diese  Verjüngung  nur  äufserst  w'enig.  Allerdings  fehlen  am  vorderen 
Theil  des  centralen  Nervensystems  die  Anschwellungen,  welche  man  bei  an- 
deren Thieren  am  Gehirne  wahrnimmt  und  es  giebt  beim  Branchiostoma 
keine  Absonderung  dieses  Systems  in  den  Hirntheil  und  Spinaltheil;  da  aber 
am  vorderen  stumpfen  Ende  des  centralen  Nervensystems  das  Auge  aufsitzt 
und  der  Sehnerve  abgeht,  so  beweisen  wir  hieraus,  dafs  das  Vorderende 
wirklich  auch  das  Vorderende  des  Gehirns  ist  und  können  die  Ansicht  von 
Hrn.  Rathke  nicht  theilen,  dafs  das  centrale  Nervensystem  von  Branchio- 
stoma nur  allein  dem  Rückenmarke  der  übrigen  Wirbelthiere  gleich  zu  stel- 
len sei. 

Die  Form  des  centralen  Nervensystems  ist  von  Rathke  (^)  undGood- 
sir  verschieden  angegeben.  Nach  dem  ersteren  stellt  es  eine  Röhre  von  sehr 
dicken  Wänden  dar,  deren  Querdurchschnitte  als  ungleichseitige  sphärische 
Dreiecke  erscheinen,  ist  daher  von  dem  platten  bandartigen  Rückenmark  der 
Gyclostomen  ganz  abweichend.  Seine  schmälere  Seite  ist  etwas  concav  und 
liegt  der  Chorda  auf,  die  längeren  Seiten  sind  ein  wenig  convex  und  die 
Kante,  zu  der  sie  sich  nach  oben  vereinigen,  ist  stumpf.  Der  Canal  ist  eng, 
stark  zusammengedrückt,  höher  als  breit.  Gleich  unter  diesem  befindet  sich 
durch  die  ganze  Länge  des  Rückenmarkes  ein  Zug  von  Pigmentpunkten. 
Hr.  Goodsir  (^)  sagt,  dafs  das  Rückenmark  in  seinem  mittlei’en  Drittheil 
die  Form  eines  Bandes  habe,  dessen  Dicke  oder  4^  seiner  Breite  betrage, 
entlang  dieser  Strecke  befinde  sieh  an  seiner  obern  Fläche  eine  breite  aber 
seichte  Rinne;  die  andern  zwei  Drittheile  seien  nicht  so  flach  und  ohne 
Rinne.  Ein  Streifen  schwarzen  Pigmentes  verlaufe  längs  der  Mitte  der 
obern  Fläche  des  Rückenmarkes,  welches  an  der  bezeichneten  Stelle  die 
obere  Rinne  einnehme.  Nach  unseren  Untersuchungen  befindet  sich  das 
Pigment  im  untern  Theile  des  Rückenmarkes  und  es  ist  zu  vermuthen,  dafs 
Hr.  Goodsir  nicht  die  ganze  Dicke  des  Rückenmarkes  vor  sich  gehabt  hat. 
Dieser  Theil  der  Anatomie  unseres  Thierchens  hat  seine  besonderen  Schwie- 
rigkeiten. Es  gelingt  sehr  schwer,  das  Rückenmark  durch  Aufschneiden  des 
Ganals,  worin  es  liegt,  wie  Hr.  Goodsir  that,  herauszunehmen.  Dünnere 


(G  p.l2. 
C)  p.251. 


des  Brajichiostoma  luhricum  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  95 

Querdurchschnitte  gelingen  indefs  wohl  und  führen  zu  dem  erwähnten  Er- 
gebnifs,  welches  mit  demjenigen  von  Hrn.  Rathke  übereinstimmt.  Den  von 
Hrn.  Rathke  beschriebenen  Canal  habe  ich  zwar  an  den  meisten  dieser 
Querschnitte  nicht  sehen  können;  aber  an  anderen  sind  seine  Umrisse  so 
scharf  gewesen,  dafs  ich  ihn  nicht  für  eine  durch  den  Durchschnitt  hervorge- 
brachte künstliche  Zerreifsung  halten  konnte.  Dieser  Canal  entspricht  of- 
fenbar nicht  blofs  den  Hirnvertikeln,  sondern  vielmehr  dem  primitiven  Ca- 
nal des  Rückenmarkes  bei  dem  Embryon  der  übidgen  Thiere  zu  der  Zeit,  wo 
sich  die  Rückenmarkplatten  zu  einem  Canal  geschlossen.  Die  Piguientzellen 
reichen  beinahe  durch  das  ganze  centrale  Nervensystem,  doch  hören  sie  schon 
eine  kleine  Strecke  vor  dem  vordem  stumpfen  Ende  desselben  über  der  Mitte 
des  Mundes  auf.  i 

Was  die  Nerven  betrifft,  so  hat  bereits  Hr.  Rathke  (‘)  die  Bemer- 
kung gemacht,  dafs  sie  sich  nur  so  wie  Rückenmarknerven  anderer  Wirbel- 
thiere  verhalten  und  dafs  weder  vagus,  noch  tiigeminus  und  facialis,  noch 
Sinnesnerven  aufzufinden  seien.  Diese  Thatsache  hat  sich  für  den  gröfsten 
Theil  der  Nerven  bestätigt,  dagegen  allerdings  die  Sinnesorgane  und  beson- 
deren Sinnesnerven  nicht  ganz  fehlen.  Die  Verbreitung  der  Rückenmarks- 
nerven ist  von  Hrn.  Goodsir  (^)  bereits  ganz  richtig  angegeben. 

Am  vordem  stumpfen  Ende  des  centralen  Nervensystems  sitzt  äufser- 
lich  jederseits  ein  schwarzer  Pigmentlleck,  welcher  offenbar  das  Auge  ist  in 
dem  rudimentären  Zustande,  wie  es  bei  den  Würmern  vorkommt,  ohne  alle 
optische  Apparate.  Es  ist  dies  der  von  Hrn.  Retzius  (^)  bereits  beobach- 
tete schwarze  Körper.  Von  einem  Geruchs-  und  Gehörorgan  zeigte  sich 
keine  Spur  (‘^). 

Die  Nerven  sind  sehr  uniform  angelegt,  nach  dem  Typus  der  spinalar- 
tigen Nerven.  Der  erste  dieser  Nerven  tritt  in  geringer  Entfernung  hinter 


O P-13. 

(D  p.252. 

(g)  Monatsbericht,  1839.  198. 

('*)  Das  Geruchsorgan  ist  seither  von  Firn.  Kölliker  entdeckt,  es  ist  nur  einseitig  und 
wahrscheinlicli  deswegen  von  uns  übersehen  worden;  es  stellt  ein  Becherchen  dar,  dessen 
innere  Fläche  mit  Wimpern  von  riimmerhewegung  besetzt  ist.  Die  \Vimperhewegung  an 
dieser  Stelle  führt  zu  dessen  Wahrnehmung.  Kölliker  in  Müll.  Archiv  f.  Anat.  u.  Phy- 
siol.  1843.  p.32.  Zusatz. 


I 


96 


M ÜLLER  über  den  Bau  und  die  Lehenser'scheinungen 


dem  Vorderende  des  centralen  Nervensystems  über  dem  vordem  spitzen 
Ende  der  Seitenmuskeln  hervor  und  breitet  sich  mit  3 Asten  an  der  Schnautze 
aus,  von  welchen  der  erste  grade  über  dem  vordersten  Ende  der  Chorda  fort- 
geht, die  beiden  andern  schief  an  den  Seiten  der  Schnautze  vor  dem  Munde 
hinabsteigen.  Dieser  Nerve  ist  etwas  dicker  als  alle  folgenden  Nerven,  er 
gleicht  nicht  ganz  dem  NejTus  irigeminus,  sondern  nnr  einem  Theil  dessel- 
ben, da  die  Seiten  des  Mundes  und  der  gröfsere  Theil  des  Kopfes  nicht  mehr 
von  ihm,  sondern  bereits  von  den  fünf  folgenden  Spinalnerven  versehen 
werden. 

Jeder  Spinalnerve  am  ganzen  Körper  theilt  sich  bei  dem  Hervortreten 
in  einen  obern  dünnem  und  untern  starkem  Ast,  welcher  schief  nach  vorn 
und  sofort  nach  unten  herabsteigt,  bis  zur  Bauchseite  sich  verzweigend.  Die 
Zahl  der  Nerven  stimmt  genau  mit  der  Zahl  der  Abtheilnngen  in  den  Seiten- 
muskeln, zwischen  welchen  sie  Vorkommen.  Der  erste  stärkere  Kopfnerve 
hinter  dem  Auge  kommt  am  obern  Rande  des  ersten  Segments  der  Seiten- 
muskeln hervor,  der  nächste  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Segmente  u. 
s.  w.  Die  Nerven  der  Kiemen  sind  wahrscheinlich  Zweige  der  Spinalnerven. 

Pväderorgan  in  der  Mundhöhle. 

Von  den  Franzen  zwischen  Mund-  und  Kiemenhöhle  mufs  man  ge- 
wisse, an  den  Innern  Flächen  des  Mundes  liegende,  nach  vorn  gerichtete 
fingerförmige  Figuren  unterscheiden,  welche  über  einander  gelegen,  jeder- 
seits  eine  Reihe  bilden.  Sie  bilden  ein  diesen  Thierchen  zukommendes 
in  der  Mundhöhle  selbst  liegendes  Räderorgan.  Die  das  Phänomen  der  Rä- 
derorgane dai’bietenden  Figuren  treten  nicht  frei  über  die  Mundschleimhaut 
hervor,  sondern  sind  blofs  in  der  verschiedenen  Structur  der  Mundschleim- 
haut an  diesen  Stellen  begründet.  Die  fingerförmigen  Figuren  sind  nämlich 
der  Anfang  des  wimpernden  Theils  der  Schleimhaut.  Die  ganze  übrige 
Mundhöhle  vor  den  fingerförmigen  Figuren  wimpert  nicht,  auch  zwischen 
den  fingerförmigen  Fortsätzen,  bis  da  wo  sie  nicht  weiter  getrennt  sind,  fehlt 
diese  Bewegung.  Auch  an  todten  und  in  Weingeist  aufbewahrten  Thieren 
sieht  man  zuweilen  einen  undeutlichen  Ausdruck  der  fingerförmigen  Contu- 
ren  in  der  Schleimhaut.  Aber  im  lebenden  Zustande  treten  diese  Conturen 
durch  das  an  ihnen  ablaufende  optische  Phänomen  der  Räderorgane  der  Rä- 


des  Bj'anchiosloina  lubricum  Costa,  Ainphioxus  lanceolaius  Yarrell  97 


clertliiere  auf  das  bestimmteste  hervor.  Dieses  Phänomen  ist  die  Folge  der 
Wimperbewegung.  Die  Erscheinung  besteht  in  einer  Pveihe  von  in  einer 
Richtung  fortlaufenden  regelmäfsig  auf  einander  folgenden  Wellen.  Die  Be- 
wegung folgt  genau  dem  Rande  aller  Lappen  und  setzt  in  den  Einschnitten 
zwischen  denselben  von  einem  zum  andern  über,  sie  geht  am  obern  Rande 
der  fingerförmigen  Figuren  vorwärts,  biegt  am  Ende  derselben  um  und  geht 
am  untern  Rande  derselben  rückwärts  (Tab.  II.  fig.  5).  Wenn  man  diese  Er- 
scheinung zum  erstenmal  sieht,  so  hält  man  die  Wellen  für  die  Wfimpern 
selbst  und  stellt  sich  vor,  dafs  die  Strömung  der  Flüssigkeit  der  Richtung 
der  Räderbewegung  gleichen  müsse.  Dem  ist  aber  nicht  so.  Diese  Bewegung 
drückt  nicht  die  Richtung  aus,  in  welcher  die  Wimpern  schlagen,  sondern 
die  Weise,  in  welcher  sich  die  Wimpern  oder  vielmehr  Haufen  von  Wimpern 
auf  einander  in  ihrer  Bewegung  folgen.  Die  Richtung  der  Bewegung  der 
Wimpern  und  der  dadurch  bedingte  Strom  der  Flüssigkeiten  entlang  den 
Wänden  der  wimpernden  Oberfläche  ist,  wie  auch  am  Räderorgane  der  Rä- 
derthiere,  eine  ganz  andere.  Man  erkennt  sie  bei  unserm  Thierchen,  wenn 
man  dem  Wasser,  w'orin  es  sich  befindet,  fein  gepulverten  Indigo  zusetzt 
Dieser  bewegt  sich  dann  uniform  an  allen  Lappen  gerade  nach  rückwärts,  d. 
h.  aus  der  Mundhöhle  nach  der  Kiemenhöhle. 


Feinerer  Bau  des  Kiemensclilauclis,  Wimperbewegung. 

Die  Knorpel  des  Kiemengerüstes  werden  an  ihren  oberen  Enden  je- 
derseits  durch  ein  Band  verbunden;  in  der  Mitte,  zwischen  beiden,  liegt  oben 
nur  Schleimhaut,  unten  dagegen  ist  nur  ein  einziges  breiteres  Band  in  der 
Mitte  zwischen  den  Knorpelleisten  beider  Seiten,  ein  ziemlich  dicker  Faser- 
Knorpel  in  Form  einer  Hohlkehle.  Die  untern  Enden  der  Bogenfenster  sind 
auf  die  äufsere  Fläche  der  Kehle  aufgesetzt.  Die  Ränder  der  Hohlkehle  sind 
bogenförmig  ausgezackt,  so  dafs  die  spitzen  Zacken  sich  an  jeden  dritten 
Knorpelstab  d.h.  an  diejenigen  Knorpelleisten  befestigen,  welche  sich  unten 
theilen.  Die  Befestigung  der  Zacke  ist  gerade  an  der  Theilung  dieser  Stäbe. 
Die  Mittelstäbe  der  Spitzbogenfenster  sind  nicht  am  Rande  des  Mittelbalkens 
angeheftet,  nur  das  äufserste  Ende  dieser  Leiste  ist,  wie  auch  die  getheilten 
Leisten,  auf  der  Aufsenfläche  der  Hohlkehle  befestigt.  Auf  diese  Weise  rei- 
chen die  Lücken  der  Spitzbogen  noch  etwas  tiefer  über  den  Rand  des  Mittel- 
Phjsih.-math.  Kl.  1842.  N 


98  Müller  über  den  Bau  und  die  Lebenserscheinungen 

balkens  hinaus  bis  zur  Anheftung  der  Enden  der  Spitzbogen  auf  der  Aufsen- 
fläche  der  Hohlkehle. 

An  dem  Mittelbalken  erkennt  man  mehr  oder  weniger  deutlich  Zu- 
sammensetzung aus  einigen  Längs -Bündeln,  seine  obere  Fläche  ist  von  der 
Schleimhaut  bedeckt,  die  hier  ein  körniges  Ansehen  und  auf  ihrer  Oberfläche 
der  Länge  nach  verlaufende  faltenartige  Leisten  hat,  welche  leicht  für  Gefäfse 
gehalten  werden  können,  was  sie  nicht  sind. 

Die  Schleimhaut  bekleidet  die  Knorpelstäbchen  von  der  Innern  Seite, 
ohne  von  einem  Stäbchen  quer  auf  das  andere  überzugehen,  also  ohne  die 
dazwischen  befindlichen  Spalten  auszufüllen.  Es  sind  daher  eben  so  viele 
Spalten  an  den  Wänden  der  Kiemen,  als  Zwischenräume  zwischen  den  Knor- 
pelstäbchen, so  dafs  bei  erwachsenen  Individuen  gegen  100  und  mehr  Kie- 
menspalten in  der  Seitenwand  des  Kiemengerüstes  liegen,  welche  blofs  durch 
die  Querleistchen  unterbrochen  werden.  Die  Zahl  der  Spalten  nimmt  mit 
der  Zahl  der  Abtheilungen  mit  dem  Alter  zu.  Da  die  Schleimhaut  sowohl 
an  den  Seitenrändern  der  Spalten,  wie  an  der  innern  Fläche  der  Leisten 
dicht  mit  Wimpern  besetzt  ist  und  die  Spalten  an  sich  schon  enge  sind,  so 
bleibt  zwischen  den  Wimpern  der  einen  und  andern  Seite  einer  Spalte  nur 
eine  sehr  feine  solutio  continui  übrig.  Rathke  und  Goodsir  hielten  die 
Wände  des  Kiemenschlauchs  für  geschlossen  nur  in  die  Speiseröhre  führend, 
und  betrachteten  den  Amphioxus  als  ein  Thier  ohne  Kiemenspalten.  Die 
von  der  Schleimhaut  gebildeten  Abtheilungen  der  Kiemenwände  entsprechen 
überall  genau  den  Spitzbogenfenstern  der  Knorpelstäbchen,  nur  am  vorder- 
sten Theil  des  Kiemenschlauches  entfernen  sie  sich  oben  etwas  davon  und 
die  Spitzbogen  des  Knorpelgerüstes  sind  höher  als  die  Kiemenspalten  lang. 
Die  Wand  der  Kiemenleisten  enthält  auch  Pigmentkörner. 

Auch  an  den  Kiemen  sieht  man  unter  dem  Mikroskop  eine  doppelte, 
durch  die  Wimpern  verursachte  Bewegung.  Die  eine  folgt  den  Rändern  der 
Kiemenspalten  und  besteht  in  einer  sehr  regelmäfsigen  Folge  von  kleinen 
Wellen,  sie  gehen  am  vordem  Rande  der  Kiemenleisten  aufwärts,  am  hintern 
abwärts.  Diese  Bewegung  ist  die  Erscheinung  der  Räderorgane,  die  Richtung 
des  Schlags  der  Wimpern  ist  eine  davon  ganz  verschiedene,  wie  man  an  dem 
durch  die  Kiemenhöhle  durchströmenden  Indigo  sieht. 

Der  Indigo  wird  durch  die  Wimperbewegung  theils  durch  die  Kie- 
menhöhle bis  in  die  Speiseröhre  und  den  Darm  geführt,  besonders  oben 


des  Branchiostoma  lubricum  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  99 

und  unten,  theils  gelangen  die  Indigotheilchen  durch  die  zahlreichen  Kie- 
menspalten in  die  Bauchhöhle,  wie  man  unter  dem  Mikroskop  sehr  schön 
beobachtet.  In  der  Bauchhöhle,  die  selbst  keine  Wimperbewegung  besitzt, 
fliefsen  die  Indigotheilchen  mit  dem  sie  begleitenden  Wasser,  von  dem  innern 
Strome  gedrängt,  in  der  erhaltenen  Bewegung  rasch  fort  und  es  dringt  unauf- 
hörlich ein  Strom  von  Wasser  und  Indigotheilchen  aus  dem  porus  abdomi- 
nalis hervor.  Die  seitlichen  Lippen  des  porus  abdominalis  bewegen  sich 
rhythmisch,  die  Öffnung  erweiternd  und  verengend.  Hinter  dem  porus  ab- 
dominalis hört  der  dem  Wasser  zugängliche  Bauchhöhlenraum  ganz  auf,  und 
die  musculösen  Leibeswände  umfassen  sehr  enge  das  Endstück  des  Darms. 
Aus  dem  Vorhergehenden  erhellt,  dafs  die  von  Hrn.  Retzius  aufgestellte 
Ansicht  über  die  Bedeutung  des  porus  abdominalis  als  Respirationsöffnung 
zur  Ausführung  des  Wassers,  welche  sich  auf  den  von  ihm  beobachteten 
Übergang  von  Quecksilber  aus  den  Kiemen  durch  den  porus  abdominalis 
gründete,  auf  das  vollkommenste  bestätigt  worden.  Die  Höhle,  worin  die 
Kiemen  und  der  vordere  Theil  des  Darms  mit  dem  Blindsack  oder  der  Leber 
liegen,  ist  also  jedenfalls  Athemhöhle  und  der  Kiemenhöhle  der  Fische  zu 
vergleichen,  besonders  derjenigen,  die  nur  einen  einzigen  unpaaren  porus 
respiratorius  besitzen,  wie  die  Symbranchus.  Aber  sie  ist  auch  zugleich 
Bauchhöhle,  da  in  dieser  Höhle  zugleich  ein  grofser  Theil  des  Traclus  inte- 
stinalis, Geschlechtstheile  und  Nieren,  gelegen  sind.  Eigentlich  liegt  auch 
das  an  der  untern  Wand  des  Kiemengerüstes  verlaufende  Herz  ohne  Herz- 
beutel darin. 

Die  Wimperbewegung  fehlt  an  den  Franzen  am  Eingang  der  Kiemen- 
höhle, gleichwie  an  den  Querstäben  der  Kiemen,  von  den  Kiemen  setzt  sie 
sich  durch  den  ganzen  Darm  fort  und  es  scheint,  als  wenn  sie  bestimmt  wäre, 
die  Muskelbewegung  zu  ersetzen  oder  zu  unterstützen,  die  wir  niemals  an 
dem  Darmkanal  wahrnahmen,  dahingegen  der  Inhalt  des  Darms  rasch  fort- 
schreitet. 

Darmkanal  und  blindsackförmige  Leber.  Wimperbewegung. 

Der  Darm  zerfällt  in  mehrere  Regionen.  Der  Kiemenschlauch  setzt 
sich  in  einen  kurzen,  engen  Canal  fort,  die  Speiseröhre,  welche  sich  in  den 
viel  weiteren  Darm  öffnet,  dieser  weitere  Theil  des  Darms  ist  immer  grün 

N2 


100  Müller  über  den  Bau  und  die  Lebenserscheinungen 

gefärbt,  beide  unterscheiden  sich  von  einander  durch  ihre  Farbe.  Gleich 
hinter  der  Einmündung  der  Speiseröhre  geht  von  dem  Darm  ein  langer  Blind- 
sack (‘)  ab,  welcher  neben  der  hinteren  Hälfte  des  Kiemenschlauches  und 
an  dessen  rechter  Seite  liegt.  Er  ist  fast  so  weit  als  der  weitere  Theil  des 
Darms  selbst.  Der  Darm  verengt  sich  nach  hinten  allmählig,  besonders  hin- 
ter dem  porus  abdominalis,  wo  er  den  weitern  Bauchhöhlenraum  verläfst  und 
enger  von  den  Leibeswänden  umschlossen  wird.  Er  öffnet  sich  an  der  als  Af- 
ter bezeichneten  Stelle. 

Der  Blinddarm  ist  von  allen  Seiten  frei  ohne  Gekröse,  aber  das  Ende 
desselben  ist  durch  mehrere  bandartige  Fäden  an  einigen  der  Knorpelleisten 
des  Kiemenschlauches  angeheftet. 

Der  Darm  hängt  der  Rückenwand  der  Bauchhöhle  ohne  Gekröse  an. 

Was  wir  in  der  früheren  Mittheilung  als  Blindsack  des  Darms  bezeich- 
neten und  Hr.  Rathke  dem  Magen  vergleicht,  ist  zufolge  unserer  neueren 
Beobachtungen  nichts  anderes  als  die  Leber,  welche  bisher  bei  diesem  Thiere 
vermifst  wurde.  Der  weitere  Theil  des  Darms  ist  immer  grün  gefärbt,  die 
Speiseröhre  nicht,  auch  der  von  dem  weitern  Theil  des  Darms  ahgehende 
Blindsack  ist  in  seinen  Wänden  immer  grün  gefärbt.  Die  Färbung  gehört 
der  innern  Schichte  des  Schlauches  an  und  rührt  von  einer  drüsigen  Beschaf- 
fenheit her,  die  man  auf  Durchschnitten  als  eine  senkrecht  stehende  Faser- 
schicht der  Darmwände  bemerkt.  Der  grün  gefärbte  Theil  des  Darms  hört 
mit  einer  scharfen  Grenze  auf,  von  da  ab  hat  der  hintere  Darm  eine  helle 
Färbung,  übrigens  sind  die  Wände  des  grünen  Theils  des  Darms  und  des 
Blinddarms  nicht  dicker  als  an  anderen  Stellen  des  Darms.  Offenbar  ist  die 
ganze  grüne  Region  des  Darms  mit  dem  Blinddarm  als  Leber  zu  betrachten. 
Sie  ist  noch  mit  den  Wänden  des  Darms  identisch  und  zum  Theil  Ausstülpung 
desselben  wie  beim  Foetus  der  höheren  Thiere.  Der  Blindsack  verhält  sich 
auch  hinsichtlich  der  Blutgefäfse  als  Leber,  wie  wir  nachher  sehen  werden; 
denn  die  Vene,  welche  das  Blut  von  dem  übrigen  Theil  des  Darms  zurück- 
bringt, w'ird  zu  einer  vena  arteriosa  des  Blindsacks,  zur  Pfortader  desselben 
und  das  so  zugeführte  Blut  gelangt  erst  wieder  durch  eine  eigentliche  Leber- 
vene zurück,  alles  ganz  so  wie  an  der  Leber  der  übrigen  Thiei’e. 


(')  Müller,  Monatsbericht,  1839.  p.  199.  Rathke,  p.  21. 


des  Branchiostoma  lubricum  Costa,  Amphioxus  lanceolalus  YarreU.  101 

Der  ganze  Darmschlauch  ohne  Ausnahme  wimpert  im  Innern,  auch 
der  Blindsack.  Am  stärksten  ist  aber  die  Wimperbewegung  in  einer  Strecke 
des  Darms,  welche  unmittelbar  auf  die  grüne  Region  folgt.  In  diesem  Stück 
des  Darms  beginnt  schon  die  Excrementbildung,  immer  findet  man  hier  auch 
bei  Individuen,  die  nicht  mit  Indigo  gefüttert  sind,  einen  Strang  brauner, 
also  von  Galle  gefärbter  Materie,  der  sich  durch  die  sehr  lebhafte  Wimper- 
bewegung schnell  um  seine  Achse  dreht.  Das  Thierchen  lebt  übrigens  blofs 
von  Infusorien  und  mikroskopischen  Thierchen,  die  es  nicht  verschlingt,  die 
vielmehr  durch  die  blofse  Wimperbewegnng  in  einem  fort  ihm  Zuströmen. 
Nur  selten  sieht  man  die  an  der  Grenze  zwischen  Mund  und  Kiemenschlauch 
befindlichen  Franzen  nach  innen  bewegt  werden,  die  einzige  Bewegung,  die 
man  einer  Schlingbewegung  vergleichen  könnte.  Aber  unter  dem  Mikroskop 
sieht  man  völlig  unabhängig  davon  einen  beständigen  Strom  in  seinen  Mund 
eingehen,  wovon  ein  Theil  am  Ende  der  Kiemen  in  die  Speiseröhre  eintritt 
und  den  Darmkanal  passirt.  Die  Passage  dui’ch  den  Darm  ist  viel  langsamer 
als  durch  die  Kiemen.  In  den  Kiemen  strömen  die  Theilchen  von  vorn  nach 
hinten  und  durch  die  Kiemenspalten  heraus.  Im  Darm  hingegen  drehen  sie 
sich,  besonders  in  der  bezeichneten  Strecke  hinter  der  grünen  Region. 
Gleichwohl  ist  der  Durchgang  durch  den  Darm  verhältnifsmäfsig  rasch. 
Thierchen,  die  wochenlang  in  blofsem  Meerwasser  aufbewahrt  wurden,  bil- 
den doch  immerfort  im  hintern  Theil  des  Darms  dunkelgefärbte  Excremente 
und  oft  sieht  man  sie  in  langen  braunen  Schnüren  abgehen. 

Branchiostoma  ist  das  einzige  Wirbelthier,  welches  Wimperbewegung 
in  seinem  Darm  hat,  unter  den  Fischen  ist  es  auch  das  einzige,  dessen  Kiemen 
Wimpern,  selbst  den  Kiemen  der  Myxinoiden  fehlt  diese  Bewegung. 


Nieren. 

Am  hintersten  Theile  der  respiratorischen  Bauchhöhle  sieht  man  bei 
allen  lebenden  Individuen  unter  dem  Mikroskop  mehrere  von  einander  ge- 
trennte drüsige  Körperchen,  ganz  in  der  Nähe  des  porus  abdominalis.  Aus- 
führungsgänge wurden  nicht  wahrgenommen.  Vielleicht  sind  es  die  Nieren; 
aber  ich  mufs  bemerken,  dafs  ich  diese  Körperchen  bei  der  Zergliederung 
der  Thiere  nicht  wieder  auffinden  konnte. 


102 


Müller  über  den  Bau  und  die  Lehenserscheinunsen 

Ö 

Geschlechtstheile. 

Hr.  Costa  (*)  erwähnte  bereits  in  seiner  ersten  Mittheilung  die  bei- 
den Reihen  von  Eierstöcken  an  der  Bauchseite  der  Unterleibshöhle  {pacchi 
di  uova)  und  bemerkte,  dafs  bei  den  Männchen  Hoden  an  der  Stelle  der 
Eierstöcke  seien.  Die  Eierstöcke  sind  auch  von  Hrn.  Yarrell  (^)  als  Körper 
von  dem  Aussehen  der  Eier  angeführt  und  abgebildet.  In  unserer  ersten 
Mittheilung  (^)  ist  bemerkt,  dafs  diese  Theile  durch  Form  und  Lage  auf  den 
ersten  Blick  den  schleimabsondernden  Blasen  bei  den  Myxinoiden  gleichen, 
dafs  sie  sich  aber  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  ganz  anders  zeigen. 
Ich  bezeichnete  sie  als  traubenartige  Haufen  von  Zellen,  in  deren  jeder  ein 
trüber,  eiartiger  Körper  liegt  und  vermuthete,  dafs  die  Geschlechtsprodukte 
durch  den  porus  abdominalis  nach  aufsen  gelangen.  Hr.  Rathke  beschreibt 
sowohl  ihre  Befestigung  an  der  innern  Fläche  der  Bauchhöhle  dicht  unter- 
halb der  Seitenmuskeln  als  ihren  Bau.  Die  Grundlage  eines  jeden  ist  locke- 
rer Zellstoff,  der  rings  von  einer  dünnen,  festen,  überall  geschlossenen  Hülle 
umgeben  wird.  Die  eine  Seite  derselben  ist  an  die  Bauch  wände  angewachsen, 
die  übrigen  vom  Peritoneum  bedeckt,  das,  so  weit  es  ihnen  angehört,  eine 
bräunliche  Farbe  hat.  In  dem  lockern  Zellstoff  der  Körper  sind  sehr  viele 
kleine  gelbliche  kugelige  Körperchen  eingebettet,  von  denen  jedes  aus  einer 
geschlossenen  Haut  und  einer  körnigen,  dicklichen  Flüssigkeit  besteht.  Hr. 
Rathke  vermifst  ebenfalls  die  Analogie  mit  den  Schleimsäcken  der  Myxinoi- 
den und  hält  sie  für  die  Geschlechtsorgane.  Bei  einem  Individuum  fand  er 
dieselben  Eierchen  zum  Theil  frei  in  der  Bauchhöhle.  Bei  einem  andern  In- 
dividuum, das  er  für  ein  Männchen  hielt,  waren  an  der  Stelle  der  Eierstöcke 
ähnliche  aber  kleinere  Körper  von  weifser  Farbe,  die  Hoden.  Eileiter  und 
Samenleiter  fehlen,  die  Geschlechtsprodukte  können  nur  durch  die  Bauch- 
höhle nach  aufsen  gelangen. 

Bei  den  Untersuchungen  in  Bohuslän  konnten  wir  die  Geschlechter 
bei  gleich  grofsen  Individuen  schon  mit  einer  starken  Loupe  erkennen,  weil 
man  bei  den  Weibchen  sogleich  die  Dotter  der  Eierstöcke  w’ahrnimmt.  Je- 


(')  Cenni  zoologici  p.  49. 

(^)  A.  a.  O.  p.  471. 

(®)  Müller,  Monatsbericht.  1839.  p.  200. 


des  Branchiostoma  luhricum  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  103 

der  Dotter  enthält  aufser  sehr  kleinen  Dotterkörnchen  sein  Keimbläschen 
mit  einem  einzigen  immer  sehr  deutlichen  Keimfleck,  der  selbst  bläschenar- 
tig aussah.  In  den  gleich  grofsen  Männchen  enthielten  die  ganz  gleichen 
Geschlechtsorgane  nur  kleine,  bläschenartige  Körnchen  ohne  Bewegung. 
Die  Zoospermien  bilden  sich  wahrscheinlich  erst  im  reifem  Alter  aus  (^). 

Bei  jungen  Individuen  sieht  man  am  Rande  der  Seitenmuskeln  ent- 
sprechend einen  fadenartigen  Streifen  herablaufen,  in  dessen  Verlauf  kleine 
Anschwellungen  wie  an  einem  knotigen  Nervenstränge  Vorkommen.  Diese 
Knötchen  sind  die  ersten  Spuren  der  Genitalblasen. 

Gefäfssystem.  Blutbewegung. 

Über  das  Gefäfssystem  waren  die  früheren  Mittheilungen  sehr  unvoll- 
ständig. In  unserer  ersten  Mittheilung  ist  der  Stamm  der  Kiemenarterie  in 
der  untern  Mittellinie  des  Kiemenschlauches  zwischen  den  Enden  der  Kie- 
menrippchen angegeben  und  gesagt,  dafs  das  Herz  nur  schlauchartig  zu  sein 
und  in  der  Verlängerung  der  Kiemenarterie  nach  hinten  zu  liegen  scheine  (^). 

Hr.  Rathke  suchte  nach  einem  Herzen  vergeblich  und  bemerkt,  dafs 
der  Kreislauf  wegen  Mangel  des  Herzens,  wie  bei  den  Würmern,  nur  allein 
durch  die  Blutgefäfse  vermittelt  werden  könne  (^).  Nach  ihm  verlaufen  in 
der  unteren  Wand  des  Kiemenschlauches  von  hinten  nach  vorne  zu  beiden 
Seiten  der  Mittellinie  zwei  einander  gleiche  Gefäfse,  von  hinten  nach  vorn 
mäfsig  weiter  werdend.  Ein  jedes  sende  eine  Reihe  Kiemenzweige.  Den 
Ursprung  der  beiden  Gefäfse  konnte  Hr.  Rathke  nicht  angeben,  er  vermu- 
thete  ihn  im  Darmkanal.  Vorn  gehen  sie  in  die  ringförmige  Falte  zwischen 
Mundhöhle  und  Höhle  des  Kiemenschlauches  über  und  fliefsen  oben  unter 
der  Chorda  in  die  Aorta  zusammen.  Zu  beiden  Seiten  der  letzteren  befin- 
den sich  zwei  etwas  weitere  Gefäfse,  die  Cardinalvenen,  ihre  Zweige  glaubte 
er  aus  den  Kiemen  entspringen  zu  sehen.  Aufserdem  bemerkte  er  zwei  dünne 
Gefäfse  am  Lippenknorpel,  das  eine  am  obern,  das  andere  neben  dem  un- 


(’)  Hr.  Kölllker  hat  sie  seither  bei  reifen  Thlerchen  beobachtet.  Müll.  Arch.  1843. 
p.  32.  Zusatz. 

(^)  Müller  Im  Monatsbericht,  1839.  p.  199.  200. 

(’')  a.  a.  O.  p.  26. 


104  Müller  über  den  Bau  und  die  Lebenserschdnungen 

lern  Rande  an  der  äufseren  Seite  desselben  und  dafs  sich  an  jedem  Cirrus 
des  Lippenknorpels  zwei  noch  zartere  Gefäfse  befinden.  Aus  diesen  Wahr- 
nehmungen folgerte  Hr.  Rathke,  dafs  das  Blut  aus  den  Athmungsorganerx 
oxydirt  in  die  beiden  Gefäfse  in  der  untern  Wand  derselben  übergehe,  von 
der  Aorta  in  alle  Theile,  mit  Ausnahme  des  Athemorgans,  verbreitet  werde 
und  durch  die  oberen  Venen  rückkehrend  dem  Athemorgane  zugeführt  werde. 
Nach  dieser  Ansicht  würde  die  Anordnung  der  Hauptgefäfse  von  denen  aller 
übrigen  Fische  abweichen,  was  nach  unseren  Untersuchungen  nicht  der  Fall 
ist.  Die  beiden  von  Hrn.  Rathke  erwähnten  Gefäfse  in  der  unteren  Wand 
des  Kiemenschlauches  sind  wulstige  Falten  der  Schleimhaut,  welche  den 
Mittelbalken  des  Kiemengerüstes  bedeckt.  Die  beiden  oberen  Venenstämme, 
welche  Hr.  Rathke  deutlich  Zweige  aus  dem  Athemorgan  aufnehmen  sah, 
deuten  wir  als  die  gezahnten  Aufhängebänder  des  Kiemenschlauches,  dessen 
Zacken  sich  an  die  Kiemenrippchen  befestigen. 

Hr.  Goodsir  (‘)  hat  das  in  unserer  ersten  Mittheilung  von  1839  als 
Kiemenarterie  bezeichnete  Gefäfs  gesehen  und  mit  seinen  Zweigen  in  die 
Kiemenleisten  abgebildet  (^).  Nach  ihm  wird  es  vorn  und  hinten  dünner  und 
verliert  sich  hinten  in  der  Richtung  des  Darms.  Die  Kiemenzweige  verlaufen 
an  dem  Rande  der  Leisten  und  geben  unter  rechten  Winkeln  Zweige  nach 
der  nächsten  Rippe  ab,  dies  sind  vielmehr  die  Querstäbchen  des  Kiemenge- 
rüstes, welche  Hr.  Goodsir  sonst  nicht  erwähnt.  Ganz  richtig  läfst  er  nur 
halb  so  viele  Kiemenzweige  aus  dem  Stamm  der  Kiemenarterie  abgehen,  als 
Kiemenrippchen  sind,  indem  nur  die  gabeligen  Rippen  einen  Ast  erhalten. 
Am  entgegengesetzten  Rande  aller  Kiemenrippen  liegen  nach  ihm  andere  Ge- 
fäfse, sie  anastomosiren  nach  ihm  bogenförmig  und  setzen  sich  dann  in  die 
Aorta  fort(^).  Diese  Anastomosen  sind  nicht  unwahrscheinlich,  da  sie  bei 
allen  anderen  Fischen  und  ganz  ähnlich  bei  den  Myxinoiden  stattfinden ; aber 
es  ist  Täuschung  möglich,  da  die  Kieraenrippchen  selbst  oben  durch  voll- 
ständige Arkaden  Zusammenhängen,  auch  das  ligamentum  denticulatum  des 
Kiemenschlauches  mit  seinen  Arkaden  und  zackenartigen  Befestigungen  einen 
solchen  Anschein  hervorbringt. 


(')  A.  a.  O.  p.  255. 

(D  Ebend.  Taf.V.  fig.  14.  c. 

(^)  Ebend.  Taf.V.  fig.  14  und  15. 


des  Branchiostoma  luhricum  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  105 

Das  Gefäfssystem  konnte  blofs  an  lebenden,  jungen  noch  durchsich- 
tigen Thieren  in  einiger  Vollständigkeit  erkannt  werden  und  sind  darüber 
durch  die  in  Bohuslän  angestellten  Untersuchungen  wichtige  neue  Aufschlüsse 
verbreitet  worden.  Es  theilt  zwar  die  allgemeine  Anordnung  mit  den  Fi- 
schen, unterscheidet  sich  aber  in  Hinsicht  des  Herzens  von  ihnen  und  allen 
Wirbelthieren  und  zeigt  eine  auffallende  Übereinstimmung  mit  den  Würmern, 
indem  sowohl  die  Herzen  mehrfach  sind  als  auch  die  Gestalt  und  Verbrei- 
tung der  Blutgefäfse  besitzen  und  sich  über  weite  Strecken  hin  ausdehnen. 
Dieser  Theil  der  Anatomie  war  mit  den  meisten  Schwierigkeiten  verbunden 
und  wurde  am  spätesten  aufgeklärt.  Nach  unserer  Vermuthung  mufste  das 
Herz  schlauchartig  sein  und  es  war  nicht  ganz  unrecht,  wenn  ich  in  mei- 
nem Nachtrag  zu  Hrn.  Retzius  erster  Mittheilung  sagte,  dafs  das  Herz  in 
der  Verlängerung  der  Kiemenarterie  nach  hinten  schlauchartig  zu  liegen 
scheine,  wo  wir  in  der  That  auch  ein  rühriges  Gebilde  wahrnahmen.  Nach- 
dem wir  lange  vergebens  an  dieser  Stelle  nach  Pulsation  gesucht,  wurde  diese 
zuerst  von  Hrn.  Retzius  in  dem  Oberhäuserschen  Mikroskop,  die  Pulsation 
der  übrigen  Herzen  dann  von  mir  gesehen. 

I.  Das  Arterienherz.  Es  liegt  als  eine  gleichförmig  dicke  Röhre 
unter  der  ganzen  Länge  des  Kiemenschlauches  in  der  Mittellinie,  wo  sonst 
die  Kiemenarterie  liegt,  zwischen  und  unter  den  bogenförmigen  Enden  des 
Kiemengerüstes  beider  Seiten,  welche  sich  alternirend  gegenüberliegen,  so 
dafs  die  Herzröhre  unter  den  Spitzen  dieser  Bogen  leicht  wellenförmig  hin 
und  her  gewunden  ist.  Es  ist  keine  Spur  eines  Herzbeutels  vorhanden, 
das  Herz  also  wie  die  Kiemenleisten  einerseits  vom  Peritoneum  üherzoeen. 

D 

Nach  hinten,  wo  der  Kiemenschlauch  aufhört,  setzt  sich  das  Herz  noch  eine 
kurze  Strecke,  nämlich  bis  ans  Ende  der  Speiseröhre,  fort.  Hier  hängt  es 
durch  Umbiegung  mit  dem  ebenfalls  röhrenförmigen  Hohlvenenherzen  zu- 
sammen. Man  sieht  das  Herz  bei  der  Profilansicht  von  der  letztgenannten 
Stelle  an  schnell  fortschreitend  sich  in  ganzer  Länge  bis  zum  vordersten  Ende 
der  Kiemen  oder  bis  gegen  die  Mundhöhle  zusammenziehen.  Die  Contra- 
ctionen  beginnen  zwar  am  Hintertheil,  aber  sie  vollenden  sich  schnell  in  der 
ganzen  Länge  des  Herzens.  Vor  der  Contraction  ist  das  Herz  mit  einem 
völlig  farblosen  Blut  vollgefüllt  und  ragt  in  der  Profilansicht  am  untern  Rande 
der  ganzen  Länge  des  Kiemengerüstes  vor,  im  Maximum  der  Contraction 
zieht  es  sich  so  stark  zusammen,  dafs  man  nur  noch  eine  Spur  von  einem 
V hjsüi.-math.  Kl  1842.  O 


106 


Müller  über  den  Bau  und  die  Lehenserscheinunsen 

Saume  sieht,  der  jetzt  in  gleichem  Niveau  mit  den  Enden  der  Spitzbogen  der 
Kiemen  liegt,  unter  welchen  das  Herz  im  vollen  erweiterten  Zustande  stark 
sich  erhebt.  Die  Pausen  zwischen  den  Contractionen  des  Herzens  sind  grofs 
und  dauern  wohl  gegen  eine  Minute,  unterdefs  sich  die  Röhre  allmählig  wie- 
der vollgefüllt. 

II.  Bulbillen  der  Kiemenarterien.  Vom  Herzen  gehen  seitlich 
sehr  regelmäfsig  abwechselnd  kleine  Bulbillen  in  die  Zwischenräume  zwischen 
je  zwei  Spitzbogen  der  Kiemen,  die  Anfänge  der  eigentlichen  Kiemenarte- 
rien. Man  sieht  in  der  Profilansicht  die  Bulbillen  sich  ebenfalls  zusaramen- 
ziehen  und  zwar  unmittelbar  auf  die  Contraction  des  Mittelherzens.  Aufser 
dem  Mittelherzen,  welches,  wie  wir  sehen  werden,  mehr  als  blofses  Kiemen- 
herz ist,  sind  also  noch  eben  so  viele  kleine  Kiemenherzen  vorhanden,  als 
Balken  zwischen  den  ganzen  Spitzbogenfenstern  der  Kiemen,  d.  h.  beim  jun- 
gen Thier  25,  bei  älteren  50  und  mehr  auf  jeder  Seite.  So  gelangt  das  Blut 
in  die  Kiemen,  wo  es  nicht  weiter  zu  verfolgen  ist,  die  Zweige  für  die  Mit- 
telleisten der  Spitzbogenfenster  gelangen  ohne  Zweifel  vermittelst  der  Quer- 
balken des  Kiemengerüstes  zu  jenen. 

Die  Kiemenvenen  sind  am  lebenden  Thierchen  nicht  sichtbar.  Wird 
der  Kiemenschlauch  vorsichtig  von  der  Rückenwand  abgelöst,  unten  aufge- 
schnitten und  die  Rückenwand  desselben  ohne  Zerreifsung  auf  einer  Glasta- 
fel ausgebreitet,  so  sieht  man  die  Aorta  an  der  dorsalen  Mitte  des  Kiemen- 
schlauches und  die  Kiemenvenen  von  jeder  Leiste  des  Kiemenschlauches 
quer  abgehen  und  sich  in  die  Aorta  einsenken.  Die  Zahl  der  Kiemen- 
venen entspricht  also  nicht  der  Zahl  der  untern  Spitzbogen,  sondern  der 
Zahl  der  Kiemenleisten  überhaupt,  da  die  Kiemenleisten  oben  nicht  je  drei 
zu  einem  Spitzbogen  mit  Mittelbalken  verbunden  sind,  sondern  vielmehr 
oben  alle  ohne  Unterschied  arkadenmäfsig  sich  verbinden. 

III.  Herzartige  Aortenbogen.  Das  Blut  gelangt  indefs  nicht  al- 
lein auf  diesem  Wege  in  die  Aorta,  sondern  zugleich  jederseits  durch  einen 
Aortenbogen  oder  Ductus  Botalli  direct  aus  dem  untern  Mittelherzen  zur 
Rückseite,  völlig  unabhängig  von  den  Kiemen.  Dieser  Ductus  Botalli  ist 
selbst  wieder  Herz  oder  die  Fortsetzung  des  Mittelherzens  und  ist  fast  eben 
so  stark  als  das  Mittelherz.  Man  sieht  den  Gefäfsbogen  bei  sehr  jungen  In- 
dividuen im  Moment  der  Zusammenziehung,  die  von  unten  nach  aufwärts 
und  am  Ende  der  Contraction  des  untern  Mittelherzens  erfolgt.  Dieser  herz- 


des  Branchiostoma  luhricwn  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  107 

artige  Aortenbogen  liegt  jeclerseits  am  Ende  der  Mundhöhle,  dicht  vor  dem 
in  der  Profilansicht  knorpelartig  aussehenden  Streifen,  an  welchem  die  den 
Eingang  der  Kiemenhöhle  einfassenden  Franzen  befestigt  sind.  Man  sieht 
an  dieser  Stelle  zweierlei  Contractionen.  Aon  Zeit  zu  Zeit  wird  der  er- 
wähnte knorpelig  aussehende  Streifen  durch  einen  vom  Knorpelring  des  Mun- 
des abgehenden  Muskel  so  bewegt,  dafs  die  rückwärts  gewandten  Franzen 
schnell  nach  innen  schlagen  und  dann  wieder  zurückgehen.  Diese  Bewegung 
ist  selten.  Die  Bewegung  der  Aortenbogen  ist  davon  völlig  unabhängig  und 
besteht  in  einer  Contraction  ganz  gleich  der  des  Mittelherzens.  Erst  durch 
diese  Contraction  wird  man  auf  den  hier  liegenden  Gefäfsbogen  aufmerksam, 
den  man  sonst  schwer  erkennen  würde. 

Unser  Thierchen  ist  nicht  der  einzige  Fisch,  welcher  directe  Aorten- 
bogen hat,  aber  der  einzige,  bei  dem  diese  Bogen  Herzen  sind.  Beim  Am- 
phipnous  CuchialAüW.  {Symbranchus  Cucliia  Cuv.)  enthalten  diejenigen  Kie- 
menbogen, welche  kiemenlos  sind,  Aortenbogen  (*).  Bei  Monopterus  geht 
b des  Blutes  durch  Aortenbogen  an  den  Kiemen  vorbei,  auch  die  Myxinoi- 
den  haben  constant  eine  obliterirte  Spur  früherer  Ductus  Botalli.  Bei  Mo- 
nopterus liegt  der  Aortenbogen  am  vierten  kiemenlosen  Kiemenbogen  (^), 
bei  den  Myxinoiden  liegt  er  vor  der  vordersten  Kieme,  was  an  unser  Thier- 
chen erinnert  (-^).  Hierher  müssen  auch  die  Aortenbogen  des  Lepidosiren 
gerechnet  werden,  da  er  wahrscheinlich  ein  Fisch  ist. 

Die  Aorta  läfst  sich  beim  lebenden  unverletzten  Thierchen  nicht  wahr- 
nehmen; dafs  sie  auch  herzartig  ist,  läfst  sich  nicht  bezweifeln,  da  alle  andern 
grofsen  Gefäfsstämme  die  Eigenschaften  des  Herzens  theilen. 

Venöse  Herzen  wurden  zwei  entdeckt,  das  Herz  der  Pfortader  und 
das  Herz  der  Körpervenen,  beide  sind  wieder  röhrenförmig  und  so  lang  als 
die  Gefäfsstämme  selbst. 

IV.  Pfortaderherz.  Das  Pfortaderherz  ist  eine  lange,  an  der  Bauch- 
seite des  ganzen  Darms  verlaufende  Röhre,  welche  am  Blinddarm  sich  auf 
diesen  begiebt  und  an  der  Bauchseite  des  Blinddarms  allmählig  sich  verdün- 
nend bis  an  dessen  Ende  läuft.  Wegen  seiner  Lage  an  der  Bauchseite  des 

(')  Taylor  in  Edinb.  philos.  Journ.  1831. 

C)  Vergleichende  Anatomie  der  Myxinoiden.  Gefäfssystem.  Abhandl.  d.  K.  Akad.  d. 
Wissensch.  1839.  Berlin.  1841.  p.  199. 

C)  Ebend.  p.  191. 

O 2 


108  Müller  über  den  Bau  und  die  Lebenserscheinungen 

Tractus  intestinalis  kann  man  dieses  röhrige  Herz  in  ganzer  Länge  bei  der 
Profilansicht  des  Thierchens  sich  zusammenziehen  sehen.  Die  Contraction 
beginnt  am  Endtheil  des  Darms  und  läuft  schnell  bis  zum  Ende  des  Blind- 
darms, so  dafs  nun  von  der  ganzen  vorher  angefüllten  Röhre  nichts  mehr  zu 
sehen  ist.  Die  Pausen  sind  grofs  vrie  beim  arteriellen  System. 

Die  Organisation  der  Pfortader  zum  Herzen  ist  kein  isolirtes  Factum. 
Denn  bei  Vivisection  der  JSIyxine  in  Bohuslän  zeigte  sich  das  prachtvolle 
Phänomen  einer  heftigen,  völlig  herzartigen  rhythmischen  Contraction  des 
Pfortadersackes. 

V.  Das  Hohlvenenherz  liegt  an  der  entgegengesetzten  oder  Rück- 
seite des  Blinddarms,  es  beginnt  dünn  am  Ende  des  Blinddarms  und  wird 
allmählig  immer  stärker  bis  zu  der  Stelle,  wo  der  Blinddarm  vom  Darm  ab- 
geht, da  endigt  es  stumpf  oder  geht  vielmehr  hier  durch  knieförmige  Umbie- 
gung in  das  Arterienherz  über.  Die  Contractionen  der  beiden  Herzen  an 
den  entgegengesetzten  Seiten  des  Blinddarmes  alterniren,  die  Bewegung  des 
Hohlvenenherzens  beginnt  in  umgekehrter  Richtung  wie  die  des  Pfortader- 
herzens, also  vom  Ende  des  Blinddarms  und  schreitet  bis  zum  arteriellen 
Herzen  fort.  Aus  dem  eben  beschriebenen  Verhalten  ergiebt  sich  noch  deut- 
licher, dafs  der  grüne  Blinddarm  nichts  anderes  als  die  Leber  ist.  Das  aus 
dem  übrigen  Darm  rückkehrende  Blut  gelangt  auf  den  Blinddarm  zur  capil- 
laren  Vertheilung  und  geht  von  da  in  das  Körpervenensystem  zurück.  Was 
vorher  Hohlvenenherz  genannt  wurde,  ist  eigentlich  ein  Lebervenenherz. 
Der  übrige  Theil  des  Körpervenensystems  ist  beim  lebenden  Thierchen  dem 
Blick  entzogen.  Löst  man  aber  den  Kiemenschlauch  ohne  Verletzung  von 
der  Rückenw'and  ab,  schneidet  ihn  unten  auf  und  breitet  ihn  auf  einer  Glas- 
tafel aus,  so  sieht  man  seitwärts  von  der  Aorta  auf  den  obern  Arkaden  der 
Kiemenleisten  liegend  Jederseits  ein  Gefäfs,  was  nichts  anders  als  die  paarige 
vordere  subcentrale  Körpervene  anderer  Fische  sein  kann  und  wahrschein- 
lich mit  einer  vorauszusetzenden  hinteren  Vene  zusammengehend,  an  der  Um- 
biegung des  Lebervenenherzens  in  das  Arterienherz  sich  mit  diesem  Knie 
verbinden  wird. 

Die  Zusammenziehung  des  Pfortaderherzens  und  Lebervenenherzens 
fällt  in  die  Pause  des  Arterienherzens.  Wenn  die  Contraction  des  letzteren, 
vom  genannten  Knie  beginnend,  bis  an  das  vordere  Ende  des  Kiemenschlau- 
ches abgelaufen  ist,  pflanzt  sie  sich  ohne  Unterbrechung  durch  die  Aorten- 


des  Branchiostoma  liibricum  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  109 

bogea  fort.  Einige  Zeit  darauf  beginnt  die  Contraction  der  Darmvene  am 
hintern  Ende  und  pflanzt  sich  ohne  Unterbrechung  durch  die  Pfortader  bis 
ans  Ende  des  Blinddarms  fort.  Darauf  hebt  die  Contraction  der  Lebervene 
an  und  pflanzt  sich  bis  zum  Knie  des  Venen-  und  Arterienherzens  fort,  und 
nun  beginnt  wieder  die  Zusammenziehung  des  Arterienherzens.  Diese  Suc- 
cessionen  finden  innerhalb  einer  Minute  statt,  worauf  das  regelmäfsige  Spiel 
von  neuem  wiederholt  wird.  Zu  den  Zeiten,  wo  die  einen  Gefäfse  sich  zu- 
sammenziehen, füllen  sich  die  andern.  Da  nun  die  Zusammenziehung  des 
Arterienherzens  nicht  früher  wieder  eintritt,  bis  die  Folge  der  Contractionen 
im  ganzen  Gefäfssjstem  abgelaufen  ist  und  da  ferner  jeder  Gefäfsstamm  sich 
so  vollständig  zusammenzieht,  dafs  er  eine  lange  Zeit  in  ganzer  Länge  un- 
sichtbar und  also  leer  geworden  ist,  so  folgt  daraus,  dafs  die  Circulation  bei 
diesem  Thier  in  derselben  Zeit  als  die  Folge  der  Contractionen  seiner  Her- 
zen abläuft  und  dafs  ein  Theilchen  Blut,  ganz  anders  wie  bei  allen  übrigen 
Wirbelthieren,  zwischen  2 Contractionen  derselben  Stelle  des  Gefäfssystems 
den  ganzen  Körper  durchkreiset  hat.  Demnach  geschieht  die  Circulation 
beim  Branchiostoma  in  einer  Minute  Zeit. 

Eine  Anschauung  von  der  Zusammensetzung  des  Blutes  zu  erhalten, 
ist  uns  nicht  geglückt  und  wir  können  blofs  angeben,  dafs  es  bei  diesem  ein- 
zigen Wirbelthiere  völlig  farblos  ist.  Wir  glaubten  bei  queren  Durch- 
schnitten ganzer  lebender  Thiere  aus  den  Durchschnitten  eine  hinreichende 
Menge  von  Flüssigkeit  zu  erhalten,  um  die  Blutkörperchen  wahrzunehmen. 
Aus  solchen  Durchschnitten  flofs  aber  beinahe  gar  nichts  aus. 

Noch  mufs  zuletzt  eines  weiten  Canals  in  den  beiden  Hautfalten,  welche 
den  Bauch  besetzen,  gedacht  werden.  EristvonHrn.  Rathke  (*)  entdeckt. 
Vorn  und  hinten  sind  die  Canäle  enger,  sie  öffnen  sich  nach  Hrn.  Rathke  sowohl 
vorne  in  der  Mundhöhle,  als  hinten  zu  beiden  Seiten  des  porus  abdominalis. 
Ihr  vorderes  Ende  läuft  spitz  über  die  Mundwände  aus  und  besitzt  hinter 
dem  Ende  eine  Spalte,  durch  welche  Hr.  Rathke  eine  Schweinsborste  aus 
dem  Canal  in  die  Mundhöhle  führen  konnte.  Diese  Öffnungen  sind  in  der 
Mundhöhle  sehr  deutlich.  Zuweilen  sahen  wir  Infusorien  in  dem  Canal  ihr 
Wesen  treiben,  welche  durch  die  Öffnungen  eingedrungen  sein  mögen. 
Strömungen  kommen  in  diesen  Canälen  nicht  vor. 


(')  P-28. 


HO 


Müller  über  den  Bau  und  die  Lehenserscheinungen 


Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Natur  des  Branchiostoma  und 

seine  Stellung  im  System. 

Branchiostoma  ist  offenbar  ein  Wirbelthier  und  ein  Fisch.  Von  al- 
len übrigen  Wirbelthieren  unterscheidet  es  sich  aber  durch  die  herzartigen 
Blutgefäfse  und  den  Mangel  einer  Absonderung  des  Gehirns  vom  Rücken- 
mark, von  allen  übrigen  Fischen  durch  die  aufserordentliche  Zahl  der  Kie- 
menspalten und  durch  die  Vereinigung  der  Höhle,  worin  die  Kiemen  liegen, 
der  Kiemenhöhle  mit  der  Bauchhöhle  und  durch  die  Verschmelzung  des 
Athemlochs  mit  der  Bauchöffnung,  wodurch  Eier  und  Samen  bei  meh- 
reren Fischen,  insbesondere  den  Cjclostomen,  abgehen  und  welche,  wo  im- 
mer sie  vorkommt,  am  After  liegt.  Sie  liegt  bei  den  Cjclostomen,  Aalen 
hinter  dem  After,  bei  den  Plagiostomen,  wo  diese  Öffnungen  nicht  mehr  zur 
Abführung  der  Eier  und  des  Samens  dienen,  liegen  sie  doppelt  zu  den  Sei- 
ten des  Afters,  hier  aber  beim  Branchiostoma  haben  wir  es  mit  einer  weit 
vor  dem  After  gelegenen  Bauchöffnung  zu  thun.  Es  kann  daher  diese  Öff- 
nung hinter,  seitwärts  und  vor  dem  After  sein.  Die  Ausführung  der  Ge- 
schlechtsprodukte durch  dieselbe  beim  Branchiostoma  ist  um  so  merkwür- 
diger, da  die  Geschlechtsöffnung  bei  allen  übrigen  Fischen  hinter  dem  After 
liegt,  was  ein  unterscheidender  Charakter  der  Fische  ist,  und  da  die  Bauch- 
höhlenöffnung der  männlichen  und  weiblichen  Aale,  Cjclostomen  und  der 
weiblichen  Salmonen  offenbar  nur  der  erste  Anfang  eines  in  die  Bauchhöhle 
mündenden  Eileiters  oder  Samenleiters  ist.  Es  scheint  daher  eine  unbegreif- 
liche Anomalie,  dafs  die  Natur  in  der  Lage  der  Geschlechtsöffnung  in  einer 
und  derselben  Klasse  so  variiren  könne.  Diese  Anomalien  werden  jedoch 
zum  Theil  aufgelöst,  wenn  man  bedenkt,  dafs  die  Bauchhöhlenöffnung  nicht 
unter  allen  Umständen  den  Geschlechtsprodukten  zur  Ausführung  dient. 
Bei  den  Haien  und  Rochen  mündet  der  Eileiter,  der  doch  auch  aus  der 
Bauchhöhle  ausführt,  an  der  bei  den  Fischen  gewöhnlichen  Stelle,  hinter  dem 
Mastdarm  aus,  aufserdem  aber  sind  noch  Bauchöffnungen  seitlich  vorhanden. 
Diese  Öffnungen  scheinen  bei  Branchiostoma,  zu  einer  verschmolzen,  nach 
vorn  weit  vor  den  After  gerückt  zu  sein  und  sie  dienen  hier  der  Ausführung 
der  Geschlechtsprodukte  aus  dem  Bauch,  welche  bei  den  Aalen  und  Cyclo- 


des  Branchiosioma  luhricum  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  111 

stomen  durch  die  der  Tuba  zu  identificirende  Öffnung  hinter  dem  After  ab- 
gehen. 

Die  Coramunication  der  Schleimhauthöhle  des  Kiemenschlauchs  mit 
der  serösen  Höhle  des  Peritonealsacks  ist  ein  neues  Beispiel  dieser  seltenen 
Verbindungen,  wovon  die  Einmündung  des  Eileiters  in  den  Peritonealsack 
bei  den  mehrsten  Wirbelthieren  und  die  Bauchöffnungen  einiger  Fische  an- 
dere Beispiele  darbieten. 

Branchiosioma  steht  unter  den  Fischen  den  Cyclostomen  am  nächsten 
durch  den  Mangel  der  Kiefer  und  die  Chorda  dorsalis,  unterscheidet  sich 
aber  von  ihnen  durch  die  herzartigen  Blutgefäfse,  den  Mangel  einer  Abson- 
derung des  Gehirns  vom  Piückenmark,  durch  den  gänzlich  abweichenden 
Bau  der  Chorda  dorsalis,  durch  die  grofse  Zahl  der  Kiemenspalten,  durch 
die  Fusion  der  äufsern  Kiemenöffnung  mit  der  Bauchöffnung. 

Die  unvollkommene  Augenbildung  ohne  lichtbrechende  Werkzeuge 
ist  nicht  ohne  Analogie  unter  den  Wirbelthieren.  Die  Cyclostomen  bieten 
ein  Beispiel  davon  dar  in  den  Myxinoiden.  Ileptatrema  Dum.  (Bdellostoma 
Müll.)  hat  ein  nur  von  der  Haut  bedecktes  Auge,  in  dem  ich  keine  durch- 
sichtigen Mittel  wahrgenommen  habe.  Ich  habe  gezeigt,  dafs  die  Mjxine 
ein  ganz  ähnliches  viel  kleineres  Organ  an  derselben  Stelle  mit  demselben 
Nerven  hat,  dafs  es  aber  schon  von  Muskeln  bedeckt  ist(Ö*  In  Bohuslän 
hatte  ich  Gelegenheit,  dieses  Organ  der  Mjxine  frisch  zu  untersuchen.  Die 
ellipsoidische  Kapsel  besitzt  kein  Pigment  und  enthält  eine  schwach  durch- 
sichtige kugelige  Masse,  welche  Nervensubstanz  zu  sein  scheint. 

Demnach  steht  Branchiosioma  den  Cyclostomen  am  nächsten  und 
kann  ihnen  zunächst  angereiht  werden,  ohne  dafs  man  berechtigt  wäre,  das 
Thier  als  Cyclostomen  anzusehen.  Es  weicht  von  ihnen  durch  Unter- 
schiede ab,  die  gröfser  sind,  als  die  Unterschiede  eines  Fisches 
undnackten  Amphibiums. 

(’)  Über  das  Gehörorgan  der  Cyelostomen  mit  Bemerkungen  über  die  ungleiehe  Aus- 
bildung der  Sinnesorgane  bei  den  Myxinoiden.  Abbandl.  d.  Königl.  Akad.  d.  Wissensch. 
zu  Berlin.  1837.  Berlin  1839,  p.l5. 


112 


Müller  über  den  Bau  und  die  Lebenserscheinungen 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel.  I. 

Fig.  1.  Dreifach  vergröfserte  Abbildung  von  Branchiostoma  lubricum. 

a.  Mund. 

b.  Porus  abdominalis. 

c.  After. 

d.  Genilalsäcke  durchscheinend,  e.  Bauchfalten. 

Fig.  2.  Vorderer  Theil  des  Körpers  von  einem  sehr  jungen  Thier.  Die  verschiedenen 
einander  bedeckenden  Schichten  sind  7uglelch  sichtbar. 

a.  Chorda. 

b.  Skeletbildende  Schicht  derselben. 

c.  Scheibenförmiges  vorderes  Körperende  in  die  Rückenflosse  auslaufend. 

d.  Zellenartige  Flossenstrahlen. 

e.  Darin  enthaltene  Körper. 

/.  Seltenmuskeln,  /'  vorderes  Ende  derselben. 

g.  Rückenmark,  g'  Pigment  desselben. 

h.  Auge. 

i.  LI[)penknorpel. 
k.  Mundcirren. 

/.  Muskel  von  dem  Lippenknorpel  zu  der  gefranzten  Falte  zwischen  Mundhöhle 
und  Kiemenhöhle. 

m.  Mundwand. 

n.  Fingerförmige  Figuren  an  der  Mundwand,  Räderorgan. 

o.  Gefranzte  Falte  zwischen  Mundhöhle  und  Kiemenhöhlc,  bei  dieser  Ansicht 
wie  ein  Knorpelstreifen  aussehend. 

p.  Herzartiger  Aortenbogen,  Verbindungsbogen  zwischen  Kiemenherz  und  Aorta. 
</.  Vorderster  oberer  Theil  des  Kiemenschlauchs,  In  welchem  die  Klemenspalten 

fehlen. 

r.  Kiemenleisten. 

f.  Querbälkchen  derselben. 

t.  Klemenspalten,  von  den  Seitenwänden  des  Körpers  bedeckt. 

u.  Rauchwand. 


des  Branchiostoma  luhricum  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  113 


Fig.  3.  Hinterer  Tlieil  des  Körpers. 

a.  Chorda. 

b.  Seitenmuskeln. 

c.  Rückenmark. 

d.  Zellenartige  Flossenstrahlen  der  Rückenflosse  und  d'  der  Afterflosse. 

e.  Darin  enthaltene  Körper,  doppelt  in  den  Zellen  der  Afterflosse  e. 

f.  Saum  der  Rückenflosse,  f,'  Afterflosse. 

g.  Bauch,  h.  Porus  abdominalis  und  dessen  beide  Lippen. 

i.  Nierenartige  Körper  im  Innern  des  hintersten  Theils  der  Bauchhöhle. 

k.  Darmkanal,  l.  After. 

m.  Seitliche  Hautfalte  am  Bauch. 

F 1 g.  4.  Querdurchschnitt  des  Thiers. 

a.  Chorda  mit  ihren  Querfasern,  b.  Schelde  derselben. 

c.  Skeletbildende  häutige  Schichte,  c.'  Fortsetzung  ln  die  iniiern  Bauchwände. 

d.  Rückenmark,  e.  Pigment  desselben. 

/.  Canal  über  dem  Spinalcanal  in  der  skeletbildenden  Schichte. 

g.  Häutige  Mittelebene,  h.  Flossenstrahlen. 
i.  Seltenmuskeln,  k.  Ligamenta  intermuscularia. 

l.  Kiemenschlauch. 

m.  Ovaria. 

n.  Bauchwände  mit  Bauchmuskeln,  o.  Hautfalten  am  Bauch  mit  ihrem  Canal  o.' 
Fig.  5.  Eierstöcke. 

Fig.  6.  Dotter  mit  Keimbläschen  und  Keimfleck. 

Fig.  7,  Kiemenschlauch  und  Darm. 

a.  Kiemenschlauch. 

b.  Speiseröhre. 

c.  Grüner  weiterer  Thell  des  Darms  und  dessen  Blinddarm  d. 

e.  Endstück  des  Darms. 

Fig.  8.  Ansicht  der  Afterflossenstrahlen  von  unten,  die  Kapseln  mit  den  doppelten  Körpern. 


Taf.  II. 


Fig.  1.  Die  Bezeichnung  ist  dieselbe  wie  in  Taf.  I.  Fig.  2. 

1,  2,  3,  4 Nerven. 

Fig.  2.  Hinterende  des  Körpers. 

a.  Chorda. 

b.  Rückenmark.  bJ  Pigment  desselben,  c.  Seitenmuskeln. 

d,  d.'  Zellen  der  Flossenstrahlen  der  Rückenflosse  und  Afterflosse, 

e.  Darin  enthaltene  Körper.  Doppelt  ln  den  Zellen  der  Afterflosse  e.' 

/,/.'  Häutiger  Saum  der  Flossen,  zu  einer  Schwanzflosse  sich  gestaltend. 
g.  Unterer,  h.  oberer  Ast  der  Rückenmarksnerven. 

Fig.  3.  Gegliederter  Knorpelring  des  Mundes. 

a.  Glieder  mit  den  von  den  Gliedern  auslaufenden  Fortsätzen  a!  für  die  Cirren. 

Phjsik.-math.  Kl.  1842.  P 


114  Müller  über  den  Bau  und  die  Lebenserscheinungen 

Fig.  4.  Die  Muskeln  der  Mundcirren. 

a.  Knorpelring,  a.'  Cirren,  b.  Häutiger  Saum  der  Lippen,  c.  Muskeln. 

Fig.  5.  Räderorgan  der  Mundwände. 

A.  Vorn,  B.  Hinten,  C.  Oben,  D.  Unten. 

a.  Lappenforniige  Figuren  des  wimpernden  Theils  der  Mundschleimhaut. 

b.  Optischer  Ausdruck  der  Wimperbewegung,  in  Form  von  fortlaufenden  Wellen 

oder  Stäben,  die  Richtung  ihrer  Bewegung  ist  durch  Pfeile  angedeutet. 
d.  Wirkliche  Bewegung  des  Indigo  durch  die  Wimperbewegung  von  vorn  nach 
hinten. 

Fig.  6.  Ansicht  des  vordem  Theils  des  Körpers  von  unten. 
a.  Mundring.  b.  Cirren,  c.  Schnautzenende. 

d.  Bauchwände,  e.  Genitalorgane  durchscheinend.  /.  Hautfalten. 

Fig.  7.  Untere  Ansicht  des  Körpers  ln  der  Gegend  des  porus  abdominalis. 

e.  Ovarien.  /.  Hautfalten,  g.  Porus  abdominalis. 

Fig.  8.  Ansicht  der  Genitalorgane  von  innen  der  aufgeschnittenen  Bauchhöhle. 
a.  Chorda,  b.  Innere  Seite  der  Seltenmuskeln,  c.  Genitalorgane. 

Taf.  III. 

Fig.  1.  Mittlerer  Thell  des  Thiers,  linke  Seite;  Fig.  2.  rechte  Seite. 

a.  Chorda  dorsalis.  a.'  Rückenmark. 

b.  Seitenmuskeln. 

c.  Rückenflosse.  Ihre  Strahlen  sind  ln  der  Abbildung  ausgelassen. 

d.  Kiemenschlauch. 

e.  Bauchwand,  e.'  Porus  abdominalis. 

f.  Speiseröhre,  g.  Darm.  h.  Blinddarm,  Leber. 

i.  Aufhängebänder  der  Leber,  zusammenhängend  mit  dem  ligamcntum  denticula- 
turn  k.  für  die  Befestigung  des  Klemenschlauchs. 

l.  Klenienherz.  l.'  Bulbillen  desselben. 

m.  Erste  Erscheinung  der  Genitalblasen  beim  jungen  Thier  am  Rande  der  Sei- 

tenmuskeln. 

n.  Mehrere  Stränge,  welche  unter  der  Chorda  hervortreten  und  abwärts  verlaufen, 

sichtbar  bis  an  den  Rand  der  Seltenmuskeln,  von  unbekannter  Bedeutung. 

o.  Andere  Stränge  zur  Seite  der  Speiseröhre  von  unbekannter  Bedeutung. 

F i g.  3.  Hinterer  Thell  des  Kiemenschlauches,  Darm  und  Blinddarm,  Herzen. 

a.  Chorda. 

b.  Kiemenleisten,  c.  Klemenspalten. 

d.  Speiseröhre,  e.  Darm.  /.  Blinddarm,  Leber. 

h.  Kiemenherz,  i.  Bulbiller  desselben,  k.  Pfortaderherz.  /.  Lebervenenherz. 
m.  Stränge  von  unbekannter  Bedeutung. 

Fig.  4.  Franzen  zwischen  Mundhöhle  und  Kiemenhöhle,  die  unten  aufgeschnitten. 

a.  Kiemenschlauch,  a.'  vorderer  oberer  Thell  desselben,  wo  die  Kiemenrippchen 
vorhanden  sind,  aber  die  Kiemenspalten  fehlen. 


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des  Branchiostoma  luhricwn  Costa,  Amphioxus  lanceolatus  Yarrell.  115 


b.  Mundhöhle,  c.  Mundcirren, 

d.  Franzen  zwischen  Mund  und  Kiemenhöhle. 

e.  Öffnungen  der  Canäle  der  Bauchwandungen. 

Taf.  IV. 

1.  Knorpel  des  Kiemengerüstes  aus  der  untern  Hälfte  desselben. 

a.  Bandartiger  Mlttelhalken,  welcher  die  Knorpel  ln  der  untern  Mitte  des  Kie- 

menschlauchs  verbindet. 

b.  Knorpelstäbe,  welche  sich  unten  gabelig  thellen. 

c.  Knorpelstäbe,  welche  ungethellt  bleiben. 

d.  Querstäbe. 

2.  Dieselben  Theile,  mit  der  Schleimhautbekleidung  der  Knorpelstäbe,  von  oben  an- 

gesehen. X Klemenspalten. 

3.  Untere  Wand  des  Klemenschlauchs,  von  unten  angesehen. 

a.  Bandartiger  Mlttelhalken. 

b.  Kiemenherz,  c.  Bulhlllen  desselben. 

d.  Kiemenleisten,  d.'  Wimpern  an  den  Kiemenspalten. 

e.  Querverbindungen. 

4.  Bandartiger  Mlttelhalken  des  Kiemengerüstes  allein,  von  unten  angesehen. 

5.  Seitenansicht  desselben. 

6.  Derselbe,  von  oben  angesehen,  mit  der  Schleimhautbedeckung  und  ihren  Längs- 

wülsten, die  wie  Gefäfse  aussehen. 

7.  Ein  Stück  aus  dem  obern  Thell  der  Seltenwand  des  Klemenschlauchs. 
a.  Knorpelstäbe,  b.  Ihre  obern  bogenförmigen  Verbindungen. 

c.  Band  zum  Zusammenhalten  der  Kiemenleisten  dieser  Seite. 

d.  Schleimhaut  der  Kiemenleisten,  d.’  Wimpern  an  den  Kiemenspalten. 

e.  Pigment  ln  der  Wand  der  Kiemenleisten. 

8.  Vorderer  Thell  des  Kiemenschlauches,  Seitenansicht  von  aufsen. 

a.  Oberes  Band  dieser  Seite.  aJ  Unterer  gemeinsamer  Mlttelhalken  für  beide  Seiten. 

b.  Knorpelstäbe,  die  sich  unten  thellen  b.” 

c.  Knorpelstähe,  die  unten  einfach  bleiben.  ^ 

b.'  Obere  bogenförmige  Verbindungen  der  Knorpelstäbe,  b.'"  Querstäbe. 

d.  Schleimhautbekleidung  der  Knorpelstäbe. 

d.'  Schleimhaut  am  vordem  obern  Thell  des  Klemenschlauchs  ohne  Spalten. 

d. "  Schleimhaut,  welche  die  untern  Enden  der  Knorpelstäbe  zu  vollständigen  Rah 

men  verbindet. 

e.  Wimpern.  /.  Klemenspalten, 
g-.  Kiemenherz. 

Taf.  V. 

1.  Ansicht  der  Eingeweide  in  der  Bauchhöhle  von  der  Seite. 
a.  Seltenmuskeln. 


116 


I 


Fig.  2. 


Fig.  3. 


I;  Fig.  4. 

[ Fig.  5. 

] 

Fig.  6. 


Fig.  7. 

Fig.  8. 
Fig.  9. 
Fig.  10. 


Mülle a über  den  Bau  und  die  Lebenserscheinungen  u.s.w. 

h.  Chorda. 

c.  Durchschnitt  des  Seitencanals  der  Bauchwände. 

d.  Durchschnitt  der  Bauchwände. 

e.  Durchschnitt  des  Afters. 

/.  Kiemenschlauch. 

g.  Speiseröhre. 

h.  Weiterer  grüner  Theil  des  Darms,  i.  Blinddarm. 
k.  Engeres  Endstück  des  Darms. 

/.  Bauchhöhle,  m.  hinterer  enger  Theil  derselben, 
o.  After. 

Seitenansicht  des  hintern  Thells  des  Kiemenschlauchs. 

A.  Kiemenschlauch.  B.  Speiseröhre.  C.  Blindsack. 

a.  Ligamentum  denticulatum  zum  Aufhängen  des  Kiemenschlauchs. 

b.  Kiemenleisten,  unten  getheilt.  bJ  Kiemenleisten,  unten  einfach. 

c.  Kiemenherz.  d.  Bulhlllen  des  Kiemenherzens. 

e.  Optische  Erscheinung  der  Räderbewegung  an  den  Kiemenspalten.  Die  Pfeile 
zeigen  die  Richtung  an. 

Querdurchschnitt  des  Rückentheils  des  Körpers. 

«.  Haut. 

b.  Chorda.,  c.  Schelde  derselben. 

d.  Skeletbildende  häutige  Schichte,  d!  Spinalrohr  derselben,  d."  Fortsetzung  ln 

die  häutige  Mittelebene,  d."'  Ligamenta  intermuscularia, 

e.  Rückenmark,  e/  Canal  des  Rückenmarks,  e."  Pigment  des  Rückenmarks. 

/.  Canal  über  dem  Spinalcanal. 

g.  Zelle  des  Flossenstrahls,  h.  Darin  enthaltener  Körper. 

Häutige  quergefaserte  Lamellen  aus  dem  Innern  der  Chorda. 

Bauchmuskeln. 

a.  Genitalorgane  an  die  Bauchmuskeln  grenzend. 

b.  Mittlerer  Faden,  c.  Querfäden  von  ähnlicher  Beschaffenheit  in  regelmäßigen 

Abständen,  aber  dünner,  d.  Quermuskelschichte,  e.  Längenmuskelschichte. 
Ursprung  der  Aorta  aus  den  Kiemen. 

a.  Aorta  descendens. 

b.  Kiemenknorpel,  oben  bogenförmig  verbunden. 

c.  Band  der  Kiemenleisten. 

d.  Wurzeln  der  Aorta  aus  den  Kiemen. 

Feinerer  Bau  des  faserigen  Knorpels  der  Kiemenleisten. 

Stück  der  Kiemenleiste  mit  wellenförmig  contrahlrtem  Doppelstrang,  x Wimpern. 
Infusorienschalen  aus  den  Excrementen  des  Branchiostoma. 

Cylinderförmiges  Epithelium  der  äufsern  Haut  des  Thlerchens  (Text  p.  83,  Z.ll 
V.  u.  lies  cylinderförmigen  Zellen  statt  pflasterartigen  Zellen). 


Uber 


den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganolden  und  über 
das  natürliche  System  der  Fische. 

Von 

MÜLLER. 

[Gelesen  In  der  Akademie  der  Wissenschaften  am  12.  December  1844.] 


Abschnitt  I. 

Über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden(‘). 

We  wichtig  die  Kenntnifs  der  untergegangenen  fossilen  Thiergeschlechter 
für  die  natürliche  Classification  der  Thiere  überhaupt  und  insbesondere  auch 
der  lebenden  Welt  geworden,  davon  liefert  kein  Zweig  der  Naturgeschichte 
einen  augenfälligem  Beweis  als  die  Ichthyologie.  Die  Palaeontologie  hat  die- 
sen Theil  des  Systems  in  den  Grundlagen  verändert.  Die  grofse  Verschie- 
denheit in  den  fossilen  Resten  der  Fische  hat  die  Aufstellung  ganzer  Ordnun- 
gen und  Familien  nöthig  gemacht,  von  welchen  sich  in  der  lebenden  Welt 
nur  sparsame  oder  gar  keine  Repräsentanten  finden,  und  einzelne  bis  auf 
ims  ausdauernde  Formen  haben  den  Platz  verlassen  müssen,  den  man  ihnen 
im  System  angewiesen,  um  sich  den  herrschenden  Gruppen  der  Vorwelt  an 
ganz  verschiedenen  Stellen  und  in  andern  Ordnungen  anzuschliefsen.  Die 
Sicherheit  in  diesen  Operationen  hängt  grofsentheils  von  der  Richtigkeit  der 
Voraussetzung  ab,  dafs  mit  den  fundamentalen  Vei-schiedenheiten  in  den 
erhaltenen  Resten  des  Skelets  und  der  Hautbedeckungen  eben  so  grofse, 
durchgreifende  Unterschiede  der  gesammten  Organisation  verbunden  gewe- 
sen. Wie  weit  aber  dieser  Zusammenhang  reicht,  das  läfst  sich  nur  aus  der 


(')  Ein  Auszug  dieser  Untersuchung  Im  Monatsbericht  der  Akademie,  Dec.  1844  und 
Nachtrag  ebend.  Febr.  1845.  Erlchson  Archiv  f.  Naturgeschichte,  1845.  I.  p.  91. 


118 


Müller: 


Untersuclmng  der  lebenden  Welt  ableiten.  So  grofs  und  wichtig  die  syste- 
matischen Residtate  aus  der  Untersuchung  der  fossilen  Fische  geworden  sind, 
so  läfst  sich  gleichwohl  nicht  verkennen,  dafs  die  Anatomie  der  lebenden 
Fische  noch  lange  nicht  genug  arisgehildet  und  zu  Rathe  gezogen  ist,  um  die 
aufgestellten  Versuche,  die  fossilen  und  lebenden  Fische  in  ein  System  ein- 
zuordnen, hinlänglich  zu  sichern. 

Die  auffallendsten  und  am  leichtesten  erkennbaren  Unterschiede  der 
fossilen  Fische  unter  einander  liegen  in  ihren  Hautbedeckungen.  Hr.  Agas- 
siz  hat  sie  als  Pidncipien  der  Classification  der  Fische  überhaupt  benutzt, 
und  hiernach  seine  Abtheilungen  der  Cycloiden,  Ctenoiden,  Ganoiden, 
Placoiden  aufgestellt.  Die  Schuppen  der  lebenden  Knochenfische  sind  meist 
dachziegelförmig,  mehr  oder  weniger  abgerimdet  und  dem  feinem  Rau  nach, 
mit  Ausnahme  der  Knochenschilder,  den  eigentlichen  Knochen  meist  fremd; 
sie  enthalten  in  der  Regel  nicht  die  strahligen  Körperchen  der  Knochen, 
ihre  Oberfläche  zeigt  feine  meist  concentrische,  seltener  unregelmäfsige  er- 
habene Linien. 

Der  Unterschied  der  ganzrandigen  oder  Cycloid-  und  gewimperten 
oder  Ctenoidschuppen  ist  gering,  seine  systematische  Anwendung  ist  in  engste 
Grenzen  eingeschlossen.  Ich  beziehe  mich  auf  den  Abschnitt  über  die  na- 
türlichen Familien  der  Knochenfische. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  mit  den  Schuppen  der  Ganoiden  Ag. 
Diese  sind  knöchern,  meist  rhombisch  oder  viereckig,  selten  rund  und  dach- 
ziegelförmig, ihre  Oberfläche  ist  immer  mit  einer  Schmelzlage  überzogen 
und  glatt , sie  stehen  meist  in  schiefen  Binden  und  diejenigen  einer  Binde 
sind  in  der  Regel  durch  einen  Gelenkfortsatz  mit  einander  verbunden.  Sol- 
che ganz  eigenthümliche  Schuppen  finden  sich  in  der  lebenden  Welt  nur  bei 
2 Fischgattungen,  welche  Cuvier  unter  seine  Chipeen  gebracht  hat,  bei  den 
Gattungen  Lepisosteus  aus  dem  Missisippi  und  Polypterus  aus  dem  Nil  und 
Senegal. 

Pxafinesque  (analyse de la nature, Palerme  1815.)  vereinigt P olypterus, 
Acipenser,  Polyodon,  Pegasus  in  eine  Familie  Sturionia,  Lepisosteus  figurirt 
bei  denEsoxidia,  Syngnathus  und  Hippocampus  in  der  Familie  Aphyostomia. 

Blainville  (1818)  erkennt  die  Palaeoniscus  als  eigenes  Genus,  das 
sich  sehr  den  Stören  nähert.  Nouv.  Dict.  d’Hist.  nat.  XXVIII.  1818.  Blain- 
ville die  versteinerten  Fische,  übers,  v.  Krüge  r.  Quedlinburg  1833. p. 35. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


119 


Cuvier  war  der  erste,  der  die  Übereinstimmung  der  Schuppen  der 
Palaeoniscus  des  Zechsteins  mit  den  Schuppen  der  Lepisosteus  und  Poly- 
pterus  bemerkte,  auf  die  Ähnlichkeit  des  langen  ohern  Schwanzlappens  bei 
Palaeoniscus  und  den  Stören,  auf  die  Randhesetzung  dieses  Lappens  mit 
dreieckigen  Schindeln  bei  beiden  und  auf  die  Besetzung  des  vordem  Randes 
der  Rückenflosse  mit  gleichen  Schindeln  bei  Palaeoniscus  und  Lepisosteus 
aufmerksam  machte.  Er  schlofs  aus  dieser  Übereinstimmung,  dafs  die  Pa- 
laeoniscus entweder  in  die  Nähe  der  Störe  oder  der  Lepisosteus  gehören. 
Oss.  foss.  nöuv.  ed.  T.  V.  2.  1824.  p.  307.  308. 

Die  Idee,  diese  Alternative  aufzugeben  und  jene  2 Kategoi'ien  von 
Fischen  zu  vereinigen,  kommt  in  Cuvier’s  Schiiften  nicht  vor.  Er  spricht 
sich  bei  der  Untersuchung  der  Fische,  welche  zur  Gattung  Dipterus  gehö- 
ren, bestimmter  dahin  aus,  dafs  diese  mit  den  Fischen  des  Kupferschiefers 
im  Bau  der  Schwanzflosse  und  in  der  Insertion  aller  Strahlen  an  ihrer  untern 
Seite  Übereinkommen,  dafs  unter  den  lebenden  nur  Lepisosteus  und  in  min- 
derem Grade  der  Stör  diesen  Charakter  besitzen,  dafs  er  die  fossilen  lieber 
mit  dem  Lepisosteus  zusammenstelle,  dafs  sie  mit  diesem  zu  den  Malacopte- 
rjgii  abdominales  gehören.  Geol.  Transact.  2.  ser.  Vol.  3.  p.  125.  Valen- 
ciennes  und  Pentland  sprechen  ebendaselbst  aus,  dafs  Dipterus  undOsteo- 
lepis  neue  Gattungen  in  der  Ordnung  der  Malacopterygii  abdominales  bilden. 

Hr.Aga  s si  z hat  sich  das  grofse Verdienst  erworben,  die  Übereinstimmung 
im  Schuppenbau  mit  den  Lepisosteus  und  Polypterus  in  allen  Knochenfischen 
der  älteren  Formationen  bis  zur  Kreide  erkannt,  die  Ganoiden  als  eigene 
Ordnung  aufgestellt,  ihre  zahlreichen  Gattungen  entdeckt  und  sicher  unter- 
schieden und  ihre  Arten  bestimmt  zu  haben.  Mit  Pvecht  sagt  er  im  2.  Bd. 
der  poissons  fossiles : L’etablissement  de  l’ordre  des  ganoides  est  ä mes  yeux 
le  progres  le  plus  important  que  j’ai  fait  faire  ä l’ichthyologie.  Ebenso  wich- 
tig ist  die  Folgerung  aus  diesen  Untersuchungen,  dafs  die  Typen,  welche 
in  der  Jetztwelt  die  ungeheure  Mehrzahl  der  Fische  bilden,  erst  mit  der 
Kreide  beginnen. 

Die  Ganoidschuppen  sind  üljrigens,  wie  auch  Agassiz  bemerkt,  ganz 
wie  die  gewöhnlichen  Schuppen  in  Capsein  der  Haut  eingebettet.  Die  Cap- 
selhaut  ist  an  der  freien  Oberfläche  äufserst  fein  und  angewachsen  und  scheint 
selbst  verloren  gehen  zu  können,  wie  bei  Polypterus,  aber  beim  Lepisosteus 
sieht  man  das  Email  der  Schuppe  sehr  deutlich  von  einem  äufserst  feinen 


120 


Müller: 


Häutchen  bedeckt,  in  welchem  etwas  von  Silherglanz  und  seihst  Pigment  zu 
erkennen  ist  und  welches  sich  leicht  durch  Ahreiben  entfernen  läfst. 

Im  Bau  des  Skelets  sind  die  Ganoiden  unter  einander  seihst  wieder 
sehr  abweichend,  denn  viele  haben  ein  ganz  knöcheimes  Skelet,  wie  auch 
die  lebenden  Lepisosteus  und  Polypterus,  bei  anderen  fossilen  hingegen  ist 
die  Wirbelsäule  theilweise  auf  dem  foetalen  Zustande  stehen  geblieben,  und 
es  ist  eine  weiche  Chorda  dorsalis  mit  aufgereihten  knöchernen  Apophysen 
vorhanden,  gleichwie  unter  den  lebenden  Fischen  hei  den  Stören.  Auch  in 
den  Formen  des  Körpers  zeigen  sich  die  gröfsten  Abweichungen,  so  wie 
schon  die  beiden  lebenden  Gattungen  gänzlich  von  einander  verschieden  sind. 

Bei  mehreren  Gattungen  verlängert  sich  die  Wirbelsäule  bis  ans  Ende 
des  obern  Schwanzlappens,  wie  unter  den  lebenden  Fischen  hei  den  Stören 
und  bei  den  Haifischen.  Hr.  Agassiz  bezeichnet  die  so  gebildeten  als  Hete- 
rocerci.  Bei  vielen  Ganoiden  reicht  das  Ende  der  Wirbelsäule  nur  in  den 
Anfang  des  obern  Schwanzlappens,  der  dann  auch  obere  Flossenstrahlen  hat, 
wie  auch  hei  mehreren  lebenden  Knochenfischen  aus  den  Familien  der  Sal- 
monen,  Clupeen  u.  a.  Bei  noch  anderen  Ganoiden  theilt  die  Wirbelsäule 
die  Schwanzflosse  in  2 gleiche  Theile  wie  hei  den  mehrsten  Knochenfischen, 
es  sind  die  Homocerci. 

Bei  einer  ganzen  Zahl  von  Gattungen  der  Ganoiden  zeichnen  sich  die 
Flossen  dadurch  aus,  dafs  ihr  vorderer  Rand  oder  erster  Strahl  mit  stachel- 
artigen Schindeln,  Fulcra,  besetzt  ist,  andere  zeigen  nichts  davon.  Dieser 
Unterschied  findet  sich  auch  bei  den  beiden  lebenden  Gattungen  ausgeprägt; 
denn  die  Lepisosteus  haben  diesen  Bau,  die  Polypterus  nicht.  Die  Fulcra 
bekleiden  zwar  hauptsächlich  den  freiliegenden  vordem  Strahl  der  Flosse, 
wo  aber  die  Strahlen  an  Länge  zunehmen  und  hinter  einander  am  vordem 
Rande  zum  Vorschein  kommen,  gehen  die  Fulcra  von  den  kürzern  über  ihre 
Enden  zu  den  längern  über.  Im  Übrigen  verhalten  sich  die  Ganoiden  in 
der  Beschaffenheit  der  Flossen  imd  in  der  Stellung  der  Bauchflossen  als  Ma- 
lacopterygii  abdominales. 

Die  Ordnungscharaktere  sind  von  Agassiz  in  die  meist  winkligen, 
rhomboidalen  oder  polygonalen  mit  Email  bedeckten  Schuppen  gelegt.  Er 
zählt  in  seinem  grofsen  Werk  Recherches  sur  les  poissons  fossiles  dahin  die 
Familien  Lepidoiden  Ag.,  Sauroiden  Ag.,  Pycnodonten  Ag.,  Coelacanthen 
Ag.,  Sclerodermen  Cuv.,  Gymnodonten  Cuv.,  Lophobranchier  Cuv.  und 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


121 


bemerkt,  clafs  man  ans  Ende  dieser  Familien  in  der  Ordnung  der  Ganoiden 
noch  einige  Ordnungen  lebender  Fische  setzen  müsse,  wie  die  Goniodonten, 
Siluroiden  und  Acipenseriden.  Neuerlich  zieht  Agassiz  auch  den  Lepidosi- 
ren  zu  den  Ganoiden. 

Man  darf  bei  den  geringen  Hülfsmitteln , welche  die  Fossilien  darbie- 
ten, nicht  verlangen,  dafs  die  Familien  auf  so  wesentliche  Unterschiede  ge- 
gründet seien,  wie  bei  den  lebenden  Thieren.  Die  Unterschiede  der  Le- 
pidoiden  und  Sauroiden  sind  in  der  That  gering.  Die  Lepidoiden  nämlich 
haben  hechelförmige  Zähne  in  mehreren  Reihen  oder  stumpfe  Zähne,  die 
Sauroiden,  wohin  auch  Lepisosteus  und  Polypterus  gerechnet  werden,  ha- 
ben conische  spitze  Zähne,  die  mit  feineren  Zähnen  vermischt  sein  können. 
Auch  ist  der  Unterschied  in  der  Gestalt,  die  bei  den  Sauroiden  zum  Theil 
mehr  verlängert  ist,  nach  allem,  was  in  den  natürlichen  Familien  der  Jetzt- 
welt, wie  z.  B.  bei  den  Characinen  und  Scomberoiden  geschieht,  nicht  we- 
sentlich. Obgleich  die  Unterscheidung  dieser  beiden  Familien  nur  künstlich 
ist,  so  läfst  sie  sich  doch,  insofern  sie  die  Bestimmung  eideichtex’t,  mit  Vor- 
theil benutzen.  Dagegen  wird  uns  eine  künstliche  Trennung  bedenklich, 
wenn  daraus  Folgerungen  in  Beziehung  auf  das  Alter  und  die  Entwickelung 
der  Familien  gezogen  werden,  wie  z.  B.  dafs  kein  Fisch  aus  der  Familie  der 
Lepidoiden  bis  in  die  actuelle  Epoche  i’eiche.  Die  Lepidoiden  werden  auch 
durch  die  Gattung  Lepidotus  gestört,  deren  Zähne  von  den  aufgestellten 
Familiencharakteren  sehr  sich  entfernen.  Sie  ist  unter  den  andern  Lepidoi- 
den auch  durch  den  Besitz  vollkommen  ossillcirter  Wirbel  fremdartig,  aber 
sie  scheint  auch  nicht  unter  die  Pycnodonten  von  ähnlichen  Zähnen  zu  ge- 
hören. Sie  ist  den  Lepisosteus  der  lebenden  Welt  verwandt,  sowohl  durch 
die  doppelten  Reihen  der  Fulcra  an  den  Flossen,  als  durch  die  ossificirten 
Wirbel. 

Die  Unterschiede  der  lebenden  Ganoiden  sind  uns  allein  ganz  zugän- 
glich. Um  so  wichtiger  ist  es,  dafs  gerade  die  beiden  noch  lebenden  Lepi- 
sosteus und  Polyptex’us,  welche  xxxxter  den  Saxxroiden  axxfgefühx’t  sind,  dxxrch 
ihren  äxxfsex’n  xxnd  innexm  Bau  so  gäxizlich  von  eixxander  abweichen,  dafs  sie 
mehr  als  eine  der  fossilen  Gattungen  der  Ganoiden  vex’dienen  als  Typen  be- 
sonderer Faixxilien  axxfgefafst  zxx  wexrleix,  wie  sich  axxs  der  Axxatomie  dieser 
Thiex’e  ex’geben  wird.  Allex'dings  hat  auch  Hr.  Agassiz  bei  der  osteologi- 
scheix  Analyse  jexxer  Fische  diese  Vex’schiedenheit  wohl  gefühlt,  xxnd  er  be- 
Physili.-math.  Kl.  1844.  Q 


122 


Müller: 


merkt  selbst,  dafs  er  geneigt  war,  sie  in  verschiedene  Familien  zu  bringen. 
Ich  glaube  bei  der  Vollständigkeit  der  Untersuchung,  welche  diese  beiden 
Fische  eidauben  und  bei  der  extremen  Verschiedenheit , die  sie  darbieten, 
giebt  es  mit  ihnen  verglichen,  keine  2 Ganoiden  von  ihrem  Schuppenbau, 
welche  sicherer  von  einander  entfernt  sind. 

Beim  Schlufs  seines  gröfsern  Werkes  und  in  der  neuen  Monographie 
des  poissons  fossiles  du  vieux  gres  rouge  hat  A g a s s i z vorzüglich  aus  den  Lepi- 
doiden  eine  Anzahl  Gattungen  ausgeschieden  und  besondere  Familien  daraus 
gebildet,  so  dafs  daraus  die  Familien  Cephalaspides , Acanthodiens , die 
eigentlichen  Lepidoides  und  die  Sauroides  dipteriens  geworden  sind,  was 
mir  ein  wesentlicher  Fortschritt  zu  sein  scheint. 

Bei  der  grofsen  Mehrzahl  der  von  Agassi  z beschriebenen  und  abgebil- 
deten fossilen  zu  den  Ganoiden  gerechneten  Fische,  scheint  mir  kein 
Zweifel  obwalten  zu  können,  dafs  sie  wirklich  mit  Lepisosteus  und  Polypte- 
rus  in  eine  eigene  grofse  Abtheilung  gehören,  die  den  übrigen  Knochenfischen, 
den  Selachiern  und  den  Cyclostomen  coordinirt  ist ; aber  ich  habe  mich  nie 
überzeugen  können,  dafs  die  übrigen  zu  den  Ganoiden  gezählten  Familien 
der  lebenden  Fische,  die  Loricarinen,  Siluroiden,  Lophobranchier,  Scle- 
rodermen  und  Gymnodonten  unter  die  Ganoiden  gehören. 

Agassiz  hat  den  Abstand  dieser  Fische  von  den  Ganoiden  der  alten 
Formationen  und  der  Polypterus  und  Lepisosteus  einigermafsen  selbst  ge- 
fühlt. Denn  er  sagt:  poiss.  foss.  II.  p.  XI.  Les  rapports  d’organisation  qui 
lient  les  Lepidoides,  les  Sauroides  et  les  Pycnodontes,  sont  plus  etroits  que 
les  relations  qui  existent  entre  ces  meines  familles  et  les  Sclerodermes,  les 
Gymnodontes  et  les  Lophobranches. 

Die  Silnroiden  stimmen  in  ihrer  Anatomie  so  völlig  mit  den  Malaco- 
pterygii  abdominales  überein,  dafs  sie  sich  von  ihnen  nicht  trennen  lassen, 
sie  haben  mit  den  lebenden  Ganoiden  nur  den  Luftgang  der  Schwimmblase 
und  die  abdominale  Stellung  der  Bauchflossen  gemein,  aber  auch  mit  einer 
grofsen  Abtheilung  von  Knochenfischen,  die  ich  wegen  ihres  Luftganges 
Physostomi  nennen  will,  wie  den  Cyprinoiden,  Esoces,  Clupeen,  Cyprino- 
donten,  Mormyren,  Characinen,  Salmonen,  Anguillares  u.  a.  Den  Scle- 
rodermen  und  Gymnodonten  fehlt  dagegen  dieser  Luftgang  gleichwie  meh- 
reren Ordnungen  von  Knochenfischen,  auch  sind  ihre  Bauchflossen,  wo  sie 
vorhanden,  wie  bei  Triacanthus,  nicht  abdominal,  in  beiden  Punkten  wei- 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


123 


chen  sie  von  den  lebenden  Ganoiden  und  durch  den  letzten  Charakter  von 
allen  sichern  Ganoiden  ab.  Der  Begriff  der  Ganoiden  läfst  sich  aus  den 
bisher  bekannten  Hülfsmitteln  nur  so  lange  scharf  begrenzen,  als  man  dahin 
nur  die  Fische  rechnet,  welche  mit  Lepisosteus  und  Polypterus  in  den  mit 
Schmelz  bedeckten  Schuppen  Übereinkommen.  Rechnet  man  die  Knochen- 
schilder der  Loricarinen,  Lophobranchier , Ostracion , einiger  Siluroiden, 
wie  Callichthys,  Doras,  die  Stacheln  der  Diodon  zu  den  Ganoidschuppen, 
so  hört  alle  scharfe  Begrenzung  auf.  Denn  erstens  ist  man  genöthigt,  die 
nackten  Siluroiden  und  nackten  Gymnodonten  mit  hinüberzunehmen,  blofs 
weil  einige  Gattungen  derselben  mit  Schildern  oder  Stacheln  versehen  sind, 
und  es  ist  dann  die  Möglichkeit  zugestanden,  dafs  es  Familien  von  Ganoiden 
geben  könne,  in  denen  alle  Gattungen  nackt  sind ; was,  so  lange  keine  we- 
sentlichen Merkmale  der  Ganoiden  bekannt  sind,  alle  Unterscheidung  und 
Erkennung  unmöglich  machen  würde.  Eine  weitere  Verwirrung  entsteht 
durch  die  Fische  mit  Knochenpanzern  aus  Familien  anderer  Ordnungen, 
wie  die  Peristedion,  Agonus  und  andere  mit  Knochenschildern  gepanzerte 
Cataphracten,  deren  unmittelbare  nächste  Vei’wandten,  wie  die  Triglen,  mit 
Schuppen  versehen  sind,  die  jedenfalls  keine  Ganoidschuppen  sind.  End- 
lich hat  die  Beschuppung  mehrerer  Sclerodermen , wie  der  Monacanthes, 
Aluteres  mit  derjenigen  der  Ganoiden  wenig  Ähnlichkeit. 

Wenn  man  alle  diese  Thiere  bei  den  eigentlichen  Ganoiden  lassen 
wollte,  so  würde  der  Begriff  derselben  so  verwirrt  werden,  dafs  es  völlig 
unmöglich  wäre  zu  sagen , was  denn  eigentlich  ein  Ganoid  sei , und  man 
müfste  bekennen,  dafs  die  Charaktere  dieser  Abtheilung  völlig  unbekannt 
seien,  die  Aufnahme  mancher  Familien  unter  sie  daher  auch  mehr  oder  we- 
niger willkühi'lich  sei. 

Die  Hauptresultate  von  AgassizWerk,  unstreitig  der  wichtigsten  ich- 
thyologischen  Arbeit  neuerer  Zeit,  liegen  seit  vielen  Jahren  vor  uns.  Sie 
sind  ])is  jetzt  noch  von  keinem  Forscher  auf  eine  dem  Gegenstände  angemes- 
sene Weise  entwickelt  und  analysirt  worden.  Wiegmann  sagte  darüber  in 
seinem  Bericht  von  1835  (Archiv  f.  Naturgesch.  1.  Jahrg.  2.  p.258):  das 
System  flöfse,  sofern  es  sieh  nur  auf  eine  Besonderheit  des  Oi’ganismus 
gründet,  die  Besorgnifs  ein,  dafs  es  mehr  den  Charakter  eines  künstlichen 
als  natürliehen  Systems  an  sich  trage  und  man  möehte  bezweifeln,  dafs  die 
vergleichende  Anatomie  in  den  einzelnen  Ordnungen  eine  grofse  Uberein- 

Q2 


124 


Müller: 

Stimmung  des  darin  Begriffenen  finden  möchte,  wie  sie  es  von  den  Ordnun- 
gen eines  natürlichen  Systems  erfordex’e.  Aber  es  werden  uns  keine  That- 
sachen  an  die  Hand  gegeben,  welche  zur  Beurtheilung  desselben  dienen 
können.  Und  man  mufs  gestehen,  dafs  es  an  den  Mitteln  zu  einer  sol-  - 

eben  analytischen  Entwickelung  des  so  reichen  neuen  Zuwachses  ichthyo- 
logischer Materie  bisher  gefehlt  hat.  ^ 

Seit  lange  mit  der  Anatomie  des  Polypterus  und  in  neuerer  Zeit  auch 
mit  derjenigen  des  Lepisosteus  beschäftigt,  habe  ich  mir  die  Aufgabe  gestellt,  ^ 

die  wahren  Charaktere  der  Ordnung,  zu  der  sie  gehören,  zu  finden.  Die-  ; 

ses  ist  mir  gelungen,  und  ich  glaube  nun  sicher  beweisen  zu  können, 

1)  dafs  die  Ganoiden  eine  scharf  geschiedene  Abtheilung  zwischen 
den  eigentlichen  Knochenfischen  und  den  Selachiern  bilden. 

2)  Dafs  Agassiz’s  Ansicht  über  die  Stellung  der  Störe  unter  den 
Ganoiden  richtig  ist. 

3)  Dafs  dagegen  die  Sclerodermen , Gymnodonten,  Loricarinen,  ^ 

Siluroiden,  Lophohranchier,  den  Ganoiden  fremd  sind  und  zu  den  ühri-  ; 

gen  Knochenfischen  gehören. 

4)  Dafs  es  nackte  und  beschuppte  Ganoiden  giebt,  deren  Familien  ^ 

l» 

successiv  in  einander  übergehen,  ohne  die  eigentlichen  Charaktere  der  | 

Ganoiden  zu  verlieren.  ; 

Die  Anatomie  des  Polypterus  und  Lepisosteus  wird  hier  nicht  zum  ^ 

erstenmal  behandelt.  Geoffroy  St.  Hilaire  hat  die  Eingeweide  des  von 
ihm  entdeckten  Polypterus  bichir  beschrieben,  von  demselben  und  noch 
ausführlicher  von  Agas siz  haben  wir  Mittheilungen  über  seine  Osteologie 
erhalten.  Agassiz  hat  die  osteologischen  Eigenthümlichkeiten  des  Lepi- 
sosteus kennen  gelehrt,  Ciivier,  Valentin,  van  der  Hoeven  haben  seine 
Eingeweide  untersucht.  Obgleich  diese  Mittheilungen  schätzbare  Beiträge 
zur  anatomischen  Kenntnifs  jener  Thiere  liefern  und  sie  wesentlich  auf- 
klären, so  enthalten  sie  doch  nicht  gewisse  Thatsachen,  welche  mit  der 
Frage  von  der  Natur  der  Ganoiden,  von  ihren  Verwandtschaften  und  ihren  i 

Grenzen  im  direkten  Zusammenhänge  stehen,  und  welche  aufzuschliefsen  j 

der  Gegenstand  dieser  Abhandlung  ist.  Auch  bezieht  sich  Alles,  was  man  ^ 

bisher  von  dem  innern  Bau  dieser  beiden  Fische  erfahren  hat,  auf  Gat-  | 

tungs- Eigenthümlichkeiten,  die  je  einem  derselben  zukommen  und  gerade  1 

in  dem  andern  vermifst  werden.  t 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


125 


Die  anatomischen  Charaktere  der  Ganoiden  liegen  in  dem  Bau  des 
Herzens,  der  Blutgefäfse,  der  Athmungsorgane,  der  Geschlechtstheile,  des 
Gehirns  und  der  Sinneswerkzeuge. 

Der  erste  Punkt,  auf  den  ich  die  Aufmerksamkeit  lenke,  ist  der 
Bau  des  Herzens  oder  vielmehr  des  Bulbus  arteriosus. 

Schon  seit  lange  hin  ich  auf  die  systematische  Wichtigkeit  in  dem 
innei’n  Bau  des  aus  dem  Herzen  heryortretenden  Arterienstiels  aufmerk- 
sam gewesen.  Man  weifs,  dafs  hei  denjenigen  Knochenfischen,  die  da- 
rauf untersucht  worden,  am  Ursprung  des  muscidösen  Bulbus,  zwischen 
ihm  und  der  Kammer  immer  nur  2 gegenüberliegende  Klappen  oder  Ven- 
tile liegen,  dafs  dagegen  die  hohem  Knorpelfische,  die  Störe,  Plagiosto- 
men  (Haifische  und  Rochen)  und  die  Chimaeren  innerhalb  des  musculö- 
sen  Bulbus  3 oder  noch  mehrere  Längsreihen  von  lOappen  besitzen,  de- 
ren Zahl  in  jeder  Reihe  nach  den  Gattungen  von  2 — 5 variirt.  An  der 
Stelle,  wo  sich  die  2 Klappen  der  Knochenfische  befinden,  haben  jene 
Fische  gar  keine  Klappen. 

Die  Cyclostomen  unterscheiden  sich  in  dieser  Hinsicht  wesentlich 
sowohl  von  den  höhern  Knorj^elflschen  als  von  den  Knochenfischen.  Sie 
gleichen  den  Knochenfischen,  dafs  sie  nur  2 gegenüberliegende  Klappen 
am  Ursprung  des  Arterienstiels  aus  der  Kammer  besitzen,  von  beiden  Or- 
dnungen aber  unterscheiden  sie  sich  wesentlich  dadurch,  dafs  ihnen  die 
muskelartige  Anschwellung  der  Wände  des  Bulbus  arteriosus  gänzlich 
fehlt.  Ihr  Truncus  arteriosus  besteht  blofs  aus  den  einfachen  Häuten  der 
Arterien.  So  fand  ich  es  bei  den  Petromyzon  sowohl  als  Myxinoiden. 
Siehe  ver^l.  Anatom,  der  Myxinoiden,  3.  Forts.  Abhandl.  d.  Akad.  d. 
Wissenschaften  a.  d.  J.  1839  ji.  284.  Man  sehe  ferner  über  die  Verschie- 
denheiten der  Klappen  in  den  Ordnungen,  Familien,  Gattungen  die  Note 
im  Archiv  f.  Anat.  u.  Physiol.  1842.  p.  477.  Diese  Unterschiede  zeigten 
sich  so  constant  bei  allen  von  mir  untersuchten  Knochen  - und  Knorpel- 
fischen, dafs  sie  auf  eine  fundamental  verschiedene  Anlage  der  Ordnun- 
gen hindeuten.  Ich  kenne  keinen  weder  anatomischen  noch  zoologischen 
Charakter,  der  in  dieser  absoluten  Bestimmtheit  dem  gegenwärtigen  gleich 
käme.  Sind  die  Ganoiden  in  der  That  wesentlich  von  andern  Knochen- 
fischen als  Ordinmg  verschieden,  so  mufs  sich  an  dieser  Stelle  jedenfalls 
eine  entschiedene  Differenz  zeigen. 


126 


Müller: 


Als  ich  den  Polypterus  bichir  zuerst  hierauf  untersuchte,  war  ich 
sehr  erstaunt  zu  finden,  dafs  dieser  sogenannte  Knochenfisch  von  allen 
Knochenfischen  durch  seine  Klappen  abweicht  und  dafs  er  darin  ganz  mit 
den  hohem  Knorpelfischen,  den  Stören,  Haien,  Rochen,  Chimaeren  über- 
einkommt und  sie  durch  Zahl  der  Klappen  noch  weit  ühertrifft.  Poly- 
pterus besitzt  am  Ursprung  des  musculösen  sehr  langen  Bulbus  gar  keine 
Klappen,  im  Innern  desselben  aber  3 Längsreihen  von  Klappen,  in  deren 
jeder  9 Ventile  stehen,  welche  wie  hei  den  Stören  und  Plagiostomen  durch 
Fäden  untereinander  Zusammenhängen.  Die  obersten  sind  wie  auch  sonst 
die  gröfsten.  Zwischen  den  3 vollständigen  Reihen  grofser  Klappen  be- 
finden sich  noch  3 andere  Längsreihen,  dei’en  Klappen  sowohl  an  Zahl 
als  Gröfse  weniger  ausgebildet  sind,  so  dafs  die  vollständigen  Längsreihen 
mit  den  unvollständigen  abwechseln.  Also  im  Ganzen  6 Längsreihen. 
Wären  die  unvollständigen  Reihen  so  ausgehildet  wie  die  vollständigen, 
so  würde  Polypterus  bichir  54  Klappen  im  musculösen  Arterienstiel  besi- 
tzen, in  der  That  sind  aber  nur  gegen  45  vox'handen. 

Es  liefs  sich  erwarten,  dafs  diese  Eigenthümlichkeit  sich  auch  beim 
Lepisosteus  wieder  finden  würde,  den  ich  aber  erst  nicht  zur  Hand  hatte, 
leh  untersuchte  ihn  neulich  im  Pflanzengarten  zu  Paris.  Lepisosteus  os- 
seus  hat  im  Arterienstiel  5 gleich  ausgebildete  Klappenreihen,  in  jeder 
Längsi’eihe  8 vollkommene  Taschenventile,  die  durch  Fäden  Zusammen- 
hängen. Die  der  obersten  Querreihe  sind  gröfser.  Die  Reihen  gewäh- 
ren ein  Bild  wie  die  Becher  eines  Schöpfrades  oder  einer  Baggermaschine. 

So  viele  Klappen  als  die  genannten  Ganoiden,  besitzt  kein  Knor- 
pelfisch. Bei  den  Stören  sind  nur  9 — 12  und  bei  denjenigen  Rochen  und 
Haien,  wo  ihre  Zahl  das  Maximum  erreicht,  sind  nicht  mehr  als  15  vor- 
handen, Raja,  Myliobatis,  Pteroplatea,  Scymnus,  Squatina. 

Der  Unterschied,  um  den  es  sich  hier  handelt,  betrifft  nicht  blofs 
die  Zahl  der  Klappen,  er  entspringt  aus  einer  tiefem  Verschiedenheit  in 
der  Zusammensetzung  des  Herzens  selbst.  Bisher  ist  die  muskelartige  An- 
schwellung am  Truncus  arteriosus  der  Selachier,  Ganoiden  und  der  Kno- 
chenfische für  gleichbedeutend  genommen  worden  und  habe  ich  mich  nur 
an  die  Klappenverschiedenheiten  im  Innern  dieser  Anschwellung  gehalten, 
was  für  den  zoologischen  Gesichtspunkt  auch  hinreichend  ist.  Bei  einer 
feinem  anatomischen  und  physiologischen  Untersuchung  über  die  Bedeu- 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


127 


timg  dieser  Anschwellung  ergieht  sich  aher  das  ganz  unerwartete  Resul- 
tat, dafs  sie  bei  den  Knochenfischen  von  einer  ganz  eigenthümlichen  Be- 
schaffenheit ist,  welche  mit  derjenigen  der  Ganoiden  und  Selachier  nicht 
die  geringste  Ähnlichkeit  hat.  Die  Sache  läfst  sich  kurz  so  bezeichnen : 
der  musciüöse  Beleg  am  Arterienstiel  der  Selachier  und  Ganoiden  ist  ein 
wahres  Herz,  zum  Schlagen  bestimmt,  wie  die  Vorkammer  und  Kammer 
und  stimmt  mit  diesen  auch  im  feinem  Bau  überein.  Der  Bulbus  am 
Arterienstiel  der  Knochenfische  dagegen  ist  keine  Herzahtheilung , kein 
Theil  des  activen  Centralorganes,  schlägt  auch  nicht  wie  das  Herz,  son- 
dern ist  nichts  andres  als  der  sehr  verdickte  Anfang  der  Arterie,  in  rvel- 
chem  eine  eigenthümliche  Schicht  der  Arterien  zu  einer  enormen  Dicke 
anschwillt. 

Es  war  die  allgemeine  Ansicht  der  Anatomen,  dafs  die  muskelar- 
tige Substanz  des  Arterien stiels  liei  Knochenfischen  und  Selachiern  gleich- 
bedeutend sei.  Hr.  Tie  de  mann  behauptet  auch,  dafs  sie  sich  hei  Knorpel- 
und  Knochenfischen  zusammenziehe  und  dafs  ihre  Zusammenziehung  auf 
die  der  Kammer  folge.  Ich  habe  selbst  lange  jenen  Theil  bei  den  einen 
und  andern  für  identisch  gehalten.  Denkt  man  aber  über  den  Zweck  und 
die  Wirkung  der  Klappen  bei  den  einen  und  andern  nach,  so  wird  man 
von  seihst  auf  Bedenken  geführt.  Bei  denjenigen  Fischen,  hei  denen 
mehrere  Reihen  Klappen  innerhalb  des  musculösen  Arterienstiels  stehen, 
hat  der  Muskelbeleg  des  Stiels  offenbar  ganz  die  Bedeutung  eines  acces- 
sorischen  Herzens  oder  einer  verlängerten  Kammer.  Indem  er  sich  zu- 
sammenzieht, entleert  er  sein  Blut  in  die  eigentliche  Arterie,  wie  der  herz- 
artige Bulbus  eines  Froschherzens  es  thut.  Die  Klappen  werden  sich 
darauf  durch  den  Druck  des  Blutes  von  der  Arterie  her  aushreiten;  die 
obersten  reichen  mit  ihren  Rändern  gerade  bis  dahin,  wo  der  Muskelbe- 
leg der  Arterie  aufhört,  über  ihnen  wird  die  Arteide  voll  bleiben,  der 
muscidöse  Arterienstiel  aber  wird  zur  Zeit  der  Pause  des  Herzschlags  dem 
Druck  des  Blutes  von  den  Artei’ien  entzogen  sein.  Bei  den  Knochenfi- 
schen ist  es  gerade  umgekehrt.  Hier  liegen  die  Klappen  zwischen  Herz- 
kammer und  Bulbus  der  Arterie.  Indem  sich  die  Kammer  zusammen- 
zieht, wird  der  Bulbus  und  die  Arterien  erweitert.  Könnte  sich  der  Bul- 
bus schlagartig  wie  beim  Frosch  contrahiren,  so  würde  das  Blut  noch  aus 
dem  Bulbus  in  den  nächsten  Theil  der  Arterie  getrieben  werden;  unmit- 


128 


Müller: 


telbar  auf  den  Schlag  des  Bulbus  aber  würde  das  Blut  aus  der  Arterie,  wo 
es  unter  dem  Druck  des  ganzen  Arteriensystems  steht,  zurückgehen,  den 
Bidbus  wieder  bis  zu  den  Klappen  an  der  Herzkammer  ausfüllen,  kurzum 
der  musculöse  Bulbus  als  schlagende  Herzabtheilung  wäre  hier  völlig  zweck- 
los. Hat  man  so  weit  nachgedacht,  so  ist  man  für  die  Anschauung  des  le- 
bendigen hinreichend  interessirt , man  will  das  Herz  an  dem  ersten  besten 
Knochenfisch  in  lebender  Thätigkeit  untersuchen.  Hier  mufste  ich  denn  so- 
gleich sehen,  dafs  der  sogenannt  musculöse  Arterienbulbus  der  Knochen- 
fische gar  keinen  Schlag  ausführt  und  dafs  er  sich  dadurch  völlig  von  dem 
höchst  activen  Bulbus  aortae  der  Batrachier  unterscheidet.  Das  Herz  eines 
Cj“prinen,  Salmonen,  Hechtes  verhält  sich  nämlich  so:  sowie  der  Schlag 
der  Kammer  auf  den  der  Vorkammer  erfolgt,  wird  der  Bulbus  und  die 
daraus  fortgesetzte  Arterie,  von  dem  eingetriebenen  Blute  strotzend  aus- 
gedehnt, von  da  an  bis  zum  nächsten  Schlag  der  Kammer  verengt  sich  Bul- 
bus und  Arterie  allmählig  wieder  und  diese  Verengerung  geschieht  am  Bulbus 
ganz  in  derselben  Weise  wie  an  den  Arterien,  nur  stärker.  Auch  ist  es  nicht 
möglich,  Aveder  den  vollen  noch  den  entleerten  oder  aufgeschnittenen  Bul- 
bus durch  mechanische  oder  electrische  oder  chemische  Reizung,  durch  Eis, 
ätherisches  Senföl,  Kali,  zu  einem  Schlag  oder  Contraction  zu  bringen. 

Der  nächste  Schritt  wird  sein,  dafs  man  die  feinere  Struktur  der  Mus- 
kulatur am  Bulbus  bei  den  Plagiostomen,  Ganoiden  einerseits  und  den  Kno- 
chenfischen anderseits  vergleicht.  Da  findet  sich,  dafs  der  Muskel  des  Ar- 
terienstiels der  Plagiostomen  und  Ganoiden  aus  quergestreiften  Muskelbün- 
deln besteht  von  gleicher  Beschaffenheit,  wie  an  der  Herzkammer  und  Vor- 
kammer. Die  Substanz  des  Bidbus  der  Knochenfische  dagegen  zeigt  keine 
Spur  von  den  quergestreiften  Bündeln  des  Herzens,  sondern  besteht  aus 
blassen  Bündeln  von  zarten  Faseim,  welche  nicht  die  entfernteste  Ähnlich- 
keit mit  jenen  Muskelfasern  haben.  Die  Substanz  setzt  sich  allmählig  ver- 
dünnt in  eine  gleichartige  Schicht  der  Arterie  foi’t,  welche  an  der  ganzen 
Verzweigung  der  Kiemenarterie  fortgeht  und  an  den  Kiemenvenen  wieder 
erscheint.  Man  kann  die  Bündel  dieser  Schichte  und  des  Bulbus  denjenigen 
vei’gleichen,  welche  Hr.  He  nie  in  der  Ringfaserschichte  der  Arterien  entdeckt 
hat  und  worin  er  den  Sitz  der  organischen  Contractilität  der  Arterien  legt. 
Der  Bulbus,  dessen  Wände  beim  Salm  gegen  8 mal  so  dick  sind  als  die 
Wände  der  lüemenai'terie,  wäre  dann  eine  herzförmige  Anschwellung  einer 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


129 


tonisclien  Schiclite.  Aber  unsere  Bündel  sind  sehr  elastisch;  und  dafs  der 
Bulbus  organische  Contra ctilität  besitze , läfst  sich  auf  keine  Weise  erhär- 
ten (^).  Bei  den  Haifischen,  Rochen,  Stören  oder  Ganoiden,  welche  eine 
wahre  Veidängerung  des  Herzens  auf  den  Arterienstiel  besitzen,  hört  das 
Muskelfleisch , welches  auswendig  um  die  Arterie  liegt , mit  einer  scharfen 
Grenze  auf,  und  die  Arterie  geht  mit  ihren  Häuten  innerhalb  des  musculö- 
sen  Ringes  herror.  Umgekehrt  geht  der  scheinbare  Muskel  des  Bulbus  der 
Knochenfische  nach  oben  ohne  alle  Unterbrechung  fox’t,  indem  er  nur  dün- 
ner wird.  Die  Masse  des  Bulbus  besteht  ganz  aus  diesen  grauen  Bündeln, 
welche  nach  innen  unregelmäfsige  Trabeculae  carneae  bilden,  theils  schief, 
theils  der  Länge  nach  verlaufend,  nach  aufsen  aber  eine  sehr  dicke  Querlage 
bilden.  Die  innere  Schicht  verliert  sich  allmählig  aufwärts,  die  Querbündel 
sind  als  ganze  zusammenhängende  Schichte  an  allen  Stellen  der  Arterie  nach- 
zuweisen und  auch  bei  grofsen  Fischen,  z.  B.  Salmen,  an  denen  diese  Un- 
tersuchungen anzustellen  sind,  zu  präpai’iren.  Die  graue  Schicht  ist  inwen- 
dig von  einer  dünnen  Haut  bedeckt,  welche  grofsentheils  aus  zickzackförmig 
gewellten  Fasern  besteht,  ebenso  ist  auch  die  dickere  weifse  elastische 
Schichte  gebildet,  welche  nach  aufsen  von  der  grauen  Schicht  gelegen  ist. 
Dies  sind  die  unverzweigten  elastischen  Fasern,  die  ich  in  der  vergl.  Angio- 
logie  der  Mjxinoiden  beschrieben.  Die  graue  Schichte  der  Knochenfische 
besteht  ganz  für  sich  und  ihre  Bündel  sind  nicht  mit  den  weifsen  elastischen 
Fasern  verstidckt. 

Der  Bulbus  der  Knochenfische  kann  daher  nur  in  verstäi’ktem  Mafse 
so  wirken,  wie  dieselbe  Schiebt  am  ganzen  Arteriensjstem  wirkt.  Die  Cy- 
clostomen  entbehren  die  Anschwellung  der  Wände  zu  einem  Bulbus.  Auf 
diese  Weise  erklärt  sich  ihre  Abweichung  von  den  Knochenfischen,  mit  de- 
nen sie  durch  die  Lage  und  Zahl  der  Klappen  am  Ostium  arteriosum  der 
Kammer  übereinstimmen.  Aber  auch  in  den  Knochenfischen  ist  die  Ausbil- 
dung des  Bulbus  sehr  ungleich. 

Wir  haben  nun  einen  Charakter  gefunden,  welcher  die  Sclerodermen, 
Gymnodonten,  Siluroiden,  Goniodonten  und  Lophobranchier  entschieden (*) 

(*)  Diese  ist  aber  eben  so  wenig  von  der  Cirkelfaserschicbt  der  Arterien  bekannt.  Die 
Ableitung  des  Tonus  der  kleinen  Arterien  aus  der  äufsern  Bindefasersebiebt  der  Arterien 
bat  wenigstens  die  Analogie  der  Contractilität  dieses  Gewebes  in  der  Haut  und  in  der  tu- 
nica  dartos  für  sieb. 

Phjsili.-math.  Kl.  1844. 


R 


130 


Müller: 


von  den  Ganoiden  entfernt  und  den  eigentlichen  Gräthenlischen  zuführt. 
Alle  diese  Fische  stimmen  nach  meinen  Untersuchungen  in  ihrer  Organisa- 
tion mit  den  übrigen  Knochenfischen  überein;  insbesondere,  worauf  es  mir 
für  diesen  Augenblick  ankommt,  gleichen  sie  allen  eigentlichen  Knochen- 
fischen durch  die  fundamentale  Eigenthümlichkeit  des  Arterienstiels  mit  2 
Klappen  am  Ursprung  desselben.  Ich  habe  untersucht  für  die  Sclerodermen 
die  Gattungen  Balistes  und  Ostracion,  für  die  Gymnodonten  die  Gattung 
Tetrodon,  für  die  Siluroiden  die  Gattung  Calophysus  M.  T.,  für  die  Go- 
niodonten  die  Gattungen  Hjpostoma  und  Loricaria,  für  die  Lophohranchier 
die  Gattung  Sjngnathus.  Die  Beständigkeit  in  dem  Klappenbau  bei  allen 
eigentlichen  Gräthenfischen  aufser  Zweifel  zu  setzen,  mag  es  hinreichen, 
dafs  Typen  aus  35  Familien  von  Knochenfischen  darauf  untersucht  sind  und 
dafs  sich  nie  eine  Abweichung  gefunden  hat.  Ich  liefere  hier  eine  Zusam- 
menstellung meiner  Beobachtungen  mit  den  vorhandenen  übrigen  in  einer 
Tabelle. 


Untersuchte  Knochenfische  mit  2 Klappen(^). 


Ordnung. 

Familie. 

Gattung. 

Acanthopteri 

Percoidei 

Uranoscopus,  Trachinus* 

Cataphracti  .... 

Scorpaena,  Trigla*,  Agonus* 

Sparoidei 

Dentex* 

Sciaenoidei  .... 

Umbrina 

Squamipennes  . . . 

Chaetodon 

Scomberoidei  . . . 

Scomber,  Zeus,  Xiphias* 

Taenioidei  .... 

Trachypterus* 

Theutyes 

Naseus* 

(')  Einzelne  zerstreute  Beobachtungen  finden  sich  bei  den  altern  Beobachtern,  z.  B.  vom 
Lachs  bei  Collins,  vom  Schwertfisch  bei  Bartholin,  TV^alhaum  u.  s.  w.  Die  Gattung 
Gadus  ist  von  Cuvler,  Uranoscopus,  Scorpaena,  Umbrlna,  Chaetodon,  Scomber,  Zeus, 
Mugil,  Flstularla,  Belone,  Esox,  Muraena,  Gohlus,  Hypostoma,  Pleuronectes,  Salmo,  Cyprl- 
nus  von  Tledemann  (Anatomie  des  Fischherzens),  Lophlus  von  Meckel,  untersucht.  Die 
von  mir  untersuchten  Gattungen  sind  mit  einem  * bezeichnet.  In  Hinsicht  der  Ordnun- 
gen, in  welchen  die  Familien  aufgestellt  sind,  verweise  ich  auf  die  Entwickelung  des  natür- 
lichen Systemes  der  Fische  am  Ende  dieser  Abhandlung. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


131 


Ordnung. 

Famili  e. 

Gattung. 

Acanthopteri 

Labjrinthici .... 

Ophicephalus* 

Mugiloidei  .... 

Mugil 

Gobioidei 

Gobiesox*,  Cyclopterus*,  Echeneis*, 
Gobius 

Blennioidei  .... 

Zoarces* 

Pediculati 

Lophius 

Fistrüares 

Fistularia 

Anacanthini 

Gadoidei 

Gadus,  Macrurus* 

Ophidini 

Ophidium* 

Pleuronectides  . . 

Pleuronectes 

Pharyngognathi 

Labroidei  cycloidei 

Scarus* 

Labroidei  ctenoidei 

Pomacentnis* 

Chromides  .... 

Chi’omis  * 

Scomberesoces  . . 

Belone 

Physostomi 

Siluroidei 

Calophysus*,  Loricaria*,  Hypostoma 

Cyprinoidei  .... 

Cyprinus 

Characini 

Erythrinus* 

Cyprinodontes . . . 

Anableps* 

Esoces 

Esox 

Mormyi’i 

Mormyrops* 

Salmones 

Salmo 

Scopelini 

Saums* 

Clupeidae 

Arapaima*,  Elops*,  Osteoglossum* 

hluraenoidei .... 

Muraena 

Plectognathi 

Balistini 

Balistes* 

Ostraciones  .... 

Ostracion* 

Gymnodontes  . . . 

Tetrodon* 

Lophobranchii 

Lophobranchi  . . . 

Syngnathus  * 

Die  Gründe,  die  ims  bestimmen  müssen,  jene  Familien  als  den  Ga- 
noiden fremd  abznsondern,  gelten  ancli  für  den  mit  den  Ganoiden  vereinig- 
ten Lepidosiren,  dessen  bekannte  Klappen  des  Bulbus  arteriosus  nichts  we- 
niger als  denen  der  Ganoiden  gleichen,  von  denen  er  auch  durch  seine  Schup- 

R2 


132 


Müller: 


pen  abweicht.  Es  wird  zwar  diesen  Schuppen  von  Agassiz  eine  Scbmelz- 
lage  zugeschrieben*,  aber  seine  Schuppen  schliefsen  sich  durch  ihre  mosaik- 
artige Zusammensetzung  an  die  zusammengesetzten  Schuppen  der  Sudis  und 
Osteoglossum  an.  Die  concentrischen  erhabenen  Linien  fehlen  daran  und 
sie  sind  auf  der  Oberfläche  nur  reticulirt  und  granulirt,  aber  diese  erhabenen 
Linien  gehen  an  den  Schuppen  der  Knochenfische  unmerklich  in  Reticula- 
tion  und  Granulation  über,  wie  man  am  freien  Theil  der  Schuppen  der  Su- 
dis und  Osteoglossum  sehen  kann.  Schmelz  habe  ich  an  den  Schuppen  des 
Lepidosiren  nicht  wahrnehmen  können. 

Ich  wende  mich  jetzt  zu  einem  andern  wichtigen  Punkt  in  der  Orga- 
nisation der  Ganoiden  und  dieser  betrifft  die  Athemorgane. 

In  meiner  Abhandlung  über  die  Nebenkiemen  und  Pseudobranchien 
habe  ich  bewiesen,  dafs  die  falschen  Nebenkiemen  oder  Pseudobranchien 
mit  der  Bedeutung  der  Wundernetze,  bei  den  Plagiostomen  und  Sturionen 
sowohl  als  bei  den  Knochenfischen  Vorkommen,  dafs  dagegen  eine  wahre 
accessorische  Kieme  vor  dem  ersten  Kiemenbogen  am  Kiemendeckel  bei  kei- 
nem Knochenfisch  erscheint  und  die  Sturionen  auszeichnet,  welche  sie  mit 
den  Plagiostomen  gemein  haben,  obgleich  die  Plagiostomen  den  Kiemen- 
deckel entbehren.  EbendaseU)st  wurde  bewiesen,  dafs  die  Störe  beides, 
die  accessorische  wahre  Kiemendeckelkieme  und  die  Pseudobranchie , letz- 
tere im  Spritzloch  besitzen.  Diese  Eigenschaft,  eine  respiratorische  Kiemen- 
deckelkieme besitzen  zu  können,  ist  den  Stören  nicht  eigen,  inwiefern  sie 
Störe,  sondern,  wie  jetzt  gezeigt  werden  soll,  inwiefern  sie  Ganoiden  sind, 
denn  die  Ganoiden  weichen  durch  diesen  Charakter  von  den  Knochenfischen 
ab  und  nähern  sich  wieder,  wie  im  Klappenbau,  den  Plagiostomen. 

Die  Einheit  der  Störe  mit  den  Ganoiden  ist  mir  lange  verborgen  ge- 
blieben und  ich  hatte  sie  noch  nicht  eingesehen,  selbst  als  ich  die  zahlrei- 
chen Klappen  des  Poljpterus  kennen  gelernt  hatte,  wie  aus  meinem  Bericht 
über  Agassiz  Poissons  fossiles  im  letzten  Jahresbericht  hervorgeht,  wo  ich 
bereits  die  Mittel  besafs,  die  Sclerodermen , Gymnodonten,  Siluroiden, 
Goniodonten  und  Lophobranchier  von  den  Ganoiden  zu  trennen ; aber  auch 
die  Sturionen  schienen  mir  damals  noch  den  Ganoiden  fremd  zu  sein.  Dies 
war  nothwendig  in  der  ganzen  Entwickelung  meiner  ichthyologischen  Unter- 
suchungen begründet.  Es  hatte  sich  nämlich  bei  den  Beobachtungen  über 
die  Nebenkiemen  als  Eigenthümlichkeit  der  Störe  vor  den  andern  Fischen 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden.  133 

mit  Kieniendeckel  und  freien  Kiemen  herausgestellt,  eine  respiratorische 
Kiemendeckelkieme  zu  besitzen,  welche  bis  dahin  von  keinem  andern  Fisch 
mit  Kiemendeckel  und  freien  Kiemen,  auch  von  keinem  Ganoiden  bekannt 
war.  Sie  fehlt  auch  den  Poljpterus  und  ich  hatte  daher  bis  dahin  keinen 
hinreichenden  Gx’und,  die  Störe  und  die  Ganoiden  zusammenzubringen. 
Dazu  kommt,  dafs  die  von  den  Stören  untrennbaren  Spatularien  durch  ihre 
Nacktheit  mit  den  so  stark  beschuppten  Ganoiden  keine  Vergleichungspunkte 
darboten.  Nachdem  ich  aber  Gelegenheit  erhalten,  Lepisosteus  zu  unter- 
suchen und  jetzt  bei  Lepisosteus  gerade  diese  Eigenthümlichkeit  einer  respi- 
ratorischen Kiemendeckelkieme  wiedergefunden,  so  war  die  Stellung  der 
Störe  unter  den  Ganoiden  auf  der  Stelle  klar  und  entschieden,  und  die  frü- 
her nur  von  den  Stören  von  mir  nachgewiesene  Eigenheit,  eine  resj)iratori- 
sche  Kiemendeckelkieme  zu  besitzen,  wurde  jetzt  zu  einer  den  Ganoiden 
ül^ei’haupt  von  der  Natur  zugestandenen , den  eigentlichen  Knochenfischen 
aber  versagten  Eigenschaft. 

Bei  Lejiisosteus  ist  die  respiratorische  Kiemendeckelkieme  neben  einer 
Pseudobranchie  vorhanden.  Was  Hr.  Valentin  (^)  bei  seiner  Relation  von 
meinen  Untersuchungen  über  die  falschen  Nebenkiemen  oder  Pseudobran- 
chien  vom  Lepisosteus  anführte  und  als  äufsere  und  innere  Nebenkieme  des- 
selben bezeichnete,  klärt  sich  nämlich  als  eine  respiratorische  Nebenkieme 
neben  einer  Pseudobranchie  auf.  Beide  Organe  verhalten  sich  wie  bei  den 
Stören.  Ich  habe  ihre  wahre  Bedeutung  durch  Untersuchung  der  Blutgefäfse 
festgestellt. 

Die  Kiemendeckelkieme  des  Lepisosteus  ist  sehr  ansehnlich  und  stöfst 
mit  ihrem  obernEnde  unter  einem  spitzen  Winkel  auf  die  viel  kleinere  Pseu- 
dobranchie. Beide  Organe,  wie  bei  den  Stören  im  äufsern  Bau  einander 
ähnlich,  berühren  sich  hier  mit  ihren  Enden,  ohne  sich  zu  vermischen.  Die 
Direction  der  Blätter  ist  an  der  Berührungsstelle  verschieden  und  entgegen- 
gesetzt. Der  musculöse  Bulbus  arteriosus  bildet  wie  bei  den  Stören  und 
Poljpterus  einen  sehr  langen  Stiel,  dessen  Muskelfleisch  kurz  vor  der  Stelle, 
wo  die  Arterie  sich  zu  vertheilen  beginnt,  plötzlich  aufhört.  Die  Arterie 
theilt  sich  dann  in  eine  vordere  und  hintere  Portion.  Aus  dem  hintern  Theil 
entspringen  auf  jeder  Seite  2 Stämme,  wovon  der  vordere  die  Arterie  der 


(')  Valentin  Repert.  1841.  137. 


134 


Müller: 


Kieme  des  zweiten  Kiemenbogens  ist,  der  hintere  sieb  wieder  in  die  Arte- 
rien des  dritten  iind  vierten  Bogens  tbeilt.  Die  vordere  Portion  des  Trun- 
cus arteriosus  gebt  weiter  nach  vorn,  giebt  dann  jederseits  die  Kiemenarterie 
des  ersten  Bogens  und  setzt  sieb  dann  nochmals  dünn  in  der  Mittellinie  fort. 
Dieser  unpaare  Endast  der  Kiemenarterie  geht  über  die  Region  der  Kiemen 
der  Kiemenbogen  hinaus  und  ist  der  Stamm  der  Arterien  der  Kiemendeckel- 
kiemen rechter  und  linker  Seite.  Er  theilt  sich  nach  einem  Verlauf  von 
einem  halben  Zoll  in  einen  rechten  und  linken  Zweig,  welche  sich  an  die 
innere  Fläche  der  Kiemenhaut  schlagen  und  zwischen  Schleimhaut  und  Mus- 
kelschicht der  Kiemenhaut  zum  Kiemendeckel  und  zur  Kiemendeckelkieme 
gelangen.  Die  Kiemenhaut  des  Lepisosteus  geht  ununterbrochen  mantelar- 
tig von  einer  zur  andern  Seite  breit  hinüber  und  hat  eine  eben  so  breite  Lage 
von  queren  Muskelfasern. 

Bei  den  Stören  giebt  der  Ast  der  Kiemenarterie  zum  ersten  Kiemen- 
bogen auch  die  Arterie  der  Kiemendeckelkieme.  Vergl.  Anatomie  der  My- 
xinoiden.  3.  Fortsetzung. 

Demnach  erhält  die  Kiemendeckelkieme  der  Ganoiden  gleich  wie  die 
wahren  Kiemen  dunkelrothes  Blut  aus  der  gemeinschaftlichen  Kiemenarterie. 

Die  Arterie  der  Pseudobranchie  bietet  das  gerade  Gegentheil  dar,  sie 
entspringt  nicht  aus  der  Kiemenarterie,  sie  gehört  dem  Körperarteriensystem 
an,  und  führt  also,  ganz  verschieden  von  einem  Athemorgan,  der  Pseudo- 
branchie hellrothes  Blut  zu,  wie  die  Arterien  allen  Körpertheilen.  Sie  ist 
bei  Lepisosteus  gleichwie  bei  andern  Fischen,  eine  Fortsetzung  der  Arterie, 
welche  die  Knochen  und  Muskeln  des  Kiemendeckels  versorgt,  ramus  oper- 
cidax’is.  Sie  kommt  beim  Lepisosteus  an  derselben  Stelle  des  Kiemende- 
ckels durch  eine  Öffnung  innen  zum  Vorschein,  wie  bei  den  Knochenfischen. 
Ich  habe  ihren  Ursprung  aus  der  ersten  Kiemenvene,  den  ich  bei  andern  Fi- 
schen nachgewiesen,  wegen  Mangels  an  Matei’ialien,  hier  nicht  verfolgt,  aber 
es  ist  kein  Zweifel  gestattet,  dafs  sie  sich  eben  so  verhalte. 

Die  Störe  entfernen  sich  von  allen  Knochenfischen  dadurch,  dafs  ihre 
Pseudobranchie , wie  bei  den  Plagiostomen  ein  i-ete  mhabile  caroticum  für 
Auge  und  Gehirn  ist,  während  sie  bei  allen  Knochenfischen  blofs  eine  rete 
mirabile  ophthalmicum  ist.  Aus  Gründen,  die  im  Vorhergehenden  liegen, 
ist  zu  vermuthen,  dafs  es  ebenso  bei  Lej^isosteus  sein  wei’de.  Ich  mufs  dies 
bis  zur  Ankunft  neuer  Mateidalien  ungewifs  lassen. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


135 


Die  Existenz  einer  accessorischen  Kiemendeckelkieme  ist  eine  Er- 
scheinung, welche  sich  hei  keinem  Knochenfisch  ereignen  kann ; sie  gehört 
zu  den  Charaktereren  der  Ganoiden;  aber  sie  ist  ihnen  nicht  nothwendig 
eigen.  Ich  finde  bei  den  den  Stören  nächst  verwandten  nackten  Spatularien, 
nämlich  bei  Planirostra  edentula  Raffinesque  keine  Kiemendeckelkieme,  son- 
dern nur  eine  in  ihrem  Spritzloch  verborgene  Pseudohranchie,  welche  die- 
selbe Lage  hat  wie  die  Pseudohranchie  der  Störe.  So  wie  die  Planirostra 
zu  den  Stören,  so  verhalten  sich  die  Polypterus  zu  den  Lepisosteus.  Die 
Polypterus  haben  gleich  den  Planirostra  keine  Kiemendeckelkieme,  aber 
auch  die  Pseudohranchie  selbst  ist  hier  eingegangen  und  es  ist  nur  das  Spritz- 
loch übrig  gebliehen,  in  dem  ich  keine  Spur  dieses  Organes  wieder  finden 
kann.  Das  Vorkommen  der  Pseudohranchie  ist  auch  bei  den  Plagiostomen 
gleichen  Variationen  untex’worfen.  Denn  ich  habe  sie  bei  mehreren  Gattun- 
gen nicht  darin  gefunden,  wie  z.  B.  bei  den  Scymnus,  hei  denen  ich  sie  je- 
doch im  frühen  Fötusalter  an  dieser  Stelle  gesehen  habe.  Vergl.  Anat.  der 
Myxinoiden  3.  Fortsetzung.  Abhandl.  d.  Akademie  d.  Wissensch.  a.  d.  J. 
1840.  252.  Ebenso  ist  es  mit  dem  Spritzloch  seihst.  Es  ist  den  meisten 
Plagiostomen  und  nach  den  mitgetheilten  Beobachtungen,  im  Fötuszustand 
vielleicht  allen  ohne  Ausnahme  eigen,  aber  im  ei’wachsenen  Zustande  fehlt 
es  den  Gattungen  Carcharias  und  Sphyrna.  Dieselben  Verhältnisse  wieder- 
holen sich  bei  den  Ganoiden.  Die  Störe  haben  Spritzlöcher,  die  den  Aci- 
penser  nächst  verwandte  Gattung  Scaphirhynchus  Heck,  hat  das  Spritzloch 
verloren.  Dagegen  ist  es  hei  den  Spatularien  vorhanden,  es  ist  bei  Plani- 
rostra edentula  eine  kleine  Öffnung,  eben  so  weit  entfernt  vom  Auge  als 
vom  Mundwinkel.  Auch  die  Polypterus  besitzen  bekanntlich  Spritzlöcher, 
aber  sie  fehlen  den  Lepisosteus. 

In  Hinsicht  der  Kiemendeckelkieme,  der  Pseudohranchie  und  des 
Spritzloches  kommen  demnach  hei  den  Ganoiden  fast  alle  Combinationen 
vor,  welche  logisch  möglich  sind; 

1)  Kiemendeckelkieme,  Pseudohranchie  und  Spritzloch.  Acipenser. 

2)  Kiemendeckelkieme  und  Pseudohranchie  ohne  Spritzloch.  Lepisosteus. 

3)  Kiemendeckelkieme  ohne  Pseudohranchie  und  ohne  Spritzloch.  Sca- 
phirhynchus. 

4)  Pseudohranchie  ohne  Kiemendeckelkieme  mit  Spritzloch.  Planiro- 
stra. 


136 


Müller: 


5)  Spritzloch  ohne  Kiemencleckelkieme  und  ohne  Pseudobranchie.  Po- 

Ijpterus. 

Die  Gegenwart  der  Spritzlöcher  ist  für  die  Ganoiden  kein  absoluter 
Charakter,  denn  die  Lepisosteus  bieten  schon  unter  den  lebenden  eine  Aus- 
nahme, aber  die  Negation  dieses  Charakters  ist  bei  den  eigentlichen  Kno- 
chenfischen absolut.  Die  Existenz  der  Spritzlöcher  hei  Poljpterus  war,  so 
lange  derselbe  als  Knochenfisch  aufgefafst  wurde,  ein  unbegreifliches  Factum. 
Jetzt,  nachdem  die  Störe  und  Spatularien  seine  erwiesenen  nächsten  Ver- 
wandten sind,  ist  es  umgekehrt,  es  erfordert  vielmehr  unsere  Erklärung, 
warum  diese  Öffnungen,  welche  so  sehr  in  der  Natur  der  Ganoiden  zu  lie- 
gen scheinen,  dem  Lepisosteus  fehlen  können.  Ich  vermuthe,  dafs  sie  bei 
ihm  im  Fötuszustande  gefunden  werden,  gleichwie  ich  sie  hei  dem  Fötus 
derjenigen  Haifisch- Gattungen  gefunden,  denen  sie  im  erwachsenen  Alter 
fehlen  (Carcharias). 

Die  Schwimmblase  ist  hei  allen  lebenden  Ganoiden,  auch  den  Aci- 
penser  und  Polyodon  vorhanden,  sie  ist  ohne  Wundernetze  und  mit  einem 
Luftgang  versehen,  wie  hei  den  Malacopterygii  abdominales  oder  bestimm- 
ter den  Physostomi  unter  den  Knochenfischen. 

Die  Geschlechtsorgane  verhalten  sich  bei  den  Ganoiden  sehr  eigen- 
thümlich.  Was  in  der  Description  de  l’Egypte  von  den  Geschlechtsorganen 
des  Polypterus  gesagt  ist,  ist  unvollständig,  zum  Theil  unrichtig;  in  der 
Abbildung  pl.  3.  Fig.  7 tt.  sind  die  Fettlappen  an  den  chylopoetischen  Ein- 
geweiden  für  die  Hoden  genommen. 

Die  Eierstöcke  des  Polypterus  liegen  vor  den  Nieren  als  eine  lange 
Platte,  jeder  an  einem  Gekröse  befestigt.  Sie  sind  ohne  innere  Höhle  und 
es  giebt  von  ihnen  keinen  Ausgang  als  in  die  Bauchhöhle,  wie  bei  den  Pla- 
giostomen,  Sturionen,  Cyclostomen  und  wenigen  Knochenfischen,  nämlich 
den  Aalen  und  Salmonen.  Die  Eier  werden  aus  der  Bauchhöhle  durch 
wahre  Eileiter  ausgeführt,  dadurch  entfernt  sich  Polypterus  schon  ganz  von 
den  Knochenfischen,  auch  von  den  letztgenannten,  bei  welchen  nur  eine 
Bauchöffnung  ausführt,  vielmehr  schliefst  er  sich  an  die  Fische  mit  beson- 
dern  Eileitern,  welches  die  Plagiostomen,  Sturionen  und  LepiJosiren  sind. 
Die  Form  der  Eileiter  gleicht  aber  zunächst  am  meisten  derjenigen  der  Störe. 

Die  Eileiter  des  Polypteims  liegen  gerade  vor  den  langen  und  weiten 
Harnleitern  und  sind  an  ihnen  durch  Bindegewebe  angewachsen ; einige  Zoll 


ilber  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


137 


von  dem  After  entfernt , öffnen  sie  sich  mit  einem  weiten  queren  Schlitz  in 
die  Bauchhöhle.  Diese  Mündung  liegt  dicht  beim  Eierstockgekröse,  nach 
aufsen  von  dem  untern  Theil  desselben.  Eileiter  und  Harnleiter  vex’folgen 
ihren  Weg,  getrennt  bis  nahe  vor  dem  gemeinschaftlichen  Ausgang  im  Porus 
urogenitalis  hinter  dem  After.  Bläst  man  in  letztem,  so  füllen  sich  meist 
die  Harnleiter  mit  Luft,  zuweilen  auch  die  Eileiter.  Bläst  man  in  die  Abdo- 
minalöffnung des  Eileiters,  so  tritt  die  Luft  aus  dem  Porus  urogenitalis  heraus. 

Bei  den  Stören  ist  Lage  und  Gestalt  des  Orificium  abdominale  tubae 
genau  ganz  dieselbe.  Aber  diese  Röhre  ist  dort  nur  kiu'z  selbstständig,  sie 
soll  nämlich  bald  in  den  weiten  Harnleiter  einmünden,  der  dadurch  zugleich 
zum  Eileiter  wird.  Bei  männlichen  Stören  führen  dieselben  Trichter  aus 
der  Bauchhöhle  in  den  Harnleiter.  Hr.  v.  Baer  hat  diese  interessante  That- 
sache  aus  der  Anatomie  der  Störe  zuerst  von  den  männlichen  Geschlechts- 
organen angegeben(*),  Hr.  Rathke(^)  hat  sie  bei  weiblichen  bestätigt.  Bei 
eigener  Untersuchung  dieses  Gegenstandes  stofse  ich  auf  einen  von  beiden 
Forschern  nicht  angegebenen  Umstand.  Der  aus  der  Bauchhöhle  in  den 
Harnleiter  führende  Trichter  erscheint  im  Harnleiter  wie  ein  Blindsack ; bei 
mehreren  grofsen  sowohl  weiblichen  als  männlichen  Stören  waren  diese  wei- 
ten Blinclsäcke  völlig  verschlossen,  so  dafs  Quecksilber  und  Luft  nicht  durch- 
drangen. Da  es  sich  hier  um  gar  grofse  Gegenstände,  um  einen  Blindsack 
von  dem  Durchmesser  eines  kleinen  Fingers  handelt,  so  ist  keine  Täuschung 
möglich.  In  zwei  Fällen  waren  die  Trichter  keine  Blindsäcke  mehr,  sondern 
in  den  Harnleiter  geöffnet;  offen  fand  ich  die  Trichter  auch  im  Handeiter  eines 
weiblichen  Scajxhii’hynchus  Raffmescii  Heck.,  in  beiden  Fällen  waren  sie  auf 
beiden  Seiten  geöffnet.  Hieraus  scheint  hervorzugehen , dafs  die  Abdomi- 
nallrichter nur  zu  gewissen  Zeiten  dehisciren , zu  andern  aber  geschlossen 
bleiben.  Ein  grofses  Weibchen  mit  geschlossenem  Blindsack  des  Trichters 
war  im  Sommer  in  der  Oder  gefangen  und  hatte  im  Eierstock  nur  ganz  un- 
reife mit  der  Loupe  zu  sehende  Eierchen  (^). 

(')  Rericlite  der  K.  anatoni.  Anstalt  zu  Königsberg  II.  Leipzig,  1819.  40. 

C^)  Über  den  Darmkanal  und  die  Zeugungsorgane  der  Fische.  Halle  1824.  p.  124. 

(’)  Wie  <ler  Samen  der  Störe  ausgendirt  wird,  ist  noch  unbekannt.  Rathke  glaubt 
beim  Hausen  Qnergef'afse  zwischen  dem  Hoden  und  dem  Harnleiter  gesehen  zu  haben. 
Der  Hoden  besteht  jedenfalls  aus  reiserförmigen  Samenkanälchen,  die  man  mit  der  Loupe 
sieht,  und  nicht  aus  Bläschen,  aber  sie  sind  sehr  verwirrt  und  ihre  Anordnung  und  Ende 
ist  mir  unbekannt  geblieben. 

Physilc.-math.  KL  1844. 


S 


138 


Müller: 


Die  Störe  haben  auch  jederseits  vom  After  eine  Bauchhöhlenmün- 
dung, diese  fehlt  den  Poljpterus,  so  wie  auch  die  Communication  zwischen 
Bauchhöhle  und  Herzbeutel,  der  Herzbeutel  zeigt  hier  hlofs  eine  tiefe  Bucht 
nach  rückwärts  (^ ).  übrigens  ist  die  Ausmündung  des  Afters  und  des  Porus 
urogenitalis  hinter  einander  hei  beiden  Thieren  wie  hei  den  Knochenfischen 
und  verschieden  von  der  Cloake  der  Plagiostomen. 

In  der  Bildung  des  Darmkanals  nähern  sich  die  Ganoiden  den  Plagi- 
ostomen, denn  die  Acipenser,  Polydon  haben  eine  Spiralklappe  im  Darm, 
wie  die  Haifische  und  Rochen,  und  bei  Polypterus  ist  sie  schon  von  seinem 
Entdecker  angegeben,  aber  kein  Knochenfisch  besitzt  diesen  Bau.  Die  Spi- 
ralklajjpe  ist  indefs  unter  den  Ganoiden  nicht  allgemein,  denn  hei  Lepiso- 
steus  ist  sie  von  Niemand  angezeigt.  Der  Darm  der  Plagiostomen  und  des 
Polypterus  ist  nach  demselben  Plan  gebildet.  Das  vom  sackförmigen  Magen 
aufsteigende  oder  hier  seitlich  ahgehende  Rohr  reicht  bis  zum  Klappendarm. 
Hier  erst  befindet  sich  der  Pylorus.  Dies  Rohr  ist  daher  nicht  Darm,  wie 
es  von  Geoffroy  St.  Hilaire  genannt  wird,  sondern  der  gewöhnliche  py- 
lorische  Gang,  brauche  montante,  des  Magens.  Am  obern  abgerundeten 
Ende  des  Klappendarms  der  Plagiostomen  befindet  sich  ein  klappenloser 
Raum  zwischen  dem  Anfang  der  Klappe  und  dem  Pylorus.  Dies  ist  die 

(')  Anmerkung.  Beim  Stör  fand  ich  in  dem  Canal  zwischen  Herzbeutel  und  Bauch- 
höhle eine  Drüse  ohne  Ausführungsgang,  frei  an  einem  Stiele  hängend,  der  von  der  vor- 
dem Wand  des  Canals  ausgehend,  die  Blutgefäfse  der  Drüse  enthält.  Siehe  Müll.  Arch. 
1844.  Jahresbericht,  p.  53. 

Eine  andere  Drüse  ohne  Ausführungsgang  ist  den  Ganoiden  wieder  mit  den  Pla- 
giostomen gemein  und  scheint  den  Knochenfischen  zu  fehlen.  Es  ist  die  an  der  Kehle  über 
der  Verzweigung  der  Kiemenarterie  liegende  Drüse.  Sie  ist  bei  den  Plagiostomen  von 
Stenonis  entdeckt.  Stenonis  Bajae  anat.  De  musculis  et  glandulis.  Lugd.  Nat.  1683. 
p.  86.,  ferner  von  Retzius  beschrieben,  ohserv.  in  anat.  chondropt.  Lundae  1819.  Bei 
den  Stören  ist  sie  von  Simon  beschrieben,  Philos.  Transact.  1844,  und  nach  ihrem  feinem 
Bau  richtig  als  Schilddrüse  gedeutet.  Der  Verfasser  vergleicht  sie  unrichtig  mit  der  Pseu- 
dohranchie  der  Knochenfische,  die  auch  bei  den  Stören  und  Plagiostomen  vorkommt;  es 
scheint  Ihm  auch  unbekannt  zu  sein,  was  Alles  im  Archiv  f.  Anat.  u.  Physiol.  und  in  den 
Abhandlungen  unserer  Akademie  über  die  Pseudobranchlen  verhandelt  Ist.  Die  Schilddrüse 
des  Polypterus  liegt  an  derselben  Stelle  wie  hei  den  Stören;  sie  ist  doppelt. 

Die  Nebennieren  scheinen  den  Ganoiden  zu  fehlen.  Die  gelben  in  den  Nieren  des 
Störs  zerstreuten  Körper,  welche  v.  Baer  für  kalkige  Concretlonen  ansah,  Delle  Chiaje 
neulich  als  Nebennieren  deutete,  sind  nichts  als  Fett.  Siehe  Müll.  Archiv  1844.  Jahres- 
bericht. p.  53.  Zusatz. 


üher  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


139 


Bursa  Entiana,  sie  nimmt  den  Gallengang  und  pancreatischen  Gang  auf,  beim 
Fötus  auch  den  Ductus  yitello  intestinalis,  sie  ist  ohne  Zweifel  einem  Tlieil 
des  Dünndarms,  am  meisten  dem  Duodenum  zu  vergleichen.  Wollte  man 
den  Klappendarm  als  Dickdarm  ansehen,  so  hätten  sie  vom  ganzen  Dünn- 
darm nichts  als  die  Bursa  Entiana.  Das  ist  widersinnig,  vielmehr  ist  der 
ganze  Klappendarm  mit  der  Bursa  als  Dünndarm  zu  betrachten  und  das  klap- 
penlose Ende,  der  Mastdarm  ist  allein  dem  Dickdarm  analog.  Auch  hei 
den  Knochenfischen  ist  der  Darm  nicht  in  Dünndarm  und  Dickdarm,  son- 
dern in  Dünndarm  und  Mastdarm  geschieden.  Die  Erklärung  des  Darmka- 
nals des  Poljpterus  mufs  von  diesem  Gesichtspunkt  ausgehen,  oder  vielmehr 
der  Darm  dieses  Ganoiden  ist  seihst  eine  Bestätigung  jener  Ansicht.  Beim 
Poljpterus  gieht  es  kaum  mehr  eine  Bursa  und  die  Klappe  des  Klappendarms 
entspringt  vom  Rande  des  Pjlorustrichters.  Uber  dieser  Stelle  erweitert  sich 
der  Darm  in  den  hlindsackförmigen  Anhang,  die  Appendix  pjlorica,  und  in 
der  Nähe  des  Pjlorus  mündet  auch  der  Gallengang  ein.  Hätte  Geoffroj 
St.  Hilaire  diese  Einmündung  gesucht  oder  gekannt,  so  hätte  er  den  pylo- 
rischen  Gang  des  Magens  nicht  für  den  Dünndarm  halten  können. 

Die  Störe  unterscheiden  sich  von  den  Poljpterus  nur  durch  die  Form 
des  Magens  und  durch  die  Ausbildung  der  Stelle  zwischen  Klappe  und  Pj- 
lorus oder  der  Bursa  der  Plagiostomen  zu  einer  ganzen  Darmschlinge,  also 
Duodenaldarmschlinge.  Der  Magen  ist  hier  ohne  Blindsack  und  biegt  ohne 
Grenze  in  den  pjlorischen  Theil  um,  der  nach  einer  muscularen  Anschwel- 
lung den  Pjlorus  bildet.  Darauf  folgt  die  Duodenaldarmschlinge,  wMche 
hinter  dem  Pjlorus  die  Ausmündung  der  Appendices,  den  Gallengang  und 
den  Gang  des  von  Alessandrini(^)  entdeckten  drüsigen  Pancreas  aufnimmt, 
deren  unteres  Ende  aber  noch  einmal  eine  Klappe  bildet,  von  deinen  Rande 
die  Spiralklappe  des  Klappendarms  entspringt.  Den  Übergang  von  Poljp- 
terus zu  den  Stören  bilden  die  Rochen,  deren  Bursa  Entiana  nach  dem  Pj- 
lorus hin  in  einen  retortenähnlichen  Kanal  ausgezogen  ist,  so  dafs  der  Pjlo- 
rus nicht  mehr  in  den  Raum  der  Bursa  sich  öffnet,  sondern  an  den  Hals  der 
Retorte  stöfst. 

Das  Gehirn  der  Ganoiden  ist  eigenthümlich  und  unterscheidet  sich 
von  dem  der  Knochenfische  und  Plagiostomen.  Das  des  Störs  ist  bekannt; 


(')  Novi  Comment.  Bonon.  II.  1836.  335.  Tab.  XIV. 


S2 


140 


Müller: 


icli  verweise  auf  Stannius(‘)  Abhandlung.  Hier  folgt  die  gedrängte  Beschrei- 
bung des  Gehmis  des  Polypterus  bichir.  Es  gleicht  dem  Hirn  des  Störs 
und  besteht  in  seinem  hintern  Theil  aus  einem  sehr  langen  verlängerten  Mark 
mit  dem  langen  Sinus  rhomb.,  aus  dem  kleinen  Gehirn,  den  verhältnifsmäs- 
sig  kleinen  Lobi  optici,  die  in  den  Lobus  ventriculi  tertii  mit  oberer  Öffnung 
auslaufen.  Darauf  folgen  die  sehr  grofsen  tief  getheilten  Hemisphären. 
Unter  ihnen  setzt  sich  das  Gehirn  in  die  Lobi  olfactorii  und  die  Geruchs- 
nerven fort.  Den  Sehnerven  fehlt  die  Kreuzung  der  Knochenfische,  sie  ge- 
hen nicht  frei  übereinander  weg , sondern  sind  zu  einem  Chiasma  verbun- 
den, wie  beim  Stör  (^).  Der  Schädel  der  Polypterus  besteht  unter  der 
Knochenbedeckung  noch  aus  sehr  starker  Knoi’pelmasse,  welche  auch  an  den 
Seiten  das  Gehöi'organ  zum  Theil  einschliefst,  so  dafs  dasselbe  etwas  mehr 
als  bei  den  Knochenfischen  bedeckt  wird,  was  auch  an  die  Störe  erinnert. 

In  den  Sinnesorganen  schliefsen  sich  die  Ganoiden  zum  Theil  den 
Knochenfischen,  zum  Theil  den  Plagiostomen  an.  Sie  haben,  auch  die 
Störe,  doppelte  Naslöcher,  wie  sie  bei  Plagiostomen  nicht  Vorkommen.  Der 
Processus  falciformis  und  die  Choroidaldrüse  scheinen  den  Polypterus  zu 
fehlen.  Die  eigenthümlichen  quastartigen  Gefäfsglomeruli  (^)  auf  der  Ober- 
fläche des  Herzens  des  Störs  fehlen  den  übrigen  Ganoiden. 

Die  Haut  der  Ganoiden  kann  mit  emaillirten  rhomboidalen  oder  auch 
runden  Schuppen  getäfelt  sein,  sie  kann  Schilder  tragen,  sie  kann  völlig  nackt 
sein.  Die  Spatularien  sind  nackte  Sturionen,  ihre  Eingeweide,  ihre  Wirbel- 
säule sind  dieselben,  von  den  Sturionen  aber  läfst  sich  selbst  in  der  Hautbe- 
deckung der  unmerkliche  Übergang  in  die  übrigen  Ganoiden  nachweisen. 
Bei  den  eigentlichen  Stören  stehen  die  grofsen  Knochenschilder  in  weit  von 
einander  abgesonderten  Längsreihen,  bei  Scaphirhynchus  wird  der  hintere 
Theil  des  Körpers  uniform  mit  Ganoid- Tafeln  besetzt.  Aber  auch  die  ge- 
wöhnlichen Störe  besitzen  an  den  Seiten  des  Schwanzes  vollkommene  Ga- 
noid-Tafeln.  Dazu  kommen  die  Fulcra  der  Firste  des  obern  verlängerten * (*) 


(')  Müll.  Arcbü  1843.  p.  36. 

(*)  Desmoulins  Angabe  (anat.  d.  syst.  nerv.  I.  334),  dafs  die  Sehnerven  des  Störs  wie 
bei  Knochenfischen  über  einander  Weggehen,  ist  irrig. 

(^)  Siehe  über  diese  Organe  Otto  in  Carus  Erläuterungstafeln  zur  vergl.  Anat.  VI.  p.  11. 
Die  Arterien  und  Venen  der  Organe  entspringen  von  den  Kranzgefäfsen  des  Herzens.  Die 
Glomerull  sind  In  Lymphräumen  eingebettet. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


141 


Lappens  der  Schwanzflosse  wie  bei  Palaeonisciis,  Acrolepis  u.  a.  Niemand, 
dei’  den  Schwanz  eines  Störs  allein  sähe,  würde  anstehen,  ihn  für  den 
Schwanz  eines  heterocerken  Ganoiden  zu  ei’klären. 

Fassen  wir  alles  zusammen,  so  sind  die  einzigen  wahren  Ganoiden  der 
lebenden  Welt  die  Gattnngen  Poljpterus,  Lepisosteus,  Acipenser,  Scaphi- 
rhynchus  und  Spatularia.  Dieses  Resultat  ist  aufser  seinem  unmittelbaren 
Interesse  auch  dadurch  merkwürdig,  weil  es  auf  die  Fische  zurückführt,  mit 
welchen  Cuvier  1824  die  Palaeoniscus  verglich.  Freilich  datte  dieser  grofse 
Naturforscher  nicht  die  Absicht,  die  Störe,  Polypterus,  Lepisosteus  mit  den 
Palaeoniscus  des  Zechsteins  in  eine  Al^theilung  zusammenzubringen,  viel- 
mehr läfst  sich  beweisen,  dafs  diese  Idee  gerade  seinem  Gesichtskreis  gänz- 
lich entrückt  war.  Er  hat  im  Jahre  1828  in  der  neuen  Ausgabe  des  regne 
animal  die  Störe  noch  unter  der  Abtheilung  der  Knorpelfische,  die  Lepiso- 
steus und  Polypterus  unter  den  Knochenfischen,  Malacopterygii  abdomina- 
les, Familie  Clupeae  aufgeführt.  Vielmehr  war  seine  Ansicht,  die  er  auch 
in  bestimmten  Worten  ausdrückte  nur,  dafs  die  Palaeoniscus  entweder  mit 
den  Lepisosteus  imd  Polypterus,  oder  mit  den  Stören  zu  vereinigen  seien, 
dafs  die  Entscheidung  darüber  von  einigen  Fragen  abhange,  und  er  neigte 
sich  zu  der  Ansicht,  die  von  Valenciennes  noch  bestimmter  ausgesprochen 
ist,  dafs  die  Palaeoniscus  und  Dipterus  mit  den  Lepisosteus  zu  den  Malacop- 
terygii abdominales  gehören.  Cuvier  (hist.  nat.  d.  poiss.  1828.  I.  215.)  ta- 
delt den  Rafinesque,  dafs  er  Polypterus  und  Acipenser  zusammenbringt, 
als  Beispiel  von  Fehler  gegen  das  natürliche  System. 

Die  Charaktere  der  Ganoiden  sind  kurz  zusammengefasst  folgende. 
Diese  Fische  sind  entweder  mit  tafelartigen  eckigen  oder  runden  schmelzbe- 
deckten Schuppen  versehen  oder  sie  tragen  Knochenschilder,  oder  sie  sind 
ganz  nackt.  Ihre  Flossen  sind  oft,  aber  nicht  immer,  am  vordem  Rande 
mit  einer  einfachen  oder  doppelten  Reihe  von  stachelartigen  Tafeln  oder 
Schindeln  besetzt.  Ihre  Schwanzflosse  nimmt  zuweilen  in  den  obern  Lap- 
pen das  Ende  der  Wirbelsäule  auf,  welche  sich  bis  an  die  Spitze  des  obex’n 
Lappens  fortsetzen  kann.  Ihre  doppelten  Naslöcher  gleichen  denen  der 
Knochenfische.  Ihre  Kiemen  sind  frei  und  liegen  in  einer  Kiemenhöhle 
unter  einem  Kiemendeckel  wie  bei  den  Knochenfischen.  Mehrere  haben 
ein  accessorisches  Athemorgan  in  einer  Kiemendeckelkieme,  was  von  der 
Pseudobranchie  zu  unterscheiden  ist  und  mit  dieser  zugleich  vox’handen  sein 


142 


Müller: 


kann,  mehrere  haben  aueh  Spritzlöcher  gleich  den  Plagiostomen.  Sie  haben 
viele  Klappen  iin  Arterienstiel  wie  die  letzteren,  auch  einen  muscidösen  Be- 
leg des  Arterienstiels.  Ihre  Eier  werden  durch  Tuben  aus  der  Bauchhöhle 
ausgeführt.  Ihre  Sehnerven  gehen  nicht  kreuzweise  übereinander.  Ihr 
Darm  enthält  oft  die  Spiralklappe  der  Plagiostomen.  Sie  haben  eine 
Schwimmblase  mit  einem  Ausführungsgang  wie  viele  Knochenfische.  Ihr 
Skelet  ist  entweder  knöchern  oder  theilweise  knorpelig.  Ihre  Bauchflossen 
sind  abdominal. 

Wenn  wir  aber  nur  diejenigen  Charaktere,  welche  niemals  fehlen  und 
absolut  sind,  in  eine  Definition  zusammenfassen,  so  sind  die  Ganoiden  kurz 
die  Fische  mit  vielfachen  Klappen  des  Arterienstiels,  Muskelbe- 
leg desselben,  ohne  Kreuzung  der  Sehnerven,  mit  freien  Kie- 
men und  Kiemendeckel  und  mit  abdominalen  Bauchflossen. 
In  diese  Definition  können  Haut  und  Schuppen , wovon  die  Untersuchung 
ausging,  nicht  aufgenommen  werden.  Den  Charakter  von  den  abdominalen 
Bauchflossen  halte  ich  hlofs  zeitweilig  für  bindend. 

Unter  den  von  Agassiz  zu  den  Ganoiden  gerechneten  fossilen  Fischen 
sind  glücklicherweise  nur  wenige  aus  Familien,  von  denen  es  jetzt  gewifs  ist, 
dafs  sie  gemeine  Knochenfische  sind.  Die  Acanthoderma  und  Pleurocan- 
thus,  Diodon,  Ostracion,  Calamostoma  gehören  jedenfalls  zu  den  eigentli- 
chen Knochenfischen,  und  zwar  die  letztere  Gattung  als  Lophobranchier, 
die  anderen  als  Plectognathen. 

Da  die  fossilen  Gattungen  Blochius , Dercetis  und  Rhinellus  wenig 
oder  gar  keine  Übereinstimmung  mit  den  Sclerodermen,  denen  sie  in  den 
Poissons  fossiles  zugewiesen  sind,  haben,  so  frägt  sich,  ob  sie  nicht  den 
Ganoiden  erhalten  werden  müssen.  Die  Blochius  haben  nach  Agassiz 
emaillirte  rhomboidale  .Schuppen,  aber  bedenklich  für  die  Ganoidennatur 
ist  der  muthmafsliche  Stand  der  Bauchflossen  bei  den  Brustflossen.  Rhom- 
boidale Schuppen  allein  sind  nicht  sicher,  denn  die  Balistes  haben  solche, 
ohne  Ganoiden  zu  sein.  Was  den  Schmelz  betrifft,  so  halte  ich  die  An- 
nahme desselben  bei  kleinen  Schuppen  nur  dann  für  sicher,  wenn  keine  an- 
dern Charaktere  der  Ganoidnatur  widersprechen , denn  den  Balistes  wurde 
auch  Schmelz  zugeschrieben,  was  ich  aber  nicht  zugeben  kann.  Es  wird 
daher  sehr  viel  darauf  ankommen,  die  Stellung  der  Bauchflossen  bei  Blo- 
chius sicherer  kennen  zu  lernen.  Die  Knochenschilder  der  Dercetis  und 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


143 


RVinellus  würden  nicht  hinreichen,  sie  als  Ganoiden  zu  erweisen.  Denn 
solche  Schilder  finden  sich  hei  vielen  Knochenfischen,  und  hei  anderen,  die 
keine  solche  besitzen , finden  sie  sich  zuweilen  im  jugendlichen  Alter,  wie 
bei  den  Schwertfischen. 

Indefs  das  mag  sich  verhalten,  wie  es  will,  mögen  die  Blochius,  Der- 
cetis,  Rhinellus  Ganoiden  sein  oder  nicht,  diese  Frage  hat  auf  die  geogno- 
stischen  Folgerungen  ebenso  wenig  Einfliifs  als  die  Ausscheidung  der  falschen 
Ganoiden,  nämlich  der  Plectognathen  und  Lophobranchier.  Denn  bei  allen 
diesen  handelt  es  sich  um  Fische,  welche  jünger  als  die  Juraformation  sind; 
die  bisher  angenommenen  Verhältnisse  der  Fische  zu  den  Altern  der  Forma- 
tionen werden  dadurch  nicht  verändert.  Agassiz  hat  nämlich  den  Satz 
aufgestellt,  dafs  die  Ganoiden  in  den  ältern  Formationen  herrschend  sind, 
dafs  abgesehen  von  den  Placoiden,  die  übrigen  Fische  vor  der  Kreideforma- 
tion sämmtlich  Ganoiden  sind  und  dafs  die  eigentlichen  Knochenßsche  erst 
mit  der  Kreide  beginnen.  Dieser  Satz  ist  nicht  im  mindesten  erschüttert 
und  approximativ  als  erwiesen  zu  betrachten.  Aber  der  Zustand  der  Erhal- 
tung der  Fossilien  läfst  uns  im  Einzelnen  zu  einem  sichern  Beweis  noch  man- 
ches vermissen.  Die  Folgerungen  über  das  Verhältnifs  der  Ganoiden  zu  den 
Formationen  werden  durch  unsere  Untersuchungen  nur  in  Beziehung  auf  die 
Bildungen  von  der  Kreide  an  verändert,  und  wird  die  Entwickelung  der  Ga- 
noiden in  allen  neueren  Formationen  gleichwie  in  der  lebenden  Welt  selbst 
durch  die  Ausscheidung  der  fremdai’tigen  Familien  bedeutend  reducirt. 

Bei  den  lebendexi  Fischen  können  wir  uns  mit  absoluter  Gewifsheit 
aus  der  Anatomie  versichern,  ob  sie  Ganoiden  sind  oder  nicht.  Welche 
Charaktere  werden  xins  aber  Ijestimmcn  bei  den  fossilen  Fischen?  In  erster 
Instanz  sind  es  cmaidirte,  rhomboidale,  durch  Foi’tsätze  mit  einander  ax’ti- 
ciilirte  Schuppen  in  schiefen  Reihen,  stachelartige  Schindeln  (Fulcra  Agass.) 
am  vordem  Rand  einer  oder  mehrerer  Flossen,  Ileterocercie  bei  einem  Fisch 
mit  Kiemendeckel  und  abdominaler  Stellung  der  Bauchflossen  und  weichen 
articulirten  Flossenstrahlen.  Wo  die  Schindeln  am  Rand  der  Flossen  vor- 
handen sind,  halte  ich  die  Ganoidnatur  eines  Fossils  für  entschieden,  die 
Schuppen  mögen  eine  Form  haben,  welche  sie  Avollen,  denn  dieser  Charak- 
ter findet  sich  bei  keinen  andern  Fischen.  Ebenso  entscheidend  ist  die  voll- 
ständige Heteroccreie  bei  einem  Fisch  mit  Kiemendeckcl  und  Kopfknochen, 
denn  sie  kommt  sonst  nur  bei  den  Plagiostomen  vor.  Die  Besetzung  des 


144 


Müller: 


Flossenrancles  mit  Fulcra  ist  selir  verbreitet  und  kann  zuweilen  vermifst  wer- 
den, wo  sie  doch  voi’handen  ist.  So  finde  ich  sie  unter  mehreren  Exempla- 
ren des  grofsen  Pachycormus  macropterus  des  Liasschiefers  einmal  ganz  evi- 
dent sowohl  an  der  Rückenflosse  als  Afterflosse  sichtbar,  während  sie  an  der 
Schwanzflosse  durchgängig  fehlt.  In  manchen  Gattungen  aber  scheinen  die 
Fulcra  ganz  zu  fehlen  und  dafs  dies  möglich  und  wirklich  ist,  davon  haben 
wir  in  den  lebenden  einen  entscheidenden  Beweis  an  den  Polypterus  und  Po- 
lyodon.  Obgleich  die  Wirbelsäide  der  Ganoiden  oft  knöchern  ist,  so  ist 
doch  der  unverknöcherte  Zustand  des  centralen  Theils  bei  blofs  verknöcher- 
ten Apophysen  ein  wichtiges  Kennzeichen,  wo  ein  Theil  jener  wichtigsten 
Merkmale  fehlt.  Die  blofse  rhomboidale  Gestalt  der  Schuppen  ohne  eigent- 
lichen Schmelz,  ohne  Articulation  derselben,  ohne  Fulcra  der  Flossenrän- 
der, ohne  Heterocercie,  bei  vei’knöcherter  Wirbelsäule,  und  gar  bei  fehlen- 
den Bauchflossen  oder  nicht  abdominaler  StelKng  derselben  würde  mifslich 
sein,  wie  wir  bei  Balistes  sehen.  Fehlen  aber  noch  so  viele  Charaktere, 
sind  aber  die  Schuppen  articulirt,  wie  bei  den  Gyrodus,  so  scheint  kein 
Zweifel  obwalten  zu  können.  Agassiz  führt  zwar  von  manchen  Ganoiden 
nicht  ausdrücklich  die  vollen  Beweise  an,  warum  sie  Ganoiden  sind.  Der 
lange  Umgang  mit  seinem  Werk  erregt  aber  ein  grofses  Vertrauen  in  seine 
Erfahrung  über  diesen  Punkt.  Wir  beruhigen  uns  bei  den  Coelacanthen, 
wenn  wir  sie  bei  runden  dachziegelförmigen  Schuppen  unter  den  Ganoiden 
flguriren  sehen,  sobald  wir  bemerken,  dafs  nur  die  Apophysen  ihrer  Wirbel, 
nicht  der  Centraltheil  derselben  verknöchert  ist,  wie  es  bei  Undina  so  deu- 
tlich ist.  Das  Alter  der  Formation  kann  dermalen  auch  noch  benutzt  wer- 
den, um  einen  Fisch  zu  den  Ganoiden  zu  rechnen.  Aber  hier  bewegt  man 
sich  freilich  schon  in  einer  Petitio  principii. 

Die  Knochensubstanz  der  Schuppen  der  Lepisosteus  und  Polypterus 
zeigt  bei  mikroskopischer  Untersuchung  die  radiirten  Knochenkörperchen, 
wie  sie  auch  in  den  Knochenschildern  von  andern  nicht  dahin  gehörigen  Fi- 
schen, aber  in  der  Regel  nicht  in  den  gewöhnlichen  Schuppen  der  Knochen- 
fische Vorkommen.  Bei  sehr  grofsen  Schuppen  findet  sich  jedoch  zuweilen 
auch  bei  den  Knochenfischen  eine  unterste  Schichte  mit  Knochenkörperchen, 
so  finde  ich  sie  in  den  Schuppen  der  Sudis,  welche  sonst  von  denen  ande- 
rer Knochenfische  nicht  abweichen.  Bei  den  Gattungen  Megalurus  und  Le- 
ptolepis  aus  dem  obersten  Juragliede,  dem  lithographischen  Schiefer,  sind 


iiber  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


145 


wir  in  der  Bestimmung  darauf  reduzirt,  dafs  ihre  runden  dachziegelförmigen 
Schuppen,  ohne  Knochenkörperchen,  w^elche  den  Schupjien  der  Knochen- 
fische ähnlich  aussehen,  mit  Email  bedeckt  sind  und  dafs  sie  der  Juraforma- 
tion angehören.  Ich  finde  hei  mikroskopischer  Untersuchung  dieser  Schup- 
pen sogar  die  concentrischen  Linien  wie  an  den  Schuj^pen  der  Knochenfische, 
aber  freilich  sind  diese  Linien  hier  noch  mit  einer  dünnen  glasartigen  Schichte 
von  Email  bedeckt,  so  dafs  sie  meist  auch  keinen  Abch’uck  der  Linien  auf 
dem  Steine  zurücklassen.  Ich  bin  über  die  Stellung  dieser  Fische  ungewifs. 

Da  es  unter  den  lebenden  Ganoiden  nackte  giebt,  so  kommen  solche 
ohne  Zweifel  auch  unter  den  fossilen  vor,  diese  würden  aus  der  Beschaffen- 
heit der  Körperoberfläche  gar  nicht,  und  nur  aus  ihren  Affinitäten  zu  andern 
Gattungen,  theilweise  aus  dem  Zustande  der  Wirbelsäule  zu  erkennen  sein. 

Die  knorpelige  Beschaffenheit  des  centralen  Theils  der  Wirbelsäule 
allein  wird  aber  auch  bei  einem  beschup2)ten  Fisch  nicht  völlig  sicher  für 
einen  Ganoiden  entscheiden,  da  wir  in  den  Lepidosiren  ein  Beispiel  einer 
von  den  Ganoiden  noch  zu  unterscheidenden  Categorie  beschuppter  Fische 
mit  knorpeligem  Central iheil  der  Wirbelsäule  kennen. 

Ich  komme  jetzt  zur  systematischen  Aufstellung  der  Ganoiden.  Hier 
ist  zuvörderst  anzuerkennen,  dafs  sie  eine  der  gröfsern  Aljtheilungen  der 
Fischwelt  bilden,  mag  man  sie  Ordnung  oder  Unterklasse  nennen,  und  dafs 
sie  nicht  blofs  eine  Familie  ausmachen.  So  lange  die  eigenthümlichen  Ab- 
weichungen der  Ganoiden  von  der  Anatomie  der  Knochenfische,  nämlich 
im  Bau  der  Klappen,  Sehnerven,  Athemorgane,  Geschlechtstheile  unbekannt 
waren,  konnte  man  über  die  Stellung  der  mit  Lepisostexis  und  Poly2:)terus 
im  Schu2)penba\i  id^ereinstimmenden  Fische  zweifelhaft  sein,  ob  man  es  mit 
einer  Ordnung  der  Fische  oder  einer  Familie  der  Malacoj^terygii  al)domina- 
les  zu  thun  habe.  Schlofs  man  nämlich  die  Lojdiobranchier,  Gjmnodon- 
ten,  Sclerodermen,  von  den  Ganoiden  aus,  so  stimmen  die  Ganoiden  mit 
den  Malacoj)terygii  abdominales  durch  den  Besitz  des  Luftganges  der 
Schwimmblase,  durch  die  Stellung  der  Bauchflossen  und  die  weiche  Be- 
schaffenheit der  Flossenstrahlen  überein.  Daher  liefs  ich  in  einer  frühem  Ab- 
handlung über  die  natürlichen  Familien  der  Knochenfische  Lej:)isosteus  und 
PolyjiLerus  in  der  Ordnung,  wohin  sie  Cuvier  gebracht  hat,  d.  h.  unter 
den  Malacoj)terygii  abdominales,  aber  als  eigene  Familie.  Bei  dem  jetzigen 
Zustande  meiner  Kenntnisse  ist  dies  uustatthaft.  Es  ist  augenscheinlich  be- 
Phjsik.-math.  Kl.  T 


146 


Müller: 


wiesen,  dafs  diese  Fische  von  den  Knochenfischen  fundamental  ahweichen. 
Sie  können  ebenso  wenig  mit  den  Selachiern  vereinigt  werden ; indem  sie  mit 
einem  Theil  der  ehemaligen  Kn orj) elfische  zusammenfliefsen,  bilden  sie  eine 
eigene  Ahtheilung.  Die  Stelle  dieser  Abtheiliing  im  System  fällt,  wie  ich 
bewiesen  zu  haben  glaidje,  mitten  zwischen  die  Knochenfische  und  Plagio- 
stomen  oder  Selachier,  indem  sie  Charaktere  aus  den  Knochenfischen  und 
Selachiern  combinirt.  Sie  hat  von  den  ersten  die  Kiemen,  den  Kiemen- 
deckel, die  Nase,  von  den  letztem  die  accessorische  Kieme  vor  der  ersten 
Kieme,  Spritzlöcher,  Klappen  und  Muskel  des  Arterienstiels,  Gefäfsverthei- 
lung  der  Pseudobranchie,  Eileiter,  Verhalten  der  Sehnerven. 

Dafs  einzelne  Thiere  dieser  Abtheilung  sich  den  Reptilien  in  einem 
und  andern!  Punkte  der  Organisation  nähern,  kann  zugegeben  werden;  dafs 
sie  sich  überhaupt  mehr  als  irgend  andere  Fische  an  sie  anschliefsen  und  den 
Übergang  zu  den  Sauriern  bilden,  davon  habe  ich  mich  nie  überzeugen  kön- 
nen. Ich  finde  eben  nur  Combinationen  von  Eigenschaften,  der  Knochen- 
fische und  der  Plagiostomen  in  einer  dritten  eigenthümlichen  Form  benutzt. 
Die  Dujdicität  des  Vomer  bei  Lepisosteus  (Agassiz)  und  die  Verlnndung 
der  Wirbel  desselben  Fisches  durch  Gelenkköpfe  und  Pfannen  (Blainville) 
sind  allerdings  unter  den  Fischen  einzig,  und  das  ist  jedenfalls  eine  Aufnahme 
von  Bildungen,  die  am  nächsten  bei  den  Reptilien  gefunden  werden.  Diese 
bieten  nicht  weniger  auch  oft  die  gewöhnliche  Fischbikhing  der  Wirbel  dar 
mit  doppelten  ausgehöhlten  Facetten,  wde  die  Ichthyosauren,  Plesiosauren 
u.  a.  und  die  fischartigen  Amphibien  Proteiden,  Derotreten  und  Coecilien. 
Die  Zusammensetzung  des  Unterkiefers  aus  so  vielen  Stücken  als  bei  den 
Reptilien  bei  Lepisosteus  (Geoffroy  St.  Ililaire),  welche  sich  bei  Polypte- 
rus  nicht  wiederholt,  finde  ich  bei  einem  entschiedenen  Knochenfisch,  Osteo- 
glossum.  Die  Aufnahme  der  Apophysen  der  Wirbel  in  Gruben  derselben 
bei  Lepidotus  hält  Hr.  Agassiz  für  eigenthümlich  und  sonst  nur  den  Pla- 
coiden  eigen,  und  dies  erinnere  an  die  Ichthyosauren.  Es  sei  überflüssig, 
diese  Bildung  mit  derjenigen  der  Wirbel  der  Cycloiden  und  Ctenoiden  zu 
vergleichen,  da  diese  Insertion  sich  nie  bei  letzteren  ereigne.  Hier  mufs 
ich  bemerken,  dafs  sie  gerade  bei  mehreren  Familien  von  Knochenfischen 
erscheint,  nämlich  bei  den  Cyprinoiden,  Salmones,  Esox,  Elops.  Die  ein- 
zigen Fische,  w^elche  sich  den  Reptilien  entschieden  annähern,  sind  diejeni- 
gen, welche  zugleich  Lungen  und  Kiemen  und  durchbohrende  Naslöcher 


iiber  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


147 


besitzen,  die  Lepidosiren,  sie  sind  das  unter  den  Fischen,  was  die  fischar- 
tigen Proteiden  unter  den  Amphibien.  Einzelne  Affinitäten  finden  immer 
statt,  aber  diese  finden  sich  auch  in  andeim  Ordnungen ; in  den  Geschlechts- 
organen stimmen  die  Plagiostomen  am  meisten  mit  den  ülnägen  Wirbelthie- 
ren,  also  zunächst  den  Reptilien  und  entfei-nen  sich  durch  ihre  Eileiter  und 
Nebenhoden  ganz  von  dem  Typus  der  gemeinen  Knochenfische. 

Dui’ch  Ausscheidung  der  Lophobranchier , Gymnodonten,  Sclero- 
dermen,  Goniodonten  und  Siluroiden  wird  die  bisherige  Abtheilung  der 
Ganoiden  um  einen  grofsen  Theil , vielleicht  um  die  Hälfte  ihres  Bestandes 
i’eduzirt,  gleichwohl  mufs  der  Namen  Ganoiden  für  den  als  Unterklasse  oder 
Ordnung  der  Fische  bleibenden  Rest  beibehalten  Averden , nicht  blofs  weil 
dieser  Rest  den  bisherigen  Bestand  der  fossilen  Ganoiden  noch  gröfstentheils 
enthält  und  die  ausgeschiedenen  Familien  in  den  Formationen  der  Vorwelt 
nur  wenig,  zum  Theil  gar  nicht  repräsentirt  sind,  sondern  noch  mehr  wegen 
der  grofsen  Verdienste,  welche  sich  Agassiz  durch  die  Gründung  der  Ga- 
noiden und  Beschreibung  ihi-er  fossilen  Formen  ei’worben  hat,  und  welche 
von  der  Art  sind,  dafs  der  Name  dieses  Foi’schers  für  immer  mit  der  Ge- 
schichte der  Ganoiden  verbunden  ist.  Was  die  Eintheilung  der  lebenden 
Ganoiden  betrifft,  so  zerfallen  sie  am  natürlichsten  also : 

I.  Holostei 

Familie  1.  Lepidosteini.  Gattungen:  Lej)isosteus. 

'-  2.  Polypterini.  - Polypterus. 

II.  Chondrostei 

Familie  3.  Acipenserini.  Gatt. ; Acipenser,  Scaphirhynchus. 

4.  Spatulariae.  - Polydon  Lacep.,  Planirostra 

Raf. 

Die  erstem  haben  eine  knöcherne  Wirbelsäule , bei  den  letztem  ist 
das  Skelet  zum  Theil  knorpelig  und  die  Wirbelsäule  enthält  statt  der  Wir- 
belkörper eine  weiche  Chorda.  Beide  verhalten  sich  zu  einander  wie  die 
Plagiostomen  und  die  Chimaeren  unter  den  Selachiern. 

Lej^isosteus  und  Polypterus  zeigen  so  viele  sowohl  äufsere  als  innere 
Unterschiede,  dafs  sie  in  derselben  Familie  nicht  vereinigt  bleiben  können. 

Lepis Ostens.  Ihr  Oberkiefer  ist  aus  vielen  Stücken  zusammenge- 
setzt. Ihr  Vonier  ist  doppelt.  Ihr  Unterkiefer  enthält  so  viele  Stücke  als 

T 2 


148 


Müller: 


beiden  Reptilien,  ihre  Wirbel  articuliren  durch  Gelenkköpfe  und  Pfannen  (^). 
Ihre  Nase  liegt  am  Ende  der  sehr  langen  Kiefer  und  enthält  die  gewöhnli- 
chen einfach  angeordneten  Nasenfalten.  Sie  haben  eine  respiratorische  Kie- 
mendeckelkieme und  zugleich  eine  Pseudobranchie,  aber  kein  Spidtzloch. 
Die  Kiemen  an  den  4 Kiemenbogen  sind  vollständig  d.  h.  doppeltblätterig, 
und  hinter  dem  letzten  Bogen  und  dem  Schlundknochen  befindet  sich  wie 
gewöhnlich  noch  eine  Spalte.  Ihre  Kiemenhaut  geht  mantelartig  und  selbst 
ohne  Einschnitt  von  der  einen  zur  andern  Seite  xmd  enthält  3 Strahlen.  Der 
vordere  Rand  aller  Flossen  ist  mit  2 Reihen  stachelartiger  Schuppen  besetzt. 
Die  Flossenstrahlen  sind  sämmtlich  articidirt.  Die  Schwanzflosse  ist  schief 
abgeschnitten,  ihre  Strahlen  sind  theils  am  hintern  Ende  der  Wh’belsäule, 
theils  unter  ihr  inserirt.  Magen  ohne  Blindsack.  Am  Pylorus  viele  kurze 
Blinddärme  (^),  keine  Spiralklappe  im  Darm.  Die  Schwimmblase  ist  zellig 
und  enthält  Trabeculae  carneae  zwischen  den  Zellenabtheilungen  (^),  sie 
öffnet  sich  durch  einen  länglichen  Schlitz  in  die  obere  Wand  des  Schlundes. 
Die  Trabeculae  carneae  sind  nicht  die  Ursache  des  zelligen  Baues,  wie  be- 
hauptet ist,  vielmehr  finde  ich  die  Anordnung  der  Fleischbalken  durch  die 
zellige  Beschaffenheit  der  Wände  bedingt.  Denn  die  musculöse  Beschaffen- 
heit der  Balken  zwischen  den  Zellenfeldern  hört  bei  einer  gewissen  Grenze 
völlig  auf,  die  dazwischen  liegenden  Areae  besitzen  dann  nichts  mehr  von 
Muskelbeleg  auf  ihren  Theilungslinien  ('^).  Auch  ist  die  Endigung  des  Mus- 
kelbelegs auf  den  Balken,  die  solchen  besitzen,  sehr  deutlich  wahrzunehmen. 
Jener  Ansicht  stand  schon  die  zellige  Beschaffenheit  der  Schwimmblase  in 


(')  Die  Osteologie  der  Leplsosteus  ist  von  Agasslz  Polssons  fossiles  T.  II.  trefflich 
abgehandelt.  In  dem  Bericht,  den  Ich  darüber  Im  Jahresbericht,  Archiv  für  Anat.  und 
Physiol.  1843.  CCXXXVIII.  abgestattet  habe,  ist  ein  Fehler  stehen  geblieben,  den  Ich 
erst  nach  der  Publlcatlon  bemerkt  habe.  Mit  Unrecht  schreibe  Ich  in  diesem  Bericht  Hrn. 
Agasslz  die  Meinung  zu,  den  Leplsosteus  und  Polypterus  in  Hinsicht  der  Wirbelgelenke 
zu  identlficiren,  da  an  der  cltlrten  Stelle  I.  p.  101  das  Gegenthell  ausdrücklich  angegeben  ist. 

(^)  Valentin  sagt:  am  Übergange  des  Zwölffingerdarms  in  den  Dünndarm  sitzen  die 
Pförtner- Anhänge.  Repert.  1840.  397.  Hier  ist  das  pylorlsche  Rohr  des  Magens  Duode- 
num genannt. 

(^)  S.  Valentin  a.  a.  O.  392,  v.  d.  Hoeven  In  Müll.  Arch.  1841.  221. 

(*)  An  dem  von  mir  untersuchten  Exemplare  der  Pariser  Sammlung  waren  die  Bauch- 
elngewelde  ausgenommen,  aber  es  war  ein  kleiner  Thell  der  Schwimmblase  bei  der  Ent- 
fernung derselben  zurückgeblieben,  welcher  hinreichte,  die  Zellen  zu  untersuchen. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden.  149 

andern  Fischen  entgegen , bei  denen  gar  keine  Trabeculae  carneae  Vorkom- 
men. So  an  der  bei  einer  andern  Gelegenheit  beschriebenen  Schwimmblase 
der  Erythrinns,  einiger  Siluroiden.  Hieber  ist  auch  die  Amia  calva  zu  rech- 
nen, die  ich  noch  kürzlich  hierauf  untersucht  habe. 

Polypterus.  Ihre  Oberkiefer  sind  nicht  in  Stücke  getheilt,  ihr 
Vomer  ist  einfach,  ihr  Unterkiefer  hat  die  gewöhnliche  Anzahl  der  Knochen- 
stücke hei  den  Fischen  und  überhaupt  weicht  der  ganze  Schädel  wenig  von 
dem  anderer  Fische  ah,  am  Mundwinkel  besitzen  sie  einen  die  Ober-  und 
Unterlippe  tragenden  Lippenknorpel.  Ihre  Wirbel  besitzen  auf  beiden  Sei- 
ten ausgehöhlte  Facetten,  keine  Gelenkköpfe  und  Pfannen  (^).  Die  Kie- 
mendeckelkieme fehlt,  sie  haben  nicht  einmal  eine  Pseudohranchie,  dagegen 
besitzen  sie  ein  von  einer  knöchernen  Klappe  bedecktes  Spritzloch  auf  jeder 
Seite.  Ihre  viex'te  Kieme  ist  einblätterig  und  die  Spalte  hinter  ihr  fehlt, 
auch  fehlen  die  Ossa  pharyngea  inferiora.  Die  Kiemenhaut  ist  in  der  Mitte 
gespalten,  statt  der  Kiemenhaxitstrahlen  ist  nur  eine  einzige  grofse  Knochen- 
platte auf  jeder  Seite  vorhanden.  Längs  des  Rückens  steht  eine  ganze  Reihe 
getrennter  Flossen,  dex-en  jede  axxs  eixxexxx  Stachel  xuxd  eixxer  axx  dessen  hin- 
terer Seite  befestigten  Flofsfeder  voxx  ax’ticxxlirtexx  Strahlen  besteht,  eixxe  Ril- 
dxxng,  wovon  xxxxter  dexx  Gaxxoidexx  keixx  anderes  Beispiel  besteht.  Die  abge- 
x’undete  Schwanzflosse  xxxxd  die  Afterflosse  bestehexi  axxs  ax’ticxxlix’teix  Strahlen. 
Diejenigen  der  Schwaixzflosse  steheix  sowohl  über  als  xxxxter  der  Wix’belsäxxle. 
Die  Belegxxxxg  der  vordereix  Räxxder  der  Flossexx  ixxit  stachelartigexx  Plättchen 
fehlt.  Voxx  dexx  Flossexx  zcichxxexx  sich  noch  die  Brxxstflosseix  xxxxd  Baxxchflos- 
sen  axxs , erstere  durch  ciixeix  schxippigen  etwas  vex’läixgex’texx  Arnx  xxxxd  ihre 
hintex'e  Fläche,  welche  abweichend  von  allexx  übrigexx  Flossexx  zwischen  den 
Flossenstx-ahleix  mit  sehr  kleixxen  Schxxppexx  Ixesetzt  ist;  die  Baxxchflossen  durch 
die  ihnen  eigexxe  Abweichxxxxg,  dafs  sie  axxfser  den  Flossexxstrahlen  auch  noch 
die  Knochen  eixxes  Mittelfufses  enthalten.  Das  Zxxxxgeixbein  hat  seitlich  3 
Glieder,  der  Körper,  welcher  zxxgleich  die  Kieixxenbogen  axxfxxixxxixxt,  ist  sehr 
gx'ofs  xxxxd  eixxfach.  Unter  deixx  Zxxngenbeixx,  wo  bei  axxdern  Fischexx  der  un- 
paare  Kxxochcn , Zxxngcnixcixxkiel , gegexx  dexx  Schxxltergüx’tel  reicht  xmd  ihixx 
mittelbar  vex’imxxden  ist,  liegeix  bei  Polyptex'us  2 Knocheix,  eixxer  auf  jeder 


(')  Über  die  Osteologie  der  Polypterus  siebe  Geoffroy  St.  Hilaire  Description  de 
l’Egypte.  Agassiz  a.  a.  O.  II.  2.32.  und  Müller  im  Jabresbericbt  Archiv  1843.  p.  CCXL. 


150 


Müller: 


Seite,  sie  sind  zwischen  dem  mittlern  und  untersten  Stück  des  Zungenbein- 
homs  befestigt.  Diese  Knochen  hängen  durch  Bänder  mit  einem  dritten  un- 
paaren  Stück  zusammen,  welches  sie  mit  dem  Schidtergürtel  in  Verbindung 
setzt.  Die  Nase  hat  einen  zusammengesetztem  Bau  als  bei  irgend  einem 
Fische.  In  der  grofsen  oben  von  den  wahren  Nasenbeinen  gedeckten  Höhle 
liegt  ein  Lahjrinth  von  5 häutigen  Nasengängen,  welche  parallel  um  eine 
Achse  stehen,  also  einen  pi'ismatisch  ausgezogenen  Stern  bilden.  Jeder  die- 
ser Kanäle  enthält  in  seinem  Innern  die  kiemenartige  Faltenhildung,  die  man 
bei  andern  Fischen  nur  einmal  antrifft.  Die  vordere  Nasenöffnung  ist  in 
eine  häutige  Röhre  ausgezogen,  die  hintere  ist  eine  kleine  S23alte  in  häutiger 
Decke  vor  dem  Auge.  Der  Magen  bildet  einen  Blindsack,  am  Pylox’us  ein 
Blinddarm , vom  Pjlorus  an  enthält  der  Dann  die  Spiralklappe.  Die 
Schwimmblase  ist  dojxpelt  und  besteht  aus  2 ungleich  langen  Säcken,  wel- 
che vorn  zu  einer  kurzen  gemeinsamen  Höhle  zusammenlliefsen,  und  diese 
Höhle  öffnet  sich  abweichend  von  allen  Fischen,  wie  ich  an  einem  andern 
Orte  gezeigt  habe,  nicht  in  die  obere,  sondern  wie  eine  Lunge  in  die  ventrale 
Wand  des  Schlundes  durch  einen  langen  Schlitz.  Gleichwohl  sind  diese 
Organe  keine  Lungen,  denn  sie  erhalten  hellrothes  Blut  wie  alle  übrigen 
KörjDertheile  durch  ihre  Arterie,  welche  ein  Ast  von  der  letzten  Kiemenvene 
und  von  der  Mitte  dieser  Vene  zu  dem  Schwimmhlasensack  ihrer  Seite  ab- 
geht. Die  Venen  der  Schwimmblase  vereinigen  sich  mit  den  Körpervenen, 
nämlich  mit  den  Lehervenen.  Diese  Säcke  sind  ohne  Zellen  und  in  ihrem 
ganzen  Umfang  von  einer  Muskelhaut  belegt. 

Die  zweite  Ahtheilung  der  Ganoiden  enthält  die  Sturionen  mit  nur 
theilweise  knöcherner  Wirbelsäule.  Sie  wurden  von  Arte  di,  Gronov 
und  Cuvier  mit  den  Cjclostomen  und  Plagiostomen  zu  einer  grofsen  Ah- 
theilung, Chondropterygier,  Knorpelfische  vereinigt. 

Auf  den  Unterschied  des  knöchernen  oder  theilweise  knorpeligen  Ske- 
lets kommt  wenig  an,  sobald  es  sich  um  die  Ahtheilung  der  Ganoiden  über- 
haupt handelt,  wie  aus  Agassiz  fossilen  Ganoiden  hervorgeht.  Aber  hei 
der  Eintheilung  der  Ganoiden  selbst  scheint  er  mir  sehr  wichtig  zu  sein.  So 
ist  es  wenigstens  auch  hei  den  Selachiern.  Denn  die  Haien  und  Rochen, 
bei  denen  die  Wirbel  vollständig  abgetheilt  sind  und  die  Chimären,  wo  eine 
Chorda  vorhanden  ist,  bilden  Zweige,  die  sich  auch  sonst  auffallend  unter- 
scheiden, obgleich  sie  als  Selachier  untrennbar  sind.  Ich  habe  in  einer  Ab- 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


151 


handlung  über  die  WirJjelsäule  der  Plagiostomen,  welche  für  die  Poissons 
fossiles  von  Agassiz  unternommen  wurde  und  im  III.  Bande  derselben  ge- 
druckt ist,  neijen  den  Haien  mit  knöcherner  Wirbelsäule  andere  mit  weicher 
knorpeliger  Wirbelsäule  angezeigt.  Bei  diesen  sind  noch  die  knorj^eligen 
Wirbelkörper  als  Wirbel  gesondert  und  die  Chorda  fehlt,  aber  die  Chimä- 
ren bieten  diesen  gegenüber  ein  Beispiel  von  einer  wirklichen  Chorda. 

Die  Acipenserinen  und  Spatularien  unterscheiden  sich  hauptsächlich 
durch  die  Haut,  die  bei  den  letztem  nackt  ist,  und  durch  die  Bildung  des 
Mauls,  der  Kiefer  und  Kiemendeckel.  S.  vergl.  Osteologie  d.  Myxinoiden. 
Auch  fehlt  den  Spatcdarien  (Planirostra)  die  Kiemendeckelkieme.  Ihre  Ein- 
geweide sind  dieselben. 

Die  fossilen  Ganoiden  haben  in  der  Beschuppung  mehr  Ähnlichkeit 
mit  den  lebenden  Holostei  als  mit  den  Sturiones ; dagegen  sich  in  der  Be- 
schaffenheit der  knöchernen  oder  theilweis  knorpeligen  Wirbelsäule  die  einen 
und  andern  Formen  wiederfmden;  sie  zugleich  mit  den  lebenden  zu  ordnen, 
ist  schwierig,  indem  man  genöthigt  ist,  die  sichern  Thatsachen  aus  der  Ana- 
tomie der  leidenden  mit  den  zum  Theil  muthmafslichcn  der  fossilen  zu  ver- 
mischen. Zu  Lepisosteus  linden  sich  unter  Agassiz  Lepidoiden  und  Sau- 
roiden  Formen  genug,  die  ihm  in  der  Struktur  der  Flossen  mit  2 Reihen  der 
Fulcra  und  auch  in  der  ganz  verknöcherten  Wiriielsäide  gleichen  wie  Lepi- 
dotus  u.  a.  Aber  für  Polypterus  kenne  ich  unter  allen  fossilen  Ganoiden 
keine  Analogie,  so  dafs  er  auch  unter  ihnen  der  Typus  einer  eigenen  Familie 
zu  sein  scheint.  Die  Coclacanthcn,  Pyenodonten  und  die  in  neueslcr  Zeit 
von  Agassiz  aufgestelltcn  Familien  der  Cephalaspides,  Acanthoidei,  Dipteri 
halte  ich,  abgerechnet  vielleicht  die  Aufnahme  der  Cheirolepis  unter  die 
Acanthoiden,  von  denen  sie  sowohl  durch  den  Mangel  der  Stacheln  als  durch 
den  Besitz  der  Fulcra  abzuweichen  scheint,  für  sehr  gute  Familien. 

Die  Trennung  der  Lepidoidei  und  Saiiroidei  halte  ich  für  künstlich. 
Unter  der  Menge  der  dahin  gezählten  Gattungen  giebt  es  aber  manche,  wel- 
che nachweisbare  Affinitäten  zu  einander  haben  und  Grund  zu  Absonderun- 
gen geben  können.  Agassiz  hat  selbst  neuerlich  dazu  die  Initiative  ergrif- 
fen, indem  die  Acanthoiden , Cephalaspides  und  Dijiteri  hauptsächlich  aus 
den  Lepidoiden  entnommen  sind.  Aber  die  noch  übrig  bleibenden  Lej^i- 
doiden  wüfste  ich  nicht  durch  wesentliche  Merkmale  von  den  Sauroiden  zu 
unterscheiden.  Es  scheint  mir,  dafs  die  Ganoiden,  die  zu  einer  Familie 


152 


Müller: 


gebracht  werden,  in  dem  Zustand  der  Wirbelsäule  übereinstimmen  müssen, 
ob  sie  verknöchert  oder  ihr  centi’aler  Theil  knorpelig  ist.  Dann  scheinen 
mir  diejenigen  fossilen  Ganoiden  zAisammenzugehören,  welche  nachweislich 
immer  ohne  Fulcra  der  Flossen  sind,  und  wieder  diejenigen,  bei  denen  sie 
constant  vorhanden  sind.  Unter  den  Ganoiden  mit  Fidcra  an  dem  vordem 
Rand  einiger  oder  aller  Flossen  giebt  es  wieder  wesentliche  und  wie  mir 
scheint,  für  die  Systematik  wichtige  Unterschiede  in  der  Beschaffenheit  der 
Fulcra.  Was  ich  davon  durch  Untersuchung  wohl  erhaltener  Exemplare 
erfahren,  besteht  in  Folgendem. 

Wenn  die  Firste  des  verlängerten  obern  Schwanzlappens  mit  Fulcra 
besetzt  ist,  so  scheinen  diese  immer  eine  unpaare  Reihe  bis  ans  Ende  zu  bil- 
den, so  ist  es  schon  bei  den  Sturionen,  so  auch  bei  den  Palaeoniscus,  Acro- 
lepis.  Die  Erscheinung  der  Fulcra  an  der  Firste  der  Schwanzflosse  eines 
heterocerken  Ganoiden  schliefst  nicht  die  Nothwendigkeit  in  sich,  dafs  der 
vordere  Rand  des  untern  Laj^pens  und  anderer  Flossen  Fulcra  besitze,  denn 
sie  fehlen  hier  bei  den  Sturionen.  Die  Fulcra  auf  der  ganzen  Schwanzfirste, 
wo  keine  Strahlen  stehen,  sind  nur  als  Scluippenbedeckung  im  Allgemeinen, 
nicht  aber  als  Fulcra  der  Flossenstrahlen  zu  betrachten,  daher  kann  ein  he- 
terocerker  Ganoid,  der  an  der  Firste  des  verlängerten  obern  Schwanzlappens 
einfache  Fulcra  besitzt,  am  vordem  Rande  des  unteim  Lappens  eine  doppelte 
Reihe  von  Fulcra  besitzen,  wie  ich  es  bei  Palaeoniscus  und  Acrolepis 
(A.  asper)  zu  sehen  glaube. 

Es  giebt  Gattungen  fossiler  Ganoiden,  deren  vordere  Flossenränder 
mit  einer  einfachen  Reihe  von  Fulcra  bis  ans  Ende  besetzt  sind,  es  sind  dann 
zweischenkliche  Fulcra  mit  einfacher  stachelartiger  Spitze.  Dapedius  wird 
nach  dem,  was  Agassiz  bei  Dapedius  pxinctatus  p.  194  von  einer  Reihe 
spitzer  Stücke  entlang  dem  obern  und  untern  Rand  der  Schwanzflosse  sagt, 
hierher  gehören.  Ich  sehe  eine  unpaare  Reihe  von  Fxilcra  am  obern  und 
untern  Rand  der  Schwanzflosse  der  Tetragonolepis  und  Ptycholepis  bis  ans 
Ende.  Sie  scheinen  auch  nach  der  Abbildung  von  Tetragonolepis  confluens 
Ag.  II.  tab.  23a.  Fig.  1.  bei  dieser  Gattung  an  der  Brustflosse  einfach  zu 
sein.  Auch  Pholidophorus  scheint  nach  den  Fulcra  am  obern  und  untern 
Rand  der  Schwanzflosse  hierher  zu  gehören. 

Bei  andern  Gattungen  der  Ganoiden  sind  die  vordem  Ränder  der 
Flossen  mit  einer  doppelten  Reihe  von  Fulcra  besetzt,  ganz  so  wie  wir  es 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


153 


unter  den  lebenden  Ganoiden  bei  Lepisosteus  sehen,  es  ist  durchaus  ebenso 
an  allen  Flossen  der  Lepidotus  und  Caturus.  Dafs  es  sich  so  an  der  Brust- 
flosse der  Lepidotus  verhält , geht  schon  aus  der  Abbildung  des  Lepidotns 
Mantellii  Ag.  bei  Agassiz  T.  II.  tab.  30c.  hervor;  ich  sehe  die  doppelten 
Reihen  an  dieser  und  an  allen  andern  Flossen , auch  an  beiden  Rändei’n  der 
Schwanzflosse.  Bei  einer  grofsen  Art  von  Caturus  aus  dem  Lias  von  Boll, 
welche  wahrscheinlich  Caturus  Meyeri  v.  Münst.  ist,  sehe  ich  am  Anfang 
der  Schwanzflosse  einige  starke  ungetheilte  Fulcra.  Aber  sogleich  gehen 
diese  in  doppelte  Reihen  von  Fulcra  über,  welche  die  ganze  Länge  des  vor- 
dem Randes  bekleiden.  Diese  doppelten  Reihen  von  Fulcra  bemerke  ich 
ferner  an  den  Flossen  des  Pachycormus  macropterus  Ag.,  wo  Fulcra  vor- 
handen sind,  d.  h.  an  Rücken  - und  Afterflosse.  Auch  Semionotus  hat  dop- 
pelte Reihen  der  Fulcra  (Brustflosse).  Diese  Unterschiede  deuten  auf  tiefe i’e 
Verschiedenheiten,  denn  man  kann  in  der  That  keinen  auffallendem  Unter- 
schied sehen,  als  die  Schwanzflosse  der  Ptycholepis  und  Tetragonolepis  mit 
einfacher  Reihe  stachelartiger  Fulcra , und  des  Lepidotus  und  Lepisosteus 
mit  doppelten  Reihen.  Bei  Pachycormus  finden  sich  die  doppelten  Reihen 
mit  einem  nicht  verknöcherten  Zustande  des  Kerns  der  Wirbelsäule  zusam- 
men, bei  Lc2:)isosteus  dagegen  mit  verknöcherter  Wirbelsäule,  und  wie  es 
scheint  auch  l^ei  Lepidotus.  Die  Gattung  hat  nämlich  nach  Agassiz  ad 
Tab.  29c.  Fig.  12  vollständig  verknöcherte  Wirbel  und  macht  also  eine  Aus- 
nahme von  den  andern  Lepidoiden,  bei  denen  nach  Agassiz  a.  a.  O.  182, 
so  weit  ihm  Reste  des  Skelets  bekannt  geworden,  die  Wirbelkörper  fehlen. 

Oi^gleich  die  heterocei’ken  Ganoiden  viel  zahlreicher  in  den  ältern 
Formationen  sind,  so  sind  doch  nicht  alle  Fische  derselben  beterocei’ke. 
Allerdings  ist  es  auffallend,  dafs  die  aus  den  Familien  Lepidoidei  und  Sau- 
roidei  Ag.  vor  der  Juraformation  vorkommenden  Formen  beterocerke  sind, 
wie  Agassiz  zeigt;  dies  ist  aber  mehr  eine  Folge  des  Systems  als  der  na- 
türlichen Verhältnisse;  das  Resultat  ist  sogleich  gestört,  sobald  man  die 
Coelacanthus , die  jetzt  aufser  diesen  Familien  stehen,  in  Betracht  zieht. 
Übrigens  geht  die  Heterocerkie  anatomisch  unmerklich  in  Homocerkie  über. 
Wenn  viele  Ganoiden  das  eine  Extrem  bildend,  gar  keine  Flossenstrahlen 
über  dem  Ende  der  Wirbelsäule  tragen,  so  kommen  diese  dagegen  beim  Stör 
vor,  denn  ehe  der  verlängerte  obere  Lappen  der  Schwanzflosse  sein  Ende 
erreicht,  schliefsen  sich  an  die  letzten  unai’ticulirten  schindelartigen  Sjacheln, 
Physik. -malh.  Kl.  1844.  U 


154 


Müller: 


welche  die  Firste  dieses  Schwanzlappens  bilden,  ohne  weiteres  articulirte 
Flossenstrahlen  an,  welche  über  der  Chorda  sitzen,  von  gleicher  Beschaffen- 
heit, wie  die  untern  Strahlen  dieses  Lappens.  Von  dieser  Formation  ist 
keine  scharfe  Grenze  mehr  zu  ziehen  und  indem  sich  der  obere  Schwanzlap- 
pen successiv  verkürzt,  geht  er  in  einen  honiocerken  Schwanz  über.  Eben 
so  unmerklich  geht  die  Heterocerkie  der  Plagiostomen  verloren.  Untersucht 
man  einen  heterocerken  Haifisch , so  findet  man  unter  der  Haut  oberhalb 
der  Wirbelsäiüe  einen  eben  solchen  Flossenbart  von  haarförmigen  Knorpel- 
fäden, wie  unter  der  Wirbelsäule,  nur  kürzer. 


Abschnitt  II. 

Über  die  natürlichen  Ordnungen  und  Familien  der  Knochenfische ('). 

Anatomische  und  zoologische  Studien  in  den  verschiedenen  Familien 
der  Fische  angestellt,  haben  mich  manches  Unvollkommene  in  der  bisheri- 
gen Classification  der  Knochen -Fische  erkennen  lassen.  Cuvier  hat  das 
grofse  Verdienst,  die  Gattungen  der  Fische  gröfstentheils  begründet  und  von 
ihren  heterogenen  Einmischungen  befreit  zu  haben.  Wer  da  weifs,  wieviel 
des  Unkrauts  hier  auszuroden  war,  wird  dieser  Arbeit  Cuvier’s  und  seines 
Mitarbeiters  und  Nachfolgers  Valenciennes  seine  Bewunderung  nicht  ver- 
sagen. Auch  in  der  Ordnung  der  Fische  in  natürliche  Familien  hat  Cuvier 
Grofses  geleistet.  Mehrere  seiner  Familien  entsprechen  allen  Anforde- 
rungen, die  man  an  ein  natürliches  System  machen  mufs,  und  sind  für 
immer  festgestellt,  so  die  Familien  Labroiden,  Theutier,  Gymnodonten, 
Siluroiden,  Cataphracten , Pediculaten,  Labyrinthfische,  Fistularien,  Lo- 
phobranchier.  Manches  Andere  ist  weniger  gelungen.  Dahin  rechne 
ich  z.  B.  die  Familie  der  Maeniden;  sie  sind  von  den  Sparoiden  nicht 
zu  trennen  und  sind  von  ihnen  nur  geschieden  worden , weil  Maena  mit 
Vomerzähnen  die  Sparoiden  zersetzen  würde.  Ihr  Hauptcharakter,  das 
vorstreckbare  Maul,  findet  sich  auch  noch  in  andern  Familien,  und  selbst 


(')  Diese  Untersuchungen  sind  in  der  Akademie  gelesen  am  16.  u.  23.  Juni  1842,  3.  Aug. 
1843  und  12.  Dec.  1844.  und  ausgezogen  in  den  Monatsberichten  von  1842.  1843.  1844. 


iiber  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


155 


unter  Percoiden  (Nandus).  Am  wenigsten  gelungen  ist  die  Classification  der 
Weichflosser , sie  ist  grofsentheils  eine  künstliche  und  enthält  zugleich  eine 
Menge  von  Inconsequenzen.  Völlig  irreführend  ist  unter  den  Weichflossern 
jedenfalls  der  Antheil,  welchen  Oberkiefer,  Zwischenkiefer,  Vomer,  Gau- 
menbeine an  der  Bezahnung  nehmen.  In  dieser  Hinsicht  linden  sich  die 
gröfsten  Verschiedenheiten  bis  zur  völligen  Zahnlosigkeit  in  wohl  hasirten  Fa- 
milien, wie  man  hei  den  Siluroiden,  Sahnen  im  engem  Sinn,  Clupeen  im 
engem  Sinn,  sieht.  Daher  die  Familie  der  Esoces  Cu  vier ’s  am  wenigsten 
begründet  ist  und  in  der  That  hei  weiterer  Einsicht  der  natürlichen  Familien 
der  Weichflosser  sich  völlig  auflöst,  gleichwie  auch  die  Cyprinoiden,  Sal- 
monen  und  Clupeen  Cu  vier ’s  Gemische  von  heterogenen  Familien  sind. 

Ehe  ich  mich  über  einige  von  mir  gewonnene  Fortschritte  verbreite, 
schicke  ich  einige  Bemerkungen  über  den  Werth  mehrerer  zoologischer  Cha- 
raktere voraus,  auf  welche  man  bisher  theils  zu  viel,  theils  zu  wenig  Werth 
gelegt  hat. 

I.  Über  den  Werth  der  Flossenstrahlen  in  der  Systematik  und 
über  die  Fische  mit  vereinigten  Bauchflossen. 

Die  grofse  IMehrzahl  der  Knochenfische,  nämlich  nach  Abzug  der  Lo- 
phobranchier  und  Plectognathen,  konnte  Cu  vier  nicht  anders  als  nach  den 
unbeständigen  Flossenstrahlen  eintheilen.  Er  zerfällte  sie  in  Acanthoptery- 
gier  und  Malacopterygier,  letztere  aber  wieder  in  AJjdominales,  Subbrachii 
und  Apodes.  Man  kann  das  so  zu  theilende  Feld  aber,  wie  ich  zeigen  werde, 
um  ein  gutes  Stück  vermindern,  indem  man  einen  Theil  der  Acanthojitery- 
gier  und  IMalacojiterygier,  weil  sie  vereinigte  untere  Schlundknochen  haben, 
zusammen  in  eine  besondere  gröfsere  Abtheilung  bringt  und  daraus  eine  sehr 
sichere  Ordnung  der  Fische , Pharyngogjiathi,  gründet.  Nach  Abzug 
der  Ordnungen  Lophohranchier,  Plectognathen  und  Pharyngognathen  bleibt 
dann  immer  noch  die  gröfsere  Menge  der  Knochenfische  übrig,  nach  den 
bisherigen  unsichern  Bestimmungen  der  Pvest  der  Acanthopterygii,  der  Rest 
der  hlalacoptei’ygii  abdominales,  die  JMalacopterygii  subbrachii  und  apodes. 

Ich  werde  hier  zunächst  einige  Bemerkungen  mitlheilen,  welche  eine 
gröfsere  Sicherheit  in  Hinsicht  der  Begriffe  über  Acanthojjterygier  und  Ma- 
lacopterygier bezwecken.  Cu  vier  hat  anerkannt,  dafs  diese  Scheidung 
nicht  streng  ausführJ)ar  sei,  und  er  hat  wissentlich  sich  mehrere  Ausnahmen 

U2 


156 


Müller: 


ei’laubt,  wie  bei  den  Zoarces  unter  seinen  Gobioiden,  bei  Agonus  monopte- 
jygius  unter  den  Cataphracten,  bei  den  Ophicephalus  unter  den  Labyrinth- 
fischen, bei  den  JLampris  unter  den  Scomberoiden.  Man  kann  dazu  auch 
die  Malthe  unter  den  Pediculaten  zählen,  bei  welchen  es  unbeachtet  geblie- 
ben ist,  dafs  sie  nach  ihrer  Rückenflosse  Malacopterygier  sein  würden. 

Diese  Inconseqaienzen  lassen  sich  beseitigen,  wenn  man  mit  Cu  vier 
den  Begriff  der  Acanthopterygier  nicht  allein  in  die  Stacheln  der  Rücken- 
flosse, sondern  auch  in  die  Bildung  der  Bauchflossen  legt.  Die  Acanthop- 
terygier haben  nämlich,  wenn  sie  vollständige  Bauchflossen  besitzen,  durch- 
gängig und  ohne  Ausnahme  einen  ungegliederten  ersten  Strahl  der  Bauch- 
flossen. Hiernach  sind  auch  die  Lampris,  Malthe^  Ophicephalus  Acanthop- 
terygier. Ich  sagte  eben,  wenn  sie  vollständig  entwickelte  Bauchflossen  ha- 
ben; denn  Xoarces  mit  unvollständig  entwickelten  Bauchflossen  entbehrt 
allerdings  diesen  ersten  ungegliedei’ten  Strahl,  den  übrigens  seine  Verwand- 
ten die  Blennien  mit  gleichfalls  unvollständigen  Bauchflossen  besitzen. 

Auf  diese  Weise  lassen  sich  daher  die  Acanthopterygii  von  den  Mala- 
copterygii  subbrachii,  mit  denen  sie  am  ehesten  verwechselt  werden  können, 
scharf  sondern,  und  lassen  sich  letztere  also  bezeichnen:  Weichflosser,  bei 
denen  die  unter  den  Brustflossen  stehenden  Bauchflossen,  auch  wenn  sie 
vollständig  entwickelt  sind,  nur  gegliederte  Strahlen  enthalten.  So  verhal- 
ten sich  die  Gadoiden  und  Pleuronecten,  welche  von  der  Ordnung  der  Ma- 
lacopterygii  subbrachii  Cuv.  übrigbleiben;  denn  dafs  die  Discoboli  nicht 
dahin  gehören,  werde  ich  sogleich  beweisen. 

Schwieriger  ist  die  scharfe  Sonderung  der  Acanthopterygii  und  der 
Malacopterygii  abdominales,  weil  mehrere  der  letzteren  wirklich  einen  rudi- 
mentären ersten  sehr  kurzen  und  deswegen  noch  ungegliederten  Strahl  in 
den  Bauchflossen  haben.  Allein  hier  giebt  die  Stellung  der  Bauchflossen 
Auskunft,  da  die  wenigen  Acanthopterygier,  welche  eine  abdominale  Stel- 
lung der  Bauchflossen  haben,  wie  Notacanthus,  schon  durch  die  Beschaf- 
fenheit ihrer  Rückenflosse  entschieden  als  Acanthopterygier  bezeichnet  werden. 

Nun  liegt  mir  ob,  zu  beweisen,  dafs  die  Discoboli  Cuvier’s  von  ihm 
mit  Unrecht  unter  die  Malacopterygii  subbrachii  versetzt  worden  sind,  und 
dafs  sie  zum  gröfsern  Theil  entschiedene  Acanthopterygier  sind. 

Die  Discoboli  gleichen  den  Gobien  durch  ihre  vereinigten  Bauchflos- 
sen, diese  stehen  unter  den  Acanthopterygiern  und  zwar  mit  den  Blennien 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


157 


und  andern  Fischen  ohne  vereinigte  Bauchflossen  in  der  Familie  der  Gohio- 
iden  Cuv.,  die  keine  natürliche  Familie  ist.  Es  ist  zu  verwundern,  dafs  die 
Naturforscher  die  Gohien  und  Discoholi,  diese  einander  so  nahe  stehenden 
Thiere,  meist  so  weit  auseinander  gebracht  haben.  Dies  rührt  ohne  Zwei- 
fel daher,  weil  man  das  Skelet  des  Cyclopterus  lumpus  so  weich  fand  und 
deswegen  diesen  Fisch  lange  zu  den  Knorpelfischen  zählte. 

Wie  wenig  auf  diesen  Umstand  zu  gehen  ist,  beweisen  schon  seine 
nächsten  Verwandten,  die  Lepadogasler  und  Gobiesox,  deren  Skelet  völlig 
hart  ist.  Ich  will  nun  beweisen,  dafs  diese  ganze  Familie  der  Discoholi  mit 
den  Gohien  Zusammenkommen  mufs,  indem  ich  zeige,  dafs  die  mehrsten 
Discoholi  wahre  Stachelflosser  sind.  Denn  wenn  erst  dieses  feststeht,  so 
ist  die  anderweite  Ähnlichkeit  der  Gohien  und  Discoholi  in  allen  Beziehun- 
gen und  am  meisten  in  der  Scheibe  der  Bauchflossen,  welche  Risso  sie  zu 
vereinigen  bewog,  so  grofs,  dafs  Niemand  weiter  an  dieser  Identität  zweifeln 
wird. 

Untersucht  man  die  erste  etwas  versteckte  Rückenflosse  des  Cyclopte- 
rus lurnpus  genauer  durch  Präparation,  so  zeigt  sich,  dafs  sie  ganz  aus  ein- 
fachen Knochenstrahlen  ohne  alle  Articulation  besteht. 

Die  Lipai-is  haben  nur  eine  einzige  lange  Rückenflosse  von  biegsamen 
Sti’ahlen.  Die  ersten  15  Strahlen  derselben  sind  völlig  einfach  und  ohne 
Spur  von  Articidation. 

Die  Gobiesox  haben  nur  2 einfache  unarticidirte  Strahlen  am  Anfang 
ihrer  Rückenflosse.  Bei  Lepadogasler  endlich  fehlen  die  unarticulirten 
Strahlen  der  Rückenflosse  ganz,  wie  hei  Zoarces  unter  den  Blennien,  Ophi- 
cephalus  unter  den  Laljyrinthflschen,  Malthe  unter  den  Pediculaten.  Da 
die  Gobiesox  und  Lepadogasler  indefs  einen  ersten  kurzen  unarticulirten 
Strahl  der  Bauchflossen  besitzen,  so  giebt  sich  auch  hiei’in  ihre  Verschieden- 
heit von  den  Malacopterygii  sul)hrachii  zu  ei’kennen. 

Die  penisai’tige  Papille,  welche  man  hei  mehreren  Gohioiden  und  zu- 
weilen in  beiden  Geschlechtern  antrilft,  findet  sich  auch  hei  den  Lepadogas- 
ter  imd  zwar  in  beiden  Geschlechtern,  hei  den  Gobiesox  wenigstens  hei  den 
Männchen.  Die  Anomalie,  dafs  die  Cyclopterus  zahlreiche  appendices  py- 
loricae  haben,  während  die  Gohien  gar  keine  besitzen,  ist  schon  durch  Le- 
padogaster  und  Gobiesox  vermittelt,  welche  auch  keine  besitzen,  obgleich 
sie  mit  den  Cyclopterus  in  der  Familie  der  Discoholi  vereinigt  waren.  Ähn- 


158 


Müller: 


liehe  Anomalien  finden  sich  auch  bei  den  Aalen,  denen  Cuvier  als  Fami- 
liencharacter  die  Blinddärme  ahspricht,  während  er  bald  darauf  bei  den 
Gjmnotus  zahlreiche  Blinddärme  seihst  und  richtig  anführt.  Die  Ophidium 
sind  meist  ohne  Blinddärme,  aber  O.  blacodes  besitzt  deren. 

Die  Echeneis  können  auch  nicht  unter  den  Malacopterjgii  subbrachii 
bleiben.  Sie  haben  in  der  Rückenflosse  2 unarticulirte  Strahlen  und  ihre 
Bauchflossen  bestehen  aus  einem  einfachen  ungegliederten  und  5 artieuHrten 
verzweigten  Strahlen. 

Hieraus  folgt  nun,  dafs  die  Discoboli  mit  denjenigen  Acanthoptery- 
giern,  welche  trichter-  oder  scheibenförmig  vereinigte  Bauchflossen  haben, 
oder  den  Gobien  und  Verwandten,  zu  vereinigen  sind.  Die  bisherigen  Go- 
bioiden  mit  unvollkommenen  Bauchflossen  aus  2-3  Strahlen  sind  als  Blen- 
nioiden  eine  besondere  Familie. 

Die  Blennioiden  sind  die  Stachelflosser  mit  rundlichem  Körper, 
schleimiger  Hautoberfläche,  getrennten  Bauchflossen,  aus  nur  2-3  Strahlen, 
ohne  Blinddärme.  Die  Papilla  genitalis  kömmt  bei  mehreren  derselben,  wie 
bei  mehreren  Gattungen  der  Gobien,  aber  auch  bei  Bjthites  Reinh.  unter 
den  Gadoiden  und  bei  den  Männchen  der  Anahleps  unter  den  Cyprinodon- 
ten  vor  und  ist  nicht  hinreichend,  um  darauf  eine  Familie  zu  gründen. 

Cuvier’s  Familie  der  Gobioiden  ist  in  keiner  Weise  begründet,  er 
charakterisirt  sie  durch  dünne  biegsame  Rückenstacheln,  einen  Darm  ohne 
Blinddärme  und  den  Mangel  der  Schwimmblase.  Mehrere  Blennien  haben 
die  festesten  Rückenstacheln , ebenso  Gunnellus.  Opisthognathus  Cuv.  be- 
sitzt eine  Schwimmblase,  gleichwie  mehrere  Gobien. 

Die  Familie  der  Gobioidei  Nob.  zerfällt  dann  in  4 Gruppen: 

1)  Eigentliche  Gobien.  Gobius  Schn.,  Gobioides  Lac.,  Periopli- 
thalrnus  Schn.,  Apociyptes  Val.,  Tiypauchen  Val.,  Ambljopus  Val.,  Bo- 
leophthalmusYA.,  Sicydium  Val., 

2)  Gobioiden  mit  getrennten  Baimhflossen (' ) . Eleotris,  Philjpnus, 
Tj'ichonotus,  Callionymus,  Hemerocoetes,  Platyptei'us,  Opisthognathus. 

3)  Discoboli.  CyclopterusE.^  Liparis  Art.,  Gobiesox  Cuv.,  Si- 

Müll.  Trosch.,  Cotylis  Trosch.,  Lepadugaste?'  C\xy. 


(')  Ich  mufs  Valenciennes  beistimmen,  dafs  Periophtbalmus  den  Übergang  von  den 
Gobioiden  mit  vereinigten,  zu  Eleotris  und  andern  mit  getrennten  Bauebflossen  bildet. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


159 


4)  Echeneiden:  Echeneis. 

Die  2 Gruppen  mit  vereinigten  Bauchflossen  unterscheiden  sich  von 
einander  durch  die  Strahlen  der  horizontalen  Flossen  und  den  Bau  der  Kie- 
men. Der  Ti’ichter  der  Bauchflossen  der  Gohien  besteht  mit  Ausnahme  des 
ersten  Sti’ahls  aus  verzweigten  Strahlen,  bei  den  Discoholi  aus  unverzweig- 
ten. Die  Brustflossen  der  Gohien  haben  verzweigte,  die  Cyclopterus  nicht 
minder,  die  andern,  Lepadogaster , Gohiesox  u.  a.,  unverzweigte  Strahlen 
der  Brustflossen.  Wichtiger  ist  der  Unterschied  der  Gohien  und  Discoholi 
in  Hinsicht  des  Baues  der  Kiemen.  Die  Gohien  nämlich  haben  4 ganze, 
d.  h.  doppelthlätterige  Kiemen  und  eine  Spalte  noch  hinter  der  letzten 
Kieme,  wie  gewöhnlich.  Die  Discoholi  dagegen  haben  höchstens  3 4-  Kie- 
men, indem  die  letzte  Kieme  nur  aus  einer  einfachen  Reihe  von  Blättchen 
besteht,  und  die  letzte  Kiemenspalte  zwischen  der  4.  Kieme  und  dem  Schlund- 
knochen fehlt.  Darin  stimmen  Cyclopterus,  Liparis,  Gohiesox^  Lepadoga- 
ster überein.  Zwei  neue  Gattungen  haben  sogar  nur  3 Kiemen,  mid  ist  die 
letzte  Kiemenspalte  zwischen  dem  3.  und  4.  Kiemenhogen-,  so  ist  es  hei  den 
Gattungen  Sicyases  und  Cotylis  Müll.  Trosch.(’). 

Die  vierte  Gruppe , die  Echeneis  umfassend,  hat  4 vollständige  Kie- 
men und  auch  die  letzte  Kiemenspalte. 

II.  Uber  die  Sch  uppen  der  Knochenfische. 

Den  Schuppen  der  eigentlichen  Knochenfische  fehlt  in  der  Regel  die 
Knochenstructur  (strahlige  Knochenkörperchen),  welche  dagegen  in  den 
Schuppen  der  Ganoiden  (^)  und  in  den  Schildei’n  der  Knochenfische  auftritt; 


(')  Cotylis  nov.  gen.  prope  Gobiesox,  haben  die  Zähne  der  Gohiesox,  nämlich  kegel- 
förmige Zähne  in  den  Kiefern,  in  einer  Reihe,  hinter  den  vordem  gröfsern  ein  Haufen  klei- 
nerer, sie  unterscheiden  sich  von  den  Gohiesox,  dafs  sie  nur  3 Kiemen  haben  und  dafs  die 
Kiemenhaut  von  beiden  Seiten  her  einen  zusammenhängenden,  am  Isthmus  nicht  angewach- 
senen Mantel  bildet. 

Art:  Cotylis  nuda  Müll.  Trosch.  {Cyclopterus  nudus  Bl.  Schn.) 

Sicyases  nov.  gen. 

haben  auch  nur  3 Kiemen  und  gleichen  den  vorigen  auch  in  der  Kiemenhaut,  aber  sie  ha- 
ben nur  eine  einfache  Reibe  von  Zähnen  in  den  Kiefern,  ihre  mittlern  gröfsern  Zähne  sind 
schneidend,  die  seitlichen  sind  kegelförmig. 

Art;  Sicyases  sang  uineus  Müll.  Trosch.  blutroth.  Chili. 

O Müll.  Archiv  1841.  Jahresbericht  CCXVI. 


160 


ÄI  Ü L L E R : 


docli  ist  dieser  Unterschied  nicht  durchgreifend ; denn  ich  habe  an  sehr  gro- 
fsen  Schuppen  von  Knochenfischen  (Arapaima)  eine  tiefste  Lage  bemerkt, 
welche  allerdings  in  Knochenstructur  übergeht.  Wichtiger  scheint  der  Un- 
terschied, dafs  die  Schupjien  der  Ganoiden  in  der  Regel  eine  zusammenhän- 
gende Lage  von  Schmelz  besitzen,  während  man  auf  den  Schuppen  der 
eigentlichen  Knochenfische  statt  des  Schmelzes  nur  concentrische  erhabene 
Linien  einer  Substanz  bemerkt , welche  den  Schmelz  zu  vertreten  scheint. 
Eigenthümlich  ist  auch  an  den  Schuppen  der  Knochenfische,  dafs  sie  mei- 
stens aus  einigen  Stücken  zusammengesetzt  sind,  deren  Theilungslinien  oder 
Näthe  gegen  die  Peripherie  auslaufen.  Im  Einzelnen  gieht  es  vielerlei  For- 
men, die  aber  in  einander  übergehen  und  zur  Eintheilung  der  Knochenfische 
mit  Erfolg  nicht  benutzt  werden  können. 

Man  hat  einen  wesentlichen  Unterschied  der  Ordnungen  in  der  Be- 
schaffenheit des  freien  Randes  der  Schuppen  zu  finden  geglaubt,  ob  die 
Fische  nämlich  ganzrandige  Schuppen  haben  (Cjcloiden),  oder  ob  sie  Schup- 
pen mit  gezähneltem  oder  gewimpertem  freiem  Rande  der  Schupjien  besi- 
tzen (Ctenoiden) ; aber  es  ist  nur  zu  gewifs,  dafs  eine  Classification  der  Kno- 
chenfische in  Cjcloiden  und  Ctenoiden,  wie  sie  Hr.  Agassiz  und  der  Prinz 
von  Canino  und  Musignano  versucht  haben,  durchdringend  nicht  aus- 
führbar ist.  Hr.  Peters  hat  bereits  bei  seinen  Untersuchungen  über  den 
Bau  der  Schuppen (^)  auf  die  in  dieser  Hinsicht  vorkommenden  Übergänge 
und  Inconsequenzen  im  Allgemeinen  aufmerksam  gemacht.  Überdies  giebt 
es  Familien,  in  denen  Cjcloiden  und  Ctenoiden  als  Gattungen  Vorkommen, 
ohne  dafs  sie  daraus  ausgeschieden  werden  können,  und  es  giebt  hinwieder 
selbst  einzelne  Gattungen,  in  welchen  Cjcloiden  und  Ctenoiden  neben  einan- 
der als  unverkennbare  Arten  harmoniren.'  Bei  meinen  Untersuchungen  über 
den  Werth  der  Charaktere  der  natürlichen  Ordnungen,  Familien,  Gattun- 
gen mufste  es  mir  besonders  daran  gelegen  sein,  die  Grenzen  der  Anwendung 
jener  Charaktere  empirisch  festzustellen;  das  Folgende  gründet  sich  auf  die 
Untersuchung  von  mehreren  hundert  Gattungen  von  Knochenfischen. 

Die  Unterscheidung  in  Ctenoiden  und  Cjcloiden  ist  selten  anwendbar 
zur  Charakteristik  natürlicher  Familien , nur  dann,  wenn  die  Unterschiede 
mit  anderen  wesentlichen  Zusammentreffen  und  wenn  keine  Ausnahmen  statt 


(')  Müller’s  Archiv  1841,  Jahresbericht  CCIX. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


161 


finden.  Aber  diese  sind  nur  zu  häufig.  Die  Labroiden  und  Chromiden, 
welche  der  Prinz  Bonaparte  richtig  scheidet,  unterscheiden  sich  allerdings 
meist  schon  an  den  Schuppen,  aber  der  Charakter  der  Schuppen  würde  nicht 
liinreichen,  sie  zu  trennen.  Denn  Chromis  niloticus  weicht  von  allen  Chromi- 
den durch  seine  Cycloidschuppen  ab  und  ist  doch  ein  wahrer  Chromid.  In 
einigen  Fällen  können  wir  wenigstens  Gruppen  einer  Familie  auf  diese  Weise 
unterscheiden.  Die  Atherinen  sind  Cycloiden,  die  Miigil  sind  Ctenoiden, 
wenigstens  die  von  mir  untersuchten  Arten,  obgleich  die  Mugil,  ich  weifs 
nicht  aus  welchem  Grunde,  von  Agassiz  und  Bonaparte  für  Cycloiden 
gehalten  wurden. 

In  den  mehrsten  Fällen  kann  jenes  Princip  nicht  zur  Charakteristik 
der  Familien  benutzt  werden,  da  sich  in  sicher  begründeten  Familien  Cte- 
noiden und  Cycloiden  neben  einander  linden.  Es  ist  alles  gut,  so  lange  sich 
mit  Ausscheidung  der  Heterogenen  helfen  läfst.  So  hat  man  die  Percoidei 
cycloidei,  Trachinus,  Uranoscopus,  Sphyraena  von  den  übrigen  Percoiden 
auszuscheiden  versucht.  Mifslicher  wird  es  schon  bei  Bjpticus^  bei  dem  ich 
auch  Cycloidschuppen  finde.  So  hat  man  auch  vorgeschlagen,  die  OpJiice- 
phalus  aus  den  Labyrinthfischen  auszuscheiden.  Man  hat  die  Capros  aus 
den  Scomberoiden  geschieden.  Nach  jenem  Grundsatz  würden  dann  weiter 
nach  meinen  Beobachtungen  Ancjlodon  aus  den  Sciaenoiden,  Bempheris  aus 
den  Squamipennen  austreten  müssen.  Nun  finden  sich  aber  jene  Unter- 
schiede bei  Gattungen,  die  sicher  zu  einer  Familie  gehören.  Ich  erwähnte 
schon  des  Chromis  niloticus.  In  der  vortrefflichen  Familie  der  Cyprino- 
donten  Agassiz  haben  Poecilia,  Lebias  Cycloidschuppen,  Anableps  aber 
Ctenoidschuppen.  Unter  den  Clupeen  haben  die  Elops  gewimperte  Schup- 
pen, während  die  ihnen  bis  auf  die  durchsichtigen  grofsen  Augenlieder  ver- 
wandten Clupea  Cycloiden  sind.  In  derjenigen  Gruppe  der  Salmonen,  de- 
ren Zwischenkiefer  das  ganze  Maul  bis  zum  Mundwinkel  begrenzt,  d.  h.  in 
der  Familie  der  Scopclini  Müll,  ist  Aulopus  ausnahmsweise  ein  Ctenoid, 
während  der  anatomisch  ganz  verwandte  SauT'us  Cycloid  ist.  Die  Characinen 
haben  in  der  Regel  Cycloidschuppen.  Xiphostoma  macht  aber  eine  Aus- 
nahme, wie  Agassiz  selbst  anführt.  Die  Theutier  haben  mehrenlheils 
Ctenoidschuppen,  aber  die  von  ihnen  untrennbare  Gattung  Amphacanthus 
(A.  virgatus)  hat  reine  Cycloidschuppen.  Unter  den  Gobien  mit  vereinigten 
Physili.-math.  Kl.  X 


162 


Müller: 


Bauchflossen  giebt  es  Ctenoiden  und  Cycloiden;  denn  die  Gohius  sind  das 
erstere,  die  P eriophtJialmus  (P.  Koelreuteri)  das  letztere.  So  wenig  sicher 
ferner  die  Sciaenoiden  bis  jetzt  begrenzt  sind,  so  kann  doch  Ancjlodon  von 
den  ganz  übereinstimmenden  Gattungen  der  wahren  Sciaenen  nicht  getrennt 
werden.  In  allen  diesen  Fällen  können  die  Schuj>pen  nur  zur  Charakteristik 
der  Gattungen,  nicht  der  Familien  dienen. 

Endlich  giebt  es  aber  auch  Fälle,  wo  sie  auch  nicht  zur  Bestimmung 
der  Gattungen,  sondern  nur  der  Arten  benutzt  werden  können. 

So  z.  B.  hat  Platessa  pola  Cuv.  ausnahmsweise  unter  den  Platessen 
Cjcloidschuppen.  In  keiner  Familie  kann  aber  eine  Ausscheidung  weniger 
ausführbar  sein  als  bei  den  Schollen.  Unter  den  Characinen  liefert  Anodus 
ein  anderes  Beispiel.  Mehrere  Arten  haben  ganzrandige  Schuppen,  aber 
eine  neue  Art  Anodus  ciliatus  hat  stark  gewimperte  Schuppen. 

III.  Uber  die  Kiemen  und  Nebenkiemen  als 
Unterscheidungscharaktere. 

Die  Kiemen  bieten  zuweilen  sehr  wichtige  und  leicht  erkennbare  Un- 
terschiede dar,  welche  von  den  Zoologen  ganz  vernachläfsigt  sind.  Ich 
meine  nicht  die  Bildungen  an  der  concaven  Seite  der  Kiemenbogen,  welche 
Heckei  mit  Recht  und  Erfolg  benutzt  hat,  sondern  die  Kiemen  selbst,  ihre 
Zahl,  und  die  Zahl  der  Spalten.  Man  kennt  allerdings  die  verminderte 
Zahl  der  Kiemen  bei  den  Petrodon^  Piodon,  JSlonopterus,  Lophius,  Mallhe, 
Batrachus,  aber  selbst  dies  wird  nicht  immer  beachtet;  so  erwähnt  Valen- 
ciennes  die  verminderte  Zahl  der  Kiemen  nur  bei  Lophius,  nicht  bei  Mat- 
the und  Batrachus,  und  doch  ist  dies  bei  der  Frage  von  der  Stellung  der 
Batrachus  im  System  von  der  gröfsten  Wichtigkeit ; wenn  sie  auch  durch 
ihre  Flossen  von  den  übrigen  Pediculaten  abweichen  und  den  Familiencha- 
rakter geradezu  entbehren , so  stimmen  sie  in  einem  andern  nicht  weniger 
wichtigen  Charakter  dieser  Familie,  in  der  unvollzähligen  Ausbildung  der 
Kiemen  mit  den  übrigen;  denn  auch  von  den  Chironectes  gilt  dies,  da  sie 
statt  4 doppelt -blätterigen  nur  3 4-  Kiemen  besitzen.  Wenn  ein  Fisch  nur 
34-  Kiemen,  d.  h.  3 doppelt -blätterige  und  die  4.  mit  nur  einer  Reihe  der 
Blättchen  besitzt,  so  fehlt  regelmäfsig  die  Kiemenspalte  zwischen  dem  letzten 
Kiemenbogen  und  dem  Schhmdknochen , so  bei  Chironectes , so  bei  Zeus 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden.  163 

unter  den  Scomberoiden,  und  vielen  anderen,  von  denen  ich  sogleich  mehr 
sagen  will  (^ ). 

In  mehreren  Fällen  wird  diese  Bildung  zum  Charakter  einer  ganzen 
Familie  oder  Unterfamilie,  so  z.  B.  bei  den  Labroiden.  Bei  allen  eigentlichen 
Labroiden  (excl.  Chromiden)  fehlt  die  letzte  Kiemenspalte  und  die  4 te  Kieme 
ist  einblätterig.  So  finde  ich  es  bei  den  Gattungen  Lahrus,  Crenilahrus, 
Cossyphus,  Cheilio,  Clieilinus,  Julis,  Anampses,  Coricus,  Clepticus,  Xirich- 
tJiys,  Novacula,  Scarus,  Calliodon.  Diese  Bildung  findet  sich  wieder  in 
der  Familie  der  Catajohracten  bei  einer  ganzen  Gruppe  von  Gattungen.  Da- 
her man  die  Cataphracten,  bei  denen  bis  jetzt  keine  Unterabtheihmgen  statt- 
finden konnten,  sehr  erwünscht  in  2 Unterfamilien  theilen  kann. 

1)  Cataphracten  mit  4 vollständigen  doppelt -blätterigen  Kiemen  und 
vorhandener  letzter  Kiemenspalte : Tiigla,  Brionotus,  Peristedion,  Pterois, 
Dactyloptei'us,  Platyceplialus , Agriopus,  Gasterosteus,  Spinachia. 

2)  Cataphracten  mit  3 Kiemen  und  fehlender  letzter  Kiemenspalte : 
Coitus,  Scorpaena,  Sebasles,  Synanceia,  Synancidium  Müll.  nov.  gen. 
(Synanceia  mit  Vomerzähnen),  Agonus,  Apistes. 

Endlich  kömmt  diese  Bildung  noch  einmal  bei  der  vorhin  erwähnten 
3ten  Gx’uppe  in  der  Familie  der  Gobioiden  vor,  nämlich  bei  den  Gattun- 
gen Cyclopterus,  Liparis,  Lepadogaster,  Gobiesooc,  während  die  den  Gobie- 
sox  verwandten,  vorhin  bezeichneten  neuen  Gattungen  Cotylis  und  Sicyases 
Müll.  Trosch.  nur  3 Kiemen  besitzen. 

Die  letzte  Kiemenspalte  fehlt  und  ist  am  4 ten  Kiemenbogen  nur  eine 
Blätterreihe  entwickelt  beim  Polypterus  hichir,  dem  einzigen  unter  den  Ga- 
noiden. 

Unter  den  Pedicidaten  sind  die  mangelhaft  entwickelten  Kiemen  bei 
verschiedenen  Gattungen  verschieden.  Die  meisten  Kiemen  hat  Chironectes, 
nämlich  3-i-,  bei  Lophius  und  Batrachus  sind  nur  3,  nämlich  an  den  drei 
ersten  Kiemenbogen,  die  letzte  Kiemenspalte  befindet  sich  hinter  dem  drit- 
ten Bogen.  Malthe  hat  nur  2-^,  der  erste  Bogen  ist  kiemenlos,  die  letzte 
halbe  Kieme  am  4 ten  Kiemenbogen,  hinter  welchem  die  Spalte  fehlt. 

(')  Rathke  führt  die  elnblälterige  Beschaffenheit  der  letzten  Kieme  nur  von  Scarus, 
den  Mangel  der  letzten  Kienienspalte  aber  von  Crenilahrus,  Lophius^  Dioden,  Tetroden, 
Cottus,  Scorpaena,  Gadiis  callarias  und  aeglefinus  an.  Bei  Gadus  callarias  habe  ich  es  nicht 
gefunden  und  hei  keiner  Gadus -Art. 


I 


X2 


164 


Müller: 


Die  Zahlenverhältnisse  der  Kiemen  sind  demnach  unter  den  Knochen- 
fischen folgende : 

4 ganze  Kiemen,  bei  den  meisten. 

3-i-  5 nämlich  3 ganze  und  eine  halbe,  bei  den  vorher  bezeichneten. 

3 Lophius,  Batrachus,  Diodon,  Tetrodön,  Monopterus,  Cotjlis  Müll. 

Trosch.,  Ä’cyötÄeÄ  Müll.  Tr osch. 

2-i-  Malthe. 

2 Amphipnous  cucliia  Müll.  Archiv  1840  p.  113. 

Die  Nehenkiemen  oder  Pseudohranchien  vor  der  ei’sten  Kieme,  über  de- 
ren höchst  merkwüi’dige  Structurverhältnisse  ich,  Müll.  Archiv  1840  p.lOl, 
1841  p.  263,  und  in  den  Abhandl.  der  Königl.  Akad.  d.  Wissenschaften 
von  1839,  Berlin  1841  p.  213  gehandelt  habe,  sind  von  den  Ichthyologen 
durchgängig  vernachläfsigt,  obgleich  ihre  Gegenwart,  ihre  Form,  ihr  Mangel 
die  wichtigsten  Familien-  und  Gattungscharaktere  liefert.  So  hat  sie  noch 
neulich  der  sonst  so  genaue  He  ekel  bei  seinen  Untersuchungen  über  die 
Cyprinoiden  übergangen,  und  doch  braucht  man  nur  einen  Cypi'inus  Cuv., 
Labeo,  Cobitis  mit  einem  Baibus,  Leuciscus  oder  Catostomus  zu  verglei- 
chen, um  sich  von  ihrer  systematischen  Wichtigkeit  zu  überzeugen,  die  in 
der  That  weit  gröfser  ist  als  die  von  Heckei  beachteten  Darmlängen  und 
die  oft  geringen  Verschiedenheiten  in  der  Form  der  Schlundzähne.  Diese 
Organe  sind  entweder  kiemenartig,  d.  h.  kammartig,  oder  drüsig , im  letz- 
tem Fall  sind  sie  unsichtbar,  von  der  Schleimhaut  der  Kiemenhöhle  verdeckt, 
endlich  fehlen  sie  in  vielen  Fällen  ganz,  in  systematischer  Hinsicht  reduciren 
sich  diese  3 Fälle  auf  2,  ob  sie  nämlich  sichtbar  sind  oder  nicht. 

Die  Nebenkiemen  geben  in  manchen  Fällen  vortreffliche  Charaktere 
für  ganze  Familien.  Sie  fehlen  z.  B.  allen  Cyprinodonten,  den  eigentlichen 
Siluroiden,  dagegen  finden  sie  sich  in  der  Gruppe  der  Loricarien,  so  dafs 
die  Absonderung  derselben  von  Agassiz  gerechtfertigt  scheint.  Sie  fehlen 
allen  wahren  Aalen , dagegen  finden  sie  sich  in  den  von  den  Aalen  zu  tren- 
nenden Ophidien  von  gänzlich  verschiedenem  Bau  der  Geschlechtsorgane 
und  der  Schwimmblase,  die  keinen  Luftgang  besitzt.  Bei  allen  Labroiden 
sind  die  Nebenkiemen  frei,  ebenso  hei  den  Labroidei  ctenoidei  oder  Meer- 
chromiden,  dagegen  sind  sie  bei  allen  Flufschromiden  oder  bei  den  eigent- 
lichen Chromiden  unsichtbar,  ebenso  hei  der  Familie  der  Scomberesoces 
Müll.,  von  der  hernach  gehandelt  wei’den  soll.  Sie  sind  hei  allen  eigent- 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


165 


liehen  Salmonen  und  auch  hei  den  Scopelinen  kiemenartig,  dagegen  unsicht- 
bar in  der  davon  zu  trennenden  Familie  der  Characinen.  Sie  kommen  vor 
hei  allen  wahren  Scaenoiden,  Squamipennen,  Taenioiden,  Theutyern, 
Mugiloiden,  Pediculaten  u.  a.  Die  Blennioiden  und  Gadoiden  sind  zwar 
in  den  meisten  Fällen  durch  ihre  Eingeweide  hinreichend  verschieden,  aber 
die  Bjlhites  Reinh.  unter  den  Gadoiden  nähern  sich  auffallend  den  Blen- 
nioiden durch  die  Vereinfachung  ihrer  Blinddärme  und  ihre  Genitalpapille. 
In  diesem  Falle  wird  die  Beschaffenheit  der  Nehenkiemen  entscheiden , die 
sich  bei  den  Blennioiden  und  Gadoiden  ganz  vei’schieden  verhalten,  nämlich 
bei  den  erstex’n  kiemenartig,  bei  den  letztem  unsichtbar  sind.  Leider  habe 
ich  Bylhites  nicht  untersuchen  können. 

Unter  den  Blennioiden  nähern  sich  die  Zoarces  und  Lycodes  Reinh. 
wieder  den  Gadoiden  durch  ihre  nur  artieulirten  Strahlen  der  Rückenflosse 
und  durch  die  bei  den  Lycodes  auftretenden  Spuren  der  Blinddärme,  daher 
es  wichtig  wird,  an  den  Nebenkiemen  beide  Familien  auseinander  zu  halten. 
Lycodes  hat  Nebenkiemen.  Zu  den  Blennioiden  in  die  Nähe  von  diesen 
gehört  auch  die  Gattung  Oligopus  Risso,  welche  dieser  zu  den  Coryphae- 
nen  gebracht. 

Die  Nebenkiemen  fehlen  unter  Cuvier’s  Seomberoiden  den  Gat- 
tungen Rhynchobdella,  Maslacemblus  und  N otacantlius , aber  gerade  diese 
gehören  offenbar  nicht  zu  den  Seomberoiden,  von  denen  sie  sowohl  durch 
ihre  Körperform,  abdominale  Bauchflossen  (wofern  sie  vorhanden  sind)  und 
durch  die  Befestigung  des  Schultergürtels  nicht  am  Kopf,  sondern  an  der 
Wirbelsäule  (wie  bei  den  Aalen)  abweichen.  Ich  bilde  aus  ihnen  die  Familie 
der  Notacanthini  in  der  Ordnung  der  Acanthopleri. 

In  anderen  Fällen  können  die  Nebenkiemen  blofs  zur  Unterscheidung 
der  Gattungen  einer  Familie  dienen.  Unter  den  Seomberoiden  sind  sie  bei 
den  Lichia,  Trachinotus,  Coryphaena,  Lampugus  verdeckt  und  unsichtbar, 
während  sie  bei  den  Cenlrolophus  kiemenartig  frei  sind.  Unter  den  Cypri- 
noiden  sind  sie  bei  den  Gattungen  CyprinuSj  Laheo,  Discognatlius  Heck., 
Cobiiis  unsichtbar.  Unter  den  Percoiden  sind  sie  beinahe  allgemein ; aber 
in  der  Gattung  Lates  sind  sie  so  aufserordentlich  klein,  dafs  sie  leicht  völlig 
vermischt  werden  könnten,  und  in  der  Gattung  Nandus  fehlen  sie  wirklich 
ganz. 


16l> 


Müller: 


IV.  Über  die  systematische  Bedeutung  der  Schlundknochen 
und  eine  gröfsere  aus  Stachelflossern  und  Weichflossern  zu- 
sammengesetzte Ahtheilung,  Ordnung  der  Fische  mit  vereinig- 
ten unteren  Schlundknochen,  Phary ngo gnathi. 

I.  Bei  den  mehrsten  Fischen  sind  die  unteren  Schlundknochen  ge- 
trennt, hei  den  Lahroiden  sind  sie  vereinigt  zu  einem  einzigen  unpaaren  Kno- 
chen. Das  ist  der  Hauptcharakter  der  Lahroiden , welcher  von  Arte  di 
hei  Lahims  entdeckt  und  von  Cuvier  dieser  Familie  zu  Grunde  gelegt  wurde. 
Dies  ist  eine  der  sichersten  Familien  der  Knochenfische,  welche  Cuvier  auf- 
gestellt hat.  Er  charakterisirt  sie  also  : Die  Lahroiden  haben  einen  längli- 
chen beschuppten  Körper,  eine  einzige,  vorn  dornige  Rückenflosse,  deren 
Stacheln  meist  jeder  mit  einem  Ilautlappen  besetzt  sind.  Ihre  Kinnladen 
sind  mit  fleischigen  Lip|)en  bedeckt.  Ihre  ossa  pharyngea  sind  mit  pflaster- 
förmigen stumpfen  Zähnen  oder  Querplatten  besetzt,  und  die  unteren 
Schlundknochen  sind  zu  einem  unpaaren  Knochen  verschmolzen.  Ihr  Ma- 
gen ist  ohne  Blindsack.  Ihr  Darm  ist  ohne  Blinddärme  und  sie  besitzen  eine 
einfache  Schwimmblase. 

Hr.Valenciennes  beschränkt  die  Lahroiden  ganz  zweckmäfsig  auf  die 
eigentlichen  Lippfische , von  denen  jene  angeführten  Charaktere  in  dieser 
Verbindung  allein  gelten,  schliefst  aber  die  Chi'omis  und  Cichla,  welche 
Cuvier  damit  vereinigt  hatte,  davon  aus  und  wie  mir  scheint  mit  Recht. 
Ich  finde  die  unteren  Schlundknochen  zwar  zu  einem  Stück  innig  vereint, 
aber  durch  Nath,  welche  bei  den  Lahroiden  fehlt.  So  beschränkt  sind  die 
Fische  dieser  Familie  allerdings  sehr  übereinstimmend,  welche  nur  Fische 
mit  Cycloidschuppen  umfafst  und  welcher  noch  einige  andere,  nicht  beach- 
tete anatomische  Charaktere  gemein  sind,  diese  sind  die  einblätterige  vierte 
Kieme,  der  Mangel  der  letzten  Kiemenspalte  hinter  derselben  und  die  Ge- 
genwart der  Nebenkiemen. 

Mehrere  Fische , welche  zu  den  Lahroiden  gezählt  wurden,  müssen 
von  ihnen  entfernt  werden,  weil  sie  die  Vereinigung  der  untern  Schlundkno- 
chen nicht  besitzen.  So  ist  es  mit  der  Gattung  Plesiops,  welche  Cuvier 
unter  den  Lahroiden  aufgeführt  hatte  und  Hr.  Valenciennes  mit  Recht  an 
dieser  Stelle  fallen  liefs.  Dieser  bei'ühmte  Ichthyologe  hätte  es  aber  ebenso 
mit  den  Wlalacanthus  machen  müssen.  Denn  ich  finde  beim  Malacanthus 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Gaiioiden. 


167 


Plumiei'i,  dafs  sie  doj^pelte  und  getrennte  untere  Schlundknoclien  besitzen. 
Nach  den  dermaligen  Principien  in  Hinsicht  der  Existenz  und  des  Mangels 
der  Gaunienzähne  und  der  Bedornung  des  Kiemendcckels  mufs  die  Gattung 
Malacanlhus  unter  die  Sciaenoiden  gebracht  werden , wo  sie  Latilus  am 
nächsten  steht,  von  der  sie  nicht  einmal  wesentlich  verschieden  zti  sein  scheint. 
Endlich  gehört  auch  die  von  Büppel  gegründete  imd  zu  den  Labroiden  ge- 
brachte Gatüing  Pseudochromis  (von  welcher  ich  kürzlich  eine  dritte  neue 
Art  von  den  Philippinen  erhalten)  nicht  zu  dieser  Familie  und  ebenso  wenig 
zur  Familie  der  Chromiden;  denn  sie  hat  doppelte  und  getrennte  untere 
S chlundkn  o ch  en . 

II.  Eine  andere  natürliche  Familie  der  Pharyngognathen  bilden  die 
Labroidei  ctenoidei  oder  Pomaceiilridae,  ebenfalls  Stachelflosser.  Die 
hieher  gehörigen  Thiere  waren  von  Cu  vier  theils  unter  die  Labroiden  ge- 
bracht, wie  der  Chromis  castancus  des  Mittelmeers,  theils  unter  die  Sciae- 
noiden, wie  seine  Abtheilung  der  Sciaenoiden  mit  weniger  als  7 Kiemen- 
strahlen, nämlich  die  Gattungen  Amphiprion,  Premnas,  Pomacenirus,  I)a- 
scjllus^  Giyphisodon,  Ileliases.  Ilr.  II  e c k e 1 hat  die  Entdeckung  gemacht,  dafs 
diese  Gattungen  von  Sciaenoiden,  wie  auch  die  Sciaenoiden -Gattung  Etro- 
plus,  vereinigte  untere  Schlundknochen  besitzen,  und  glaubt,  dafs  sie  mit 
den  Chromiden , denen  sie  in  der  hechelförmigen  Bewaffnung  der  Schlimd- 
knochen  gleichen,  vereinigt  werden  müssen;  womit  ich  nicht  übereinstim- 
men kann.  Denn  ich  finde,  dafs  die  Chromiden,  lauter  Flufsfische,  sich 
von  jenen  Meeresfischen  wesentlich  in  der  Bildung  der  unteren  Schlundkno- 
chen unterscheiden.  Die  untern  Schlundknochen  der  Amphiprion,  Poma- 
cenli'us,  Dascjllus,  Giyphisodon,  Ileliases  bestehen  wie  liei  den  Labroiden 
nur  aus  einem  einzigen  unpaaren  Stück,  ohne  die  geringste  Spur  einer  Nath. 
Die  Chromiden  dagegen  besitzen  sämmtlich  vereinigte  untere  Schlundkno- 
chen mit  mittlerer  Nalh.  Dagegen  gleichen  die  Labroidei  ctenoidei  den 
Chromiden  in  den  Schuppen.  Die  Gattung  Etroplus,  ebenfalls  unter  jene 
Sciaenoiden  gestellt,  ist  allein  ein  Chromid,  ist  aber  auch  kein  Meeresfisch, 
sondern  lebt  in  Flössen  und  am  Ausflufs  der  Flüsse.  Wir  werden  hernach 
sehen,  dafs  es  noch  andere  wichtige  Charaktere  giebt,  welche  die  Labroidei 
ctenoidei  von  den  Chromiden  scheiden. 

Cuvier  hatte  selbst,  wie  es  scheint,  bei  einigen  dieser  Fische  den 
einzigen  untern  Schhmdknochen  bemerkt.  Sie  waren  ehemals  von  Bloch 


168 


Müller: 


zum  Tlieil  mit  den  Chaetodon  vereinigt  worden  und  Cuvier  führte  in  den 
Lecons  d’anat.  comp,  fälschlich  die  Chaetodon  unter  den  Fischen  mit  einfa- 
chen untex’en  Schlundknochen  an,  was  von  Meckel  widerlegt  wurde  (^). 
Auch  hatte  er  seihst  die  Pomacentrus,  Dascyllus,  Premnas  von  den  Chae- 
todon abgesondert.  Dann  bemerkt  er  wieder  im  regne  animal,  dafs  die  frag- 
lichen Sciaenoiden  bedeutende  Verwandtschaft  mit  den  Chaetodon  hätten. 
Dafs  er  die  richtig  aufgefafsten  Gattungen  an  eine  ganz  falsche  Stelle  im  Sy- 
stem brachte,  rührt  davon  her,  dafs  er  dieselben  einfachen  untern  Schlund- 
knochen übersah,  die  er  an  diesen  Fischen,  als  sie  noch  Arten  der  Chaeto- 
don waren,  selbst  gesehen  hatte. 

Die  Labroidei  ctenoidei  haben  gewimperte  Schuppen,  hechelförmige 
Schlundzähne,  freie  Nebenkiemen,  eine  sehr  kleine  Spalte  hinter  dem  vier- 
ten Kiemenbogen,  und  ihre  vierte  Kieme  hat  2 Reihen,  aber  sehr  ungleicher 
Kiemenblätter,  die  hinteren  sind  nämlich  abortiv  und  äufserst  kurz.  Ihre 
Seitenlinie  ist  unterbrochen.  Rückenflosse  wie  bei  den  Labroiden.  Ihre 
Lippen  sind  nicht  fleischig.  Ihre  Naslöcher  einfach.  Schwimmblase,  Blind- 
sack des  Magens  und  einige  Blinddärme.  Hieher  Amphiprion,  Premnas, 
Glyphisodon,  Pomacentrus,  Dascyllus,  Heliases.  Zur  Gattung  Heliases  ge- 
hört auch  der  mit  Nebenkiemen  versehene  sogenannte  Chromis  des  mittel- 
ländischen Meeres,  da  er  in  nichts  von  den  Charakteren  der  Gattung  Helia- 
ses abweicht.  Er  hat  in  der  ersten  Reihe  der  Kieferzähne  kegelförmige 
Zähne,  dahinter  kleinere,  wie  man  es  bei  mehreren  anderen  Heliases  sieht, 
und  stimmt  auch  in  der  Zahl  der  Kiemenhautstrahlen.  Daher  kann  ich 
He  ekel  nicht  beistimmen,  wenn  er  den  Namen  Chromis,  den  er  den  brasi- 
lischen Chromiden  genommen,  auf  den  Chromis  castaneus  Cuv.  des  Mittel- 
meers anzuwenden  vorschlägt,  vielmehr  mufs  dieser  unter  die  Gattung 


(’)  Solche  Verwechselungen  sind  allerdings  in  Cuvier’s  Schriften  selten,  von  deren 
eminenter  Bedeutung  und  Verdienst  Niemand  mehr  als  ich  durchdrungen  sein  kann.  Wenn 
er  indefs  hist.  nat.  d.  poiss.  V.  48  bei  der  Verwechselung  des  Skelets  des  Polyprion  cerniurn 
mit  Sciaena  aquila  durch  Rosenthal  sagt:  „on  ne  comprend  pas  ce  qui  a pu  causer  une  si 
forte  erreur  de  nomenclature”,  so  hätte  das  Cuvier  am  ehesten  begreifen  sollen,  da  ihm 
einst  mit  derselben  Sciaena  aquila  eine  ebenso  auffallende  Verwechselung  begegnete,  indem 
er  die  der  Sciaena  aquila  zukommende  eigenthümliche  Bildung  der  Schwimmblase  bei  La- 
brax lupus  gefunden  haben  wollte,  Leg.  d’anat.  comp.  De  la  Roche  hat  Cuvier  den- 
selben Dienst  gethan,  den  Rosenthal  durch  Cuvier  erfahren.  Cuvier  hatte  nur  das 
Glück,  selbst  an  die  Stelle  des  Labrax.  lupus  die  Sciaena  aquila  zu  setzen. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


169 


Heliases  als  Ileliases  castaneus  subsumirt  Averclen.  He  ekel  hat  übrigens 
auf  die  Übereinstimmung  der  Heliases  und  Chromis  bingewiesen,  indem  er 
sagt,  dafs  beide  Genera  nur  zu  verwandt  seien.  Dies  kann  jedoch  eben  nur 
von  Ileliases  und  CJu-omis  castaneus  Cuv.  gelten.  Denn  was  man  sonst 
Chromis  nennt,  hat  in  der  That  mit  Heliases  keine  Verwandtschaft  und  ist 
vielmehr  durch  Familiencharaktere  von  Heliases  getrennt,  wie  sich  axis  dem 
Folgenden  ergeben  wird. 

Von  mir  untersucht  sind  die  Gattungen  Amphiprion , Fomacentrus, 
Dascyllus,  Glyphisodon,  Heliases. 

III.  Die  dritte  Familie  der  Ordnung  Pharyngognathi  umfafst  die  Chro- 
miden.  Es  sind  sämmtlich  Flufsfische,  Stachelflosser,  meist  mit  Ctenoid- 
schuppen,  meist  einfachen  Naslöchern ; von  den  vorhergehenden  unterschei- 
den sie  sich  wesentlich  1)  durch  den  Mangel  der  Nebenkiemen,  2)  durch 
den  Besitz  von  vollständigen  Doppeltreihen  der  Kiemenblättchen  am  4ten 
Kiemenbogen,  womit  eine,  in  ganzer  Länge  offene  Spalte  hinter  diesem  Bo- 
gen, zwischen  ihm  und  dem  Schlundknochen,  verbunden  ist,  3)  durch  ihre 
aus  2 besondern  Stücken  durch  Nath  fest  vereinigten  untern  Schhmdkno- 
chen(^).  Ihre  Seitenlinie  ist  wie  bei  den  vorigen  unterbrochen.  Rücken- 
flosse wie  bei  den  Labroiden.  Ihre  Lippen  sind  mehr  oder  weniger  ausge- 
bildet. Bei  mehreren  ist  das  Maul  vorstreckbar  wie  bei  den  eigentlichen 
Labroiden.  Schwimmblase  und  Blindsack  des  Magens.  Die  Blinddärme 
scheinen  zu  fehlen.  Ich  vermisse  sie  auch  bei  Eij'oplus,  wo  sie  Valen- 
ciennes  anführt. 

Schon  in  meiner  Ai’beit  über  die  Nebenkiemen,  Abhandl.  d.  Akad. 
d.  Wissensch.  aus  d.  J.  1839,  Berlin  1841  p.  250,  habe  ich  auf  die  durch- 
greifende Verschiedenheit  der  im  Meere  lebenden  Labroidei  ctenoidei  und 
der  eigentlichen  Chromiden,  Flufsfische,  in  Hinsicht  der  Nebenkiemen  auf- 
merksam gemacht,  die  bei  den  erstem  ohne  Ausnahme  kiemenartig  sind, 
bei  den  Chi’omiden  durchgängig  fehlen.  Die  Chromiden  sind: 

Etroplus  Cuv.  In  der  Abhandlung  über  die  Nebenkiemen  habe 
ich  schon  angeführt,  dafs  die  Etroplus  den  Amphiprion,  Dascyllus,  Poma- 

(')  Die  Zusammensetzung  des  unteren  Sclilunclknochens  der  Chromiden  zeigt  die  Gene- 
sis des  unpaaren  Stückes  der  Labroiden  und  der  übrigen  Pharyngognathen  an  und  beweist, 
dafs  der  unpaare  Scblundknocben  derselben  nicht  aus  einem  unpaaren  Mittelstück  des  Kie- 
mengerüstes anderer  Fische,  wie  es  Ratbke  annimmt,  bervorgegangen  ist. 

Physik. -math.  Kl.  1844.  Y 


170 


Müller: 


cenlrus,  Gijphisoclon  fremd  sind  imd  dagegen  zu  den  Chromiden  gehören, 
mit  denen  diese  Gattung  in  allen  Faniiliencliarakteren  übereinstimmt.  Sie 
haben  übrigens  nicht  eine , sondern  zwei  Reihen  schneidender  dreilappiger 
Zähne.  Von  der  folgenden  Gattung  trennt  sie  die  grofse  Zahl  der  Stacheln 
in  der  Afterflosse. 

Chromis  Müll.  Als  Typus  der  Gattung  CJn'omis  (mit  3 oder  mehr 
Reihen  schneidender,  am  Ende  gekerbter  Zähne)  bleibt  nur  der  ChT'omis 
niloticus  übrig  ( ^ ) . 

Acara  Heck.,  Cichla  Cuv.,  Cr cniciclila  Heck.,  Pterophyl- 
lum  Heck.,  G eophagus  Heck.,  Chaetohranchus  Heck.,  welche  ich 
sämmtlich  untersucht  habe,  dann  die  anderen  neuen,  von  Heckei  aufgestellten 
Gattungen  brasilischer  Chromiden  JJaru,  Symphjsodon,  Heros,  Batrachops. 

Als  Cuvier  die  Gatümg  CJiromis  gi’ündete  (Mem.  d.  mus.  I.  333), 
hat  er  sich  ohne  Zweifel  ein  Verdienst  erworben,  indem  er  zuerst  fand,  dafs 
diese  Thiere  vei’einigte  untere  Schlundknochen  haben.  Und  er  beobachtete 
diesen  Charakter  bei  dem  Castagneau  des  Mittelmeers , sowie  den  in  den 
Flüssen  lebenden  Chromiden,  die  er  mit  dem  Castagneau  in  einem  Genus 
vereinigte.  Jetzt  sind  die  Thiere  des  Genus  Chromis  Cuv.  in  eine  gute  An- 
zahl Gattungen  aus  einander  gegangen,  die  selbst  zwei  verschiedenen  Fami- 
lien angehören.  Hätte  Cuvier  schon  die  Nebenkiemen  beachtet,  so  hätte 
er  den  Castagneau  nicht  mit  den  Chromiden  der  brasilischen  Flüsse  und  dem 
Nil- Chromiden  zusammenbringen  können  (^). 

IV.  Die  vierte  Familie  unserer  Ordnung  der  Pharyngognathi  bilden 
die  Pharyngognathi  malacopterjgii,  oder  Scomberesoces.' 

Cuvier  vereinigte  unter  dem  Namen  Esoces  eine  Anzahl  der  Mala- 
copterygii  abdominales  in  eine  Familie,  welche  völlig  unhaltbar  in  die  ver- 
schiedensten Gemengtheile  sich  auflöst.  Die  Esoces  Cuvier’s  hatten  fol- 


(')  Zu  dieser  Gattung  gehört  auch  als  dem  Chromis  nüo/icus  sehr  verwandte  oder  viel- 
leicht selbst  damit  identische  Art  die  Ti/a/ha  Sparnianni  Smith  Illustrations  of  the  Zoology 
of  South  Africa.  N.  IX.  London  1840,  welche  von  Smith  ohne  Grund  zu  den  Labyrinth- 
fischen gerechnet  wird.  Sie  ist  in  vielen  Exemplaren  von  Ilrn.  Peters  eingesandt  und  ich 
bin  nicht  im  Stande,  sie  auf  eine  sichere  Art  von  Chromis  niloticus  zu  unterscheiden.  Siehe 
auch  meine  Bemerkungen  im  Archiv  für  Naturgeschichte  IX.  I.  p.  381. 

O Neuerlich  sind  auch  Chromiden  für  Arten  der  Gattungen  Pomotis  und  Centrarchus 
genommen  worden.  So  im  zweiten  Theil  von  Schomburgk  Fisches  of  Guiana.  Edinb.  1843. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


171 


gende  Chai'aktere:  Bei  ihnen  wird  der  Rand  der  Oherkinnlade  von  den 
Intermaxillarknochen  gebildet,  oder  wenn  sie  ihn  nicht  ganz  ausmachen,  so 
ist  doch  der  Maxillarknochen  ohne  Zähne  und  in  der  Dicke  der  Lippen  ver- 
borgen. Sie  sind  gefräfsig,  ihr  Darm  ist  kurz,  ohne  Blinddärme.  Mehrere 
steigen  in  die  Flüsse,  alle  haben  eine  Schwimmblase.  Mit  Ausnahme  der 
Microstomen  haben  sämmtliche  die  Rückenflosse  der  Afterflosse  gegenüber- 
stehend. Cuvier  zählte  dahin:  1)  Esox  mit  den  Untergattungen  Esox 
Cuv.,  Galaxias  CwY.,  Alepocephalus  Bisso , Microsloma  Cuy . , Stoinias 
Cuv.,  Chauliodus  Schn.,  Salanx  Cuv.,  Belone  CiUy.,  Aa/m  Raf.,  He- 
miramplms  Cuv.,  und  2)  Exocoetus. 

Der  Prinz  von  Canino  und  Musignano  theilte  die  Esocidae  in 
3 Unterfamilien  Esocini^  Belonini,  Exocoeüni.  Prodromus  systematis  ich- 
thyologiae. 

In  meiner  Abhandlung  über  die  Schwimmblase  der  Fische  suchte  ich 
Cuvier’s  Esoces  durch  die  Entfernung  der  fremden  Einschiebsel  zu  reinigen. 
Als  solche  bezeichnete  ich  die  Alepocephalus,  Stomias,  Chauliodus,  Micro- 
sloma.  Alepocephalus,  von  Risso  ganz  richtig  unter  die  Clupeen  gebracht, 
wurde  von  Cuvier  wegen  seiner  nur  im  Zwisehenkiefer  stehenden  Zähne 
unter  die  Esoces  versetzt.  Er  hat  den  Oberkiefer  gleich  den  Heringen  zu- 
sammengesetzt. Er  hat  freie  Nebenkiemen,  welche  bei  den  Esoces  bedeckt 
und  unsichtbar  sind,  er  hat  zahlreiche  Blinddärme  und  keine  Schwimmblase, 
welche  ihm  Risso  mit  Unrecht  beilegt. 

Stomias  gehört  dem  Bau  des  Mauls  nach  nicht  zu  den  Esoces ; denn 
ich  fand  aufser  den  grofsen  Zähnen  im  Zwischenkiefer  und  Gaumen  auch 
sehr  kleine  im  Oberkiefer,  ixnd  die  Schwimmblase  fehlt.  Den  Stomias  wird 
Chauliodus  folgen  müssen,  welche  mit  Notopterus  und  Chirocentrus  eine 
besondere  Gruppe  unter  den  Clupeen  bilden.  Auch  Microstoma  gehört 
nicht  zu  den  Esoces.  Sie  besitzen  nach  Risso  und  Reinhardt  eine 
Fettflosse  und  der  Zwischenkiefer  ist  ohne  Zähne,  vielmehr  stehen  sie  nach 
Reinhardt  wie  bei  Argentina  am  Rande  des  Vomer. 

Demnach  waren  nach  dieser  Ausscheidung  in  der  Familie  der  Esoces 
Cuv.  mir  die  Esox,  Galaxias,  Salanx,  Belone,  Sairis,  llemiramphus  und 
Exocoetus  übrig.  Auch  unter  diesen  ist  die  Schwimmblase  nicht  allgemein. 
Denn  die  Sairis  haben  keine.  Monatsbericht  d.  K.  Akad.  d.  Wissensch. 
zu  Berlin,  Juni  1842.  Müll.  Areh.  1842  p.  307. 

Y2 


172 


Müller; 


Agassiz  scheidet  ebenfalls  die  Stomias,  Chauliodus  u.  a.  aus,  die  er 
in  die  Nähe  der  Scopelus  und  Aulopus  biängt.  Seine  Esoces  bestehen  aus 
den  genera  Esojc,  Belone,  Sairis,  Tjlosurus  Cocco  und  Hemiramphus. 
Agassiz  notice  sur  les  poissons  fossiles  et  l’osteologie  du  genre  brochet 
(Esox).  Neuchatel,  Nov.  1842. 

Weitere  Studien  über  die  Esoces  Cuv.  haben  mieh  zu  der  Überzeu- 
gung geführt,  dafs  sie  aueh  nach  der  Ausscheidung  der  in  der  Abhandlung 
über  die  Schwimmblase  bezeichneten , nicht  dahin  gehörenden  Gattungen 
noch  eine  Fusion  von  ganz  verschiedenen  natürlichen  Familien  sind,  welche 
sogar  vei’schiedenen  Ordnungen  angehören.  Die  Galaxias  sind  nicht  den 
Esox,  sondern  den  Salmonen  verwandt,  wie  hernach  gezeigt  werden  soll.  Die 
Esox  sind  von  Belone,  Sairis,  Tjlosurus,  Hemiramphus,  Exocoetus  durch  Fa- 
milien- und  Ordnungscharaktere  ganz  verschieden.  Dagegen  stimmen  die 
letztgenannten  Gattungen  unter  sich  durch  einen  sehr  Avichtigen  Charakter 
überein,  der  uns  in  den  Stand  setzt,  eine  der  besten  Familien  der  Fisehe  zu 
begründen  und  die  Ordnung  der  Pharjngognathi  zu  vervollständigen.  Alle  ha- 
ben nämlich  wie  die  Labroidei  cycloidei  und  Labroidei  ctenoidei  nur  einen  ein- 
zigen unpaaren  unteren  Schlundknochen  ohne  Spur  von  Nath.  Die  eigentli- 
chen Esox  dagegen  haben  doppelte  getrennte  untere  Schlundknochen.  Man 
kann  diese  Familie  Phar jngognathi  malacopterygii  oder  Scombere- 
soees  nennen.  Es  gehören  dazu  die  Gattungen  Belone  Cuv.,  Sairis  Raf., 
Tjlosurus  Cocco  (Belone  mit  einem  Kiel  an  den  Seiten  des  Schwanzes,) 
Sarchirus  Raf.,  Hemiramphus  Cuv.,  ExocoetusE.  und  Cjpselurus  (Exoeoe- 
tus  mit  Bartfäden).  Alle  diese  Fische  haben  eine  Reihe  gekielter  Sehuppen 
jederseits  am  Bauche,  verschieden  von  der  Seitenlinie,  sie  unterscheiden 
sich  auch  von  den  Esox  und  allen  übrigen  Malacopterygii  abdominales  durch 
ihre  Schwimmblase,  die  ohne  LAiftgang,  was  bei  Belone  schon  de  la  Roehe 
bekannt  war  und  von  Cu\der  übersehen  wurde ; sie  enthält  Wundernetze. 
Ihr  Darm  ist  ohne  Blindsack  des  Magens  und  ohne  Blinddärme,  ganz  gerade, 
aueh  ist  der  Magen  auf  keine  Weise  vom  Dai’m  geschieden.  Die  Nebenkie- 
men sind  bei  allen  drüsig,  verdeckt  und  unsichtbar.  Die  Kiemen  sind  voll- 
ständig und  die  letzte  Kiemenspalte  vorhanden.  Die  Schuppen  sind  Cycloid- 
schuppen.  In  den  Bauchflossen  haben  sie  nur  articulirte  Strahlen.  Die 
Rüekenflosse  ist  der  Afterflosse  gegenüber.  Die  Bauchflossen  sind  ab- 
dominal. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


173 


Cuvier  erwähnte  bereits  in  den  lecons  d’anat.  comp,  die  Verwach- 
sung der  untern  Schlundknochen  zu  einem  einzigen  Stück  hei  Belone  und 
scheint  es  später  vergessen  zu  haben.  Die  Einfachheit  des  untern  Schlund- 
knochens ist  ferner  von  Ilrn.  Rathke  hei  den  Exocoetus  beobachtet.  Nie- 
mand hat  bisher  diesen  für  die  Systematik  so  wichtigen  Umstand  zu  benutzen 
verstanden.  Ich  lernte  diese  Bildung  bei  einer  Revision  unserer  Skelete 
kennen  und  war  sogleich  von  ihrer  systematischen  Wichtigkeit  durchdrungen. 
Der  einfache  untere  Schlundknochen  jener  Pharyngognathi  malacopterygii 
ist  dreieckig,  dicht  mit  spitzen  Zähnen  besetzt,  er  ist  in  den  von  mir  unter- 
suchten Gattungen  Belone,  Sanis,  Tylosurus,  Hemiramphus,  Exocoelus  mir 
in  dem  Verhältnifs  der  Länge  zur  Breite  verschieden,  wie  aus  den  vorgeleg- 
ten Abbildungen  ersichtlich  ist. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  die  Malacopterygii  abdominales  Anzie- 
hungskraft genug  besitzen , um  die  Scomberesoces  ferner  zu  binden , oder 
ob  diese  ungeachtet  ihrer  weichen  Flossen  mit  den  Labroiden  und  Chromi- 
den  in  eine  gröfsere  Abtheilung,  Ordnung,  gebracht  werden  müssen. 

Die  Beschaffenheit  der  Flossenstrahlen  ist,  wie  in  so  vielen  Beispielen 
vorliegt,  ein  sehr  unzuverlässiger  Charakter.  Dagegen  besitzen  wir  in  der 
Vereinigung  der  untern  Schlundknochen  einen  absoluten  Charakter,  der 
keine  Übergänge  zuläfst.  Wo  wichtigere  Charaktere  zur  Bildung  einer  Or- 
dnung vorliegen,  da  ist  kein  Bedenken,  Malacopterygier  und  Acanthoptery- 
gier  in  einer  Ordnung  zu  vereinigen,  wie  man  auch  bisher  anerkannt  hat  in 
dem  Beispiel  der  Plectognathen , wo  die  Stachelllosser  Balisten  mit  den 
Weichfllossern  Tetrodon  u.  A.  zusammen  Vorkommen.  Die  abdominale 
Stellung  der  Bauchflossen  kann  auch  kein  Grund  sein,  die  Scomberesoces 
unter  den  Malacopterygii  abdominales  zu  halten,  da  es  auch  Acanthopterygii 
abdominales  giebt,  wie  die  Notacanthus.  Endlich  passen  die  Scomberesoces 
zu  allen  Malacopterygii  abdominales  nicht  durch  ihre  des  Luftganges  entbeh- 
rende Schwimmblase. 

Die  Ordnung  der  Pharyngognathi  besteht  demnach  aus 

I.  Pharyngognathi  acanthopterygii,  s.  subbrachii. 

1.  Familie  Labroidei  cycloidei.  (Labridae.) 

2.  Familie  Labroidei  ctenoidei.  (Pomacentridae.) 

3.  Familie  Chromidae. 


174 


Müller: 


II.  Pharyngognathi  malacopterjgii,  s.  abdominales. 

4.  Familie  Scomberesoces. 

V.  Uber  die  systematische  Bedeutung  der,  Schwimmblase  zur 
Feststellung  der  Ordnungen  der  Knochenfische  und  über  die 
neuen  Ordnungen  Physostomi  und  Anacanthini. 

Es  ist  zAvar  herkömmlich,  die  Schwimmblase  bei  der  Classification 
der  Fische  zu  beachten,  und  es  ist  bekannt,  wie  einige  Familien  der  Fische 
durch  den  Mangel  des  Organs  in  allen  Gattungen,  wie  andere  durch 
eigenthümliche  Formen  der  Schwimmblase,  die  Sciaenoiden  z.  B.  durch  die 
Hörner  der  Schwimmblase,  die  Cyprinoiden  durch  die  Quertheilung  dersel- 
ben sich  auszeichnen.  Es  giebt  aber  noch  andere  für  die  Systematik  wich- 
tige Beziehungen  der  Schwimmblase,  auf  welche  man  bisher  nicht  aufmerk- 
sam gewesen  ist. 

Hierher  gehört  vor  Allem  die  Existenz  oder  der  Mangel  eines  Luft- 
ganges,  welches  beides  mit  der  systematischen  Stellung  eines  Fisches  in  dem 
genauesten  Zusammenhang  steht.  So  z.  B.  fehlt  dieser  in  den  Schlund  aus- 
mündende Canal  allen  Acanthopterygiern  ohne  Ausnahme , er  fehlt  nicht 
minder  den  Malacopterygii  subbrachii,  sofern  sie  eine  Schwimmblase  besi- 
tzen, nämlich  den  Gadoiden,  welche  daher  anatomisch  den  Acanthoptery- 
giern viel  mehr  verwandt  sind,  als  den  Malacopterygii  abdominales.  Der 
Luftgang  fehlt  in  der  ganzen  Ordnung  Plectognathen,  mögen  sie  Stachelflos- 
ser  oder  Weichfiosser  sein,  er  fehlt  der  Ordnung  der  Lophobranchier,  er 
fehlt  in  der  ganzen  Ordnung  der  Pharyngognathen,  auch  bei  den  Weichflos- 
sern  dieser  Abtheilung.  Indem  nun  die  Scomberesoces  aus  der  Ordnung 
der  Malacoj)terygii  abdominales  entfernt  werden,  so  bleiben  die  übrigen  eine 
sehr  übereinstimmend  organisirte  Ordnung,  welche  die  Natur  in  allen,  welche 
eine  Schwimmlilase  besitzen,  durch  die  Gegenwart  eines  Luftganges  ausge- 
zeichnet hat,  den  sie  den  übrigen  voi’hergenannten  versagte.  Dieser  Um- 
stand ist  es  vornehmlich,  welcher  den  Malacopterygii  abdominales  für  immer 
den  Bestand  als  sehr  natürliche  Ordnung  sichern  raufs,  was  sie  nicht  waren, 
so  lange  sie  die  heterogenen  Scomberesoces  enthielten.  Der  Luftgang  ist 
nämlich  bei  den  Cyprinoiden,  Siluroiden , Esoces,  Sahnonen,  Characi- 
nen,  Clupeen,  Mormyren  u.  a.  vorhanden.  Die  Fische  dieser  Familien, 
sofern  sie  vollständig  entwickelte  Bauchllossen  besitzen,  haben  meistens 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


175 


mehr  als  5 articnlirte  Strahlen  der  Bauchflossen ; bei  den  Acanthopterjgiern 
ist  dies  dagegen  sehr  selten. 

Was  die  Ordnung  der  Malacopterjgii  apodes  Cuvier’s  betrifft,  so 
bestehen  sie  bei  näherer  Untersuchung  aus  2 heterogenen  Familien,  wovon 
die  eine  den  Malacopterjgii  alidominales  oder  Fischen  mit  Luftgang,  die  an- 
dere den  Acanthopterjgii  und  Malacopterjgii  suhhrachii  ohne  Luftgang  ver- 
wandter ist,  und  die  man  mit  ihren  respectiven  Verwandten  vereinigen  mufs. 

Die  Ophidium  und  ihre  verwandten  Fierasfer  und  Encheljophis  Müll, 
nov.  gen.  {Fierasfer  ohne  Brustflossen)  unterscheiden  sich  von  den  eigent- 
lichen Aalen,  dafs  den  Ophidien  der  Luftgang  der  Schwimmblase  fehlt,  sie 
sind  daher  von  den  Aalen  auszuscheiden,  von  denen  sie  sich  auch  durch  den 
Besitz  der  kiemenartigen  Nehenkiemen  unterscheiden.  Diese  Thiere  sind 
offenbar  den  Gadoiden  am  meisten  verwandt.  Auch  Gymnelis  Reinh.  und 
Ammodjtes,  beide  mit  Nehenkiemen,  gehören  nicht  zu  den  Aalen,  sie  besi- 
tzen auch  den  stielförmigen  Knochen  des  Scludtergürtels,  der  den  Aalen 
fehlt.  Gymnelis  hat  im  Anfang  der  Rückenflosse  einige,  jedenfalls  2 unge- 
gliederte Strahlen,  ist  daher  ein  Stachelflosser ; nach  seinen  Eingeweiden 
und  seinem  Hahitus.  gehört  er  unter  die  Blennioiden. 

Zieht  man  diese  falschen  Aale  ab,  so  bleiben  die  eigentlichen  Anguil- 
lares  übrig,  nämlich  die  Gattungen  Muraena,  Gymnotus  und  Symbranchus 
und  ihre  Untergattungen,  deren  Hahitus  sehr  übereinstimmend  ist.  Die 
mehrsten  haben  eine  Schwimmblase,  und  wo  diese  vorhanden  ist,  ist  sie 
immer  mit  einem  I^uftgang  versehen.  Ihre  Vereinigung  mit  den  Ophidien 
zu  einer  Ordmmg  Malacopterjgii  apodes  war  offenbar  künstlich,  und  sobald 
diese  ausgeschieden  sind,  so  ist  kein  Grund  mehr  vorhanden,  jene  von  den 
Malacopterjgii  abdominales  mit  Luftgang  der  Schwimmblase  zu  trennen. 
Unter  diesen  gab  cs  schon  Gattungen  ohne  Bauchflossen,  wie  die  Astroble- 
pus  Humb.,  die  Gnathobolus  und  Pristigaster.  Ich  bilde  aus  der  Vereini- 
gung der  Aale  und  Malacopterjgii  abdominales  die  Ordnung  Physostomt 

Die  Physostomi  sind  Weichflosser , deren  Bauchflossen,  wenn  vor- 
handen, immer  abdominal  sind,  die  einzigen  unter  den  eigentlichen  Knochen- 
fischen, deren  Schwimmblase  immer  einen  Luftgang  besitzt.  Sie  zerfallen 
in  2 Unterordnungen,  die  Phjsostomi  abdominales  und  Phjsostomi  apodes 
s.  anguillares.  Zu  den  Phjsostomi  abdominales  geliören  die  Familien  Silu- 
roidei  , Cyprinoidei  A^.,  Characini  Müll.,  Cyprinodontes  A^.,  Mor- 


i 


1^0  !sj  nr'»  IS-  - 


V) 


176  Müller: 

myri  Ciiv.,  Esoces  Müll,,  Galaxiae  Müll.,  Salmones  Müll.,  Scopelini 
Müll.,  Clupeidae  Cuv.,  TIeteropygii  Tellk.  Zu  den  Phjsostomi  anguil- 
lares  s.  apodes  gehöi’en  die  Familien  Muraenoiclei  Müll.,  SymbranchiiM.Vi\\.^ 
Gymnotini  Müll.  Von  diesen  Familien  wird  später  ausführlicher  gehandelt 
werden. 

Die  ungeheure  Mehrzahl  dieser  Fische  besitzt  die  Schwimmblase.  Nur 
die  mehrsten  Scopelini  und  die  Symbranchii  machen  eine  Ausnahme ; jene 
werden  durch  die  abdominale  Stellung  ihrer  Bauchflossen  mit  den  übrigen 
Physostomi  abdominales,  diese  durch  ihre  Aalform  mit  den  Physostomi  apo- 
des zusammengehalten.  Den  Syrnbi'anchus  schreibt  Cuvier  eine  lange 
schmale  Schwimmblase  zu,  aber  sie  haben  in  der  That  keine.  Auch  in 
der  Familie  der  Siluroiden  kommen  ein  Paar  Beispiele  von  Mangel  der 
Schwimmblase  vor,  während  sie  den  mehrsten  Gattungen  der  Siluroiden 
zukommt.  Sie  fehlt  bei  den  Gattungen  Callichthys,  Arges,  Brontes,  Hy- 
pophthalmus,  Loricaria,  Hypostoma. 

Es  liegt  die  Bemerkung  nahe,  dafs  es  mifslich  sei,  die  Schwimmblase 
bei  einer  Eintheilung  zu  benutzen,  da  gerade  dieses  Organ  so  sehr  variire. 
Hierauf  antworte  ich,  dafs  auf  die  Gegenwai't  der  Schwimmblase  unter  keinen 
Umständen  irgend  ein  Wei’th  zu  legen,  dafs  aber  ihr  Bau,  sofern  sie  gegen- 
wärtig ist,  unabänderlichen  Gesetzen  unterworfen  ist,  welche  wir  kennen, 
sobald  wir  die  wahren  Ordnungen  und  Familien  der  Fische  kennen.  Nach 
diesem  Gesetz  ist  sie  unter  allen  Malacopterygii  abdominales  und  apodes  mit 
einem  Luftgang  versehen,  sobald  sie  überhaupt  da  ist,  nach  diesem  Gesetz 
ist  sie  bei  den  Cyprinoiden  und  Characinen  in  der  Quere  getheilt  und  bei 
den  Familien  der  Cyprinoiden,  Characinen,  Siluroiden,  sofern  sie  vorhan- 
den ist,  ohne  Ausnahme  mit  dem  Gehörorgan  durch  eine  Kette  von  Gehör- 
knöchelchen verbunden. 

Der  Name  P hysostomi  ist  von  einem  Hauptcharakter  der  Ordnung 
hergenommen,  er  soll  keinen  allein  herrschenden  Charakter  ausdrücken. 

Absolut  bezeichnend  war  auch  nicht  der  Name  der  Malacopterygii 
abdominales  und  ajDodes , denn  die  Malacopterygii  abdominales  enthielten 
auch  Fische  ohne  Bauchflossen,  wie  Asleroblepus.,  Pristigaster , Gnathobo- 
lus  u.  a. 

Cu  vier ’s  Ordnung  der  Malacopterygii  subbrachii  bedarf  auch  einer 
Reform.  Wir  haben  schon  die  Discoboli  daraus  entfernen  müssen  und  zu 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


177 


den  Stachelflossern  zurückgeführt.  Es  bleiben  also  nur  die  Gadoiden  und 
Pleuronectiden  übrig,  welche  durch  die  Stellung  ihrer  Bauchflossen  den 
Stachelflossern  verwandt  sind,  aber  freilich  völlig  Weichflosser  sind,  sowohl 
in  ihren  verticalen  Flossen,  als,  was  zioch  wichtiger  ist,  in  ihren  Bauchflos- 
sen. Den  Pleuronectiden  fehlt  die  Schwimmblase,  hei  den  Gadoiden  ist 
sie  vorhanden  und  geschlossen  ohne  Luftgang  wie  bei  den  Stachelflossern. 
Zu  dieser  Ahtheilung  gehören  auch  Formen  ohne  Bauchflossen,  nämlich  die 
Familie  der  Ophidien,  welche  zufolge  ihrer  Schwimmblase  ohne  Luftgang 
und  ihrer  weichen  Flossen  mit  keiner  andern  Ordnung  zu  vereinigen  sind, 
durch  ihren  Habitus  aber  schon  ganz  an  die  Gadoiden  sich  anschliefsen. 
Dahin  die  Gattungen  Ophidium  Fierasfer,  Enchefyophis 

Da  diese  Oi’dnung  nunmehr  in  doppelter  Richtung  von  der  Cuvier- 
schen  der  Malacopterygii  subbrachii  ahweicht,  so  kann  sie  vielleicht  besser 
als  Anacanthini  bezeichnet  werden. 

Die  Anacanthini  sind  Weichflosser,  welche  in  ihrem  innern  Bau 
mit  den  Acanthoptej'jgii  übereinstimmen,  deren  Schwimmblase,  wenn  vor- 
handen, ohne  Luftgang  ist.  Ihre  Bauchflossen,  wenn  vorhanden,  stehen 
an  der  Brust  oder  Kehle.  Es  gehören  dahin,  wie  wir  eben  sahen,  Cuvier’sMa 
lacopterygii  siflzbrachii  zum  Theil  und  Malacopterygii  apodes  zum  Theil,  und 
man  kann  sie  auch  noch  in  Anacanthini  subbrachii  und  apodes  zmterordnen. 

Ungewifs  bleibt  noch,  ob  aufser  den  Ophidini  auch  die  Animodjtidae 
unter  die  Anacanthini  apodes  und  überhaupt  unter  die  Anacanthini  aufzuneh- 
men sind.  Bei  Ammodjles  fehlen  uns  alle  Anhaltspzmkte,  die  auf  seine  Stel- 
lung im  System  mit  Bestimmtheit  schliefsen  lassen.  Er  ist  ohne  Bauchflos- 
sen und  wir  wissen  darum  nicht,  ob  er  den  Malacopterygii  abdominales  oder 


(')  Ophidium  blarodes  Förster  besitzt,  wie  schon  Förster  bemerkte  und  Ich  selbst 
sah,  6 Blinddärme.  Diese  fehlen  den  andern  Ophidien,  was  in  mir  die  Vermuthung  erregte, 
dafs  dieser  Fisch  einer  andern  Gattung  angehöre;  seitdem  ich  ihn  aber  selbst  zu  untersu- 
chen Gelegenheit  hatte,  bin  ich  gewifs,  dafs  er  ein  wahres  Ophidium  ist,  deren  eigenthiim- 
liche  Schwimmblase  er  auch  hat.  Die  Blinddärme  erinnern  an  die  Gadoiden. 

(^)  Enchelfophis^^X'üW.noy.^en.  Keine  Brustflossen  und  keine  Bauchflossen.  Die  Kie- 
menspalten beider  Seiten  sind  durch  Vereinigung  der  Kiemenhäute  in  der  Mitte  verbunden. 
Der  After  liegt  viel  weiter  nach  vorn,  als  hei  den  Ophidien,  sogleich  hinter  den  Kiemen. 
Sonst  ganz  die  Gestalt  der  Fierasfer.  6 Strahlen  der  Kiemenhaut.  Art  Encheljophis  ver- 
miciilaris.  4 Zoll  lang.  Der  Körper  läuft  nach  hinten  ganz  spitz  aus.  Farbe  uniform  schwarz- 
braun.  Philippinen. 

Physih.-math.  Kl.  1844. 


Z 


178 


Müller: 


subbrachii  verwandter  ist.  Er  ist  auch  ohne  Schwimmblase  und  seine  Ver- 
wandtschaft bleibt  auch  in  dieser  Hinsicht  ungewifs.  Sicher  verwandte  For- 
men, welche  die  Stellung  Aev  Ammodytes{^)  entscheiden,  kenne  ich  auch 
nicht.  Sobald  aber  eine  den  Ammodjtes  ähnliche  Form  der  Weichflosser 
bekannt  sein  wird,  die  zugleich  Bauchllossen  besitzt,  jugular  oder  abdomi- 
nal, so  ist  damit  auch  die  Stelle  der  Ammodjtes  entweder  unter  den  Ana- 
cant/iini  oder  unter  den  Phjsostomi  entschieden. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  es  in  dieser  Hinsicht,  einen  von 
Pallas  kurz  angegebenen  und  zu  Ammodjtes  als  Art  gezogenen  Fisch  mit 
abdominalen  Bauchflossen  kennen  zu  lernen.  Es  ist  sein  Ammodjtes  septi- 
pinnis.  Pallas  zoographia  rosso -asiatica.  Vol.  III.  p.  227.  Es  sind  jeden- 
falls verschiedene  Gattungen,  schon  nach  der  Beschaffenheit  der  Zähne  und 
nach  der  Zahl  der  Kiemenstrahlen. 

Auch  wenn  die  Ammodjtes  ihre  Verwandten  unter  den  Phjsostomi 
haben,  so  begründen  sie  jedenfalls  eine  eigenthümliche  Familie.  In  der 
Formation  der  Kiefer  stehen  sie  unter  den  Phjsostomen  den  Scopelinen  am 
nächsten. 

VI.  Uber  eine  neue  natürliche  Familie  der  Physostomen  mit 
Gehörknöchelchen  der  Schwimmblase,  Characini. 

Aufser  dem  Luftgange  nimmt  in  systematischer  Beziehung  vor  allen 
Dingen  die  Existenz  der  Gehörknöchelchen  an  der  Schwimmblase  einiger 
Familien  unsere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch,  durch  welche  die  Verbindung 
der  Schwimmblase  mit  dem  Gehörorgan  hergestellt  wird,  wie  sie  Hr.  E.  H. 
Weber  bei  den  Cypi’inen  und  Siluren  entdeckte.  Diese  Organisation  ist 
so  eigenthümlicher  Art  und  kömmt  so  regelmäfsig  in  gewissen  natürlichen 
Familien  vor,  dafs  wir  hierauf  aufmerksam  an  den  Skeleten  schon  die  bishe- 
rigen Fehler  der  Systematik  auffmden  und  die  falsch  gestellten  Fische  zu 
ihren  natürlichen  Verwandten  bringen  können,  mit  denen  sie  nun  auch  in 
leicht  ei'kennbaren  äufserlichen  Charakteren  völlig  übereinstimmen.  Die 
Verbindung  der  Schwimmblase  mit  dem  Gehörorgan  durch  eine  Kette  von 

(')  Sehr  eigenthilmlich  ist  die  Haiitfalte  auf  jeder  Seite  des  Bauches  und  Schwanzes, 
und  die  sehr  holie  Lage  der  Seitenlinie  nahe  der  Rückenflosse,  so  wie  ihr  Ursprung  nicht 
vom  Kopfe,  sondern  in  einiger  Entfernung  davon.  Ammodyles  besitzt  einen  Blinddarm. 
Cuvier  läfst  die  Blinddärme  ganz  felden. 


üher  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


179 


beweglichen  Knochen  kömmt  allen  Cjprinoiden  und  allen  mit  einer 
Schwimmblase  versehenen  Silui'oiden  zxi.  Am  Mangel  dieses  Kennzeichens 
erkennt  man  schon,  dafs  die  Cyprinodonten  Agass.,  d.  h.  die  bisherigen 
Cyprinoiden  mit  Zähnen  an  den  Kiefern , keine  wahren  Cypx’inoiden  sind, 
sie  haben  übei’dies  auch  in  anderen  Beziehungen  keine  Ähnlichkeit  mit  jenen. 

Die  Verbindung  der  Schwimmblase  mit  dem  Gehörorgan  durch  eine 
Kette  von  Knochen  findet  sich  aufser  den  Cyprinoiden  und  Sihu’oiden  nach 
meinen  Beohachtungen  noch  in  einer  dritten  neuen  Familie,  die  ich  Chara- 
cinen  nenne,  und  welche  eine  der  sichersten  natürlichen  Familien  der  Fische 
ist(^).  Sie  haben  aufserdem  noch  andere,  sehr  bestimmte  äufsere  Charak- 
tere, an  welchen  sie  sich  erkennen  lassen,  wenn  man  auch  das  Skelet  nicht 
untersuchen  kann. 

Diese  Fische  haben  theils  unter  den  Salmonen  Cuvier’s,  theils  unter 
seinen  Clupeen  dienen  müssen.  Unter  den  Salmonen  sind  es  alle  diejenigen, 
welche  keine  sichtbaren  Nebenkiemen  haben  und  deren  Schwimmblase  wie 
bei  den  Cyprinoiden  der  Quere  nach  getheilt  ist,  nämlich  die  Gattungen 
Curimates  Cuv.,  Gasteropelecus  BL,  Mjletes  Cuv.,  Telragonopterus  Art., 
Anoslomus  Cuv.,  Clialceus  Cuv.,  Cilharinus  Cuv.,  Serrasalmo  Cuv., 
Piabuca  Cuv.,  IJydrocjon  Cuv.,  Iiaphiodo7i  A^ass. , Anodus  Spix, 
Prochilodus  Agass.,  Schizodon  Agass.,  Leporinus  Spix,  Xiphostoma 
Spix,  IJemiodus  Müll.(“).  In  der  Anatomie  zeigen  sie  durchaus  keine 
Ähnlichkeit  mit  den  Salmonen,  denn  die  eigentlichen  Salmonen  haben  nicht 
blofs  Nehenkiemen  und  keine  Gehörknöchelchen  der  Schwimmblase,  son- 
dern die  Eierstöcke  der  Salmonen  haben  auch  keinen  Ausführungsgang  und 
die  Eier  fallen  in  die  Bauchhöhle  und  werden  durch  eine  Öffnung  des  Bau- 
ches hinter  dem  After  ausgeführt,  wie  es  Ilr.  Carus  von  diesen  nachge- 
wiesen hat,  und  wie  ich  es  bei  den  Characinen  nicht  finde,  deren  Eierstöcke 


(')  Diese  Familie  ist  zuerst  in  meiner  ALliandlung  über  die  Schwimmblase  aufgestellt 
und  begründet,  Monatsbericht  der  König!.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin,  Juni  1842;  Müll. 
Archiv  1842  p.  307.  Die  Untersuchung  ist  jetzt  auf  eine  gröfsere  Zahl  von  Gattungen 
ausgedehnt. 

(g)  Ilemi odus  Müll.  nov.  gen. 

Im  Zwischenkiefer  eine  Reihe  Zähne,  wie  runde  Blättchen,  am  Rande  gezähnelt,  im 
Unterkiefer  keine  Zähne.  Aufser  der  Rückenflosse  eine  Fettflosse.  Hierher  Salmo  unima- 
culaius  Bl.,  Tah.  381  Flg.  3. 


Z2 


vielmehr  die  gewöhnliche  Bildung  der  Knochenfische  besitzen.  Diese  Cha- 
racinen  haben  daher  mit  den  Salmonen  in  nichts  weiter  Ähnlichkeit  als  in 
der  Fettflosse,  darin  würden  sie  aber  ebenso  sehr  den  mit  einer  Fettflosse 
versehenen  Gattungen  der  Siluroiden  gleichen. 

Sowie  es  nun  unter  den  Siluroiden  Gattungen  mit  und  ohne  Fettflosse 
giebt,  ebenso  hat  es  Characinen  mit  und  ohne  Fettflosse.  Letzteres  sind  die 
Erjthrinus,  welche  Cuvier  unter  die  Clupeen  gebracht  hatte.  Sie  stimmen 
mit  den  Characinen  in  allen  Punkten  überein,  sie  haben,  wie  ich  finde,  die 
Kette  der  Gehörknöchelchen,  den  Mangel  der  Nebenkiemen,  ihre  Schwimm- 
blase ist  der  Quere  nach  in  eine  vordere  und  hintere  getheilt , welche  mit 
einander  communiciren.  Es  sind  gleichsam  Hjdrocjon  ohne  Fettflosse. 
Characinen  ohne  Fettflosse  giebt  es  zwei  Gattungen:  Erjthrinus  Gronov, 
Cuvier  und  Macj'odon  Nob.(’),  welches  Erjthrinen  sind,  bei  denen  die 
Hundszähne  sehr  grofs  und  die  hechelförmigen  Gaumenzähne  von  einer  Reihe 
stärkerer  Kegelzähne  vorn  begrenzt  sind.  Bei  den  Ei’jthrinen  habe  ich  auch 
die  interessante  Erscheinung  bemerkt,  dafs  ihre  hintere  Schwimmblase  zellig 
in  ihrer  vordem  Hälfte  ist,  gleich  der  Lunge  eines  Reptils,  welche  Eigen- 
thümlichkeit  den  Macrodon  fehlt. 

In  Hinsicht  der  Bezahnung  finden  sich  bei  den  einzelnen  Gattungen 
die  gröfsten  Unterschiede,  gleichwie  in  andern  guten  natürlichen  Familien. 
Es  giebt  bezahnte  und  zahnlose  Sahnen  und  Clupeen.  Unter  den  erstem 
sind  die  Coregonus,  unter  den  letztem  die  Chaeloessus  zahnlos.  So  beschrän- 
ken sich  die  Zähne  unter  den  Characinen  bei  der  Gattung  Hemiodus  Nob. 
auf  die  Oberkinnlade  und  in  der  Gattung  Anodus  fehlen  die  Zähne  ganz. 
Wo  Zähne  vorhanden  sind,  stehen  sie  oben  bald  im  Zwäschenkiefer,  bald 
zugleich  im  Oberkiefer,  bald  zugleich  an  den  Gaumenbeinen. 

Der  Mangel  kiemenartiger  Nebenkiemen  ist  von  mir  bei  allen  von 
mir  untersuchten  Gattungen  von  Characinen  beobachtet.  In  Beziehung  auf 
die  Gehörknöchelchen  habe  ich  untersucht  die  Gattungen  Myletes,  Tetra- 


(')  Macro  don  Müll. 

Arten:  1)  Macrodon  Trahira  M.  Synon.  Erythrinus  macrodon  Ag.,  Synodus 
malabaricus  Bl.  Schn.,  zufolge  Untersuchung  des  Bloch’schen  Originalexemplars.  Dafs 
er  aus  Malabar  kommen  soll,  beruht  offenbar  auf  einem  Irrthum. 

2)  Macrodon  brasiliensis  M.  Synon.  Erytlwinus  brasiliensis  Agass. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


181 


gonopterus,  Clialceus,  Citharinus^  Serrasalmo,  Piahuca,  Hjdrocjon,  Anodus, 
Hemiodus,  Schizodon,  Leporinus,  Gasteropelecus,  Erjthrinus,  Macrodon. 

Die  Theilung  der  Schwimmblase  habe  ich  in  allen  Gattungen,  die  ich 
untersuchte,  ohne  Ausnahme  wiedergefunden. 

Die  Gehörknöchelchen  sind  bei  allen  bisher  unbekannt  gewesen  mit 
Ausnahme  der  Gasteropelecus,  wo  sie  von  Hrn.  Heusinger  beobachtet 
sind.  Meckel’s  Archiv  1826.  325. 

Die  Characinen  sind  theils  Fleisch-,  theils  Pflanzenfresser,  theils  leben 
sie  von  gemischter  Nahrung. 

VH.  Begründung  der  Charaktere  der  Familien  in  der  Ordnung 

der  Phjsostomi. 

Zufolge  meiner  Untersuchungen  zerfallen  die  Phjsoslomi  abdominales 
in  folgende  natürliche  Familien: 

I.  Familie  Siluroidei  Cuv. 

Ihre  Haut  ist  nackt,  oder  mit  Knochenschildern  bedeckt,  ohne  Schup- 
pen. Die  Intermaxillarknochen  bilden  den  Rand  der  Oberkinnlade  und  die 
Maxillarknochen  sind  auf  blofse  Spuren  reducirt  oder  in  Bartfäden  verlängert. 
Alle  haben  Bartfäden.  Der  Kiemendeckcl  besteht  blofs  aus  3 Stücken  und 
das  Suboperculum  fehlt,  auch  fehlt  ihnen  der  stielförmige  Anhang  des  Schul- 
tergürtels der  übrigen  Knochenfische,  oder  ist  wenigstens  durch  einen  blo- 
fsen  Fortsatz  des  Schultergürtels  ersetzt.  Ihr  Schläfenbeinapparat  hat  2 Kno- 
chenstücke weniger  als  bei  den  mehrsten  Knochenfischen.  Pseudobranchien 
fehlen  in  der  Regel.  Die  Schwimmblase  ist  meist  vorhanden  und  mit  dem  Ge- 
hörorgan durch  Gehörknöchelchen  verbunden.  Der  Darm  ist  ohne  Blind- 
därme. Der  Magen  in  der  Regel  sackförmig.  Bei  Vielen  ist  der  erste  Strahl 
der  Brustflosse  sehr  stark  und  gezähnelt.  Mehrere  haben  eine  Fettflosse 
aufser  der  Rückenflosse.  Hierher  aufser  den  bekannten  die  neuen  Gattimgen 
Euaneinus  Müll.  Trosch.  (Manuscr.  über  neue  Gattungen  und 
Arten  der  Welse). 

Enge  Kiemenspalten,  Körper  seitlich  zusammengedi’ückt.  Der  Helm 
ist  von  der  Haut  bedeckt.  Die  Zähne  im  Oberkiefer  und  Unterkiefer  hechel- 
förmig in  einer  Binde,  keine  an  Vomer  und  Gaumenbeinen,  der  erste  Strahl 
der  Rücken-  und  Brustflosse  ist  ein  Dorn.  Die  Rückenflosse  ist  ganz  vorn 
und  ist  klein.  Aufserdem  eine  sehr  kleine  Fettflosse.  Afterflosse  sehr  lang. 


182 


Müller: 


Strahlen  der  Baiichflossen  viel  zahlreicher  als  bei  andern  Siluroiden.  Augen 
von  der  Haut  bedeckt.  6 Bartfäden. 

Art:  Euanemus  colymbetes  M.  T.  aus  Surinam.  B.  7.  P.  1,11. 
D.  1,6.  A.  44.  V.  14. 

C alophysus  Müll.  Trosch. 

Keine  Zähne  am  Gaumen.  Eine  Reihe  stärkerer  Zähne  am  Oberkie- 
fer und  Untei’kiefer , hinter  welchen  in  dem  einen  oder  andern  noch  eine 
Reihe  kleinerer  Zähne.  Der  erste  Strahl  der  Brust-  und  Rückenflosse  am 
Ende  einfach  gegliedert,  ohne  Zähne.  Zugleich  eine  lange  Fettflosse.  6 
Bartfäden.  7 Strahlen  der  Kiemenhaut. 

Ax’ten:  1)  Calophysus  macropterus  Müll.  Trosch.  Sjnon.  P/- 
melodus  macropterus  Lichtenst.  Wiedem.  Zool.  Mag.  1819.  I.  p.  59. 
Am  Oberkiefer  eine  Reihe  (20)  platter,  schmaler,  schneidender  Zähne,  hin- 
ter dieser  eine  zweite  Reihe  niedrigerer  Zähne,  im  Unterkiefer  nur  eine  ein- 
zige  Reihe  Zähne  (30). 

2)  C alophysus  ctenodus  M.  T.  Pimelodus  ctenodus  Ag.  Wenn 
bei  Beschreibung  dieser  Art  die  Zähne  i'ichtig  angegeben  und  nicht  eine  Ver- 
wechselung zwischen  Oberkiefer  und  Unterkiefer  stattgefunden,  wie  wir  aller- 
dings vermuthen , so  würde  es  eine  von  der  ersten  bestimmt  verschiedene 
Art  sein. 

Die  Calophysus  haben  eine  sehr  kleine  Schwimmblase,  die  mit  einem 
zierlichen  Ki’anz  von  Blinddärmchen  am  ganzen  seitlichen  und  hintern  Rande 
umgeben  ist. 

Die  Goniodontes  Ag.  oder  Loricarinen  scheinen  nur  eine  beson- 
dere Gruppe  in  der  Familie  der  Siluroiden  zu  bilden.  Sie  sind  den  Siluroi- 
den durchaus  verwandt  und  untei’scheiden  sich  von  ihnen  durch  den  Besitz 
der  Pseudobranchien,  und  ihre  Eingeweide.  Kopf  und  Körper  sind  von  har- 
ten eckigen  Platten  gepanzert.  Ihr  Maul  liegt  unter  der  Schnautze  und  wird 
von  den  Intermaxillar-  und  Maxillarknochen  begrenzt.  Lange,  dünne,  bieg- 
same, in  einen  Haken  endigende  Zähne.  Ein  häutiges  Segel  umgiebt  die  Mund- 
öffnung und  schickt  Bartfäden  ab.  Die  Kiemendeckel  sind  gröfstentheils  un- 
beweglich. Der  stielförmige  Anhang  des  Schultergürtels  fehlt  wie  bei  andern 
Siluroiden  und  ist  durch  einen  blofsen  Fortsatz  des  Schultergürtels  ersetzt. 
Das  Herz  liegt  in  einer  vom  Bauchtheil  des  Schultergürtels  gebildeten  knö- 
chernen Kapsel.  Ihr  Magen  ist  ohne  Blindsack.  Ihr  langer  vielfach  ge- 


üher  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


183 


wundener  Darm  ist  ohne  Blinddärme  und  die  Schwimmblase  fehlt.  Gat- 
tungen: Loricaria,  Bhinelepis,  Acanthicus,  Hyposloma. 

II.  Familie.  Cyprinoidei  Agass. 

Sie  haben  ein  wenig  gespaltenes  Mard  und  schwache  zahnlose  Kinnla- 
den, deren  Pxand  nur  von  dem  os  intermaxillare  ge])ildet  wird,  hinter  wel- 
chem der  Oberkiefer  liegt.  Ihre  unteren  Schlundknochen  sind  mit  einigen 
sehr  grofsen  Zähnen  bewaffnet;  die  oberen  fehlen.  Sie  haben  an  der  Basis 
ci’anii , entsprechend  den  untern  Schlundknochen , einen  meist  mit  einer 
Hornplatte  bedeckten  Fortsatz  des  Schädels.  Die  meisten  haben  Schup- 
pen (’).  Sie  sind  ohne  Fettflosse.  Der  Magen  ist  ohne  Blindsack,  der  Darm 
ohne  Blinddärme.  Die  Schwimmblase  ist  in  der  Regel  in  eine  vordere 
und  hintere  getheilt  und  ist  mit  dem  Gehöi’Oi’gan  durch  eine  Kette  von  Ge- 
hörknöchelchen verbunden.  Die  äufsere  Oberfläche  der  Schwimmblase 
zeichnet  sich  durch  die  schweifartige  Ausbreitung  der  Blutgefäfse  aus.  Die 
Gegenwart  der  Nehenkiemen  variirt  nach  den  Gattungen  (^). 

Die  Cohitis  und  Acanthopsis  mit  knöcherner  Hülle  der  Schwimmblase 
verhalten  sich  zu  den  übrigen  Cyprinoiden  wie  Clarias,  Ileterobranchus, 
Ileteropneustes  und  Agerieiosus  mit  von  Knochen  eingeschlossener  Schwimm- 
blase zu  den  übrigen  Siluroiden.  Doch  findet  sich  diese  Bildung  nicht  hei 
allen  cohitisartigen  Cyprinoiden.  Denn  hei  der  Gattung  Schistura  McL. 
finde  ich  hinter  der  Wirhelanschwellung  noch  eine  grofse  häutige  Schwimm- 
blase. ScJiistura  geta  (Cohitis  geta  Buchau.). 

HI.  Familie.  Cyj^rino d ontes  Agass. 

Die  Cyprinodonten  bilden  eine  sehr  eigenthümliche  Familie.  Sie  ha- 
ben ein  vorstreckbares  Maul.  Sie  gleichen  im  Habitus  den  Cvprinoiden, 
aber  sie  besitzen  die  grofsen  Schlundzähne  jener  und  den  Fortsatz  der  Basis 
cranii  nicht.  Hechclförmige  oliere  und  untere  Schlundzähne.  Ihre  Kiefer 
sind  wie  bei  den  Cyprinoiden  gebildet  und  der  Zwischenkiefer  bildet  den 
ganzen  Rand  der  Obcrkinnladc,  aber  sie  halien  Kieferzähne.  Die  Schwimm- 
blase ist  einfach  und  ohne  Gehörknöchelchen.  Die  Nebenkiemen  fehlen. 
Ihr  Magen  ist  ohne  Blindsack  und  der  Darm  ohne  Blinddärme.  Einige  sind 


(')  Aulnpyge  Heck,  ausgenommen. 

O Verdeckt  und  unsichtbar  bei  den  Cyprinus  Cuv.,  Laheo,  Discognallius,  ganz  schei- 
nen sie  den  Cohitis^  Acanthopsis,  Schistura  McLelland  zu  fehlen. 


184 


Müller: 


lebendig  gebärend.  Hieraus  ergiebt  sich,  dafs  Valenciennes  ohne  Grund 
die  Aufnahme  der  Cyprinodonten  unter  die  Cyprinoiden  vertbeidigt.  Hier- 
her gehören  die  Gattungen  Anahleps,  Poecilia,  Fundulus  s.  Jlydrargyra{^'), 
Lebias,  Cyprinodon  Val.,  Molienesia,  Orestias  Val.  (ohne  Bauchflossen)  (^). 

IV.  Familie.  Characini  Müll. 

Beschuppte  Fische,  ohne  sichtbare  Nehenkiemen,  deren  Maul  in  der 
Mitte  von  den  Zwischenkiefeim,  nach  aufsen  bis  zum  Mundwinkel  von  dem 
Oberkiefer  begrenzt  wird.  Ihre  Zahnbildung  variirt  nach  den  Gattungen. 
Sie  haben  obere  und  untere  Schhmdknochen.  Die  Schwimmblase  ist  bei 
allen  der  Quere  nach  wie  bei  den  Cyprinoiden  in  eine  vordere  und  hintere 
getheilt,  und  sie  besitzt  eine  Kette  von  Gehörknöchelchen,  welche  sie  in 
Vei’bindung  mit  dem  Gehörorgan  setzen,  wie  bei  den  Siluroiden  und  Cy- 
prinoiden. Ihr  Dai’m  hat  zahlreiche  Blinddärme.  Die  meisten  haben  eine 
Fettflosse  aufser  der  Rückenflosse.  Die  Gattungen  sind:  Schizodon,  Gaste- 
ropelecus,  Myletes,  Tetragonopterus,  Chalceus,  Citharinus,  Serrasahno^  Pia- 
huca,  Hydrocyon,  Papliiodon,  Anodus , Xiphosloma,  IleiJiiodus,  Lepori- 
nus,  Krythrinus,  Macrodon  u.  a.  Siehe  oben  p.  179. 

V.  Familie.  Scopelini  Müll. 

Es  sind  theils  schuppige,  theils  schuppenlose  Fische  mit  einer  Fett- 
flosse, deren  Maul  bis  zum  Mundwinkel  blofs  vom  Zwischenkiefer  gebildet 
wird,  mit  welchem  der  Oberkiefer  parallel  läuft.  Sie  haben  kiemenartige 
Nebenkiemen;  den  mehrsten  fehlt  die  Schwimmblase.  Sie  haben  meist 
Blinddäi'me.  Hierher  gehören  die  Gattungen:  Aulopus  Cuv.,  Saurus  Cuv., 
Scopelus  Cuv.,  MauTolicus  Cocco,  Gonostoma  Cocco,  Ichthyococcus 
Bonap.,  CliloropTithalmus  Bonap.,  Odontostomus  Cocco,  Paralepis 
Risso,  Vwc?«  Raf.  B onap.  (^)  (non  Cuvier),  Aplochiton  3 enyns,  Ster- 
nop/yo:  Herrn.,  Ar gyropelecus  Cocco. 

(')  Le  Sueur  erwähnt,  dafs  bei  den  Weibchen  der  Hydrargyra  der  Oviduct  sich  ent- 
lang dem  vordem  Rande  der  Afterflosse  verlängert,  wie  es  sich  auch  bei  einem  Fisch  einer 
andern  Familie,  Aulopyge  Heck.,  ereignet.  Journ.  Acad.  nat.  sc.  Philad.  I.  126. 

(^)  Der  Guapucha  de  Bogota  in  V.  Humboldt  receuil  d’obs.  de  zool.  et  d’anat.  comp. 
T.  II.  p.  154.  taf.  45.  fig.  1,  dessen  Luft  der  Schwimmblase  v.  Humboldt  untersuchte  und 
welchen  Valenciennes  als  der  Familie  der  Poecilien  angehörig  deutet,  gehört  wegen  sei- 
ner quergetheilten  Schwimmblase  nicht  zu  diesen,  sondern  wahrscheinlich  zur  Familie  der 
Characinen. 

(^)  Iconografia  della  Fauna  italica. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


185 


Sie  unterscheiden  sich  wie  durch  die  Mundhildung  von  den  Salmonen, 
auch  dadurch , dafs  ihre  Eier,  wie  auch  hei  den  Characinen  und  den  mehr- 
sten  Knochenfischen,  nicht  in  die  Bauchhöhle  fallen,  sondern  durch  die 
Ausführungsgänge  der  Eiersäcke  direct  ausgeführt  werden,  wie  ich  hei  Aulo- 
pus und  Saiirus  mich  überzeugt  habe. 

Die  Paralepis  sind  von  Cuvier  zu  den  Percoiden  gebracht,  von 
Risso  früher  zu  den  Salmonen,  später  zu  seinen  Atherinoiden.  Cuvier 
und  Valenciennes  hielten  die  vorderen  einfachen  Strahlen  der  Rücken- 
flosse für  Stachelstrahlen  und  machten  geltend,  dafs  die  zweite  Rücken- 
flosse keine  Fettflosse  sei,  sondern  Strahlen  besitze.  Reinhardt  fand,  dafs 
die  Sti-ahlen  der  Rückenflosse  gegliedert  sind,  und  erklärte  die  zweite  Rü- 
ckenflosse mit  Recht  für  eine  Fettflosse,  daher  er  die  Paralepis  wieder  zu 
den  Sahnones  brachte.  Solche  Art  von  Strahlen , wie  diese  sind,  besitzen 
nach  meiner  Beobachtung  alle  Fettflossen,  es  sind  äufserst  zahlreiche  feine 
Fäden,  welche  nicht  articulirt  sind  und  das  Charakteristische  haben,  dafs 
sie  aus  vielen  vei’klehten  Faseim  bestehen,  wie  man  mittelst  des  Microscops 
wahi’iiimmt.  Die  zweite  Rückenflosse  der  Paralepis  ist  ganz  entschieden 
eine  Fettflosse. 

Dafs  Paralepis  zu  den  Malacopterjgii  abdominales  gehört,  damit 
stimmt  auch,  dafs  sie  mehr  als  fünf  weiche  Strahlen  in  den  Bauchflossen 
haben,  was  unter  den  Stachelflossern  höchst  selten  ist  und  nur  hei  einer 
kleinen  eigenthümlichen  Gruppe  der  Percoiden,  nämlich  den  Mjripristis 
und  ihren  Consorten,  und  ferner  hei  den  Lampris  und  Notacanthus  voi'- 
kömmt.  Paralepis  gehört  nach  dem  Bau  des  Mauls  nicht  zu  den  Salmonen 
in  unserm  Sinne,  sondern  zu  unserer  Familie  der  Scopelincn. 

Zur  Gattung  Odonloslomus  Cocco  gehört  aufser  O.  hyalinus  als 
zweite  Species  O.  Balho  Nob.  (Scopelus  Balbo  Risso).  B.  7 — 8.  D.  12. 
P.  12.  V.  9.  A.  33.  Dieser  Fisch  erinnert  durch  sein  merkwüi’diges  Gehifs 
ganz  auffallend  an  Chauliodus  und  wurde  auch  in  der  Ai’heit  über  die  Ne- 
benkiemen als  ein  Chauliodus  angesehen,  so  dafs  das  von  Chauliodus  Be- 
merkte auf  ihn  zu  beziehen  ist.  Die  Zähne  in  dem  sehr  langen  Zwischen- 
kiefer sind  klein,  sehr  grofs  die  Gaumenzähne  und  die  des  Unterkiefers,  die 
am  Ende  einen  Widerhaken  besitzen.  Alle  die  grofsen  Zähne  lassen  sich 
an  ihrer  Wurzel  nach  hinten  umlegen,  ohne  dieses  kann  das  Maiü  nicht  ge- 
schlossen werden.  Nach  dem  Umlegen  richten  sie  sich  von  seihst  wieder  auf. 
Physik.  - malh.  Kl.  1844.  A a 


186 


Müller: 


JSlaurolicus  Cocco  ist  eine  eigenthümliche  Gattung,  die  sich  zufolge 
meiner  Autopsie  durch  ihre  nach  hinten  weit  über  den  Mund  verlängerten 
und  hier  am  untern  Rande  gewimperten  Oberkiefer  auszeichnet,  während 
der  zahntragende  Zwischenkiefer,  wie  in  der  ganzen  Familie,  bis  zinn  Mund- 
winkel geht.  Zu  dieser  Gattung  Maurolicus  gehört  die  Argentina  sphy- 
raena  Pennant  {Scopelus  horcalis  Nilsson),  welche  Cuvier  mit  Unrecht 
für  identisch  mit  Scopelus  Humholdlü  Risso  hielt.  Letztem  habe  ich  eben- 
falls untersucht.  Ich  habe  den  Maurolicus  ameihjslino-punctatus  Cocco 
(aus  Nizza  durch  Hiai.  Peters)  und  den  Scopelus  horealis  Nilsson  (aus 
Norwegen  durch  Hrn.  Sars)  vor  mir.  Sie  sind  sich  so  ähnlich,  dafs  mir 
ihr  Unterschied  als  Species  noch  zweifelhaft  ist.  Den  Scopelus  glacialis 
Reinh.  kenne  ich  nicht. 

Die  Gattungen  Myctophum  Raf.  Cocco  und  Lampanyctis^oxxdi^. 
sind  nicht  von  Scopelus  verschieden. 

In  diese  Familie  gehört  auch  die  neue  Gattung  Aplochilon  Jenyns 
the  Zoology  of  the  voyage  of  II.  M.  S.  Reagle.  p.IV.  London  1842  p.  130. 

VI.  Familie.  Salinones  Müll. 

Reschuppte  Fische  mit  einer  Fettflosse,  deren  Maul  in  der  Mitte  von 
dem  Zwischenkiefer , nach  aufsen  vom  Oberkiefer  begrenzt  wird , mit  Ne- 
benkiemen, zahlreichen  Rlinddärmen  und  einfacher  Schwimmblase.  Ihr 
Eierstock  ist  ohne  Ausführungsgang  und  die  Eier  fallen  in  die  Rauchhöhle 
und  werden  von  da  durch  eine  Rauchöffnung  hinter  dem  After  abgefühi’t. 
Die  Zahnbildung  variirt  nach  den  Gattungen.  Von  den  Scopelinen  sind  sie 
leicht  durch  die  Rildung  der  Kiefer  zu  unterscheiden,  von  den  Characinen 
dureh  die  Nebenkiemen.  Iliei’her  die  Gattungen:  Salmo,  Osmerus,  Core- 
gonus,  Thymallus,  Mallotus,  Argentina. 

Zu  den  Salmonen  scheinen  auch  die  Microstomen  zu  gehören,  welche 
Cuvier  unter  die  versetzt  hat.  Durch  Hrn.  Valenciennes  Güte 

war  ich  in  den  Stand  gesetzt,  diese  Gattung,  so  wie  die  gleichfalls  unter  die 
Esoces  versetzten  Galaxias,  in  Paris  zu  untersuchen. 

Microstoma  des  Pariser  Museums  hat  das  Maul  vorn  von  den  Zwi- 
schenkiefern begrenzt,  hinter  diesen  treten  die  Oberkiefer  hervor,  welche 
den  äufern  Theil  des  Mauls  begrenzen.  Eine  Fettflosse  ist  an  diesem  Exem- 
plar, das  auch  in  dem  Kujjferwerk  regne  animal  abgebildet  ist,  sicher  nicht 
vorhanden,  kammartige  Pseudobranchien.  Die  Microstomen  von  Risso 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden.  187 

und  Reinhardt  (Isis  1841.  705.)  sind  wegen  der  Fettflosse,  die  sie  be- 
sitzen, eine  davon  verschiedene  nahestehende  Gatlung,  beide  stimmen  unter 
sich  und  mit  Argenüna,  dafs  die  Zähne  nicht  im  Zwischenkiefer,  sondern 
nur  im  Vomer  stehen.  Aber  Argentina  hat  nicht  3,  sondei’n  6 Kiemenstrah- 
len. Man  mufs  noch  die  Eierstöcke  der  Microstomen  untersuchen , um  zu 
wissen,  wohin  diese  Fische  und  ob  sie  zu  den  Salmonen  gehören. 

^^I.  Familie.  Galaxiae  Müll. 

Die  Galaxias  sind  zufolge  meiner  Untersuchung  den  Salmones  M. 
verwandt,  obgleich  sie  keine  Fettflosse  besitzen.  Das  nicht  vorstreckbare 
Maul  derselben  wird  vom  Zwischenkiefer  begrenzt,  hinter  diesem  tritt 
der  Oberkiefer  hervor,  ganz  wie  bei  Microstoma,  und  begrenzt  den  äufsern 
Theil  des  Maxds.  Ich  finde,  dafs  die  Eier  dieser  Thiere  in  die  Bauclihöhle 
fallen  und  durch  Abdominalöffnungen  ausgeführt  werden,  wie  bei  den  Sal- 
mones Müll.,  von  denen  sie  durch  den  Bau  der  Kiefer  und  den  Mangel  der 
Fettflosse  abweichen.  Die  Galaxias  sind  jedenfalls  von  den  Esoces  auszu- 
scheiden, ich  stelle  sie  vorläufig  als  eigene  Familie  auf  und  behalte  mir  vor, 
sie  mit  den  Salmones  zu  vereinigen,  wenn  neue  Gattungen  aus  dieser  Gruppe 
bekannt  werden  und  es  nöthig  machen  (*). 

Das  von  Hrn.  Jenyns  zool.  Voy.  of  H.  M.  S.  Beagle,  p.  IV.  p.  118 
aufgestellte  neue  Genus  Mesites,  welches  ohne  Grund  zu  den  Cyprinoiden 
gebracht  ist,  ist  mit  Galaxias  Cuv.  identisch.  Der  Körjjer  ist  in  beiden 
schuppenlos,  die  R.ückcnflosse  entspricht  der  Afterflosse,  die  Bildung  der 
Kiefer  ist  gleich.  Die  Zähne  stehen  in  beiden  im  Zwischenkiefer,  Unterkiefer, 
am  Gaumen,  und  auf  der  Zunge  sind  Ilackenzähne.  Cu  vier  bezieht  die 


(')  Das  Verhalten  der  Eierstöcke,  ob  die  Eier  in  die  Bancldiöble  fallen  oder  durch  einen 
Ausführungsgang  des  sackförmigen  Eierstocks  ausgeführt  werden,  ist  ein  wichtiger  Charakter, 
der  keine  Ausnahmen  zuläfst.  Nach  Rathke  soll  zwar  Cobitis  taenia  sich  dadurch  auszeich- 
nen, dafs  seine  Eier  in  die  Bauchhöhle  fallen  und  durch  Bauchöffnungen  ausgeführt  werden, 
was  wenn  es  richtig  wäre,  eine  unerklärliche  Abweichung  von  den  übrigen  Cobi/is  und  von 
allen  übrigen  Cyprinoiden  wäre.  Nach  meinen  Beobachtungen  an  Acanthopsis  taenia  und 
indischen  Acanthopsis  - Arten  ist  es  nur  ein  Anschein,  welcher  Täuschung  verursacht.  Der 
hinter  dem  Darm  und  Eierstock  liegende  Bauchhöhlenraum  ist  nämlich  nichts  als  der  Eler- 
stocksack,  der  an  die  Bauchwände  angewachsen  ist  und  zu  dessen  vorderer  Wand  hinter 
dem  Darm  die  Eierstocksplatte  gehört.  Die  Vergleichung  mit  Gnbiiis  fossiiis,  wo  die  Eier- 
stücke  doppelt,  aber  auch  schon  grofsentheils  an  die  Bauchwände  angewachsen  sind,  setzt 
die  Sache  vollends  aufser  Zweifel. 


Aa  2 


188 


Müller: 


Gaiimenzäline  aiif  die  Gaumenknochen  und  so  ist  es,  Jeny  ns  nennt  sie 
zweireihige  Voinerzähne.  Förster  sagt  von  seinem  Esox  alepidotus,  wel- 
cher den  Typus  für  die  Gattung  Galaxias  bildete : palati  2 ordines  dentinm. 
Bl.  Schn.  395.  Der  einzige  Unterschied  wäre  demnach  in  der  Zahl  der 
Kiemenhantstrahlen,  welche  Förster  auf  9—10,  Jenyns  als  6 angiebt. 
Das^  Pariser  Exemplar  des  Galaocias  alepidotus  hat  7 Kiemenstrahlen,  eine 
andere  wahrscheinlich  neue  sehr  kleine  Art,  die  wir  von  Hrn.  Poeppig  ei’- 
halten,  hat  6 Kiemenstrahlen. 

\TII.  Familie.  Esoces  Müll. 

Beschuppte  Fische  ohne  Fettllosse,  mit  verdeckten  drüsigen  Neben- 
kiemen. Ihr  Maul  wird  in  der  Mitte  von  dem  Zwischenkiefer,  seitlich  vom 
Oberkiefer  eingefafst.  Ihre  Schwimmblase  ist  einfach.  Sie  zeigt  auf  der 
ganzen  innern  OJjei’fläche  diffuse  Gefäfswedel,  wie  man  sie  in  den  anderen 
Familien  vermifst.  Ihr  Magen  ohne  Blindsack,  ihr  Darm  ohne  Blinddärme. 
Man  kennt  jetzt  nur  Süfswasserfische. 

Hierher  die  Gattungen  Esox  Cuv.  und  Umbra  Gramer.  Nach  Aus- 
scheidung der  Betone,  Sairis,  Ilemiramphus,  Exocoetus  als  Pharyngognathen 
aus  den  Esoces  Cuvier,  nach  fernerer  Ausscheidung  der  Alepocephalus, 
Stomias  und  Chauliodus  (siehe  oben  p.  171),  nach  Ausscheidung  der  Mi- 
crostoma  und  Galaxias  bleiben  von  der  ganzen  Cu  vier  sehen  Familie  der 
Esoces  nur  die  Gatümgen  Esox  und  Salanx  üljrig.  Ob  die  Gattung  Salanx 
wirklich  den  Esox  verwandt  ist  oder  nicht,  und  welche  die  natürliche  Stel- 
lung der  Salanx  im  System  ist,  darüber  bin  ich  ungewifs,  da  das  von  mir 
untersuchte  schlecht  erhaltene  Originalexemplar  des  Pariser  Museums  nicht 
ausreichte.  Jedenfalls  hat  diese  Gattung  sehr  viel  Eigenthündiches. 

Der  einzige  Fisch  der  mit  Esox  lucius,  auf  welchen  sich  die  oben  auf- 
gestellten Familiencharaktere  beziehen,  eine  ganz  entschiedene  Verwandt- 
schaft hat  und  mit  ihm  in  dieser  Familie  vereinigt  werden  mnfs,  ist  ein  Thier 
aus  der  Flufsfauna  von  Österreich,  welches  Cuvier  sonderbarer  Weise  un- 
ter die  Cyprinoiden  versetzt  hat:  Umbra  Crameri  Nob.,  Typus  der  Gat- 
tung Umbra  Gramer.  Dieser  Fisch,  von  Cuvier  Cyprinodon  umbra  ge- 
nannt, gehöi’t  nicht  in  die  Poecilien- Gattung  Cyprinodon  Val.,  er  hat  aiifser 
den  Zwischenkieferzähnen  Zähne  im  Vomer  und  Gaumenbeinen,  das  Maul 
wird  vorn  vom  Os  intermaxillare,  aufsen  vom  Oberkiefer  begrenzt,  wie  bei 
Esox,  mit  welchen  auch  der  Magen  ohne  Blindsack  und  der  Darm  und  die 


üher  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


189 


bedeckten  Pseiidobranchien  übereinstimmen.  Zu  den  Esoces  gehören  mit 
Sicherheit  jetzt  nur  die  Gattungen  Esojc  und  Umbra. 

IX.  Familie.  Mormyri  Cuv. 

Cu  vier  vermuthete  bereits,  dafs  sie  einst  Veranlassung  zu  einer  neuen 
Familie  würden,  aber  er  kannte  die  nach  der  grofsen  Verschiedenheit  in  den 
Zähnen  zu  bildenden  Gattungen  nicht,  auch  war  ihm  die  wichtige  osteologi- 
sche  Eigenthümlichkeit,  die  ich  bei  den  Fischen  dieser  Familie  finde,  unbe- 
kannt, dafs  statt  zweier  ossa  intermaxillaria  nur  ein  einziges  unpaares  os  in- 
termaxillare vorhanden  ist,  an  welchem  man  keine  Spur  einer  Nath  be- 
merkt ( ^ ) . 

Die  Mormyri  sind  beschuppte  Fische  mit  zusammengedrücktem  läng- 
lichem Körper , mit  einem  an  der  Basis  dünnen  Schwanz , der  gegen  die 
Flosse  hin  aufgetrieben  und  deren  Kopf  mit  einer  nackten  dicken  Haut  über- 
zogen ist,  welche  die  Kiemendeckel  und  Kiemenstrahlen  einhüllt  und  nur 
einen  senkrechten  Spalt  als  Kiemenöffnung  übrig  läfst.  Ihr  Maul  ist  klein 
und  wird  in  der  jyUtte  von  dem  unpaaren  Zwischenkiefer,  axifsen  vom  Ober- 
kiefer begrenzt.  Die  Zahnbildung  variirt  nach  den  GatUmgen.  Der  Schlä- 
fenapparat ist  einfacher  als  bei  anderen  Fischen,  worin  sie  den  Siluroiden 
gleichen.  Ihr  Schädel  hat  eine  eigenthümliche,  zu  der  Cavitas  cranii  und 
zum  Labyrinth  führende  Öffnung,  welche  von  der  Haut  bedeckt  ist  (^).  Die 
Nebenkiemen  fehlen.  Der  Magen  bildet  einen  runden  Sack , auf  den  2 
Blinddärme  und  ein  langer  dünner  Darm  folgen.  Die  Schwimmblase  ist 
einfach. 

Gattungen:  1)  IMormj rus  Müll,  eine  Reihe  dünner,  am  Ende  aus- 
gekerbter Zähne  an  den  Intermaxillarknochen  und  im  Lhiterkiefer,  auf  der 
Zunge  und  am  hintern  Theil  des  Vomer  ein  Streif  von  hechelförmigen  Zähnen. 

Hierher  Af.  cyprinoidesE.,  M.  oxyrliynclius  Geoffr.,  7!/.  dorsalis  G.., 
31.  longipinnis  Rüpp.  (welchem  letztem  mit  Unrecht  ein  zahnloses  Maul  zu- 
geschrieben wird). 


(')  Dies  ereignet  sicli  bei  keinem  andern  Fische  wieder,  als  bei  Diodon,  wo  aber  auch 
der  Unterkiefer  keine  Natb  in  der  Mitte  besitzt. 

(^)  Diese  von  Ilm.  Ileusinger  beobachtete  Eigentbiimlicbkelt  kömmt  bei  allen  Fischen 
dieser  Familie  vor.  Bekanntlich  findet  sich  diese  Bildung  auch  bei  einigen  Arten  der  Le- 
//iJolf/jrus,  bei  L.  nonvegiciis  fehlt  sie  aber,  ich  finde  diesen  Bau  auch  bei  der  Gattung  No- 
/opierus. 


190 


Müller: 


2)  Moj'myrops  Müll.  Sie  haben  statt  gekerbter  vielmehr  kegel- 
förmige Zähne  in  den  Kiefern. 

Hiei’her  Moj-mjj'us  anguilloicles  Geoffr.  und  M.  labiatus  G. 

X.  Familie.  Clnpeidae  Cuv. 

Beschuppte  Fische  ohne  Fettflosse,  deren  Maul  in  der  Mitte  vom  Zwi- 
schenkiefer, an  den  Seiten  vom  Oberkiefer  eingefafst  wird,  Blindsack  des 
Magens,  die  meisten  haben  Blinddärme  und  Schwimmblase.  Die  Zahn- 
hildung  variirt  nach  den  Gattungen. 

Hierher  die  Gattungen  Clupea  (mit  Untergattungen)  Gnalhobolus, 
Notopterm,  EngrauUs,  Tlnyssa,  Amia,  Alepocephalus,  Megalops , Elops, 
Lutodcira,  Hyodon,  Pristigaster,  Butirinus,  Chirocentrus,  Stornias,  Chaulio- 
dus,  Ileterotis,  Arapaima,  Osteoglossum. 

Mehrere  von  ihnen  zeichnen  sich  durch  grofse  glasartig  durchsichtige 
Augenlider  aus,  welche  einen  grofsen  Theil  des  Auges  bedecken,  was  an 
die  Scomber  und  Caranoc  erinnert.  Artedi  kannte  es  von  Clupea,  wie 
von  Scomber.  Solche  finden  sich,  ein  vorderes  und  hinteres  Augenlied, 
durch  einen  senkrechten  Schlitz  getrennt,  hei  den  Gattungen  Clupea,  Alosa, 
Chatoessus,  Clupanodon,  Elops,  Hyodon.  Am  merkwürdigsten  sind  jedoch 
die  Augenlider  des  Butirinus  brasiliensis , sie  sind  cirkelförmig  wie  heim 
Chamaeleon,  aber  völlig  durchsichtig,  und  lassen  nur  in  der  Mitte,  gegen- 
über der  Pupille,  eine  kleine  rundliche  Öffnung  übrig.  Bei  den  EngrauUs 
und  Lutodcira  fehlen  die  Augenlider,  hier  wird  das  Auge  von  einer  gallert- 
artigen durchsichtigen  Fortsetzung  der  Haut  überzogen.  Bei  einigen  Clu- 
peoiden  verbindet  sich  die  Schwimmblase  durch  luftführende  Canäle  mit 
dem  Labyrinth,  so  nach  E.  H.  Weher  hei  Clupea  und  nach  meinen  Beob- 
achtungen bei  EngrauUs  und  Notopterus.  Bei  anderen  Clupeoiden  fehlt 
diese  Verbindung,  z.  B.  hei  den  Butirinus,  hier  schickt  die  Schwimmblase 
vorn  zwei  einfache  Bliddärmchen  ab. 

Die  Lutodcira  {Mugil  Chanos  F orsk.)  zeichnen  sich  noch  durch  eine 
hinter  der  Kiemenhöhle  liegende  besondere  Höhle  aus,  welche  mit  der  Kie- 
menhöhle durch  ein  Loch  neben  dem  Schürtelgürtel  communicirt.  In  die- 
ser Höhle  liegt  eine  accessorische  blätterige  Kieme  mit  knorpeligen  Stützen. 
Die  Kieme  des  letzten  oder  4.  lüemenbogens  vexdiält  sich  überdies  eigen- 
thümlich,  ihre  untere  Hälfte  ist  vollständig,  d.  h.  doppelt -blätterig  und  hier 
befindet  sich  der  gewöhnliche  Spalt  zwischen  dem  letzten  Kiemenhogen  und 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


191 


dem  Sclilundknochen,  die  obere  Hälfte  des  4.  Kiemenbogens  verliert  aber 
die  hintere  Reihe  der  Kiemenblätter  und  hat  nur  eine  Reihe  Blätter,  welche 
zugleich  an  die  Haut  der  Kiemenhöhle  angewachsen  sind. 

Über  Alepocephalus  siehe  oben  p.  171. 

Die  mehrsten  Clupeiden  haben  kiemenartige  Pseudobranchien.  Bei 
Megalops  werden  diese  bis  beinahe  zum  Verschwinden  klein,  bei  einigen 
fehlen  sie  völlig.  Dies  sind  die  Gattungen : Stomias,  Cliauliodus,  Clürocen- 
trus,  Notopterus,  Amia,  Osleoglossum,  Ileterotis  Ehrenb.  und  Sudis  Cuv. 
(Arapaima  Nob.). 

Über  Stomias  und  Cliauliodus  siehe  oben  p.  171. 

Die  IS otopterus  zeichnen  sich  auch  durch  eine  grofse  Öffnung  auf  je- 
der Seite  des  Schädels  aus,  welche  zum  Innern  des  Schädels  und  zum  Laby- 
rinth führt  und  äufserlich  durch  die  Haut  geschlossen  ist,  wie  bei  den  Mor- 
myrus. 

Die  N otopterus  Osteoglossum  und  Sudis  Sp ix  zeichnen  sich  zu- 

sammen vor  allen  Fischen  dadurch  aus , dafs  sie  aucli  Zähne  in  der  Basis 
cranii  (nicht  blofs  im  Vomei’),  nämlich  hinten  im  Köi’per  des  Keilbeins  be- 
sitzen. 

Die  Gattung  IdeteT'otis  Ehrenb.  {Clupesudis  Swainson),  Typus  Ile- 
terotis niloticus,  Sudis  niloticus  Rüpp.,  ist  von  Sudis  Spix,  zu  welcher  Su- 
dis gigas  gehöx’t,  gänzlich  verschieden.  Beide  sind  auch  von  Cuvier  und 
R ü p p e 1 1 verwechselt.  Ich  habe  d en  Sudis  gigas,  von  Hrn.  S c h o m b u r g k 
dem  Jüngern  aus  Guiana  gesandt,  xintersucht,  er  besitzt  nicht  allein  be- 
schuppte verticale  Flossen , während  die  Flossen  der  Ileterotis  nackt  sind, 
sondern  die  Zähne  sind  ganz  verschieden.  Sudis  hat  Zähne  im  Vomer  und 
an  den  Gaumenbeinen,  und  einen  besondern  Haufen  an  der  Basis  cranii. 
Heterotis  hat  aufser  den  Kieferzähnen  nur  Zähne  im  os  pterygoideum,  keine 
im  Vomer,  keine  an  der  Basis  cranii.  Ich  habe  mich  auch  überzeugt, 
dafs  die  Sudis  das  von  Ehrenberg  und  Hemprich  bei  Ileterotis  ent- 
deckte räthselhafte  Organ  an  den  Kiemen  nicht  besitzen.  Da  der  Name 
Sudis  schon  von  Rafinesque  für  eine  Scopelinen  - Gattung  angewandt, 
welche  vom  Prinzen  Bonaparte  hergestellt  ist,  so  ist  für  dto.  Sudis  gigas 


(')  Nach  Cuvier  soll  Notopterus  nur  einen  einzigen  Strahl  in  der  Kienienhaut  haben, 
er  hat  aber  deren  8. 


192 


Müller: 


ein  neuer  Gattungsname  aufzustellen,  wofür  ich  den  Localnamen  dieses 
Fisches  Arapaima  voi’schlage.  Arapaima  gigas  Nob.  {Sudis  gigas  Cuv., 
Sudis  pirarucu  Spix). 

Osteoglossum  zeichnet  sich  nach  meinen  Beobachtungen  noch  dadurch 
aus,  dafs  diese  Gattung,  wie  Lepisosteus  unter  den  Ganoiden,  eben  soviel 
Knochenstücke  am  Unterkiefer  besitzt,  als  die  beschuppten  Amphibien,  ich 
finde  nämlich  sechs  Stücke. 

Die  Schuppen  der  Arapaima,  Tlelerotis  und  Osteoglossum  sind  mosaik- 
artig aus  vielen  Stückchen  zusammengesetzt.  Dieser  Schuppenhau  ist  aber 
kein  ausschliefslicher  jener  Fische,  sondern  die  Schuppen  der  mehrsten  Kno- 
chenfische sind  aus  einer  gewissen  Anzahl  von  Stücken  zusammengesetzt, 
und  die  nach  der  Peripherie  auslaufenden  Linien,  die  man  unter  dem  Mi- 
croscop  sieht,  sind  Näthe,  wie  Hr.  Peters  gezeigt  hat.  Bei  vielen  Fischen 
giebt  es  aber  auch  Quernäthe.  Die  Schuppe  wächst  daher  nicht  an  ihren 
Bändern  allein,  sondern  in  den  mehrsten  Fällen  an  allen  den  Näthen,  wo 
ihre  Stücke  ziisammenstofsen. 

In  der  mosaikartigen  Zusammensetzung  bieten  die  Schuppen  der 
Arapaima,  Heterotis  und  Osteoglossum  einige  Ähnlichkeit  mit  denen  der 
Lepidosiren  dar. 

Die  Clupeiden  ohne  Pseudobranchien  habe  ich  früher  auf  den  Grund 
dieses  Mangels  als  besondere  Familie  getrennt  und  Clupesoces 
Ich  unterscheide  sie  nicht  fei’iier. 

Arten  der  Gattung  Megalops  durch  Hrn.  Rieh.  Schomburgk  und 
Hrn.  Peters  erhalten,  lehrten  mich,  dafs  in  dieser  Gattung  die  Pseudo- 
branchien bis  zum  Vex’sch winden  klein  sind  und  erregten  mir  Zweifel  über 
die  Clupesoces,  daher  ich  schon  im  vorigen  Sommer  (1844)  dem  Prinzen  von 
Canino  mein  Bedenken  aussprach,  dafs  diese  Familie  vielleicht  nicht  gut  sein 
möchte.  Seither  erhielt  ich  auch  Gnathobolus  und  mufste  sehen,  dafs  diese 
den  Notoptej'us  so  durchaus  verwandte  Gattung  von  jener  sich  durch  den 
Besitz  kammartiger  Pseudobranchien  unterscheidet. 

XI.  Familie.  Heteropygü  Tellk. 

Sie  weichen  von  allen  Malacopterygii  abdominales  durch  die  anomale 
Lage  des  Afters  vor  den  Bauchflossen  ab , und  bieten  zu  wenig  Verwandt- 


(’)  Archiv  f.  Naturgeschichte  IX,  1.  p.  325. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


193 


schäften  mit  andern  Familien  dar,  nm  sie  einer  andern  Familie  anznsehlie- 
fsen.  Hierher  die  Gattung  Amhlyopsis.  Uber  ihre  Anatomie  siehe  Tell- 
kampf  in  Müll.  Archiv.  1844  p.  392.  Die  Gattung  Aphredoderus,  welche 
unter  den  Stachelflossern  eine  gleiche  Anomalie  darhietet,  habe  ich  nicht 
seihst  untersucht.  Ciivier  und  Valenciennes  haben  sie  unter  die  Pei’coi- 
den  gebracht. 

Die  Physostomi  anguillares  s.  apodes  enthalten  3 Familien, 
welche  anatomisch  sehr  von  einander  abweichen;  es  sind  die  Muraenoidei, 
Sjmhranchü  und  Gymnotini.  Bei  allen  fehlen  die  Pseudohranchien  und 
die  stielfönnigen  Knochen  des  Schultergürtels. 

XII.  Familie.  Muraenoidei  Müll. 

Das  Maid  ist  in  ganzer  Länge  nur  vom  Zwischenhiefer  begrenzt  und 
der  Oberkiefer  liegt  abortiv  klein  im  Fleisch.  Ihr  Schultergürtel  ist  nicht 
am  Kopf,  sondern  weiter  hinten  an  der  Wirbelsäule  aufgehängt.  Sie  haben 
keine  Blinddärme,  aber  einen  Blindsack  des  Magens.  Ihx’e  Schwimmblase 
enthält  grofse  Wundernetz- Gefäfskörper.  Eierstock  und  Hoden  ohne  Aus- 
führungsgang. Daher  Eier  und  Samen  wahrscheinlich  durch  die  sehr  feinen 
Bauchöffnungen  ahgehen,  wie  hei  den  Cyclostomen  und  wie  die  Eier  der 
Salmonen. 

Hiei'her  die  Gattungen  Anguilla,  ISluraena , Muraenophis , Spage- 
branchus,  Ophisurus,  UropygiiisBüpp.,  Leptocephalus{^).  Saccopharynx 
ist  nicht  hinreichend  bekannt,  um  seine  Stelle  zu  lixiren. 

XHI.  Familie.  Symbranchii  Müll. 

Der  Zwischenkiefer  reicht  wie  hei  den  Mui’aenoiden  bis  zum  Mund- 
winkel, aber  der  Oberkiefer  begleitet  ihn  eben  so  lang.  Der  Schultergür- 
tel ist  wie  bei  den  eigentlichen  Aalen,  nicht  am  Kojif,  sondern  weiter  hin- 
ten aufgehängt.  Sie  sind  ohne  Blindsack  des  Magens  und  ohne  Blind- 
därme. Der  Darm  ist  ganz  gerade  und  wird  von  der  äufserst  langen  Leber 
bis  ans  Ende  begleitet.  Mehreren  (Symbranchus , Monopterus , Amphip- 
nous),  vielleicht  allen  fehlt  die  Schwimmblase.  Die  Eierstöcke  sind  schlauch- 
artig, seihst  ausführend  und  die  Hoden  haben  Samengänge. 


(')  Hierlier  auch  Tribranchus  Peters,  nov.  gen,  Tribranchus  anguillaris  Peters,  Aale 
mit  Brustflossen,  aber  nur  3 Kiemen  aus  den  Sümpfen  von  Queliimane.  Zusatz. 

Physik. -malh.  Kl.  1844.  Bb 


194 


Müller: 


Hierher  die  Gattungen  Sjmhranchus,  Monopterus,  Amplüpnous  Müll, 
(mit  nur  2 Kiemen  und  einem  accessorischen  Athemsack  (^),  Alabes. 

XIV.  Familie.  Gymnotini  Müll. 

Das  Maul  wird  vorn  vom  Zwischenkiefer,  an  den  Seiten  vom  Ober- 
kiefer begrenzt.  Der  Schultergürtel  ist  am  Kopfe  selbst  aufgehängt.  Sie 
haben  Blinddärme  und  ihr  After  liegt  an  der  Kehle.  Die  Eierstöcke  sind 
schlauchartig,  die  Hoden  mit  Samengängen. 

Hierher  die  Gattungen  Gymnotus,  Carapus  i^'),  Sternarchus  (^). 

Die  Classification  der  P hysoslomi  ruht  nun  auf  festen  Grundlagen, 
aber  wir  dürfen  uns  nicht  verschweigen,  dafs  die  Familien  der  Acanthopteri, 
in  welchen  die  Unterscheidungen  von  Cu  vier  gröfstentheils  geblieben  sind, 
noch  viel  von  künstlichen  Absonderungen  darbieten. 

\HII.  Ube  r einige  systematisch  wichtige  Verschiedenheiten  in 
dem  Bau  der  Nase  und  die  danach  zu  bildenden  Gattungen 

der  TeLrodon. 

Die  Beachtung  der  Nase  wird  schon  bei  den  Labroidei  ctenoidei  und 
bei  den  Chromiden  wichtig,  indem  sie  hier  statt  zweier  in  der  Regel  nur  eine 
einzige  Öffnung  auf  jeder  Seite  besitzt.  Die  Labroidei  ctenoidei  zeigen  es 
in  allen  Gattungen,  von  den  Chromiden  die  mehrsten  Gattungen,  und  es 
ist  davon  nur  die  Gattung  Syjnphosodon  Heck.  ai;sgenommen. 

Andere  noch  auffallendere  Verschiedenheiten  zeigen  sich  in  der  Bil- 
dung der  Nase  bei  den  Tetrodon.  Die  zahlreichen  Arten  derselben  sind * (*) 

(')  Müller’s  Archiv  1840,  p.  115. 

(*)  Die  Gattung  Campus  Cuv.  zerfällt  In  mehrere  neue  Gattungen,  nämlich: 

Carapus  Müll.  Tr o sch.  mit  nur  einer  Reihe  kegelförmiger  Zähne  Im  Zwischenkie- 
fer und  Unterkiefer.  Hierher  Carapus  fascialus  {Gymnotus  brachiurus  Bl.) 

Sternopygus  Müll.  Trosch.  mit  hechelförmigen  Zähnen.  Hierher  Gymnotus  ma- 
crurus  Bl.  und  4 andere  Arten. 

Rarnphichthys  Müll.  Trosch.,  ohne  Zähne.  Hierher  ü 1.  S c hn. 

P)  Von  der  Gattung  Sternarchus  mit  einem  welchen  peitschenartigen  Fortsatz  am  Rü- 
cken hat  man  bis  jetzt  nur  eine  Art  a/6/yrons- gekannt;  denn  der  von  Hrn.Valen- 

ciennes  hei  D’Orhlgny  unter  dem  Namen  Sternarchus  abgebildete  Fisch  gehört  nicht 
dahin  und  ist  ein  Carapus.  Dagegen  hat  Hr.  Rieh.  Schomhurgk  in  Gulana  eine  zweite 
Art  Sternarchus  entdeckt,  dessen  Schnautze  in  eine  lange  Röhre  ausgezogen  Ist,  ähnlich  wie 
h^\  Sternopygus  rostratus.  Es  ist  der  Sternarchus  oxyrhynchus  Müll.  Frosch. 

Zusatz. 


üher  den  Bau  und  die  Gj'enzen  der  Ganoiden. 


195 


sonst  sehr  übereinstimmend  gebildet.  Beachtet  man  aber  die  Nase,  so  stöfst 
man  auf  so  fundamentale  Unterschiede,  dafs  man  sich  sogleich  überzeugt, 
wie  hier  mehrere  Gattungen  unterschieden  werden  müssen. 

Eine  Gruppe  der  Tetrodonarten  hat  als  Nase  eine  hohle  gewölbte  Pa- 
pille mit  2 Naslüchern.  Am  Seitenrand  des  Bauches  dieser  Fische  von  der 
Kehle  bis  auf  den  Schwanz  befindet  sich  ein  Hautkiel,  diesem  entspricht  ein 
zweiter  weiter  oben  gelegener  Kiel  an  der  Seite  des  Schwanzes.  Zu  dieser 
Untergattung  Gastrophjsus  Müll,  gehören  Tetrodon  ohlongus,  lu- 
nar is  u.  a. 

Andere  haben  eine  hohle  Papille  mit  2 Löchern,  oder  eine  mehr  oder 
weniger  lange  Naseimöhre  mit  2 Naslöchern  an  derselben  und  keinen  Kiel 
am  Bauch,  Chelichthys  Müll. 

Andere  haben  statt  der  Nasenhöhle  mit  2 Öffnungen  eine  einfache 
offene  häutige  Nasencapsel,  welche  rundum  mit  Fältchen  besetzt  ist.  Che- 
lonodon  Müll. 

Noch  andere,  wie  Tetj'odon  iestudinarius,  haben  statt  der  Nasen  je-  , 
derseits  ganz  solide  Tentakeln,  in  welche  der  starke  Geruchsnerve  geht. 
Arothon  Alüll.  Diese  Tentakeln  haben  entweder  eine  cylindrische  oder 
conische  Gestalt,  oder  sind  lappenartig  abgeplattet.  In  allen  Fällen  sind 
sie  solid  ohne  Nasenhöhle  und  ohne  Nasenöffnungen.  In  der  Regel  theilt 
sich  ein  solcher  Tentakel  in  2 Schenkel  oder  Lappen  (“). 


Abschnitt  III. 

Über  die  Stellung  der  Knorpel-  und  Knochen-Fische  im  natürlichen 

System  der  Fische. 

Cuvier  kommt  in  seinen  Bemerkungen  über  die  methodische  Ver- 
theilung  der  Fische  am  Schlüsse  des  I.  Bandes  seiner  Hist.  nat.  d.  poissons (*) 


(*)  Ich  ziehe  diesen  Namen  dem  früher  von  mir  vorgeschlagenen  Physogaster  vor,  weil 
letzterer  schon  hei  den  Insecten  angewandt  ist. 

(^)  Eine  neue  Gattung  der  Tetrodonten  ist  von  Ilrn.  Peters  in  zwei  Arten  eingesandt. 
Anosrnius  P e t.  Es  sind  Tetrodon  mit  verlängerter  Schnautze  ohne  Nase  und  ohne  alle 
Spur  von  Tentakeln.  Dahin  gehört  Tetrodon  Solandri  Richardson.  Zool.  of  H.  M.  S. 
Sulphur.  Ichthyol,  pl.  57.  fig.  4.  5.  Zusatz. 


Bb2 


196 


Müller: 


zu  dem  Schlüsse,  dafs  die  Aufstellung  der  Familien  der  Fische  dermalen 
geringere  Schwierigkeiten  mehr  darhiete,  dafs  es  aber  noch  an  wichtigen 
Charakteren  fehle,  die  Familien  genügend  in  gröfsere  Abtheilungen  zu  or- 
dnen. Mais  pour  disposer  ces  genres  et  ces  familles  avec  quelque  ordre, 
il  aurait  ete  necessaire  de  saisir  un  petit  nombre  de  caractcu’es  importans  d’ou 
il  resultät  quelques  grandes  divisions  qui  sans  rompre  les  rapports  naturels, 
fussent  assez  pi’ecises  poi;r  ne  laisser  aucun  doute  sur  la  place  de  chaque 
poisson;  et  c’est  ä quoi  l’on  n’est  23oint  encore  parvenu  d’une  maniere  suffi- 
samment  detaillee.  Ich  glaube,  dafs  wir  jetzt  zu  diesem  Grad  unserer 
Kenntnisse  gekommen  sind  und  ich  will  es  zidetzt  versuchen,  die  grofsen 
Ablheilungen  der  Fische  nach  ihren  innern  und  äufsern  Charakteren  zu  ent- 
wickeln und  in  scharfe  Definitionen  zu  fassen. 

Die  Abtheilung  der  Chondropterygier,  zuerst  von  Arte  di  aufgestellt, 
von  Gronov  bestätigt  und  von  Cuvier  angenommen,  zeigt  sich  zuvör- 
derst als  eine  unnatürliche  Vereinigung  der  verschiedensten  Familien , da 
linden  sich  die  Sturionen,  die  Chimaeren,  die  Plagiostomen  und  Cjclosto- 
men  vereinigt.  Niemand  kann  daran  zweifeln , dafs  in  dieser  Abtheilung 
die  vollkommenst  organisirten  Fische,  die  den  Reptilien  also  näher  stehen, 
und  die  unvollkommensten  die  Cyclostomen,  nämlich  die  Petromyzon  und 
Myxinoiden  vereinigt  sind,  während  die  grofse  Abtheilung  der  Knochen- 
fische nur  Fische  von  verhältnifsmäfsig  geringen  Verschiedenheiten  umfafst. 

Zwar  haben  Pallas  und  Agassiz  einen  Theil  dieser  Fische,  die  Stu- 
rionen, von  den  übrigen  abgelöst.  Der  erstere  (zoograph.  Ross,  asiat.) 
vei’selzte  die  Störe  unter  die  Fische  mit  Kiemendeckel  und  freien  Kiemen, 
die  er  Branchiata  nennt,  und  stellte  dieser  die  Ordnung  der  Spiraculata  ent- 
gegen, welche  den  Rest  der  Knorpelfische,  unsere  heutigen  Plagiostomen, 
Chimaei’en  und  Cyclostomen  umfafst.  Agassiz,  der  die  Fische  in  4 Or- 
dnungen , Ctenoidei , Cycloidei , Ganoidei , Placoidei  theilt , rechnete  die 
Störe  sehr  richtig  zu  den  Ganoiden  und  es  blieben  ihm  in  gleicher  Weise  die 
Haien,  Rochen,  Chimaeren  und  Cyclostomen  übrig,  so  dafs  seine  Placoiden 
dasselbe  was  die  Spiraculata  Pallas  zum  Inhalt  haben.  Wenn  sich  die  Cy- 
cloiden  und  Ctenoiden  als  Ordnungen  nicht  beibehalten  lassen,  so  enthält 
diese  Eintheilung  andererseits  neue  und  wichtige  Elemente  in  der  Entwicke- 
lung des  natürlichen  Systems.  Die  Ganoiden  bewähren  sich  als  sichere  Or- 
dnung in  verändei’ter  Form  und  geben  einen  Theil  ihres  bisherigen  Bestan- 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


197 


des  an  die  Gi’äthenflsche  ab.  Aber  die  Spiraculaten  von  Pallas  oder  Pla- 
coiden  von  Agassiz  leiden  immer  noch  an  der  Verbindung  der  vollkom- 
mensten und  unvollkommensten  Fische,  welche  in  ihrer  Anatomie  die  gröfs- 
ten  Verschiedenheiten  darbieten. 

Die  Plagiostomen  oder  Selachier  des  Aristoteles,  nämlich  die  Hai- 
fische und  Rochen,  sind  eine  in  ihrer  ganzen  Organisation  eigenthümliche 
Abtheilung  von  Fischen,  von  allen  verschieden  durch  ihre  Schädel  ohne  Ab- 
theilungen, aber  mit  Kiefern  und  durch  die  Bedeckung  aller  Knorpel  mit 
jener  charakteristischen  feinen  Mosaik  von  pflasterartigen  Knochenstückchen, 
welche  im  ganzen  System  der  Fische  nicht  wiederkehrt,  durch  ihre  ange- 
wachsenen Kiemen  mit  Spiracula  der  Kiemenhöhlen,  bei  der  Gegenwart  der 
Kiemenbogen,  durch  den  Mangel  des  Kiemendeckels,  durch  die  Gänge  des 
Gehörlabyrinthes  bis  zur  Haut,  duixh  ihre  Geschlechtsorgane,  da  die  Männ- 
chen die  eigenthümlichen  äufsern  Organe  und  die  Nebenhoden,  die  Weib- 
chen aber  eine  Vei’bindung  der  Tuben  über  der  Leber  zu  einem  einzigen 
orific.  abd.  und  die  charakteristischen  Eileiterdrüsen  besitzen.  Die  einzigen 
ihnen  verwandten  Fische  sind  nur  die  Chimaeren  durch  eine  andere  Art  fei- 
ner Knochenrinde  der  Knorpel,  durch  die  Übereinstimmung  in  den  Einge- 
weiden,  die  gleiche  Beschaffenheit  der  äufsern  und  innern  männlichen  Ge- 
schlechtsorgane, die  Nebenhoden,  die  äufsern  Anhänge,  durch  die  Eileiter- 
drüsen und  selbst  die  gleiche  Beschaffenheit  der  Eischale. 

Die  Cyclostomen  dagegen  gleichen  den  Plagiostomen  blofs  durch  die 
ungetheilten  Kopfknorpel  und  die  Spiracula,  in  allen  übrigen  Beziehungen 
aber  entfernen  sie  sich  von  ihnen,  insbesondere  durch  den  völligen  Mangel 
der  Kiemenbogen , der  Kiefer,  durch  ihre  Geschlechtsorgane  ohne  Eileiter 
und  ohne  Samengänge,  durch  den  völligen  Mangel  des  Muskelbelegs  am 
Arterienstiel  oder  truncus  arteriosus,  durch  ihre  2 Arterienklappen. 

Der  Prinz  von  Canino  (Selachorum  tab.  analytica  1838)  hat  die 
Eigenthümlichkeit  der  Haien,  Rochen  und  Chimaeren  als  Untei’klasse  rich- 
tig aufgefafst,  für  welche  er  den  Namen  Elasmobranchii  aufgestellt,  während 
er  die  Cyclostomen  auch  als  eine  seiner  4 Unterklassen  unter  dem  Namen 
Marsipobranchii  auffafst.  Ich  mufs  diese  Anordnung  gutheifsen,  dagegen 
die  andern  Unterklassen  Lophobi’anchii,  Pomatobranchii  (letztere  einschlie- 
fsend  die  Ordnungen  Sclerodermi , Gymnodontes , Stuidones , Ganoidei, 


198 


Müller: 


Ctenoidei,  Cycloidei)  durch  den  jetzigen  Stand  unserer  Kenntnisse  über  die 
Anatoroie  der  Knochenfisehe  und  Ganoiden  nieht  bestätigt  werden. 

Indem  ieh  die  Unterklasse  der  Marsipohi’anchii  oder  der  Cyelostomen 
annehme,  so  rechne  ich  zu  ihr  nicht  den  Amphioxus;  aus  den  der  Akademie 
vorgelegten  Untersuchungen  ziehe  ich  den  Schlufs,  dafs  er  in  keiner  bekann- 
ten Fischordnung  oder  Unterklasse  aufgenommen  werden  könne,  obgleich 
er  den  Cyelostomen  am  nächsten  steht,  duixh  den  Mangel  der  Kiefer  und 
den  Bau  des  Skelets.  Die  Gründe,  die  dies  verbieten,  sind  die  Museula- 
rität  des  ganzen  Gefäfssystems  ohne  besonderes  Herz,  ein  unter  den  Fischen 
und  selbst  unter  den  Wirbelthieren  einziger  Charakter,  die  Lage  der  Kiemen 
in  der  Bauchhöhle,  mit  einem  Porus  resp.  der  Bauchhöhle  , der  Mangel 
einer  Unterscheidung  zwischen  Gehirn  und  Rüekenrnark,  die  Reduction  der 
Leber  auf  einen  Blindsaek  des  Darms  und  die  auf  allen  Schleimhäuten  ver- 
breitete Wimperbewegung.  Er  ist  der  Typus  einer  besondern  Unterklasse, 
die  ich  Leptocardii  nenne. 

Eine  besondere  Unterklasse  der  Fische  bilden  auch  die  beschuppten 
Fische  mit  Lungen  und  Kiemen  zugleich  und  mit  durchbohrten  Naslöchern, 
Dipnoi  Nob.,  wohin  Lepidosiren.  Die  Klappen  liegen  im  musculösen 
Bulbus  longitudinal  und  spix’al.  Der  Darm  mit  Spiralklappe,  wie  bei  den 
Plagiostomen,  Ganoiden  und  einigen  Cyelostomen.  Eileiter  in  die  Bauchhöhle 
geöffnet.  Ihre  Wirbelsäule  besitzt  eine  Chorda  mit  aufgesetzten  Apophysen. 

Ziehen  wir  diese  4 Al^theilungen  der  Fische  ab,  so  bleiben  noch  2 
Abtheilungen  mit  Kiemendeekel  und  freien  Kiemen,  die  Ganoiden  und  die 
eigentliehen  Gräthenfische,  welche  sich,  abgesehen  von  allen  andern  Unter- 
schieden, sogleich  durch  den  Bau  des  Herzens  und  die  Klappen  theiUn. 
Alle  eigentlichen  Gräthenfische  ohne  den  Muskelbeleg  des  Arterienstiels  und 
mit  2 Arterienklappen  nenne  ich  Tel  eo  st  ei,  d.  h.  vollkommene  Knoehen- 
fische.  Wir  erhalten  also  6 Unterklassen  mit  festen  und  sichern  Charak- 
teren, wie  sie  Cu  vier  verlangte  und  vermifste. 

1)  Teleostei  Müll.  2)  Dipnoi  Müll.  3)  Ganoidei  Agass. 
Müll.  4)  Elasmobranehii  Bonap.  s.  Selachii.  5)  Marsipobran- 
chiiBonap.  s.  Cyelostomi.  6)  Leptocardii  Müll. 

Ich  stelle  die  Ganoiden  und  Selachier  in  die  Mitte , nach  der  einen 
Seite  bilden  die  Ganoiden  den  Übergang  zu  den  Teleostei  und  Dipnoi,  naeh 
der  andern  die  Selachier  zu  den  Cyelostomi  und  Leptocardii. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


199 


Die  Teleostier  oder  eigentlichen  Gräthenfische  zerfalle  ich  in  6 Or- 
dnungen : 

1)  Acanthopteri  Müll. 

2)  Anacanthini  Müll. 

3)  Pharyngognathi  hlüll. 

4)  Physostomi  Müll. 

5)  Plectognathi  Cuv. 

6)  Lophobranchii  Cuv. 

Unter  Acanthopt eri  verstehe  ich  nur  diejenigen  unter  Cuvier’s 
Stachelflossern,  welche  doppelte  Schlundknochen  haben,  indem  ich  die  La- 
hroiden  und  verwandten  entferne.  Bei  den  mehrsten  sind  die  Bauchllossen 
bei  den  Brustflossen.  Ihre  Schwimmblase  ist,  wenn  vorhanden,  immer  ohne 
Luftgang.  Hierher  folgende  Familien: 

Percoidei  Cuv.  Cataphracti  Cuv.  Sparoidei  (incl.  Mae- 
nides).  Sciaenoidei  Cuv.  Lahyrinthici  Cuv.  Mugiloidei  Cuv. 
Notacanthini  Müll.  (Notacanthus , Rhynchohdella , Mastacemhlus). 
Scomheroidei  Cuv.  Squamipennes  Cuv.  Taenioidei  Cuv.  Go- 
bioidei  Müll.  (incl.  Cyclopteri).  Blennioidei.  Pediculati  Cuv. 
Theutyes  Cuv.  Fistulares  Cuv. 

Die  Familie  der  Notacanthini  umfafst  Stachelflosser  mit  abdominalen 
oder  fehlenden  Bauchflossen , vielen  von  einer  Rückenflosse  unabhängigen 
Rückenstacheln , und  deren  Schul tergürtel  statt  am  Kopfe  weiter  zurück  an 
der  Wirbelsäule  aufgehängt  ist  wie  hei  den  Aalen.  So  ist  es  hei  Notacanthus 
sowohl  als  Mastacemhlus. 

Die  Anacanthini  sind  Fische,  welche  im  innern  Bau  mit  den  Acan- 
thoptern  übereinstimmen,  deren  Schwimmblase,  wenn  vorhanden,  auch  ohne 
Luftgang  ist,  die  aber  nur  weiche  Strahlen  haben.  Ihre  Bauchflossen,  wenn 
vorhanden,  stehen  an  der  Brust  oder  Kehle.  Cuvier’s  Malacopterygii  sub- 
brachii  zum  Theil  und  Malacojiterygii  apodes  zum  Theil. 

Familien  Gadoidei.  Ophidini.  PI  euronectid es. 

Die  Pharyngognathi  sind  Stachelflosser  und  Weichflosser  mit 
vereinigten  untern  Schlundknochen.  Ihre  Bauchflossen  stehen  theils  an  der 
Brust,  theils  am  Bauch.  Ihre  Schwimmblase  ist  immer  verschlossen,  ohne 
Luftgang. 


200 


Müller: 


Familien  Labroidei  cycloidei  Müll.  Labroidei  ctenoidei 
Müll.  Cbroniides  Müll.  Scomberesoces  Müll. 

Die  P/iysostomi  sind  Weicbflosser,  deren  Baiichflossen,  wenn  vor- 
handen, immer  abdominal  sind,  die  einzigen  in  dieser  Untei’klasse , deren 
Schwimmblase  immer  einen  Lnftgang  besitzt. 

Zu  den  Physostomi  abdoininales  gehören: 

Familien  Siluroidei  Cuv.  Cyprinoidei  Ag.  Characini  Müll. 
Cyprinodontes  Ag.  Mormyri  Cuv.  Esoces  Müll.  Galaxiae 
Müll.  Salmones  Müll.  Scopelini  Müll.  Clupeidae  Cuv.  He- 
teropygii  Tellk. 

Zu  den  Phjsostomi  apodes  s.  anguillares  gehören  die  Fami- 
lien: Muraenoidei  Müll.  Symbranchii  Müll.  Gymnotini  Müll. 

In  der  Familie  der  Siluroiden  Cuv.  unterscheide  ich  als  Gruppen  die 
eigentlichen  Siluroiden  oder  Siluri  und  die  Goniodontes  Agass.  oder  Lo- 
ricarinen. 

Plectognathi  Cuv.  Obgleich  die  unbewegliche  Verbindung  des 
Ohex’kiefers  und  Zwischenkiefers  hei  dieser  Ordnung  nicht  constant  ist  und 
auch  hei  andern  Fischen  diese  Verwachsung  zuweilen  vorkommt,  wie  bei 
mehreren  Characinen  (SeiTasalmo  u.  a.),  so  haben  die  Plectognathen  Cu- 
vier’s  doch  sehr  viel  verwandtes  in  ihrer  Hauthedeckung,  deren  Schuppen, 
Rauhigkeiten,  Stacheln,  Schilder  von  den  gewöhnlichen  Fischschuppen  ab- 
weichen. Hierher  gehören  die  Familien: 

Balistini,  Ostraciones,  Gymnodontes. 

Die  letzte  Ordnung  der  Teleostier  bilden  die  Lophohr anchier , 
welche  in  nichts  wesentlichem  von  den  übrigen  Gräthenfischen  abweichen. 

Die  Selachier  zerfallen  in  2 Ordnungen,  die  Plagiostomen  und 
HolocepJialen.  Die  Plagiostomen  müssen  aber  wieder  in  Unterordnun- 
gen, die  Haifische  und  Rochen  gebracht  werden,  denn  die  Rochen  unter- 
scheiden sich  von  den  Haien  durch  den  vollständigen  ringförmigen  bis  unter 
die  Haut  des  Rückens  tretenden  Schultergürtel,  durch  die  nach  unten  ge- 
schlitzten Kiemenlöcher,  Verlust  oder  Anwachsen  der  Augenlieder,  Verbin- 
dung der  Brustflosse  mit  dem  Kopf  durch  Schädelflossenknorpel  und  die 
bei  allen  Rochen  vorkommende  Verschmelzung  des  vordem  Theils  des  Rück- 
grats zu  einem  einzigen  grofsen  Knorpel  ohne  Wirbelabtheilung,  was  auch 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


201 


noch  die  Pristis  zeigen,  während  die  Sägefische  unter  den  Haien  Pristiopho- 
rus  sich  auch  darin  wie  in  allen  Beziehungen  als  Haien  verhalten. 

Die  Familien  der  Haien  sind ; 

Scyllia,  Nictitantes,  Lamnoidei,  Alopeciae,  Cestracio- 
nes,  Rhinodontes,  Notidani,  Spinaces,  Scymnoidei,  Squatinae. 

Bei  den  Familien  der  Rochen,  wie  sie  in  der  systematischen  Be- 
schreibung der  Plagiostomen  axifgestellt  sind,  ist  nichts  weiter  zu  be- 
merken, als  dafs  die  Gattung  Platyrhina  zu  den  eierlegenden  Rochen, 
also  zur  Familie  der  Rajae  gehört  (‘). 


Classis,  Pisces. 

Subclassis  I.  Dipnoi. 

Ordo  I.  Sirenoidei. 

Familia:  1.  Sirenoidei. 

Subclassis  II.  Teleostei. 


Ordo  I.  Acanthopteri. 

Familiae:  1.  Percoidei. 

2.  Cataphracti. 

3.  Sparoidei. 

4.  Sciaenoidei. 

5.  Labyrinthiformes. 

6.  Mugiloidei. 

7.  Notacanthini. 

8.  Scomberoidei. 

9.  Squamipennes. 

10.  Tacnioidei. 

11.  Gobioidei. 

12.  Blennioidei. 

13.  Pedicidati. 

14.  Theutyes. 

15.  Fistulares. 


(')  Siehe  Abh.  d.  Akad.  d.  Wissensch.  a.  d.  J.  1840.  p.  246.  Von  der  Gattung  Trygo- 
norhina,  deren  Eier  ich  nicht  kenne,  ist  zu  vermuthen,  dals  sie  sich  wie  bei  Platyrhina  ver- 
halten. 


Physik. -maih.  Kl.  1844. 


Cc 


202 


Müller: 


Ordo  n.  Anacanthini.  • 

Subordo  I.  Anacanthini  subbrachii.  ’T- 

Familiae:  1.  Gadoidei. 

2.  Pleuronectides. 

Subordo  II.  Anacanthini  ap ödes. 

Familia:  1.  Ophidini. 

Ordo  III.  Pharyng o gnathi. 

Subordo  I.  Pharyngognathi  acanthopterjgii. 
Familiae:  1.  Labroidei  cycloidei. 

2.  Labroidei  ctenoidei. 

3.  Chromides. 

Subordo  II.  Pharjngognathi  malacopterygii. 
Familiae:  4.  Scomberesoces. 

Ordo  IV.  Physostomi. 

Subordo  I.  Physostomi  abdominales. 

Familiae:  1.  Siluroidei. 

2.  Cyprinoidei. 

3.  Characini. 

4:  Cyprinodontes. 

5.  Mormyri. 

6.  Esoces. 

7.  Galaxiae. 

8.  Salmones. 

9.  Scopelini. 

10.  Clupeidae. 

11.  Heteropygii. 

Subordo  II.  Physostomi  apodes  s.  anguillares. 
Familiae:  12.  Muraenoidei. 

13.  Gymnotini. 

14.  Symbranchii. 

Ordo  V.  Plectognathi. 

Familiae:  1.  Balistini. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


203 


Familiae:  2.  Ostraciones. 

3.  Gymnodontes. 

OrdoVl.  Lophobranchii. 

Familia:  1.  Lopbobranchi. 

Subclassis  III.  Ganoidei. 

Ordo  I.  Holostei. 

Familiae:  1.  Lepidosteini. 

2.  Polypterini. 

Ordo  n.  Chondrostei. 

Familiae:  1.  Acipenserini. 

2.  Spatulariae. 

Subclassis  IV.  Elasmobranchii  s.  Selachii. 
Ordo  I.  Plagiostomi. 

Subordo  I.  Squalidae. 

Familiae:  1.  Scyllia. 

2.  Nictitantes. 

3.  Lamnoidei. 

4.  Alopeciae. 

5.  Cestraciones. 

6.  Rhino dontes. 

7.  Notidani. 

8.  Spinaces. 

9.  Scymnoidei. 

10.  Squatinae. 

Subordo  II.  Rajidae. 

Familiae:  11.  Squatinorajae. 

12.  Torpedines. 

13.  Rajae. 

14.  Trygones. 

15.  Myliobatides. 

16.  Cephalopterae. 


Ce  2 


204 


Müller: 


Ordo  II.  Holocephali. 

Faniilia:  1.  Chimaerae. 

SubclassisV.  Marsipobranchii  s.  Ctclostomi. 
Ordo  I.  Hjperoartii. 

Familia:  1.  Petromjzonini. 

Ordo  II.  Hjperotreti. 

Faniilia:  1.  Myxinoidei. 

Subclassis  VI.  Leptocardii. 

Ordo  I.  Amphioxini. 

Familia:  1.  Amphioxini. 


Nachschrift. 

1)  Ehi  Auszug  gegenwärtiger  Abhandlung  in  Wiegmann’s  Archiv 
1845  Heft  1.  ist  von  Hrn.  C.  Vogt  ins  Französische  übersetzt  und  in  den  An- 
nales  des  Sciences  naturelles  1845,  Juli,  gedruckt.  Hr.  Vogt  hat  dieser 
Abhandlung  einige  Bemerkungen  über  die  Ganoiden  folgen  lassen;  darin  ist 
eine  Beobachtung  enthalten,  wodurch  diese  Materie  um  eine  wichtige  That- 
sache  vermehrt  wird.  Hr.  Vogt  hat  bei  Untersuchung  der  Amia  calva  des 
Pariser  Museums  auf  die  von  mir  aufgestellten  Charactere  von  den  Klappen 
und  dem  Muskelbeleg  des  Arterienstiels  der  Ganoiden  in  der  Amia  einen 
neuen  Ganoiden  der  Jetztwelt  entdeckt.  Er  fand  nämlich  bei  diesem  Fisch, 
der  von  Cu  vier  unter  die  Chipeiden  gebracht  und  den  ich  danmter  gelassen, 
2 Quer -Reihen  von  Klappen  im  Arterienstiel  und  in  jeder  Reihe  5 — 6 
Klappen,  auch  w-ar  der  Arteilenstiel  wie  bei  anderen  Ganoiden  äufserlich 
von  einer  scharf  abgegrenzten  Lage  von  Muskellleisch  umgeben.  Ungeach- 
tet dieser  Übereinstimmung  mit  Poljptej'us  und  Lepisosteus  haben  doch  die 
Schuppen  der  Amia  mit  den  Schuppen  jener  Ganoiden  durchaus  keine  Ähn- 
lichkeit und  man  sieht  hiebei  wieder , wie  wenig  man  sich  auf  die  Schuppen 
verlassen  kann.  Die  Schuppen  der  Amia  sind  nichts  weniger  als  knöcherne 
Tafeln,  sie  sind  biegsam  und  abgerundet.  Unter  den  fossilen  Fischen, 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


205 


welche  Hr.  Agassiz  zu  den  Ganoiden  zählte,  gieht  es  schon  ähnliche  Schup- 
pen bei  den  Megalurus  und  Leplolepis,  und  es  ist  dies  ein  Grund  mehr, 
dafs  diese  beiden  Gattungen,  über  welche  ich  selbst  zu  keinem  bestimmten 
Urtheil  gekommen  bin,  Ganoiden  sein  mögen.  Auch  im  Halntus  gleicht 
die  Amia,  wie  jene,  mehr  den  Knochenfischen  als  den  übrigen  Ganoiden. 
Ich  hatte  sie  auf  ihr  Herz  nicht,  sondern  nur  ihre  äufseren  Charactere  an 
dem  Exemplare  der  zoologischen  Sammlung  zu  Paris,  so  wie  die  ausgenom- 
menen Baucheingeweide  im  anatomischen  Cabinet  eliendaselbst  untersucht. 

Hr.  Vogt  glaubt,  dafs  Ainia  ungeachtet  dieses  Baues  des  Arterien- 
stiels von  den  Sudis  und  Osteoglossum  nicht  getrennt  werden  könne , da 
sie  sonst  so  ähnlich  seien.  Sudis  ist  nach  meiner  Beobachtung  ein  Kno- 
chenfisch mit  2 Herzklappen  ohne  Muskelbeleg  des  Arterienstiels  und  eben 
so  verhält  sich  Osteoglossum.  Jene  Meinung  läuft  darauf  hinaus  oder  kann 
so  ausgedrückt  werden,  dafs  diese  Fische  zusammen  entweder  Ganoiden, 
oder  zusammen  Knochenfische  seien,  sei  es,  dafs  die  Sudis  und  Osteoglos- 
sum der  Ajuia , oder  die  Amia  den  Sudis  und  Osteoglossum  folgen.  Aber 
das  war  ja  eJjen  die  Aufgabe  meiner  Arbeit,  Charactere  zu  finden,  welche 
über  alle  äufsern  Formverhältnisse  hinaus  die  Fische  nach  ihren  fundamen- 
talen innern  Verwandtschaften  zusammenführen.  Ich  glaube,  dafs  diese 
Aufgabe  für  immer  gelöst  ist  und  ich  kenne  keine  äufsern  Charaktere,  die 
wichtig  genug  wären,  2 Fische  zu  verbinden,  die  ihrem  innern  Bau  nach  so 
verschieden  sind  als  ein  nacktes  und  lieschupptes  Amphibium.  So  gewifs 
alle  nackten  Amphibien  ülicrcinstimmen , dafs  sie  ein  Aortcnlierz  besitzen, 
so  nothwendig  dieses  Herz  allen  beschuppten  Ampliiiiien  fehlt,  so  scharf 
unterscheiden  sich  die  Ganoiden  und  die  Knochenfische  in  diesem  absoluten 
Character.  Das  Schicksal  der  Sudis  und  Osteoglossum  als  Knochenfische 
ist  lür  immer  bestimmt  durch  den  Bau,  den  ich  von  ihnen  angegeben,  und 
ebenso  bestimmt  ist  das  Schicksal  der  Amia  als  Ganoiden  durch  die  Beob- 
achtung von  Hin.  Vogt  entschieden,  und  es  läfst  sich  mit  Bestimmtheit 
voraussetzen,  dals  sich  Amia  auch  in  den  ülirigen  Characteren  als  Ganoid 
verhalten  werde,  nämlich  in  dem  Chiasma  der  Sehnerven  und  in  dem  Bau 
des  Auges. 

Man  hielt  ehemals  die  Esojc,  Belone  und  Lepisosteus  für  so  ähnlich 
und  verwandt,  dafs  sie  vermöge  ihrer  Form  in  demselben  Genus  standen. 
Nachdem  die  Lepisosteus  entfernt  waren,  schienen  wenigstens  die  Gattungen 


20G 


Müller: 


Esox  und  Belone  unzertrennlich  zu  sein;  die  Anatomie  hat  diese  Verwandt- 
schaft zersetzt,  dafs  davon  keine  Rede  mehr  sein  kann.  Und  worin  soll  nun 
die  bindende  Übereinstimmung  der  Amia  mit  den  Sudis  und  Osteoglossum 
bestehen?  Es  sind  Malacopterjgii  ahdominales  mit  schuppenlosem,  hartem 
Kopf.  Den  haben  unzählige  Fische  der  verschiedensten  Ahtheihmgen  und 
er  ist  so  wenig  etwas  Aufserordentliches  als  bei  den  Erythiinus  und  bei 
anderen  Characinen  (den  nächsten  Verwandten  der  Karpfen).  Ihre  Schup- 
pen sind  gänzlich  unähnlich.  Die  Schuppen  der  Sudis  {Arapaimä),  Hete- 
j'oüs,  Osteoglossum  sind  mosaikartig  aus  Stücken  zusammengesetzt,  auf  der 
Oberfläche  gramdirt,  die  Schuppen  der  Osteoglossum  auch  wie  bei  andern 
Knochenfischen  concentrisch  gestreift,  die  Schuppen  der  Amia  sind  nicht 
zusammengesetzt  und  haben  auf  der  Oberfläche  parallele  der  Länge  nach 
verlaufende  erhabene  Linien. 

Ich  weifs  noch  weniger,  warum  Ilr.  Agassiz  in  der  dritten  Lieferung 
seiner  poissons  fossiles  du  vieux  gres  rouge  die  Sudis  zu  der  Familie  der 
Coelacanthen  unter  den  Ganoiden  bringen  will.  Die  Coelacanthen  sind  nach 
Agassiz  Fische,  w^elche  sich  auszeichnen,  dafs  ihre  Flossenstrahlen  hohl 
sind  und  ich  setze  hinzu,  deren  Wirbel  nur  knöcherne  Apophysen,  aber 
keinen  festen  Kern  haben.  Beides  kann  von  den  Sudis  nicht  gelten.  Wären 
die  Sudis  den  Coelacanthen  verwandt,  so  würde  ich  es  als  erwiesen  ansehen, 
dafs  die  ächten  Knochenfische  der  Jetztwelt  bis  in  die  ältesten  Formationen 
der  Vorwelt  hinabreichen.  Da  ich  diese  Sudis  längst  in  allen  Beziehungen 
anatomisch  untersucht  habe,  so  kann  ich  für  gewifs  versichern,  dafs  sie  sich 
nicht  in  einem  Punkte  von  dem  gemeinsamen  Typus  aller  unserer  Knochen- 
fische entfernen.  Sie  schliefsen  sich  ferner  durch  die  Osteoglossum  an  die 
Megalops  und  Notoptej'us  und  durch  diese  selbst  an  die  Chatoessus  und 
Clupea. 

Die  anatomischen  Charactere  der  grofsen  Ablheilungen  müssen  aller- 
dings absolut,  d.  h.  ohne  Ausnahmen  sein,  sie  sind  es  aber  auch.  Sie  sind 
nur  bis  jetzt  zu  wenig  beachtet.  Wie  viele  Zoologen  und  Anatomen  hätten 
es  wohl  bis  jetzt  beachtet,  dafs  alle  nackten  Amphibien  ein  Aortenherz  be- 
sitzen, und  dafs  es  allen  beschuppten  fehlt!  Dafs  es  bei  den  Fischen  nicht  allein 
auf  die  Klappenreihen  ankömmt,  liegt  auf  der  Hand,  die  Unterschiede  in  den 
Klappenreihen  sind  nur  gleichzeitig  mit  der  tiefem  Verschiedenheit  in  dem 
Bau  des  Herzens,  in  der  Existenz  oder  dem  Mangel  einer  ganzen  Herzabthei- 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


207 


lung,  und  mit  andern  von  mir  nachgewiesenen  durchgreifenden  Verschieden- 
heiten. 

2)  Seit  die  Abhandlung  der  Akademie  vorgelegt  ist,  sind  neue  Mate- 
rialien zur  Anatomie  der  Ganoiden  eingegangen.  Hr.  Dr.  Ro einer  hat  mir 
eine  Spatulai'ia  und  eine  hinreichende  Anzahl  von  Exemplaren  des  Lepi- 
sosteus  hison  De  Kay  L.  osseus  Ag.  in  Weingeist  geschickt.  Ihre  Zergliede- 
rung hat  mich  gelehrt,  dafs  die  allgemeinen  und  absoluten  Charactere  der 
Ganoiden  zahlreicher  sind.  Sie  umfassen  nicht  hlofs  den  Bau  des  Arterien- 
stiels und  seine  Klappen,  und  das  Chiasma  n.  opt.  sondern  auch  die  Spiral- 
klappe des  Darms,  die  Verzweigung  der  Kiemenarterie  zum  Kiemendeckel 
und  den  Bau  des  Auges. 

Bei  Lepisosteus  ist  die  Spiralklappe  des  Darms  bisher  übersehen  wor- 
den, sie  ist  nur  rudimentär  und  auf  den  Theil  des  Darms  vor  dem  Mastdarm 
beschränkt,  wo  sie  3 Schi'auhenwindungen  macht,  sie  ist  auch  äufserst  nie- 
drig, functionell  ohne  Wirkung  drückt  sie  nur  den  allgemeinen  Plan  der  Ga- 
noiden aus.  Amia  hat  nach  den  Beobachtungen  von  Vogt  auch  eine  wenig 
ausgehildete  Spiralklappe.  Offenbar  schreitet  dieser  Theil  in  seiner  Ent- 
wickelung von  unten  nach  oben  vor. 

Bei  denjenigen  Ganoiden,  bei  welchen  die  respiratorische  Kiemen- 
deckelkieme fehlt,  gieht  die  Kiemenarterie  doch  einen  Ast  zum  Kiemendek- 
kel,  so  dafs  diese  Arterie  gleichsam  als  Aequivalent  jener  Kieme  oder  als 
Aortenbogen  anzusehen  ist.  Ich  habe  dies  hei  Poljpterus,  auch  hei  Spa- 
tularia  beobachtet  und  in  hen  Abbildungen  erläutert.  Hieraus  geht  wieder 
die  tiefere  Gesetzmäfsigkeit  hervor,  welche  selbst  die  Abweichungen  be- 
herrscht. Es  ist  daher  zu  vermuthen,  dafs  dieser  Ast  auch  bei  Amia  gefun- 
den werde,  welcher  auch  die  Kiemendeckelkieme  fehlt.  Das  Verhältnifs  der 
Gefäfse  der  respiratorischen  Kiemendeckelkieme  der  Lepisosteus  zu  denen 
der  Pseudohranchie  wurde  nun  vollends  aufgeklärt.  Die  erstere  ei’hält  ihr 
Blut  aus  der  Kiemenarterie,  die  Kiemenvene  der  resji.  Kiemendeckelkieme 
verwandelt  sich  in  die  Arterie  des  Kiemendeckels.  Diese  schlägt  sich  um 

(')  Das  Exemplar  hat  Zähne  in  Kiefer  uiifl  Gaumenbeinen,  also  Polyodon  folium  Lac. 
der  vielleicht  nur  das  junge  der  gröfseren  Planirostra  edenliila  ist.  Siehe  Ahh.  d.  Akad. 
a.  d.  J.  1834  p.  211.  Die  Spatularlen  besitzen  auch  Fulcra  an  der  Schwanzfirste,  wie  die 
Störe,  und  die  Seite  des  obern  Schwanzlappens  ist  getäfelt. 


208  Müller;  über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 

die  Einlenkung  des  Zungenbeins,  bängt  hier  mit  der  arteria  hyoidea  vom 
ventralen  Ende  der  Kiemenvene  des  ersten  Kiemenbogens  zusammen,  dringt 
wieder  zur  innern  Seite  des  Kiemendeckels  und  giebt  die  Arterie  der  Pseu- 
dobrancbie.  Die  Vene  der  Pseudobranchie  wird  carotis  interna  wie  bei  den 
Plagiostomen  und  Stören. 

Die  Eierstöcke  der  Lepisosteus  weichen  wesentlich  ab  von  denen  der 
Polyptej'us,  und  die  Unterschiede  sind  so  grofs  wie  zwischen  einigen  Fami- 
lien von  Knochenfischen.  Bei  Lepisosteus  sind  nämlich  die  Eierstöcke  sack- 
artig und  die  Eier  entwickeln  sich  in  der  Dicke  der  innern  Wand  des  Sackes, 
welcher  sich  in  den  Eileiter  fortsetzt.  Die  Eileiter  gehen  nicht  aus  dem 
Ende,  sondern  aus  der  Mitte  der  Länge  der  Säcke  ab,  so  dafs  die  Säcke 
nach  voi'n  und  hinten  blind  sind.  Lepisosteus  besitzt  Abdominalöffnungen 
neben  dem  After  wie  die  Plagiostomen  und  Störe,  aber  nicht  den  Canal  des 
Herzbeutels  zur  Bauchhöhle. 

Das  Auge  des  Lepisosteus  ist  ohne  processus  falciformis,  ohne  Spalt 
der  retina,  ohne  Choi’oidaldrüse  und  dies  scheint  allgemeiner  Character  der 
Ganoiden. 

Uber  diese  und  andere  von  mir  neuerlich  beobachtete  Thatsachen  aus 
der  Anatomie  der  Ganoiden  habe  ich  der  Akademie  am  12.  März  1846  Be- 
i’icht  erstattet.  Monatsbericht  der  Akademie  1846  März  und  Archiv  f.  Na- 
turgeschichte 1846.  I.  p.  190.  Uber  die  Nexwen  und  Artei’ien  siehe  die  Er- 
klärung der  Abbildungen. 

3)  Die  Schilddrüse  ist  von  Stannius  axich  bei  den  Knochenfischen 
gefunden.  Stannius  vergl.  Anat.  d.  Wii’belthiere.  Beidin  1846.  p.  480. 

4)  Unter  die  Muraenoiden  gehören  noch  die  Gattungen  Ichtliyophis 
Lesson  und  ISloringua  Gray,  unter  die  Scopelinen  die  Gattung  Astrones- 
thes  Richardson,  the  zoology  of  H.  M.  S.  Sulphur.  Ichthyology  p.97, 
unter  die  Clupeiden  die  Gattung  Coilia  Gray. 


Erklärung  der  Kupfertafeln. 
Tafel  I. 


Schädel  von  Polypterus  bichir. 


Fig.  1.  Obere  Ansicht  des  Schädels. 

Fig.  2.  Ansicht  der  Basis  cranii. 

Fig.  .3.  Ansicht  des  Kopfes  und  Kiemengerüstes  von  unten. 

Fig.  4.  Seitenansicht. 

Fig.  5.  Ansicht  des  Schädels  von  hinten. 
a OS  frontale. 
b parietale. 

b'  Spritzloch  an  der  Seite  des  Scheitelbeins. 
c nasale. 
d ethmoideum. 

e alare.  Flügelbein  an  der  Basis  des  häutigen  Nasenröhrchens  oder  Tentakels,  welches  den 
vordem  Eingang  der  Nase  bildet. 

J"  intermaxiUare. 
g maxillare. 

Hautknochen  vom  Oberkiefer  bis  Vordeckel. 
h orbitale  anterius. 
i orbitale  posterius. 

i'  Mehrere  intercalaria  zwischen  Stirnbein  und  Vordeckel. 

i"  Zwei  ähnliche  Knochen,  welche  eine  Klappe  über  dem  Spritzloch  b’  bilden.  Die  Portion  des 
Kaumuskels,  welche  an  der  innnern  Seite  des  praeoperculum  sitzt,  heftet  sich  auch  an  diese 
Klappe  fest,  so  dafs  dieselbe  durch  Muskelbewegung  geschlossen  werden  kann. 
i"’  Noch  andere  Hautknochen  in  der  Hinterhauptsgegend. 

k palatinum  stöst  mit  dem  der  andern  Seite  vor  dem  Vomer  durch  Nath  zusammen. 
l pterygoideum  externum  Nob.  transversum  Cuv. 

Tti  pterygoideum  internum. 

n quadrato-jugale,  Schläfenjochbein,  trägt  den  Unterkiefer  (ist  bei  Agassiz  transversum  genannt), 
O praeoperculum. 
o'  operculum. 
o"  suboperculum. 
p vomer. 

9 sphenoideum  basilare. 
r occipilale,  ein  ungetheilter  Knochen. 

r'  Loch  für  die  unpaare  Carotis,  welche  aus  dem  Zusammenflufs  der  Kiemenvenen  beider  Seiten 
nach  vorn  abgeht,  gleich  wie  die  aorta  descendens  von  hier  nach  rückwärts  geht. 

S temporale. 

5’  temjiorale  accessorium,  schliefst  sich  durch  Nath  an  den  hintern  obern  Theil  des  temporale 
an,  beide  sind  am  Schädel  eingelenkt,  das  temporale  accessorium  wird  an  der  innern  Seite 
vom  hintern  Theil  des  Spritzlochs  sichtbar.  Siehe  Fig.  1. 
t mastoideum  Ag.  2 Öffnung  für  den  nervus  vagus  zwischen  mastoideum  und  occipitale. 

XX  Gelenklläche  des  Quadratjochbeins  für  den  Unterkiefer. 


Kl.  1844. 


Dd 


210 


Müller: 


yy  Gelenkfläche  am  temporale  für  das  oberste  Stück  des  Zungenbeins. 

mx  OS  dentale  des  Unterkiefers,  mx'  os  operculare  des  Unterkiefers,  mx"  os  angulare  des  Unter- 
kiefers, mx"'  OS  articulare  des  Unterkiefers,  bildet  das  hinterste  Ende  und  das  Gelenk  zu- 
gleich. 

Ib  Tdundwinkelknorpel,  am  Unterkiefer  befestigt. 

SS  superscapulare. 
s's  scapula  Cuv. 

cc  Hauptstück  des  Schultergürtels.  Cuvier’s  humerus. 
cs,  cs.  Zwei  Fvochenstücke,  welche  an  der  Verbindung  zwischen  s's  und  cc  liegen. 
ff  Hautknochen  unter  dem  Schultergürtel. 
cp,  cp  Zwei  Handwurzelknochen. 

0.  Mittelhandknochen,  zwischen  beiden  eine  Korpelplatte  mit  dem  Knochenkern  |S. 

S Anfänge  der  Flossenstralüen , es  sind  ungegliederte  Stücke,  an  welche  sich  erst  die  geglie- 
derten Flossenstrahlen  ansetzen.  Die  Bauchflossen  des  Polypterus  besitzen  auch  diese  eigen- 
genthümlichen  Basen  der  Flossenstrahlen,  welche  man  auf  den  ersten  Blick  für  eine  Art  Mit- 
telfufs  halten  kann.  Die  Existenz  einer  besondern  Mittelhand,  aufserdem  an  der  vordem 
Extremität,  spricht  aber  gegen  diese  Deutung. 
hy  Mittelstück  des  Zungenbeins  und  Kiemengerüstes. 

hy  hyoideum  superius  (jugale  Agafs.),  sitzt  am  temporale  bei  yy  (Fig.  2),  hat  nichts  mit  dem 
Unterkiefer  zu  thun,  mit  welchem  es  bei  Agassiz  verbunden  ist. 
hy  hyoideum  secundum. 
hy"  hyoideum  tertium. 

1 1 Zuugenknorpel. 

hc  Knochenstück,  welches  vom  Zungenbein  von  der  Verbindung  von  hy  und  hy""  abgeht,  gegen 
den  Schultergürtel  und  mit  diesem  durch  Vermittelung  der  Bänder  und  des  unpaaren  Kno- 
chens hd  zusammenhängt. 
hr  Unterstes  Glied  des  ersten  Kiemenbogens. 
bd'  Zweites  Glied  des  ersten  Kiemenbogens. 
bd"  Oberstes  Glied  des  ersten  Kiemenbogens,  ist  doppelt. 
rd  Knochenplatte  an  der  Stelle  der  Kiemenhautstrahlen. 

Fig.  6.  Zungenbein  und  Kiemengerüst  besonders. 
hy  Knöchernes  Mittelstück. 
br  Hinteres  knorpliges  Mittelstück. 
hy,  hy,  hy’"  Die  drei  Stücke  des  Zungenbeinhorns. 

bd,  bd',  bd" , Die  3 Glieder  des  ersten  Kiemenbogens,  das  oberste  Stück  bd"  ist  doppelt. 

Der  zweite  und  dritte  Kiemenbogen  bestehen  aus  2 Gliedern,  der  vierte  aus  nur  einem  Glied. 
Schlundknochen  fehlt. 

In  Hinsicht  der  Abweichungen  in  der  Bezeichnung  der  Knochen  von  der  Analyse  des  Schädels  des 
Polypterus  durch  Agafsiz,  verweise  ich  auf  das  Archiv  f.  Anatomie  1843.  Jahresbericht  p.  CCXXXIX. 

Als  eine  eigenthümliche  Erscheinung  am  Skelet  des  Polypterus  und  Lepisosteus  ist  noch  zu  bemer- 
ken, dafs  die  untern  Dornen  sich  als  besondere  Knochen  erhalten  und  dafs  sie  nicht,  wie  bei  andern  Fi- 
schen, aus  der  Vereinigung  der  unteren  Apophysen  der  Wirbelkörper  entstehen  (die  in  der  Jugend  besondere 
Knochenstücke  sind),  sondern  aus  der  Vereinigung  der  Rippen  selbst  entstehen,  wie  bei  den  Lepisosteus 
zu  sehen.  Bei  den  Knochenfischen  ist  es  ganz  anders,  denn  in  vielen  Fällen  hängen  die  Rippen  noch 
an  den  untern  Dornen  am  Ende  des  Bauches. 

Tafel  II. 

Fig.  1.  Vertheilung  der  Kiemenarterie  an  die  Kiemen  und  die  respiratorische  Nebenkieme  bei  Lepisosteus 
semiradiatus  Ag. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


211 


a Kiemenhaut  in  der  Mitte  aiifgeschnitten  und  aufgeschlagen. 
b Respiratorische  Nebenkieme. 
c Pseudobranchie. 

d Muskulöser  Arterienstiel,  in  welchem  die  Klappenreihen, 
e Ast  für  den  dritten  und  vierten  Kiemenbogen. 
e’  Ast  für  den  zweiten  Kiemenbogen, 
e"  Ast  für  den  ersten  Kiemenbogen. 

e'"  Endast  der  Kiemenarterie,  welcher  an  der  Innern  Seite  der  Kiemenhaut  zwischen  Schleim- 
haut und  Muskelschicht  zur  respiratorischen  Nebenkieme  tritt. 
f Arterie  der  Pseudobranchie,  erscheint  an  der  innern  Seite  des  Kiemendeckels  (entstanden  aus 
der  Vene  der  respiratorischen  Nebenkieme), 
g'  Vene  der  Pseudobranchie,  wird  carotis  interna. 

Fig.  2.  Der  muskulöse  Arterienstiel  desselben  Lepisosteus  aufgeschnitten,  mit  den  Klappenreihen.  Ver- 
gröfsert. 

Fig.  3.  Dasselbe  von  Polypterus  bichir.  Vergröfsert. 

Fig.  4.  Hirn  von  Polypterus  bichir  von  der  obern  Seite. 

Fig.  5.  Dasselbe  vergröfsert  von  oben. 

Fig.  6.  Dasselbe  von  unten. 

Fig.  7.  Dasselbe  von  der  Seite. 
a medulla  oblongata. 
b Corpus  restiforme. 
c Kleines  Gehirn. 

c'  Anschwellung  des  kleinen  Gehirns  innerhalb  des  vierten  Ventrikels 
d lobus  opticus, 
e hypophysis. 
f fissura  cerebri  magna. 

g Ursprung  des  nervus  opticus  aus  dem  lobus  opticus. 

^ chiasma  nervorum  opticorum. 
h Hemis])häre  des  grofsen  Gehirns. 

4'  Einschnitt  an  der  Seite  derselben,  von  diesem  Einschnitt  und  von  der  Vertiefung  zwischen 
beiden  Hemisphären  giebt  Fig.  7*  einen  senkrechten  Durchschnitt. 

I lobus  olfactorius. 

k Mittlerer  Theil  des  grofsen  Gehirns,  von  welchem  die  Hemisphären  und  lobi  olfactorii  aus- 
gehen, Hirnstiel. 

Fig.  8.  Senkrechter  Querschnitt  des  Nasenlabyrinthes. 

Fig.  9.  Das  Nasenlabyrinth  mit  aufgeschlitzten  Nasengängen. 

X,  X Zwei  der  5 sternförmig  verbundenen  Nasengänge  aufgeschlitzt,  mit  den  kiemenartigen  Quer- 
fältchen. 

y Achse  um  welche  die  fünf  Nasengänge  gestellt  sind. 

~ Geruchsnerve. 

Tafel  III. 

Fig.  1.  Ansicht  einiger  Hirnnerven  von  Polypterus. 

a Stirnbein.  b Scheitelbein.  b'  Knorpelmasse  zwischen  Scheitelbein  und  q Keilbein.  b" 
Stelle,  wo  das  abgelöste  Temporale  s und  accessorium  temporale  5'  eingelenkt  sind,  cc  Schul- 
tergürtel, abgelöst.  J Kaumuskel  vom  Schädeldach.  B Kaumuskel  vom  Schläfengürtel. 
C Kiemen.  D Seitenmuskeln.  E Enden  der  Gräthenknochen,  welche  sich  mit  dem 
Schuppenpanzer  an  der  Seitenlinie  verbinden.  a N.  opticus  tritt  durch  die  her.absteigende 
Wand  des  Stirnbeins.  «'  Nervus  trochlearis,  tritt  durch  eine  besondere  kleine  Öffnung  der 

Dd2 


212 


Müller: 


herabsteigenden  Wand  des  Stirnbeins.  ß oculomotoirns,  tritt  durch  eine  Öffnung  des  her- 
absteigenden Theils  des  Stirnbeins  mit  dem  abducens  7 und  einem  Theil  des  Trigeminus. 
S Ast  des  Trigeminus  zur  Schautzen-  und  Nasengegend  aus  dem  vordem  Hauptast  des  Tri- 
geminus, gellt  unter  dem  musc.  trochlearis.  g Ast  zur  selben  Gegend,  vom  vordem  und 
hintern  Ast  des  Trigeminus  zugleich  zusammengesetzt,  geht  über  dem  musc.  trochlearis  hin. 
^ Hinterer  Ast  des  Trigeminus,  geht  zwischen  Stirnbein  und  Keilbein  aus,  vertheilt  sich  in  den 
Kaumuskeln  A und  B,  im  Gesicht,  Gaumen  und  im  Unterkiefer.  S-  ramus  opercularis  n. 
trigemini  gellt  von  dem  hintern  Ast,  aber  durch  einen  Kanal  des  Keilbeins  und  vertheilt  sich 
wie  bei  den  Knochenfischen.  i N.  glossopharyngeus  tritt  zwischen  Keilbein  und  mastoi- 
deum  aus,  verbindet  sich  durch  eine  Anastomose  mit  dem  ramus  opercularis,  und  vertheilt 
sich  wie  bei  den  Knochenfischen.  x vagus  tritt  durch  eine  Öffnung  zwischen  occipitale 
und  mastoideum.  x’  Aste  des  vagus  für  die  Kiemen  und  Muskeln  der  Kiemenbogen.  X Obe- 
rer Seitennerve,  verläuft  neben  der  obern  Mitte  des  Körpers,  f*  Unterer  Seitennerve,  verläuft 
mit  dem  Lymphgang  v der  Seitenlinie.  0 ramus  intestinalis  n.  vagi  für  Schlund,  Magen  und 
Schwimmblase,  der  rechte  verbreitet  sich  an  der  rechten  Seite  der  gröfsern  Schwimmblase, 
der  linke  auf  der  linken  Schwimmblase  und  zugleich  an  der  linken  Seite  der  gröfsern  rechten 
Schwimmblase. 

Hinter  dem  vagus  treten  noch  2 Nerven  aus  dem  Hinterhauptsbein,  der  erste  ist  der  hypoglossus  zum 
musculus  sternohyoideus,  der  zweite  geht  zur  Brustflosse  und  erscheint  die  Seitenmuskelu  durchbohrend 
n mit  noch  zwei  andern  Nerven  p und  o-,  die  von  den  ersten  Spinalnerven  kommen,  tt,  ß,  <r  gehören  der 
Brustflosse  an. 

Der  Sympathicus  des  Polypterus  verhält  sich  durchaus  wie  bei  den  Knochenfischen,  er  hat  sehr  lange 
rami  communicantes. 

Fig.  2.  Vertheilung  der  Kiemenarterie  und  der  Arterien  und  Venen  der  Schwimmblase  von  Polypterus. 

A Herzkammer.  B Vorhof.  C Muskulöser  Beleg  des  Arterienstiels.  D Kiemenarterie.  d 
Ast  für  die  zweite,  dritte  und  vierte  Kieme.  d'  Ast  für  die  erste  Kieme.  d"  Kiemendek- 
kelast  der  Kiemenarterie.  E Diaphragma.  F'  Herzbeutel.  GG  Schwimmblasen  mit 
ihrer  Muskulatur.  e Arterie  der  Schwimmblase,  entspringt  aus  der  Kiemenvene  der  vierten 
Kieme.  yVene  der  Schwimmblase,  geht  zur  mittleren  Hohlvene  g,  welche  auch  das  Le- 
bervenenblut aufnimmt.  Vergl.  Taf.  VI. 


Tafel  IV. 

Drei  Ansichten  des  Kopfes  von  Lepisosteus  bison  Dekay,  L.  osseus  Ag.,  welche  sich  ergänzen.  Bei 
Fig.  2 sind  die  Hautknochen,  welche  das  Auge  umgeben,  bis  zum  Kiem'endeckel  abgenommen 
und  die  Kaumuskel  so  weit  aufgehoben,  dafs  die  Augenmuskeln  und  Augennerven  zum  Vor- 
schein kommen.  Bei  Fig.  3 ist  Auge  und  Muskeln  entfernt, 
a OS  frontale  rechter  Seite. 
h OS  parietale  rechter  Seite. 
b'  mastoideum  bei  Agassiz. 
b”  frontale  post,  bei  Agassiz. 

c OS  occipitale  superius  rechter  Seite,  oder  vielmehr  Hautknochen,  das  os  occipitale  superius 
ersetzend,  über  den  ossa  occipitalia  lateralia. 
d,d,d  3 Hautknochen,  welche  über  dem  petrosum  liegen. 
e operculum. 
f suboperculum. 

g praeopercuculum  Cuvier,  ich  habe  im  Archiv  1843  Jahresbericht  CCXLVII  bewiesen,  dafs  der 
Vordeukel  der  Fische  nichts  anders  als  das  os  tympanicum  der  hohem  Thiere  ist. 


über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


213 


h temporale  ist  in  Fig.  2 vom  Schädel  abgelöst,  um  den  Austritt  des  ramus  opercularis  nervi  tii- 
trigemini  zu  sehen.  h!  Rnorpelmasse  zwischen  h und  i. 
i OS  intercalare  primum  des  Schläfengerüstes.  k os  intercalare  secundum  des  Schläfengerüstes. 

Cuvier  nennt  sie  tympanicum  und  symplecticum. 
l OS  quadratojugale. 
m Oberstes  Stück  des  Zungenbeins. 
mm  Hautknochen  auf  den  Schläfen  und  um  das  Auge. 
n sphenoideum  anterius. 

0 Dazugehöriger  Flügel  ala  parva  s.  orbitalis,  besonderes  Knochenstück. 
p ala  magna. 

q sphenoideum  basilare. 
r pterygoideum  externum. 
s palatinum. 

t pterygoideum  inlernum. 
u coronoideum  des  Unterkiefers. 

V dentale. 
w angulare. 

X Einfaches  Knochenstück  statt  der  superscapula  und  scapula  Cuv. 
y Hauptstück  des  Schultergürtels,  Cuvier’s  humerus. 

z Häutige  Scheidewand  zwischen  beiden  Augenhöhlen  und  Schläfenhöhlen. 

z'  Knorpelmasse,  den  Schädel  completirend  über  der  ala  magna  und  parva  und  unter  dem  Schei- 
telbeine. 

A Kiemendeckelkieme,  nach  Entfernung  des  operculum  und  suboperculum  von  aufsen  sichtbar. 

B Kieme  des  ersten  Kiemenbogens. 

C Muskelbauch  des  Kaumuskels  vom  abgebrochenen  Schädeldach  entspringend. 

D Fortsetzung  desselben. 

E Portion  des  Kaumuskels,  welche  vom  Sphenoideum  basilare  entspringt. 

F Wluskelbauch  des  Kaumuskels,  welcher  vom  Vordeckel  entspringt. 

G Muskel,  welcher  das  Gaumenbein  hebt  und  nach  auswärts  zieht,  er  entspringt  vom  frontale 
post,  b"  und  von  den  weggenommenen  Knochenplatten  vtm,  welche  die  Schläfe  decken. 
a nervus  olfactorius  durch  eine  Öffnung  des  sphenoideum  anterius  durchtretend, 
ß nervus  opticus  durch  eine  Lücke  zwischen  ala  j)arva  und  sphenoideum  anterius  durchtretend. 
y ramus  ophthalmicus  des  Trigeminus,  durch  eine  Öffnung  der  ala  parva  durchtretend,  enthält 
zugleich  den  ganzen  oculomotorius  und  trochlearis.  Von  diesem  Stamm  geht  der  Ast  S'  ab, 
um  sich  mit  einem  Ast  »]  des  Hanptstammes  des  Trigeminus  zum  Nerven  r{  zu  vereinigen 
welcher  auf  der  Scheidewand  ziun  Oberkiefer  fortläuft,  rj"  ist  ein  feinerer  Zweig  von  rj,  der 
ebenfalls  an  der  Scheidewand  fortgeht. 

E nervus  oculomotorius  aus  dem  nervus  ophthalmicus  entspringend,  er  giebt  Zweige  zum  rectus 
Superior  p,  zum  rectus  internus  er,  zum  rectus  inferior  t,  zum  obiepius  inferior  4>,  auch  nervi 
ciliares. 

^ nervus  abducens  geht  mit  dem  Hauptstamm  des  Trigeminus,  aber  von  ihm  getrennt  durch  die 
Öffnung  zwisclien  ala  magna  und  ala  j)arva. 

1 Hauptstamm  des  Trigeminus,  tritt  zwischen  ala  magna  und  parva  aus,  er  giebt  den  Ast  »],  der 

sich  mit  dem  ramus  optbalmicus  verbindet,  ferner  den  Ast  B,  welcher  über  dem  Muskel  G 
und  unter  dem  Auge  hergeht,  aus  ihm  entspringen  Zweige  k zum  Heber  des  Gaumenbeins  G 
und  den  Kaumuskeln  k,  unter  dem  Auge  theilt  er  sich  in  den  Oberkieferast  X und  den  Un- 
terkieferast /,  welcher  letztere  sich  wieder  in  pt  und  pi'  theilt.  p ist  n.  alveolaris  inferior, 
ji'  vertheilt  sich  am  Unterkiefergelenk,  und  giebt  auch  Zweige  zur  äufsern  Haut  am  Gelenk 
und  zur  Mundhöhle. 


214 


Müller: 


Der  Hauptstamm  des  Trigeminus  giebt  auch  gleich  bei  seinem  Austritt  den  ramus  opercnlaris  x in 
einen  Canal  der  ala  magna  rückwärts.  Fig.  3 x-  Man  sieht  ihn  wieder  hervortreten,  Fig. 
nun  durchbohrt  er  das  os  temporale  (Fig.  3)  und  verläuft  eine  lange  Strecke  auf  der  äufsern 
Fläche  des  Schläfengerüstes  Fig.  3 bedeckt  von  dem  Kaumuskel  F,  zuletzt  tritt  er  zwi- 
schen praeoperculum  und  intercalare  primum  zur  innern  Seite  des  Kiemendeckels  zwischen 
Kiemendeckel  und  Zungenbein;  er  verzweigt  sich  wie  gewöhnlich,  ein  starker  Zweig  dringt 
durch  ein  Loch  am  hintern  Ende  des  Unterkiefers  in  den  Alveolarcanal  zum  Unterkiefernerven. 
V Stämmchen,  welches  den  nervus  trochlearis  und  supratrochlearis  vereinigt  darstellt,  ent- 
springt aus  dem  ophthalmicus  und  theilt  sich  in  den  nervus  supratrochlearis  n zur  Gonjunctiva 
und  0 zum  musculus  troclilearis. 

tp  nervus  glossopharyngeus  tritt  durch  die  Knorpelmasse  zwischen  ala  magna,  petrosum  und  oc- 
cipitale  laterale,  hat  ein  Knötchen,  er  verbindet  sich  durch  eine  Anastomose  mit  dem  ramus 
opercnlaris  n.  trigemini  und  giebt  Zweige  an  den  ersten  Kiemenbogen  und  seinen  Muskel  und 
an  die  Kiemen  des  Kiemendeckels  und  Haut  der  Kiemenhöhle, 
w vagus,  geht  durch  eine  Öffnung  des  occipitale  laterale,  er  giebt  Aste  zu  den  Muskeln  der  Kie- 
menbogen und  zu  den  Kiemen  selbst,  in  der  gewöhnlichen  Weise,  giebt  auch  den  nervus 
lateralis  u'  und  intestinalis. 

Taf.  V. 

Fig.  1.  Herz  von  Lepisosteus  bison  Dekay,  L.  osseus  Ag. 

A Kammer. 
ß Vorkammer. 

C Muskelschicht  des  Truncus  arteriosus. 

D Kiemenarterie. 

£ Ast  derselben  für  die  dritte  und  vierte  Kieme. 

£ Ast  für  die  zweite  Kieme. 

G Ast  für  die  erste  Kieme. 

H Unpaare  Fortsetzung. 

1 Ast  zur  Kiemendeckelkieme. 

Fig.  2.  Truncus  arteriosus  von  Lepisosteus  bison  aufgeschnitten.  Die  Zahl  und  Anordnung  der  Klappen 
weicht  vom  Lepisosteus  semiradiatus  Ag.  ab,  es  sind  8 Längsreihen  von  Klappen  vorhanden, 
darunter  k Reihen  gröfserer  Klappen  aus  9 in  jeder  Reihe  bestehend,  dazwischen  die  zum 
Theil  unvollständigen  Reihen  kleinerer  Klappen.  Wären  alle  Klappen  ausgebildet,  so  wären 
72  vorhanden,  es  sind  aber  nur  gegen  54  - 60. 
a Wand  der  aufgeschnittenen  Herzkammer. 

b ostium  venosum  mit  einer  einzigen  halbmondförmigen  Klappe  c.  Die  Öffnung  wird  durch 
das  Herabziehen  der  Klappe  geschlossen  vermöge  der  bogenförmigen  Bündel  d,  an  welchen 
ihr  convexer  Rand  angewachsen  ist. 
e MuskeUage  auf  dem  truncus  arteriosus. 

f Kiemenarterie,  g Öffnung  für  den  hintern  Ast,  aus  welchem  die  Arterien  i und  h entspringen. 
h Ast  für  die  dritte  und  vierte  Kieme. 
i Ast  für  die  zweite  Kieme. 
k Vorderer  Ast  der  Kiemenarterie. 

Fig.  2*.  Structur  und  Zusammenhang  der  Klappen  von  Lepisosteus  bison. 

A Oberste  Klappe  einer  Längsreihe. 

a Oberer  dünnhäutiger  Theil.  b Unterer  faserknorpelig  fester  Theil.  c Fäden  zur  nächsten 
Klappe  B,  welche  nur  aus  dem  festen  Theil  besteht. 

Fig.  3.  Herz  der  Spatularia,  Polyodon  folium  Lac. 
a Kammer. 


üher  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


215 


b Vorkammer. 

a'  Gefäfsdrüaen  die  Kammer  und  einen  Theil  des  Arterienstiels  c bedeckend,  wie  beim  Stör. 
d Kiemenarterie,  ef  Ast  zur  dritten  und  vierten  Kieme,  entsteht  aus  dem  obern  Ast  der  Kiemen- 
arterie. g'Ä  Aste  für  die  erste  und  zweite  Kieme,  i Zweig  zum  Kiemendeckel, 

Fig.  3*.  Herz  desselben  Thiers,  die  Gefäfsdrüsen  weggenommen. 
a Kammer. 
b Vorkammer. 

c Arterienstel  mit  Muskelbeleg.  Im  Innern  sind  4 Längsreihen  Klappen,  in  jeder  Reihe  3. 
d Kiemenarterie. 

Fig.  4.  Truncus  arteriosus  von  Lamna  cornubica. 

A Kammer.  B Vorhof.  C Muskellage  des  Truncus  arteriosus.  D Kiemenarterie.  a b c 
Erste,  zweite  und  dritte  Querreihe  der  Klappen  und  ihre  Verbindungen  durch  Fäden. 

Fig.  5.  Truncus  arteriosus  von  Xiphias  gladius. 

A Oberer  Theil  der  aufgeschnittenen  Kammer. 

B Bulbus  des  Truncus  arteriosus. 

a Die  zwei  Klappen  am  ostium  arteriosum.  bb  Zwei  kleine  Nebenklappen  zwischen  den 
Zwei  gröfsern  Klappen.  Diese  Nebenklappen  gehören  bei  Kncnihenfiscben  zu  den  Abwei- 
chungen, zuweilen  findet  sich  nur  eine  ausgebildet,  meist  fehlen  sie. 
c Eigenthümliche  Schicht  des  Bulbus,  welche  in  die  mittlere  Arterienhaut  c'  übergeht,  und  im 
Bulbus  die  trabeculae  carneae  d hervorbringt. 

Fig.  6.  Gefäfse  der  Kiemendeckelkieme  und  Pseudobranchie  vom  Lepisosteus  bison. 

A sphenoideum  basilare.  B ala  sphenoidea  magna.  C Knorpelige  Masse  zwischen  dem  grofsen  Flü- 
gel, dem  Felsenbein  und  Hinterhauptbein.  D occipitale  laterale.  E Knochen-Schuppen  von  der 
äufsern  Oberfläche  des  Kopfes  über  dem  Felsenbeine  gelegen,  Ag.  occipitale  ext.  E'  Theil 
des  Felsenbeins,  welches  gröfstentheils  von  der  Knorpelmasse  C verdeckt  ist.  F os  pte- 
rygoideum  ext.  G palatinum.  H pterygoideum  int.  J Ende  der  Kiemenarterie.  K Aorta 
aus  dem  Zusammenflufs  der  Kiemenvenen.  L Kiemendeckelkieme.  Ä1  Pseudobranchie. 
a Ast  der  Kiemenarterie  zur  Kiemendeckelkieme.  b Vene  der  Kiemendeckelkieme,  wird  Arterie 
der  Pseudobranchie.  c Stelle,  wo  sie  an  der  Einlenkung  des  Zungenbeins  am  Knorpel 
zwischen  temporale  und  intercalare  von  aufsen  herumgeht.  Hier  verbindet  sich  die  Arteria 
hyoideo-opercularis  c',  die  aus  der  Fortsetzung  der  Kiemenvene  des  ersten  Kiemenbogens 
nach  unten  entspringt,  mit  der  Arterie  der  Pseudobranchie.  d Vene  der  Pseudobranchie, 
wird  carotis  interna.  g,  h Erste  bis  vierte  Kiemenvene,  e'  carotis  externa,  aus  der 

Kiemenvene  des  ersten  Kiemenbogens,  dringt  durch  einen  Canal  der  ala  magna  in  die  Schlä- 
grube,  und  hängt  über  der  basis  sphenoidei  mit  derjenigen  der  andern  Seite  zusammen. 
i ramus  opercularis  nervi  Irigemini,  wo  er  aus  dem  Knochencanal  in  der  ala  magna  hervor- 
tritt. ] nervus  glossopharyngeus.  j'  Verbindung  zwischen  dem  ramus  opercularis  und 
dem  glossopharyngeus.  k nervus  vagus.  l,  m,  n,  o Vier  noch  hinter  dem  Vagus  durch 
das  occipitale  tretende  Nerven,  wovon  der  vorderste  sehr  dünn  ist,  l und  m verbinden 
sich  zum  nervus  hypoglossus  Im  für  den  musculus  sternohyoideus,  die  beiden  hinteren  ge- 
hen zur  Brustflosse,  l,  m,  n treten  durch  verschiedene  Öffnungen  des  occipitale  laterale,  o 
durch  den  aufsteigenden  Theil  des  occipitale  basilare.  Sie  folgen  sich  regelmäfsig  hinter 
einander. 


Tafel  VI. 


Fig.  1.  Eingeweide  von  Polypterus  bichir. 

a Herzkammer,  b Vorkammer.  c Muskelbeleg  des  Arterienstiels,  d diaphragma.  e Rechte 
Schwimmblase,  liegt  vor  der  Wirbelsäule  und  den  Nieren  angewachsen,  über  sie  hinweg 


216 


Müller:  über  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ganoiden. 


gehen  die  Peritonealplatten  zum  Gekröse  x.  f Linke  Schwimmblase,  hängt  durch  Bauchfell- 
falten mit  dem  Magen  und  der  linken  Leber  zusammen,  sonst  frei,  g Linker  Leberlappen,  h 
Rechter  Leberlappen,  i Magen,  k Pylorischer  Canal  des  Magens,  l Blindsack  des  Darms, 
appendix  pylorica.  m pylorus,  von  dem  die  Darmklappe  q entspringt.  n Gallenblase. 
o Mündung  des  Gallenganges.  p intestinum  valvulare.  q Spiralklappe.  r Mastdarm. 
s After,  t Unpaare  Ilohlvene,  entsteht  als  ein  vor  dem  After  und  hinter  dem  Ende  der  rech- 
ten Schwimmblase  hervortretender  Stamm,  welcher  hier  mit  der  Schwanzvene  und  den  bei- 
den Subvertebralvenen  zusammenhängt,  sie  verläuft  unter  der  rechten  Schwimmblase,  zwi- 
schen ihr  und  dem  langen  rechten  Leberlappen  Ä,  und  nimmt  viele  Quervenen  aits  der  rechten 
Schwimmblase  w auf,  auch  die  Venen  der  Leberlappen,  und  zuletzt  den  Yenenstamm  v der 
linken  Schwimmblase.  u Vene  des  linken  Leberlappens.  x Gekröse  zwischen  der 
rechten  Schwimmblase  und  dem  Darm,  j' Nerve  der  rechten  Seite  der  rechten  Schwimmblase 
vom  Vagus.  Der  entsprechende  Nerve  an  der  linken  Seite  versieht  die  linke  Schwimmblase 
und  die  ganze  linke  Seite  der  rechten  Schwimmblase. 

Fig.  2,  Weiblicher  Geschlechtsapparat  von  Lepisosteus  bison. 

Die  Eierstockssäcke  sind  für  die  Abbildung  umgelegt,  so  dafs  die  innere  Seite  der  Säcke,  an  wel- 
cher die  Eierstöcke  angewachsen  sind,  nach  vorn  gekehrt  ist.  a Platten  des  Eierstockes. 
h Holde  des  Eierstockssackes.  cc  Eileiter.  d Erweiterung  beim  Zusammenflufs  der 
Eileiter,  nimmt  auch  den  Harn  auf  und  ist  daher  auch  beim  Wlännchen  vorhanden,  bei  dem 
sich  die  Samenleiter  in  die  Harnleiter  ergiefsen.  Die  Samenleiter  haben  einige  blasige  Er- 
weiterungen. 

Fig.  3.  Linker  Eierstock  und  Eileiter  von  Polypterus  bichir. 

a Hinterer  Theil  des  Eierstocks.  d Eierstocks  Gekröse.  b Eileiter.  c Trichter  des  Eilei- 
ters, nach  aufsen  vom  Eierstock. 

Fig.  4.  Vorderer  Theil  der  Schwimmblase  von  Polypterus  bichir  von  oben  angesehen. 

a Linke,  b rechte  Schwimmblase.  b Fleischfasern  von  der  untern  Wand  des  Schlundes,  so 
weit  er  die  vordem  Enden  der  Schwimmblase  bedeckt.  c Gemeinschaftliche  Öffnung  der 
Schwimmblasen  in  der  untern  Wand  des  Schlundes.  d Communication  mit  der  rechten 
Schwimmblase.  c"  Kleinere  Communication  mit  der  linken  Schwimmblase.  d Sphincter 
und  Kreuzung  der  Muskelfasern  hinter  der  Öffnung,  e Muskulatur  der  Schwimmblasen,  die 
ganz  von  schief  verlaufenden  Muskelschleifen  eingeschlossen  sind. 

Fig.  5 bis  8 stellen  die  unpaaren  untern  Schlundknochen  der  Scomberesoces  vor. 

Fig.  5 von  Belone  vulgaris. 

Fig.  6 von  Exocoetus  volitaus. 

Fig  7 von  Hemiramphus  longirostris. 

Fig.  8 von  Sairis  nians. 


Zu  Llt^rni  Müllers  Al)ii . über  die  (laiioideii.  Jalirü..  lell.  r 


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