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Ueber
intraabdominale (retroperitoneale)
Hernien und Bauchfelltaschen
nebst einer
Darstellung der Entwicklung peritonealer
Formationen.
Yon
Dr. med. 6. Broesike
Custos und 1. Assistent am I. Kgl. anatom. Institut zu Berlin.
BERLIN 1891.
FISCHER’s MEDICINISCHE BUCHHANDLUNG
H. Kornfeld.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung 1
I. Allgemeines über die Entwickelung des Peritoneum 13
II. Das For. Winslowii und seine Hernien 33
III. Der Eec. intersigmoideus und seine Hernien 35
a) Der Eec. intersigmoideus 35
b) Die Herniae intersigmoideae 44
IY. Die pericaecalen Bauchfelltaschen und Hernien 52
_a) Pericaecale Eecessus 52
m) Pericaecale Hernien 66
Y. Die Eec. und Herniae duodeno-jejunales und duodenales 77
a) Die Eec. duodeno-jejunales und duodenales 77
b) Die Hernia duodeno-jejunalis 122
YI. Der Eec. und die Hernia parajejunalis s. meseuterico-parietalis . . 136
a) Der Eec. parajejunalis 136
b) Die Hernia parajejunalis 159
Schlussbemerkungen 195
Alphabet. Literaturverzeichniss 202
Druck von W. & S. Loowentkal, Berlin C., Grlin-Strasse 4.
Wm bekannt hat zuerst Treitz1) im Jahre 1857 darauf auf-
merksam gemacht, dass in eine bereits früher von Huschke be-
schriebene, links von der Flexura duodeno-jejunalis gelegene und
von Treitz als Fossa duodeno-jejunalis bezeiclmete Bauchfell-
tasche unter gewissen günstigen Umständen eine oder mehrere
Dünndarmschlingen hineintreten können, welche dann bei abnormer
Schlaffheit des Bauchfells die Wände dieser Tasche auch noch
weiter ausdehnen und sogar ins retroperitoneale Bindegewebe hinein-
dringen können, wenn durch gewisse Momente, wie z. B. eine
verstärkte Wirkung der Bauchpresse, eine stärkere Ausdehnung der
Därme durch Gas oder Nahrungsmittel, anhaltende und gleich-
mässige Erschütterungen des Körpers ein stärkerer Druck auf die-
selben zu Stande kommt. Treitz bezeiclmete derartige, in der
Fossa duodeno-jejunalis gelegene Hernien — von denen er eine
beträchtliche Anzahl eigener und auch fremder Fälle aufzählt —
als retroperitoneale, weil, wie er selbst sagt (loc. cit. p. 102),
„ihr Hernialsack unter allen Verhältnissen im retroperitonealen
Bindegewebe eingebettet bleibt“. Er bezeichnet zugleich zwei
andere Stellen am Peritoneum, welche vermöge ihrer Conformation
zur Entstehung von analogen Hernien disponiren, nämlich die Fossa
intersigmoida und die Fossa subcoecalis: allerdings beschreibt er
die letztere nicht präcise genug, als dass man sich ein Bild davon
machen könnte, welche von den vielen in der Nähe des Coecum gele-
genen Gruben er gemeint hat. 2) Auch erwähnt dieser Autor einige
') Treitz, Hernia rctroperitonealis. Prag 1857. P. A. Credner.
2) Treitz sagt hierüber (p. 108): „Ueberhanpt tritt diese Grube in
so vielfältigen Varietäten auf, dass sich nicht leicht eine Beschreibung der-
selben geben lässt, die für alle Fälle passen würde.“ Indessen sind diese von
ihm sogen. Varietäten nichts anderes als völlig von einander verschiedene
Arten von pericoecalen Gruben, von denen bald die eine bald die andere Art
fehlen kann, wie dies bekanntlich später seitens anderer Autoren festgestellt
worden ist.
1*
4
Fälle aus der Literatur, von denen er glaubt, dass sie als Brüche
zu deuten seien, welche in die Fossa intersignioida oder subcoecalis
eingedrungen waren. Alle drei Arten von Brüchen, die Hernia
duodeno-jejunalis, intersigmoidea und subcoecalis fasst Treitz unter
der Bezeichnung wahre innere Unterleibshernien zusammen,
weil „ihr Sack, wegen Lage des Annulus im Innern der Bauch-
höhle, unter allen Umständen in der Bauchhöhle verbleiben muss.“
Im Gegensatz dazu bezeichnet er als äussere Unterleibsher-
nien alle diejenigen Hernien, deren Sack, wie er sagt, „aus der
Bauchhöhle hervorgetreten ist oder hervortreten könnte — und
dieses hängt zum Theil von seiner Ausdehnung, hauptsächlich aber
davon ab, ob der Annulus in der Bauchwand gelagert ist.“ Endlich
versucht der genannte Autor in seiner grundlegenden Arbeit unter
Bezugnahme auf die Entwickelungsgeschichte auch eine Erklärung
für die Genese der von ihm bezeichneten Peritonealtaschen zu geben.
Seit der Publikation von Treitz sind nun eine ganze Anzahl
von Arbeiten über denselben Gegenstand erschienen. Zahlreiche
neue Fälle von sogenannten Retroperitonealhernien sind beschrieben,
die Peritonealtaschen sind gründlich studirt, endlich ist auch auf
die Genese normaler und abnormer Peritonealformationen überhaupt
an vielen Punkten neues Licht geworfen worden. Unter den wich-
tigen Arbeiten, welche dieses Gebiet berühren, ist zunächst die-
jenige von Waldeyer1) zu nennen, welcher das Verdienst hat, die
Peritonealtaschen und ihre Varietäten zuerst in besonders klarer
und umfassender Weise geschildert zu haben. Von der grössten
Wichtigkeit für das Verständnis der Genese von peritonealen Bil-
dungen sind ferner drei Arbeiten von Toldt: in der ersten2)
begründet derselbe ausführlich die vor ihm von anderen Autoren
entweder nur kurz angedeutete oder vermuthungsweise ausge-
sprochene Annahme, dass die bleibende Lagerung der Baucheinge-
weide und die definitive Gestaltung ihrer Gekröse in erster Linie
von der verschiedenen Wachsthumsenergie der einzelnen Theile, in
zweiter Linie aher davon abhängig ist, dass in sehr ausgedehntem
Grade beim Embryo, in beschränktem Maasse aber auch beim Er-
wachsenen ursprünglich freie, vom Peritoneum bekleidete Ober-
1) Waldeyer, Hernia retroperitonealis nebst Bemerkungen über die Ana-
tomie des Peritoneum Virchow’s Archiv Bd. 60, Berlin 1874.
2) Toldt, Bau- und Wachsthumsveriinderungen der Gekröse des mensch-
lichen Darmkanals. Denkschr. d. kais. Akad. d. Wissenschaften, math. naturw.
Classe Bd. 41 (1879), 2. Abth., S. 1.
flächen von benachbarten Baucheingeweiden und Gekrösen auf
völlig physiologischem Wege mit einander verwachsen können.
Ein zweite kleinere Mitteilung1) beschäftigt sich im Speciellen mit
dem sogen. Recessus duodeno-jejunalis. In einer dritten Arbeit2)
endlich macht er alsdann gewissermaassen die Probe auf seine
Theorien über die Entstehung peritonealer Formationen, indem er
einerseits versucht, an der Hand dieser Theorien für eine grosse
Anzahl von hochgradigen Anomalien der Gekröse und Netze be-
friedigende genetische Erklärungen beizubringen, andererseits für
seine früheren Darstellungen durch Untersuchungen an mensch-
lichen Embryonen und Säugetieren neue Beweismittel bringt.
Wenngleich in diesen Arbeiten nur die Genese der Peritoneal-
taschen eine Berücksichtigung erfahren hat, während der Autor
auf diejenige der sogen, retroperitonealen Hernien gar nicht
eingeht, so betone ich doch die Wichtigkeit der Toldt’schen
Publicationen gerade deswegen ganz besonders, weil mir scheint,
dass ihre Bedeutung für das richtige Verständuiss jeder Art von
peritonealen Bildungen selbst bis in die neueste Zeit hinein noch
immer nicht genügend gewürdigt ist. Endlich hat in der aller-
letzten Zeit Jonnesco3) eine sehr fleissige und umfangreiche
Arbeit publicirt, welche die Lehre von den sogen, retroperitonealen
Hernien und ihren Bildungsstätten in umfassendsterWeise behandelt.
Diese Arbeit hat vor allen Dingen das Verdienst, dass in der-
selben sämmtliche, bisher in der Literatur veröffentlichte Fälle
von derartigen Hernien übersichtlich und in grösster Vollständigkeit
zusammengestellt und kritisch analysirt werden. Insbesondere wird
auch ihre klinische Bedeutung, Diagnostik und Behandlung in sehr
klarer und zutreffender Weise eingehend erörtert. Indessen auch
die peritonealen Gruben und Taschen sind in Bezug auf ihre Ge-
nese und Gestaltung auf Grund von eigenen und 'fremden Be-
obachtungen so sorgfältig studirt , dass man glauben könnte,
es sei nach dieser Publication kaum noch möglich, diesem ganzen
*) Toldt, Zur Charakter, und Entstehung d. Rec. duodeno-jejunalis.
Prager medic. Wochenschrift 1879, No. 23.
2) Toldt, Die Darmgekröse und Netze im gesetzmässigen und im gesetz-
widrigen Zustand. Denkschr. d. kais. Akad. d. Wissenschaften, math. naturw.
Classe Bd. 56 (1889).
3) Jonnesco, Hernies int. retro-peritoneales ou hernies formees dans les
fossettes normales du peritoine. Paris 1890, edit par Cr. Steinheil. 304 Seiten.
G
Gebiete neue Seiten abzugewinnen. Nichtsdestoweniger hohe ich
in meiner vorliegenden Arbeit auf Grund einer Nachprüfung der
Toldt’schen Untersuchungen und einer grossen Anzahl von eigenen
Beobachtungen nicht allein betreffs der Genese und anatomischen
Beschaffenheit der Peritonealtaschen, sondern auch betreffs der
Entstehung und Classification einer gewissen Zahl dieser sogen,
retroperitonealen Hernien neue Gesichtspunkte aufstellen und unter
dem bereits Bekannten manche Unklarheit und Verworrenheit
kritisch sichten zu können.
Von einer ausführlichen Besprechung der auf dieses Gebiet
bezüglichen Literatur glaube ich um so eher absehen zu können, als
in den eben citirten Arbeiten, insbesondere aber von Jonnesco,
wohl sämmtliche hierhergehörigen Publicationen aufgezählt und zum
grössten Theil eingehend gewürdigt sind. Ich kann mich daher
darauf beschränken, einfach auf dieselben hinzuweisen.
Bevor ich mich zu meiner eigentlichen Aufgabe wende, kann ich
jedoch nicht umhin, einige terminologische Erörterungen über
den Gegenstand derselben vorauszuschicken. Wie ich bereits er-
wähnt habe, hat Treitz die Bezeichnung „Hernia retroperitonealis“
zunächst nur für diejenigen Brüche gebraucht, welche in die Fossa
duodeno-jejunalis eiutreten. Die Hernien der Fossa subcoecalis
und Fossa intersigmoidea dagegen bezeichnet dieser Autor nur als
Analoga der Hernia retroperitonealis1). Alle drei Arten von Hernien
fasst er dagegen unter der Bezeichnung „wahre innere Unterleibs-
hernien (Herniae abdominales internae verae)“ zusammen. Nichts-
destoweniger haben fast alle Autoren nach Treitz die Bezeich-
nungen „Herniae retroperitoneales “ und „Herniae abdominales
internae verae“ identificirt.2) Auch Jonnesco (loc. eit.) steht
zie'mlich auf demselben Standpunkt, indem er sämmtliche in normalen
J) Ich glaube dies Jonnesco, welcher hierüber seine Verwunderung
äussert, dahin erklären zu können, dass der einzige, von Treitz als sicher
angesehene Fall einer Hernia subcoecalis, derjenige vonSnow, wohl schon von
Treitz als eine Hernie des Recessus ileo - coecalis inf. Waldeyer (Fossette
ileo-appendiculaire Jonnesco) angesehen wurde und demgemäss auch in der
That mit dem retroperitonealen Bindegewebe kaum etwas zu thun hat. während
andererseits die Fossa intersigmoidea nach der Ansicht von Treitz zwischen
beiden Blättern des Mesocolon sigmoideum gelegen ist und somit eine Hernia
intersigmoidea wohl zunächst zwischen diese beiden Blätter, aber nicht ins retro-
peritoneale Bindegewebe eindringen könnte.
2) Ich sehe hierbei von den monströsen Bezeichnungen W. Grub er ’s ab,
weil dieselben doch nirgends Anklang gefunden haben.
7
Peritonealtaschen entstehenden Hernien „Hernies internes retroperi-
toneales“ benennt und in folgende vier Kategorien eintlieilt: 1) Her-
nies duodenales , 2) Hernies pericaecales, 3) Hernie intersif/moide,
4) Hernie ä travers Vliiatus de Winsloiv. Nach dem eben ge-
nannten Antor zeigen alle diese Hernien folgende principalen Kenn-
zeichen: a) sie sind von einer veritablen peritonealen Umhüllung
bekleidet: b) sie haben ihren Sitz im Cavum abdominis; c) sie ent-
wickeln sich in das retroperitoneale Bindegewebe hinein; d) sie
bilden sich in einer praeexistirenden normalen Peritonealtasche.
Gegenüber dieser Nomenclatur und Classification lassen sich jedoch
schwerwiegende und wohlbegründete Bedenken erheben. Ich will
zunächst vorausschicken, dass ich mit Gr über, Rokitansky
und Jonnesco vollständig übereinstimme, wenn sie die Hernie
des For. Winsknvii zu den wahren inneren Abdominalhernien
rechnen. Bekanntlich hatte Treitz (loc. cit. p. 103) diese Bruch-
art überhaupt nicht als innere Hernie gelten lassen wollen, da, wie
er sagt, „sich hier die Gedärme bloss in eine offene Spalte ein-
schieben und die Bildung eines besonderen Hernialsackes nicht
stattfindet“. Indessen hat schon Grub er ganz richtig darauf
hingewiesen, dass man nach diesem Raisonnement mit genau dem-
selben Rechte die angeborenen Leistenbrüche von der Kategorie
der äusseren Abdominalhernien ausschliessen müsste, weil sie eben-
falls in einen bereits präformirten Bruchsack, den Proc. vaginalis
periton ei, hineingleiten.1) Wenn wir aber auch die Hernie des
Winslow'schen Loches zu den inneren Abdominalhernien rechnen
müssen — nie und nimmer können wir dieselbe als retroperi-
toneal weder in dem Treitz'schen noch in irgend einem anderen
Sinne bezeichnen. Wer dies tliut, wie z. B. Jonnesco, wider-
spricht sich selbst, denn weder von der Bursa omentalis noch von
einer in dieselbe hineintretenden Darmschlinge kann man sagen,
dass dieselben sich irgendwie ins retroperitoneale BindegeAvebe
hinein drängen. Ebenso kann man eine Hernie des Recessus ileo-
coecalis inferior (Fossette ileo-appendiculaire von Jonnesco) als
0 Wenn also Treitz (1. c. p. 102) sagt, dass „für das Wesen einer Hernie drei
Cardinalbedingungen unablässig sind: ein Ring, ein Sack und ein dislocirtes
Eingeweide,“ so ist dies ganz richtig — nur muss hinzugefügt werden, dass der
Bruchsack bereits vor Entstehung der Hernie praeexistiren kann, ohne irgend
welche Eingeweide in sich aufgenommen zu haben. Es ist durchaus nicht noth-
wendig, dass das Eingeweide sich seinen Bruchsack Avährend seiner Dislocation
selbst bildet.
8
retroperitoneal ansehen, denn der Grund dieser Tasche, auf den die
eingedrungene Hernie zunächst stösst, ist die Darmwand (die TJeber-
gangsstelle zwischen dem Ileum und Coecum) und bei einer etwaigen
Vergrösserung würde ein solcher Bruch zunächst zweifellos die
Plica ileo-coecalis lind das Mesenteriolum des Propessus vermiformis
ausdehnen, ohne sich ins retroperitoneale Bindegewebe hineinzu-
schieben. Ja es erscheint fraglich, ob dies selbst dann geschehen
würde, wenn der Bruch sich in sehr hohem Grade vergrösserte.
Indessen auch für diePossa duodeno-jejunalis muss ich Landzert1)
(cf. p. 46) wenigstens in der Beziehung beistimmen, dass eine in
diese Tasche eintretende Hernie zunächst wohl nur ihre vordere
Wand, d. h. die Plica duodeno-jejunalis ausdelmen könnte, ohne
das parietale Peritonealblatt abzulösen und ins retroperitoneale
Bindegewebe einzudringen. Erst bei stärkerer Vergrösserung würde
eine solche Hernie retroperitoneal werden. Ganz dasselbe gilt aber
schliesslich auch für jede andere Bauchfelltasche, wenn nur die
Bruchpforte genügend eng und der Binnenraum der Tasche ge-
nügend weit ist, um eine kleine, in dieselbe eintretende Darm-
sclilinge dauernd aufzunehmen. Wenn endlich — wie in dem von
Landzert (p. 35) beschriebenen Falle — eine unzweifelhafte, sehr
grosse Hernia duodeno-jejunalis sich fast gänzlich zwischen die
beiden Blätter des Mesocolon transversum hineingelagert
hat2), so ist damit der Beweis geliefert, dass selbst für grosse der-
artige Brüche unter Umständen die von Treitz vorgeschlagene Be-
zeichnung einer Hernia retroperitonealis in keiner Weise aufrecht
erhalten werden kann.
1) Betreffs dieser und aller übrigen in dieser Arbeit citirten Autoren ist
das alphabetische Inhaltsverzeichnis am Schluss des Werkes nachzu-
sehen. Die Seitenzahl bezieht sich stets auf das Werk des betreffenden Autors.
Wo sich dieselbe auf meine Arbeit bezieht, ist dies durch die Buchstaben d. A.
bezeichnet.
2) Ich kann nicht umhin, hier auf den unlösbaren Widerspruch aufmerksam
zu machen, welcher zwischen dem S. 47, Fig. 5, von Landzert gegebenen Schema
und der auf Taf. I, Fig. 4 befindlichen Abbildung seines Falles besteht. Nach
dem Schema würde sich das Colon transv. entweder gar nicht nach oben hiuüber-
legen lassen oder es müssten dann die im Bruchsack enthaltenen Dünndarm-
schlingen frei zu Tage treten. Auf Fig. 4 sehen wir aber das Colon transversum
nach oben zurückgelegt und trotzdem fast den ganzen Dünndarm im Bruchsack
stecken. Nach dem Schema bildet ferner das untere Blatt des Mesocolon den
Bruchsack, nach Fig. 4 ist der Bruchsack zwischen beido Blätter des Mesocolon
transv. eingelagert. S. 35 sagt Landzert: „Der obere Theil (des Sackes)
liegt im Mesocolon transversum, während der untere Theil in das Mesocolon
9
Ziehe icli also das Facit der vorstehenden Betrachtungen, so
lässt sich sagen, dass der Bruchsack einer Hernia abdominalis
interna vera durchaus nicht immer in das retroperitoneale Binde-
gewebe eingelagert zu sein braucht, wenngleich sich derselbe unter
Umständen in das letztere hineindrängen kann. Consequenter
Weise können wir also nicht jede derartige Hernis als retro-
peritoneal bezeichnen. Da sich aber der langgedehnte und dabei
immer noch nicht einmal sehr präcise Ausdruck „Hernia abdomi-
nalis interna vera“ bisher in keiner Weise einzubürgern vermocht
hat, so möchte ich mir den Vorschlag erlauben, ihn durch einen
kürzeren, das Wesen der Sache viel besser bezeichnenden zu er-
setzen und eine solche Hernie einfach als intraabdominal
oder auch in tra ventral zu bezeichnen. Wie wir unter der Be-
zeichnung Thorax (im engeren Sinne) nur die Brustwandungen
verstehen und die beiden serösen Säcke, das Pericard und die
Pleura, trotz ihrer theilweisen Verwachsung mit den letzteren be-
reits zu den Brusteingeweiden rechnen, so werden auch seit Alters-
her unter der Bezeichnung Abdomen s. Venter (im engeren Sinne) nur
die Wandungen des Bauches verstanden, insoweit dieselben durch
die Knochen und Bänder der Wirbelsäule und des Beckens, durch
die Bauch- und Hüftmuskeln, das Zwerchfell und das Diaphragma
pelvis, endlich durch die zu den letztgenannten Muskeln gehörigen
Fascien gebildet werden. Das Peritoneum würde dagegen schon
zu den Baucheingeweiden gehören und somit in der Bauchhöhle,
im Cavum abdominis gelegen sein. Intraabdominale Hernien
sind somit alle diejenigen, deren Bruchpforte im Cavum abdominis
gelegen ist und welche unter keinen Umständen, selbst bei stärkster
\ ergrösserung aus dem Cavum abdominis heraustreten können.
Auch werden die Bauchwandimgen durch diese Brüche niemals
alterirt. Als extraabdominale Hernien (äussere Unterleibs-
hernien) würden im Gegensatz dazu alle diejenigen Brüche zu be-
zeichnen sein, deren Annulus in der Bauchwand liegt und deren
descendens fast bis zum Promontorium sich herabsenkt“; das letztere stimmt
aber in keiner Weise mit Tafel I, Fig. 4, überein. Bei diesen Widersprüchen
ist es nur möglich, sich nicht an das Schema sondern an die Originalabbildungen
auf Taf. I, Fig. 3 und 4, zu halten, welche übrigens aufs Deutlichste zeigen, dass
der Bruch sich zwischen die Blätter des Mesocolon transv. eiugelagert hat. Ich
bemerke dabei, dass ich der Einfachheit wegen für diese Betrachtung an dem
letzteren nur zwei Blätter angenommen habe, ein oberes, welches in den Saccus
epiploicus sieht, und ein unteres, welches die Dünndärme bedeckt.
10
Sack aus der Bauchhöhle hervorgetreten ist oder wenigstens hervor-
treten könnte. Da es nun aber gewisse Hernien giebt, deren
Bruchpforte zwar in den Abdominalwandungen gelegen ist, welche
aber nicht durch die letzteren hindurchtreten, sondern sich zwischen
die einzelnen Elemente oder Schichten derselben hineinschieben,
so wäre man gezwungen, neben den beiden letztgenannten Arten
von Brüchen noch eine Zwischenstufe anzunehmen, welche man
Herniae inte r abdominales benennen könnte. Als retroperito-
neal würden, aber nur diejenigen Herniae intraabdominales zu be-
zeichnen sein, deren Bruchsack sich bei weiterer Yergrösserung
in das retroperitoneale Bindegewebe vordrängt, indem er dabei
das parietale Blatt des Peritoneum von der hinteren Bauchwand
ablöst.
Unter den intraabdominalen Hernien müssen wir nun wiederum
zwei sehr wesentlich von einander verschiedene Kategorien aus-
einander halten. Die erste Art verdankt ihre Entstehung in letzter
Linie irgend welchen pathologischen Vorgängen; in diese Kate-
gorien würde z. B. eine Hernie gehören, welche dadurch entstan-
den wäre, dass sich in eine durch peritonitische Vorgänge gebildete
Peritonealtasche Darm tli eile hineingeschoben haben. Hierher würden
auch diejenigen Hernien zu rechnen sein, welche das Endergebnis
einer Beduction en niasse von ursprünglich extraabdominal gele-
genen Hernien darstellten u. a. m. Die zweite Kategorie von
intraabdominalen Hernien hat primär mit der Pathologie nicht das
Mindeste zu thun; sie entwickeln sich in Peritonealtaschen, welche
auf völlig physiologischem Wege entstanden sind. Jonnesco
characterisirt diese Kategorie als Hernien, welche sich „in einer
normalen praeexistirenden Tasche des Peritoneum“ bilden. Nach
den bisherigen Anschauungen über die Entstehung dieser Hernien
wäre diese Definition zweifellos richtig. Indessen gedenke ich in
dieser Arbeit weiterhin zu zeigen, dass ein Theil dieser Hernien
in abnormen Peritonealtaschen seine Entstehung nimmt, d. h. in
Taschen, welche zwar auf völlig physiologischem Wege entstanden
sind, welche man aber doch wegen ihrer Seltenheit ebensowenig
wie einen dritten Kopf des Biceps oder ein offen gebliebenes For.
ovale als etwas Normales bezeichnen kann. Ich möchte somit die
von Jonnesco gegebene Definition dahin erweitern, dass ich zu
dieser Kategorie alle diejenigen Hernien rechne, welche sich in
normalen oder abnormen Peritonealtaschen entwickeln, insoweit
die letzteren auf physiologischem Wege entstanden sind. Nur
11
* diese Art von Brüchen soll in meiner vorliegenden Arbeit Erörterung
finden. Die genauere Bezeichnung der einzelnen Arten von Intra-
abdominalhernien kann sich selbstverständlicherweise nur nach der
primären Eintrittspforte richten;1) etwaige Organe, welche die letztere
bilden, werden uns oft genug allein über die Entstehungsart der-
artiger Brüche zur Klarheit verhelfen. Wohin sich dann eine solche
Hernie bei weiterer Vergrösserung begiebt, ob ins retroperitoneale
Bindegewebe oder zwischen die beiden Blätter eines freien Ge-
kröses oder an irgend eine andere Stelle, kann für ihre Benennung
immer erst in zweiter Linie maassgebend sein, weil alle diese Dinge zu
flüssig, zu sehr von individuellen anatomischen V erhältnissen abhängig
sind. Nur die Elemente, welche die Bruchpforte constituiren,
müssen trotz aller etwaigen Dehnungen, Zerrungen und Loco-
motionen schliesslich immer dieselben bleiben, nichtiger gesagt, wie
sehr sich auch eine solche Bruchpforte vergrössert, wir müssen
wenigstens an einem bestimmten Abschnitt ihres Umfanges immer die-
jenigen Elemente wiederfinden, durch welche sie ursprünglich formirt
war. Ich möchte endlich noch einen Punkt betonen. Wenn Treitz
(loc. cit. p. 11) sagt, dass die Anlage zu jeder Hernie drei Be-
dingungen involvirt, nämlich eine nachgiebige Vertiefung des Peri-
toneum, einen resistenten Bing und endlich einen beweglichen
Darm, der gegen diese Vertiefung andringt, so ist darauf zu er-
widern, dass die peritoneale Vertiefung nicht einmal nachgiebig zu
sein braucht, wenn sie nur genügend geräumig ist und wenn nur
der resistente Ring genügend eng ist, d. h. wenn derselbe einen
kleineren Durchmesser als der Hohlraum der Tasche besitzt. Der
Ring muss gerade so weit sein, dass er auf eine eingetretene Darm-
schlinge bei weiterer Volumszunahme der letzteren einen Druck
ausübt, welcher dieselbe in der Bruchtasche zurückhält und auch
bei einer Vergrösserung der Hernie zweifellos eine gewisse Rolle
spielt. Wenn dagegen eine Peritonealtasche eine so grosse Eingangs-
öffnung besitzt, dass Darmschlingen durch die letztere ohne jede
Schwierigkeit ein- und austreten können, so möchte ich den schon
b Schon Treitz (loc. cit. p. 102) sagt dort, wo er die Bezeichnung
Hernia retroperitonealis motivirt: „Vielleicht wäre eine Benennung zweck-
mässiger gewesen, die sich auf die Bruchpforte bezogen hätte; das hat sich aber
nicht machen wollen, ohne zu Missverständnissen Anlass zu geben.“ Ich muss
sagen, ich kann nicht sehen, dass dieser Wog irgendwie zu Missverständnissen
oder falschen Vorstellungen führt: die letzteren entstehen erst, wenn die Hernie
nach der Lage des Bruchsacks benannt wird.
12
von Landzert (p. 47) erhobenen, aber etwas schüchtern ge-
besserten Bedenken aufs Entschiedenste dahin beistimmen, dass
man da nicht von einer Hernie sprechen kann, selbst wenn man
bei Eröffnung der Bauchhöhle in einem solchen Recessus zufälliger-
weise eine oder einige Darmschlingen vorfindet. Sonst müssten
wir es auch eine Hernie nennen, wenn wir im vorderen oder hinteren
Douglas’schen Raum Darmtheile vorfinden, welche sich im Uebri-
gen ganz leicht aus diesen Buchten herausziehen lassen. Doch
muss hierbei bemerkt werden, dass es wirkliche grosse intraabdo-
minale Hernien giebt, bei denen sich ein ursprünglich kleiner
Annulus später durch Dehnung oder theilweise Atrophie seines
Randes so enorm vergrössert zu haben scheint, dass schliesslich
ein Theil der im Bruchsack befindlichen Darmschlingen wieder durch
die Oeffnung zurückfallen konnte. Ja, man kann selbst bei gewissen
grossen leeren Peritonealtaschen im Zweifel sein, ob sie immer so
gross gewesen sind oder ob sie erst durch einen später wieder
herausgefallenen Bruch so ausgeweitet sind. Indessen können der-
artige Fälle au meinen obigen Bemerkungen nichts ändern. Ich
> möchte somit die drei Postulate von Treitz dahin erweitern, dass
der Ring nicht nur resistent, sondern auch von einer gewissen
Enge sein muss, wenn eine Darmschlinge in denselben hineinge-
rathen und sich zu einer Hernie entwickeln soll. Wie wir sehen,
verhalten sich somit die intraabdominalen Hernien in dieser Bezie-
hung anders als die extraabdominalen, bei denen die Grösse der
Bruchpforte eine ganz nebensächliche Rolle spielt. Gehe ich nun
von den eben explicirteu Gesichtspunkten aus, so kann ich die
physiologischen Intraabdominalhernien unter theilweiser Anlehnung
an Jo nn es co in folgende Arten einth eilen: 1) Hernien des
Eor. Winslowi, 2) Herniae intersigmoideae, 3) Peri-
caecale Hernien, 4) Herniae duodeno-jejunales sinistrae
( llernies duodenales gauches von Jonnesco), 5) Herniae para-
jejunales ( Iler nies duodenales droites von Jonnesco).
Bevor ich jedoch zu einer Erörterung dieser Arten von
Hernien und ihrer Bildungsstätten iibergelie, kann ich nicht umhin
einen kurzen Abriss der Entwicklungsgeschichte normaler Peritoneal-
formationen zu geben, wie ich mir dieselbe auf Grund von bereits
bekannten und von eigenen Untersuchungen denke. Wie man,
sehen wird, enthält meine Darstellung im Wesentlichen eine Be-
stätigung der von Toi dt in seiner ersten Arbeit bereits ausführ-
lich dargelegten und begründeten Anschauungen: die mehr unter-
13
geordneten Punkte, in welchen icli von ihm abweiche oder ihn er-
gänze, werden zum Theil noch später ihre Erwähnung finden.
Wenn ich nichtsdestoweniger in dem folgenden Abschnitt Bekanntes
wiederhole, so geschieht es einmal deswegen, weil ich im weiteren
Laufe dieser Arbeit doch nicht selten gezwungen sein werde, auf
die Entwickelungsgeschichte zurückzugreifen und nach diesen all-
gemeinen Erörterungen besser verstanden zu werden hoffe. Anderer-
seits sehe ich z. B. aus einer erst kürzlich erschienenen Arbeit
von Jonnesco1), dass die Toi dt’ sehen Anschauungen, wenn-
gleich hier und da von einzelnen Autoren anerkannt, doch noch
keineswegs allgemein genug gewürdigt sind, als dass sie nicht
eine erneute ausdrückliche Bekräftigung und Bestätigung erfahren
könnten. Mein eigenes Untersuchungsmaterial bezieht sich auf
gegen 50 Embryonen von 1 1/2 Monaten bis gegen Ende der
Schwangerschaft. Für die Zuwendung dieses Materials möchte ich
den Herren Dr. Schmidt, Engel und Vowinkel, sowie insbe-
sondere Herrn Geheimrath Waldeyer meinen besten Dank aus-
sprechen
I. Allgemeines über die Entwickelung des Peritoneum.
Es ist bekannt, dass der Magen-Darmkanal des menschlichen
Embiyo etwa zu Beginn der vierten Woche noch ein annähernd
geradliniges Rohr darstellt, dessen hintere oder dorsale Wand durch
ein median gestelltes, bandartiges, schmales Plättchen, das sogen,
primitive Darmgekröse, mit der Mittellinie der hinteren Rumpf-
wand verbunden ist. Bei dem späteren Magen ist dieses (hintere
oder dorsale) Gekröse an die grosse Curvatur angeheftet. Ausser-
dem ist jedoch die spätere kleine Curvatur des Magens und der
Antangstheil des Duodenum noch mit der oberen und vorderen
Bauchwand durch ein zweites (vorderes oder ventrales) Gekröse
‘J Jonnesco, Anat. topographique du duodenurn et hernies duodenales.
J .logies medical. Paris 1889. Lecrosnier et Babe, p. 22 — 37. In dieser Arbeit
finde ich z. B. zwei Reproductionen aus einem Memoire von Farabeuf (Fig.
10 lind Fig. 11), auf denen der Vorgang der sog „Torsion“ des Dickdarms in
einer Weise dargestellt ist, welche nicht im mindesten den thatsächlichen Ver-
hältnissen entspricht. Auch die Schilderung der Fixation des ursprünglich all-
seitig freien Duodenum und Mesoduodenum an die rechte Hälfte der hinteren
Bauchwand (p. 33) und viele andere Details zeigen, dass Jonnesco die
Toi dt sehen Untersuchungen entweder nicht richtig verstanden oder absichtlich
ignorirt hat, obschon ihm übrigens die Toi dt 'sehe Arbeit wohlbekannt ist.
14
verbunden, in welches die Leber nebst ihrem Ausführungsgang
eingelagert ist und aus welchem sich später das Omentum minus
und die Aufhängebänder der Leber entwickeln. Indessen schon
etwa in der sechsten Woche des embryonalen Lebens sind an dem
ursprünglich geradlinig in der Leibesmitte gelegenen Darmrohr
deutlich drei Abschnitte zu unterscheiden (s. Fig. 1), von denen
der erste dem Verbreitungsbezirk der A. coeliaca, der zweite
demjenigen der A. mesenterica sup., der dritte dem der A. me-
senterica inf. entspricht.
Der erste Abschnitt besteht aus dem Magen und Duo-
denum nebst einem ihnen zunächst noch gemeinsamen Gekröse, dem
sogen. Mesogastrium, welches man somit eigentlich Mesogastrioduo-
denum nennen sollte. Der Magen ist schon der Form nach als solcher
gut erkennbar; seine kleine Curvatur ist nach vorn und rechts,
seine grosse Curvatur nach links und hinten, der Fundus oben und
hinten, der Pylorus annähernd in der Medianebene gelegen. 2) Der
Pylorus geht in das Duodenum über, welches eine mit der Con-
vexität nach rechts und vorn gerichtete Schlinge bildet, in deren
Concavität zwischen den beiden Blättern des Duodenalgekröses
der Kopf des Pancreas eingelagert ist, während sein Körper uud
Schwanz sich weiter nach links und oben in das eigentliche Magen-
gekröse hineinerstrecken. Ebenfalls zwischen den beiden Blättern
des Mesogastrium oberhalb der Cauda pancreatis ist noch die
Milzanlage dicht neben der grossen Curvatur gelegen. Von der
hinteren Bauchwand ist das Duodenum durch die Leber getrennt,
welche überhaupt in dieser Zeit so stark entwickelt ist, dass sie
fast die ganze obere Hälfte des Cavum abdominis einnimmt. Das
Ende des Duodenum, die spätere Flexura duodeno-jejunalis, ist wieder
in der Medianebene gelegen und besitzt gar kein Gekröse; diese
Stelle ist schon sehr frühzeitig unmittelbar an die hintere Rumpf-
wand angeheftet, so dass das Darmrohr hier eine mit der Conca-
vität nach vorn gekehrte Einbiegung bildet.
Der zweite Abschnitt, die von Toldt sogen Nabel-
schleife des Darmes bildet eine langgestreckte Schlinge, deren
vorderes Ende in den Nabelstrang, in eine dort befindliche bucht-
artige Fortsetzung des Cavum peritonei eingelagert ist. Geht man
von der Flexura duodeno-jejunalis ans, so kann man an dieser
‘) Für die Bezeichnungen oben und unten ist der Embryo in aufrechter
Stellung gedacht.
15
Schlinge einen proximalen Schenkel (absteigenden Schenkel von
Toldt), die Umbiegungsstelle und einen distalen Schenkel
(rücklaufenden Schenkel von Toldt') unterscheiden. Beide Schenkel
verlaufen einander parallel durch den Bauchraum und sind
durch ein schmales Gekrösplättchen verbunden, in welchem die
A. mesent. sup. verläuft und dessen schmale Wurzellinie dem-
Schematische Darstellung der Entwicklung des
Peritoneums und Darmkanals nach Toldt aus 6., 8. und
14. Woche des Embryonallebens.
A. Aorta, Ma. Magen, Mi. Milz, P. Pankreas, Z. Zwölffingerdarm (in Fig. 3 vom
esocolon bedeckt) B. Blinddarm, Cd. Colon descendens, F. d. j. Flex. duod.-
jejunais, F. c. s. Flex. coli sin., F. c. d. Stelle d. spät. Flex. coli dextra, F. s.
' ex. sigmoidea, Me. Mesogastrium (in den axialen Theil desselben, der den
voiper und Schweif des Pankreas enthält, eingeschrieben), Z. Gt Duodenum-
anthen des Mesogastrium mit dem Kopf des Pankreas, G. N. Netzantheil des
Mesogastrium Das Mesogastrium enthält in Fig. 1 und 2 die A. coeliaca (roth).
s. Bezuk d. A. mesent. sup., M. c. d. Mesocolon decendens mit d. A. mesent.
inf., ch Ductus ckoledochus.
gemäss auch dem Ursprung dieser Arterie an der hinteren
Rumpfwand entspricht. Dabei ist schon relativ früh der proximale
Schenkel mehr links gelegen, so dass in Folge dessen die ganze
16
Nabelschleife nebst ihrem Gekröse nicht eigentlich in einer sa-
git.talen, sondern mehr in einer horizontalen Ebene steht. Die
Nabelschleife entspricht dem Jejunum, Ileum, Coecum, Colon as-
cendens und Colon transvemim. Die erste Anlage des Coecum
und Proc. vermiformis ist durch einen kleinen Buckel markirt, welcher
sich am vorderen Theil des distalen Schenkels befindet. Dem Dünn-
darm gehören somit der ganze proximale und der Anfangstheil des
distalen Schenkels an, dem Dickdarm der Rest des distalen Schen-
kels. Der Dünndarmabschnitt der Nabelschleife ist somit schon
jetzt relativ gross, der Dickdarmabschnitt derselben relativ klein.
Mittelst einer neuen, ziemlich scharfen, dicht neben lind links von
der Flexura duodeno-jejunalis gelegenen Krümmung geht die Nabel-
schleife in das sogen. Endstück des Darmes über. Diese
Krümmung ist die spätere Flexura coli sin. s. lienalis.
Der dritte Abschnitt des Darmrohres, das eben erwähnte
Endstück, ist zunächst nur mittelst eines kurzen Gekröses an
die Medianlinie der hinteren Bauchwand befestigt und entspricht
dem Colon descendens, S romanum und Rectum. Dieser Abschnitt
bildet somit den Gekrösbezirk der A. mesenterica inf.
Im weiteren Laufe der Entwickelung gehen nun an den
Bauchorganen eine Anzahl von Veränderungen vor sich, welche
im wesentlichen darauf zurückzuführen sind, dass diese Organe un-
gleichmässig wachsen. Da die letzteren aber gezwungen sind,
sich in einem beschränkten Raume, dem Cavum abdominis, einan-
der zu adaptiren, so resultireu hieraus auch gewisse Lageverände-
rungen derselben, welche ich nach einander beschreiben will, ob-
schon dieselben natürlich grösstenteils nebeneinander verlaufen.
Zunächst wendet sich der schon im vorigen Entwicklungsstadium
als ein wenig schiefstehend beschriebene Magen mit seiner ursprüng-
lich nach hinten gerichteten grossen Curvatur mehr nach links
und vorn, so dass seine linke Fläche gänzlich zur vorderen, seine
rechte zur hinteren wird. Diese Locomotion ist natürlich Hin-
unter der Bedingung möglich, dass sich auch das Mesogastrium
zwischen seinen beiden Ansatzlinien an der Wirbelsäule und an der
grossen Curvatur erheblich verbreitert hat. In der That schreitet
das Wachsthum des Mesogastrium mehr und mehr fort, bis
dasselbe schliesslich einen in sagittaler Richtung abgeplatteten,
mit dem blinden Ende nach links und unten gerichteten Sack
bildet , welcher die erste Anlage des künftigen Saccus epi-
ploicus darstellt. An diesem Sack kann man nun eine hintere
17
(dorsale) und eine vordere (ventrale) Wand unterscheiden. Die
hintere Wand geht von dem medianen Rumpfansatz des Meso-
gastrium bis zur Milz, dem unteren Rande des Pankreas und dem
blinden Ende des Sackes und liegt somit dem parietalen Peritoneal-
blatt der linken Hälfte der hinteren Bauchwand lose an. Die
vordere Wand erstreckt sich wiederum von der Milz, dem Pankreas
und dem blinden Ende des Sackes bis zum Ansatz an die grosse
Curvatur und entspricht somit ungefähr dem, was später als grosses
Netz, Omentum majns, bezeichnet wird. Schon im dritten Monat
lässt sich der ebenerwähnte mesogastrische Sack ganz ebenso wie
der spätere Netzbeutel aufblasen. Man constatirt alsdann, dass
nicht nur die vordere, ventrale, sondern auch die hintere, dorsale
Wand allseitig frei ist, d. h. die hintere Wand ist nur in der
Medianlinie der hinteren Rumpfwand, die vordere nur an der grossen
Curvatur des Magens befestigt. Der untere und laterale Rand der
dorsalen Sackwand sind es, welche die Milz, das Pankreas und
die am oberen Rande des letzteren dahinziehenden Milzgefässe ent-
halten. Während nun der Magen mit seiner grossen Curvatur eine
Wendung nach links und vorne macht, wendet sich das Duodenum
nebst dem in seinem Gekröse enthaltenen Pankreaskopf im Gegen-
theil allmählich mit seiner Convexität nach rechts und hinten,
wobei jedoch sein oberes und sein unteres Ende annähernd in der
Medianlinie verharren. Diese Wendung ist, beiläufig gesagt, im
wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die ursprünglich mit ihrem
hinteren Abschnitt zwischen das Duodenum und die hintere Bauch-
wand eingeschobene Leber in ihrem Wachsthum gegen die übrigen
Bauchorgane nicht unerheblich zurückbleibt, während sich anderer-
seits Darmschlingen zwischen das Duodenum und die vordere
Bauchwand einschieben. Das Endresultat dieser Wendung ist, dass
die ursprünglich rechte Fläche des Duodenum und Pankreaskopfes
sich mehr und mehr der rechten Hälfte der hinteren Bauchwand
nähert, bis sie die letztere schliesslich (und zwar zuerst mit ihrem
untersten Abschnitt) berührt.
Indessen von noch grösserer Wichtigkeit für das Zustandekommen
der bleibenden intraabdominalen Lageverhältnisse ist das Aveitere
Wachsthum der Nabelschleife. Hier findet nämlich in dem
Dünndarm ab schnitt schon ziemlich früh eine relativ starke Prolife-
ration statt, welche sich darin äussert, dass zuerst an dem Scheitel,
dann am proximalen Schenkel der Schleife bogenförmige Schlingen
auftreten, von denen noch gegen Ende des zweiten Monats einzelne
ßroesike, Hernien. 2
18
in der Nabelschnur gelegen sind. Das Wachsthum dieser Dünndarm-
schlingen macht so energische Fortschritte, dass sie sehr bald ein
ansehnliches Convolut bilden, welches den untersten Abschnitt des
Bauchraumes fast vollständig einnimmt. Der Dick dann ab schnitt
der Nabelschleife dagegen wächst nur in sehr geringem Grade und
bleibt demgemäss auch noch lange Zeit gerade gestreckt. Die Folge
dieses verschiedenen Wachstlmms der beiden Abschnitte der Nabel-
schleife ist nun, dass der Dickdarmabschnitt, d. li. also das Stück
vom Blinddarm bis zur Flexura coli sin. durch das Dünndarm-
convolut in die Höhe gehoben wird. Der Blinddarm befindet sich
somit zu einer gewissen Zeit etwas oberhalb des Nabels, wo
er in der Medianlinie der vorderen Bauchwand dicht anliegt:
von hier verläuft der Dickdarmabschnitt der Nabelschleife oberhalb
der Dünndarmschlingen bis zu der mehr nach oben und hinten ge-
legenen Flexura coli sin., um alsdann nach abwärts in das Colon
descendens überzugehen. Hand in Hand mit den eben beschriebe-
nen Wachsthumsveränderungen des Darmtheils der Nabelschleife
geht natürlich auch eine Verbreiterung ihres ursprünglich nur sehr
schmalen Gekrösplättcliens : doch bleibt die ziemlich horizontal ge-
legene, dem Ursprung der A. mesent. sup. entsprechende Wurzel-
linie des letzteren längere Zeit noch sehr schmal, so dass das aus-
gebreitete Gekröse der ehemaligen Nabelschleife dann — wie
Toi dt sehr treffend sagt — einem entfalteten Fächer gleicht, dessen
freier Band von Darmschlingen umsäumt, dessen Stiel an die hintere
Bumpfwand festgeheftet wäre.
Die V eränderungen, welche sich an demEndstückdesD a r m e s
vollziehen, äussern sich neben einem relativ geringen Längen-
wachsthum hauptsächlich in einer Verbreiterung seines Gekröses.
Da sich nun aber die Dünndarmschlingen grössten theils aus dem
schon sehr frühzeitig rechts gelegenen , proximalen Schenkel
der Nabelschleife entwickeln und somit auch zunächst die rechte
Hälfte der Bauchhöhle ausfüllen, so muss das Endstück des Darmes
nebst seinem Gekröse nach links hinübergedrängt werden. Man
kann somit jetzt an diesem Gekröse eine vordere und eine hintere
Fläche unterscheiden, von denen die letztere dem Peritoneum
parietale der linken Hälfte der hinteren Bauchwand unmittelbar
anliegt. Schon ziemlich früh ist in der linken Darmbeingegend
die erste Andeutung der Flexura sigmoidea in Gestalt einer Aus-
biegung wahrzunehmen.
Indessen von noch grösserer Bedeutung für das Zustandekommen
19
der bleibenden Lageverhältnisse in der Bauchhöhle sind eine Anzahl
von physiologischen Verwachsungen zwischen den freien
Flächen von benachbarten Baucheingeweiden und ihren Gekrösen
— Verwachsungen, welche ebenso wie die vorhin geschilderten
Wachstlmms- und Lageveränderungen in völlig gesetzmässiger
Weise verlaufen und sich schon dadurch als etwas durchaus
Normales charakterisiren. Von diesen physiologischen Verlöthungen
war vor den Toldt'scheu Untersuchungen nur wenig bekannt
und das Wenige in keiner Weise genügend gewürdigt. Man wusste
wohl seit Meckel, dass schon während des intrauterinen Lebens
eine bestimmte Partie des grossen Netzes mit der oberen Fläche
des Mesocolon transversum verschmilzt, und dass während des
extrauterinen Lebens der vom Colon transversum nach abwärts
hängende Theil des grossen Netzes und der Processus vaginalis
peritonei durch Verwachsung ihrer Wandungen veröden. Auch
hatte schon Treitz (p. 145) davor gewarnt, jede partielle kleine
Trübung oder Verwachsung bei einem Neugeborenen als Zeichen
einer abgelaufenen Peritonitis foetalis zu betrachten. An anderer
Stelle (p. 7) schreibt er den partiellen oder totalen Verwachsungen
zwischen der Flexura und Plica duodeno-jejunalis ganz ebenso wie
den analogen Vorgängen am Proc. vaginalis peritonei, am Netz-
beutel, oft auch an der Winslow’schen Spalte direct eine physio-
logische Bedeutung zu und erklärt weiterhin auch (p. 149) das
häufige Vorhandensein einer strahligen Narbe an Stelle des Rec.
intersigmoideus als die Folge einer physiologischen Schrumpfung
und Verödung dieser Bauchfelltasche, wie sie besonders bei älteren
Leuten fast regelmässig stattfindet. Sodann hatte noch Langer
(No. 2) für die bleibende Gestaltung des Mesocolon ascendens und
transversum, für die Entstehung des Lig. phrenico-lienale und
plirenico-colicum und für die Entwicklung des Rec. subcoecalis
derartige Conglutinationen postulirt, ohne allerdings seine Ansicht
näher zu begründen. Endlich scheint auch Waldeyer (p. 71)
wenigstens einem Theil der nach diesem Autor nicht selten zwischen
dem Anfangstheil des Jejunum und dem Mesocolon transversum
oder descendens vorkommenden Verwachsungen keine pathologische
Bedeutung zuzuschreiben. Indessen erst Toi dt hat den ausführ-
lichen Nachweis geliefert, dass physiologische Conglutinationen für
die gesetzmässige , normale Entwicklung des Peritoneums und
die bleibende Lagerung der Baucheingeweide von dem entschei-
dendsten Einflüsse sind. Die einzelnen, grösstentheils neben-
o*
20
einander verlaufenden Vorgänge gestalten sich dabei folgender-
maassen.
Die erste, schon im dritten Embryonalmonate auftretende der-
artige Verlöthung findet zwischen der hinteren (dorsalen) Wand
des niesogastrischen Sackes und dem angrenzenden Perito-
neum parietale der hinteren Bauchwand statt und schreitet von der
medianen Insertion des Mesogastrium nach lateral wärts bis in die
Nähe der Milz und nach unten bis zum unteren Rande des Pankreas
fort. Was also beim Erwachsenen als Peritoneum parietale die
hintere Wand des Netzbeutels bildet, ist nicht das primäre Peri-
toneum parietale des Embryo, sondern ein Theil des ursprünglichen
Mesogastrium, welches mit der hinteren Bauchwand verlötliet ist.
Auch der ursprünglich zwischen beiden Blättern des Mesogastrium
gelegene und folglich mit zwei freien Flächen versehene Körper
und Schwanz des Pankreas verwächst an der einen (hinteren)
Fläche mit dem primären Peritoneum parietale der hinteren Bauch-
wand.
Weiterhin verwächst der nach den früheren Auseinandersetzun-
gen zu einer gewissen Zeit hoch oben, links unweit der Median-
ebene gelegene Dickdarmabschnitt der Nabelschleife mit
der ursprünglich linken (späterhin vorderen) Fläche des
Pars descendens duodeni. Die Verwachsungsstelle bildet
später die Flexura coli liepatica s. d extra und theilt somit den
Dickdarmabschnitt der Nabelschleife gewissermaassen in zwei
Stücke, von denen das eine, nach vorn und rechts gelegene, dem
späteren Coecum und Colon ascendens, das andere nach hinten
und links verlaufende, dem späteren Colon transversum entspricht.
Diese Verwachsung ist deswegen von grosser Wichtigkeit, weil
sie nach meiner Ansicht die Hauptursache dafür bildet, dass das ur-
sprünglich dicht neben der Medianebene gelegene Coecum uud Colon
ascendens allmählich eine Locomotion nach rechts erfahren, bei welcher
sich die eben genannten beiden Dickdarmabschnitte zunächst von der
Verwachsungsstelle frei nach abwärts erstrecken. Da, wie vorhin
auseinandergesetzt wurde, das Duodenum nebst seinem den Pankreas-
kopf einschliessenden Gekröse im Laufe der embryonalen Entwick-
lung langsam aus einer nahezu sagittalen in eine frontale Ebene
übergeht und sich somit der rechten Hälfte der hinteren Bauchwand
mehr und mehr nähert, so muss natürlich auch die mit ihm ver-
wachsene Flexura coli sin. allmählich von links nach rechts hinüber-
rücken, wobei das allseitig freie Colon ascendens und Coecum der
21
letzteren folgen. Auch das Colon transversum und sein Gekröse
müssten übrigens unbedingt durch diese Locomotion des Duodenum
nach rechts hinübergezogen werden, wenn nicht diese Tlieile gerade
in dieser Zeit so sehr an Wachsthum zunehmen würden, dass
sie stets sehr bequem die Strecke zwischen der linken Bauchwand
und der Anheftungsstelle der Flexura coli sin. ausfüllen. Uebrigens
verwächst natürlich nicht nur die Flexura coli dextra mit der Pars
descendens duodeni , sondern zugleich auch der Gekrösantheil
des ersteren Darmstückes mit dem unteren Abschnitt der vorderen
(linken) Fläche des Mesoduodenum und somit auch des Pankreas-
kopfes.
Wenn das Duodenum nebst seinem Gekröse die hintere
Bauchwand berührt, so tritt allmählich eine Verwachsung seiner
hinteren (ursprünglich rechten) Fläche mit dem primitiven Peri-
toneum parietale ein. Die Verwachsung beginnt an dem-
jenigen Theil des Duodenum, welcher die Bauchwand zuerst be-
rührt, nämlich an der Pars ascendens und der Pars transversa inf.
desselben1), während die Pars descendens und transversa sup. zu-
nächst durch die zwischengelagerte Leber von der hinteren Bauch-
wand getrennt bleiben. Von den erstgenannten Theilen schreitet
die Verlöthung alsdann längs des Pankreaskopfes und der Pars
descendens duodeni nach aufwärts fort. Schon diese Thatsache
allein widerlegt aufs gründlichste die Annahme (cf. Jonnesco,
No. 1, p. 33), die Anheftung des ursprünglich freien Duodenum
und Mesoduodenum erfolge in der Weise, dass das Peritonealblatt,
welches ihre hintere (rechte) Seite bekleidet, allmählich von diesen
Organen abgelöst und zur Bedeckung anderer Eingeweide, wie z. B.
der rechten Niere verwandt wird. Würde das Duodenum in der
That bei diesem Vorgang einen Theil seiner serösen Bedeckung
an die benachbarten Eingeweide abgeben, so müsste seine Fixation
von der Wirbelsäule an längs des Pankreaskopfes nach later alwärts
fortschreiten; niemals könnte sie aber zuerst an der Pars ascendens
oder sogar an der Pars transversa inf. beginnen und sich von hier
aus im Wesentlichen nach aufwärts auf die Nachbarorgane fort-
setzen.1)
Wenn alsdann das Mesocolon transversum genügend ent-
*) Mit Toldt und Jonnesco bin ich der Ansicht, dass es richtig ist,
am Duodenum eine Pars transv. sup., Pars descendens, Pars transv. inf. und
Pars ascendens zu unterscheiden.
22
wickelt ist, so erfolgt die bereits seit langer Zeit bekannte Ver-
wachsung seiner oberen (vorderen) Fläche mit dem untersten
Tlieil des mesogastrischen Sackes: dieselbe schreitet vom
unteren Rande des Pankreas bis zum Colon transversum fort, so
dass also das Mesocolon transversum des Erwachsenen aus zwei
miteinander verschmolzenen Gekrösplatten , nämlich dem primären
Mesocolon transversum und einem Theile des ehemaligen Meso-
gastrium besteht. Der Rest, d h. fast die ganze vordere Wand
des Sackes, welchen das letztere beim Foetus bildet, wird be-
kanntlich beim Erwachsenen zum Omentum majus , indem die-
selbe noch weiter an Ausdehnung zunimmt und sich schliesslich
vor dem Colon transversum nach abwärts ausbuchtet. Die Ver-
wachsung zwischen dem Mesogastrium und dem Mesocolon er-
streckt sich nach links hin bis zur Flexura coli lienalis und geht
von der letzteren auch auf die linke Rauchwand oder, richtiger
gesagt, auf den Thoraxursprung des Zwerchfells über. Zieht
man beim Neugeborenen oder Erwachsenen die Flexur nach ab-
wärts, so spannt sich die eben erwähnte Verwachsungsstelle in
Gestalt einer scharfen Falte, des Lig. phrenico-colicum oder pleuro-
colicum von der Flexur zum Zwerchfell hinüber. Dieselbe Falte
tritt besonders deutlich hervor, wenu das angrenzende Colon durch
die vergrösserte Milz nach abwärts gedrängt oder vielleicht (in
aufrechter Stellung) durch einen stärkeren Kothinhalt nach abwärts
gezogen wurde. Auch das sogen. Lig. hepatico-colicum scheint
mir (wenigstens in vielen Fällen) lediglich durch eine spätere Ver-
wachsung des rechten Endes des Colon transversum mit der unteren
Leberfläche oder dem Lig. hepato-duodenale zu Stande zu kommen.
Für andere Fälle mag wohl die bereits von Heule1) kurz au-
gedeutete, von Toldt (No. 1, p. 32) genauer präcisirte Anschauung
Gültigkeit haben, dass das Lig. hepatico-colicum nur ein vorge-
wucherter Saum des Lig. hepatico-duodenale ist, welcher mitunter
auf die Flexura coli dextra übergreift. Indessen habe ich auch
einige Male, nach rechts von einem solchen überschüssig entwickelten
Lig. hepato-duodenale und von dem letzteren durch eine grosse Spalte
getrennt, das Lig.hepato-colicum als eine selbständige, directe Verbin-
dung zwischen dem rechten Abschnitt der unteren Leberfläche und
der Flexura coli dextra vorgefunden. Das Lig. hepatico-colicum hing
in diesen Fällen mit der hinteren Bauchwand zusammen. Da soust
‘) Lehrbuch d. Anatomie. II. Aufl. 1873. Bd. II. p. 900.
23
alle peritonitischen Erscheinungen fehlten und die Flexura coli dextra
in der ersten Zeit des Embryonallebens gar keine Beziehungen zu
diesem Theil der unteren Leberfläche hat, während ja später die
Flexur, die Leber und das Lig. hepato-duodenale dicht beisammen
liegen, so glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich die Entstehung des
Lig. hepatico - colicum in diesem Falle auf physiologische Ver-
wachsungen zurückführe. Natürlich kann sich eine derartige
physiologische Adhäsion durch spätere Wucherung zu einem deut-
lichen peritonealen Ligament entwickeln.
Wir haben vorhin gesehen, dass das ehemalige Gekröse
der Nabelschleife zu einer gewissen Zeit seiner Entwickelung
einem entfalteten Fächer gleicht, dessen schmaler, dem Ursprung
der A. mesent. sup. ensprechender Stiel an die hintere Bauchwand
festgeheftet ist, während sein freier Rand derartig von Darm-
schlingen umsäumt wird, dass der kurze Dickdarmabschnitt das
obere Ende dieses Randes, der Dünndarmabschnitt den vorderen,
unteren und hinteren Theil des letzteren einnimmt. Nachdem nun
der Dickdarmabschnitt mit der Pars descendens des Duodenum ver-
löthet Ist, nachdem sich weiterhin das Duodenum nach rechts ge-
wandt und an die hintere Bauchwand angelegt hat, muss sich
auch die ganze rechte Fläche des eben beschriebenen, entfalteten
Fächers der hinteren Bauchwand nähern. Wie sich nun von
der angehefteten Flexura coli hep. aus einerseits das Colon trans-
versum nach links hin mehr in die Länge entwickelt, so ver-
längert sich andererseits auch das frei nach abwärts hängende
Colon ascendens und Coecum mehr und mehr, bis das letztere,
welches ursprünglich dicht unter der Leber gelegen sein kann,
in der Fossa iliaca dextra angelangt ist. Hand in Hand mit
dieser Verlängerung geht nun aber eine Verlöthung des ur-
sprünglich freien Mesocolon ascendens mit dem Peritoneum,
welches den untersten Abschnitt des Duodenalringes und Pan-
kreaskopfes und weiterhin auch die rechte Niere an ihrer Vor-
derfläche bedeckt. An der Vorderfläche des Duodenum und
Pankreaskopfes erstreckt sich diese Verwachsung nach oben
hin bis zu einer Grenzlinie, welche von der fixirten Flexura coli
dextra bis zum oberen Ende der Flexura duodeno - jejunalis ver-
läuft. Wie man sieht, ist diese Grenzlinie nichts anderes als
der rechte Abschnitt der definitiven Insertionslinie des Mesocolon
transversum an der hinteren Bauchwand. Die laterale Ver-
löthuugsgrenze würde späterhin durch das Colon ascendens ge-
24
geben sein. Docli kann selbst beim Kinde sehr häufig nicht allein
das Coecum, sondern auch ein beträchtlicher Theil des angrenzenden
Colon ascendens völlig frei, d. h. nicht mit dem Peritoneum parietale
verlöthet sein. Nach unten erstreckt sich die Verwachsung der fächer-
förmigen Gekrösplatte mit dem rechtsseitigen Peritoneum parietale
meistens bis zu einer schrägen Linie, welche von der Flexura duodeno-
jejunalis längs der Pars ascendens duodeni bis in die Nähe des
Ileocoecalwinkels, d. li. beim Erwachsenen bis in die Fossa iliaca
dextra, reicht. Wie bekannt, ist diese Grenzlinie identisch mit der
sogen. Haftlinie oder Wurzellinie des Dünndarmgekröses. Der von
dieser Haftlinie frei in die Bauchhöhle hineinziehende, nicht an-
geheftete Rest der ehemaligen fächerförmigen Gekrösplatte ist es
dann, welcher später das bleibende Gekröse der Dünndärme, d. li.
des Jejunum und Ileum, bildet.
Werfen wir noch einen Rückblick auf die Loco motionen, welche
das ursprünglich nur sehr schmale Gekrös plättchen der Nabel-
schleife im Laufe seiner weiteren Entwicklung durchmacht und
welche von Toldt als „Rechtswendung der gemeinschaftlichen Ge-
krösplatte“ bezeichnet werden, so können wir dieselben etwa in
folgender Weise schematisiren :
Erstes Stadium: Das Gekrösplättchen steht in der Median-
ebene, besitzt eine rechte und eine linke Fläche, die erste Anlage
des Coecum ist an dem unteren (distalen) Schenkel der Nabel-
schleife wahrzunehmen.
Zweites Stadium: Das Gekrösplättchen liegt in der Hori-
zontalebene, seine linke Fläche ist zur oberen geworden, der distale
Schenkel mit dem Coecum nimmt den linken Theil der Nabel-
schleife ein.
Drittes Stadium: Die Gekrösplatte steht in einer annähernd
sagittalen, vorn ein wenig nach rechts gewandten Ebene, ihre obere
Fläche ist zur rechten geworden, das Coecum nimmt den oberen
Theil der ehemaligen Nabelschleife ein.
Viertes Stadium: Die Gekrösplatte hat sich in eine frontale
Ebene eingestellt, ihre rechte Fläche ist zur hinteren geworden
und hat sich der hinteren Bauchwand angelegt, das Coecum ist am
lateralen Rande derselben gelegen.
Dabei muss jedoch betont werden, dass die eben beschriebenen
Locomotionen nicht etwa Hand in Hand gehen mit einer irgendwie
bemerkbaren Axendrehung des Darmes, weil das untere (distale)
Ende der Nabelschleife (die spätere Flexura coli lienalis) schon
25
frühzeitig, d. h. schon heim Beginn dieser Locomotionen links und
oben von dem oberen (proximaleu Ende) derselben (der Flexura
duodeno-jejunalis) gelegen ist, wie denn überhaupt ein vermehrtes
Längenwachsthum des einen oder anderen Darmtheiles immer zur
richtigen Zeit einsetzt, um eine irgendwie bemerkbare Torsion des
Darmes unmöglich zu machen.
Der letzte typische Verwaclisungsprocess während des Em-
bryonallebens vollzieht sich endlich zwischen dem Mesocolon
descendens und dem Peritoneum parietale der linken Hälfte
der hinteren Bauchwand. Die Verlöthung schreitet hier nicht
von dem medianen Rumpfansatz des absteigenden Colongekröses nach
lateralwärts fort, sondern sie beginnt zuerst an der prominentesten
Stelle der Hervorwölbung, welche durch die linke Niere und Neben-
niere gebildet wird, worauf sich dieser Process von dem oberen
Ende der eben erwähnten Organe weiter nach unten und lateral-
wärts fortsetzt, bis auch das Colon descendens an die hintere Bauch-
wand festgeheftet ist. Erst viel später erfolgt die Anwachsung in
der Furche, welche von dem medialen Rande der linken Niere und
den Lendenwirbelkörpern begrenzt wird. Unterbleibt sie mehr oder
weniger, so entsteht der Recessus intersigmoideus , auf welchen
noch später genauer eingegangen werden wird.
Die in dem Vorstehenden geschilderten Verwachsungsprocesse
sind nun nicht etwa Hypothesen, welche vonToldt und jetzt von
mir aufgestellt sind, um die merkwürdigen Locomotionen der ein-
zelnen Abschnitte des primitiven Darmrohrs zu erklären: nein,
man kann dieselben, wie Toi dt ganz richtig angiebt, ohne Schwie-
rigkeit mit der Lupe oder sogar mit blossem Auge verfolgen, wenn
man nur Gelegenheit hat, eine genügende Anzahl von Embryonen
in verschiedenen Entwicklungsstadien zu durchmustern. Ist die
Verklebung frisch, so lassen sich die beiden verklebten Peritoneal-
platten noch ohne Schwierigkeit auseinanderziehen, wobei man
deutlich sieht, wie sich zwischen denselben viele feine Stränge an-
spannen und bei weiterer Entfernung der Platten von einander
zerreissen.
Die in dieser W eise verklebten Peritonealflächen können nach
ihrer Trennung noch ein völlig glattes, normales Aussehen zeigen.
Ist die Verwachsung älter und seit einiger Zeit stationär geworden,
so sieht man an der Verwachsungsgrenze einen weissliclien, linearen
Streifen, welcher dadurch entstanden ist, dass sich die beiden ver-
schmolzenen Peritonealplatten an dieser Stelle etwas getrübt haben.
26
Lch möchte diesen Streifen als Verl öthungsstreifen oder Ver-
löthungslinie bezeichnen, weil er eine gewisse Aehnlichkeit mit
dem Metallstreifen hat, durch welchen zwei Metallplatten verlöthet
sind. Schreitet die Verwachsung dann an einem solchen Verlöthungs-
streifen weiter fort, so erscheint derselbe in gewissen Abständen
von neuen strangförmigen Adhaesionen zwischen den beiden Peri-
tonealplatten unterbrochen. Besteht endlich eine solche physiolo-
gische Verlüthung bereits seit langer Zeit, so können die beiden
Platten scheinbar continuirlich in einander übergehen, ohne dass
die Verwachsungsstelle durch eine Trübung markirt ist.
Ausser den eben beschriebenen, regelmässig, also typisch ab-
laufenden Verlöthungen kommen beim Embryo noch andere vor,
welche in mehr unregelmässiger Weise und zum Theil nur selten
zur Beobachtung gelangen. Unter denselben erwähnt schon Toi dt
(p. 29) die variabel vorkommende Verwachsung der Flexura duodeno-
jejunalis mit der unteren Fläche des Mesocolon transversum, welche
in die zweite Hälfte der Embryonalperiode fallen muss. Auch
kann ich der Bemerkung von Toldt (No. 1, p. 30) beistimmen,
dass das Coecum gewöhnlich sehr frühzeitig vollständig an die
hintere Bauchwand fixirt ist, wenn es sehr hoch gelegen ist. In-
dessen konnte ich andererseits auch bei einem sechsmonatlichen
Embryo constatiren, dass das bereits normal gelegene Coecum
gänzlich, und der 2 cm lange Proc. vermiformis nebst seinem Mesen-
teriolum mit seiner oberen Hälfte an die hintere Bauchwand ange-
wachsen waren. Die Verlöthungslinie war in diesem Falle ganz
deutlich ausgeprägt. Sodann möchte ich erwähnen, dass ich bei
einem fünfmonatlichen Embryo und bei einem neugeborenen Kinde
den stark entwickelten, langen Proc. vermiformis nach aufwärts ge-
schlagen und ihn selbst sowie sein Mesenteriolum grösstentheils
mit der Vorderfläche des Coecum verlöthet vorfand. Bereits beim
Neugeborenen fand ich ferner einmal den freien Rand der sogen. Plica
duodeno-jejunalis bei gut entwickelter gleichnamiger Tasche theil-
weise mit der Flexura duodeno-jejunalis verwachsen vor, d. h. die
Verlöthungslinie war durch eine grosse und zwei kleine Oeffnungen
unterbrochen. Auf einige andere, schon während des Embryonal-
lebens eintretende Verwachsungsprocesse wird noch bei der Schilde-
rung der Peritonealtaschen genauer eingegangen werden. Endlich
mag auch ein Theil von bisher nur beim Erwachsenen beobachteten
ungewöhnlicheren Verlöthungen schon während des intrauterinen
Lebens ihren Ursprung nehmen.
27
Dass indessen auch nach der Gehurt noch physiologische
Vergebungen und Verwachsungen von ursprünglich freien Peritoneal-
flächen Vorkommen, steht ausser allem Zweifel. Das bekannteste
und allgemein anerkannte hierhergehörige Beispiel ist die Ver-
wachsung der beiden Platten des Omentum majus, welche vor dem
Colon transversum wie die Wände eines Divertikels nach abwärts
hängen. Diese Verwachsung führt ja bekanntlich dazu, dass man
ein Lig. gastro-colicum von dem Omentum majus im engeren Sinne
unterschieden hat. Indessen kann, wie Toldt ganz richtig an-
giebt, noch eine weitere Einengung des Netzraumes durch An-
wachsung der Cardia, des Pylorus oder des Lig. gastro-lienale an
die hintere Wand des Saccus epiploicus zu Stande kommen. Hierher
sind ferner die Verlöthungen des Endstückes des Ileum und des
Anfangsstückes des .Jejunum1) mit der hinteren Bauchwand zu
rechnen (cf. Toldt No. 3, p. 43). Ebensowenig wird man die
bei jüngeren Kindern auffällig häufig vorkommende Anlöthung des
Proc. vermiformis an die vordere Seite des Dünndarmgekröses, an
die laterale Seite des Coecum oder an die Darmbeingrube (cf. Toldt
No. 1, p. 36) immer als Folge eines pathologischen Processes be-
trachten können, wenn man im Uebrigen constatirt, dass jede Spur
von sonstigen peritonitischen Residuen bei dem betreffenden Indi-
viduum fehlt. Ueberhaupt ist die Trübung des Peritoneums, die
Narbenbildung, die Localisation der Adhaesionsstränge nach einer
abgelaufenen circumscripten Peritonitis viel intensiver, ausgedehnter
und unregelmässiger: wer die Bauchhöhle häufiger auf diese Dinge
hin durchmustert hat, dem wird es meistens nicht die geringste
Schwierigkeit machen, die Residuen einer chronischen Peritonitis
von einer physiologischen Verwachsung zu unterscheiden. In die
') Einen Fall von Verleihung des Ileum will ich hier nach eigener Be-
obachtung kurz beschreiben. Kräftige männl. Leiche von gutem Ernährungs-
zustände. Das Coecum liegt höher als normal , obschon dasselbe ziemlich
stark entwickelt ist. Das Ende des Colon ascendens, das Coecum und der etwa
10 cm lange, stark geschlängelte Endtheil des Ileum besitzen ein freies Gekröse,
welches etwa 5 cm lang ist. Von hier an erstreckt sich das Ileum ohne nennens-
werthe Krümmungen in vertiealer Richtung bis zu den Vasa iliaca ext nach ab-
wärts, indem es kein freies Gekröse besitzt, sondern an die hintere Bauchwand
festgeheftet ist. Weiter aufwärts verhält es sich wie gewöhnlich. Der Proc.
vermiformis liegt mit seinem blinden Ende lateral und nach hinten von dem
Anfang des Colon ascendens; sein Mesenteriolum entspringt aus dem hinteren
Blatt des Colongekröses. Betreffs der Verlöthungen des Jejunum s. weiter
unten bei der Fossa und Hornia parajejunalis.
28
letztere Kategorie gehört ferner die von der Geburt bis in das
spätere Lebensalter langsam, aber doch deutlich nachweisbar vor-
schreitende Anlöthung des Gekröses der Flexura sigmoidea an die
hintere Bauchwand (cf. Toldt No. 1, p.38); diese Anlöthung schreitet
von oben und medianwärts nach unten und lateralwärts vor und
hat zur Folge, dass bei älteren Leuten so häufig das Mesocolon
sigmoideum ausserordentlich kurz erscheint und seine Wurzellinie
erheblich weiter nach unten und lateralwärts gelegen ist, als dies
beim Kinde der Fall ist. Die an der Verlöthungsgrenze auftretenden
strangförmigen Adhaesionen und Bauchfellfalten hat auch Jonnesco
(No. 2, p. 137) bei Erwachsenen und Greisen nicht selten gesehen;
indessen hält er dieselben für pathologische Producte, welche durch
den chronischen Reiz einer Stagnation von Faecalmassen im S roma-
num entstanden sind. Demgegenüber muss ich einwenden, dass ich
nicht recht einsehe, wie eine solche Stagnation einen Reiz nur auf
die Wurzel des Colongekröses ausüben kann. Der Reiz müsste doch
zuerst auf die Darmwand wirken und könnte sich höchstens von
dort aus auf das Mesocolon fortpflanzen. Man findet aber den Darm
und den freien Theil seines Gekröses in sehr vielen derartigen
Fällen völlig normal vor. Wolil kann ich mir vorstellen, dass ein
durch Kothmassen stärker belastetes S romanum durch seinen Zug
einen gewissen Reiz auf die Wurzel des Mesocolon ausüben könnte.
Aber derartige Vorgänge würde man doch noch nicht immer für
pathologisch erklären können und dieselben müssten sich dann doch
auch an der Wurzel des Mesocolon transversum vorfinden, wo ich
sie indessen niemals beobachtet habe. Auf physiologischem Wege
kommt ferner die schon von Treitz (p. 7 und p. 149) in dieser
Weise gedeutete, narbige Verödung des Rec. duodeno-jejunalis
und intersigmoideus, kommen ferner die zuerst von Waldeyer
(p. 71 und 72) beschriebenen Verwachsungen zwischen dem An-
fangstheil des Jejtmum und dem Mesocolon transversum oder
descendens zu Stande. Auch die von Schott beschriebene Ver-
schliessung des Rec. ileo-coecalis inf. mit nachträglicher cysti-
scher Erweiterung dürfte hierher zu zählen sein. Endlich gehören
in dieselbe Categorie noch eine Anzahl von ungewöhnlichen Ver-
wachsungen, wie sie sich dann herausbilden, wenn auf einer be-
stimmten, meist sehr frühen embryonalen Entwicklungsstufe Lage-
abweichungen gewisser Darmabschnitte auftreten. Näheres hierüber
ist in der citirten Toldt’schen Arbeit (No. 3) nachzulesen.
Wenn die vorher geschilderten typischen Verwachsungsvor-
29
gänge während des embryonalen Lebens gänzlich unterbleiben,
so haben wir diejenige Bildangsanomalie vor uns, welche von
Grub er u. a. als Mesenterium commune bezeichnet und richtig
gedeutet wurde. In diesem Falle kann der Verdauungskanal vom
Magen bis zum Rectum durch ein beiderseits vollkommen freies
Gekröse mit der Mittellinie der hinteren Rumpfwand verbunden sein.
Indessen kann die gesetzmässige Anwachsung auch nur an einzelnen
Theilen, wie z. ß. dem Duodenum, dem Colon und Mesocolon as-
cendens oder descendens unterbleiben. Ich kann übrigens die
immerhin seltenen Fälle eines vollständig freien Duodenalgekröses
durch eiueu Fall eigener Beobachtung vermehren.
Bei einer 30 — 40jährigen, kräftigen, mageren männlichen Leiche fanden
sich alle Baucheingeweide nebst dem Peritoneum in völlig normaler Beschaffen-
heit vor. Als ich jedoch die Leber in die Höhe hob, um das For. Winslowii
zu demonstriren, zeigte sich, dass das Duodenum nebst dem Pankreaskopf an
ihrer hinteren Fläche nirgends mit dem Peritoneum parietale der hinteren Bauch-
wand verlöthet waren, sondern der letzteren nur lose anlagen. Beide Organe
waren an ihrer hinteren Fläche von der Convexität des Duodenum bis gegen
die Wirbelsäule hin von einem völlig normalen Peritoneum überzogen, welches
sich continuirlich in den Peritonealüberzug an der Vorderfläche der rechten
Niere und Nebenniere fortsetzte. Die beiden letzteren Organe lagen mit ihren
oberen Enden dicht unter der Leber und waren sehr gut entwickelt. Die Flexura
coli dextra war in der gewöhnlichen Weise mit der Pars descendens duodeni
verwachsen. Dagegen war der obere Abschnitt des Colon ascendens nebst dem
angrenzenden Mesocolon an seiner hinteren Fläche ebensowenig wie das Duo-
denum mit der hinteren Bauchwand verlöthet, so dass es möglich war, die eben
genannten Darmtheüe in die Höhe zu heben und ihre Rückseite bequem zu in-
spiciren. Der untere Abschnitt des Colon ascendens, das Coecum und das Ge-
kröse des Dünndarms zeigten sich dagegen in der gewöhnlichen Weise mit der
hinteren Bauchwand verbunden. Ueber die Längenentwicklung des Duodenum
habe ich in diesem Falle nichts notirt; daraus geht wohl hervor, dass mir seine
Länge einen normalen Eindruck gemacht hat.
Complicirter gestaltet sich die Beurtheihmg peritonealer Ano-
malien, wenn die Lageabweichungen der Bauclieingeweide nicht
die Folge unterbliebener oder abnormer Verlöthungen sind, sondern
wenn schon in den frühesten Entwicklungsstufen abnorme Lage-
verhältnisse des Darmkanals, wie z. B. beim Situs inversus totalis
oder partialis existiren, welche später durch ungewöhnliche Ver-
wachsungen zu bleibenden werden. Noch schwieriger ist eine
Analyse von derartigen Fällen aber dann zu geben, wenn sich in
Folge von derartigen abnormen Verwachsungen und Verlagerungen
Peritonealtaschen gebildet haben, welche durch eindringende Darm-
schlingen zum Sitz von intraabdominalen Hernien geworden sind.
30
Die sichere Deutung eines vereinzelten derartigen Palles kann oft
unmöglich sein. Erst wenn mehrere gleichartige Fälle in ver-
schiedenen Entwicklungsstadien zur Beurtheilung vorliegen, wird es
oft möglich sein, die richtige Entscheidung zu treffen.
Warum die erörterten physiologischen Verwachsungen in dem
einen Falle eintreten, in dem anderen unterbleiben, das ist schwer
zu sagen. Beim Erwachsenen mag ja, wie Treitz (p. 7) dies
immerhin für möglich hält, manchmal eine vermehrte Reibung eines
Darmstückes an einer benachbarten scharfen Peritonealfalte oder
auch irgend einer freien Peritonealfläche hierbei eine gewisse Rolle
spielen. Beim Embryo lässt aber eine solche Erklärungsweise
völlig im Stich, da hier weder die Darmperistaltik noch die
wechselnde Ausdehnung des Darmes durch Kotlimassen noch die
Bauchpresse als causale Momente für eine derartige Reibung in
Frage kommen können. Wenn weiterhin Treitz an derselben
Stelle sagt, dass „eine überflüssige Ausstülpung des Bauchfells,
nachdem alle Bewegung und die normale Secretion in derselben
aufgehört hat, auf dem Wege der Verwachsung und Obsolescenz
isolirt und entfernt werde, wie man diesen Vorgang am Proc.
vaginalis peritonei, am Netzbeutel, oft auch an der Winslow'schen
Spalte u. s. w. zu sehen gewohnt ist, ohne eine Peritonitis im
Sinne der Pathologie annehmen zu müssen,“ so kann man diesem
Satz bis auf den einen Punkt beistimmen, dass Treitz leider
nicht sagt, warum die Natur ein und dieselbe Ausstülpung, wie
z. B. den Rec. intersigmoidens in dem einen Falle überflüssig
findet und somit zum Veröden bringt, während sie dieselbe in dem
anderen Falle bis in ein vorgerücktes Alter erhält. Auch die An-
schauungen von Toi dt scheinen sich in gewissem Sinne an die-
jenigen von Treitz anzuscliliessen , wenn er über diesen Gegen-
stand (No. 3, p. 35) Folgendes sagt: „Die Gründe, aus welchen
die Anheftung dieser Darm- und Gekröstheile normalerweise er-
folgt, lassen sich kaum vollständig überblicken. Bedenkt man
aber, dass derartige Anwachsungen nur an der hinteren, nicht
aber an der vorderen und seitlichen Bauchwand Vorkommen, dass
ferner alle anderen an die hintere Bauchwand grenzenden Theile:
die Leber, die Milz, das Mesogastrium, das Colon und Mesocolon
descendens mit der peritonealen Bekleidung derselben verwachsen,
so' darf als ein wesentlicher Umstand vor allem die verhältniss-
mässige Starrheit und Unbeweglichkeit der hinteren Rumpfwand
ungesehen werden. Als ein zweites, die Anwachsung begünstigen-
31
des Moment ist die geringe Beweglichkeit der genannten Einge-
weide und Gekröstheile selbst zu bezeichnen, welche namentlich
durch die voluminöse, vorn und seitlich überhängende Leber und
durch die von hinten her sich immer mächtiger vorwölbende Niere
und Nebenniere bedingt ist. Wird so die Anwachsung dieser
Theile durch ihre verhältnissmässig unbewegliche Lage an der
starren hinteren Bauchwand ohne Zweifel wesentlich begünstigt,
so muss es dahingestellt bleiben, ob dieselbe vielleicht durch be-
sondere Eigenthiimlichkeiten des Peritoneum parietale in dieser
Gegend, z. B. etwa durch grösseren Reichthum an Blutgefässen
veranlasst oder zum mindesten befördert wird“ und weiterhin
p. 37: „Berücksichtigt man, dass das Duodenum unter normalen
Umständen im Verhältniss zu dem übrigen Dünndarm thatsächlich
ein sehr geringes Längenwachsthum besitzt und nimmt man an,
dass dies in der frühzeitigen Anheftung desselben begründet ist,
so würde die aussergewölmliche Länge des Duodenum in den be-
schriebenen Fällen als eine Folge der verzögerten Anheftung des-
selben anzusehen sein. Die erwähnte Annahme findet eine gewisse
Stütze iu dem Umstande, dass auch andere frühzeitig angeheftete
Darmtheile, z. B. das Colon ascendens und descendens ein verhält-
nissmässig geringes Längenwachsthum aufweisen.“ Ich kann hier
zunächst Toi dt durchaus in Bezug darauf beistimmen, dass die
Bedingungen für eine physiologische Verlötlrang dann am günstigsten
sein werden, wenn die betreffenden Theile möglichst unbeweglich
neben einander liegen. Indessen ist damit allein noch nichts erklärt,
denn schliesslich liegen beim Embryo fast während seiner ganzen
Entwicklung noch eine ganze Anzahl von anderen Bauclieinge-
weiden, so z. B. die obere Leberfläche und das Zwerchfell unbe-
weglich neben einander, ohne zu verschmelzen. Andererseits wird
man den, beiden Platten des Omentum majus für das extrauterine
Leben wohl zweifellos eine gewisse Beweglichkeit gegen einander
zusprechen müssen, denn bei jeder Contraction des Magens wird
die vordere Netzplatte, bei jeder Contraction des Colon transver-
sum die hintere mehr oder weniger verzogen. Trotz alledem
pflegen die beiden Platten nur in Ausnahmefällen nicht mit ein-
ander verwachsen zu sein. Es müssen somit bei diesen physiolo-
gischen Verwachsungen noch andere Momente mitwirken, auf deren
Bedeutung uns die Thatsache hinweist, dass wir so häufig an der
\ erlöthungsgrenze eine Trübung des Peritoneums constatiren
können. Diese Trübung ist zweifellos die Folge einer formativen
32
Reizung an der V erlöthungsstelle und wenn wir diese Trübung
nicht immer sehen, so kann dies dadurch erklärt werden, dass sie
mitunter entweder zu wenig ausgeprägt ist, um für die makrosko-
pische Betrachtung überhaupt wahrnehmbar zu sein oder dass sie
bei längerem Bestehen überhaupt schwindet — ebenso wie eine in
sehr jugendlichem Alter acquirirte feine Narbe beim Erwachsenen
völlig unsichtbar sein kann. Ich möchte also meinen, dass eine
physiologische Verlötlrang zweier Baucheingeweide dann erfolgt,
wenn ihre dicht an einander liegenden und wenig gegen einander
beweglichen Peritonealüberzüge unter der Einwirkung eines stär-
keren formativen Reizes stehen, welcher zu einer bindegewebigen
Neubildung und zu einer Transformation oder Abstossung des
Peritonealepithels führt. Für bindegewebige Neubildung sprechen
auch die zarten leicht zerreisbaren Adhaesionsstränge, welche man
wahrnimmt, wenn man frisch verlöthete und im Uebrigen anschei-
nend noch gänzlich unveränderte Peritonealflächen auseinanderzieht.
Eine derartige partielle formative Reizung des Peritonealiiberzuges.
könnte nun aber entweder mit einem zeitweiligen beschleunigten
Wachstlmm des betreffenden Organtheiles (Darmstückes oder dgl.)
Hand in Hand gehen oder auf andere Weise zu Stande kommen.
Ist ein Darmstück oder Gekröse erst fixirt, so scheint es allerdings,
dass sein AVachsthum — wie Toldt dies behauptet — nur noch
in einem sehr verlangsamten Tempo weiterschreitet, während im
Gegensatz dazu beim Freibleiben dieser Organe das Wachsthum
intensiver ist. Den obigen in diesem Sinne angeführten Beispielen
möchte ich aus eigener Beobachtung noch einige andere anreihen. Es
war nämlich in einem auf dem hiesigen Präparirsaale beobachteten
Falle einer gänzlich unterbliebenen Verwachsung der beiden
Netzplatten bei einem älteren Manne das Omentum majus sehr
gross, gut entwickelt und nebenbei ziemlich fettreich. Einen ganz
gleichen Befund konnte ich auch bei zwei weiblichen Individuen in-
mittlerem Lebensalter constatiren. In allen drei Fällen war übri-
gens das Netz mit dem Mesocolon transversum vollständig verlö-
thet. Jedenfalls steht es fest, dass das Wachsthum in den verschiede-
nen Entwicklungsperioden beim Darm und den Gekrösen ebenso
wie bei anderen Organen, z. B. den Knochen, ein sehr verschiede-
nes ist, d. h., dass dieselben Organe abwechselnd bald ein sehr ge-
ringes bald ein sehr lebhaftes AVachsthum zeigen können — je
nachdem es das Endziel aller Wachstlmmsvorgänge, die typische-.
Gestaltung des Ganzen, erfordert.
33
II. Das For. Winslowii und seine Hernien.
Die anatomischen Verhältnisse des For. Winslowii
sind zur Genüge bekannt, als dass ich nöthig hätte, auf dieselben
näher einzugehen. Nur möchte ich hier noch einmal betonen, was
auch Treitz (p. 7) kurz angedeutet hat, nämlich dass Verwachsungen
dieser Oeffnung besonders in vorgerückterem Lebensalter viel
häufiger vorhanden sind, als man von vornherein glauben möchte.
In den einfachsten Fällen hat eine Verlöthung der beiden freien
Ränder des Lig. hepato - duodenale und hepato - renale stattge-
funden, so dass beide Bänder continuirlich ineinander übergehen. Ist
eine solche Verwachsung zart, so kann sie schon dann zerreissen,
wenn man den vorderen Leberrand etwas brüsk in die Höhe hebt,
um die Oeffnung zu Gesicht zu bekommen. Ist die Verwachsung
dagegen fester, so sieht man auch nach dem Aufheben kein For.
Winslowii und der eindringende Finger muss ein solches erst künst-
lich schaffen, wenn der Weg in den Saccus epiploicus gefunden
werden soll. Einer derartigen einfachen Verschmelzung zwischen
dem Lig. hepato-duodenale und hepato-renale ohne weitere sicht-
bare Trübung, ohne weitere Adhaesionen in der Nachbarschaft
wird gewiss Niemand einen pathologischen Charakter zusprechen.
Indessen kommen auch nicht selten neben dem Winslow’schen Loche
ligamentöse Verwachsungen zwischen der unteren Leberfläche und den
benachbarten Organen vor. Auch möchte ich hier noch eins wieder-
holen (cf. d. A. S. 22), nämlich dass der freie Rand des Lig. hepato-
duodenale durchaus nicht immer von dem Ductus choledochus ge-
bildet wird, sondern dass sich der Saum des Bandes mitunter noch
zwei bis drei Querfingerbreiten über den letzteren hinaus, unten
längs der Pars transversa sup. duodeni, oben längs der Leber bis
zur Gallenblase nach rechts erstreckt, ohne übrigens immer die
Flexura coli dextra zu erreichen.
Auch über die Genese des For. Winslowii dürfte kaum
irgend eine Meinungsverschiedenheit herrschen. Das ursprünglich
median gestellte ventrale Magengekröse wendet sich späterhin
Hand in Hand mit der Linkswendung des Magens allmälig nach
rechts und nimmt eine frontale Stellung ein: sein freier vorderer
Rand wird auf diese Weise zu dem freien rechten Rand des Lig.
hepato-duodenale.
Einlagerungen von Darmschlingen in das For. Wins-
lowii sind nach der Zusammenstellung von Jonnesco (No. 2 p. 34),
Broesike, Hernien. ‘3
34
in den Arbeiten von Blandin, Rokitansky, Treitz, Chiene,
Majoli, Elliot-Square, Treves(No.2) tlieils kurz angeführt, tlieils
genauer beschrieben. Der Inhalt des Sackes wurde in 6 Fällen von
den Dünndärmen, in zwei Fällen hauptsächlich von dem Dickdarm
gebildet. In den beiden letzteren und in einem von den ersteren
Fällen waren das Coecum und Colon ascendens nicht an die
hintere Bauchwand angeheftet und in Folge dessen frei be-
weglich. Viermal war eine Incarceration der Hernie vorhanden.
In einem Falle war im Lig. gastro -hepaticum, in einem anderen
im Mesocolon transversum ein Loch vorhanden, durch welches
ein Theil des Bruchinhaltes wieder aus dem Netzbeutel heraus-
getreten war.
Zur Erklärung für die relative Seltenheit dieser Bruchart sagt
Engel (p. 507) Folgendes: „Hätten auch die Gedärme die
Barriere des Grimmdarms passirt, so müssten sie doch noch, um
zur Winslow'schen Spalte zu gelangen, die Leber zur Seite oder
nach vorn schieben, was keine so leichte Aufgabe für dieselben
sein dürfte.“ Auch Jonnesco betont p. 149 (anscheinend un-
abhängig von Engel), dass das Colon transversum und sein Ge-
kröse eine Art natürlicher Barriere bildet, durch welche die Dünn-
därme von dem Eintritt in das For. Winslowii zurückgehalten wer-
den. Der Eintritt eines Dickdarmabschnittes wird daher wolil nur
bei vollständigem oder unvollständigem Mesenterium commune er-
folgen. Eine excessive Beweglichkeit des Darmes, bedingt durch
ein langes Gekröse und ein schlaffes Peritoneum, scheint überhaupt
in jedem Falle eine Voraussetzung für das Zustandekommen dieser
Hernie zu bilden.
Indessen ist mit dieser Voraussetzung natürlich die Ent-
stehung eines solchen Bruches noch nicht erklärt. Betreffs
der letzteren möchte ich folgende Ansicht anssprechen. Man wird
wohl nicht fehlgehen, wenn man mit Engel (loc. cit.) annimmt,
dass für gewöhlich das For. Winslowii nur ein virtuelles Lumen
hat, d. h., dass die freien Ränder des Lig. hepato- duodenale und
hepato-renale ebenso dicht aneinander liegen, wie man dies auf
Durchschnitten an gefrorenen Leichen überall auch von den
Wänden des Saccus epiploicus constatiren kann. Höchstens könnte
sich unter normalen Verhältnissen der Lobulus Spigelii theilweise
in die Oeffnung drängen. An der Leiche sehen wir nun aber,
dass das For. Winslowii sich weit öffnet, wenn wir den vor-
deren Theil der Leber nach aufwärts und vorn heben. Ich
35
mochte nun glauben , dass die gleiche Bewegung der Leber
auch beim Lebenden den Effekt haben muss, dass die Ränder
des Winslow'schen Loches auseinanderweichen. Geschieht in-
dessen das letztere beim Lebenden , so müssen die nachgiebigen
Nachbarorgane, also auch zufällig danebenliegende Darmschlingen,
in die Oeffnung hineinrücken , da der entstandene erweiterte
Raum selbstverständlicherweise durch irgend etwas ausgefüllt wer-
den muss. Es fragt sich nun, welche Momente die Veranlassung
zu einer derartigen Locomotion der Leber geben können, wie sie
oben geschildert wurde. In Bezug hierauf möchte ich glauben,
dass bei einer jeden tiefen costalen Inspiration der vordere
Leberrand trotz der gleichzeitigen Abflachung des Zwerchfells im
Vergleich zu dem hinteren Rande erheblich gehoben wird, da der
vordere Rand die Hebung der vorderen Rippenenden immer bis zu
einem gewissen Grade mitmachen muss, während der hintere Rand
eher durch das Zwerchfell nach abwärts gedrückt werden dürfte.
Somit dürften wohl tiefe costale Inspirationen die Hauptursache
davon sein, dass nahegelegene Darmschlingen in das For. Winslowii
hineingerathen. Ob auch eine darauffolgende starke Exspiration
- wie sie z. B. beim Husten stattfindet, wenn nach einer tiefen
Inspiration und bei geschlossener Stimmritze heftig exspirirt wird —
ich sage, ob auch eine derartige Exspiration dazu beitragen kann,
die Darmtheile noch tiefer in die Oeffnung hineinzudrängen, er-
scheint zweifelhaft, da, wie schon Treitz (loc. cit. p. 12) ganz
richtig bemerkt, ein solcher Exspirationsdruck auf alle Bauchein-
geweide gleichmässig wirken muss. Dagegen wird die weitere Aus-
dehnung einer im For. Winslowii gelegenen Darmschlinge durch
hineintretende Chylus- oder Kothmassen wohl dazu beitragen kön-
nen, die letztere in der Oeffnung zurückzuhalten oder sogar den
Bruch zu vergrössern.
III. Der Recessus intersigmoitleus und seine Hernien,
a) Der Recessus intersigmoideus.
Ueber die anatomische Configuration des Rec. intersigmoideus
(Treitz) lässt sich den Beschreibungen von Hensing (s. bei
Treitz p. 105), Engel (p. 705), Treitz (p. 105), Gruber(No. 1,
p. 57), Waldeyer(p. 73) Toldt (No. 1, p. 25 bis 27, p. 34 und
p. 39) und Jonnesco (No. 2, p. 139) nichts wesentlich Neues
hinzufügen. Wenn ich trotzdem auf diesen Gegenstand hier in
3*
3G
Kürze eingehe . so geschieht dies, weil die hierauf bezüglichen
Schilderungen der Autoren doch in Bezug auf viele Punkte noch
immer nicht völlig übereiustimmen und ich zur Aufklärung dieser
scheinbaren oder wirklichen Widersprüche immerhin noch Einiges
beitragen kann.
Hebt man das S romanum in die Höhe, so findet man die
Ansatzlinie des linken Blattes des Mesocolon sigmoideum sehr
häufig durch eine Oeffnung unterbrochen, welche den Eingang zu
dem eben genannten peritonealen Recessus darstellt. Seiner Lage
nach entspricht der letztere ungefähr der Rinne, welche der me-
diale Rand der linken Niere mit dem M. psoas major bildet oder
ist wenigstens stets durch eine vor dem Psoas nach abwärts ziehende
Verlängerung dieser Rinne zu bestimmen: sein blindes Ende ist
nach oben, seine Eingangsöffnung nach unten gelegen. In der
hinteren Wand des Recessus verläuft der Ureter, in der vorderen
liegen nicht selten Blutgefässe, welche zum unteren Abschnitt des
Colon descendens hinziehen. Die Form und die Grösse der eben
genannten Bauchfelltasche sind selbst bei Individuen in dem gleichen
Lebensalter sehr variabel : dieselbe kann bald einen nach unten offenen
Trichter mit weiter Eingangsöffnung, bald einen Canal mit engem
Orificium bald ein einfaches Grübchen darstellen. In den extremsten
Fällen kann das blinde Ende derselben — wie ich mit Engel
gegenüber Jonnes co (No. 2 p. 138) ganz entschieden behaupten muss
— nicht allein bis in die Nähe des Duodenum, sondern sogar bis in
die Nachbarschaft des Pankreas hinanreichen. Einen sehr
schönen derartigen Fall habe ich bei einem Kinde im ersten Lebens-
jahre beobachtet. Dabei möchte ich zugleich im Einklang mit Engel
(p. 705) und Toldt (No. 1 p. 26) hervorheben, dass der Recessus
intersigmoideus unter normalen Verhältnissen und bei der natür-
lichen Lage der Flexura sigmoidea nur einen lumenlosen Spalt
darstellen kann, dessen vordere und hintere Wand dicht aneinander
liegen. Ferner kann ich mit Toldt völlig übereinstimmen, wenn
derselbe (No. 1 p. 34) sagt, dass der Recessus im Allgemeinen
in der zweiten Hälfte des Embiyonallebens allmählich immer tiefer
nach abwärts rückt, was ohne Zweifel eine Folge der von seinem
oberen blinden Ende nach unten fortschreitenden Verklebung ist.
Auch während des extrauterinen Lebens zeigt derselbe im Allge-
meinen mit zunehmendem Alter eine Tendenz zur Verkleinerung,
welche schliesslich zu der bereits von Treitz (p. 149) beschrie-
benen Verödung führen kann. Indessen kann sich diese Bauchfell-
37
tasche auch uocli bei vorgerücktem Lebensalter in trefflicher Ent-
wickelung und schöner Trichterform vorfinden. Endlich muss ich
mit Toldt (No. 1, p. 39) — und auch Jonnesco scheint un-
abhängig von dem letzteren zu dem gleichen Resultat gekommen
zu sein (No. 2 p. 138) — nach den obigen entwicklungsgeschichtlichen
Erörterungen selbstverständlich auch noch darin übereinstimmen, dass
der Rec. intersigmoideus unter keinen Umständen in dem Mesenterium
des S romanum, sondern durchweg zwischen dem Mesocolon sig-
moideum und dem parietalen Peritoneum gelegen ist.
Die Eingangsöffnung ist bei hochgehobener Flexura sig-
moidea bald von spaltähnlicher, bald von mehr rundlicher Form:
entweder ihr vorderer oder ihr hinterer Rand kann eine mehr oder
weniger scharfe Falte bilden. Wenn das Peritoneum parietale
einigermaassen fest an die hintere Bauchwand angeheftet ist, so
kann nach dem Emporziehen des Darmes der vordere Rand
klappenartig vorspringen, wie dies bereits von Treitz (p. 149),
Gruber (p. 57) und Waldeyer (p. 73) kurz erwähnt und auch
von Jonnesco (No. 2 p. 142) bei zwei Embryonen von 3 und 6
Monaten abgebildet ist. In diesem Falle muss die Oeffnung auch
ein mehr spaltförmiges Aussehen besitzen. Ist dagegen das Peri-
toneum parietale gegen die hintere Bauch wand leicht verschieblich,
wie dies besonders bei älteren Embryonen und mageren Kindern
in den ersten Lebensjahren, aber auch in vorgerückterem Lebens-
alter der Fall sein kann, so wird beim Emporziehen des Darmes
der hintere, dem Peritoneum parietale angehörige Rand des Ori-
ficium intersigmoideum in Form einer bereits von Engel (p. 705),
Gruber (p. 57) und Waldeyer (p. 90) erwähnten sichelför-
migen Falte emporgehoben und die Oeffnung selbst kann als-
dann, je nach dem Spannungsgrade des Mesocolon sigmoideum,
auch eine mehr rundliche Form annehmen. Vermindert man den
auf das Mesocolon sigmoideum ausgeübten Zug, indem man gleich-
zeitig das S romanum senkt, so kann man sehen, wie die eben
beschriebene Falte allmälig wieder vollständig verstreicht. Je
weiter die Eingangsöffnung, desto schwieriger wird es natürlich
sein, selbst unter sonst günstigen Verhältnissen die Falte in aus-
geprägter Form zu erzeugen. Mit aus diesem Grunde lässt sich
wahrscheinlich auch bei Embryonen des fünften Monats, wie
Toldt (No. 1 p. 27) ganz richtig angiebt, diese Falte selbst auf arti-
ficiellem Wege nicht hervorbringen. Bei der natürlichen Links-
lage des S romanum muss jedoch das Orificium ebenso wie der ganze
38
Recessus selbstverständlicherweise einen lumenlosen Spalt bilden.
Auch die eben beschriebenen Falten werden dann nicht vorhanden
sein. Davon mag es eine Ausnahme geben. Wenn das Colon
sigmoideum beim Lebenden, sei es in Folge von Adhaesionen, sei es
aus anderen Ursachen, lange Zeit die aufwärts gelagerte Stellung
eingenommen hatte, welche wir ihm an der Leiche geben müssen,
um den Eingang zum Rec. intersigmoideus deutlich zu sehen, so
mag es sein, dass sich die eine oder andere der beiden in Folge
dieser Locomotion des Darms möglicherweise entstandenen Falten
callös verdickt und auch dann noch persistirt, wenn später das S
romanum, sei es am Lebenden, sei es an der Leiche, irgendwie wieder
nach abwärts dislocirt wird.1) Im vorderen Rande der Eingangs-
öffnung sieht man mitunter die von Jonnesco sogen. „Artere
sigmoide gauche“ in der bereits von Waldeyer (p. 74) be-
schriebenen Weise verlaufen. Auch die sonstigen von diesen beiden
Autoren geschilderten Beziehungen dieser Oeffnung zu den benach-
barten Blutgefässen sind in einer grossen Zahl von Fällen zu
constatiren. Nur kann ich nicht beistimmen, wenn Jonnesco (No. 2
p. 140) soweit geht, diese Beziehungen als typisch zu bezeichnen.
Als Varietäten des Rec. intersigmoideus sind ausser den
bereits oben erwähnten Verschiedenheiten in der Form und Aus-
dehnung desselben noch die schon von Hensing und Grub er er-
wähnten “zweischenkligen Taschen mit einfacher Eingangsöffnung zu
nennen. Gruber und AValdeyer erwähnen ferner doppelte Fossae
intersigmoideae: in den beiden Fällen des letzteren Autors waren
die etwa haselnussgrossen Gruben rechts und links von derTreitz-
schen Plica genito enterica gelegen. Diesen Fällen kann ich noch
einen anderen, sehr eclatanten, aus meiner eigenen Beobachtung
anreihen :
Mann von 30 Jahren, kräftig und mager. Die Fossa intersigmoidea ist
ziemlich eng, so dass in ihre Eingangsöffnung nur ein kleiner Flinger eindringen
kann. Dafür erstreckt sich dieselbe aber über 6 cm weit nach aufwärts bis
hinter die A. colica sin. Links von dieser normalen Fossa intersigmoidea und
von ihr durch eine schmale Peritonealbrücke getrennt liegt eine zweite von etwa
Wallnussgrösse mit einer Eingangsöffnung, welche etwa eine Fingerkuppe auf-
i) Granz dasselbe gilt auch von den beiden Bauchfellfalten, welche Jonnesco
alsRepli infundibulo-colique (die Plica genito-enterica von Treitz) und
als Repli colico-iliaque bezeichnet. Auch diese mir wohlbekannten Falten
könnten beim Lebenden nur unter abnormen Verhältnissen persistent werden.
Beim Kinde verschwinden sie sehr leicht, wenn das S romanum wieder abwärts
geschlagen wird.
39
nehmen kann. Noch weiter nach links und oben schliessen sich wiederum an
die letztere zwei ganz ähnliche, aber etwas kleinere Gruben an. Alle vier Gruben
sind somit durch schmale Peritoneal brücken von einander getrennt und unter-
brechen sozusagen die Haftlinie des Mesocolon sigmoidoum an der hinteren Bauch-
wand. Diese Haftlinie ist überall durch einen feinen weissen Verlöthungsstreifen
markirt. Im Uebrigen sind weder hier noch anderswo irgend welche Trübungen
oder Adhaesionen am Peritoneum wahrzunehmen. Das Colon sigmoideum ist
ganz normal und enthält keine Kothmassen.
Die Entstehung des Ree. intersigmoideus hat Tr eit z (p. 137
bis 149) mit dem Descensus der linksseitigen Sexualdrüse in Be-
ziehung gebracht, welche mittelst einer die Vasa spermat. intt.
enthaltenden Falte, der sogen. Plica genito -enterica, einen Zug
auf das Mesocolon descendens ausüben soll. Dieser Zug sollte an
dem unteren Blatte desselben eine trichterförmige Einstülpung,
den eben erwähnten Recessus, erzeugen. Die Einwände, welche
Waldej^ er gegen diese Erklärung gemacht hat, sind indessen
so allseitig als durchaus beweisend anerkannt worden, dass es
überflüssig erscheint, die Treitz'sche Theorie noch einmal beson-
ders in Betracht zu ziehen. Waldeyer selbst (p. 89—91) sucht
die Genese des Recessus durch den Einfluss zu erklären, welchen
das Wachsthum des S romanum unter zunehmender Consumtion
des unteren (linken) Gekrösblattes auf die zu beiden Seiten des
Orificium intersigmoideum gelegenen Gefässfalten äussert, von denen
die rechte durch das Gefässbiindel der Vasa haemorrhoidalia
superiora, die linke (die Plica genito - enterica von Treitz) durch
die Vasa spermat. intt. gebildet wird. Er sagt hierüber Folgendes:
„Während beim Wachsthum der S -Schlinge deren Mesenterium
mehr und mehr von der hinteren Bauchwand abgehoben wird,
widerstreben an einer Stelle, die beim Embryo gerade vor dem
linken Ureter gelegen ist, zwei Gefässfalten: nothwendig muss auf
diese W eise die trichterförmige Grube entstehen, zunächst mit den
beiden seitlichen Falten, durch die sie mit der hinteren Bauchwand
in Verbindung bleibt; beim weiteren Vorwärtswachsen werden
diese Falten auch von unten (hinten) her durch eine sichelförmige
Peritoneal-Duplicatur verbunden. Die Oeffnung der Grnbe erhebt
sich dadurch über die Basis des Mesenterium der Flexura iliaca.“
Gegenüber dieser Theorie führt nun wieder Toldt (No. 1, p. 25,
p. 27 und p. 39) an, man könne vom Ende des vierten Embryonal-
monats an bis in das spätere Kindesalter hinein an einer passenden
Serie verschieden alter Objecte verfolgen, dass sich die Ent-
stehung und Ausbildung des Rec. intersigmoideus in ganz anderer
40
Weise gestaltet. Das ursprünglich annähernd in der Medianebene
gelegene Mesocolon descendens legt sich zu Anfang der eben be-
zeichneten Entwickelungsperiode nach links hinüber und beginnt
allmählich mit dem linksseitigen Peritoneum parietale der hinteren
Bauchwand zu verschmelzen. Die Verwachsung schreitet jedoch
nicht von medianwärts d. h. von der Wurzellinie des Gekröses
nach lateral wärts vor: sie beginnt vielmehr oben links neben der
Wirbelsäule und zum Theil auch vor dem oberen Pol der linken
Niere und geht von hier aus über die Nierenwölbung hinweg nach
unten und lateralwärts , so dass sie gewöhnlich in der zweiten
Hälfte des fünften Embryonalmonats den unteren Pol der Niere
erreicht hat. Dagegen pflegt die Verwachsung zwischen dem Me-
socolon descendens und dem Peritoneum parietale in der durch die
linke Niere und die Wirbelsäule gebildeten Rinne zunächst in
grösserer oder geringerer Ausdehnung zu unterbleiben. Die Folge
davon ist, dass an dieser Stelle ein nach abwärts offener, trichter-
förmiger Hohlraum entsteht, welcher hinten von dem parietalen
Peritoneum, medial von der Wurzellinie des Mesocolon descendens,
vorn vor der hinteren Fläche des letzteren und lateral durch die
Adhaesionslinie des Mesocolon an die vordere Nierenfläche begrenzt
wird. Dieser Hohlraum ist nun nichts anderes als die erste An-
lage des Rec. intersigmoideus : die verschiedene Form und Aus-
dehnung des letzteren beruht lediglich auf verschiedenen Mocli-
ficationen in den Fortschritten, welche der Verwaclisungsprocess
macht. Unter keinen Umständen erfolgt aber die Fixation des
Mesocolon descendens an die hintere Bauchwand in der Weise,
dass seine beiden Blätter auseinander gezogen werden, indem das
hintere Blatt durch die vorwachsende Niere allmählich zur Be-
deckung verbraucht wird. Gegen Wal dey er wendet Toldt ferner
ein, dass die Erklärung desselben doch nur in Form einer Hypo-
these aufgestellt ist, während der von ihm behauptete Entwicklungs-
modus Schritt für Schritt an passenden Objecten verfolgt werden
kann. Auch die oben beschriebene sichelförmige Falte am Ori-
ficium intersigmoideum ist keineswegs eiu Avesentliches Characte-
risticum des Rec. intersigmoideus, sie fehlt gänzlich und ist nicht
einmal künstlich zu erzeugen an Embryonen des fünften Monates,
wo doch der Recessus bereits vorhanden ist. Sodann kann weder
die Hypothese von Treitz noch diejenige von Wal dey er erklären,
dass der Rec. intersigmoideus nicht selten bis gegen das Duodenum
hinanreicht. Die Toldt’sche Theorie scheint jedoch noch keineswegs
41
allgemein acceptirt zu sein, denn sie wird z. B. von Jonnesco
(cf. No. 2, p. 143) mit keiner Silbe erwähnt, was umsomehr be-
fremden muss, als dieser Autor die Toldt’sclie Arbeit an anderer
Stelle citirt. Man könnte somit zunächst glauben, dass er die
Toldt’sche Theorie überhaupt gar keiner Discussion für werth hält,
wenn nicht aus p. 142 deutlich hervorginge, dass ihm dieselbe
gänzlich unbekannt sein muss. Dort betont nämlich Jonnesco
ganz richtig, dass die Fossa intersigmoidea zwischen dem Meso-
colon sigmoideum und der hinteren Bauchwand gelegen ist „et non
pas entre les feuillets de ce meso, comme Tont dit tous les auteurs
jusqu’ä cejour.“ Dieselbe Ansicht hatte aber T old t in seiner eben
erwähnten Arbeit (No. 1 p. 39) bereits mit aller Entschiedenheit
vertreten, während Jonnesco, wie man sieht, der Meinung ist,
sie zuerst ausgesprochen zu haben. Jonnesco selbst giebt für die
Bildung des Rec. intersigmoideus folgende Erklärung, welche ich
wörtlich citire, da ich fürchte, ihn möglicherweise nicht ganz richtig
verstanden zu haben:
Chez l’embryon, le colon pelvien ne cesse pas d’augmenter de longueur.
II se forme ainsi entre ces deux points deja fixes une enorme anse intestinale.
Cette angmentation du colon pelvien entraine necessairement celle de son me-
sentere; celui-ci devra s’etaler de plus en plus pour suffire ä l’anse intestinale.
Or, comme l’insertion parietale de ce meso se trouve circonscrite par les deux
artöres: sigmoide gauche et liemorrhoidale superieure, l’accroissement en largeur
du meso se fera dans l’espace compris entre ces deux artöres, c’est-ä-dire entre
härtere sigmoide gauche et härtere hemorrhoidale superieure. II ari'ivera ä un
moment donne qu’il y aura trop d'etoffe, qu’on me permette cette expression,
pour recouvrir cet espace: le meso sera force de se plisser, c’est ainsi que se
formera un pli sereux releve par härtere sigmoide moyenne. De chaque cote
du pli le feuillet inferieur du meso adlierera ulterieurement ä la paroi abdominale
posterieure; mais, au niveau meme du pli, cette adherence n’aura pas lieu, le
contact n’existant pas ce niveau entre la paroi abdominale et la face inferieure
du meso. Entre ce pli et la paroi abdominale restera donc un espace libre, un
veritable canal: la fossette intersigmoide. Le peritoine parietal du petit bassin,
remontant vers le promontoire, clierchera ii se continuer avec le feuillet inferieure
du mesocolon pelvien. Cette continuation s’effectera directement de chaque
cote du pli, mais ä son niveau, le feuillet sereux passera comme un pont d’un
cote it 1 autre du pli, et formera ainsi un repli falciforme ä double feuillet sereux,
bordant 1 orifice de la fossette. Le peritoine parietal s’enfoncera ensuite dans
1 espace circonscrit par le pli du müso et ira tapisser la paroi abdominale et se
continuer enfin, aux limites de cet espace, avec le feuillet inferieur du mesocolon
pelvien. Le cul-de-sac sereux qu’on appelle fossette intersigmoide resulte en
somme de 1 invagination du feuillet inferieur du mesocolon pelvien. Cette thöorie
nous parait absolument indiscutable “
Wenn ich somit Jonnesco recht verstehe, so zieht derselbe zur
42
Erklärung für die Entstehung des Ree. intersigmoideus ebenso wie
Wal dey er das Verhalten der Blutgefässe und das Wachsthum des
S romanum heran — nur scheint AValdey er das Dickenwachsthum,
Jonnesco dagegen mehr das Längenwachstlmm dieses Darmstückes
im Auge zu haben. Nach den Bemerkungen des letzteren Autors
auf p. 141 scheint er übrigens für die weitere Gestaltung des Re-
cessus auch noch das zunehmende Wachsthum der Beckenorgane
in Betracht zu ziehen.
Meine eigene Ansicht über dieGenese derFossa intersigmoidea
muss natürlich nach den in dieser Arbeit früher gegebenen embryo-
logischen Erörterungen vollständig mit derjenigen von Toi dt über-
einstimmen. Den von dem letzteren Autor gegen die Theorie von
Waldeyer und damit auch Jonnesco gemachten Einwendungen
kann ich mich völlig anschliessen und möchte nur noch durch einige
Bemerkungen zur weiteren Begründung derselben beitragen. Wal-
deyer und Jonnesco gehen bei ihren Theorien von ganz abnormen
peritonealen Spannungsverhältnissen am Mesocolon sigmoideum und
der hinteren Bauchwand aus, wie sie sich wohl bei stark in die
Höhe gehobenem S romanum oder ausnahmsweise auch während
des extrauterinen Lebens, aber jedenfalls wohl kaum beim Embryo
vorfinden können. Wenn das S romanum im Vergleich zu seinem
Gekröse abnorm in die Länge wächst, so bildet es einfach zahl-
reiche Schlingen, wie wir dies sehr exquisit am Dünndarmtheil der
Nabelschleife sehen (cf. d. A. S. 17); nimmt es dagegen an Dicke zu,
so schiebt es sich zwischen beide Blätter des Mesocolon hinein,
ohne dass an der Wurzel des letzteren irgend eine erhöhte Span-
nung einzutreten braucht. Ebensowenig kann man beim Embryo
zu irgend einer Zeit besondere Spannungsverhältnisse am Peri-
toneum parietale wahrnehmen, welche man mit der Entstehung des
Rec. intersigmoideus in Zusammenhang bringen könnte. Sonst
müsste ja beim Auflieben dieser Spannung, wie z. B. durch Inci-
sionen, ein in der Entwickelung begriffener Recessus sich aus-
gleiclien, was aber nicht geschieht. Auch die Anordnung der
Blutgefässe kann wohl bei aufwärts gezogenem Mesocolon sig-
moideum einen gewissen Einfluss auf die Faltenbildung an der
Eingangsöffnung, aber niemals auf die Entstehung des Recessus
ausüben. Ob übrigens die Blutgefässe im Rande der Eingangs-
Öffnung gelegen sind oder in einiger Entfernung von der letzteren,
hängt lediglich davon ab, wie weit die Verwachsungslinie zwischen
dem Mesocolon sigmoideum und der hinteren Bauchwand nach ab-
43
wärts reicht. Wenn das untere Ende derselben gerade an einem
Blutgefäss Halt macht, so kann das letztere auf diese Weise in
den vorderen Rand des Orificium intersigmoideum zu liegen kommen.
Schreitet die Verwachsung weiter vor, so kann es aber auch Vor-
kommen, dass die Blutgefässe keineswegs in dem Rande der Ein-
gangsöffnung gelegen sind. Ich will dabei übrigens noch bemer-
ken, dass eine ursprünglich grosse Eingangsöffnung sich weiterhin
dadurch verengern kann, dass der vordere und hintere Rand der-
selben sowohl am medialen wie am lateralen Ende mit einander
verlöthen können: dann haben wir einen weiten Recessus mit
engem Orificium vor uns. Geht aber die Verwachsung einmal
ausnahmsweise von der Wurzel des Mesocolon descendens ohne
Unterbrechung nach lateralwärts weiter, wie' ich dies auch bei
einem Embryo constatiren konnte, so wird der Rec. intersigmoideus
völlig fehlen müssen. Auch die Verkleinerung und das Veröden
des Recessus erfolgen durch eine theilweise oder gänzliche Ver-
klebung seiner Wände — kurz die mannigfachen Formen dieser
Peritonealtasche, ihre verschiedene Grösse und ihr gänzliches
Fehlen lassen sich zwanglos daraus erklären, dass die Verwachsung
zwischem dem hinteren Blatt des Mesocolon descendens und dem
Peritoneum parietale bei verschiedenen Individuen in verschiedener
Weise vorschreiten kann. Aus diesem Grunde ist es auch nicht
ganz leicht, irgend eine Grundform als typisch für diesen Re-
cessus aufzustellen. Will mau dies thun, so könnte man höchstens
die Trichterform als eine solche betrachten, weil die erste Anlage
des Rec. intersigmoideus gewöhnlich in dieser AVeise auftritt. End-
lich möchte ich noch betonen, dass keine andere Theorie als
die von Toi dt im Stande ist, für gewisse seltene Varietäten dieser
Bauchfelltasche eine auch nur annähernd befriedigende Erklärung
zu geben. Wenn man sich auch die Beobachtung, dass der Re-
cessus hin und wieder mit seinem blinden Ende bis an die Pars
ascendens duodeni hinanreicht, vielleicht in der Weise erklären
könnte, dass in diesen Fällen das Duodenum erheblich weit nach
links gelegen war — die von Engel und mir beobachtete That-
sache, dass das obere Ende des Rec. intersigmoideus sich bis in
die Nähe des Pankreas erstreckte, kann weder mit dem Descensus
testiculorum s. ovarii noch mit dem Wachsthum des S romanum
noch mit dem \rerhalten irgend welcher Blutgefässe in irgend eine
Beziehung gebracht werden. Ganz dasselbe gilt von dem Auf-
treten eines zweischenkligen Rec. intersigmoideus mit einem ein-
44
fachen Orificium oder dem Vorkommen mehrfacher, durch dünne
Peritonealwände getrennter derartiger Gruben mit gesonderten
Eingangsöffnungen. Alle diese Varietäten sind ohne jede Schwierig-
keit als Anomalien in der Verwachsung des Mesocolon descendens
und sigmoideum mit dem Peritoneum parietale der hinteren Bauch-
wand zu erklären. In dem ersteren Falle ist diese Verwachsung
längs der ganzen Wurzellinie des eben erwähnten Gekrösabschnittes
unterblieben. In den anderen Fällen ist die normale Verlöthung
mit partiellen Unterbrechungen vor sich gegangen. Näher auf
diese Dinge einzugehen, erscheint wohl nach dem Gesagten über-
flüssig.
Wenn somit Jonnesco auch nach allen diesen, von Toi dt und
mir vorgebrachten' Argumenten noch der Ansicht wäre, dass seine,
mir leider nicht in allen Punkten völlig verständliche Erklärung
für das Zustandekommen des Rec. intersigmoideus „indiscutabel“
sei, so müsste er doch wohl noch genauer und ausführlicher erör-
tern, wie seine Theorie mit den eben angeführten Thatsachen in
Einklang zu bringen sei. Bis dahin muss ich für meine Person
nur eine einzige Theorie, nämlich die von Toi dt, für indiscutabel
ansehen.
b) Die Herniae intersigmoideae.
Als zweifellose Herniae intersigmoideae werden von
Jonnesco nur 2 Fälle, nämlich eiu Fall von Jomini (p. 302)
und ein Fall von Eve Cp. 1195) angesehen. Mit Recht schaltet
er die beiden von Treitz (p. 106 und 107) als Beispiele von der-
artigen Hernien angeführten Fälle von de Haen und Lawrence
bei seinen Betrachtungen völlig aus : möglich, dass wir es hier mit
intraabdominalen Hernien zu thun haben, deren Sitz sich hinter dem
Mesocolon sigmoideum befand, indessen die mangelhafte Beschrei-
bung und die peritonitischen Complicationen verhindern es, sich über
diese Fälle ein klares Urtheil zu bilden. Bevor ich nun zu einer
kritischen Erörterung der beiden erstgenannten Fälle schreite,
möchte ich ganz kurz auseinandersetzen, welche Vorbedingungen
für das Zustandekommen einer solchen Hernie nothwendig sind und
wie wir uns die Genese derselben zu denken haben.
Zunächst haben alle Autoren von Engel und Treitz bis auf
Jounesco darauf hingewiesen, dass bei normaler Lage des S roma-
num die Eingangsöffnung des Rec. intersigmoideus so verborgen
hinter dem Mesocolon sigmoideum liegt, dass Dünndarmschlingen
45
sehr schwer in dieselbe eintreten können. Nach Waldeyer kommen
auch der klappenartig vorspringende obere Rand und die Engig-
keit dieser Oeffnung als erschwerende Momente für eine Hernien-
bildung in Betracht. Wie dies also Jonne sco ganz richtig ans-
einandersetzt, würden folglich für die Bildung einer Hernia inter-
sigmoidea zunächst diejenigen immerhin sehr seltenen Fälle dis-
poniren, in denen das S romannm aus irgend welchen Gründen nach
aufwärts gelagert und das untere Blatt seines Gekröses insoweit
gespannt ist, dass dadurch die Lage des Orificium intersigmoideum
fixirt erscheint. Wenn aber Jonnesco weiter fortfährt, „nn orifice
beant, agrandi et fixe, en contact avec l’intestin grele, voilä bien
des conditions favorables pour la production d une hernie“, so kann
man diesen Satz nur mit der Einschränkung acceptiren, dass die
Eingangs Öffnung beim Lebenden selbst durch die stärkste Spannung
wohl nur verzogen werden, aber nicht so leicht zum Klaffen ge-
bracht werden kann. Würde die Oeffnung aufklaffen, so müssten
in demselben Moment auch die benachbarten Eingeweide in die-
selbe hineinrücken, und die Hernie wäre auch ohne die Wirkung
der Bauchpresse sofort fertig. Ueberhaupt dürfte die Bauchpresse
auf die Entstehung der Hernia intersigmoidea wie auf die der
übrigen intraabdominalen Brüche wahrscheinlich gar keinen Einfluss
haben (cf. Treitz, p. 12).
Denken wir uns nun aber trotz aller dieser Schwierigkeiten
eine Dünndarmschlinge oder meinetwegen auch den grössten Theil
des Jejuno-ileum in den Rec. intersigmoideus eingedrungen, so
müssten wir stets bei einer derartigen Hernie folgendes Verhalten
vorfinden. Fürs Erste muss stets ein Theil des Dünndarms vor
der Flexura sigmoidea gelegen sein und dieselbe theilweise
verdecken — denn nur vor der Flexur hinweg kann bei ursprüng-
lich normaler Lagerung der Baucheingeweide eine Dünndarm-
schlinge in den Recessns hineingelangen. Zum Zweiten müssten
aber in seiner Eingangsöffnung stets mindestens zwei Darmröhren
gelegen sein, von denen bei einer completen Hernia inter-
sigmoidea die eine, zuführende dem Jejunum, die andere, aus-
führende dem Ileum angehören würde. Anders kann ich mir einen
solchen Bruch nicht denken. Wo diese beiden Bedingungen nicht
erfüllt sind, kann meiner Ansicht nach ein etwa vorhandener Bruch
nicht ohne weiteres als Hernia intersigmoidea bezeichnet werden?
selbst wenn die Lage der Bruchpforte ungefähr der normalen Lage
des Orificium intersigmoideum entsprechen sollte. Prüfen wir nun,
46
ob die von Jonnesco zu dieser Kategorie gerechneten Brüche
diese Bezeichnung verdienen.
In dem ersten Falle, dem von Jo mini, wird in Bezug auf
die Hernie wörtlich Folgendes gesagt:
A l’ouverture de la eavite abdominale, il s’öcoule une assez grande quantite
de liquide jaunätre, clair. Le foie remplit l’öpigastre, le diaphragme est dans
sa Situation normale. Le grand epiploon recouvre les intestins et präsente ä, sa
surface des nodosites dures et d’aspect rose, nacre; en le soulevant on voit non
les anses intestinales, mais une tumeur grosse comme une forte töte d’homme.
Le gros intestin est normalement situe, le colon descendant et l’S iliaque sont
adlierents avec la dite tumeui- fonnee par un sac membraneux qui laisse voir
distinctement ä travers ses parois des anses intestinales. Dans le bassin, les
Organes genitaux sont normalement situes.
Le duodenum renferme des matieres biliaires, puis, ä quelques centimetres
au-dessous de l’ampoule de Vater, il entre dans la tumeur abdominale; ä, cette
hauteur se trouvent 3 diverticules du cote de l’insertion mesenterique, le plus
profond mesure 4 centimetres La tumeur abdominale sus-mentionnee
est fonnee par un sac membraneux tendu, legörement bossele ä sa surface externe,
qui n’est autre chose, que la sereuse tres vascularisee par les gros vaisseaux.
Ce sac recouvert par l'öpiploon est place ä. gauche, il la bauteui- de l’S iliaque,
il renferme tout l’intestin grele ii l'exception du tiers superieur du duodenum et
des derniers centimetres de l’ileum, le gros intestin l’entoure. Cette poche ineir.-
braneuse s’ouvre ä gauche de la colonne vertebrale, ä, la hauteur des dernieres
vertebres lombaires, en bas et en andere par un orifice ovale ä bords arrondis,
epaissis, fibreux, de couleur nacree, mesurant dans son plus grand diametre
8 centimetres, laissant facilement passer le poing et distant de 7 ä S) centimetres
du colon descendant et de l’S iliaque. A sa face interne, la poche est lisse,
non alteree, revetue par une membrane semblable au peritoine et qui n'est que
sa continuation ; eile correspond il la depression peritonöale bien connue, qui se
trouve normalement entre les deux feuillets du niesen tero de l’S iliaque, surface
inferieure. Elle rccoit ses vaisseaux de l'artere colique inferieure, troisieme
brancbe de la mesenterique inferieure, un rameau fait presque complötement le
tour de son bord d’ouverture. En soulevant legerement la tumeur eutiere quelques
anses intestinales s;en ecbappent facilement. Les intestins non hyperemies ne ren-
ferment pas de matieres fecales, il n’existe pas de cicatrices de traction ä la base
du mesentöre. De ce fait et de ce que la face interne est lisse, nous pouvons conclure
qu’il n’y a pas eu, pendant la vie, de troubles serieux occasionnös par la bernie.
Es ist im liöchsten Grade zu bedauern, dass die Beschreibung
dieses in seiner Art einzigen Falles so lückenhaft gegeben ist, dass
dem aufmerksamen Leser selbst wider AVillen die ärgsten Zweifel
an ihrer Richtigkeit entstehen müssen. Auch ist es kaum zu ent-
schuldigen, dass der Verfasser es nicht einmal für nöthig gehalten
hat, den Fall durch eine Abbildung zu illustriren. Nach der Be-
schreibung kann ich mir von dem letzteren nur folgendes Bild
machen. Der Dickdarm ist normal gelegen und rahmt den Bruch-
47
sack gewissermaassen ein. Da die Flexura sigmoidea an den letzteren
angelieftet sein soll, so muss angenommen werden, dass sie kein
Gekröse besitzt, sondern dass das letztere zur Bedeckung des
Bruclisacks mit verwandt war. Die faustgrosse Bruchpforte ist
links von der Wirbelsäule und zugleich 7 — 9 cm von dem S romanum
entfernt am unteren hinteren Abschnitt des Sackes gelegen. Setzen
wir eine normale Lage des S romanum voraus, so würde man
lediglich nach dieser Beschreibung glauben müssen, dass sich die
Bruchpforte zwischen der Wirbelsäule und dem eben genannten
Darmtheil im vorderen Blatt des ehemaligen Mesocolon sigmoideum
befunden haben muss, wenn uns der Autor nicht die ausdrückliche
Versicherung gäbe, dass ihre Lage an der unteren Fläche des
Mesocolon sigmoideum dem Treitz’schen Orificium intersigmoideum
entspräche. Nehmen wir jedoch die letztere Angabe als richtig'
an, so kann kein Zweifel darüber bestehen, dass bei normal ge-
lagerter und an den Bruchsack fixirter Flexur die Bruchpforte
nach links und hinten von der letzteren gelegen und (wahrscheinlich
in ähnlicher Weise wie unter normalen Verhältnissen das Orificium
intersigmoideum) durch dieselbe verdeckt war. Bei dieser An-
nahme kommen wir aber sofort wegen des Dünndarms in die
grössten Schwierigkeiten. Der ganze Dünndarm ist in den Bruch-
sack eingeschlossen: nur das obere Drittel des Duodenum und die
„letzten Centimeter“ des Ileum liegen ausserhalb desselben. An
einer anderen Stelle ist wiederum gesagt, dass das Duodenum
einige Centimeter unterhalb der Vater’schen Ampulle in den Sack
eintrat; dann wären allerdings die oberen zwei Drittel des Zwölf-
fingerdarms ausserhalb des Sackes gelegen. Sehen wir indessen
von diesem nebensächlichen Widerspruch ab, so geht aus der Be-
schreibung das Eine deutlich hervor, dass nur das Ileum in die
Bruchpforte hineinzog, während das Duodenum in weiter Entfernung
von der letzteren an dem rechten oberen Theil des Sackes direct
dui ch die Wand desselben hindurchtrat. Wenn nun aber das Ileum
zu der an der unteren Fläche des Mesocolon sigmoideum gelegenen
Bruchpforte gelangen sollte, so müsste es vor dem S romanum
hinweg in ziemlich transversaler Richtung nach links ziehen. Wie
verhielt sich nun aber die Wurzellinie des Heumgekröses? War
das letztere auch an die Vorderfläche des S romanum angeheftet?
Lud wenn man dann das Ileum und Jejunum innerhalb des Sackes
weiter verfolgte, so konnte man doch nur hinter dem Colon
descendens wieder zum Duodenum gelangen, da aus der Be-
48
Schreibung sicher hervorgeht, dass das ganze Jejunum innerhalb
des Bruchsackes lag und nicht etwa vor dem letzteren und der
Flexura sigmoidea hinweg zur Bruchpforte zog. Wie verhielt sich
ferner die Wurzellinie des Dünndarmgekröses innerhalb des Bruch-
sackes und wie verlief der innerhalb des Sackes gelegene Tlieil
des Duodenum? War die Flexura duod'eno -j ejunalis normal ge-
legen? Das alles sind äusserst wichtige Fragen, wenn es sich
darum handelt, über diesen Fall ein sicheres Urtheil abzugeben.
Leider giebt uns die Beschreibung keine Antwort darauf.
Nach alledem möchte ich meine Meinung über den von Jo-
mini beschriebenen Fall in folgender Weise resumiren. Aus der
lückenhaften Beschreibung geht soviel mit Sicherheit hervor, dass
es sich bei demselben nie und nimmer um eine Hernia intersig-
moidea handeln kann. Wenn ich nun meinerseits interpellirt würde,
wofür ich diesen Fall ansehen möchte, so kann ich darauf nur er-
widern, dass eine sichere Beurtheilung desselben solange unmöglich
ist, als die oben von mir aufgeworfenen Fragen nicht beantwortet
sind. Insbesondere wird es sich darum handeln, die Lage und die
Begrenzungen der Bruchpforte genauer zu präcisiren. Würde die
abnorm grosse Bruchpforte wirklich in ihrer Lage dem ehemaligen
unteren Blatt des Mesocolon sigmoideum entsprechen, so bin ich
■der Meinung, dass der Fall überhaupt keine intraabdominale Hernie
darstellt, sondern dass wir hier ganz abnorme, bereits während
des intrauterinen Lebens entstandene Lageverhältnisse des Darm-
kanals vor uns haben, welche späterhin durch besondere Ver-
wachsungen fixirt sein könnten. Man überlege sich nur, dass wenn
die Bruchpforte wirklich das Orificium intersigmoideum wäre, der
Dünndarm auf seinem Wege von der Pars descendens duodeni bis
zum Coecum erst hinter dem Colon descendens oder S romanum
nach links und von da wiederum durch die Bruchpforte vor dem
8 romanum nach rechts verlaufen sein müsste! Wenn Jomin i
den Fall selbst obducirt hat, was aus seiner Mittheilung nicht mit
Sicherheit hervorgeht, so ist er vielleicht noch jetzt nachträglich
im Stande, über manche von diesen unklaren Punkten aus der
Erinnerung Auskunft zu geben. Dass das Präparat für die Samm-
lung conservirt worden ist, ist leider nicht anzunehmen, da, wie
aus dem Sectionsprotocoll hervorgeht, eine grosse Anzahl der
Baucheingeweide aufgeschnitten worden sind.
Der zweite Fall, der von Eve, unterscheidet sich von dem
Vorigen in vortheilhafter Weise zunächst dadurch, dass derselbe durch
49
eine Abbildung illustrirt ist. Die Beschreibung und die nebenstehende
Figur ermöglichen es wohl, sich eine klare Vorstellung von dem
Verhalten des ganzen Dickdarms und des unteren Ileumendes, des
Bruchsackes und der Bruchpforte zu machen. Indessen über den
Verlauf und die Lage des Duodenum ist zunächst gar nichts
gesagt, ferner ebensowenig darüber, wie eigentlich der Dünn-
darm von seinem rechts oben gelegenen jejunalen Anfangs-
theil zur Bruchpforte hinzog. Zur besseren Beurtheilung des
Falles will ich die anatomische Beschreibung desselben wörtlich
citiren :
On opening tlie abdomen, I found the following condition. The intestines
were injected and distendet witli flatus, but there was no effusion of lymph.
On moving them aside to the right, it was observed that the sigraoid flexure
was displaced towards the middle line ; and, extending from its posterior suface
towards the left iliac fossa, was a sheet of peritoneum through an opening in
which a knuckle of small intestine passed. The protruded intestine was with-
drawn witli out the least resistance, and prcved to be a portion, about six inches
in length, of the lower and of the ileuni. It was moderately congested, and
was marked at each end by a slight constriction. The opening in the peritoneum
was oval, and its long diameter measured half an inch. It was situated close
to the left side of the sigmoid flexure, its lower margin being from an inch to
an inch and a half above and to the outer side of the sacro-iliac synchondrosis,
and an inch from the ovary. On dissecting up the peritoneum from the subjacent
muscles, the opening was found to lead into a sac of peritoneum having very
thin walls , which were attached to , or continuous with , the margins of the
opening. The sac was pyriform, measured three inches in its long diameter, and
extended upwards and backwards beneath the large intestine. Its posterior
surface, in contact with the iliacus and lumbar muscles, was easily dissected
from its connections, but its anterior surface was so closely connected with the
peritoneum and posterior surface of the large bowel, that its continuity, in parts,
coiüd not be established.
The sigmoid flexure was nearly surrounded by peritoneum, but had not a
distinct mesentery, the two layers of peritoneum reflected from it being nowhere
in contact. Above the opening of the hernia, the flexure was bound down to
the iliac fossa by three bands of thiclcened peritoneum. The mucli distended
caecum occupied a position immediately to the right of the middle line. The
ascending colon took a course obliquely across the abdomen to the left hypoclion-
drium, where it turned sharply to the right, and followed the curve of the
diaphragm until it reached the middle line; here it became suddenly bent upon
itself and returned, above and parallel to its previous course, to the lover edge
of the spieen; thence it took the normal direction to the sigmoid flexure. Both
the ascending and descending portions of the large intestine were closely United,
and almost surrounded by a single layer of peritoneum. A transverse colon, it
need scarcely be said, did not exist.
Just above the caecum, the ascending colon and adjacent curve of the
sigmoid flexure were bound together by a ribbon-like band of fibrous tissue
Broesike, Hernien. 4
50
tbree-quarters of an inch in breadth and half an incli in length: the adhesion
to the flexure was two inches below the level of the hernial opening. The
ascending colon was slightly narrowed by the tension to which the band gave
rise, but the calibre of the lower bowel was unaltered, and, with the othcr
large intestine, was of the usual dimensions.
The upper end of the misplaced colon was connected by the great omentum
to the great curvature of the stomach. In front of the sharp bend of the
ascending colon at the middle line was a funnel-shaped pocket or cul-de-sac,
tliree inches in length, which was formed by a depression or insolution of
peritoneum between the parallel running folds of large intestine.
Part of the jejunum occupied the usual position of the ascending colon,
and at a point two feet below the pyloric orifice had been opened and attacbed
to the wound in the right loin, at which it presented during the Operation
(d. li. der rechtsseitigen Colotomie. Anm. d. Yerf.).
Fassen wir das Wichtigste dieser Beschreibung unter Zuhülfe-
nahme der Abbildung zusammen, so ist zunächst zu bemerken,
dass der Dickdarm die Form eines doppelten S hatte, dessen
beide Theile, oben in einander übergehend und eng an einander
gelöthet, parallel durch die Bauchhöhle zogen. Die rechte Hälfte
dieser Doppelfigur entsprach dem Coecum und Colon ascendens,
die linke dem Colon descendens und der Flexura sigmoidea, ohne
dass man in der Lage war, von einem Colon transversum sprechen
zu können. Der Bruchsack lag im wesentlichen in der linken
Bauchhälfte, die Bruchpforte links neben dem mittleren Theile des
Doppel-S gelegen, entsprach etwa der Eingangsöffnung des Bec.
intersigmoideus. Yon dem Heum ist ohne Zweifel zu constatiren,
dass es von dem rechts von der Medianlinie gelegenen Coecum
aus vor der mit dem letzteren verlötheten Flexura sig-
moidea hinweg nach links und oben bis in die Bruchpforte hinein-
zog und allein in der letzteren gelegen war. Das Jejunum be-
fand sich nach der Beschreibung zum grössten Theile an der-
jenigen Stelle, an welcher gewöhnlich das Colon ascendens
gelegen ist: auf der Abbildung ist jedoch von diesem Darmtheil
nichts wahrzunehmen. Weder aus der Beschreibung noch aus
der Abbildung ist nun aber zu entnehmen, wie das Jejunum
von dem rechten oberen Abschnitt des Cavum abdominis weiter
verlief. Ging es vor dem Dickdarm in das Ileum über,
oder zog der Dünndarm (ähnlich wie dies in dem Falle von
Jomini gewesen zu sein scheint) hinter dem Dickdarm in den
Bruchsack hinein, um alsdann den letzteren in Gestalt des unteren
Ileumendes durch die Bruchpforte zu verlassen? Da Eve indessen
nur davon spricht, dass eine sechs Zoll lange Heumschlinge in die
51
Bruchöffnung' hineinging, welche nach dem Herausziehen an beiden
Enden eine leichte Einschnürung zeigte, so ist die erste Annahme
wohl wahrscheinlicher. Denn im zweiten Fall hätte ja nur ein
einziges Darmrohr aus der Bruchöffnung heraustreten müssen.
Eve erklärt sich den von ihm publicirten Fall in der Weise, dass
er annimmt, es habe schon in einem sehr frühen embryonalen
Entwicklungsstadium zwischen dem ursprünglich links gelegenen
Coecum und dem zu jener Zeit in seiner unmittelbaren Nachbar-
schaft befindlichen S romanum eine Verlöthung stattgefunden, durch
welche das Erstere an seiner normalen Locomotion nach rechts
verhindert worden sei. Dadurch sei aber zugleich die Flexura
sigmoidea aufwärts gezogen und das Orificium intersigmoideum
ffxirt und vergrössert worden — wodurch natürlich für das Ein-
dringen einer Darmschlinge in die letztere Oeffnung die denkbar
günstigsten Vorbedingungen gegeben wären.
Man kann die Erklärung von Eve acceptiren und würde dann
den ersten sicher constatirten Fall einer Hernia intersigmoidea vor
sich haben. Uebrigens könnte der Fall auch in folgender Weise
erklärt werden. Die Verlöthung des Gekröses der ehemaligen
Nabelschleife mit dem Duodenum und der rechten Hälfte der
hinteren Bauchwand war während des embryonalen Lebens unter-
blieben, d. h. es ist ein sogenanntes Mesenterium commune für
das Jejunum, Ileum, Coecum und Colon ascendens vorhanden ge-
wesen, während das Colon transversum und descendens annähernd
in der gewöhnlichen Weise fixirt waren (cf. Fall B. p. 127 bei
Treitz). In Folge chronischer Entzündungsprocesse während des
extrauterinen Lebens wurden alsdann das Coecum und Colon as-
cendens mit der Flexura sigmoidea verlöthet und die eben genannten
Darmtheile nach rechts dislocirt, so dass das Orificium intersig-
moideum für das Eintreten der Dünndarmschlingen zugänglich
wurde. Die grosse Derbheit und Festigkeit der Verlöthungen
zwischen den letztgenannten Dickdarmabschnitten und der hinteren
Bauchwand, sowie die an amnestischen Daten sprechen mehr dafür,
dass es sich hier um pathologische Processe gehandelt hat. Indessen
würde auch diese Annahme an der Beurtheilung des Eve’schen
Falles als Hernia intersigmoidea nichts ändern, da eine normale
Fossa intersigmoidea schon vor dem Auftreten der peritoniti sehen
Erscheinungen vorhanden gewesen sein könnte. Uebrigens ist es von
Interesse, dass dieser seltene Fall unter schweren Incarcerations-
erscheinungeu verlief, welche zur Operation führten.
4*
52
IY. Die pericaecalen Bauchfelltaschen und Hernien,
a) Pericaecale Bauchfelltaschen.
Die Peritoneal taschen in der unmittelbaren Nachbarschaft des
Coecum sind so vielfach und so genau beschrieben worden, dass mir
in Bezug auf dieses Thema wenig mehr übrig bleibt, als das vor-
handene Material kritisch zu sichten. Insbesondere sind die Be-
schreibungen von Wald ey er und von Jonnesco durch ihre grosse
Klarheit und Genauigkeit ausgezeichnet. Der Vollständigkeit wegen
Avill ich im Anschluss an die beiden oben genannten Autoren eine kurze
Schilderung dieser Taschen geben, bei welcher ich immerhin auch
meine eigenen Beobachtungen berücksichtigen werde. Auch er-
scheint es mir nicht überflüssig, auf die Genese derselben besonders
einzugehen, weil die Meinungen darüber noch immer nicht voll-
ständig geklärt sind.
Waldeyer unterscheidet vier Arten von peritonealen Recessus
in der Nähe des Coecum, uämlich: 1. den Recessus ileo-coecalis
superior, 2. den Rec. ileo - coecalis inferior, 3. den Rec.
coecalis und 4. den Rec. subcoecalis. Für die Beschreibung
derselben gehe ich von derjenigen Lage des Darmes aus, bei
welcher der Proc. vermiformis vertical nach abwärts hängt, während
das transversal gelegene Endstück des Ileum mit dem Coecum
einen nahezu rechten Winkel bildet.
1. Der Rec. ileo-coecalis superior hängt in seiner Ent-
wickelung von der Ausbildung einer Peritonalfalte ab, welche, von
dem vorderen Blatt des Ueo-caecalgekröses ausgehend, dicht ober-
halb oder vor dem Ende des Ileum nach rechts und abwärts verläuft,
um sich meistens an der Vorderfläche des Coecum, seltener an
der Wurzel des Proc. vermiformis zu verlieren. In dem nach
links gelegenen, concaven, freien Rande der Falte ist ein stärkerer
Zweig der A. ileo-colica gelegen, welchen ich mit Tuffier zweck-
mässig als A. ileo-coecalis ant. benennen möchte. Die Falte wird
von Jonnesco als Eepli mesenterico- caecal bezeichnet. Ich
kann mich dieser Bezeichnung deswegen nicht anschliessen, weil
sich mitunter auch an der hinteren Fläche der Uebergangsstelle
zwischen Ileum und Coecum gewissermaassen als Fortsetzung des
hinteren Mesenterialblattes eine Falte vorfindet, auf welche die
Jonnesco' sehe Bezeichnung ebenfalls passen würde. Will man
die vorhin beschriebene Peritonealfalte irgendwie bezeichnen, so
53
würde der Name Plica ileo-coecalis ant.wolil am passendsten sein,
weil dieselbe erstens die A. ileo-coecalis anterior enthält und zweitens
vor der Uebergangsstelle des Ileum in das Coecum gelegen ist.
Der von Waldeyer sogen. Rec. ileo-coecalis sup. ist nun
vorn durch die Plico ileo-coecalis ant., hinten durch die eben er-
wähnte Uebergangsstelle begrenzt und öffnet sich somit nach links
und abwärts. Beim Embryo und beim Kinde ist derselbe stets
verhältnissmässig viel stärker entwickelt als beim Erwachsenen,
was wohl darauf zurückzuführen ist, dass das Coecum ein erheblich
mächtigeres Wachstum zeigt als die Falte, wobei die letztere
theilweise zur peritonealen Bedeckung des ersteren verwandt
wird. Jonnesco (No. 2, p. 118) refusirt die Bezeichnung Rec.
ileo-coecalis sup. nicht mit Unrecht, weil, wie er sagt, der Recessus
nicht „au niveau de hangle ileo-coecal superieur, mais bien en
avant de Tileon ou plus precisement au niveau de hangle ileo-coecal
anterieur“ gelegen ist. Er schlägt für den Recessus einfach die
Bezeichnung „Fossette ileo-coecale“ vor, was mir deswegen nicht
gefällt, weil einerseits dieser Name erst recht nichts über die Lage
dieser Bauchfelltasche besagt, andererseits unter der gleichen Be-
zeichnung schon Luschka etwas ganz anderes, nämlich den Rec.
ileo-coecalis inf. von Waldeyer verstanden hat. Jonnesco hätte
nach seiner obigen Definition noch einen Schritt weiter gehen und
diese Tasche als Rec. ileo-coecalis anterior bezeichnen sollen.
Der letztere Name scheint mir für dieselbe in jeder Beziehung am
zutreffendsten zu sein.
Betreffs der Genese der Plica und damit auch des Recessus
ileo-coecalis superior oder, wie ich sagen möchte, anterior stimmen
seit Waldeyer die Autoren darin überein, dass die Falte ledig-
lich durch die darin verlaufende Arterie emporgehoben wird und
somit als eine Gefässfalte angesehen werden muss. In der That
ist wohl die Arterie bei minimaler Faltenbildung, aber niemals die
Falte ohne die Arterie vorhanden.
2. Der Rec. ileo-coecalis inferior (Rec. ileo-coecalis von
Luschka). Für diese Bauchfelltasche schlägt Jonnesco die Be-
zeichnung Fossette ileo-appendiculaire vor, die sich in latinisirter
Form als Rec. ileo- appendicularis darstellen würde. Diese
Bezeichnung halte ich für eine sehr glücklich gewählte, denn
erstens ist sie um ein Wort kürzer als die von Waldeyer,
zweitens muss selbst jeder Unkundige aus derselben sofort ent-
nehmen, dass dieser Recessus zwischen dem Endstück des Ileum
54
und dem Proc. vermiformis gelegen ist. In der That wird die
rechte Wand desselben durch den Proc. vermiformis, die obere
(linke) durch das Ileum, die hintere Wand durch das Mesen-
teriolum des Proc. vermiformis (den Meso-appeii clice von Jonnesco),
die vordere durch eine Peritonealfalte gebildet, welche Jonnesco
ganz zutreffend als Repli üeo-appendiculaire (Plica ileo-appen-
dicularis) bezeichnet. Die Eingangsöffnung des Recessus sieht
somit nach links und unten, sein rechts und oben gelegenes blindes
Ende stösst an den unteren Winkel der Uebergangsstelle zwischen
Ileum und Coecum. Was den Meso-appendix (das Mesenteriolum
des Proc. vermiformis) betrifft, so ist derselbe dadurch charakterisirt,
dass er in der Nähe seines freien Randes von der Art. appen-
dicularis durchzogen wird, welche als Ast der A. ileo-colica hinter
dem Ileum zum Wurmfortsatz herabsteigt. Auch ich erinnere
mich ebensowenig wie Jonnesco jemals gesehen zu haben, dass,
wie dies Bochdalek behauptet, mitunter die A. appendicularis
vor dem Ileum zum Proc. vermiformis verlaufen kann. Zwar er-
wähnt Tarenetzki (p. 15) einen Fall, wo bei einem 9jährigen
Kinde die A. vermicularis nicht hinter, sondern vor dem Ileum
vorüberzog, „wodurch auch die Anordnung und Form der ent-
sprechenden Peritonealfalten die umgekehrte wurde“. Ich selbst
möchte jedoch glauben, dass es sich in diesen Fällen um die
vorhin genannte A. ileo-coecalis ant. gehandelt hat, welche die
Versorgung des Proc. vermiformis übernimmt, wenn die eigent-
liche A. appendicularis einmal zufälligerweise sehr schwach oder-
gar nicht entwickelt ist. Damit möchte übereinstimmen, dass
auch die Plica ileo-coecalis ant. zuweilen mit ihrem unteren Ende
bis an die Wurzel des Wurmfortsatzes hinanreicht (vergl. auch
weiter unten p. 59). Der Meso-appendix würde somit stets mit
dem hinteren Blatt des Ileo-coecalgekröses in continuirlichem Zu-
sammenhang stehen. Die zweite Begrenzungsfalte des Recessus.
die Plica ileo-appendicularis von Jonnesco ist mit der Plica
ileo-coecalis von Luschka identisch: sie entsteht an dem vorderen
Umfang des Ileumendes, zieht in annähernd frontaler Richtuug
längs der ileo-coecalen Begrenzungsfurche bis zur Wurzel des
Wurmfortsatzes hin, verläuft alsdann eine kurze Strecke an der
Vorderfläche des letzteren und geht hierauf in das vordere (linke)
Blatt des Mesenteriolum über, indem sie dessen freien Raud
zu erreichen pflegt. Der laterale Ansatz dieser Falte kann
übrigens auch an die laterale Fläche des Wurmfortsatzes ver-
55
legt sein oder sicli sogar lateral von dem letzteren bis zur
hinteren Bauchwand erstrecken, so dass, wie in dem einen Falle
von Waldeyer, derProc. vermiformis ganz in dem Recessus liegt:
die Anheftungslinie dieser Falte kann aber auch mehr nach links,
d. h. gänzlich auf das vordere Blatt des Meso-appendix hinüber-
riicken. Andererseits können auch die beiden linken (medialen)
Enden der Plica ileo-appendicularis und des Mesenteriolum mit
einander contluiren, so dass die Oeffnung des Recessus lediglich
von dem freien Rande der eben genannten Falten gebildet wird.
Schon Waldeyer hatte auf kleine Gefässverzweigungen in der
Plica ileo-appendicularis aufmerksam gemacht. Tuffier und
Jonnesco bestätigen diese Angabe. Treves (No. 2, p. 529) be-
zeichnet zwar die Plica ileo-appendicularis als „bloodless fold“,
sagt jedoch kurz vorher, dass, „wenn in derselben Arterien vor-
handen sind, dieselben nur sehr klein sind und von den Blut-
gefässen herkommen, welche in dem freien Rande des Meso-
appendix verlaufen“. Ich selbst habe bei guter Entwicklung dieser
Falte, abgesehen von verschiedenen mehr unregelmässigen Ver-
zweigungen, fast immer in ihrem freien Rande stärkere Blut-
gefässe gefunden, welche sich von den Vasa appendicnlaria in
genau derselben Weise abzweigten, wie dies von Jonnesco (Fig. 29)
abgebildet ist, ohne dass übrigens dieser Auto]' ein besonderes
Gewicht auf diese Thatsache legt. Diese Randgefässe habe ich
vielfach ganz deutlich mit blossem Auge wahrnehmen können,
wenn sie nicht gerade durch eingelagertes Fett verdeckt waren.
Wo sie mit blossem Auge nicht wahrnehmbar waren, konnte ich
sie wenigstens bei mikroskopischer Untersuchung constatiren, so
dass ich geneigt bin, sie für constant zu halten. Auf diese Rand-
gefässe, ebenso wie auf die von Luschka in der Falte zuerst
entdeckten longitudinalen glatten Muskelfasern komme ich später
noch einmal zurück. Die Plica ileo-appendicularis könnte bei sein-
hoher Lage ausnahmsweise einmal mit der von mir vorhin sogen.
Plica ileo-coecalis ant. verwechselt werden: charakteristisch ist
für die erstere, dass sie (wenigstens nach den von mir gemusterten
Exemplaren) ihre Blutgefässe von der A. appendicularis empfängt,
während die in der letzteren gelegene A. ileo-coecalis ant. direct
aus der A. ileo-colica entspringt und vor dem Coecum entlang
zieht. Endlich wäre noch der von Schott (p. 44) zuerst be-
schriebenen Verschliessung und cystischen Erweiterung des Rec.
ileo-coecalis inf. zu gedenken, wie sie offenbar durch eine Ver-
56
wachsung der Ränder der Eingangsöffnung hervorgerufen ist. Audi
manche anderen Varietäten des Recessus sind auf Verlöthungen,
noch andere auf eine mangelhafte Ausbildung der constituirenden
Palten zuriickzuführen (cf. Tarenetzki, p. 22).
Ich lasse noch die Beschreibung zweier Fälle von Rec. ileo-
coecalis inf. s. ileo-appendicularis folgen, welche mir deswegen eine
besondere Beobachtung zu verdienen scheinen, weil in ihnen diese
Bauchfelltasche ungewöhnlich entwickelt war. Aehnliche Grössen-
verhältnisse scheint auch Tuffier (p. 651) beobachtet zu haben:
er sagt über die Grube ganz kurz Folgendes: „Je l'ai vu chez
radulte admettre les deux dernieres phalanges des cinq doigts:
dans un cas, le feuillet anterieur ileo-coecal presentait 10 centi-
metres, il flottait ä la maniere d'un veritable petit epiploon conte-
nant dans son epaisseur des franges graisseuses.“
I. Fall. Männliche Leiche in vorgerückterem Lebensalter und ziemlich
gutem Ernährungszustände. Das Peritoneum, seine Falten und Anhänge sind
sämmtlich sehr gut entwickelt und ziemlich fettreich, das Dünndarmgekröse ist
durch grosse Länge ausgezeichnet. Die Plica ileo-appendicularis (Plica ileo-
coecalis von Luschka) ist kolossal stark entwickelt: ihre Ansatzlinie am Ileum
ist 12 cm lang und erstreckt sich alsdann noch in einer Länge von 5 cm längs
des Coecum bis zur Wurzel des Proc. vermiformis, von wo sie schliesslich auf
das Mesenteriolum übergeht und mit dem letzteren verschmilzt. In gleicher
Weise hängt die Falte an ihrem medialen, dem Ileum entsprechenden Ende mit
dem Meso-appendix zusammen, so dass eine kreisförmige Oeffnung entsteht,
welche in ausgedehntem Zustande etwa 3 cm Durchmesser besitzt. Der Recessus.
zu welchem diese Oeffnung führt, ist etwa kleinapfelgross. Die Höhe der Plica
ileo-appendicularis beträgt an ihrer höchsten, der Wurzel des Wurmfortsatzes
entsprecheuden Stelle 6 cm, an ihrem niedrigsten, von dem Wurmfortsatz am
meisten entfernten Theile noch 3cm. Im Uebrigen ist die Falte sehr fettreich:
in ihrem Rande verliefen gut entwickelte Blutgefässe, welche von den A7asa
appendicularia aus in den höchsten Theil der Falte eintraten und sich am nie-
drigsten Theile derselben allmählich verlieren. Ob auch in den letzteren Ab-
schnitt der Falte von dem Mesenteriolum aus G-efässe eintraten, welche den eben
erwähnten entgegenzogen und mit ihnen communicirten, so dass also die Oeffnung
des Recessus von einem Gefässriug umgeben gewesen wäre, darauf habe ich nicht
geachtet. Doch erscheint mir diese Annahme sehr wahrscheinlich.
II. Fall. Männliche Leiche, gut genährt, kräftig. Die Plica ileo-appendi-
cularis, deren grösste Höhe 3 cm beträgt, zog am Ileum in einer Länge von
5 cm, am Coecum von 4 cm entlang und trat hier dicht neben dem Ansatz des
Proc. vermiformis auf das Mesenteriolum über. Der links gelegene, sehr niedrige
Theil der Falte confluirte wieder mit dem letzteren, so dass eine im ausge-
dehnten Zustande rundliche Oeffnung entstand, welche dann einen Durchmesser
von etwa 7 cm hatte. In die tiefste Stelle des Recessus konnten etwa zwei
Fingerglieder eingeführt werden. In dem freien Rande der Falte verliefen der
ganzen Länge nach Blutgefässe, welche von den Vasa appondicularia herkamen
57
uud am Ileum ihr Ende erreichten. Die Plica ileo-appendicularis war also in
diesem Falle niedriger als in dem vorigen, während die Oeffnnng im Gregentheil
sich erheblich grösser darstellte.
Die Genese des Rec. ileo-coecalis inf. s. ileo-appendicularis
stellt mit der Genese der Plica ileo-appendicularis und des Meso-
appendix in engem Zusammenhang. Was zunächst den letzteren
betrifft, so sind wohl seitWaldeyer (p. 80) die Autoren allgemein
darüber einig, dass die Entwicklung dieser Palte vom Verlaufe und
der Entwicklung der A. appendicularis abhängig ist. Dagegen
herrscht betreffs einer Erklärung für das Zustandekommen der Plica
ileo-appendicularis unter den Autoren noch immer eine gewisse Un-
sicherheit. Luschka und sein Schüler Hart mann bringen ihr
Vorhandensein mit dem in dieser Falte gelegenen Streifen von
longitudinalen, glatten Muskelfasern in Verbindung, welcher von
demCoecum auf das Ileum hinüberzieht. T oldt (No. 1 p. 33) bestätigt
diese Angabe mit dem Bemerken, dass er die Muskelbündel schon
zu Ende des fünften Embryonalmonates nachweisen konnte, und
dass ein Zusammenhang dieser Bündel mit der Muskelhaut des
Darmes vorhanden wäre. „Nach ihrer Anheftung am Darme und
nach der Art ihrer Ausdehnung während des foetalen Wachsthums
möchte ihre Entstehung etwa so zu erklären sein, dass zunächst
in dem Winkel, welcher durch das Basalstück des Wurmfortsatzes
und durch das Endstück des Ileum eingeschlossen ist, in Folge des
Wachsthums beider Darmtheile nach verschiedener Richtung der
Bauchfellüberzug mit einem Theile der äusseren Muskellage abge-
hoben wird : die so gebildete Bauchfellfalte muss sich in dem Maasse
vergrössern, als die früher jenem Winkel nahe liegenden Punkte
des Ileum und des Wurmfortsatzes durch das fortschreitende Wachs-
thum von diesem sich mehr und mehr entfernen.“ Auch ich möchte
meine Meinung über diese Falte kurz dahin präcisiren, dass die-
selbe zweifellos primär als Muskelfalte anzuseheu ist, welche jedoch
ihre Blutgefässe von den A^asa appendicularia erhält. Auch ich
habe die glatten Muskelfasern bei Embryonen, Kindern und Er-
wachsenen in longitudinalen, d. h. der Längsaxe des Darmes ent-
sprechenden Zügen vorgefunden; dieselben waren im Basaltheile
der Falte dicht gedrängt, dagegen je näher dem Rande der letzteren,
in um so weiteren Distanzen von einander gelegen. War die
Plica ileo-appendicularis sehr gut entwickelt, so war es mir oft
gar nicht mehr möglich, dieselben bis auf eine grosse Entfernung
vom Rande hin in der Falte wahrzunehmen, während die von den
58
Vasa appendicularia ausgehenden Marginalgefässe nahezu constant im
Rande selbst vorhanden waren. Nur hei zwei älteren Individuen mit
ausserordentlich fettreicher Plica zogen diese Gefässe in einiger
Entfernung vom Rande durch die Falte hindurch; Hand in Hand
mit der stärkeren Fetteinlagerung hatte hier ausnahmsweise eine
überschüssige Proliferation der Falte über die Randgefässe hinaus
stattgefunden. Ist die Fetteinlagerung in die Plica ileo-appen-
dicularis nur gering, so sieht man dieselbe sehr häufig allein
auf den Rand beschränkt, wo sie die Marginalgefässe völlig ver-
decken kann. Nach alledem muss ich annehmen, dass, wenn die
Plica ileo-appendicularis auch primär eine Muskelfalte ist, ihre
Weiterentwicklung doch von dem Verhalten ihrer Randgefässe,
sowie der Vasa appendicularia und des Mesenteriolum abhängig ist
und dass dieselbe somit später mehr den Charakter einer Gefäss-
falte annimmt. Wird das Mesenteriolum höher und entfernen
sich die Vasa appendicularia mehr von der Darmoberfläche, so
werden ihnen bei harmonischer Entwicklung auch die Marginal-
gefässe der Plica ileo-appendicularis folgen und die letztere wird sich
erhöhen müssen. Die verschiedenen oben angedeuteten Varietäten
in der Insertion dieser Falte am Wurmfortsatz und Meso-appendix
hängen einfach davon ab, ob die Randgefässe mehr vom Auf angs-
theil oder vom Ende oder gar von einem Zweige der Vasa appen-
dicularia abgehen. Fasst man die Plica ileo-appendicularis einfach
als Muskelfalte auf, so bleiben viele Varietäten derselben unerklärt,
so z. B. wenn dieselbe mit ihrem lateralen (unteren) Ende gar
nicht den Proc. vermiformis erreicht, sondern sich gänzlich an
dem oberen (medialen) Abschnitt des Meso-appendix inserirt. Die
letztgenannte Varietät zeigt auch, dass die Toldt’sche Erklärung
nur auf einen Theil der Formen passt, in denen diese Falte auf-
tritt. Ich möchte übrigens noch betonen, dass selbst bei den aus-
gesprochensten peritonealen Gefässfalten sich keineswegs ein Zu-
sammenhang zwischen der Grösse der Falte und dem Kaliber
ihrer grossen Blutgefässe nachweisen lässt, wie dies besonders
deutlich an der Plica ileo-coecalis ant. s. sup., aber auch an anderen
Orten hervortritt. Die letztere Falte kann mitunter nur sehr
winzig und die in ihr enthaltene A. ileo-coecalis ant. dennoch sein-
stark entwickelt sein.
Ich will endlich zum Schluss noch der Auffassung von Treves
Erwähnung tliun, welcher auf Grund vergleichend anatomischer
Studien zu der Anschauung kommt, dass die Plica ileo-appendicu-
59
laris (Plica ileo-caecalis Luschka) das eigentliche, wahre Mesenterium
desProc vermiformis darstelle, obschon übrigens er selbst dieser Falte,
wenigstens für die Mehrzahl der Fälle, die Blutgefässe abspricht.
Zu dieser Ansicht scheint Treves hauptsächlich durch die That-
saclie verführt worden zu sein, dass diese Falte beim Känguruh
kolossal stark entwickelt ist, während die Analoga des Meso-appendix
und der Plica ileo-coecalis ant. daneben an Grösse gänzlich zurück-
treten. Dem gegenüber hebt schon Jonnesco (No. 2, p. 122) hervor,
dass, wenn bei seinen Beobachtungen am Menschen von den drei
beschriebenen Falten eine fehlte, dies immer die Plica ileo-appeir
tlicularis war. Ich selbst möchte ferner hier noch einmal darauf
aufmerksam machen, dass die letztere Falte gar keine Blutgefässe
von der A. ileo-colica, sondern nur von der A. appendicularis be-
kommt und schon dadurch ihre Abhängigkeit vom Mesenteriolum
kundgiebt. Endlich muss ich aber sagen, dass die von Treves
selbst gegebenen Abbildungen und Schilderungen vergleichend
anatomischer Objecte mich zu einem ganz anderen Resultate führen,
nämlich dass mau für das Coecum und seine Verlängerung, den
Proc. vermiformis, zwei nutritive Arterien, die A. ileo-coecalis ant.
und die A. ileo-coecalis post. s. appendicularis1) annehmen muss,
von denen sich bei verschiedenen Thieren bald die eine, bald die
andere stärker entwickelt zeigt. Da die beiden, bald mehr bald
weniger stark entwickelten Peritonealfalten, in welchen diese Ar-
terien verlaufen, sich beide bis zum Proc. vermiformis nach abwärts
erstrecken können, so könnte man höchstens für den letzteren ein
doppeltes Mesenteriolum annehmen, einvorderes, welchesdurch
die Plica ileo-coecalis sup. s. ant., ein hinteres, welches durch den
beim Menschen allein so bezeichneten Meso-appendix gebildet werden
würde — womit dann allerdings die von Jonnesco angezweifelten
Behauptungen von Bochdalek (cf. d. A. p. 54) auch für den
Menschen in ihre Rechte treten würden. Trotzdem übrigens der
erstere Autor die Behauptungen des letzteren nicht anerkennen
will, äussert er doch eine der meinigen ganz ähnliche Ansicht,
*) tßh bemerke hierbei, dass ich in der Terminologie liier von Tuffier ab-
weiche, welcher neben einer A. ileo-coecalis post, noch eine besondere A. appen-
dicularis s. vermicularis annimmt. Die Abbildungen, auf welche sich Tuffier
(p. 644) bezieht, stellen nach meiner Ansicht ein abnormes Verhalten des Proc.
vermiformis dar, da der letztere hier hinter dem Coecum nach aufwärts zurück-
gebogen ist, was mir mit der sehr kurzen, hoch entspringenden A. appendicularis
zusammenzuhängen scheint.
60
wenn er — allerdings ohne nähere Begründung — (No. 2, p. 122)
sagt, dass für ihn das veritable Mesenterium des Coecalapparats,
d. h. des Coecum und Proc. vermiformis nicht allein durch die
Plica ileo-appendicularis, sondern durch die drei Palten repräsentirt
wäre, welche vom Dünndarmgekröse, sei es zum Coecum, sei es
zum Proc. vermiformis verlaufen. Für die Plica ileo-appendicularis
kann ich dies jedoch nur in dem Sinne anerkennen, als ich diese
Falte mit Rücksicht auf ihre Gefässversorgung wenigstens theil-
weise als ein Derivat des Meso-appendix betrachten muss.
3. Die zuerst von Huschke beschriebene, von Waldeyer
als Fossa coecalis bezeichnete Bauchfelltasche ist wohl am
schönsten in einem von Langer (No. 1) beschriebenen Falle ent-
wickelt gewesen: ihre hintere Wand bildet eine Art Bett für das
Coecum und dieselbe ist somit zwischen dem Coecum und dem
Peritoneum parietale der hinteren Bauchwand gelegen. Die Grube
wird rechts von einer Bauchfellfalte, dem sogen. Lig. intestini coeci
von Huschke (Lig. superieur du caecum von Tuffier) begrenzt,
welches bald mehr vorn, bald mehr hinten am lateralen Umfang des
Coecum entspringt und dorsalwärts continuirlich mit dem Peritoneum
parietale der hinteren Bauchwand zusammenhängt. Ihre linke Grenze
wird in den ausgeprägten Fällen ebenfalls durch eine Falte gebildet,
welche gewöhnlich von dem Vereinigungswinkel des Ileum und
Coecum gewissermaassen als Fortsetzung des Ueumgekröses längs
der hinteren Bauchwand nach abwärts zieht. Um ihr einen
möglichst kurzen Namen zu geben, will ich diese, von Tuffier
als Lig. inferieur du caecum bezeichnete Falte Plica infraangidaris
nennen, obschon dieselbe mitunter nicht ganz genau von dem Ileo-
coecal winkel, sondern mehr vom linken Abschnitt des Coecum selbst
ausgehen kann. Das Lig. intestini coeci und die Plica infraangidaris
können — wie z. B. in dem Falle von Langer — an ihren unteren,
bereits in der Fossa iliaca gelegenen Enden confluiren, so dass sie
beide zusammen eine halbmondförmige Falte bilden, deren Conca-
vität alsdann nach oben gerichtet ist, während ihr linkes Horn
dem Ileo-coecalwinkel, ihr rechtes dem lateralen Umfang des Coecum
entspricht. Es würde somit diese halbmondförmige Falte die
Peripherie des Coecum wie eine Art von Rahmen umgeben. Die
Eiugangsölfnung zu der Wald eyer’schen Fossa coecalis würde
in dem letzteren Falle zwischen der eben erwähnten halbmond-
förmigen Falte und dem Coecum gelegen sein. Ausser der Fossa
coecalis wird alsdann noch in etwas verschwommener Weise von
61
Treitz, dagegen völlig klar von Waldeyer eine sogen. Fossa
subcoecalis beschrieben, welche zunächst mit der vorigen die
beiden Merkmale gemein hat, dass sie ebenfalls zwischen dem
Coecum und dem Peritoneum parietale der hinteren Bauchwand
gelegen ist, und dass ihre Eingangsöffnung gerade nach abwärts
oder auch ein wenig nach links sieht. Als Characteristicum für
diese Bauchfelltasche bezeichnet Waldeyer ihre Lage tief unter
dem Coecum (an der Uebergangsstelle zwischen dem letzteren und
dem Colon ascendens), welche zur Folge hat, dass sich ihr Ori-
ficium erst sehen lässt, wenn das Coecum in die Höhe gehoben ist.
Niemals kounte dieser Autor ferner constatiren, dass die Eingangs-
öffnung nach rechts und abwärts gerichtet war.
Jonnesco endlich (No. 2, p. 123) unterscheidet zwischen dem
Coecum und der hinteren Bauchwand zwei Bauchfelltaschen, welche
er als Fossette retro-caecale externe und Fossette retro-caecale interne
bezeichnet. Bei dieser Terminologie hat sich derselbe wohl an
Tarenetzki angelehnt, welcher (p. 23) unter der Bezeichnung*
Recessus post-caecales die verschiedenartigsten Peritonealgruben zu-
sammenfasst, welche unter und hinter dem Blinddarm gelegen sind.
Die Fossette retro-caecale interne identificirt Jonnesco
mit der Fossa coecalis von Waldeyer, was mir nicht richtig
zu -sein scheint, denn wie aus seiner Fig. 30 deutlich hervor-
geht, bildet die eben erwähnte Jonnesco’sche Grube durch-
aus nicht eine Art Bett, in welche das Coecum eingelagert
ist: sie scheint mir überhaupt am ehesten mit der Fossa sub-
coecalis von Treitz und Waldeyer übereinzustimmen. Die
Fossette retro-caecale externe identificirt dagegen Jonnesco
mit der Fossa subcoecalis der eben erwähnten Autoren, was ganz
entschieden ein Irrthum ist, da die Waldeyer’sche Fossa sub-
coecalis sich nach der ausdrücklichen Angabe dieses Autors niemals
nach rechts und abwärts öffnet. Auch könnte bei einer Coexistenz
der Fossa subcoecalis und coecalis die erstere nur oberhalb der
zweiten gelegen sein: niemals könnte sich aber die Fossa subcoe-
calis hinter dem lateralen, die Fossa coecalis hinter dem medialen
Abschnitt des Coecum befinden, niemals könnten die beiden letzt-
genannten Gruben wie die beiden Läufe einer Doppelflinte an
einander geheftet sein, Avie dies Jonnesco von seinen beiden
Gruben behauptet. Das Lig. intestini coeci von Husch ke (Lig.
superieur du caecum von Tuffier) benennt Jonnesco als ReplL
paneto- caecal ou parieto - colique — eine Bezeichnung, welche ich
sehr glücklich gewählt linde. Dagegen kann ich es weniger zweck-
massig finden, wenn derselbe Antor die von mir sogen. Plica infra-
angnlaris (das Lig. inferieur du caecum von Tuffier) als Repli
mesenterico- parietal bezeichnet, weil der letztere Ausdruck zu
wenig über die Lage dieser Palte besagt, d. h. weil man denselben
auch für jede andere von irgend einer Stelle des Mesenterium zur
hinteren Bauchwand ziehende Peritonealfalte gebrauchen könnte.
Wenn ich nun meinen eigenen Standpunkt bei diesen termi-
nologischen Differenzen praecisiren soll, so möchte ich mit Rück-
sicht auf die Genese aller dieser als besondere Gebilde beschriebe-
nen Taschen dafür plaidiren, unter Anlehnung an die Ausdrucks-
weise von Tarenetzki und Jonnesco zunächst nur einen einzigen
Recessus retro-caecalis anzunehmen, welcher sich unter Um-
ständen mit seinem blinden Ende ziemlich weit bis unter das Colon
ascendens hin auferstr ecken und sich überhaupt bei hoher Lage
seiner Ausgangsölfnuug mehr als ein Recessus retro-colicus
darstellen kann.1) Der Recessus retrocoecalis bezw. retrocolicus
würde also, ganz allgemein gesagt, zwischen der hinteren Wand
des Coecum bezw. Colon ascendens und der hinteren Bauchwand
gelegen sein. Seine laterale Grenze würde durch das Lig. oder
die Plica parieto-coecalis bezw. parieto-colica, seine mediale
Grenze durch die Yerlöthungslinie des ileo - coecalen Darm-
absclmittes oder Darmgekröses mit der hinteren Bauchwand ge-
bildet sein. Diese Verlöthungsgrenze ist bald mehr hinter dem
Mesenterium, bald hinter dem Ueocaecalwinkel, bald hinter dem
Coecum oder Colon ascendens gelegen; sie kann sich nach abwärts
in eine Falte verlängern, welche ich als Plica infraangularis,
welche Jonnesco als Plica mesenterico -parietalis bezeichnet hat.
Die am unteren Abschnitt des Rec. retrocaecalis befindliche Aus-
gangsöffnung kann bald dem unteren Ende des Coecum entsprechen,
bald höher oben hinter dem letzteren gelegen sein: doch halte ich
es durchaus für möglich, dass einmal Fälle beobachtet werden, in
welchen diese Oeffnung sich gänzlich am lateralen Tlieil des
Recessus befindet. Die Waldeyer’sche Fossa subcoecalis, die
Tarenetzki’schen Recessus postcaecales, die Jonnesco'sche
Fossa retrocaecalis interna und externa sind nur als Varietäten
oder verschiedene Abschnitte des einen Recessus retro-caecalis
i) Ich möchte hier einschalten, dass ich die Grenze zwischen dem Coecum und
•Colon ascendens durch eine Horizontalebene gegeben, annehme, welche ich mir
dicht oberhalb der Eiumilndungsstelle des Ileum durch deu Dickdarm gelegt denke.
63
aufzufassen. Wenn die beiden Jon n esc o’ sehen Gruben neben ein-
ander vorhanden sind, so kann man dieselben wohl ohne allzugrossen
Zwang als Theile eines einzigen ßec. retrocaecalis befrachten,
welche durch eine bald mehr sagittale, bald mehr schräge Scheide-
wand von einander getrennt sind. Die Fossa coecalis und sub-
coecalis können wiederum bei ihrer Coexistenz als ein einziger
Recessus angesehen werden, welcher durch ein horizontales, mit
einer Oeifnung versehenes Septum in einen oberen Abschnitt (die
Fossa subcoecalis) und einen unteren (die Fossa coecalis) getheilt
ist. Die Waldeyer’sche Bezeichnung Fossa coecalis kann
gleichwohl beibehalten werden: aber es muss dann besonders be-
tont werden, dass dieselbe nur jene Vertiefung des Peritoneum
parietale über der Fascia iliaca darstellt, in welche das Coecum
eingelagert ist. Ist bei einem gut entwickelten Becessus retro-
caecalis noch eine Fossa caecalis vorhanden, so würde die letztere
nur eine in der hinteren Wand des ersteren befindliche Vertiefung
repräsentiren. Freilich findet sich diese Grube nach Tarenetzki
(p. 28) auch bei hochstehendem Coecum vor und kann dann Ileum-
schlingen enthalten: nach den Ausführungen dieses Autors, auf
welche ich noch zurückkomme, müsste man die Fossa coecalis eher
etwa als Fossa iliaco-fascialis bezeichnen.
Mit der von mir eben gegebenen vereinfachten Darstellung
steht die. Entstehungs weise des Rec. retrocaecalis und seiner
Varietäten in bestem Einklang. Für die Genese desselben hat
zunächst Treitz, ähnlich wie beim Rec. intersigmoideus, den Des-
census der Sexualdrüse verantwortlich gemacht. Indessen ist diese
Theorie, wenn auch nur kurz, so doch völlig beweiskräftig bereits
von Wald ey er widerlegt worden, welcher sich seinerseits die Ent-
stehung der Fossa coecalis und subcoecalis in der Weise denkt,
dass „der Blinddarm durch weiteres Wachsthum noch nach ab-
wärts rückt, wenn bereits das Ende des Colon ascendeus durch
Verstreichen seines Mesenterium fixirt ist: er wird dadurch an
seinen beiden Seiten wie auch am Grunde Peritonealfalten mit
dazwischen liegenden Taschen bilden müssen.“ Die Waldeyer’sche
Erklärung würde ja nun auch für das Vorhandensein kleinerer der-
artiger Bauchtelltachen ausreichen. Wenn sich aber, wie ich dies
in einem solchen Falle gesehen habe, ein derartiger Recessus, von
mehrfachen transversalen Peritonealfalten unterbrochen, mit seinem
blinden Ende weit unter das Colon ascendens bis in die Nähe der
Flexura coli hepatica hinauferstreckt, so dürfte man damit
64
nicht mehr zurechtkommen. Dagegen gehen uns die kurzen Be-
merkungen von Langer (No 2, p. 129) und die ausführlichen Unter-
suchungen von Toldt (No. 1, p. 36) die nüthigen Fingerzeige, um
zu einer befriedigenden Deutung für die Genese des Ree. retro-
caecalis und seiner Varietäten zu kommen. Auch Tarenetzki
(p. 24) und J onnesco (No. 2, p. 125) halten nach den Toldt'schen
Untersuchungen die ganze Frage für vollständig aufgeklärt und
erledigt. Danach wäre die Entstehung der retrocaecalen Bauch-
felltaschen lediglich von der mannigfach differirenden Art und "Weise
abhängig, in welcher sich der Verlöthungsprocess des Colon as-
cendens und Coecum mit dem Peritoneum parietale vollzieht.
Während sich nämlich für gewöhnlich die Verwachsung zwischen
dem Mesocolon ascendens und der hinteren Bauchwand continuirlich
auf das Colon fortsetzt und nur das Coecum allseitig seine freie
Peritonealbekleidung zu behalten pflegt, kommt es mitunter vor,
dass diese Verwachsung zunächst am medialen Rande des Colon
ascendens still steht. Später kann jedoch der laterale Rand des
Colon ascendens und des Coecum in einer von oben nach unten
verlaufenden Linie mit dem Peritoneum parietale verschmelzen:
diese Verschmelzung führt zur Bildung des Lig. parieto-colicum
(parieto-caecale, intestini coeci), welches somit keineswegs, wie ich
Toldt gegenüber hervorheben möchte, nur ein „transitorisches“
Band ist, „dessen Entstehung und Umfang durch den Ausdehnungs-
zustand des Blinddarms, durch gewisse geringgradige Locomotionen
desselben und durch den Spannungsgrad der Bauchdecken bedingt
wird.“ Ich habe dieses Band in dem vorhin erwähnten Falle in
einer Ausdehnung und Entwicklung gesehen, die es unmöglich
macht, an seiner Persistenz zu zweifeln. Auch in dem oben er-
wähnten, von Langer beschriebenen Fall kann dasselbe unmöglich
nur einen transitorischen Charakter gehabt haben. Dass sich das
Lig. parieto-colicum durch die von Toldt angeführten Momente
stärker spannt und deutlicher hervortritt, ist natürlich nicht zu
bezweifeln, wie sich dies übrigens auch aus den von Tuffier
(p. 655) angestellten künstlichen Füllungsversuchen am Colon as-
cendens und Coecum ergiebt. Dagegen scheint mir die Plica in-
fraangularis und ihre Confluenz mit der Plica parieto-caecalis nur
in einzelnen Fällen durch einen Verlöthungsprocess, in anderen
jedoch in Folge einer Zugwirkung zu entstehen, wie sie entweder
durch Wachsthumslocomotionen oder Contractionen des Coecum
auf ein leicht verschiebliches Peritoneum ausgeübt werden könnte.
65
Einen Fingerzeig nach dieser Richtung hin giebt uns der von
Waldeyer (p. 81) beschriebene Fall einer Fossa coecalis, bei
welchem dieser Autor nach einer Schilderung der die eben erwähnte
Grube begrenzenden Falten (der Plica parieto-coecalis und infra-
angularis) Folgendes sagt: „Beide Falten verloren sich in die
Peritonealbekleidung des M. ilio-psoas und schienen dort beim
An spannen bogenförmig in einander überzugehen.“ Denselben
Effect wie ein künstliches Anspannen müsste aber auch eine Con-
traction des Colon ascendens und Coecum haben, insofern das
letztere hierbei höher rückt. Bei häufigeren derartigen Contrac-
tionen, durch Fetteinlagerungen etc., könnte dann wohl aus einer
ursprünglich transitorischen Faltenbildung eine persistirende werden.
Auch andere abnorme Spannungsverhältnisse des Peritoneums der
Coecalgegend müssten in demselben Sinne wirken. Für die Ent-
stehung einer deutlichen Vertiefung zwischen den beiden eben be-
schriebenen Falten, also der Fossa coecalis, giebt Tarenetzki
(p. 27) eine Erklärung, welche für mich viel Bestechendes hat,
wenngleich ich leider nicht in der Lage war, dieselbe auf ihre
Richtigkeit zu prüfen. An der Fascia iliaca unterscheidet man
einen oberen laxen und einen unteren festen Abschnitt, von denen
der letztere häufig mittelst eines aufwärts concaven scharfen
Randes in den ersteren übergeht. Das Bauchfell kann sich nun
in den laxeren Abschnitt der Fascie oder sogar unter den halb-
mondförmigen Rand ihres straffen Theiles hinabstülpen und auf
diese Weise die Fossa coecalis bilden. Uebrigens soll dieselbe
keineswegs immer nur das Coecum, sondern mitunter auch andere
Darmtheile enthalten und ebensowohl links wie rechts Vorkommen
können. Darnach scheint es allerdings, dass, wenn die Tare-
netzki'sche Darstellung richtig ist, diese Grube besser als Fossa
iliaco-fascialis zu bezeichnen wäre.
Alle übrigen, in der Literatur erwähnten Varietäten von peri-
caecalen Recessus lassen sich ohne Schwierigkeit durch abnorme oder
theilweise unterbliebene Verlöthungsprocesse zwischen dem Perito-
ueum parietale und der hinteren Wand des Coecum oder Colon ascen-
dens erklären: indessen erscheint es wohl überflüssig, auf diese Dinge
naher einzugehen, da ich hiermit nur dasjenige wiederholen würde,
was ich bereits beim Rec. intersigmoideus ausführlich erörtert habe.
Wenn ich somit kurz resumire, würden wir nach der von
mir adoptirten Nomen clatur in der Umgebung des Caecum drei
Hauptarten von Bauchfelltaschen, nämlich den Rec. ileo-coecalis
Broesike. Hernien.
66
ant., den Ree. ileo-appendicularis und den Rec. retro-
caecalis zu unterscheiden haben. Ist die Plica infraangularis
gut entwickelt, so kann sich natürlich auch an ihrer medialen
Seite eine kleine Bucht vorfinden, welche vorp von dem Meso-
appendix, hinten von dem Peritoneum parietale begrenzt sein
würde und im übrigen keinerlei Bedeutung beansprucht. Wie es
scheint, ist dies diejenige Grube, welche Hartmann als Fossa
ileo-coecalis infima bezeichnet. Auch die Recessus post-
iliaci von Tarenetzki (p. 26) sind wohl auf Varietäten dieser
Vertiefung oder Tasche zu beziehen.
c) Pericaecale Hernien.
Da der Rec. ileo-caecalis ant. wohl niemals derartig ent-
wickelt ist, dass das Eindringen einer Darmschlinge in denselben
möglich wäre, so sind als pericaecale Hernien nur die Hernia
ileo-appendicularis und die Hernia retrocaecalis in Betracht
zu ziehen.
1. Ueber die Entstehungsweise der Hernia ileo-appen-
dicularis geben uns die Erscheinungen Aufschluss, welche Tuffier
(p. 659) bei starker Anfüllung des ileo-coecalen Darmabschnittes
beobachtet hat. Die Fossa ileo-appendicularis wird durch die stärkere
Ausdehnung des Darmes weiter, der Proc. vermiformis zeigt das
Bestreben sich zu strecken, die Plica ileo-appendicularis und das
Mesenteriolum müssen sich dem entsprechend spannen. So kann
sich in Folge einer solchen starken Füllung des Darmes die Fossa
ileo-appendicularis öffnen und die vor der letzteren gelegenen
Dünndärme müssten eigentlich auch ohne die Mitwirkung der Bauch-
presse in das offene Orificium hineinrücken, da die geöffnete Tasche
nicht leer bleiben kann. Indessen kann die Wirkung der Bauch-
presse das Eindringen einer Darmschlinge in den Recessus doch
schon aus einem anderen Grunde begünstigen, nämlich weil durch
dieselbe die Spannung des Darminhaltes und somit auch die
Streckung des Wurmfortsatzes nur vermehrt werden kann. Dass
allein durch die Bauchpresse der Dünndarm direct in die Fossa
ileo-appendicularis hin eingedrückt wird, ist schon deswegen nicht
sehr wahrscheinlich, weil die Oeffhung der letzteren nicht nach
vorn, sondern nach links und abwärts gerichtet ist. Jonnesco
(p. 132) hat in einigen Fällen eine Fixation des Proc. vermiformis
in der Fossa iliaca beobachtet, welche zur Folge hatte, dass die
67
Oeffuung des Rec. ileo-appendicularis eine weit klaffende, bequeme
Eintrittspforte für die nahe gelegenen Dünndarmschlingen darstellte.
Es kann somit kein Zweifel darüber sein, dass neben einer starken,
durch die Bauchpresse nur beförderten Spannung des Darminhaltes
auch eine derartige Fixation des Wurmfortsatzes ganz besonders
geeignet ist, das Zustandekommen einer Hernia ileo-appendicularis
zu begünstigen.
Unter den Characteri Stic a für die Erkennung einer Hernia
ileo-appendicularis führt Jonnesco (p. 131) mit Recht an, dass
bei der letzteren in dem Rande der Bruchpforte stets die A. appen-
dicularis verlaufen müsse. Von der Hernia retrocaecalis würde
sie sich ausserdem leicht durch ihre Lage zwischen dem Proc.
vermiformis und dem Ileum unterscheiden: doch könnte sie vielleicht
bei stärkerer Entwicklung auch hinter dem unteren Ileo- caecal-
winkel ins retroperitoneale Bindegewebe eindringen. Hält man
das Eindringen eines Bruches in die Hartman n'sche Fossa ileo-
coecalis infima für möglich, so würde diese Bruchart dadurch
characterisirt sein, dass bei derselben die A. appendicularis in dem
vorderen Rande der Bruchpforte verlaufen würde, während sie bei
der Hernia ileo-appendicularis mehr den hinteren Rand einnehmen
würde. Doch haben natürlich alle diese Betrachtungen die normale,
nach links und abwärts gerichtete Lage des Proc. vermiformis zur
Voraussetzung. Bei einem an der vorderen, hinteren oder lateralen
Seite des Coecum nach aufwärts geschlagenen Wurmfortsatz würden
andere Verhältnisse zur Erscheinung kommen.
Die grosse Seltenheit der Hernia ileo-appendicularis hat in
erster Linie ihren Grund darin, dass der entsprechende Recessus
nur in Ausnahmefällen genügend entwickelt ist, um das Eindringen
selbst einer leeren Darmschlinge zu gestatten. Ist der Recessus
aber auch gross genug, so können doch die übrigen Vorbedingungen
für die Entstehung dieses Bruches, d. h. entweder eine Fixation
des Wurmfortsatzes oder eine starke Ausdehnung des ganzen ileo-
caecalen Darmabschnittes, immer noch fehlen. In der That finden
wir in der Literatur nur einen bei einer 24jährigen Dame von
Snow beobachteten Fall (p. 125), von welchem es trotz einer
nicht ganz correcten Beschreibung wenigstens sehr wahrscheinlich
ist, dass derselbe eine incarcerirte Hernia ileo-appendicularis
dargestellt habe. Weiterhin rechnet Tuffier (p. 651) zu dieser
Kategorie von Brüchen ein im Musee Dupuytren conservirtes
Präparat (No. 253 piece de Michon), von welchem allerdings
5*
68
Jonnesco nach eigener Anschauung bemerkt, „cette piece n'est
pas tres concluante“. Endlich erwähnt Tuffier (leider nur ganz
kurz) auf derselben Seite, dass er bei einem 5(> jährigen, sehr
fetten Manne in dem von ihm wohl gekannten und beschriebenen,
sehr dilatirten Rec. ileo-caecalis inf. (ileo-appendicularis) eine Diinn-
darmschlinge von 8 cm Länge vorgefunden habe, welche allerdings
ohne Schwierigkeit durch die Bruchpforte heraus- und hineintrat
und somit keine eigentliche Hernia intraabdominalis in dem von
mir definirten Sinne darstellte. Das ist die ganze Ausbeute, welche
uns die Musterung der Literatur über diesen Gegenstand bietet.
2. Im Gegensatz dazu ist die Hernia retrocaecalis be-
sonders in Frankreich häufiger zur Beobachtung gekommen. Leider
sind viele in diesem Sinne gedeutete Fälle so wenig genau be-
schrieben, dass man in Zweifel kommt, ob bei denselben als Sitz
der Bruchpforte wirklich eine normale Fossa retrocaecalis anzu-
sehen ist oder ob es sich hier um pathologisch entstandene Bauch-
felltascheu handelt. Es ist ja bekannt, dass gerade die Umgebung
des Coecum und Proc. vermiformis sehr häufig der Sitz von peri-
tonitisclien Processen ist, welche ebenfalls zu Verwachsungen und
abnormen Taschenbildungen führen können.
Was die Genese der Hernia retrocaecalis betrifft, so möchte
ich zunächst meinen, dass weder eine starke Ausdehnung noch eine
forcirte Contractiou des Coecum an und für sich den Effect haben
können, dass das Coecum sich von der hinteren Bauchwand ent-
fernt und das Orificium des Rec. retrocaecalis sich öffnet. Langer
fand in dem von ihm beschriebenen, oben erwähnten Falle einer
prächtig entwickelten Fossa coecalis lediglich, dass der Blinddarm
sich bei künstlicher Anfüllung über den Grund der Grube hinaus-
schob. Indessen sagt dieser Autor gar nichts davon, dass sich
etwa zwischen dem Coecum und der Begrenzungsfalte dieser Grube
in Folge dieser Manipulation eine klaffende Lücke oder Oeffnung
gebildet oder die hintere Wand des Coecum den Contact mit dem
Grund der Grube verloren hätte. Es war eben wohl eine Ver-
schiebung des blinden Endes des Coecum eingetreten: im Uebrigen
blieb aber die peritoneale Auskleidung der eigentlichen Grube mit
der hinteren Wand des Coecum trotz dieser Verschiebung durch-
weg in Berührung. Auch aus den von Tuffier (p. 656) ange-
stellten Injections versuchen des ileo-coecalen Dannabschnittes und
zwei von ihm geschilderten pathologischen Fällen ist nur zu ent-
nehmen, dass der freie über den Recessus hervorragende Tlieil
69
des Coecum bei starker Anfüllung das Bestreben zeigt, sich nach
oben und innen zu wenden. Da aber das Lig. superius caeci
(das Lig parieto-caecale von Jonnesco), von dessen Bestehen im
Wesentlichen die Entwicklung des Rec. retrocaecalis abhängig ist,
nach den Angaben von Tuffier bei diesen Versuchen rigide wird
und die vordere und laterale Wand des Coecum derartig fixirt er-
hält, dass sich die Anschwellung des letzteren gänzlich auf Kosten
der hinteren Wand vollzieht, so muss eine jede Anfüllung des
Coecum eher zu einem Verschluss des Rec. retrocaecalis führen,
dessen Wände in diesem Falle eng aneinander gepresst werden.
Mir selbst hat leider in der letzten Zeit, in welcher ich erst auf
die eben berührten Fragen aufmerksam geworden war, kein Fall
eines Rec. retrocaecalis zur Verfügung gestanden, welche]1 es mir
möglich gemacht hätte, diesen Dingen durch eigene Experimente
nahe zu treten. Indessen dürfte dies nach den eben gegebenen
Ausführungen vielleicht auch nicht mehr nothwendig sein. End-
lich kann auch die Bauchpresse nur die Wirkung haben, dass das
Coecum gegen die hintere Bauchwand angedrückt wird. Wenn
somit Jonnesco (p. 131) sagt, dass er sehr oft Beimischungen
zwischen dem Coecum und der Fossa iliaca interponirt vorgefunden
hätte, so kann ich hierzu nur bemerken, dass ich mir wohl vor-
stellen kann, dass ein langes und allseitig freies Coecum nach dem
Aufhören einer energischen Contraction oder in Folge einer starken
Anfüllung einmal vor eine der hinteren Bauchwand dicht an-
liegende Dünndarmschlinge gerathen kann, anstatt die letztere bei
Seite zu schieben und mit der hinteren Bauchwand in Contact zu
bleiben. Wenn aber derselbe Autor hinzufügt, dass in diesen
Fällen von Interposition einer Dünndarmschlinge ein Druck auf
die Bauchhöhle, wie z. B. bei einer brüsken Beugung, dazu dienen
kaum diese Dünndarmschlinge in die offene Fossa retrocaecalis hin-
einzupressen, so möchte ich im Einklang mit den früher erwähnten
allgemeinen Ausführungen von Treitz (cf. p. 12) dem wider-
sprechen, da die Bauchpresse auf alle Baucheingeweide gleicli-
mässig wirkt und nicht einzusehen ist, warum dieselbe gerade eine
bestimmte, hinter dem Coecum gelegene Dünndarmschlinge in der
Richtung von unten nach oben in die Höhe drängen soll. Meiner
Ansicht nach müsste die Bauchpresse lediglich das Coecum gegen
die Dünndarmschlinge und beide Darmtheile gegen die hintere
Bauchwand drücken. Somit kann eine Hernia retrocaecalis nur in
folgender Weise zu Stande kommen. Begünstigend für die Eut-
70
Stellung derselben wirken alle diejenigen Momente, durch welche
das blinde Ende des Coecum nach vorn und oben dislocirt wird,
weil es in diesem Falle zur Interposition des Dünndarms zwischen
den freien Tlieil des Coecum und die hintere Bauchwand kommen muss.
Als derartige Momente können eine starke Anfüllung des Coecum,
Adhaesionen zwischen seiner vorderen Wand und irgend einem be-
nachbarten beweglichen Eingeweide und andere Dinge mehr
fungiren. Eine derartige Interposition einer Dünndarmschlinge
zwischen den freien Tlieil des Coecum und das Peritoneum parietale
stellt aber natürlicher Weise noch keine Hernie des Rec. retro-
caecalis dar. Soll es zur Bildung eines derartigen Bruches kommen,
so müsste zunächst das Orificium retrocaecale eine gewisse Enge
besitzen, damit eine in dasselbe eintretende Darmschlinge von der
Oeffmmg wie vou einem einschnürenden Ringe festgehalten wird.
Steckt die Darmschlinge erst in einem solchen Einschnürungsringe,
so ist es wohl zu begreifen, wie sich der Bruch weiter vergrüssert.
Dagegen ist es kaum zu verstehen, welche Gewalt eine solche
Dünndarm schlinge in den Ring hineintreibt.
Wenn ich nun nach allen diesen descriptiven und genetischen
Erörterungen die charact eristischen Merkmale für eiue Hernia
retrocaecalis angeben soll , so kann hierfür nur entscheidend sein,
dass die Bruchpforte zum Theil von dem Coecum und der hinteren
Bauchwand gebildet wird. Eine stärkere Ausdehnung der Bruch-
pforte würde im Wesentlichen auf Kosten des Lig. parieto-caecale
erfolgen müssen. Sollte bei grossen Hernien in Folge einer sehr
starken Ausdehnung des Bruchsacks eine Dislocation, eine sog.
Wanderung der Bruchpforte, eintreten, so könnte dies nach meiner
Ansicht nur in der Weise geschehen, dass die Bruchpforte nach ab-
wärts rückte, da die Last des Bruches und der Zug der ausserhalb
desselben gelegenen Darmstücke in der aufrechten Stellung nur in
diesem Sinne wirken könnten. Dagegen würde ich mir eine Ver-
schiebung des Bruchringes nach rechts und oben hin in keinem
Falle vorstellen können. Bei kleinen und mittelgrossen Hernien
dieser Art würde auch ihre Lage hinter dem Coecum und Colon
ascendens als charakteristisch gelten müssen. Bei grossen Hernien
jeder Art können sich ja bekanntlich die characteristischen Merkmale
erheblich- verwischen. Indessen scheint es nicht, als ob jemals
Hernien des Rec. retrocaecalis beobachtet wären, welche kolossale
Dimensionen angenommen hatten. Doch muss dieser Punkt an der
Hand der einschlägigen Casuistik genauer beleuchtet werden.
71
Als Herniae retrocaecales oder ich will lieber sagen
Hernien des Rec. retrocaecalis werden von Jonnesco 11
Fälle zusammengestellt. Prüfen wir, an der Hand der voran-
gegangenen Erörterungen, ob es möglich ist, diese Fälle mit Sicher-
heit in diese Kategorie von Brüchen einzureihen.
Fall 1. Fages findet eine incarcerirte Heumschlinge in
einem besonderen peritonealen Sack, welche]’ auf dem vorderen
und mittleren Abschnitt des Psoas und dem oberen rechten
seitlichen Theile des Rectum gelegen ist. Der Sack enthielt
ausser der Darmschlinge den Hoden und einen Theil des Neben-
hodens, welche an seinem hinteren unteren Abschnitt gelegen
waren, während der Rest des Nebenhodens durch eine Art von
Riss aus dem Sack herausgetreten war (wohin? ist nicht gesagt).
Das ist Alles. Die Lage des anscheinend nur kleinen Bruchsackes
entspricht jedenfalls in keiner Weise einer normalen Fossa retro-
caecalis. Nirgends ist ferner gesagt, dass das Coecum die Wand
des Bruchsackes oder den Rand der Bruchpforte bildete. Es ist
möglich, dass wir es in dem Falle von Fages mit einer intra-
abdominalen Hernie zu thun haben, welche sich in irgend einer
abnormen, bisher zum zweiten Male noch nicht beschriebenen
Peritonealtasche entwickelt hatte, deren Entstehung vielleicht mit
dem Kryptorchismus in irgend einem Zusammenhang steht. Es
kann aber auch sehr wohl sein, dass die von Broca gegebene Er-
klärung zutreffend ist (cf. Jonn esco, No. 2, p. 28), wonach dieser Fall
ursprünglich eine Hernia inguinalis congenita gewesen war, welche
nebst dem Hoden und Nebenhoden durch eine vor langer Zeit aus-
geführte Reduction en masse in die Bauchhöhle zurückgeschoben
und unter das Peritoneum der Fossa iliaca gerathen war. Nie und
nimmer wird man aber den Fall von Fages als eine Hernia der
Fossa retrocaecalis ansehen können: nichts spricht dafür, vieles
gegen diese Annnahme.
Fall 2. Wagner findet eine incarcerirte, 3 Zoll lange Ueum-
schlinge in einem peritonealen, etwa gänseeigrossen Divertikel stecken,
welches ungefähr 7 Linien unterhalb des rechten Annulus inguinalis
auf dem M. iliacus int. gelegen war, vom inneren und vorderen
Rande des Psoas schräg nach oben nnd aussen verlief und durch eine
etwa 1 Zoll weite Oeffnung mit dem Cavum peritonei communicirte.1)
*) Da ich die Abhandlung von Wagner nicht im Original erhalten konnte,
war ich gezwungen, mich in Bezug auf die Beschreibung und die Abbildungen
lediglich an die Arbeit von Jonnesco zu halten.
72
Die Bruchöffnung scheint nach der beigegebenen Abbildung etwa
diclit oberhalb der Mitte der Linea innominata gelegen zu sein.
Die vordere Wand des Bruchsackes war entschieden noch von
dem Peritoneum parietale der Fossa iliaca überzogen. Erst vor
dem Peritoneum parietale war das Coecum gelegen. Auch dieser
Fall kann nie und nimmer für eine Hernie des von mir oben be-
schriebenen Rec. retrocaecalis erklärt werden. Niemals wird bei
einer solchen Hernie ein Bruchsack durch eine Darmschlinge in
den Rec. retrocaecalis hineingeschoben, sondern die Darmschlinge
tritt direct, d. h. ohne den Ueberzug eines Bruchsackes, zwischen
das Coecum und das Peritoneum parietale der hinteren Bauchwand.
Wenn man mich fragt, wofür ich den Wagner’schen Fall halte,
so kann ich darauf nur erwidern, dass ich hierüber lediglich Ver-
muthungen habe. Ich habe einmal zwischen dem M. psoas minor
und major bei einem sehr abgemagerten Individuum eine Taschen-
bildung gesehen, welche in ihrem Verhalten mit dem Bruchsack
des eben beschriebenen Falles übereinstimmte. Vielleicht ist der
Wagner'sche Fall in dieser Weise zu deuten: dann müsste aller-
dings die Sehne des M. psoas minor in dem vorderen Rande der
Bruchpforte verlaufen sein, über dessen genauere Beschaffenheit
leider aus der Beschreibung nichts hervorgeht. Als eine Herniit
retrocaecalis könnte man diesen Fall allenfalls bezeichnen, nämlich
insofern als der Bruchsack hinter dem Coecum gelegen war. Eine
Hernie des Recessus retrocaecalis kann er aber niemals darstellen.
Fall 3. Parise veröffentlicht einen Fall von incarcerirter
Hernie, welchen er als Hernie inguinale intrailiaque be-
zeichnet und aus welchem sich mit Sicherheit Folgendes entnehmen
lässt. Eine Dünudarmschlinge von ungefähr 1 Fuss Länge ist in
einem Bruchsack gelegen, welcher sich zwischen der Fascia iliaca
und dem die letztere bedeckenden Peritoneum parietale befindet:
dies ist nicht mit denselben Worten in der Beschreibung gesagt,
aber es geht aus der letzteren ohne jedeu Zweifel hervor. Die
Bruchpforte liegt ungefähr in dem Winkel, welchen die A. epi-
gastrica inf. mit den Vasa iliaca externa bildet: ihr unterer Rand
ist nur wenig von der A. epigastrica und dem Vas deferens ent-
fernt, ihr oberer Rand setzt sich in das Peritoneum der Fossa
iliaca fort, der vordere in dasjenige der vorderen Bauchwand, der
hintere entspricht den Vasa iliaca externa. Nahe der Bruchpforte
sendet der Sack ein „seröses Prolongement“ in den Inguinalkanal:
das letztere wird von P. für die Tunica vaginalis gehalten. Das
blinde Ende des Sackes steigt bis zur Symphysis sacro-iliaca in
die Höhe. Das Coecum, welches tiefer als gewöhnlich gelegen ist,
bedeckt strenggenommen nicht, wie es in der Beschreibung gesagt
ist, die vordere Wand des Bruchsackes, sondern das vor dem
letzteren gelegene Peritoneum parietale der Fossa iliaca. Wenn-
gleich die Beschreibung von Parise nicht überall ganz praecise
ist, so lässt sich doch dasjenige, was ich soeben mitgetheilt habe,
mit Sicherheit aus derselben entnehmen. Daraus geht aber hervor,
dass dieser Fall zweifellos keine Hernie des Rec. retrocaecalis
darstellt, denn ein derartiger Bruch liegt nicht in einem Sack,
dessen vordere Fläche vom Coecum bedeckt ist, sondern die Darm-
schlinge schiebt sich nackt, ohne Bruchsack zwischen das Coecum
und das Peritoneum parietale hinein. Die Deutung dieses Falles ist
bereits der Gegenstand mannigfacher Controversen gewesen, über
welche Näheres bei Jonnesco (No. 2, p. 29) nachgelesen werden
kann. Auch ich kann schliesslich hierüber nur Vermuthungen aus-
sprechen. Doch halte ich es mit Rücksicht auf die Lage der
Bruchpforte wohl für möglich, dass es sich hier um eine en masse
reducirte Hernia inguinalis handelt, deren Bruchsack in das retro-
peritoneale Bindegewebe der Fossa iliaca hineingedrängt wurde.
Fall 4, 5 und 6 sind von Rieux publicirt worden. In dem
ersten dieser Fälle fand dieser Autor ein incarcerirtes Dünndarm-
stück von 8 cm Länge in einer abnormen, unter dem Coecum
gelegenen Cavität gelegen. Die blindsackförmig endende Höhle
misst, wie der Autor sagt, 7 cm. „dans le sens transversal, c’est
ä dire en profondeur;“ es scheint also, dass dieselbe mehr quer
gelegen war. Sie war an ihrer oberen wie an ihrer unteren
Partie gänzlich austapeziert durch ein glattes Peritonealblatt, ganz
ähnlich demjenigen, welches die obere Fläche des Coecum bekleidet.
Ob die Höhle ähnlich wie in den vorigen Fällen durch einen be-
sonderen, die Darmschlinge umhüllenden Bruchsack oder direct
durch das Coecum begrenzt wurde, ist daraus nicht mit Sicher-
heit zu entnehmen. Sehr merkwürdig ist dann noch folgender Zu-
satz über die Beschaffenheit der Bruchpforte: „Autour de l’entree
de la cavite existe un epaississement du tissu cellulaire, sous-
peritoneal, represente par un relief circulaire du peritoine, et si,
ä quelques centimetres de distance, on exerce une traction sur le
peritoine , ce relief forme des liens qui ferment completement la
cavite ä la maniere des cordons de bourse.“ Sollte das nicht auf
peritonitische Stränge deuten? Könnte nicht überhaupt die ganze
74
von dem Autor als abnorm bezeiclinete Höhle das Resultat ab-
gelaufener peritonitischer Processe darstellen?
Audi in dom zweiten von Rieux publicirten Falle lässt die
Beschreibung viel zu wünschen übrig; es ist daselbst nur gesagt,
dass R. etwa 5 Gentimeter des untersten Düundarmabschnittes
unter das Coecurn eingesenkt fand. Nach dem Herausziehen dieser
Dünndarmschlinge zeigte dieselbe nur den vierten Tlieil des Durch-
messers, welchen der übrige Dünndarm hatte. Von der heraus-
gezogenen Dünndarmportion ist dann gesagt: „eile etait engagee
dans une Sorte de cavite doublee par le peritoine, fermee en bas
par le peritoine epanoui et formant une bride peritoneale bien
nette et dans un autre sens par le caecum lui-meme. Cette cavite
peut recevoir la moitie de la longueur du petit doigt.“ Hier
scheint die eingezwängte Darmschlinge also keinen besonderen
Bruchsack gehabt zu haben. Leider ist die Lage und Beschaffen-
heit der Bruchhöhle und der Bruchpforte zu ungenau beschrieben.
Auch hier kommt man nicht darüber ins Klare, ob der Autor die
Höhle als das Resultat peritonitischer Processe oder als eine ein-
fache Bildungsanomalie ansieht, welche mit pathologischen Processen
nichts zu thun hat.
Iu dem dritten Falle ist die Beschreibung noch kürzer. Es
ist nur gesagt, dass 4 oder 5 Centimeter des Dünndarms unter
dem Coecurn in eine abnorme Höhle eindrangen, welche gänzlich
vom Peritoneum ausgekleidet war und bei welcher der Rand der
Eintrittsöffnung ein leichtes Relief bildete. Die eben erwähnte
Dünndarmschlinge war bequem beweglich.
In Summa lässt sich von den drei eben erwähnten Fällen nur
sagen, dass dieselben möglicherweise — wenn mau will sogar
wahrscheinlich — Hernien des Rec. retrocaecalis bildeten. Mit
voller Sicherheit kann dies jedoch nicht behauptet werden.
Fall 7. Engel (No. 2, p. 571) veröffentlicht einen Fall einer
inneren Hernie, von welcher er annimmt, das dieselbe durch den
Eintritt des grössten Theiles der Dünndarmschlingen in die von
ihm sogen. „Blinddarmtasche“ entstanden war. Dass die von ihm
so bezeiclinete Blinddarmtasche mit unserem Rec. retrocaecalis
identisch ist, darüber kann nach seinen Darlegungen kein Zweifel
existiren. Der retroperitoneai gelegene Bruchsack nahm haupt-
sächlich die rechte Bauchhälfte ein und communicirte durch eine
2 Zoll weite Bruchpforte mit dem Cavum peritonei ? derselbe ent-
hielt den ganzen Dünndarm mit Ausnahme des obersten Abschnittes
75
des Jejunum und des kurzen Endstückes vom Ileum. Der Blind-
darm befand sich oberhalb und etwas links von dem Nabel, der
Grimmdarm und das S romanum füllten die linke Unterleibsgegend
aus. Peritonitische Erscheinungen fehlten. Das ist leider Alles,
was über diesen hochinteressanten Fall gesagt ist. Insbesondere
bleibt zu bedauern, dass über die Lage und die Begrenzung der
Bruchpforte nicht das Mindeste aus der Beschreibung zu ersehen ist.
Will man somit diesen Fall als eine grosse Hernie des Rec. retro-
caecalis ansehen, so muss man auf die Autorität von Engel hin
glauben, dass es so gewesen ist. Wenn man denselben jedoch
lediglich nach der Beschreibung classificiren wollte, so könnte man
nichts weiter sagen, als dass derselbe eine intraabdominale Hernie
darstellt.
Fall 8. Klebs erwähnt in seinem Handbuch (p. 211) ganz
kurz einen Fall, in welchem sich eine tödtliche Abschnürung des
Darmes mehr durch die Biegung des letzteren als durch die weite
Eingangsölfnung eines unter dem Coecum gelegenen Sackes heraus-
gebildet hatte. Auch hieraus ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen,
ob der unter dem Coecum gelegene Darmabschnitt von einem be-
sonderen Bruchsack bekleidet war, oder ob die Wand des letzteren
direct von dem Peritonealüberzug der hinteren Coecalwand gebildet
wurde.
Fall 9. Pye-Smith citirt einen Fall von Moxon, in welchem
mehrere Fuss Intestinum in einer subcaecalen, retroperitonealen
grossen Tasche gelegen waren. Auch diese Notiz ist doch gar
zu dürftig, als dass ich mich dazu entschliessen könnte, diesen
Fall ohne Weiteres als eine Hernie des Rec. retrocaecalis anzu-
sehen.
Fall 10. Josse (citirt von A. Faucon, p. 707) hat einen
Fall von innerer Einklemmung eines ganz kleinen Dünndarmstückes
in einer besonderen Bauchfelltasche bei einem Monorchiden beobachtet,
welcher zugleich mit einer voluminösen linksseitigen Inguinal-
hernie behaftet war. Aus der von Jonnesco selbst (No. 2, p. 275)
wörtlich wiedergegebenen Beschreibung dieses Falles geht zunächst
mit Sicherheit hervor, dass man bei Lebzeiten des Patienten ein
in der eben erwähnten Iuguinalhernie gelegenes Stück Epiploon
für den Hoden hielt, der sich .jedoch später bei der Autopsie stark
atrophisch in einem kleinen peritonealen Divertikel oder Blindsaek
vorfand, welcher etwa in der Mitte der Fossa iliaca auf dem M.
iliacus gelegen war. In demselben Blindsack war auch die incar-
76
cerirte Darmschlinge eingeschlossen. Daraus kann man doch nur
den Schluss ziehen, dass die Tasche links gelegen war und somit
selbstverständlicherweise nicht den Sitz einer retrocaecalen Hernie
darstellen konnte, da in der Beschreibung nichts von abnormen
Lageverhältnissen der Baucheingeweide erwähnt ist. Indessen auch
wenn sich der Bruchsack der eben erwähnten Hernie in der
rechten Fossa iliaca befunden hätte, so geht doch nirgends aus
der Beschreibung hervor, dass die vordere Wand desselben durch
das Coecum gebildet gewesen wäre. Josse selbst vergleicht die
anatomischen Verhältnisse in seinem Falle mit einer Art von
Boutonniere der Fascia iliaca, zwischen deren beide geöffnete
Ränder sich der peritoneale Blindsack nebst dem Testikel hinein-
gesenkt hatte. Da der Fall im Uebrigen von dem eben genannten
Autor entschieden nicht sorgfältig genug untersucht ist, so bietet
sich auch für mich keine Veranlassung, irgend eine Hjrpothese für
seine Erklärung aufzustellen. Nur möchte ich darauf hinweisen,
dass sich zwischen demselben und dem Fall 1 von Fages insofern
eine gewisse Uebereinstimmung vorfindet, als auch in dem letzteren
der in der Fossa iliaca gelegene Bruchsack ausser der Darm-
schlinge den Hoden und einen Theil des Nebenhodens enthielt.
Fall 11. Fürst veröffentlicht einen Fall einer ziemlich grossen
Hernia retroperitonealis dextra, welcher sich dadurch vortlieilhaft
auszeichnet, dass derselbe nahezu tadellos beschrieben ist. Nur
über die Lagebeziehungen des Pankreas zu dem nach der Be-
schreibung abnorm verlaufenden Duodenum ist leider nichts Be-
sonderes erwähnt. Ich will auf diesen interessanten und ziemlich
complicirten Fall hier nicht näher eingehen, da ich noch Gelegen-
heit haben werde, denselben in einem anderen Capitel, nämlich bei
der von mir sogen. Hernia parajejunalis ausführlicher zu erörtern.
Nur soviel sei gesagt, dass sich das Coecum und Colon ascendens
in der Medianlinie, der ganze übrige Dickdarm in der linken
Bauchhälfte befanden. Dagegen lag fast der ganze Dünndarm
theils innerhalb theils ausserhalb des Bruchsackes in der rechten
Bauchhälfte; die Haftlinie des Dünndarmgekröses zog sich im
Wesentlichen an der rechten Seite der Wirbelsäule und des Meso-
colon ascendens nach abwärts. Die Bruchpforte endlich lag in
einer nicht unbeträchtlichen Entfernung nach rechts und oben vom
Coecum. Alle diese Momente zeigen bereits zur Genüge, dass es
sich hier nicht um eine einfache Hernia retrocaecalis handeln kann.
Auch Fürst selbst erklärt den von ihm beschriebenen Fall nicht
77
in dieser Weise. Die von Jonnesco (No. 2, p. 130) gegebene
Erklärung dieses Falles kann ich mit den von T old t und mir an-
genommenen Vorstellungen über die Entwicklung des Peritoneum
nicht vereinbaren.
Werfe ich einen Rückblick auf die eben erörterten, von
Jonnesco als Hernien des Rec. retrocaecalis angesehenen Fälle,
so kann ich folglich nur concediren, dass möglicherweise die
drei Fälle von Rieux und der eine von Engel in die letztere
Kategorie von Brüchen einzureihen sind. Alle übrigen Fälle sind
dagegen unter keinen Umständen in dieser Weise zu deuten.
Y. Die Recessus und Herniae duodeuo-jejunales und duodenales.
a) Die Recessus duodeno-jejunales und duodenales.
«. Literatur.
Die erste, allerdings nicht ganz correcte Beschreibung der
sogen. Fossa duodeno-jejunalis ist bekanntlich bereits von Huschke
gegeben worden. Von ihm rührt auch die Benennung dieser Grube
her. Indessen erst Treitz (p. 2) hat für die letztere Bezeichnung
einen bestimmten Begriff geschaffen und auch die Bedeutung des
eben erwähnten Recessus für das Zustandekommen intraabdo-
minaler Hernien richtig gewürdigt. Da die Treitz’sche Arbeit
für alle späteren, so zahlreichen Mittheilungen und Betrachtungen
über diesen Gegenstand immer wieder den Ausgangspunkt ab-
gegeben hat und auch in Zukunft abgeben wird, so erscheint es
nicht überflüssig, die Beschreibung wörtlich zu citiren, welche
dieser Autor von der sogen. Fossa duodeno-jejunalis giebt.
Wenn man in einer Leiche mit norinalem Peritoneum das grosse Netz und
das Quercolon hinaufschlägt, so dass die untere Fläche des Mesocolon trans-
versum zur Ansicht kommt und wenn man zugleich die ganze Masse der Dünn-
darmschlingen gegen die rechte Seite drängt: so bemerkt man an der linken
Seite der Uebergangstelle des Duodenum ins Jejunum, der sogen. Flexura
duodeno-jejunalis, eine Bauchfellfalte von verschiedener Grösse und Gestalt.
Am häufigsten stellt sic eine halbmondförmige Bauchfellduplicatur dar, deren
freier, scharfer concaver Rand nach rechts und etwas nach oben sieht und das
Darinrohr an der bezeichneten Flexur umkreist. Die ‘obere Spitze oder das obere
Horn dieser halbmondförmigen Falte verliert sich im unteren Blatte des Meso-
colon transversum und zwar au der Stelle, wo die obere Gekrösvene unter das
Pankreas tritt, um zum Pfortaderstamm zu gelangen. Das untere breitei'e Hörn
übergeht in den Peritonealüberzug des Endstückes des Duodenum, während der
78
convexe Rand der Falte sich unmittelbar ins innere Blatt des Mesocolon des-
cendens und transversum fortsetzt. Im oberen Horn verläuft in der Regel,
mehr oder weniger entfernt vom freien Rande, die Vena mesenterica in-
ferior in einem nach links und oben gewölbten Bogen und markirt besonders
dann dieses Horn, wenn sie im äussersten Rande desselben verläuft. Das untere
Horn ist zart, bestellt blos aus den zwei Blättern des Peritoneum und nur
weiter entfernt von seinem freien Rande sieht man den fürs Mesocolon descen-
dens und die linke Colonflexur bestimmten Ast der A. mesenterica inferior -
die coli ca sinistra von rechts nach links ziehen und sich mit der eben ge-
nannten Vene kreuzen.
Durch das Zusammenwirken dieser beiden bedeutenden Blutgefässe wird die
beschriebene Falte von einem Gfefässbogen umgeben, der mit ihr dieselbe
Richtung und Krümmung hat und dessen oberes Ende die Einsenkungsstelle der
V. mesent. inf. in den Pfortaderstamm, dessen unteres der Stamm und Ursprung
der gleichnamigen Arterie aus der Aorta bildet.
Hinter dieser Bauchfellfalte, zwischen ihr und dem Duodenum, entsteht
nothwendiger Weise eine Bauchfellausstülpung oder Tasche, welche sich gegen
das Duodenum trichterförmig zuspitzt, wenigstens daselbst am tiefsten ist. Ihre
Eingangsöffnung ist halbmondförmig und wird rechts vom Darm, Flexura duod.
jejunalis, links vom freien Rande der Falte begrenzt. Die Weite dieser Oeffnung
hängt offenbar von der Höhe und Krümmung der Falte ab, ist aber bei dieser
Gestaltung der Falte stets geringer als der Umfang der Höhle selbst. — Beim
leichten Anziehen der Flexura duod. jej. tritt diese Oeffnung deutlicher hervor,
wie dies an der Abbildung dargestellt ist.
In vielen Fällen ist die Falte so hoch wie möglich und umgiebt knapp
das Darmrohr, so dass dieses ihr auszuweichen genöthigt ist und über ihrem
freien Rande eine Knickung erleidet, wodurch dann die Flex. duod. jej. Sförmig
gekrümmt und die Eingangsöffnung geschlossen erscheint. Diese Peritoneal-
grube fällt in der Regel an die linke Seite des dritten Lendenwirbels und
ruht in einer vom Pankreas, der linken Niere und der Aorta begrenzten Ver-
tiefung der hinteren Bauchwand. In das sehr lockere retroperitoneale Binde-
gewebe eingebettet, deckt sie die zur linken Niere ziehenden Blutgefässe, hat
somit im Verhältniss zu ihrer Umgebung eine sehr lockere Unterlage.
Um die besprochenen Verhältnisse der Falte und Grube genau zu sehen,
wählt man am besten Kiudesleichen zur Untersuchung, wo das Peritoneum durch
Verdickungen und Adhäsionen noch nicht entstellt, zart und durchsichtig ist
und wo man den Verlauf der Blutgefässe auch ohne Injection sehen kann
Was die vorgeschlagenen Benennungen betrifft, so wollen wir die Grube
nach Huschke Fossa duodeno -jejunalis nennen und für die Falte dieselbe
Bezeichnung beibehalten, siePlica duodeno-jejunalis heissen, da ihre Lage
an der Seite der Flexura duod. jej. das einzige Constante, ihre Anheftung da-
gegen etwas sehr Unbestimmtes ist. Doch stellt sich die Plica duod. jej. nicht
immer in der beschriebenen halbmondförmigen Gestalt dar. Manchmal ist sie
sehr kurz und dann meist *an der unteren Seite der Flex. duod. jej. angebracht,
so dass man die Sache so auffaSsen kann, als wäre nur das untere Horn der
halbmondförmigen Falte vorhanden. Ihr freier Rand zieht dann nach oben und
die Fossa stellt nur eino seichte trichterförmige Grube, also keine Höhle mit
engerem Eingang dar.
79
Ist die halbmondförmige Falte sehr hoch und in Folge desseu ihr freier
Rand in inniger Berührung mit der Flexura duod. jej., so verwächst er schon
in der Kindheit theilweise oder vollständig mit dem Darm, und man findet dann
bei Erwachsenen die Eingangs Öffnung der Fossa durch netzförmige Adhäsionen
verstrickt oder durch eine halbmondförmige, nicht selten auch strahlige Narbe
vollends verwachsen. Die Fossa besteht dann als abgeschlossener seröser Sack
fort oder geht durch Schrumpfung zu Grunde.
Ein solcher Verschluss und Schwund der Fossa duod. jej. kann in manchen
Fällen immerhin Folge von Peritonitis sein, hervorgerufen vielleicht durch stärkere
Reibung zwischen dem Darm und dem scharfen Rande der Falte. Dann würde
sich aber die Entzündung ohne Zweifel auch auf die Umgehung fortpflanzen und
ähnliche Adhäsionen daselbst zurücklassen, die man auch wirklich manchmal
ündet. Für gewöhnlich scheint aber dieser Process mehr eine physiologische
Bedeutung zu haben Eine überflüssige Ausstülpung des Bauchfells wird, nach-
dem alle Bewegung und die normale Secretion in derselben aufgehört hat, am
Wege der Verwachsung und Obsolescenz isolirt und entfernt, wie man diesen
Vorgang am Processus vaginalis peritonei, am Netzbeutel, oft auch an der
Winslow 'sehen Spalte u. s. w. zu sehen gewohnt ist, ohne eine Peritonitis im
Sinne der Pathologie annehmen zu müssen.
Eudlich kommen auch Fälle vor, wo man vergebens nach einer Spur dieser
Faltenbildung sucht, wo das Peritoneum um die Flex. duod. jej. gleichmässig
gespannt, glatt und zart auf das Jejunum hinüberstreicht. Solche Befunde ge-
hören aber zu den Seltenheiten. Auch die Vena mesent. inf. bietet sehr häufig
Abweichungen in ihrem Verlauf. Sie verläuft nämlich, abgesehen von ihren
Privatabnormitäten, nicht immer am Rande der Falte, also vor der Fossa, sondern
beschreibt oft einen weiten Bogen um dieselbe.
Das Häufigkeitsverhältniss dieser einzelnen Bildungen durch Zahlen aus-
gedrückt, giebt folgende Rechnung: In 100 Leichen von Erwachsenen fand sich
die Plica duod. jej. 38mal halbmondförmig gebildet, 21 mal unvollkommen, d. li.
entweder bloss ihr oberes oder, was meistens der Fall war, bloss ihr unteres
Horn entwickelt; 7mal war die Fossa duod. jej. durch Verwachsung ihrer
Oelfnung geschlossen, in 12 Fällen war das Peritoneum an der betreffenden
Stelle narbig geschrumpft, und in 22 Fällen fehlte jede Spur der Faltenbildung.
— Auf das Verhalten der Blutgefässe ist hierbei keine Rücksicht genommen
worden. Bei Kindern ist das Verhältniss für die Faltenbildung noch ein viel
günstigeres, da auch die Fälle von Adhärenz und narbiger Schrumpfung zu ihren
Gunsten fallen.
Aus der eben citirten Beschreibung geht also jedenfalls her-
vor, dass beim Voiliandensein der Fossa duodeno-jejunalis dieselbe
nach Treitz meistens Halbmondform besitzt und dass in dem
mittleren Abschnitt und dem oberen Horn der Plica duodeno-
jejunalis in der Pegel die Y. mesenterica inf. (resp. die A. colica
sin. ) verläuft, wenngleich die letztere nicht immer den freien Rand
der Falte einnimmt. Weiterhin wird von ihm besonders ausgeführt,
dass die Fossa duodeno-jejunalis nur dann der Sitz einer retro-
peritonealen Hernie werden könne, wenn der eben bezeichnete
80
Gefässbogen in der Falte selbst verläuft und somit um eine etwa
in die Grube eintretende Darmschlinge einen festen Ring bilden
kann, welcher späterhin bei der Bildung der Hernie zur Bruch-
pforte wird. Es wird also jedenfalls von Treitz für die Ent-
stehung derartiger Brüche diesem Gefässbogen eine eminente Be-
deutung zugeschrieben. Die Genese der Fossa duodeno-jejunalis
wird von demselben Autor auf die Locomotionen zurückgeführt,
welche das Colon transversum und das Duodenum beim Foetus in
Folge der relativen Verkleinerung der Leber erleiden sollen. Einer-
seits soll das Colon transversum, welches schon frühzeitig mittelst
der Flexura coli hepatica an die Leber fixirt ist, in Folge dieser
Verkleinerung von links nach rechts rücken. Andererseits soll
auch das Duodenum, welches ursprünglich mit der Convexität
nach vorn gerichtet ist, in Folge derselben relativen Leber-
verkleinerung, d. h. anscheinend durch den Zug des Lig. liepato-
duodenale, sich mit einer convexen Seite gegen die Leberpforte
kehren und dadurch ,,clie Flexura duodeno-jejunalis als das andere
Ende des bewegten Darmstückes nothwendiger Weise nach rechts
und unten rücken.“ Die Bewegung des Duodenum soll also nach
Treitz um eine Achse erfolgen, welche im Centrum seiner
Krümmung liegt — beiläufig wie ein Rad sich um seine Achse
drehen kann, ohne seinen Platz zu verändern, weshalb diese Be-
wegung auch nur bei „kreisförmig gewundenen“ Zwölffingerdärmen
Vorkommen soll. Da aber das Peritoneum au der Flexura duodeno-
jejunalis innig mit dem Darm verbunden ist, so soll dasselbe der
Bewegung des Darmes folgen und dütenförmig eingestülpt werden,
wobei die Tiefe der Einstülpung den Maassstab für den zurück-
gelegteuWeg der Flexura abgiebt. Die gleichzeitige Verschiebung
des Mesocolon transversum von links nach rechts soll diese Ein-
stülpung noch unterstützen.
Im Jahre 1859 und 1861 veröffentlichte alsdann Gruber
zwei Arbeiten, in denen derselbe zunächst einige anatomische
Daten über die Fossa duodeno-jejunalis (von ihm als Retroeversio
mesogastrica bezeichnet) giebt. Den Treitz 'sehen Gefässbogen
findet er bald in der Plica duodeno-jejunalis, also der vorderen
Wand der Tasche, bald hinter der letzteren oder ausnahmsweise
sogar 1 cm von derselben entfernt vor. In einem Falle zeigte
der Grund der Tasche drei Verlängerungen, in einem anderen ver-
längerte sich das untere Ende derselben in einen Canal, welcher
von der eigentlichen Tasche durch eine circuläre Falte getrennt
81
war. In seiner zweiten Arbeit theilt Grub er (p. 247) ferner
einen Fall einer massig, entwickelten Tr eit z 'sehen Hernia retro-
peritonealis mit, bei welcher ganz nach der Regel die Bruchpforte
rechts von der Flexura duodeno-jejunalis, links von dem ganz
normal gelegenen Treitz’schen Gefässbogen gebildet war und
welcher etwa 20 cm des obersten Jejunum enthielt. Nach dem
Herauszieheu dieses Darmstückes fand jedoch Grub er zu seinem
Erstaunen an der hinteren Wand des von ihm als erweiterte Fossa
duodeno-jejunalis angesehenen Bruchsackes noch einen „Neben-
sack“ vor, welcher vor dem linken Theile der Wirbelsäule, dicht
unter dem Pancreas, links neben und hinter der Flexura duodeno-
jejuualis gelegen war. Die rechte Wand des Nebensackes wurde
vom Duodenum, die vordere Wand durch eine Bauchfellduplicatur
gebildet, welche oben zur Bildung der Eingangsöffnung durchbrochen
war. Die Duplicatur scheint ziemlich genau parallel dem linken
Rande der Bruchpforte, d. h. also auch dem in der letzteren enthal-
tenen Gefässbogen verlaufen zu sein. Grub er ist, wie man dann aus
seinen weiteren Erörterungen ersieht, schon hier in Verlegenheit,
ob er den eigentlichen Bruchsack (den Hauptsack) oder den ge-
wissermaassen in den letzteren invaginirten Nebensack als Fossa
duodeno-jejunalis (Retroeversio mesogastrica) bezeichnen soll. Er
giebt schliesslich die Möglichkeit zweier in einander geschobener
Retroeversiones mesogastricae zu, von denen in seinem Falle die
invaginirte (d. h. der Nebensack) von dem Eindringen des Bruches
verschont blieb, während die invaginirende durch das gefangene
Eingeweide allmählich zum Bruchsacke ausgedehnt wurde. Da
aber in den „Nebensack“ möglicherweise auch einmal eine Darm-
schliuge hineingelangen und zum Bruch werden könnte, so musste
Grub er die weitere Consequenz ziehen, dass auch das Vorkommen
einer Hernia int. mesogastrica (Hernia retroperitonealis) invaginata
möglich sei, d. h. eines Bruches „mit zwei in einander geschobenen
Bruchsäcken oder sogar Hernien.“ Im Jahre 1862 publicirt als-
danu W. Gruber (No. 3, p. 161) einen zweiten ganz ähnlichen
Fall, in welchem sich nach der Entleerung des Bruchsackes, dessen
Annulus von der V. mesenterica inf. und A. colica sin. umsäumt
war, wiederum hinter dem Bruche, dicht nach hinten und links
von der Flexura duodeno-jejunalis ein ähnlicher iuvaginirter Neben-
sack wie in dem vorigen Falle vorfand. Die hintere Wand des
Bruchsacks wurde zum Theil zugleich durch die vordere Wand des
Nebensackes gebildet. In dieser Arbeit tritt Gruber bereits viel
Broesike, Hernien. ß
82
entschiedener auf: er sagt liier direct, dass sein „Nebensack“ als
ein „von jeher bestandener angeborener, vom vorderen ganz un-
abhängig gebildeter Sack, d. i. als die normale Retroeversio peri-
tonei mesogastrica angesehen werden müsse, eben weil er alle
Eigenschaften der letzteren besitzt.“ Er nimmt also an „es habe
sich bei Vorkommen und Verbleiben der Retroeversio mesogastrica
in ihrer normalen Anordnung aus dem zwischen ihr und dem sie
in weiter Entfernung links umkreisenden Gefässbogen gelagerten
Peritoneum der hinteren Bauch wand der Bruchsack für die Hernia
int. mesogastrica gebildet.“ In einem dritten, in derselben Arbeit
mitgetheilten Falle geht Grub er noch einen Schritt weiter. Die
Oeffnung des Bruchsacks wurde hier von einem vollständigen Ge-
tässringe, bestehend aus der Aorta abdominalis, der V. mesenterica
inf. und der A. eolica sin. gebildet. Das Ende des Duodenum oder
die Flexura duodeno-jejunalis war durchaus nicht neben dem Bruch-
ring gelegen, sondern von demselben durch eine breite ebene, in
keiner Weise vertiefte Stelle des Peritoneum parietale getrennt.
Im Bruchsack lag ein Stück des obersten Jejunum von 9 Zoll
Länge. Hier nimmt Grub er in Folge dessen sogar einen primären
Mangel der Retroeversio mesogastrica (der Fossa duodeno-jejunalis)
an und folgert weiter daraus, dass eine Hernia int. mesogastrica
(also die Hernia retroperitonealis von Treitz) sich nicht allein
beim normalen Vorkommen und Verbleiben, sondern auch bei
primärem Mangel der eben erwähnten Tasche aus dem vorhin be-
zeichneten Gefässringe (der Aorta abdominalis, V. mesent. inf. und
A. colica sin.) entwickeln könne. Aus einer kurz darauf er-
schienenen anderen Mittheilung desselben Autors (1862 No. 4)
sind dann noch erwähnenswerth zwei Fälle von Mesenterium com-
mune bei gleichzeitig bestehender Fossa duodeno-jejunalis: in dem
einen dieser Fälle lag die letztere „rechts vor der Wirbelsäule
und rechts vom Anfänge des Mesent. commune, hinter und
meclianwärts von der rechts gelagerten Flexura duodeno-jejunalis.“
Hieran schliesst sich eine im Jahre 1863 publicirte Abhandlung
(No. 5) an, welche übrigens ausser der Beschreibung eines neuen
Falles von Hernia int. mesogastrica keine weiteren thatsächlichen
Mittheilungen über die neben der Flexura duodeno-jejunalis ge-
legenen Gruben oder Taschen enthält. Endlich tlieilt Grub er
in einer im Jahre 1868 veröffentlichten Arbeit (No. 6) unter
Anderem einen Fall von Mesenterium commune mit, in welchem bei
einem sehr langen, abnorm verlaufenden Duodenum sich eine gut
83
entwickelte Retroeversio mesogastrica (Fossa duoäeno-jejunalis)
vorfand, welche zwar links neben der Flexura dnodeno -jejunalis,
aber rechts von der Wirbelsäule gelagert war (cf. p. 225). In einem
dritten, sehr ausführlich beschriebenen Falle sollte alsdann eine
rechtsseitig gelagerte Fossa duodeno-jejunalis die Ausgangsstelle
einer Hernia retroperitonealis dextra abgegeben haben (cf. p. 237).
Ich werde auf diese Fälle von „verlagerter“ Fossa duodeno-jeju-
nalis noch anderen Orts zurückkommen.
Ziemlich gleichzeitig mit der letzteren Arbeit von Grub er
erschien alsdann die bereits oft erwähnte Arbeit von Waldeyer,
welche 1874 in Virchow’s Archiv noch einmal abgedruckt und
durch einige neue Bemerkungen vervollständigt wurde. In Bezug
auf die Beschreibung der Fossa duodeno-jejunalis scheint sich
Waldeyer ziemlich genau an Treitz anzuschliessen. Ausserdem
werden von ihm 4 Fälle von ausserordentlich grossen, leer-
gebliebenen Fossae dnodeno -jejunales erwähnt, welche Darm-
schlingen von 1 — iy2Fuss aufzunehmen vermochten. Leider sind
diese Fälle nicht ganz genau beschrieben, weil sie vom Verfasser
zu einer Zeit beobachtet wurden, in welcher derselbe auf mancherlei
wichtige Fragen, so z. B. auf die Bedeutung der V. mesent. inf.
und A. colica sin. für das Zustandekommen der Fossa duodeno-
jejunalis noch nicht aufmerksam geworden war. Er erwähnt ferner
(p. 71) eine Grube, „die von einer rundlichen Eingangsöffnung aus
sowohl nach oben als nach unten hin dem Endtheile des Duodenum
entlang geht“; hier denkt er für die Genese der diese Grube „von
oben her zudeckenden Peritonealfalte“ an die Möglichkeit einer
„Verwachsung zwischen Jejunum und dem Colon transversum oder
Mesocolon descendens, mit Bildung einer nach oben blind endigenden
Grube.“ Weiter wird eine Form der Fossa duodeno-jejunalis er-
wähnt, deren Grund durch eine starke quere Falte in zwei Ab-
theilungen getheilt ist, von denen jede bequem eine kleine wälsche
Nuss aufnehmen konnte. Hieran schliesst Waldeyer die Be-
schreibung zweier Fälle einer * Fossa duodeno-jejunalis mit einer
Vortasche“ an. In diesen Fällen lief vom Anfangstheil des Jejunum
resp. Endtheil des Duodenum „eine starke Bauchfellfalte in der
Richtung auf die Flexura coli lienalis zu: sie wurzelte im Meso-
colon transversum und flachte sich nach abwärts in das rechte
Blatt des Mesocolon descendens aus. Der Kamm der Falte bildete
mit dem Mesocolon transversum und dem Anfangstheile (soll wohl
eigentlich Endtheil heissen) des Duodenum eine nach rechts und
6*
84
oben weit offene, mit dem Grunde hinter das Duodenum sicli er-
streckende Tasche, in welcher bequem eine 10 — 12 cm lange
Jejunalschlinge Platz hatte. Im Grunde dieser Vortasche sah man
erst die nach abwärts sich erstreckende Fossa duodeno-jejunalis
mit scharf begrenzter Eingangsöffnung von circa 1 cm Durchmesser.
Der Zeigefinger eines Erwachsenen Hess sich bequem einführen
und fast seiner ganzen Länge nach darin bergen.“ Leider ist auch
hier die Fossa duodeno-jejunalis nicht exact genug beschrieben und
ebensowenig über das Verhalten des Treitz 'sehen Gefässbogens
irgend etwas bemerkt, was diesen interessanten Fall einer genaueren
kritischen Beurtheilung entzieht. Insbesondere ist nicht recht er-
sichtlich, ob die hier so bezeichnete Fossa duodeno-jejunalis etwa
mit dem „Nebensack“ von Grub er identisch ist, welcher ja später
von dem letzteren auch für die richtige Fossa duodeno-jejunalis
angesehen wurde. Sodann bestätigt Waldeyer, dass sich die
Fossa duodeno-jejunalis nicht selten vollständig verwachsen zeigt.
Betreffs der Genese dieses ftecessus wendet sich der eben genannte
Autor (p. 85) zunächst gegen die von Treitz gegebenen Er-
klärungen, da er nicht einzusehen vermag, wie durch das Erheben
des oberen Duodenumendes die Flexura duodeno-jejunaHs als
das untere Ende der Duodenalschlinge nach rechts und unten
gezogen werden solle, da erstens, wie Treitz selbst gezeigt hat,
gerade der Endtheil des Duodenum unmittelbar vor dem Ueber-
gange in das Jejunum durch den Muse, suspensorius duodeni
in seiner Lage fixirt ist (und zwar schon sehr früh, zu einer Zeit,
wo eine Fossa duodeno-jejunalis noch nicht existirt) und da
zweitens „etwas Gezwungenes in der Vorstellung liegt, dass bei
einem flexiblen Organ wie dem Duodenum, welches zugleich durch
Wachsthum nach allen Seiten hin sich vergrössert, die entschieden
nur unbedeutende Verrückung des oberen Endes nach rechts und
oben einen Zug auf das untere Ende nach rechts und unten aus-
iiben soll: es Hesse sich das vielleicht begreifen, wenn man es mit
einer mehr starren Masse zu tliun hätte . . . .“ Auch einer anderen
von Treitz herangezogenen Thatsache, nämlich der frühzeitigen
Verkürzung des Mesocolon ascendens und descendens, giebt
Waldeyer eine abweichende Interpretation. Treitz erklärt die-
selbe in der Weise, dass beim Wachsthume der Bauch wände zur
Auskleidung der letzteren das Peritoneum von den eben genannten
Gekrösen requirirt wurde. Waldeyer nimmt dagegen für diese
relative Kürzung der Mesocola einen anderen, bei dem damaligen
85
Stande der Kenntniss peritonealer Entwicklungsvorgänge allerdings
viel plausibleren Grund an, nämlich das Wachsthum der Nieren.
Was endlich die Entstehung der Fossa duodeno-jejunalis betrifft,
so bringt Waldeyer selbst dieselbe mit dem Verlaufe und dem
Verhalten der Vena mes enter ica inf. in Zusammenhang. Solange
diese Vene noch in dem beiderseits freien Gekröse des Mesocolon
descendens liegt, befindet sich ihr Anfaugstheil dicht vor der
hinteren Bauchwand, während ihr Endtheil, d. h. die Einmündungs-
stelle in die V. lienalis oder mesent. sup., ihrem Verlaufe zur
Pfortader entsprechend, mehr vorn, d. h. in grösserer Entfernung
von der hinteren Bauchwand gelegen ist. Wenn sich nun in Folge
zunehmender Entwicklung der linken Niere das Mesocolon des-
cendens verflacht, bleibt der Anfangstheil der Vene in seiner Lage
nahe der hinteren Bauch wand, während das gut fixirte bogen-
förmige Endstück derselben sich wie eine gespannte Saite verhält,
welche eine Peritonealfalte emporhebt und somit in den freien
Band der letzteren zu liegen kommt. Die Plica duodeno-jejunalis
von Treitz ist also nach der Ansicht von Waldeyer eine Gefäss-
falte, welche sich ebenso bildet, wie dies beim Lig. Suspensorium
hepatis mit der V. umbilicalis oder bei den Plicae vesicales laterales
mit den Aa. umbilicales der Fall ist. Wo die V. mesent. inf. bis zu
ihrer Einmündung in die V. lienalis ziemlich nahe der hinteren
Bauchwand und ohne Bogenkrümmung verlief, da fand sich auch
niemals eine Fossa und Plica duodeno-jejunalis vor. Bei Erwachsenen
zeigte sich diese Congruenz zwischen der Vene und der Falte
häufig verwischt; das ist aber Folge von secundären Veränderungen,
die durch abnorme Verwachsungen, theils im Bereich der Falte
selbst, theils an entfernteren Stellen herbeigeführt werden können.
Die Bildung der Grube zwischen der Plica und Flexura duodeno-
jejunalis wird in der Weise erklärt, dass das verstreichende Meso-
colon descendens einen Zug nach links und unten, die auswachsende
Flexura duodeno-jejunalis hingegen nach rechts, vorn und oben
ausübt: dadurch soll sich zwischen Falte und Darm eine kleine
Grube bilden.
Im Jahre 1870 erschien eine Arbeit von Eppinger (p. 121),
der sich ebenfalls eingehender mit der Fossa duodeno-jejunalis be-
schäftigt, welche er in Uebereinstimmung mit Treitz als die
Bildungsstätte der Hernia retroperitonealis betrachtet. Die Be-
schreibung der Grube und des dieselbe begrenzenden Gefässbogens
stimmt mit derjenigen von Treitz völlig überein. Zugleich ergänzt
86
Epp in g er die Mittheilungen des letzteren Autors dahin, dass sich
die Y . mesenterica inf. nur verhältnissmässig selten (nämlich 7 Mal
bei 64 Erwachsenen) im oberen freien Rande der Plica vorfand,
während sie in 15 Fällen 4 — 17 mm nach links von demselben ent-
fernt war und in 3 Fällen sogar „bis 6,5 mm hinter der hinteren
Wand der Tasche, also nach einwärts vom freien Rande derselben
verlief.“ In einer gewissen Anzahl dieser Fälle Avar die Fossa
duodeno-jejunalis entweder gar nicht vorhanden oder unvollkommen
entwickelt (Fehlen des oberen oder unteren Horns) oder ver-
wachsen oder durch narbige Streifen ersetzt. In einem Falle war
dieselbe Grube durch eine quere, sichelartige. 6,5 mm breite Falte
in zwei übereinander stehende Abtheilungen geschieden, von denen
die obere ungefähr eine Wallnuss, die untere eine Haselnuss auf-
nehmen konnte. Betreffs der Entstehung der Plica und Fossa
duodeno-jejunalis schliesst sich Eppinger ebenfalls völlig an die
Treitz’ sehen Ausführungen an, welche er im Uebrigen in etwas
klarerer Weise darlegt, als dies von Treitz selbst geschehen ist.
Auf die Locomotion des Colon transversum geht Eppinger nicht
näher ein. Dagegen betont er besonders, dass in Folge der
relativen Verkleinerung der Leber durch das Lig. hepato-duodenale
ein Zug auf die Pars horizontalis duodeni ausgeübt werden müsse,
welcher — da die Krümmung des Duodenum durch den mit dem
letzteren fixirten Kopf des Pankreas erhalten bleibt — das
zwischen dem eben erwähnten Bande und der Flexura duodeno-
jejunalis gelegene Stück des Duodenum wie ein Rad um seiue
Axe, nämlich um den Kopf des Pankreas, nach oben und rechts
drehen muss. Der Zug des Lig. hepato-duodenale löst sich somit
an der Flexur in der Weise aus, dass hier links von der letzteren
das Peritoneum dütenförmig eingestülpt und die Fossa duodeno-
jejunalis erzeugt wird. Hiervon könne man sich an jedem Foetus,
an dem die definitive Aufstellung des Duodenum noch nicht erfolgt
ist, überzeugen, wenn man am Lig. hepato-duodenale einen Zug
nach oben und rechts ausübt. Weiterhin wendet sich Eppinger
gegen die Wal dey er’ sehe Ansicht, dass der genetische Grund
der Bildung der Plica duodeno-jejunalis in dem Verlauf und Ver-
halten der V. mesenterica .inf. gesucht werden müsse, welche die
eben erwähnte Falte und damit auch die gleichnamige Grube hervor-
rufen soll, indem der Zug des zum freiliegenden Jejunum sich er-
hebenden Duodenum nach vorn oben und rechts und der des ver-
streichenden Mesocolon descendens nach links und unten wirkt.
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Die V. mesenterica inf. könnte nur als faltenbildend angesehen
werden, wenn sie immer im freien Rande der Falte gelegen wäre.
Dann würde auch ohne die von Waldeyer angegebenen Zug-
richtungen eine solche Falte und Tasche entstehen müssen, denn
diese Zugrichtungen sind ja einander entgegengesetzt und müssten
also durch ihre Wirkung die Tasche, wenn auch nicht ganz aus-
gleichen, so doch um ein Beträchtliches verflachen. Da die Vene
übrigens niemals im unteren Horn der Plica duodeno-jejunalis ver-
läuft, so könnte das letztere jedenfalls nicht durch die Vene er-
zeugt werden. Die V. mesent. inf. steht also wohl in nachbar-
licher, aber keineswegs in genetischer Beziehung zur Plica und
Fossa duodeno-jejunalis; je grösser diese letztere, je ausgeschweifter
ihr Rand ist, desto geringer wird der Zwischenraum zwischen dem
freien Rande der Plica und der Vene sein. Die Endkrümmung
der Vene und das Ende des oberen Hornes fallen dabei immer
zusammen, d. h. die Vene steckt hier immer in dem Rande der
Plica. Somit wäre der Satz Waldeyers: das Verhalten der V.
mesent inf. ist für das Verhalten der Falte und Grube maass-
gebend, umzudrehen und es dürfte richtiger lauten : die Entwicklung
der Falte und Grube ist für das relative Verhalten der Vene
maassgebend. Hierzu bemerkt Waldeyer (p. 88) nur ganz kurz,
dass solche Befunde bei Erwachsenen (aus den oben angegebenen
Gründen) weder etwas für noch gegen seine Ansicht beweisen
können. Man müsse sich hier an Embryonen halten; Eppinger
sei jedoch nur bis auf Neugeborene zurückgegangen.
Den gleichen Gegenstand behandelt ferner eine im Jahre 1872
erschienene Arbeit von Laudzert, welcher (cf. p. 42) seine
Untersuchungen über die Gegend der Fossa duodeno-jejunalis an
35 Leichen im Alter von 3 Tagen bis fünf Monaten gemacht hat.
Hebt man das Colon transversum in die Höhe, schlägt man die
Dünndarmschlinge nach rechts hinüber und zieht man die Flexura
sigmoidea etwas nach links, so bekommt man nach diesem Autor
folgendes Bild. Der Treitz’sche Gefässbogen (die V. mesent. inf.
und A. colica sin.) hebt eine bis 9 mm hohe Peritonealfalte empor,
welche den zwischen der Pars ascendens duodeni und dem Colon
descendens gelegenen, oben vom Pankreas, unten vom Lig. mesente-
rico-mesocolicum begrenzten Raum in eine innere und eine äussere
Grube theilt. Die äussere Grube ist zwischen dem Tr ei tz’ sehen
Gefässbogen und dem Colon descendens gelegen. Die innere Grube
wird somit innen, d. h. also medial, durch das Duodenum und die
88
Aorta abdominalis, aussen und oben (lateral) durch den Treitz ’schen
Gefässbogen, unten durch das Lig. mesenterico-mesocolicum begrenzt.
Das Gerüst dieser Grube wird durch den bereits von Treitz genau
beschriebenen Gefässring (Aorta abdominalis, A. mesent. inf. mit der
A. colica sin. und V. mesent. inf.) gebildet. Dieser — wenn ich so
sagen darf — Gefässfalte und Gefässtasche giebt Landzert keinen
besonderen Namen. Als Fossa duodeno-jejunalis bezeichnet er als-
dann einen ganz anderen, von der Gefässtasche durch einen ziemlichen
Zwischenraum getrennten Recessus (cf. d. A. Fig. 4 p. 101), von
welchem nach meiner Ansicht zweifellos feststeht, dass derselbe mit
dem von Grub er zuerst als „Nebensack“, dann als „Retroeversio
mesogastrica“ oder auch als Fossa duodeno-jejunalis bezeichneten
Recessus identisch ist. Dagegen begeht Landzert genau denselben
Irrthum wie Grub er, wenn er annimmt, dass dieser von ihm als
Fossa duodeno-jejunalis bezeichnete Recessus die von Huschke
und Treitz ebenso benannte Bauchfelltasche darstellt. Die
Gruber - Landzert’sche Fossa duodeno-jejunalis liegt in der
natürlichen Lage der Flexura duodeno-jejunalis hauptsächlich hinter
der letzteren oder vielmehr hinter dem oberen Ende der Pars
ascendens duodeni, indem sie sich gewissermaassen von oben her
zwischen der Flexur und dem Peritoneum parietale der hinteren
Bauchwand nach rechts und unten hinter das Duodenum einschiebt.
Begrenzt wird dieser Recessus, abgesehen von der Flexur und
dem Peritoneum parietale, gewöhnlich durch zwei halbmondförmige
Fältchen (ein oberes und ein unteres), welche zuweilen Zusammen-
flüssen und in seltenen Fällen auf diese Weise auch eine Falte
mit zwei Hörnern bilden können. Zwischen den beiden Fältchen
liegt eine Oeffnung, welche zu dem Recessus oder Säckchen führt.
Variationen in der Beschaffenheit des letzteren scheinen sehr
häufig zu sein, da wenigstens Landzert bemerkt, dass „sich
schwerlich zwei Leichen finden werden, an denen diese Falte (soll
wohl eigentlich heissen: diese Falten) gleichmässig entwickelt ist.“
Wenn übrigens derselbe Autor sagt: „Einmal lag der Sack bei
Mangel der oberen Falte sehr niedrig unterhalb des Ursprunges
der A. mesent. inf. und war vollständig nach rechts gewendet,“
so muss ich sagen, dass ich mir darunter nicht das Mindeste denken
kann. War die Oeffnung oder der Grund des Sackes nach rechts
gewendet? Und wenn derselbe unterhalb des Ursprunges der A.
mesent. inf. lag, so kann er sich doch unmöglich in der Nähe der
Flexura duodeno-jejunalis, sondern vielleicht etwa an der Ueber-
89
gangsstelle der Pars descendeus und ascendens dupdeni befunden
haben. Endlich bildet Landzert (cf. Taf. I, Fig. 1) einen sehr
bemerkenswerthen Fall ab, in welchem neben der von ilim sogen.
Fossa duodeno-jejunalis (+) noch eine kolossale Gefässtasche (aa)
mit weiter Eingangsöffnung vorhanden war, welche bei der Section
vollständig leer von Darmschlingen vorgefunden wurde. Landzert
giebt die Möglichkeit zu, dass zeitweise einzelne Darmschlingen
in diesen Sack geriethen, aber da die Oeffnung weit war, un-
gehindert wieder herausschlüpfen konnten. Was schliesslich die
Genese der retroperitonealen Hernien betrifft, so entstehen die
rechtsseitigen nach L. in der von ihm sogen. Fossa duodeno-
jejunalis, die linksseitigen in der Grube, welche „durch die Ge-
fässfalten (A. colica sin. und Y. mesent. inf.) auf dem hinteren
Parietalblatte des Bauchfelles gebildet wird.“
Die nächste Arbeit, welche sich allerdings nur mit der Ent-
stehungsweise des Ree. duodeno-jejunalis beschäftigt, ist die bereits
oft erwähnte Abhandlung von Toldt (No. 1, p. 21), dessen An-
schauungen hierüber ich wörtlich wiedergeben will, weil dieselben
kaum kürzer reproducirt werden können.
Die Zeit der Entstehung des Recessus duodeno-jejunalis verlegt Treitz
auffallender Weise erst in die letzte Schwangerschaftsperiode. Waldeyer
nennt zwar keinen bestimmten Zeitpunkt; allein daraus, dass er die Anheftung
des Mesjcolon descendens als Vorbedingung hinstellt, wäre zu folgern, dass
dieser Recessus nicht vor der Mitte des fünften Monats sich bilden könnte.
Ich habe denselben an den drei von mir untersuchten Embryonen der ersten
Hälfte des vierten Monats ganz deutlich, hei den einen mehr, hei den andern
weniger ausgebildet gefunden, also zu einer Zeit, in welcher das Mesocolon des-
cendens noch völlig frei, jedoch die Wendung der gemeinschaftlichen Mesenterial-
platte nach der rechten Seite bereits vollzogen ist. In diesem letzteren Vor-
gänge muss entschieden der nächste Grund für die Bildung des Recessus und
der Plica duodeno-jejunalis gesucht werden.
D:e Rechtswendung der gemeinschaftlichen Mesenterialplatte bleibt nämlich
nicht ohne Rückwirkung auf das Mesocolon descendens, welches ja unmittelbar
mit dem ersteren (soll wohl heissen: der ersteren. Anm. d. Verf.) in Zusammen-
hang steht. Der obere Rand der gemeinschaftlichen Gekrüsplatte, d. h. der Theil
entlang der Ansatzlinie des vorderen Dickdarmabschnittes wird in Folge der
Dislocation des Blinddarmes nach rechts und unten nothwendig in einen grösseren
Grad von Spannung versetzt, welche sich als Zugwirkung auf das freie Mesocolon
descendens überträgt; in Folge dessen wird das letztere zum Theil über die
Flexura duodeno-jejunalis weggebogen und neben derselben zu einer vorspringen-
den Falte erhoben. Das Vorspringen der Falte gerade an dieser Stelle findet
darin seine Erklärung, dass die Zugwirkung des gemeinschaftlichen Gekröses
mit Rücksicht auf die weit nach hinten gerückte Lage der Flexura coli lienalis
sich nicht nur nach rechts hin. sondern auch zugleich nach vorne geltend machen
90
muss. Dass eine derartige Zugwirkung in der That stattfindet , wird sein1
schlagend erwiesen durch die eigentümliche Lage der Flexura sigmoidea, deren
unterer Schenkel gerade an der beschriebenen Falte in die Höhe gehoben erscheint.
Dieses letztere Moment ist vollkommen beweiskräftig, weil die S-Schlinge
in der vorhergehenden Altersperiode stets flach in der linken Hüftgrube gelegen
ist, während sie zu dieser Zeit und auch noch etwas später stets in der er-
wähnten, nur durch eine Zugwirkung erklärbaren Lage gefunden wird.
Man sieht, dass die von mir gegebene Darstellung über die Entstehung des
Recessus duodeno-jejunalis einigermaassen mit der Treitz’s übereinstimmt; sie
unterscheidet sich aber von dieser dadurch, dass Treitz auch noch einer Ver-
schiebung der Flexura duodeno-jejunalis dabei eine hervorragende Rolle zuweist.
Wenn Waldeyer die Annahme einer solchen Verschiebung als nicht genügend
motivirt erklärt, muss ich ihm nicht nur völlig beistimmen, sondern auch noch
hinzufügen, dass sie in der That in keiner Weise nachgewiesen werden kann.
Die von Waldeyer ausgesprochene Anschauung über den Bildungsmodus
der in Rede stehenden Bauchfelltasche kann schon deshalb nicht zutreffend sein,
weil diese, wie erwähnt, schon zu einer Zeit vorhanden ist, in der das Colon
descendens noch ein völlig freies Gekröse hat, ein Umstand, welcher, wie ich
glaube, zur Entstehung der Falte geradezu die nötkige Voraussetzung bildet.
Ich darf vielleicht sogar die Hoffnung hegen, dass Waldeyer selbst nach den
von mir gegebenen Daten nicht abgeneigt sein dürfte, meiner Anschauung beizu-
pflichten, da er bei seiner Kritik der Treitz’ sehen Lehren gegen den Einfluss
der Rechtsdrehung des Dickdarms auf die Bildung der Tasche keinerlei Ein-
wendung erhoben hat.
Wenn ich nun nicht zugebeu kaun, dass der Verlauf der Vena mesenterica
inferior die Veranlassung zur Entstehung des Recessus und der Plica duodeno-
jejunalis abgiebt, so bin ich anderseits überzeugt, dass derselbe für die Gestalt
und Tiefe, welche die Tasche später erhält, von wesentlichem Einfluss sein muss,
und dass sich durch die Varianten in der Einmündung dieser Vene in die Vena
lienalis oder mesenterica superior manche von den vielfachen Erscheinungsweisen,
in welchen uns diese Grube entgegentritt, erklären lassen dürften. Dies ist es
auch, aber nicht mehr, was die von Waldeyer zur Stütze seiner Ansicht vor-
geführten Thatsachen beweisen können. Ich habe an allen mir zu Gebote
stehenden älteren Embryonen diese Verhältnisse geprüft urd kann das, was
Waldeyer über die Beziehungen der unteren Gekrösvene zur Plica duodeno-
jejunalis angiebt, im Allgemeinen bestätigen; doch habe ich auch an einem
Embryo aus dem Ende des fünften und bei einem anderen aus dem Ende des
siebenten Monates eine ganz hohe und scharfe Plica duodeno-jejunalis gesehen,
wenngleich die Vena mesenterica inferior in der Basis der Falte gelegen war.
Dass es nicht immer zur Bildung einer Plica und eines Recessus duodeno-jejunalis
kommt, dürfte sich wohl dadurch erklären lassen, dass der Effect der unleugbar
bestehenden Zugwirkung durch mancherlei Umstände gemindert werden kann,
z. B. durch relativ grössere Flächenausdehnung der Gekrüsplatten, oder durch
eine etwas tiefere Lage der Flexura duodeno-jejunalis u. dgl., Verhältnisse,
deren thatsächliche Existenz sich jedoch im einzelnen Falle kaum erweisen
lassen dürfte.
Ich halte es auch für möglich, dass eine bereits vorhanden gewesene Plica
duodeno-jejunalis noch während der embryonalen Entwicklungsperiode durch das
Wachstlium der Gekrüsplatte wieder ausgeglichen werden kann, und zwar
namentlich dann, wenn die Vena mesenterica inferior in die Vena lienalis noch
eine Strecke vor deren Zusammenfluss mit der oberen Gekrösvene einmündet.
Wenn ich das eben Citirte kurz zusammenfasse, so nimmt
Toi dt als eigentlichen Grund für die Genese des Rec. duodeno-
jejunalis die von Treitz nur kurz erwähnte und auch vou Eppinger
nur nebensächlich behandelte Locomotion des oberen Dickdarm-
absclmittes an, während er im Einklang mit Waldeyer vollkommen
denjenigen Theil der Treitz1 sehen Erklärung verwirft, welcher
die Entstehung dieser Bauchfelltasche mit einer Locomotion des
Duodenum in Zusammenhang bringt. Ebenso bestreitet er aber
auch die Waldeyer ’sche Behauptung, dass der Verlauf der V.
mesenterica inf. die Veranlassung zur Entstehung des Recessus
und der gleichnamigen Plica abgebe, wenngleich er concedirt, dass
das Verhalten der Vene für die Gestalt und Tiefe, welche der ,
Recessus später erhält, von wesentlichem Einfluss sein müsse. Die
letztere Bemerkung ist leider nicht näher begründet, so dass es
schwer hält, sich davon eine klare Vorstellung zu machen, was
Toldt eigentlich mit derselben gemeint hat. Denn da die Tiefe
des von Treitz beschriebenen Rec. duodeno-jejunalis (wenigstens
an dem oberen Abschnitt des letzteren) gänzlich von der Höhe
der Treitz’schen Plica duodeno-jejunalis abhängig ist, so könnte
man eigentlich aus jener Bemerkung nur herauslesen, dass unter
Umständen doch, anscheinend durch den Verlauf der Vene im
freien Rande dieser Falte, die letztere erhöht werden könne.
Ferner ist in der Toldt’schen Arbeit nirgends etwas darüber
gesagt, auf welche Form des Rec. duodeno-jejunalis sich seine
genetischen Erörterungen beziehen. Dass er indessen keineswegs
die Gruber-Landzert’sche, sondern die Treitz’sche Fossa
duodeno-jejunalis gemeint haben muss, geht aus einer späteren,
in demselben Jahre erschienenen Abhandlung desselben Autors
hervor (No. 2, p. 225), in welcher sich derselbe noch eingehender
mit der Charakteristik und Genese dieses Recessus beschäftigt.
In dieser Abhandlung wird von Toldt zunächst aus genetischen
Gründen nur das sogen, obere Horn der Treitz’schen Falte als
Plica duodeno-jejunalis , das untere Horn dagegen als Plica duocleno-
mesocolica bezeichnet. Weiterhin macht Toldt darauf aufmerksam,
wie sehr verschieden sich, besonders bei Kinderleichen, das Aus-
sehen des Recessus und der beiden ihn begrenzenden Falten ge-
staltet, je nachdem auf die Flexura duodeno-jejunalis und das
92
Mesocolon descendens in dieser oder jener Richtung ein Zug aus-
geübt wird. Bei verschiedenen Modificationen dieser Zugrichtungen
können selbst secnndäre Fältchen anftreten, durch welche der
Recessus in eine obere und untere Abtheilung geschieden wird
u. s. w. Doch ist die Plica dnodeno-mesocolica stets eine bleibende
Falte, welche niemals zum Verstreichen gebracht werden kann.
Die Plica duodeno-jejunalis ist dagegen sehr veränderlich, nament-
lich „ist in den allermeisten Fällen das Vortreten eines breiteren
oder schmäleren Peritonealsanmes vor den Stamm der V. mesent.
inf. ganz von den Spannungsverhältnissen der umliegenden Tlieile
abhängig“. Da ausserdem bald die eine bald die andere von
beiden Falten fehlen kann, so scheint sich schon daraus die Be-
rechtigung zu ergeben, dieselben als morphologisch verschiedene
Bildungen aufzufassen. Die volle Gewissheit hierüber giebt indessen
die Entwicklungsgeschichte. Die Plica duodeno-jejunalis entsteht
nämlich bereits in der ersten Hälfte des 4. Embryonalmonates in
Folge der Dislocation der gemeinschaftlichen Mesenterialplatte.
Die Plica dnodeno-mesocolica ist dagegen gewöhnlich erst im
8. Embryonalmonat einigermaassen deutlich entwickelt. Ursprüng-
lich zieht diese Falte von dem unteren Ende der Pars ascendens
duodeni ziemlich vertical nach abwärts; später verläuft ihr freier
Rand von dem letzteren Darmabschnitt mehr schräg nach links
und unten und nimmt erst nach dem 8. Monate seine mehr horizontale
Lage an. Erst dann fliessen auch die Plica duodeno-jejunalis und
mesocolica zusammen. Die Bedingungen zur Ausbildung der
letzteren Falte sieht Toi dt in dem Zusammenwirken mehrerer
Umstände: dieselbe ist in der Gegend der A. colica sin. inniger
mit der unterliegenden Membrana mesenterii propria verbunden
und auf diese Weise an ihrer Basis sozusagen fixirt. Das Duodenum
gleitet somit bei seinem Wachsthum gewissermaassen hinter der
Falte nach abwärts. Von nicht unwesentlichem Einfluss für die
Ausbildung der Falte scheint es ferner zu sein, ob die Anklebung
des Dünndarmgekröses nur bis an die rechte Seite der Pars ascen-
dens duodeni hinanreicht oder sich mehr nach links hinüber auf
die Vorderfläche der letzteren erstreckt. Verläuft die Radix
mesenterii mehr an der Vorderfläche oder linken Seite dieses
Duodenalstückes, so ist die Plica stets am stärksten ausgeprägt.
Im entgegengesetzten Falle soll sich entweder gar keine oder nur
eine ganz kleine Plica duodeno-mesocolica vorfiuden. Endlich hält
Toi dt auch bei der letzteren Falte ähnlich wie bei dem Lig.
93
hepatico-colicum ein actives Flächenwaclisthum für möglich, welches
unabhängig von dem Wachsthum des Duodenum zu einer stärkeren
Ausbildung derselben führen kann.
Es folgt eine Arbeit von Treves (No. 1 p. 416), welche sich
dadurch auszeichnet, dass der Autor fast die ganze einschlägige
Literatur mit stolzer Nichtachtung behandelt. Als Plica duodeno-
jejunalis bezeichnet er nur das untere Horn der gleichnamigen
Treitz’schen Falte (die Plica dnodeno-mesocolica von Toldt), ob-
sclion das letztere allein für sich diese Bezeichnung kaum verdient,
da es bekanntlich zur Flexura duodeno-jejunalis nicht einmal in
nachbarlichen Beziehungen steht. Die Fossa duodeno-jejunalis ist
für diesen Autor begrenzt vorn durch die eben erwähnte Plica,
hinten durch das Peritoneum parietale, rechts durch den unteren
Abschnitt der Pars ascendens duodeni; ihr blindes Ende würde so-
mit abwärts, ihre Eingangsöffnung aufwärts gerichtet sein. Diese
Grube ist nach der übrigens nicht näher begründeten Ansicht von
Treves der Sitz aller bis dahin beschriebenen retroperitonealen
Hernien. Mit dem Verlauf und Verhalten der V. mesent. inf.
steht die Falte nach diesem Autor in gar keinem Zusammenhang.
Die Vene kann das Peritoneum oft faltenförmig emporheben und
auf diese Weise auch eine Grube bilden, welche mit der vorhin
beschriebenen coexistiren und dazu dienen kann, die letztere zu
„vertiefen“. Diese von der Ven. mesent. inf. mitunter gebildete
Falte und Tasche hat indessen nach Treves keinerlei Bedeutung
weder in Bezug auf die Entwickelungsgeschichte noch auf die ver-
gleichende Anatomie und kann auch niemals bei der Production
einer inneren Hernie in Betracht kommen. Die Thatsache, dass
sich die Vene bei einer grossen Zalil von sogen, retroperitonealen
Hernien in dem vorderen Rande der Bruchpforte befindet, wird
somit von Treves einfach ignorirt, ohne dass er übrigens für seine
eigene Ansicht irgend welche näheren Gründe anführt. Eine wahr-
haft originelle Erklärung giebt Treves für die Entstehung der
von ihm sogen. Plica duodeno-jejunalis. Er findet nämlich bei
Thieren (als besonders treffliches Beispiel wird Hyaena striata
citirt) das Duodenum nebst dem Pankreaskopf meistens völlig frei,
d. h. auf beiden Seiten vom Peritoneum bekleidet. Wo dies der
Fall ist, ist aber die Pars ascendens duodeni stets mit der Wirbel-
säule durch eine dreiseitige Peritoneal falte verbunden, deren nach
oben gekehrte Spitze der Flexura duodeno-jejunalis, deren Basis
(der freie, concave Rand) etwa der Flexura duodeni secunda ent-
i:
I
94
spricht. Auch bei einem kleinen menschlichen Foetus mit noch
nicht fixirtem Peritoneum konnte er eine ähnliche Faltenbildung
constatiren. Diese übrigens ganz gefässlose verticale Falte1)
hält nun Treves für eine dorsale Fortsetzung des Mesoduodenum
und zugleich für ein Homologon der von ihm sogen. Plica duodeno-
jejunalis (des unteren Hornes der Treitz’schen gleichnamigen Falte).
Dabei stört es ihn nicht weiter, dass der freie Rand dieser verti-
calen Falte nach abwärts sieht, während der freie Rand seiner
Plica duodeno-jejunalis aufwärts gerichtet ist. Diese Locomotion
des freien Randes von unten nach links und aufwärts soll im
Laufe der foetalen Entwicklung durch den Zug des M.esocolon des-
cendens zu Stande kommen, ohne dass es seiner Ansicht nach
nöthig wäre, dass das Duodenum diesem Zug der Falte folgt.
Trotz aller dieser — Originalitäten enthält die Arbeit von Treves
etwas sehr Werthvolles, nämlich eine Anzahl Abbildungen von
Varietäten seiner Plica duodeno-jejunalis (cf. Fig. 3, p. 416).
Unter den letzteren ist als besonders wichtig hervorzuheben ein
Fall, in welchem die Plica an ihrem unteren Abschnitt defect war
und somit ein vierseitiges peritoneales Band darstellte, welches die
V. mesent. inf. mit der Vorderlläche des Duodenum verband. In
einem anderen Falle (Fig. 3d) war dieselbe nach Art einer Valvula
semilunaris mit nach aufwärts gelegenem freien Rande gänzlich
an die Vorderfläche des Duodenum angeheftet. Wenn übrigens
Treves, wie in Fig. 3h und Fig. 5a, eine zwischen dem oberen
Ende des Duodenum und der V. mesent. inf. ausgespannte, frontale,
mit dem freien Rande abwärts gerichtete Peritonealfalte auch
als Variation seiner Plica duodeno-jejunalis bezeichnet, so wäre
allerdings ein Widerspruch mit seinen früheren Ausführungen dar-
aus zu folgern, dass er unter der Bezeichnung Plica und Fossa
duodeno-jejunalis eigentlich eine jede links vom Duodenum gelegene
Falte und Tasche versteht, ganz gleich ob der freie Rand bezw.
die Oeffnung der letzteren nach aufwärts oder abwärts gerichtet
sind.
Die letzte Arbeit, welche sich mit diesem Gegenstände be-
i) Ich selbst muss mich jeden Commentars über diese von Treves be-
schriebene Falte enthalten, da ich dieselbe weder bei menschlichen Embryonen
noch bei Tliieron jemals gesehen habe und die Abbildung von Treves mir
keine volle Klarheit über ihr Verhalten giebt. Indessen kann man wohl mit
Bestimmtheit behaupten, dass dieselbe nicht etwa ein Stück dislocirtes Mesen-
terium darstellt, da sie trotz ihrer Grösse gar keine Blutgefässe besitzen soll.
95
schäftigt , ist diejenige von Jonnesco, welcher in der Nähe der
Pars ascendens duodeni und der Flexura duodeno-jejunalis drei
Peritonealtaschen unterscheidet, nämlich: 1) eine Fossa duodeno-
jejunalis 2) eine Fossa duodenalis inferior und 3) eine Fossa duo-
denalis superior (cf. d. A. Fig. 5 und 7). Als „Fossette duo-
deno-jejunale ou mesocolique“ beschreibt und bezeichnet nun
zunächst Jonnesco eine Bauchfelltasche, welche bisher, soviel
ich constatiren konnte, in der Literatur noch nicht besonders be-
schrieben wurde: diese Tasche, welche er bei 30 Cadavern fünf Mal
beobachtete, ist nämlich oberhalb der Flexura duodeno-jejunalis,
zwischen der letzteren und dem Mesocolon transversum gelegen.
Ihr blindes Ende liegt nach hinten, ihre Eingangsöffnung nach
vorn. Die Yen. mesent. inf. umkreiste in drei Fällen links und
oben das blinde Ende der Tasche, in zwei Fällen war dieselbe in
dem Rand der Eingangsöffnung gelegen: hiernach bezeichnet Jon-
nesco diese Tasche — wie mir scheint, nicht ganz mit Recht -
als „toujours vasculaire.“ In einem von den 5 Fällen war die
Fossa duodeno-jejunalis durch eine quere Peritonealfalte in zwei
gleiche Hälften getheilt. Die zweite, am häufigsten, nämlich in
75 % der Fälle vorkommende Jonnesco’sche Tasche, die „Fos-
sette duodenale inferieure“, ist hinter dem von Treitz
sogen, unteren Horn der Plica duodeno-jejunalis, also zwischen
dem letzteren, dem Peritoneum parietale und dem unteren Ende
der Pars ascendens duodeni gelegen; das untere Horn selbst wird
von ihm als „Repli duodenale inferieure“ bezeichnet. Die V. me-
sent. inf. war immer etwa einen Fingerbreit von dem linken ad-
haerenten Rand der Falte gelegen: nur in einem Falle verlief sie
in ganzer Ausdehnung in dem letzteren. Jonnesco meint daher,
man könnte diese Tasche „franchement non vasculaire“ nennen.
Die dritte Tasche desselben Autors, die „Fossette duodenale
superieure“ ist bereits von Treves als „Varietät“ der von ihm
sogen. Fossa duodeno-jejunalis abgebildet Avorden (cf. Fig. 3h
und 5 a): sie wird begrenzt rechts vom oberen Theil des Duodenum
ascendens oder auch von der Flexura duodeno-jejunalis, hinten von
dem Peritoneum parietale, vorn von einer mit ihrem freien Rande
abwärts gekehrten Peritonealfalte, welche er „Repli duodenale
superieur“ nennt. Diese Falte ist entschieden nicht mit dem
identisch, \\ras Treitz als oberes Horn der Plica duodeno-jejunalis
bezeichnet: man könnte eher sagen, dass dieselbe die Lücke aus-
füllt, welche sich zwischen dem Treitz’ sehen oberen Horn und
96
der linken Seite der Flexura duodeno-jejunalis vorfindet. Eppin-
ger scheint die Jonnesco’sche Falte dagegen jedenfalls ge-
sehen zu haben, wenn er davon spricht, dass bei dem oberen
Horn der Plica duodeno-jejunalis die Yen. mesent. inf. 2 — 26 mm
weit von dem freien Rande der Falte nach links gelegen war.
Die hinter der letzteren Falte gelegene Fossette duodenale su-
perieure ist natürlich mit dem blinden Ende nach oben, mit
der Ausgangsöffnung nach unten gelegen. Die Ven. mesent. inf.
verläuft meistens längs dem linken und oberen adhaerenten Rande
der Falte: einige Male soll dieselbe jedoch auch in der Falte
selbst und sogar auf eine kurze Strecke in dem freien Rande
derselben gelegen haben. Hieraus nimmt Jonnesco — wie mir
wiederum scheint, nicht ganz mit Recht — Veranlassung, diese
Tasche als „toujours vasculaire“ zu bezeichnen. Was die Ent-
stehung der drei Jonnesco’schen Gruben betrifft, so ist zu-
nächst betreffs der von dem letzteren Autor sogen. „Fossette duo-
deno -jejunale“ angegeben, dass, wenn die letztere vorhanden ist, die
Flexura duodeno-jejunalis immer in das Mesocolon transversum
hiueingedruugen und die Yen. mesent. inf. in Folge dessen ge-
wissermaassQn an dieselbe angeheftet erscheint: doch ist nicht
klar ausgesprochen, dass sich Jonnesco diese Tasche direct durch
ein actives Hineinwachsen der Flexur in das Mesocolon trans-
versum entstanden denkt. Betreffs der „Fossettes duodenales“ macht
J. nur darauf aufmerksam, dass beim Vorhandensein derselben
einerseits die Flexura duodeno-jejunalis frei, andererseits die Yen.
mesent. inf. sich stets in einer gewissen Entfernung von der Seite
des eben genannten Eingeweides befindet. Im Uebrigen citirt er
die Ansichten von Treitz, Waldeyer und Treves über die
Genese der Fossa duodeno-jejunalis, ohne sich selbst mit einer
Kritik dieser Ansichten zu befassen oder eine eigene Meinung zu
äussern. Die Darlegungen von Toldt über denselben Gegenstand
werden von Jonnesco gar nicht erwähnt. Ferner wäre noch zu
bemerken, dass der letztere die Existenz einer lediglich durch den
Verlauf der Yen. mesent. inf. hervorgerufenen „Falte und Tasche“,
wie sie von Waldeyer für Embryonen behauptet und von
Landzert durch die beiden Abbildungen Taf. I, Fig. 1 und 2
auch für das Neugeborene und den Erwachsenen constatirt wurde,
auf Grund einer Anzahl von eigenen Beobachtungen geradezu an-
zweifelt. Endlich mag schon hier erwähnt werden, dass nach
Jonnesco die sogen. Herniae retroperitoneales sinistrae entweder
97
in der Fossette duodeno-jejunale oder in der Fossette duodenale
superieure, die Herniae retroperitonealis dextrae, wie dies bereits
von Kl ob behauptet worden war, in der Fossette duodenale in-
ferieure ihren Ursprung nehmen sollen.
Weifen wir noch einen Rückblick auf all die verschiedenen,
soeben kurz geschilderten Beschreibungen und Ansichten, so können
wir nur zu dem Eindruck kommen, dass die durch die Treitz'sche
Arbeit anscheinend völlig geklärte und abgeschlossene Lehre von
der Fossa duodeno-jejunalis und ihren Hernien heutzutage ein
wahres Chaos von Meinungen darstellt. Nicht einmal darüber
sind die Autoren einig, was man eigentlich als Fossa duodeno-
jejunalis zu bezeichnen hat. Von Treitz, von Gruber-Landzert,
von Treves und endlich von Jonnesco werden für die letztere
ganz von einander abweichende Beschreibungen gegeben. Auch
die Ansichten über die Genese dieser Tasche und ihrer Hernien
sind von Publication zu Publication eigentlich nur noch verworrener
geworden.
. ß. Eigene Beobachtungen.
Bevor ich nun meine eigene Meinung über diesen Gegenstand
abgebe, halte ich es doch nicht für unnütz, derselben voraus-
zuschicken, dass sie sich auf ein viel beträchtlicheres Beobachtungs-
material stützt, als dies der Mehrzahl der vorhin genannten Autoren
zu Gebote gestanden hat. Seitdem ich im Jahre 1884 zuerst Ge-
legenheit hatte, einen jener seltenen Fälle von Hernia retroperi-
tonealis dextra zu beobachten, habe ich meine Aufmerksamkeit
den peritonealen Formationen beständig zugewandt und in jedem
Präparir-Semester schlechtgerechnet 40 bis 60 Leichen daraufhin
durchmustert: dies würde also mit Einrechnung von etwa 50 Em-
bryonen ein Material von mindestens 500 Leichen darstellen.
M enn ich zunächst von meinen allgemeinen Eindrücken betreffs
dieser Beobachtungsreihe berichten darf, so kann ich nur sagen,
dass ich das bekannte Gesetz von der Multiplicität gleichartiger
Fälle dabei wieder einmal aufs Eclatanteste bestätigt fand. Ge-
wisse. gewöhnlich für selten angesehene Formen von Falten und
Taschen fanden sich oft genug in gewissen Perioden so zahlreich
vor, dass man fast geneigt sein konnte, dieselben für die Norm
anzusehen. Hinterher bekam ich dieselben vielleicht jahrelang
nicht wieder zur Beobachtung. In umgekehrter AVeise konnte ich
manchmal die von diesem oder jenem Autor als typisch angegebenen
Bi-oesike, Hernien. 7
98
Formen mitunter monatelang nicht zu Gesicht bekommen, um sie dann
plötzlich wieder in überraschender Fülle auftauchen zu sehen. Hätte
ich mit zu kleinem Material gearbeitet, so wäre ich vielleicht zu ganz
falschen Vorstellungen darüber gekommen, was als typisch oder
constant oder zufällig anzusehen war; oder ich hätte mich dazu
verleiten lassen, die Angaben anderer Autoren einfach anzuzweifeln,
wie dies auch in Bezug auf die sogen. Fossa duodeno-jejunalis
seitens des einen gegenüber dem anderen oft genug geschehen ist.
Indessen zur vollen Klarheit über diesen Gegenstand kam ich erst,
nachdem ich durch Beobachtungen an Embryonen gefunden hatte,
dass die Genese der neben der Flexura duodeno-jejunalis und dem
Duodenum ascendens gelegenen peritonealen Plicae und Recessus
sich doch in vielen Punkten ganz anders verhält, als dies bisher
von den Autoren angenommen ist.
Meine Meinung ist also kurz die, dass in der ebenerwähnten
Region des Abdomen nicht nur eine (wie Treitz will) und auch
nicht nur drei (wie Jonnesco annimmt), sondern eine noch grössere
Anzahl von Recessus Vorkommen, von denen ein jeder seine
Existenzberechtigung, d. h. eine genügend ausgeprägte Individualität
besitzt. Diese Recessus können jedoch (wenigstens zum Theil)
ausserordentlich häufig coexistiren, mit einander confluiren und in
einander übergehen, ja man kann sogar sagen, dass diese Coexistenz
zweier oder mehrerer von denselben die Regel bildet, während ihr
Einzelvorkommen numerisch bedeutend zurücktritt. Was nun die
meisten Autoren als Fossa oder Recessus duodeno-jejunalis be-
schrieben haben, ist eben schon eine Combination von zwei oder
mehreren derartigen einfachen, typischen Recessus gewesen, von
denen jeder einzelne wieder seine besondere Genese hat. So er-
klären sich die zahlreichen Widersprüche in der Beschreibung und
betreffs der Genese der letzteren, so erklärt sich die Thatsache,
dass sich die Autoren zuletzt garnicht mehr verstanden haben,
wenn sie von der Fossa duodeno-jejunalis sprachen.
Den ersten Schritt auf dem Wege zu dieser meiner Ansicht
nach einzig möglichen und einzig richtigen Auffassung der Dinge
hat schon Toi dt getlian, indem er darauf hinwies, dass die von
ihm sogen. Plica duodeno-mesocolica (das untere Horn der Treitz-
schen Fossa duodeno-jejunalis) eine ganz andere Genese als das
sogen, obere Horn des Treitz’schen Recessus besitzt. Mit aller
Entschiedenheit tritt jedoch erst Jonnesco (No. 2 p. 5G) dem
Unicismus der Autoren entgegen, indem er betont, dass es
99
mehrere von einander verschiedene Gruben in der Duodenalregion
g-iebt, von denen jede eine besondere Beschreibung verdient. Zu.
bedauern bleibt nur, dass dieser Autor grade den wichtigsten aller
hier vorkommenden Recessus, d. li. denjenigen, in welchem sich
die T r ei tz’ sehen Hernien entwickeln, in reiner typischer Form
gar nicht gesehen zu haben scheint und in Folge dessen auch zu
ganz irrigen Theorien über die Entstehung dieser Hernien kommt.
Nach meiner Meinung müssen wir in der Gegend der Pars
ascendens duodeni und der Flexura duodeno-jejunalis folgende Re-
cessus unterscheiden, betreffs deren ich versucht habe, mich mög-
lichst an die bereits bestehende Nomenclatur zu halten und die
letztere lediglich zu ergänzen. Die einfache Bezeichnung „Fossa
oder Recessus duodeno-jejunalis“ habe ich ganz fallen gelassen,
weil, wie erwähnt, bereits zu viel heterogene Dinge unter dieser
Bezeichnung von den Autoren zusammengefasst worden sind.
1. Der Recessus duodeno-jejunalis sinister s. venosus. Derselbe
ist identisch mit dem oberen Horn der Treitz’schen Fossa duo-
deno-jejunalis, jedoch nur in dem Falle, dass die V. mesent. inf.
indem freien Rande der Treitz’schen Plica duodeno-jejunalis ver-
läuft, identisch ferner mit der von Gruber und Landzert be-
schriebenen, von dem letzteren Autor sogar abgebildeten, aber von
beiden Autoren nicht besonders benannten Tasche, deren Eingangs-
öffnung von dem Treitz’schen Gefässbogen umrahmt wird. Jon-
nesco hat für diese Tasche, deren Existenz er übrigens halb
anzweifelt, halb für etwas Zufälliges erklärt, die Bezeichnung
„Fossette de Landzert“ vorgeschlagen. Indessen ist dieselbe schon
vor Landzert von Gruber deutlich beschrieben und wahrschein-
lich auch bereits von Treitz gesehen worden. Denn wenn man
sich an der von dem letzteren Autor auf Taf. I gegebenen Ab-
bildung das sogen, untere Horn der Plica duodeno-jejunalis nicht
vorhanden denkt — und von dieser Möglichkeit spricht Treitz — ,
so würde man den von mir sogen. Rec. duodeno-jejunalis sin. s.
venosus vor sich haben.
Dieser Rec. venosus oder, wie man ihn auch nennen könnte,
die Gefässtasche wird somit in seiner Ausbildung im Wesent-
lichen durch den Verlauf der Ven. mesent. inf. bestimmt. Die Tasche
wird hinten durch das Peritoneum parietale, vorn durch eine Peri-
onealfalte begrenzt, deren freier, nach rechts und abwärts gerich-
teter Rand concav ist und die Ven. mesent. inf. (bezw. die A. co-
lica sin.) enthält. Die ebengenannte Peritonealfalte will ich der
7*
100
Kürze wegen als Plica venosa bezeichnen. Dem Verlauf der
Vene entsprechend kann man an der letzteren Falte einen verti-
efen und einen horizontalen Abschnitt unterscheiden , welche
bogenförmig in einander übergehen. Die Eingangsölfnung des
Recessus ist somit nach rechts und abwärts, sein blindes Ende
nach links oder auch ein wenig nach oben gelegen. Die Ent-
fernung zwischen der Plica venosa und der linken Seite der Flexura
duodeno-jejunalis kann unter Umständen eine ziemlich beträchtliche
sein. In anderen Fällen kann die Plica dicht neben oder sogar
mit ihrem freien Rande ein wenig vor der Flexur gelegen sein.
In ihrer reinen, typischen Form darf die Falte niemals mit der
freien Oberfläche der Flexura duodeno-jejunalis oder der Pars
ascendens duodeni Zusammenhängen, sondern umkreist die Flexur
bogenförmig und verliert sich allmählich neben der Wurzellinie
des Mesocolon transversum. Wo die Plica venosa direct in den
Peritonealüberzug der eben genannten Darmtheile übergeht, da
handelt es sich immer um Verwachsungen zwischen der ersteren
und dem letzteren. Ist der Recessus stark entwickelt, so vertieft
sich derselbe mitunter ziemlich erheblich nach links oder seltener
nach oben, indem er sich in den bereits von Treitz abgebildeten
Gefässring (Aorta abdominalis, A. mesent. inf. und colica sin.,
Ven. mesent. inf.) gewissermaassen tiefer hineinschiebt. Ein der-
artiger Fall eines kolossal entwickelten Rec. venosus ist von
Landzert Taf. I Fig. laa abgebildet; hier schiebt sich dieser
Sack hinter der V. mesent. inf. um ein beträchtliches Stück nicht
allein zwischen beide Blätter des Mesocolon descendens, sondern
auch des Mesocolon transversum hinein. In dem zweiten von
Landzert abgebildeten Falle dagegen (Taf. I Fig. 2 + +) ist der
Recessus nur hinter dem verticalen Abschnitt der Plica venosa
deutlich entwickelt.
Ich habe die eben beschriebene reine Form der Plica und des
Recessus venosus in allen Lebensaltern beim Embryo vom dritten
Lebensmonate an, beim Kinde und beim Erwachsenen mehr oder
weniger deutlich entwickelt vorgefunden. Als reinen Typus dieser
Falte und Tasche bezeichne ich — und dies möchte ich noch einmal
betonen — denjenigen, bei welchem die V. mesent. inf. (bezw. die
A. colica sin.) in dem freien Rande der Falte gelegen ist. A'iel
häufiger als die reine Form dieses Recessus sind indessen die
Complicationen desselben. Unter den letzteren ist in erster
Linie eine mehr oder weniger ausgedehnte Verwachsung des freien
101
Randes der Plica venosa mit der Flexura duodeno-jejunalis zu
neunen. Meistens betrifft diese Verwachsung nur den horizontalen
Abschnitt dieser Falte, kann sich jedoch auch auf den verticalen
Theil der letzteren erstrecken. Eine weitere sehr häufige Compli-
cation kann darin bestehen, dass sich die von Jonnesco sogen.
Plica duodenalis inferior grade an den freien Rand der Plica
Fig. 4 (nach Taf. I Fig. 2 von L an dz er t)-
+~ Rec. venosus, a Rec. duodeno-jejunalis posterior (Fossa duodeno-jejunalis
von Landzert).
venosa ansetzt oder, wie dies die Autoren bisher ausgedrückt
haben, dass sich an der Plica duodeno-jejunalis ein unteres Horn
vorfindet. Ist eine von diesen beiden oder sind beide Compli-
cationen zugleich vorhanden, so kann bei leicht verschieblichem
Peritoneum schon ein sehr geringer Zug auf die Flexura duodeno-
jejunalis nach rechts oder auch nach vorn genügen, um den
Recessus venosus zu vertiefen oder, was dasselbe sagt, die Plica
venosa zu vergrössern. Bei dieser Vergrösserung der Plica ver-
harrt aber die \ ene in ihrer Lage und entfernt sich somit vom
freien Rande der Peritonealfalte, wenn dieselbe artificiell verzogen
102
wird. Auf diese Weise, d. li. als Product vou künstlichen Zug-
wirkuugen, ist zweifellos eiu Theil jener Fälle zu deuten, in
welchen die Autoren fanden, dass die V. mesent. inf. nicht in
dem freien Rande der sogen. Plica duodeno-jejunalis verlief. Bei
einem anderen Theil dieser Fälle handelte es sich jedoch nicht um
vorübergehende, sondern um permanente Zustände ; ich komme auf
diesen Gegenstand noch einmal ausführlicher zurück.
Die Genese des Recessus venosus hängt natürlich vollständig
davon ab, ob es während des Embryonallebens zur Entwickelung
einer Plica venosa kommt oder nicht, und die letztere wird ledig-
lich durch den Verlauf der V. mesent. inf. bestimmt. Gehen wir
von demjenigen Stadium embryonaler Entwickelung aus, in welchem
der ganze Darmkanal nebst seinem primitiven Gekröse noch in der
Medianebene gelegen ist, so kommt es schon jetzt darauf an, ob
der longitudinale (verticale) Abschnitt der V. mesent. inf. mehr in
der Wurzel des Mesenterium commune oder in einer gewissen Ent-
fernung vor der Wirbelsäule verläuft. Ist das letztere der Fall,
so muss auch ohne jede Zugwirkung die Plica venosa in ihrer
definitiven Form entstehen, wenn sich einerseits das Duodenum
mit dem Pankreaskopf nach rechts wendet und an die rechte Hälfte
der hinteren Bauchwand anlegt, andererseits das Colon und Meso-
colon descendens nach links, d. h. au die linke Hälfte der hinteren
Bauchwand hinübergedrängt wird. Dabei ist es natürlich an und
für sich ganz gleichgültig, ob das Mesocolon descendens noch frei
oder bereits mit dem Peritoneum parietale verwachsen ist, wenn
es nur dem letzteren unmittelbar anliegt. Zum Zustandekommen
einer gut ausgeprägten Plica venosa gehört übrigens nicht allein,
dass die V. mesent. . inf. in einer gewissen Entfernung vor der
AVirbelsäule verläuft, also gewissermaassen mit ihrem Endstück
von der Wirbelsäule abgerückt ist, sondern auch, dass dieselbe
zwischen ihren im Becken gelegenen Ursprungswurzeln und ihrer
Einmündungsstelle in die V. lienalis oder V. mesent. superior mehr
kurz und straff ausgespannt ist. Wenn die V. mesent. inf. dagegen
mehr lang und schlaff entwickelt ist, so dürfte sie sich stets mit dem
Mesocolon descendens nach links hinüberlegen und entweder nur
eine unbedeutende oder gar keine Plica venosa bilden. Es erübrigt
nur noch, den einen Punkt aufzuklären, ob die eben gegebene Er-
klärung ausreicht, wenn der Rec. venosus eine so gewaltige Aus-
dehnung hat, wie dies in dem von Landzert Taf. I Fig. laa abgebil-
deten Falle beobachtet worden ist. Diese Frage kann natürlich
103
nicht bejaht werden; hier müssen noch andere Umstände im Spiel
sein. Die grosse Ausdehnung des bei der Section leer, vou
Darmschlingen völlig frei gefundenen Recessus könnte ja einmal
dadurch erklärt werden, dass es sich hier um eine mittelgrosse
Hernie gehandelt habe, aus deren Bruchsack die darin enthal-
tenen Darmsclilingen wieder herausgeschlüpft sind, nachdem der
Bruch eine gewisse Ausdehnung angenommen und sein Annulus
sich (vielleicht in Folge einer abnormen Dehnbarkeit des Peri-
toneum) stark erweitert hatte. Iudessen wäre es auch möglich,
dass ein solcher grosser Recessus als eine congenitale Bildung
aufzufassen wäre , welche das Resultat einer abnorm starken
partiellen Wucherung des Mesocolon primitivuni darstellte. Denkt
man sich nämlich an dem zwischen der V. mesent. inf. und der
Wirbelsäule gelegenen Abschnitt des Gekröses abnormer Weise
frühzeitig einen ähnlich starken Wucherungsprocess eintreten, wie
er z. B. bei dem Mesogastrium normaler Weise stets stattfindet,
so könnte der Rec. venosus schon frühzeitig eine Art von Sack
darstellen , welcher sich nach links zwischen das Mesocolon
descendens und das Peritoneum parietale, nach oben zwischen
das Mesocolon transversum und das Mesogastrium hineinschieben
würde. Wenn dann später die Verlöthung einerseits zwischen
Mesogastrium und Mesocolon transversum, andererseits zwischen
Mesocolon descendens und dem Peritoneum parietale der hinteren
Bauchwand stattfindet, verwachsen auch die Wände des ab-
norm grossen Sackes mit den letztgenannten Organen und nehmen
au der weiteren Vergrösserung derselben Theil, so dass sich das
ursprüngliche Grössenverhältniss zwischen dem Sack und seinen
Nachbarorganen erhält. Welche von den beiden soeben explicirten
Möglichkeiten das Zustandekommen eines so grossen Recessus
venosus, wie ihn Landzert abgebildet hat, am besten erklärt,
will ich dahingestellt sein lassen. Hierüber können nur weitere
Beobachtungen an ähnlichen Fällen volle Klarheit geben.
Wie man sieht, stimme ich also im Gegensatz zu Eppinger
mit Waldeyer vollständig darin überein, dass die V. mesent. inf.
(bezw. die A. colica sin.) bei ihrem Verlauf durch das Cavum ab-
dominis eine Peritonealfalte emporheben kann, von deren grösserer
oder geringerer Entwickelung die Bildung einer Tasche oder eines
Recessus abhängig ist, welchen ich als Gefässtasche oder Re-
cessus venosus bezeichne. Es freut mich, diese Ansicht meines
verehrten Chefs und Lehrers aus voller Ueberzeugung bestätigen
104
zu können. Dass übrigens diese Ansicht mehr als eine blosse
Hypothese darstellt, dafür glaube ich auch einen positiven Beweis
beibringen zu können, gegen welchen sich wohl kaum irgend eine
Einwendung machen lässt. Wenn man an reinen Exemplaren der
Plica venosa das Peritoneum über der Vene mit einer Pincette
emporhebt und das letztere Gefäss subperitoneal mit einem Teuo-
tom einmal1 oder mehrfach durchschneidet, so verschwindet die Plica
venosa vollständig, so lange sich das Peritoneum noch eine leichte
Verschieblichkeit bewahrt hat. Diejenigen Fälle aber, wo die
Vene nicht im Rande der Falte verläuft, sind, wie bereits oben
erwähnt wurde, entweder durch artificielle Zugwirkung oder durch
Complicationen der Plica venosa mit anderen gefässlosen Peri-
tonealfalten zu erklären.
Wenngleich mir somit nach alledem über die Existenz einer
Plica venosa in dem Sinne von Waldeyer kein Zweifel obzuwalten
scheint, ist es doch, wie ich glaube, nicht überflüssig, noch einmal auf
die von anderen Autoren über die Genese dieser Tasche geäusserten
Ansichten einzugehen, nach welchen sich die Vene bei einer aller-
dings relativ grossen Zahl von Fällen nur zufälligerweise in dem
freien Rand der Falte vorfinden und die letztere ihre Entstehung
anderen Ursachen verdanken soll. Was zunächst die von Treitz
und Eppinger zur Erklärung herangezogene, mit der Drehung
eines Rades verglichene Locomotion des Duodenum betrifft, so
kann ich den von Waldeyer und Toldt dagegen erhobenen Ein-
wänden nur vollkommen beistimmen. Insbesondere muss ich dem
letzteren Autor beipflichten, wenn er sagt, dass eine solche Ver-
schiebung des Duodenum in keiner Weise nachgewiesen werden
kann. Würde dieselbe aber wirklich Vorkommen, so könnte sie
doch eigentlich nur zur Bildung des sogen, unteren Horns der
Treitz’ sehen Plica duodeno-jejunalis führen, während das obere
Horn, welches, wie z. B. in den LandzerUschen Fällen, die
Flexur in weitem Bogen umkreist, damit unmöglich in Zusammen-
hang gebracht werden könnte. Etwas Aehnliches hat wolfl auch
Treitz im Sinne gehabt, wenn er ausser der Locomotion des Duo-
denum noch eine Verschiebung des Colon und Mesocolon transversum
von links nach rechts zu Hülfe nimmt, um die Genese seiner Falte
zu erklären. Die letztere Verschiebung soll offenbar die Bildung
des oberen Horns (der Plica venosa) erklären. Indessen kann ich
auch Toldt nicht Recht geben, wenn derselbe meint, dass die Rechts-
wendung der Mesenterialplatte der ehemaligen Nabelschleife oder,
105
Avie er es genauer präcisirt (cf. d. A. S. 89), die Dislocation des
Blinddarmes nach rechts und unten auf das freie Mesocolon descen-
dens eine Zugwirkung ausübt, in Folge deren das letztere zum Theil
über die Flexura duodeno-jejunalis Aveggebogen und neben derselben
zu einer vorspringenden Falte erhoben wird. Dass eine solche
Zugwirkung in der That stattfinde, Avird nach diesem Autor sehr
schlagend erAviesen durch die eigenthümliche Lage der Flexura
sigmoidea, deren unterer Schenkel gerade an der beschriebenen
Falte in die Höhe gehoben erscheint. Diese Deutung bezieht
übrigens Toldt auch nur auf das obere Horn der Tr eitz 'sehen
Plica duodeno-jejunalis, während er, A\rie oben erwähnt, in einer
späteren Arbeit (No. 2) dem unteren Horn (der von ihm sogen.
Plica duodeno-mesocolica) eine ganz andere Genese vindicirt. Dazu
muss ich bemerken, dass ich beim Embryo die Plica venosa mehr-
fach deutlich entAvickelt gefunden habe, ohne mich von irgend einer
nennenswerten Spannung an dem ganz oder teilweise freien
Mesocolon ascendens, tränsversum oder descendens überzeugen zu
können. Die Plica Afenosa lief z. B. das eine Mal vollständig mit
ihrem oberen Ende in das Mesocolon tränsversum aus; dabei war
das letztere schlaff und gefaltet. Die von Toldt beobachtete eigen-
thümliche Elevation des unteren Schenkels der Flexura sigmoidea
habe auch ich oft genug gesehen, aber auch in mehreren Fällen,
avo keine Spur einer Plica venosa vorhanden war; somit bin ich
geneigt, dieselbe einfach auf eine häufig vorkommende, relativ
geringe EntAvickelung des Mesocolon sigmoideum an dieser Stelle
zu beziehen. Einen sozusagen strieten Gegenbeweis gegen die
von Tr eitz, Eppinger, Toldt supponirten Zugwirkungen liefert
endlich ein bei einem 6 monatligen Embryo beobachteter Fall,
bei welchem es zu gar keiner Rechtswendung der gemeinschaft-
lichen Mesenterialplatte oder Dislocation des Coecum gekommen
war. Das Coecum fand sich hier nämlich links von der Median-
ebene, sehr hochstehend und ebenso Avie das sehr kurze Colon und
Mesocolon ascendens und tränsversum gänzlich mit dem Meso-
gastrium verlöthet vor. Das Mesocolon descendens war nur in
seinem oberen Abschnitt mit der hinteren Bauch wand venvachsen.
Die gemeinschaftliche Mesenterialplatte für das Ileum und Jejunum
Avar völlig frei und hatte ihre Wurzel in einer Verbindungslinie
ZAAÜschen dem Coecum und der normal gelegenen Flexura duodeno-
jejunalis. Das Duodenum Avar in der gewöhnlichen Weise mit der
hinteren Bauclnvand verwachsen. Trotzdem also hier die normale
106
Dislocation des Coecum unterblieben war, fand ich eine deutliche
Plica venosa vor, welche sogar mit einem unteren Horn (der Plica
duodeno-mesocolica von Toi dt) complicirt war.
2. Der Recessus cluodeno-jejunalis posterior oder die Gruber-
Landzert’sche Tasche ist identisch mit derjenigen Bauchfell-
tasche, welche von Grub er zuerst als Nebensack, später als Fossa
duodeno-jejunalis bezeichnet wurde und auch von Landzert für
die eigentliche Fossa duodeno-jejunalis gehalten wird (s. d. A.
Fig. 4). Ich bezeichne diese Tasche als Rec. duodeno-jejunalis
posterior, weil dieselbe in der natürlichen Lage der Flexur
im Wesentlichen hinter der letzteren gelegen ist, indem sie sich
von links und oben her gewissermaassen zwischen das Ende des
Duodenum und die hintere Bauchwand einschiebt. Ihr blindes
Ende würde somit unten (manchmal auch ein wenig nach rechts),
ihre Eingangsöffnung oben (oder auch mehr links) gelegen sein.
Ihre vordere Wand würde durch die Flexura duodeno - jeju-
nalis und das obere Ende der Pars ascendens duodeni, ihre hintere
Wand durch das vor der Wirbelsäule gelegene Peritoneum parie-
tale gebildet sein. Die rechte Wand des Recessus besteht aus
einer Peritonealfalte, welche wahrscheinlich den 31. suspensorius
duodeni zur Grundlage hat, sich jedoch auch in Folge secun-
därer Verwachsungen mehr nach links hinüber erstrecken kann:
ich will diese Falte als Plica suspensoria bezeichnen. Die linke
Wand endlich wird durch eine zAveite Peritonealfalte dargestellt,
welche bald mehr schräg, bald mehr vertical zwischen dem Peri-
toneum parietale und der linken Seite der Flexur und des Duo-
denum ascendens verläuft: man könnte dieselbe als Plica duodeno-
jejunalis posterior bezeichnen. Die Plica suspensoria ist dabei zu-
gleich nicht nur rechts, sondern auch mehr oben, die Plica duo-
deno-jejun. post, nicht nur links, sondern zugleich tiefer gelegen,
so dass Landzert (p. 44) diese beiden Falten auch als eine obere
und untere bezeichnen kann. Beide Falten können oben confluiren.
Ihre beiden mitunter etwas concaven freien Ränder bilden in Ge-
meinschaft mit der Flexur und dem Peritoneum parietale die Ein-
gangsöffhung des Recessus.
Die Varietäten des letzteren beruhen hauptsächltch darauf,
dass entweder die eine oder die andere der beiden eben beschrie-
benen Falten stärker oder schwächer oder garniclit entwickelt ist.
Denn wenn sich der 31. suspensorius duodeni auch immer vorfinden
soll, so sind es doch nicht immer nothwendig, dass er eine Plica
suspensoria bildet. Uebrigens können der letzteren ähnliche Bil-
dungen auch durch Verlötlmngen zwischen der Flexura duodeno-
jejunalis und der unteren Fläche des Mesocolon transversum zu
Stande kommen. Auch die Genese der Plica duodeno-jejunalis
posterior kann ich mir nur dadurch erklären, dass die hintere Fläche
des oberen Endes der Pars ascendens duodeni mitunter in grösserer
Ausdehnung frei bleibt, während der linke Rand des eben genannten
Darmtheils mit dem Peritoneum parietale linear verlöthet. Aus
der Verlöthungsstelle entwickelt sich dann später in Folge der
Verschiebungen des Darmes durch Contraction, Zug etc. die eben
genannte Falte in ähnlicher Weise, wie dies ja bereits für das
Lig. intestini coeci (Lig. parieto-caecale) erörtert ist und auch von
anderen Autoren angenommen wird. Uebrigens muss ich noch
bemerken, dass ich die Gruber-Landzert'sche Tasche weder so
gut entwickelt noch so häufig vorgefunden habe, wie man dies
nach den Ausführungen des letztgenannten Autors glauben könnte.
Unter allen in der Nähe der Flexura duodeno-jejunalis vorkom-
menden Peritonealtaschen möchte ich diese für die seltenste halten.
Die eine oder die andere der beiden, diese Tasche constituirenden
Peritonealfalten in rudimentärer Form habe ich allerdings häufiger
gesehen. Endlich fand ich den Recessus duodeno-jejunalis post,
immer nur dann vor, wenn die Plica venosa von der Flexur ziem-
lich weit entfernt war. Ob dies die Regel oder ein Zufall war,
will ich nicht entscheiden. Doch würde diese Beobachtung auch
mit den Landzert’schen Abbildungen übereinstimmen.
3. Der Recessus duodeno-jejunalis superior oder die Jonnesco-
sclie Tasche (s. Fig. 5 a) ist zuerst von dem letzteren Autor be-
schrieben und als Fossette duodeno-jejunale ou mesocolique bezeichnet
worden. Diesen Recessus, wie Jonnesco, einfach als Fossa duodeno-
jejunalis zu benennen, habe ich mich nicht entschlossen können, da,
wie bereits früher erörtert wurde, unter der letzteren Bezeichnung
von verschiedenen Autoren ganz heterogene Gruben und Taschen
verstanden sind. Auch die Bezeichnung Fossa mesocolica kann
ich nicht adoptiren, da die letztere nichts darüber besagt, ob diese
Grube am Mesocolon transversum oder descendens zu finden ist.
Dagegen ist die Jonnesco’sche Tasche stets oberhalb der
Flexura duodeno-jejunalis, zwischen der letzteren und dem
Mesocolon transversum gelegen. Ihr blindes Ende liegt nach hinten
und entspricht der Wurzel des Mesocolon transversum, ihre Ein-
gangsöffnung sieht nach vorn. Somit hat der Recessus in der
108
natürlichen Lage der Flexur eine im Wesentlichen sagittale Rich-
tung: nur wenn das Jejunum nach rechts gezogen wird, scheint
er, wie in der untenstehenden Abbildung von Jonnesco, mehr
schräg zu liegen. Die obere Wand des Recessus wird vom Meso-
colon transversum, die untere von der Flexura duodeno-jejunalis
Fig 5 (nach Jonnesco).
Der Ree. duodeno-jejunalis sup. (Fossette duodeno -jejunal ou mesocolique von
Jonnesco), durch den Zug des Jejunum nach rechts seitlich verzogen.
gebildet. Links und rechts wird die Tasche durch je eine peri-
toneale Verbindungsfalte zwischen dem Mesocolon transversum und
den beiden Seiten der Flexur (Pli duodeno -jejunal ou duodeno-
mesocolique (jauche und droit e von Jonnesco) begrenzt. Man könnte
diese Verbindungsfalten wohl besser als Plicae duodeno -jejunales
super iores bezeichnen. Jonnesco characterisirt diesen Recessus
als „toujours vasculaire“; dies ist jedoch nur insofern richtig, als
der transversale Abschnitt der V. mesent. inf. mitunter in der Wand
seines blinden Endes verläuft.
Die Entstehung dieser Tasche erklärt Jonnesco durch ein
Hineindringen, d. h. also wohl durch ein actives Hineinwuchern
der Flexura duodeno-jejunalis in die Wurzel des Mesocolon trans-
versum, wobei er sich, wie es scheint, vorstellt, dass der mit dem
Darm fest verbundene Peritonealüberzug der Flexur das untere
Blatt des Mesocolon transversiun gewissermaassen nach hinten
zieht und zu einer Grube vertieft. Ich kann dieser Erklärung
nicht beistimmen. Ich habe den Rec. duodeno-jejunalis superior
allein im letzten Wintersemester 4 Mal gesehen, ein Mal bei einem
Neugeborenen und drei Mal bei Erwachsenen: in allen diesen
Fällen fand sich bei Abwesenheit aller sonstigen peritonitisclien
Symptome die Ansatzstelle der Plicae duodeno-jejunales superiores
an die Flexur ziemlich stark getrübt, d. h. also die von mir sogen.
Verlöthungsliuie vor. Ich muss somit behaupten, dass der Rec.
duodeno-jejunalis sup. entweder schon beim Embryo oder auch erst
in späterem Lebensalter in folgender Weise entsteht. Bekanntlich
sind Verwachsungen zwischen der Flexura duodeno-jejunalis und
dem Mesocolon transversum ausserordentlich häufig. Wenn nun
nicht die ganze obere Fläche, sondern nur der linke und der rechte
Seitenrand der Flexur mit dem Mesocolon transversum verlöthen,
entstehen die beiden vorhin genannten Falten, zwischen denen die
Jonnesco'sche Tasche gelegen ist.
Ich möchte übrigens noch bemerken, dass die von Jonnesco
No. 2 p. 54 abgebildete Fossette duodeno- jejunale double mir nicht ganz
in dieselbe Kategorie mit der gleichnamigen Fossette simple des-
selben Autors zu gehören scheint. Trotzdem bei der Fossette double
das Jejunum stark nach rechts verzogen ist, sieht man doch die
V. mesent. inf. ziemlich nahe dem Orificium dieser Tasche verlaufen,
während dieses Gefäss bei der nebenstehend (Fig. 5) abgebildeten
Fossette simple gerade eben das blinde Ende des Recessus zu be-
rühren scheint. Ich möchte somit meinen, dass es sich bei der Fos-
sette double um eine Plica venosa gehandelt hat, welche in gut
entwickelter Form vor dem Duodenum ascendens und der Flexura
duodeno-jejunalis gelegen war und später grössten tlieils mit der
Oberfläche der eben genannten Darmtheile verwachsen ist. Die
beiden Stellen, wo diese Verlöthung nicht stattgefunden hat, ent-
sprechen den beiden grubenartigen Vertiefungen (der Fossette
double). Auch die peritoneale, offenbar durch den Zug des Jejunum
stark gedehnte Scheidewand zwischen den beiden Gruben verdankt
ihre Entstehung jedenfalls einem localen Verlötlmngsprocess zwischen
der Flexur und der Plica venosa. Eine andere Erklärung für ihre
Genese dürfte sich kaum finden lassen. Im Gegensatz dazu ist
110
bei der Fossette simple jedenfalls keine Plica venosa vorhanden
gewesen: liier hat sich der Verlöthungsprocess nur zwischen dem
Mesocolon transversum und der Flexura duodeno - jejunalis ab-
gespielt.
4. Als eine Modifikation der Jonnesco’schen Tasche möchte
ich eine bisher noch nicht beschriebene, auf der untenstehenden
Fig. 6 aa abgebildete Bauchfelltasche bezeichnen, welche ich im
Ganzen zwar nur sechs Mal, aber jedes Mal in einer so respectablen
Fig 6.
aa. Recessus intermesocolicua transversus.
Grösse beobachtet habe, dass sie mir doch eine besondere Be-
achtung zu verdienen scheint. In drei Fällen war diese Tasche
gänzlich rechts von der Flexura duodeno-jejunalis gelegen und ich
würde dieselbe somit ohne Weiteres als Recessus duodeno-jejunalis
dexter bezeichnen, wenn sich nicht in den drei anderen Fällen
(darunter in dem abgebildeten) ihr blindes Ende noch oberhalb der
111
Flexur zwischen die letztere und das Mesocolon transversum be-
trächtlich nach links hinüber geschoben hätte. Aus diesem und
auch aus genetischen Gründen könnte man diese Tasche vielleicht
als liecessus intermesocolicus transversus bezeichnen, was in doppeltem
Sinne richtig wäre, nämlich erstens insofern, als dieser Reeessus
sich gewissermaassen von rechts nach links in die Wurzel des Meso-
colon transversum hineinschiebt, zweitens insofern, als derselbe
in transversaler Richtung verläuft. Die Eingangsöffnung dieser
Tasche ist somit rechts, ihr blindes Ende links gelegen. Die obere
bezw. Inntere Wand derselben wurde von dem Mesocolon trans-
versum und dem Pankreas, die untere Wand von dem oberen Ab-
schnitt der Pars ascendens duodeni und der Flexura duodeno-jeju-
nalis, die vordere Wand durch eine frontal gestellte Peritonealfalte
gebildet, welche die untere Fläche des Mesocolon transversum mit
der Flexur und der Wurzellinie des Mesojejunum verbindet Man
könnte diese Falte als Plica inframesocolica transversa benennen:
doch bin ich gerne bereit, für die letztere wie für den von ihr
begrenzten Reeessus eine jede bessere und kürzere Bezeichnung
zu adoptiren. Das blinde Ende des Reeessus erstreckte sich in drei
Fällen bis vor die Vorderfläche der linken Niere. Die A. colica
media zog constant dicht neben und rechts von der Eingangsöffnung
in die Höhe. In allen von mir beobachteten Fällen lag endlich
die Flexura duodeno-jejunalis sehr weit links, tlieilweise vor der
Vorderfläche der linken Niere, in dem abgebildeten Falle sogar
dicht neben dem Colon descendens, mit dessen Gekröse sie ver-
löthet war. In einem von diesen Fällen zog der Darm von der
weit nach links gelegenen Flexur zunächst in transversaler Rich-
tung nach rechts bis vor die Wirbelsäule, um erst dort ein Mesen-
terium zu bekommen und somit nach der landläufigen Terminologie
in das Jejunum überzugehen. An dieses transversale Uebergangs-
stück zwischen Duodenum und Jejunum inserirte sich alsdann erst
die Plica inframesocolica. Die Oeffhung des Rec. intermesocolicus
hatte in einem Falle einen Durchmesser von 5 bis 6 cm. In einem
anderen Falle war der Reeessus fingerlang und hatte etwa den
Durchmesser eines aufgeblasenen Dünndarmlumens. Irgend welche
peritonitischen Residuen oder sonstigen Adhäsionen konnte ich an
keinem der hier erwähnten Fälle constatiren.
Die Genese des Rec. intermesocolicus transversus kann ich
mir nur so denken, dass derselbe durch einen in transversaler
Richtung vor sich gegangenen Verwachsungsprocess entstanden ist,
welcher zwischen der unteren Fläche des Mesocolon transversum
und den nahe gelegenen Theilen, d. h. also der Flexura duodeno-
jejunalis hezw. der Wurzellinie des Mesojejunum und der Vorder-
fläche des Pankreas stattgefunden hat. Die Plica inframesocolica
halte ich für eine bei aufwärts zurückgeschlagenem Mesocolon
etwas stark ausgezogene Verlötlmngsfalte: sie würde somit gene-
tisch ein Stück des letzteren darstellen und damit ebenfalls
die Bezeichnung Rec. intermesocolicus transversus legitirnirt sein.
Natürlich behält meine Erklärung so lange nur den Werth einer
Hypothese, als es mir noch nicht gelungen ist, wenigstens in
dem einen oder anderen Falle die characteristische Verlötlmngs-
linie am unteren Rande der Plica inframesocolica nachzuweisen.
Zur Zeit, als ich die eben beschriebenen Fälle von Recessus inter-
mesocolicus transversus beobachtete, war ich auf die Bedeutung
der Verlöthungslinien noch nicht aufmerksam geworden und in den
letzten vier Jahren ist mir kein einziges Exemplar dieser Bauch-
felltasche wieder zu Gesicht gekommen.
Es ist übrigens wohl möglich, dass Toldt den von mir be-
schriebenen Recessus im Auge gehabt hat, wenn er (No. 3 p. 42)
sagt, dass es in Folge einer Verwachsung des Jejunum au die
untere Wand des Mesocolon transversum „zur Bildung einer durch
eine Peritonealfalte umsäumten grubenförmigen Vertiefung an dei-
ne eilten Seite der Fl ex. duodeno-jejunalis — eines scheinbaren
Rec. duodeno-jejunalis — kommen kann“.
5. Der Recessus duodeno-mesocolicus inferior und der Recessus
duodeno-mesocolieus superior sind mit der Fossette duodenale in-
ferieure und superieure von Jonnesco identisch, wie sie auf der
nebenstehenden Figur abgebildet sind. Beide Recessus bezw. die
beiden sie constituirenden Falten hat offenbar schon Husch ke
(p. 216) gesehen, wenn er davon spricht, dass die von ihm sogen.
Fossa duodeno-jejunalis „sich an der linken Seite der Lendenwirbel-
säule öffnet und von zwei sichelförmigen Bauchfellfalten oben und
unten begrenzt wird“. Nur passirt ihm der Lapsus calami, dass
er die beiden Bauchfellfalten von der Wurzel des Mesocolon trans-
versum anstatt des Mesocolon descendens ausgehen lässt. Beide
Falten hat er als Ligg. duodeno-mesocolica bezeichnet. Die zwischen
beiden Falten gelegene Vertiefung ist also die von ihm sogen. Fossa
duodeno-jejunalis. Die V. mesent. inf. soll hinter der letzteren
verlaufen. Da die Jonnesco 1 sehen Bezeichnungen das Wesen
dieser Falten und der hinter denselben gelegenen Recessus ent-
113
schieden weniger klar als diejenigen von Huschke präcisiren -
denn die Bezeichnungen „Fossa duodenalis superior und inferior“
sind doch nur sehr allgemeine — , so habe ich mich hier an den
letzteren Autor angeschlossen.
Der Ree. duodeno-mesocolicus inferior ist eine aufwärts offene,
also mit dem blinden Ende abwärts gelegene Bauchfelltasche, welche
Fig. 7 (nach Jonnesco).
Der Recessus duodeno - mesocolicus superior und inferior (Fossette duodenale
snperieure und Interieure von Jonnesco): a) der obere, b) der untere dieser
beiden Recessus.
rechts von dem unteren Abschnitt der Pars ascendens duodeni,
hinten von dem praevertebralen Peritoneum parietale, vorn von einer
dreiseitigen Peritonealfalte begrenzt wird, deren rechte Seite mit
der Y orderfläche des Duodenum, deren linke Seite mit dem Meso-
colon descendens verbunden ist und deren freier, concaver Rand
nach oben sieht. Diese in ihrer reinen Form stets gefässlose
Falte, die Plica duodeno-mesocolica inferior , ist identisch mit dem
unteren Horn der Plica duodeno -jejunalis von Treitz, mit der
Broesike, Hernien. o
114
Plica diiodeno-mesocolica von Toi dt, ferner mit der Plica duodeno-
jejunalis von Treves und endlich mit dem Repli duodenal inferieur
von Jonnesco, wenn nämlich die V. mesent inf. nicht in der eben
genannten Jonnesco’ sehen Falte verläuft. Die linksseitige An-
heftungslinie der Plica duodeno-mesocolica inf. kann sich entweder
median wärts von der Y. mesent. inf. oder an der Vene selbst oder
lateral wärts von der letzteren befinden, wovon es natürlich abhängig
ist, ob die Vene in der hinteren Wand, am linken Rande oder in einer
gewissen Entfernung nach links von dem Rec. duodeno-mesocolicus
inf. verläuft. Wenn zugleich mit der Plica duodeno-mesocolica inf.
eine wirkliche Plica venosa vorhanden ist, so pflegt sich die erstere
sogar mit Vorliebe an den freien Rand der letzteren anzuheften.
Ein solcher Fall ist z. B. von Jonnesco (No. 2 p. 50) unter der
Bezeichnung „Fossette duodenale inferieure vasculaire“ beschrieben
worden. Die Tasche kann eine nicht unbeträchtliche Ausdehnung
erreichen: sie kann sogar zwei Finger zugleich aufnehmen und eine
Tiefe von mehreren Centimetern erreichen. Doch kann sie sich
nach den übereinstimmenden Schilderungen aller Autoren niemals
über die Flexura duodeni secunda hinaus nach abwärts erstrecken.
Der Becessus duodeno-mesocolicus superior ist im Gegensatz zu
dem vorigen links von dem oberen Ende des Duodenum ascendens
und der Flexura duodeno-jejunalis gelegen. Ebenfalls im Gegensatz
zu der vorigen Bauchfelltasche ist sein blindes Ende oben, seine
Eingangsöffnung unten gelegen, so dass beide Recessus bei ihrer
Coexistenz sich entgegen sehen. Wenn somit Jonnesco den Rec.
duodeno-mesolicus inf. sehr treffend mit einem aufrecht stehenden
Füllhorn vergleicht, hat der Rec. duodeno-mesocolicus sup. ungefähr
die Form eines umgestürzten Füllhorns. Der Rec. duodeno-meso-
colicus sup. wird rechts vom Duodenum und der Flexura duodeno-
jejunalis, hinten vom Peritoneum parietale, vorne von einer drei-
seitigen Peritonealfalte gebildet, deren freier concaver Rand nach
abwärts gerichtet ist. Diese, in ihrer reinen Form stets gefäss-
lose1) Falte, die Plica duodeno-mesocolica superior , ist von Treves
(cf. d. A. p.94) als eineVarietät der Plica duodeno-jejunalis abgebildet,
aber erst von Jonnesco als eine peritoneale Bildung von eigener
Individualität richtig beschrieben und erkannt worden. Rechts
geht dieselbe in den Peritonealüberzug an der vorderen oder auch
i) Der Ausdruck „gefässlos“ bezieht sich liier wie bei anderen Falten stets
nur darauf, dass in derselben keine mit blossem Auge sichtbaren Gefässe,
insbesondere nicht die V. mesent. inf. sichtbar sind.
115
cler liuken 'Wand des Duodenum über. Ihre linksseitige Anheftungs-
linie an das Mesocolon descendens kann wie bei der Plica duodeno-
mesocolica inf. entweder genau der V. mesent. inf. entsprechen,
oder links oder auch rechts von der letzteren gelegen sein. War
zugleich eine deutliche Plica venosa vorhanden, so zeigte sich auch
die Plica duodeno-mesocolica sup. immer mit dem freien Rande
der letzteren verbunden, so dass man sagen kann, die letztere
füllte die zwischen der ersteren und dem oberen Ende der Pars
ascendens duodeni gelegene Lücke aus. Beide Falten bilden dann
scheinbar eine einzige Falte, welche von der V. mesent. inf. durch-
zogen wird, und da diese Combination sehr häufig ist, so kam
Jonnesco dazu, den Repli duodenal superieur (die Plica duodeno-
mesocolica superior) als „toujours vasculaire“ zu bezeichnen.
Die beiden Plicae duodeno-mesocolicae können entweder co-
existiren oder auch unabhängig von einander Vorkommen. Wenn
sie coexistiren, kommt es nicht selten vor, dass ihre concaven
freien Ränder links confluiren, so dass eine doppelte Tasche mit
einer einzigen Eingangsöffnung entsteht. War in solchen Fällen
vor der Entwicklung der beiden eben genannten Falten keine Plica
venosa vorhanden, so hat dies einzelnen Autoren zu der Be-
hauptung Veranlassung gegeben, dass die V. mesent. inf. unter
Umständen gar nicht in der sogen. Plica duodeno-jejunalis verliefe:
die beiden confluirenden Plicae duodeno-mesocolicae wurden nämlich
von ihnen für eine einzige halbmondförmige Falte angesehen, welche
dann als Plica duodeno-jejunalis bezeichnet und mit der von mir
sogen. Plica venosa fälschlich identificirt wurde.
Die Genese der beiden eben beschriebenen Recessus ist einzig
und allein davon abhängig, ob es zu einer Ausbildung der beiden
Plicae duodeno-mesocolicae kommt, welche die vordere Wand der-
selben bilden. Betreffs der Plica duodeno-mesocolica inferior
hat, wie oben erwähnt wurde, schon Toldt (No. 2) sehr richtig
behauptet, dass dieselbe ganz unabhängig von der sogen. Plica
duodeno-jejunalis entstehe, mit welcher sie allerdings später ver-
schmelze. Nur verlegt dieser Autor die Entstehung der erst-
genannten Falte in eine viel zu späte Periode, nämlich in den
achten Embryonalmonat. Dem gegenüber muss ich nach meinen
Beobachtungen entschieden behaupten, dass die Plica duodeno-
mesocolica inf. schon viel früher, nämlich bereits zu Anfang des
vierten Embryonalmonats, ja wahrscheinlich noch früher entstehen
kann, wenngleich ich keineswegs in Abrede stellen will, dass ihre
8*
116
Entstehung unter besonderen Verhältnissen auch in eine spätere
Periode des embryonalen Lebens fallen kann. Bei einem Embryo
von 11 — 12 cm Scheitel-Steisslänge habe ich beide Plicae duodeno-
mesocolicae bereits prachtvoll entwickelt vorgefunden. Auch auf
der Toldt 'sehen Fig. 8 seiner Arbeit No. 1 ist bei einem Embryo
in der Mitte des fünften Monats die Plica inferior anscheinend be-
reits vorhanden. Wenn die letztere sich nicht bei jedem Embryo
in diesem Alter vorfindet, so darf nicht vergessen werden, dass
sie überhaupt inconstant ist. Im Uebrigen führt Toldt (No. 2)
verschiedene Momente an, welche es avoIü erklären, warum eine
einmal gebildete Plica duodeno-mesocolica wächst und sich ver-
grössert. Wie indessen die erste Anlage dieser Falte entsteht,
darüber geben seine Ausführungen eigentlich keine Auskunft. Ich
muss übrigens zu den letzteren noch bemerken, dass ich die von
Toldt auf Fig. 1 abgebildete, nahezu vertical verlaufende Falte
nicht als erste Anlage der Plica duodeno - mesocolica inf. aner-
kennen kann: ich möchte hier entweder an ein Lig. mesen-
terico-mesocolicum oder an eine abnorme Verlöthungsfalte zwischen
der Wurzel des Dünndarmgekröses und dem Mesocolon sigmoideum
glauben, wie ich eine solche bei einem fünfmonatlichen Embryo
einmal hoch und deutlich entwickelt vorfand. Auch dass die Plica
duodeno-mesocolica inf. dann am stärksteil entwickelt sein soll,
Avenn die Wurzellinie des Dünndarmgekröses an der Vorderfläche
oder gar an der linken Seite des Duodenum ascendens verläuft,
d. h. also, wenn die Anklebung der sogen, gemeinschaftlichen
Mesenterialplatte an das Pankreas und Duodenum sich Aveit nach
links erstreckt hat, möchte ich nicht so ohne Weiteres als fest-
stehend annehmen. Ich habe auf diesen Punkt bei meinen Unter-
suchungen kein besonderes Augenmerk gerichtet, indessen erinnere
ich mich doch deutlich eines Falles, in welchem die stark und hoch
ausgebildete Plica duodeno-mesocolica inferior sich an der rechten
Seite des Duodenum asceudens, ja sogar am Pankreaskopf und
der Wurzellinie des Dünndarmgekröses anheftete, so dass man den
Eindruck gewann, als ob die Plica sich direct in das Mesenterium
fortsetzte. Ueber die Entwickelung der Plica du odeno -m eso -
colica superior ist endlich bisher noch gar keine Meinung kund-
gegeben worden.
Nach meiner Ansicht nun sind beide Plicae duodeno-meso-
colicae Verlöthungsfalten zwischen der ursprünglich linken
(später vorderen) Fläche des Duodenum ascendens und dem rechten
117
(vorderen) Blatt des Mesocolon descendens — Verlöthungsfalten,
welche natürlich nur zu einer Zeit entstehen können, wo die eben
bezeichnete Fläche des Duodenum und das Mesocolon descendens
dicht neben einander liegen. Ein solches Lageverhältniss hat in
der Tliat gegen Ende des dritten oder in der ersten Hälfte des
vierten Embryonalmonats statt. Mitunter liegt indessen die Pars
ascendens duodeni auch noch während einer späteren Zeit links
von der Wirbelsäule in einer besonderen vom Mesocolon gebildeten
Vertiefung. Die Verlöthung schreitet bei der Plica duodeno-meso-
coliea inf. — anscheinend ebenso constant wie zwischen dem ganzen
Duodenum und der hinteren Bauchwand — in der Richtung von
unten (also von der Flexura duodeni secunda aus) nach oben, bei
der Plica duodeno-mesocolica sup. dagegen von oben (also von der
Flexura duodeno-jejunalis aus) nach unten fort. Wenn sich dann
später das Duodenum nebst dem Pankreaskopf nach rechts, da-
gegen das Mesocolon descendens mehr nach links hinüberlegt, so
müssen sich die beiden ebengenannten Falten auf Kosten des
letzteren bilden, wobei man sich immer zu vergegenwärtigen hat,
wie ausserordentlich leicht verschieblich das Peritoneum in der
zweiten Hälfte des Embryonallebens und auch noch während des
ersten Lebensjahres ist. Ich möchte dabei übrigens doch betonen,
dass ich mir die beiden Falten in ihrer vollentwickelten Form
keineswegs allein durch Zugwirkung entstanden denke; es ver-
steht sich von selbst, dass auch die von Toi dt angegebenen Mo-
mente, insbesondere ein eigenes Wachsthum der Falten, eine Rolle
spielen müssen, wenn sich die Organe, zwischen denen dieselben
ausgespannt sind, im Laufe des weiteren Wachsthums von einander
entfernen. Indessen ohne die Präcedenz des eben beschriebenen Ver-
löthungsprocesses kann es überhaupt nicht zur Entwickelung einer
Plica duodeno-mesocolica kommen. Ist eine Plica venosa vorhanden,
so füllt die Pars ascendens in jener Zeit des Embryonallebens den Rec.
venosus, wie es scheint mit Vorliebe, gänzlich aus, indem sie in dem
letzteren wie in einer Art von Bucht liegt — wenigstens habe ich dies
immer so gesehen. Kommt es in diesem Falle zur Bildung der oberen
oder unteren Plica duodeno-mesocolica, so geschieht dies gewöhnlich
in der Weise, dass der freie Rand der Plica venosa entweder an
seinem oberen oder an seinem unteren oder auch an beiden Enden mit
dem Duodenum verwächst. Da die Vene aber mit dem Peritoneal-
abschnitt, welchen sie emporhebt, nicht fest verbunden ist, so
rücken im weiteren Laufe des Wachsthums die Vene und das Duo-
118
denum auseinander und es können auf diese Weise zwei confluirende
Plicae duodeno-mesocolicae entstehen, in deren linkem Abschnitt,
mehr oder weniger vom freien Rande der Falten entfernt, scheinbar
die Y. mesent. inf. verlaufen kann. Auf diese Weise erklärt sich
ein anderer Tlieil jener Fälle, in welchen die Autoren erwähnen,
dass die V. mesent. inf. nicht ganz im freien Rande der Plica duo-
deno-jejunalis ihren Lauf genommen habe. Verlöthet dagegen der
freie Rand der Plica venosa in mehr unregelmässiger Weise mit
dem Duodenum, so kann es zur Bildung eines Recessus kommen,
welcher durch mehrere manchmal sehr kleine Oeffnungen mit dem
übrigen Cavum peritonei communicirt, wie ich einen solchen Fall
ebenfalls bei einem Erwachsenen beobachtet habe. Auf die gleiche
Weise sind auch der bereits früher erwähnte, von Jonnesco als
Fossette duodeno- jejunal double abgebildete Fall und endlich auch
die Fälle von sogen, vollständigem Verschluss der Fossa duodeno-
jejunalis zu erklären. War keine Plica venosa vorhanden, so kann
die Verlöthung zwischen dem Duodenum ascendens und dem Meso-
colon descendens auch bald mehr links bald mehr rechts von der
Y. mesent. inf. vor sich gehen; das sind dann diejenigen Fälle, in
welchen die Vene entweder in einer gewissen Entfernung von den
Plicae duodeno-mesocolicae (bezw. den entsprechenden Recessus)
oder gar hinter den letzteren verläuft.
Dass meine Ansicht über die Entstehung der Plicae duodeno-
mesocolicae mehr als eine blosse Hypothese ist, dafür kann ich
folgende beweisende Momente ins Feld führen. Bei einem Embryo
etwa in der Mitte des vierten Monats fand ich die beiden eben-
genannten Falten sehr deutlich entwickelt vor. Als ich das Duo-
denum ascendens mit dem Finger vorsichtig nach rechts zog, lösten
sich jedoch beide Falten mit Leichtigkeit von der Yorderfläcke
des Duodenum ab und blieben verschwunden. Hier hatte es sich
offenbar um eine frische Verlöthung gehandelt, welche schon einem
geringen Zuge keinen Widerstand zu leisten vermochte. Ich muss
hierbei bemerken, dass bei anderen Embryonen von dem gleichen
Alter die Verlöthung bereits so fest war, dass sie jedem Zuge
widerstand. In zwei Fällen ferner, das eine Mal bei einem Embryo
von 7 Monaten, das andere Mal bei einem Neugeborenen, konnte
ich an der Uebergangsstelle einer Plica duodeno-mesocolica inf.
in das Duodenum eine deutliche Verlöthungslinie, d. h. also eine
lineare Trübung des Peritoneum constatiren. Ich habe schon früher
auseinandergesetzt, warum man die Verlöthungslinie nicht überall
119
dort sieht, wo wirklich eine Verlöthung stattgcfimden hat. Endlich
hatte ich mir, nachdem ich zu meiner Ansicht über die Entstehung
der letztgenannten Falte gekommen war, gesagt, es müsste doch
eigentlich auch einmal als Varietät derselben ein Defect an ihrem
unteren, dem blinden Ende des Recessus entsprechenden Abschnitt
Vorkommen, nämlich dann, wenn ausnahmsweise die Verlöthung
zwischen dem Duodenum und dem Mesocolon descendens an der
Flexnra dnodeni secnnda unterblieb und sich mehr auf den mittleren
Abschnitt des Duodenum ascendens beschränkte. Es war mir
nun eine grosse Genugtuung, bei einer genaueren Musterung
der Literatur zu finden, dass in der That von Treves (Fig. 3
p. 416) ein Fall abgebildet worden ist, in welchem die Plica
duodeno-mesocolica inf. durch ein breites, mit zwei freien parallelen
Rändern versehenes Ligament repräsentirt wurde, welches das
Mesocolon descendens mit dem Duodenum verband. Die Ent-
stehung dieser Varietät lässt sich nur durch meine Verlöthungs-
theorie erklären.
Fasse icli das in diesem Capitel Gesagte kurz zusammen, so
sind, mit Ausnahme der Plica venosa und vielleicht der Plica sus-
pensoria alle übrigen in der Nähe des Duodenum ascendens und der
Flexnra duodeno-jejunalis beschriebenen Falten nichts weiter als Ver-
löthungsfalten, von denen jedoch verschiedene so häufig und in so
regelmässiger Form Vorkommen, dass man ihnen eine gewisse
Individualität und somit auch eine specielle Beachtung vindiciren
muss. Von den durch diese Falten gebildeten Bauchfelltaschen
sind der Rec. duodeno-jejunalis dexter (Intermesocolicus trans-
versus) und der Rec. duodeno-jejunalis superior bisher nur isolirt
beobachtet worden. Dagegen scheinen der Rec. duodeno-jejunalis
posterior und der Rec. duodeno-jejunalis sinister (Rec. venosus) mit
'Vorliebe neben einander vorzukommen. Weit häufiger ist die Co_
existenz der Recessus duodeno-mesocolici, sei es mit einander, sei
es mit dem Recessus venosus. Am allerhäufigsten scheint sich
nach meinen Beobachtungen, wenigstens beim Embryo und beim
Kinde, eine Combination des Rec. venosus mit dem Rec. duodeno-
mesocolicus inf., d. h. also auch der Plica venosa mit der Plica
duodeno-mesocolica inf. vorzufinden. Dies ist z. B. auch diejenige
Form, welche Treitz (Taf. I) gewissermaassen als Typus der von
ihm sogen. Fossa duodeno-jejunalis darstellt. Auch die Henle'sche
Abbildung der letztgenannten Grube (Lehrbuch der Anatomie und
Eingeweidelehre p. 916) zeigt die gleiche Combination der beiden
120
ebengenannten Recessus: nur ist liier die Flica duodeno-mesocolica
inf. schwach entwickelt und ausserdem die Flexura duodeno-jeju-
nalis in grosser Ausdehnung mit dem Mesocolon transversum ver-
lüthet. Je älter das betreffende Individuum ist, desto geringer ist
die Wahrscheinlichkeit, die von mir beschriebenen reinen Formen
vorzufinden. AVie dies bereits AValdeyer gegenüber Eppinger
ganz richtig bemerkt hat, haben hier nachträglich mannigfache
Verwachsungen und Verlöthungen stattgefunden, welche geeignet
sind, das typische Bild zu stören. Auch Fettanhäufungen können
natürlich vorhandene Buchten und Falten ausgleichen und oft genug
vollständig zum Verschwinden bringen.
Es ist nun ganz selbstverständlich, dass mit den von mir
wegen ihres häufigen und ziemlich regelmässigen Abkommens als
typisch beschriebenen Plicae und Recessus die Zahl derjenigen
Formen noch nicht erschöpft ist, welche in dieser Gegend über-
haupt möglich sind. Durch Variationen in der physiologischen
Verlöthung der hier gelegenen Organe können natürlich auch noch
mannigfache andere Gruben und Taschen bald von mehr eigener
Individualität, bald als Varietäten der typischen Formen entstehen.
Es würde zu weit führen, wollte ich an allen bisher beobachteten
derartigen Fällen im Einzelnen erläutern, wie sich diese Ver-
löthungsprocesse daselbst abgespielt haben: jedenfalls lassen sich
alle diese Fälle ohne Schwierigkeit auf diese Weise erklären,
während es nicht möglich ist, dieselben ebenso bequem in den
Rahmen irgend einer anderen Theorie unterzubringen. Ich kann
mir ferner eine andere Bemerkung nicht versagen. Der Begriff
des „Zuges“ ist für die Erklärung peritonealer Bildungen von
manchen Autoren in einer Ausdehnung verwertet worden, wie sie
wohl hin und wieder unter pathologischen Arerhältnissen, aber nicht
bei normalen Entwickelungsvorgängen angenommen werden kann.
AVenn z. B. zwei durch ein peritoneales Ligament verbundene Or-
gane im Laufe der embryonalen Wachsthumsvorgänge sich weit
von einander entfernen, so folgt daraus noch keineswegs, dass das
Ligament hierdurch in einen Zustand grösserer Spannung versetzt
wird. Unter normalen Verhältnissen wird eben das Waclisthum
desselben mit den Locomotionen und dem Wachsthum der beiden
Organe gleichen Schritt halten. Die gegenteilige Annahme wäre
ebenso befremdend, als wenn Jemand behaupten wollte, dass bei
einem starken Wachsthum der Knochen diese oder jene Muskeln
durch das Auseinanderrücken ihrer Insertionen erheblich gedehnt
121
würden. Das geschieht eben unter normalen Verhältnissen nicht,
sondern das Wachsthum der Knochen und der Muskeln findet in
harmonischer, dem betreffenden Gestaltungszweck entsprechender
Weise statt. Wo dies nicht der Fall ist, da müssen wir schon
von pathologischen Zuständen reden. Endlich kann ich nicht umhin,
jene schon von Toldt in seiner Arbeit über den Rec. duodeno-
jejuualis betonte Thatsache hier noch einmal hervorzuheben, dass
wir die peritonealen Falten und Taschen — wenn wir sie genauer
betrachten wollen — fast niemals in ihrer natürlichen Beschaffenheit,
sondern stets durch allerlei artificielle Zugwirkungen und Lage-
veränderungen entstellt vor uns sehen — was bei der Beurtheilung
eines jeden vorliegenden Falles wohl zu beachten ist.
b) Die Hernia duodeno-jejunalis.
Wenn wir uns nun fragen, welche von den beschriebenen
Bauchfelltaschen zum Sitz einer intraabdominalen Hernie werden
könne, so muss ich zunächst betreffs des von mir sogen. Rec.
intermesocolicus trans versus bemerken, dass sich die Ent-
stehung einer Hernie in demselben nur schwer denken lässt.
Durch den Druck der Bauchpresse würden wegen ihrer queren
Lage die Wände dieser Tasche eher fest aneinander gepresst, als
eine Darmschlinge in dieselben hineingetrieben werden. Sollte es
jemals zur Bildung eines Bruches in diesem Recessus kommen, so
würden, abgesehen von einer genügenden Weite und Resistenz
seiner Eintrittsöffnung, hierfür alle diejenigen Momente als prä-
disponirend angesehen werden müssen, welche eine Erweiterung
dieser Tasche und ein Klaffen ihrer Eingangsöffnung bedingen.
Dazu würden ein aufwärts gezogenes Mesocolon transversum und
eine abwärts gezogene Flexura duodeno-jejunalis gehören, wie sie
sich vielleicht unter pathologischen Verhältnissen, in Folge von
peritonitischen Adhäsionen etc. einmal vorfinden könnten. Jeden-
falls möchte ich keine der bis jetzt beschriebenen Intraabdominal-
hernien auf diesen Recessus beziehen.
Ebensowenig scheint bis jetzt der Rec. duodeno-jejunalis
posterior (der Kebensack Gruber's, die Fossa duodeno-jejunalis
von Landzert) der Sitz einer intraabdominalen Hernie gewesen
zu sein. Landzert behauptet zwar, dass die sogen, rechtsseitigen
Retroperitonealhernien in dieser Tasche entständen. Indessen bringt
er für diese Behauptung ebensowenig irgend einen positiven Grund
122
vor, wie für die andere, dass diese Brüche während des intra-
uterinen Lebens entstehen. Ich selbst muss sagen, dass icli mir die
Genese eines Bruches in diesem Recessus überhaupt nur dann vor-
stellen kann, wenn die beiden, den letzteren begrenzenden Falten
mit ihren oberen Enden confiuiren, sehr weit nach oben reichen
und zugleich ein Orificium von genügender Resistenz bilden. Würde
dann aber die Flexura duodeno-jejunalis durch andrängende Speise-
massen in die Tasche hineingedrängt, so könnte der Bruch doch
nur nach links oder oben in das retroperitoneale Bindegewebe
Vordringen — wenn eben der Rand des Orificium durch den Darm
nicht einfach hinweggeschoben wird. Denn durch welche Gewalt
sollte wohl der in der Tasche befindliche Darm nach rechts und
unten gedrängt Averden? Ausserdem müsste er ja im letzteren Falle
seinen Weg hinter dem Duodenum ascendens und dem Pankreas-
kopf nach abwärts nehmen. Und Avie soll dann die A. ileo-colica
in den Rand der Bruchpforte gelangen? Kurz — für mich ist
die Landzert’sclie Hypothese eine mechanische Unmöglichkeit.
Auch die Recessus duodeno-mesocolici und der Rec.
duodeno-jejunalis superior sind bereits als Eintrittstellen für
die sogen, retroperitonealen Hernien von verschiedener Seite in
Anspruch genommen worden. Zunächst sollen sich in dem Rec.
duodeno-mesocolicus inf. (hinter dem unteren Horn der Treitz-
schen Plica duodeno-jejunalis), nach Kl ob die sogen. Herniae retro-
peritoneales dextrae, nach Treves alle, soAvohl die linksseitigen
wie die rechtsseitigen Retroperitonealbrüche entAvickeln. Irgend
welche besonderen Gründe werden übrigens Aveder von dem einen
noch von dem anderen Autor für seine Ansicht in's Feld geführt:
somit behalten die letzteren nur den Werth einfacher Hypothesen.
Jonnesco (cf. p. 101 und 102) schliesst sich für die rechtsseitigen
Retroperitonealhernien (die von ihm sogen. Hernies duodenales
droites) der Kl ob 'sehen Ansicht an: denn seine Fossette duodenale
inferieure non vasculaire ist mit meinem Rec. duodeno-mesocolicus
inf. identisch. Irgend welche positiven Gründe für die Richtigkeit
der Ansicht von Klob bringt indessen auch Jonnesco nicht weiter
vor. Nach ihm heisst es: „L'angle duodeno-jejunal mal sontenu
par le muscle de Treitz, tombe et favorise ainsi le deplacement
de la portion ascendante du duodenum. Celle ci s'abaisse, pousse
devant eile le repli sereux duodenal inferieur. Aussi, petit ä petit
le cul de sac sereux se trouve repousse de gauche ä droite et de
haut en bas . . . .“ Zugegeben, dass eine mangelhafte EntAA'icke-
123
hing des M. suspensorius duodeni in einem solchen Falle vorhanden
wäre, was doch immerhin erst eines weiteren Beweises bedürfte,
so kann ich doch nicht glauben, dass die Pars ascendens duodeni
nun ohne Weiteres in den Ree. duodeno-mesocolicus inf. hinein-
sinken würde, weil dieselbe doch noch ziemlich fest mit dem Pan-
kreaskopf verbunden ist. Indessen ich will annehmen, die Ver-
bindung mit dem Pankreaskopf wäre gelockert und das Duodenum
ascendens nebst der Flexura duodeno-jejunalis in den Recessus
hineingesunken, so müsste sich die Hernie doch gerade nach links,
aber nicht nach rechts entwickeln. Denn das Hauptmoment für
die Vergrösserung des Bruches sind doch nach den Darlegungen
von Treitz zweifellos die gegen die Flexur andrängenden Speise-
massen und diese könnten den Darm höchstens nach links oder
unten, aber nicht nach rechts in das retroperitoneale Bindegewebe
hineinschieben. Die Bauchpresse kann selbstverständlicherweise
keinen Einfluss auf die Entwickelung des Bruches nach links oder
rechts hin haben und das retroperitoneale Bindegewebe ist auf der
linken wie auf der rechten Seite gleich verscliieblich — kurz und
gut, in der isolirten Possette duodenale inferieure non vasculaire von
Jonnesco (in dem Ree. duodeno-mesocolicus inf.) können Aveder
die rechts- noch linksseitigen Retroperitonealhernien entstehen.
Auch Eppinger (1. c.) hat sich mit einigen anderen sehr zu-
treffenden Gründen gegen diese Ansicht gewandt. Dagegen kann
ich mit Jonnesco, wie es scheint, ungefähr übereinstimmen, wenn
derselbe behauptet, dass in der Fossette duodenale inferieure vas-
culaire diejenigen Herniae retroperitoneales sinistrae entstehen,
Avelche nach dem Treitz 'sehen Typus in das Mesocolon descendens
und sigmoideum Vordringen.1) Da die von Jonnesco abgebildete
Fossette duodenale inferieure vasculaire anscheinend eine Com-
bination des Recessus duodeno-mesocolicus inf. mit dem Recessus
venosus darstellt, wräre sie mit der von Treitz abgebildeten Fossa
duodeno-jejunalis identisch2) und Jonnesco würde sich somit, Avie
es scheint, in Bezug auf die Genese der Treitz1 sehen Hernien
') Befremdend bleibt es, dass Jonnesco diese Grube, die Entstehungs-
stätte der am häufigsten vorkommenden Art von intra abdominalen Hernien, nur
einmal gesehen hat. Vielleicht kommt sie in Frankreich überhaupt nur selten
vor, womit die Thatsache übereinstimmen würde, dass auch die Hernia duodeno-
jejunalis sin. dort sehr selten beobachtet worden ist.
2) Doch hat bei der von Jonnesco abgebildeten Bauchfelltasche ent-
schieden noch eine Verwachsung zwischen dem oberen Ende der Plica venosa
und der Flexura duodeno-jejunalis stattgefunden.
124
dem letzteren Autor anschliessen. Endlich sollen nach .Tonn esc o
die Hernien, welche sich nach dem L an dz er t’ sehen Typus ent-
wickeln, d. h. hauptsächlich zwischen die beiden Blätter des Meso-
colon transversum Vordringen, entweder in der von ihm sogen.
Eossette duodenale superieure oder in der Eossette duodeno -jeju-
nale ou mesocolique (dem Rec. duodeno-jejunalis superior) entstehen.
Ich muss hier zunächst nach den in der Einleitung festgestellten
Principien es als durchaus unstatthaft bezeichnen, dass Jonnesco
die Anschauung vertritt, ein und dieselbe Hernie könne ihren Ur-
sprung in zwei ganz verschiedenen Gruben haben. Entweder es
lohnt überhaupt nicht, die eben bezeiclmeten Taschen besonders zu
benennen und von einander zu unterscheiden oder, wenn man hier
zwei verschiedene Taschen annimmt, so muss man dann auch conse-
quenter Weise zwei verschiedene Arten von Hernien annehmen, wenn-
gleich die letzteren zufälligerweise alle beide in das Mesocolon
transversum Vordringen. Jonnesco müsste dann also nicht nur eine
Hernie duodenale droite und gauche, sondern auch eine Hernie duo-
deno-jejunale unterscheiden, was er jedoch nicht thut. Indessen muss
ich die Möglichkeit überhaupt bestreiten, dass in den Rec. duo-
deno-mesocolicus sup. eine Darmschlinge hineingerathen kann. Die
eigentliche Flexura duodeno-jejunalis könnte durch das Andrängen
von Speisemassen nicht in die Tasche hineingetrieben werden, denn
sie liegt überhaupt oberhalb des Orificium der letzteren (cf. Fig. 7
p. 113) und würde folglich durch ihren Inhalt höchstens noch ober-
halb der Tasche weiter nach links und oben gedrängt werden. Es
könnte also nur irgend ein anderer, tiefer gelegener Tlieil des
Dünndarms in die Tasche hineingerathen — aber durch welche
treibenden Momente? Die Bauchpresse kann, wie wir dies schon
oben erwähnt haben und wie dies wohl seit den Tr eit z’ sehen
Auseinandersetzungen allgemein anerkannt wird, in dieser Richtung
keine Wirkung äussern. Man könnte vielleicht sagen, dass durch
eine starke Ausdehnung des Duodenum die Wände dieses Recessus
(ebenso wie diejenigen des Rec. duodeno-mesocolicus inf.) zum Aus-
einanderklaffen gebracht werden und dann die benachbarten Dünn-
darmschlingen in den letzteren nachdringen könnten. Indessen ich
halte auch dies nicht für wahrscheinlich. Ist das Duodenum leer,
so werden die Plicae duodeno-mesocolicae dem Peritoneum parietale
dicht anliegen. Dehnt sich dasselbe aus, so buchtet es sich so-
zusagen nach links in die beiden Recessus hinein, ohne dass die
Wände der letzteren auseinanderweichen. Dazu kommt noch, dass
125
diese beiden Bauchfelltaschen doch fast niemals gross geling er-
scheinen, um das Eindringen einer Darmschlinge zu gestatten. In-
dessen auch in dem Rec. duodeno-jejunalis superior (der
Fossette duodeno-jejunale von Jonnesco) könnte meiner Ansicht
nach nur dann eine Darmschlinge eindringen, wenn das Mesocolon
transversum stark aufwärts und das Jejunum abwärts gezogen ist,
weil nur dann seine Eintrittsöffnung aufklafft. Ein derartiges
Verhältniss könnte aber wohl nur ausnahmsweise unter ganz be-
sonderen pathologischen Verhältnissen statthaben. Unter gewöhn-
lichen Verhältnissen, bei herabhängendem Mesocolon transversum,
liegen jedoch die Wände des Recessus dicht aneinander und es
fehlt vollständig an irgend einer treibenden Kraft, welche eine
Darmschlinge in denselben hineindrängen könnte. Also weder der
Rec. duodeno-jejunalis sup. noch die Rec. duodeno-mesocolici können
unter normalen Verhältnissen, sei es beim isolirten Vorkommen,
sei es bei ihrer Coexistenz, zur Bildung einer intraabdominalen
Hernie Veranlassung geben.
Von allen in der Umgebung des Duodenum asceiidens und der
Flexura duodeno-jejunalis gelegenen Bauchfelltaschen bleibt somit
nur noch der Recessus venosus s. duodeno-jejunalis sinister
in Bezug auf seine Relationen zu den sogen, retroperitonealen
Hernien zu betrachten. Es kann meiner Absicht nach gar kein
Zweifel darüber existiren, dass alle bisher beschriebenen sogen.
Herniae retroperitoneales sinistrae, sei es von dem Tr eitz’ sehen,
sei es von dem La n dz er t’ sehen Typus in diesem Recessus ent-
standen sind. Wie die sogen. Herniae retroperitoneales dextrae
entstehen, werde ich weiterhin in einem besonderen Kapitel er-
örtern. Indessen für die G-enese der Herniae duodeno-jeju-
nales sinistrae ist als erstes und wichtigstes anatomisches
Erforderniss das Vorhandensein einer Plica bezw. eines
Recessus venosus zu bezeichnen. Besonders günstig liegt die
Sache, wenn der freie Rand der Plica, wie ich dies öfters gesehen
habe, der Flexur dicht anliegt oder sogar vor derselben verläuft. Die
Entstehung einer solchen Hernie wird ferner begünstigt durch die
gleichzeitige Existenz einer hohen, mit dem Rande der Plica venosa
verwachsenen Plica duodeno-mesocolica inf. : dann liegt die Flexur
mitunter schon bei der Geburt derartig in dieser Tasche, dass sie beim
Andrängen der Speisemassen nirgends ausweichen kann und sich,
da sie oben an das Pankreas stösst, nach links in das retroperitoneale
Bindegewebe hineinschieben muss. Die Wirkung der andrängenden
126
Speisemassen denke ich mir genau wie in dem von Treitz (p. 14)
zunächst ausgeftihrten und von Waldeyer (p. 70) auch für natür-
liche Verhältnisse bestätigten Versuch, wonach, wenn man einen
herausgeschnittenen Darm mit dem einen Ende auf eine Schüssel
legt und in dieses Ende Wasser eingiesst, in dem Maasse, als der
Darm auf der Schüssel sich füllt, das auf dem Tische liegende
Darmstück von selbst in die Schüssel gezogen wird, bis es endlich
ganz hineingelangt. Da sich die resistente Vene im Rande der
Falte befindet, so kann der andrängende Darm auch das zu dieser
Zeit noch sehr leicht verschiebliche Peritoneum nicht zur Seite
drängen, sondern muss unter der Plica venosa bleiben. Auch eine
Verwachsung des oberen, horizontalen Theiles der Plica venosa
mit der oberen Fläche der Flexura duodeno-jejunalis dürfte das
Zustandekommen einer Hernie nicht verhindern. Sowie dagegen
die linke Seite der Flexur und des angrenzenden Duodenum mit
der Plica venosa verwachsen ist, oder sich gar an dieser Stelle
eine Plica duodeno-mesocolica superior befindet, kann es nicht zur
Bildung eines Bruches kommen. Dass eine abnorme Erschlaffung
des Bauchfells, wie sie bei plötzlicher Abmagerung fetter Personen
nach überstandener Schwangerschaft, schnell rückgängig gewordener
Bauchwassersucht u. s. w. eintreten kann, auch beim Erwachsenen
noch die Bildung einer Hernie veranlassen kann, indem sie den
Recessus vertieft und das Eindringen des Bruches in das retro-
peritoneale Bindegewebe erleichtert, ist selbstverständlich. Indessen
glaube ich, dass weitaus die meisten derartigen Hernien unmittelbar
nach der Geburt sich zu entwickeln anfangen, weil dann die Ver-
schieblichkeit und Dehnbarkeit des Peritoneum eine ausserordentlich
grosse ist.
Wie man sieht, stimme ich also betreffs der Genese der Hernia
duodeno -jejunales sinistra vollständig mit den Anschauungen von
Treitz, Waldeyer, Eppinger u. a. überein, wobei ich noch
einmal betone, dass diese Autoren offenbar keinen Recessus venosus.
Sendern eine Complication des letzteren mit dem Rec. duodeno-
mesocolicus inferior als Entstehungsstätte dieser Hernie im Auge
gehabt haben. Dass indessen auch die allerdings erheblich seltenere
reine Form des Recessus venosus für sich allein genügt, um die
Bildung einer Hernie zu veranlassen, ist, wie ich glaube, zweifellos
durch die von Gruber und Laiulzert beschriebenen Fälle er-
wiesen. Denn die von Gruber so bezeichn ete „Peritoneal-Sack-
wandpartie, welche zwischen der Fossa duodeno-jejunalis und dem
127
sie in grösserer Entfernung umkreisenden Gefässbogen liegt“ und
die von Landzert so beschriebene „Grube, welche durch die
Gefässfalten (A. colica sin. und V. mesent. iuf.) auf dem hinteren
Parietalblatte des Bauchfells gebildet wird“, ist nichts anderes als
der von mir sogen. Rec. venosus. Dass sich die Hernia duodeno-
jejunalis sinistra mitunter nicht nur in das Mesocolon descendens,
sondern auch in das Mesocolou transversum hineinschiebt, dürfte
ohne Schwierigkeit dadurch zu erklären sein, dass vou der Plica
venosa ausnahmsweise auch der transversale Theil (das obere
Horn) stark hervorspringt, während für gewöhnlich nur der verti-
cale (longitudinale) Theil derselben gut entwickelt ist. Im ersteren
Fall pflegt die V, mesent. iuf. bei aufwärts geschlagenem Mesocolon
transversum gewöhnlich vor dem Pankreas, im letzteren Falle in
der Rinne zwischen dem unteren Rand des Pankreas und der
hinteren Bauchwand zu verlaufen.
Dass meine Ansicht über die Entstehung der Hernia duodeno-
jejunalis sinistra die einzig richtige ist, wird zunächst wohl schon
dadurch ausserordentlich wahrscheinlich gemacht, dass in allen den
zahlreichen bisher beobachteten Fällen dieser Bruchart die V.
mesent. inf. bezw. die A. colica colica sin. in dem vorderen Rande
der Bruchpforte gelegen waren. Man könnte ja nun allerdings
sagen, dass auch dann, wenn die Y. mesent. inf. ursprünglich nicht
in dem freien Rande der Plica venosa verliefe, sie bei grösserer
Ausdehnung des Bruches doch stets in den vorderen Rand der
Bruchpforte hineingerathen müsste, weil der zwischen der Vene und
dem freien Rande der ursprünglichen Falte gelegene Peritoneal-
abschnitt mit zur Bildung des Bruchsackes verwandt werden würde.
Ich habe aber bereits früher auf Grund eines, wie ich glaube, ge-
nügend zahlreichen Beobachtungsmaterials nachgewiesen, dass die
Vene nur dann nicht in dem freien Rande der von den Autoren sogen.
Plica duodeno-jejunalis verläuft, wenn entweder gar keine Plica
venosa , sondern nur die beiden confluirenden Plicae duodeno-
mesocolicae oder wenn zwei mit dem freien Rande einer vor-
handenen Plica venosa verschmolzene und vor dem letzteren
gleichfalls confluirende Plicae duodeno-mesocolicae vorhanden sind.
Ist aber eine Plica duodeno - mesoeolica superior da, so kann
es überhaupt nicht dazu kommen, dass eine Darmschlinge in
den Recessus venosus eindringt, weil ja die Flexur dann über-
haupt nicht in die letztere Tasche hineindringen kann (cfr.
d. A. Seite 124). Würde übrigens durch das Eindringen einer
128
Darmsclilinge in eine der von mir S‘. 108 und 113 abgebildeten
«Tonne sco 'sehen Gruben eine Hernie entstehen können, so wäre
eigentlich nicht im Mindesten einzusehen, warum eine solche bei ihrer
Weiterentwicklung sich nicht auch einmal vor der V. mesent. inf. in
das retroperitoneale Bindegewebe hineindrängen könnte, so dass
dann die Vene in den hinteren Rand der Bruchpforte zu liegen
käme. Das ist indessen bis jetzt noch niemals beobachtet worden.
Weit schlagender als durch diese theoretischen Erörterungen
wird jedoch die Richtigkeit der von mir soeben präcisirten An-
sichten über die Genese der Hernia duodeno-jejunalis sin. durch
diejenigen Fälle bestätigt, in welchen der Bruch so klein war. dass
der Bruchsack die normale Ausdehnung des Recessus venosus nur
wenig überschritt und sich der letztere somit durch das Eindringen
der Darmschlinge wenig verändert zeigte. Derartige kleine Duo-
deno-jejunalhernien sind von Treitz, Gruber und Lambl be-
schrieben Avorden: die kleinste, diejenige von Treitz (p. 17). hatte
etAva Wallnussgrösse und enthielt nur 5 cm des obersten Jejunum.
In allen diesen Fällen handelt es sich um eine Oomplication der
Plica venosa mit der Plica duodeno-mesocolica inf. : dass eine Plica
venosa vorhanden war, geht aufs klarste daraus hervor, dass die
V. mesent. inf. stets im vorderen und oberen Rande der
Bruchpforte verlief. Diesen seltenen und für die Entstehungs-
geschichte der Hernia duodeno-jejunalis so Avichtigen Fällen kann
ich einen neuen zugesellen, Avelcher sich zunächst dadurch aus-
zeichnet, dass er sich in einem so frühen Lebensalter entAvickelt
hatte, wie dies bisher noch nicht beobachtet ist. Die früheste
derartige Hernie ist nämlich von Treitz (p. 19) bei einem 2 Monate
alten Mädchen beschrieben worden.
14 Tage altes, mageres Kind. Peritoneum sehr leicht verschieblich. Die
Bauchorgane sind normal entwickelt und gelagert. Schlägt man das Colon trans-
versiun nach aufwärts und die Dünndärme nach rechts hinüber, so sieht man
einen schön entwickelten Rec. duodeno-jejunalis sinister von der Grösse einer
kleinen Wallnuss. Die Plica venosa war bei der eben angegebenen Lagerung
der Därme 2 cm hoch und gut entwickelt; man konnte au derselben einen sehr
deutlich hervorspringenden verticalen und einen weniger gut ausgeprägten trans-
versalen Abschnitt unterscheiden, von denen sich der letztere dicht oberhall) der
Plexura duodeno-jejunalis in das Mesocolon transversum verlor. Die V. mesent.
inf. lag vollständig in dem freien Rande der Falte. Als ich (nach der Aufnahme
des Befundes) die Yene retroperitoneal mit einem Tenotom durchschnitten hatte,
war von der Falte nichts mehr wahrzunehmen, so dass man sicher sagen konnte,
die Vene habe durch ihren Verlauf die Falte emporgehoben. Ausser der Plica
venosa Avar noch eine Plica duodeno-mesocolica inf. vorhanden, welche von der
129
Vorderfläche des Duodenum zum freien Rande der ersteren hinzog und con-
tinuirlich in denselben überging. An der Uebergangstelle der Püca duodeno-
mesocolica inf. in den Peritonealüberzug des Duodenum befand sich ein deut-
licher Verlöthungsstreif. Die Oeffnung der auf diese Weise gebildeten Tasche
hatte bei nach rechts gezogenem Jejunum einen Durchmesser von etwa 1 cm.
Der ganze Recessus konnte etwa 8 cm. des obersten Jejunumabschnittes auf-
nehmen : indessen nur 2 — 3 cm dieses Darmtheiles lagen in dem Recessus, als
ich die Hernie zu Gesicht bekam. Diese 2—3 cm lange Darmschlinge hatte
einen ganz circumscripten, etwa 1,5 cm im Durchmesser grossen Abschnitt der
linken Wand des Rec. venosus nach links in das retroperitoneale Bindegewebe
ausgebuchtet; in diesen dütenförmig nach links ausgestülpten Abschnitt konnte
man bequem ein kleines Fingerglied einführen. Zog man den in der Tasche
gelegenen Darm erst vollständig heraus und liess hierauf mit dem Zuge nach,
so kam die Flexura duodeno-jejunalis doch stets wiederum so zu liegen, dass die
V. mesent. inf. vor ihrem am meisten links gelegenen Abschnitt verlief.
Der eben mitgetheilte Fall beansprucht deswegen ein ganz
besonderes Interesse, weil er uns klar beweist, dass sich diese
Hernien in der Tliat durchaus in der von Treitz angegebenen
und von mir näher erläuterten Weise entwickeln. Zunächst ist
daraus zu ersehen, dass die Entstehung derselben schon unmittelbar
nach der Geburt ihren Anfang nimmt, wenn die Plica venosa so
vor der Flexur gelegen ist, dass die letztere durch die von dem
Duodenum weitergetriebenen flüssigen Speisemassen in den Re-
cessus venosus hineingedrängt wird. Dann wird durch diesen Fall
aut das Schlagendste erwiesen, dass es nur die Gewalt der an-
drängenden Speisemassen war, welche die Hernie producirte.
Hätte die Bauchpresse bei der Entstehuug dieser Hernie mitgewirkt,
so würde jedenfalls die ganze Bauchfelltasche durch die in derselben
befindlichen Darmschlingen gleichmässig ausgedehnt gewesen sein,
während sich jetzt der Recessus v.enosus nur an der ganz um-
schriebenen Stelle seiner linken Wand ausgebuchtet zeigte, wo er
dem Druck der in die Flexur hineingepressten Speisemasseu aus-
gesetzt war. Endlich sehen wir aus diesem Fall, dass es wiederum
die Y. mesent. inf. bezw. die von ihr emporgehobene Falte ist,
welche die Hauptrolle bei der Entwickelung der Hernia duodeno-
jejunalis sinistra spielt. Wäre hier keine Plica venosa vorhanden
gewesen, so wäre es auch niemals zur Entwickelung der Hernie
gekommen. Angesichts dieses beweiskräftigen Falles erscheint es mir
geradezu unmöglich, irgend eine andere Entstehungsweise der Tr eit z-
schen Hernien zu vertreten, als soeben von mir erläutert wurde.
Als characteristisch für die Hernia duodeno-jejunalis si-
nistra können wir somit folgende Momente anführen:
Broesike, Hernien. 9
130
1. Die V. mesenterica inf. (bezw. A. colica sin.) verläuft auf
eine kürzere oder längere Strecke in dem vorderen oder oberen
freien Bande der Bruclipforte.
2. Die Hernie schiebt sich entweder in das Mesocolon trans-
versum oder das (freie oder mit der hinteren Bauchwand ver-
löthete) Mesocolon descendens hinein.
3. Der Bruchsack muss in Folge dessen überall dort, wo er
der hinteren Bauchwand bezw. den extraperitoneal gelegenen Or-
ganen auliegt, aus einem einfachen, an jeder anderen Stelle aber
aus einem doppelten Peritonealblatt bestehen.
Die Zahl der bisher in der Literatur mitgetheilten oder wenig-
stens so gedeuteten Fälle von Hernia duodeno-jejunalis sinistra ist
bereits ziemlich hoch. Es sind dies: 1 Fall von Neubauer1)
1 von Bordenave, 1 von Alexander Monro junior, 2 von
A. Cooper, 1 von Cruveilhier, 1 von A. R. Hesselbach, 1
von Hauff, 1 von Soverini, 2 von Th. B. Peacock, 1 von
Barth, 2 von Deville, 1 von Ridge and Hilton, 8 von Treitz,
1 von Brugnoli, 6 von Lambl, 7 oder, wenn man will, 9 von
W. Gruber, 1 von Breisky, 1 von Waldeyer, 1 von Cliiene,
1 von A. Gontier, 3 vonEppinger, 2 vonLandzert, 1 von Pye-
Smith, 1 von E. Müller, 2 von F. Krauss, 1 von S. G. Shattock,
1 von Staudenmayer, 1 von Strazewski, 1 von Anderson, endlich
1 Fall von mir. Unter diesen Fällen sind jedoch eine gewisse Anzahl,
nämlich diejenigen von Bordenave, Monro junior, Hesselbach.
Hauff, Barth, Ridge and Hilton, von vornherein als völlig
unbrauchbar für irgend welche wissenschaftlichen Erörterungen
auszuschalten. Immerhin würden noch etwa 50 Fälle übrig bleiben,
von denen wir mit grösserer oder geringerer Gewissheit behaupten
können, dass sie in diese Kategorie von Hernien hingehören. In-
dessen auch bei den letzteren lässt die Beschreibung noch in den
allermeisten Fällen viel zu wünschen übrig. Insbesondere wird
man fast immer genauere Angaben über die Lage des Duodenum,
über die Wurzellinie der freien Gekröse, endlich auch über den
Verlauf und das Verhalten der grösseren Blutgefässe vermissen,
obschon es selbstverständlich für die Beurtheilung eines vorliegenden
Falles von grosser Wichtigkeit ist, alle diese und noch manche
andere Punkte klar dargelegt zu haben.
i) Betreffs genauerer Angaben ist das alphabetische Literaturvcrzeichniss
am Ende dieses Werkes naclizuselien.
131
Die Grösse des Bruclisackes in den angegebenen Fällen
variirte zwischen dem Volumen einer kleinen Wallnuss bis zu dem-
jenigen eines starken Mannskopfes. Man kann diese Brüche wie
Jonnesco (cf. p. QQ) in kleine, mittlere und grosse eintheilen.
Die hintere Wand grenzt bei kleineren Brüchen an den Psoas,
die Niere und ihre grossen Gefässe, indem sie nach oben bis zum
Pankreas, medianwärts bis zur Wirbelsäule und der Aorta ab-
dominalis nach unten etwa bis zum unteren Ende der Niere reicht.
Das Colon descendens war bei derartigen kleineren Hernien immer
noch in einiger Entfernung von dem Bruchsack gelegen. Bei mittel-
grossen Brüchen zeigen sich die letzteren noch mehr nach links
ausgedehnt: der Bruchsack kann alsdann oben bis an den Schwanz
des Pankreas und die Milz, links bis an das Colon descendens,
unten über die Bifurcation der Aorta hinausreichen. Bei grossen
Brüchen haben das Coecum und Colon ascendens noch ihre normale
Position : da der Bruch aber in diesem Falle nicht allein die ganze
liuke Bauchhälfte einnimmt, sondern sich auch noch mehr oder
weniger nach rechts hinüber erstrecken kann, so können die eben-
genannten Organe dann neben der rechten Seite des Bruchsackes
gelegen sein, ohne dass zwischen ihnen und dem Bruch irgend eine
Adhärenz existirt. Dagegen ist die Situation des Colon trans-
versurn und descendens variabel. Meistens sind sie dicht an den
Sack angeheftet und haben im Uebrigen entweder gänzlich oder
doch annähernd ihre normale Lage bewahrt. Daneben existiren
aber auch Fälle vor, in welchen diese Darmtheile, bald mehr, bald
weniger nach rechts gelegen, in mehr oder weniger unregelmässigen
Windungen an der vorderen Wand des Bruchsackes verlaufen. Ja,
es kann Vorkommen, dass das ganze Colon an der rechten Seite des
Sackes gelegen ist. Diese letzteren, im Ganzen seltenen Fälle sind
meiner Ansicht nach nur so zu erklären, dass bei denselben vor der
Entstehung des Bruches ein mehr oder weniger freies, d. h. mit
der hinteren Bauchwand nicht verlöthetes Mesocolon descendens vor-
handen gewesen ist. Ist ein solches da, d. h. also war die Ver-
löthung beispielsweise nur bis auf eine kurze Strecke von der
Wirbelsäule aus nach links hin vor sich gegangen, so wird der
Bruchsack bei stärkerer Vergrösserung das linke Blatt des Meso-
colon descendens nach links hervorwölben und sich zunächst auf
Kosten dieses Blattes und des von ihm nach links gelegenen Peri-
toneum parietale entwickeln. Indem nun allmählich dieses linke Blatt
und das mit ihm zusammenhängende Peritoneum parietale zur Be-
9*
132
deckung des Bruchsackes verwendet werden, muss das Colon descen-
dens auf die vordere oder gar auf die rechte Seite des Bruchsackes
zu liegen kommen und beide Blätter seines Gekröses zur Be-
deckung desselben verwandt werden. .Tonnesco (cf. No. 2 p. 73)
hat dieses Verhältnis eigentlich ganz klar und richtig geschildert,
wenn er sagt, dass alle Male, wo ein Segment des Colon an die
Hernie (richtiger an den Bruchsack) angeheftet ist und ihm ohne
Interposition des Gekröses adhärirt, dieses Darmstück zwischen
die beiden serösen Blätter eingeschaltet ist, welche die vordere
Wand des Sackes bilden. Eines dieser Blätter repräsentirt das
Gekröse dieses Darmsegmentes, welches über den Bruchsack ge-
breitet ist und vor dem Colon vorüberzieht. Das andere, hinter
dem Colon gelegene Peritonealblatt, ist die eigene Wand des
Bruchsackes. Indessen hat Jonnesco es dabei doch nicht mit
voller Schärfe ausgesprochen, dass ursprünglich ein mehr oder
weniger freies Mesocolon descendens vorhanden gewesen sein muss,
wenn bei einem derartigen Bruch das betreffende Colonstück an
die vordere oder gar an die rechte Wand des Bruchsackes an-
geheftet ist. Deshalb habe ich diesen Punkt hier noch einmal be-
sonders hervorgehoben. Dass im Uebrigen auch die anderen von
Jonnesco angeführten Momente, wie z. B. die Nachgiebigkeit des
retroperitonealen und des zwischen beiden Blättern der betreffenden
Gekröse gelegenen Bindegewebes und die Dehnbarkeit oder Wider-
standsfähigkeit des Peritoneum, eine erhebliche Rolle spielen müssen,
ist selbstverständlich. Mit diesen Momenten hängt es zusammen,
dass sich bei voluminösen Hernien die obere Extremität des Sackes
in einzelnen Fällen bis zwischen den Magen und das Pankreas,
zwischen die beiden Blätter des Mesocolon transversum, hinter die
Milz, ja sogar hinter das Pankreas oder die hintere Wand des
grossen Netzbeutels und dass sich die untere Extremität desselben
bis zum Promontorium oder sogar bis in das kleine Becken nach
abwärts erstreckte.
Die Bruchpforte findet sich im Allgemeinen in der Gegend
der Wirbelsäule und an der rechten Wand des Bruchsackes vor. Im
Uebrigen kann dieselbe ihren Platz irgendwo in dem Raume zwischen
der Wurzellinie des Mesocolon transversum und der Fossa iliaca
gegenüber dem Caecum einnehmen. Die Form der Oeffnung ist
ziemlich variabel. Bei den kleinen Hernien ist sie mehr im trans-
versalen, bei den grossen im longitudinalen Durchmesser ausgedehnt.
. Dies liegt offenbar daran, dass die Last des die Hernie bildenden
133
Darmes bei den grossen Brächen in der aufrechten 1 Stellung des
Menschen den unteren Rand der Bruchöffnung- abwärts zieht. Die
grösste derartige Oeffnung wurde bei einer completen Hernia duo-
deno-jejunalis sinistra von Grub er beobachtet und hatte eine
Länge von 13 und eine Breite von 6V2 Centimetern. Trotzdem
in dieser Oeffnung einige Darmschlingen sichtbar waren, ging durch
dieselbe eigentlich nur ein einziges Darmrohr, nämlich das Heum-
ende, hindurch. Die Flexura duodeno-jejunalis lag nicht eigentlich
in dem Bruchring, sondern ging durch die Wand des Bruchsackes
hindurch, indem sie nur noch oben mit einem kleinen Theile ihres
Umfanges an die Eingangsöffnung grenzte. Daneben sind aber der-
artige complete Hernien mit relativ enger und dabei weit abwärts
gelegener Eingangöffnung beschrieben, bei denen die Flexur in nicht
unbeträchtlicher Entfernung von dem Rand der Bruchpforte direct
durch die rechte obere Wand des Bruchsackes in den letzteren
hineindrang, während in der Brachpforte nun ein einziges Darmrohr,
nämlich das Ileumende, gelegen war. Wie sind diese Fälle zu
erklären? Da das zuerst in den Brachsack eintretende Darmstück
immer die Flexura duodeno-jejunalis ist, so müsste sich ja in der
Bruchpforte stets als zuführendes Darmrohr der Anfangstheil des
Jejunum, als ausführendes, je nach der Grösse des Braches ent-
weder ein Stück des Jejunum oder des Ileum vorfinden, wie dies
ja auch bei kleineren und mittelgrossen Hernien in der That stets
beobachtet worden ist. Die meisten Autoren gehen über dies merk-
würdige Verhalten der Flexura duodeno-jejunalis mit Stillschweigen
hinweg, andere suchen dasselbe durch eine „Wanderung“ der Bruch-
pforte zu erklären. Dass diese letztere Bezeichnung solange nur eüie
Phrase ist, als man sich die mechanischen Verhältnisse bei der-
selben nicht völlig klar gemacht hat, muss .jedoch bei näherer Be-
trachtung der Dinge wohl jedem einleuchten. Denn wie sehr man
sich auch die Bruchpforte nach abwärts gezogen denkt, es können
dabei doch immer nur folgende Möglichkeiten in Betracht kommen.
Entweder bleibt das obere Ende derselben in seiner Lage und das
Orificium wird in longitudinaler Richtung ausgezogen, dann bleibt
die Flexur aber auch in dem oberen Theil der Bruchpforte liegen.
Oder das ganze Orificium wird dislocirt und dann würde sich’s
fragen, ob die Flexur und das Duodenum ascendens mit nach ab-
wärts gezogen werden oder in ihrer normalen Position verbleiben.
Ist das erstere der Fall, so würde der Anfangstheil des Jejunum
nach wie vor in der Bruchpforte liegen bleiben. Im letzteren Falle
134
dagegen würde dieses Darmstück wieder theilweise aus der Bruclipforte
herausgezogen werden und es würde dann zwar nicht die Flexur,
aber doch immerhin ein Anfangsstück des Jejunum das zuführende
Darmrohr darstellen. Jedenfalls ist nicht zu begreifen, wie eine
blosse Erweiterung oder auch eine Locomotion des Bruchringes an
und für sich es zu Stande bringen soll, dass bei einem solchen
Bruch der Anfangstheil des Jejunum anstatt durch die Bruchpforte
direct durch die Wand des Bruchsackes in den letzteren eintritt.
Diese so häufig beobachtete Thatsaclie muss somit auf andere Weise
erklärt werden. Sie kann nach meiner Ansicht nur so zu Stande
kommen, dass der vordere und hintere Band der Bruchpforte zunächst
mit der Oberfläche der in der letzteren gelegenen Flexura duodeno-
jejunalis verlöthen, wie dies z. B. in dem eben erwähnten Falle von
G- ruber stattgefunden zu haben scheint. Hat zunächst eine solche
Verlöthung Platz gegriffen, so würde dann die Flexnr selbst den
oberen Pol der Bruchpforte begrenzen, anstatt in der letzteren
gelegen zu sein. Wenn aber später auch unterhalb der Flexur eine
allmählich nach abwärts hinabsteigende Verlöthung zwischen dem
vorderen und dem hinteren Rand der Bruchpforte eintreten würde,
käme die Flexur schliesslich gänzlich in die rechte obere Wand
des Bruchsackes zu liegen, wie dies z. B. in dem dritten Fall von
Eppinger beschrieben worden ist. Dabei muss berücksichtigt
werden, dass, wenn erst einmal die Flexur mit dem Bruchring ver-
lötliet ist, sich der vordere und hintere Rand des letzteren in
ihrem oberen Abschnitt einander um so mehr nähern müssen, je
mehr (in der aufrechten Stellung des Menschen) der untere Pol
der Bruchpforte durch die Last des allmählich wachsenden Bruches
nach abwärts gezogen wird. Dass endlich auch durch ein eigenes
Wachsthum des Peritoneum an den Veiiötlmngsstellen der Abstand
zwischen der Flexur und dem freien Rande der Bruchpforte ver-
grössert werden kann, ist selbstverständlich nach dem, was ich
bereits an früherer Stelle auseinandergesetzt habe. Uebrigens
brauchen diese Verlöthungen keineswegs immer einen physiologischen
Character zu haben (cf. Treitz, Fall 6 p. 33). Der Druck, welchem
in der aufrechten Stellung gerade das zuführende, in dem oberen
Abschnitt des Annulus gelegene Darmrohr seitens der Ränder des
letzteren bei grösseren Hernien ausgesetzt sein muss, könnte wohl
zu peritonitischen Verwachsungen führen. Auch könnte es Vor-
kommen, dass nicht bloss die Flexura duodeno-jejunalis, sondern
irgend ein anderes in der Bruchpforte gelegenes Darmstück mit der
135
letzteren Verlöthungen einginge, was unter Umständen die richtige
Beurtheilung eines derartigen Falles sehr erschweren würde. Ist
meine soeben explicirte Yerlöthungstheorie richtig, so müsste in
allen Fällen, wo die Flexura duodeno-jejunalis nicht durch die
Bruchpforte, sondern direct durch die Wand des Bruches in die
Höhle des letzteren hineintritt, zunächst die Ven. mesent. inf. vor
und über der Flexur zu ihrer Vereinigungsstelle mit der Y.
lienalis verlaufen. Befände sich die Flexur in einer beträchtlicheren
Entfernung von der Bruchpforte, so müsste natürlich auch eine
Verlüthung des obersten Jejunumgekröses mit dem Rande der
letzteren stattgefunden haben und die Wurzellinie dieses Gekröses
müsste sich alsdann von der Innenfläche der rechten Bruchsack-
wand über den Rand der Bruchpforte hinweg (den letzteren ge-
wissermaassen kreuzend) nach rechts fortsetzen. Diesen Dingen ist
indessen bisher bei der Beschreibung der Treitz’schen Hernien
seitens der Autoren nicht die genügende Aufmerksamkeit geschenkt
worden und somit dürfte das entscheidende Urtheil über die soeben
von mir ausgesprochene Hypothese erst gesprochen werden können,
wenn weitere Fälle von completen Duodeno -jejunalhernien zur
Beobachtung kommen sollten, in denen auf die eben geschilderten
Verhältnisse Acht gegeben ist.
Die Veränderungen, welche die grösseren Blutgefässe in
den Mesenterien und dem Rand der Bruchpforte bei einer grösseren
Ausdehnung des Bruches durch Druck, Dehnung oder Zerrung er-
leiden können, bedürfen keiner besonderen Erörterung, da in
dieser Beziehung die Resultate aprioristischer Theorien und die
thatsächlich beobachteten Verhältnisse in bestem Einklang stehen.
Ebenso liegt es ausserhalb des Planes dieser Arbeit, die secun-
dären pathologischen und klinischen Erscheinungen näher zu be-
leuchten, wie sie in Folge von Peritonitis, Incarceration, arterieller
und venöser Stauung bei der Hernia duodeno-jejunalis sin. eintreten
können. Wer sich für diese Dinge interessirt, findet in dem Werke
von Jonnesco (Nr. 2) eine ausführliche Darstellung dieser Ver-
hältnisse. Nur den einen Punkt möchte ich noch im Einklang mit
dem letzteren Autor gegenüber den Ausführungen von L an dz er t
hervorheben, dass es auch bei der Hernia duodeno-jejunalis sinistra
ebenso w7ie bei anderen intraabdominalen Hernien ganz entschieden
zu Incarcerationserscheinungeu kommen kann, wenn dies durch
besondere Umstände begünstigt wird.
136
VI. I)cr Recessus und die Hernia parajejunalis s. mesenterico-
parietalis.
a) Der Rec. parajejunalis.
Wie dies bereits früher erwähnt ist, wurden bisher unter der
Bezeichnung Uerniae retroperitoneales dextrae ( Hernies duodenales
droites von Jonnesco) noch eine gewisse Anzahl von Hernien
zusammengefasst, welche zunächst dadurch charakterisirt sind, dass
ihr Brachsack in dem retroperitonealen Bindegewebe der rechten
Hälfte der hinteren Bauchwand gelegen ist. Ausserdem sollte sich
wenigstens in allen sicher beschriebenen Fällen dieser Art die A.
mesent. sup. oder ihre Fortsetzung, die A. ileo-colica, in dem
vorderen Rande der Brachpforte vorfinden. Als Entstehungsstätte
dieser Art von Hernien wird von Landzert die von dem letzteren
sogen. Fossa duodeno-jejunalis (der von mir sogen. Rec. duodeno-
jejunalis post.), von Klob und Jonnesco das sogen, untere Horn
der Treit.z’schen Fossa duodeno-jejunalis oder die Fossette duo-
denale inferieur (der von mir sogen. Rec. duodeno-mesocolicus in-
ferior) angesehen. Grub er endlich (No. 6 p. 237) erklärt das
Zustandekommen der Hernia retroperitonealis dextra durch eine
Verlagerung der Fossa duodeno-jejunalis, wobei er anscheinend
unter der letzteren Bezeichnung die von mir sogen. Fossa duodeno-
jejunalis post, versteht.
Ich habe schon oben (cf. d. A. S. 121 — 123) mich des Näheren
darüber ausgesprochen, warum ich es für eine mechanische Un-
möglichkeit halte, dass eine derartige Hernie (nach Landzert)
in dem Rec. duodeno-jejunalis posterior oder (nach Klob-Jon-
nesco) in dem Rec. duodeno-mesocolicus iuf. entstehen könne.
Uebrigens hat sich auch Eppinger (p. 136 und 137) gegen diese
Deutung des von Klob beschriebenen Falles mit gewichtigen
Gründen gewandt. Indessen auch mit der Grub er 'sehen Hypo-
these glaube ich mich hier nicht näher beschäftigen zu müssen, da
derselbe einerseits nicht einmal irgend etwas Genaueres darüber
angiebt, wie denn diese „verlagerte“ Fossa duodeno-jejunalis aus-
geselien und wo sie gelegen haben soll, andererseits seine Deu-
tung sich auf einen äusserst complicirten Fall bezieht, von welchem
es nach den Ausführungen von Eppinger (cf. p. 141—151) zu-
nächst mindestens zweifelhaft bleibt, ob derselbe überhaupt als
eine sogen, retroperitoneale Hernie aufzufassen ist.
Indessen bin ich keineswegs in der Lage, an den bisherigen
137
Deutungsv ersuchen betreffs der Herma retroperitonealis dextra
lediglich eine negative Kritik zu üben, sondern icli glaube, nach-
dem mir der Zufall die Gelegenheit geboten hatte, zwei dieser
seltenen Fälle von Hernia retroperitonealis dextra zu beobachten,
mich positiv dahin äussern zu können, dass diese Brüche weder
in einer der bisher bekannten Bauchfelltaschen noch in einer ver-
lagerten Fossa duodeno-jejunalis, sondern in einem ganz anderen,
von den Autoren bisher in keiner Weise beachteten peritonealen
Fig. 8.
a) Rcc. parajej unalis. Rechts von der Aorta sieht, man «las mit der hinteren
Rauchwand verlöthete Anfangsstück des Jejunum durch das Peritoneum hindurch-
schimmern.
Recessus entstehen, .welchen ich als Ueccssus parajejunalis s. mesen-
lenco-parietalis bezeichnen will.
Der von mir sogen. Recessus parajejunalis kann sich nur
dann vor finden, wenn das Anfangs stück des Jejunum auf
eine kürzere oder längere Strecke mit der hinteren
Bau cli wand verlöthet ist. Ich habe diese Grube nur zwei
138
Mal zu Gesicht bekommen. Der erste von mir beobachtete der-
artige Fall ist auf Fig. 8 (a) abgebildet. In demselben war zunächst
das Duodenum normal entwickelt: es besass eine Pars liorizontalis
superior, descendens und ascendens, welche den Pankreaskopf in
der normalen Weise umschlossen. Die Flexura duodeno-jejunalis
lag in ganz normaler Weise vor der Wirbelsäule. Von hier aus
zog sich der verlöthete Anfangstheil des Jejunum ein wenig schräg
nach rechts und unten, d. h. das Jejunum hatte hier kein Gekröse,
sondern war unmittelbar an die Vorderfläche der Pars ascendens
duodeni und die hintere Bauchwand angewachsen. Erst in Höhe des
IV. Lendenwirbels bekam dasselbe ein freies Mesenterium. Hob man
nun den freien Anfangstheil des Jejunum in die Höhe, so zeigte
sich hinten und rechts von demselben eine Grube, der oben so be-
zeichnete Recessus parajejunalis, welcher rechts und unten von der
an dieser Stelle concaven Wurzellinie des Dünndarmgekröses, oben
von demEnde des angelötheten Jejunumabschnittes, links von einer
bei stärkerem Zuge besonders deutlich hervortretenden Peritoneal-
falte begrenzt war, für welche ich faute de mieux die Bezeichnung
Plica parajejunalis vorschlagen möchte. Liess man das Jejunum
heruntersinken und versuchte man hinter diesem Darmtheil den
Finger in den Recessus hineinzuschieben, so zeigte es sich noch
deutlicher, dass sich der letztere ein wenig nach rechts von dem
Jejunum zwischen das Mesenterium und das Peritoneum
parietale hineinschob. Irgend welche sonstigen Abnormitäten,
insbesondere peritonitische Adhäsionen oder dergl. waren nicht vor-
handen. Nur erschienen sämmtliche freien Gekröse auffallend lang
entwickelt. Etwas complicirter gestaltete sich die Sache bei dem
zweiten Falle, welchen ich an einer mageren männlichen Leiche
in vorgeschrittenem Lebensalter beobachtete. Von dem Duodenum
verliefen die Pars liorizontalis sup. und die Pars descendens normal;
die letztere erstreckte sich etwa bis in die Höhe der Grenze
zwischen dem III. und IV. Lendenwirbel nach abwärts. Von hier
zog das Duodenum jedoch nicht nach links und aufwärts, sondern
stieg zunächst hinter der Pars descendens bis in die Nähe der
Flexura duodeni prima senkrecht in die Höhe. Von hier zog der
Darm hinter dem Pankreaskopf wieder bis zum unteren Rande des
Pankreas nach abwärts und lief alsdann längs des letzteren bis
zu der Stelle hin, wo sich normaler Weise die Flexura duodeno-
jejunalis befindet. Indessen bekam der Darm auch an dieser Stelle
kein freies Gekröse, sondern zog, unmittelbar rechts neben der
139
Aorta gelegen und mit der hinteren Baucliwand verlötliet
bis etwa 2 cm unter der Theilungsstelle der Aorta nach abwärts.
Hier, rechts von der A. iliaca commim. dextra trat alsdann an
dem Darm ein freies Gekröse auf, dessen Wurzellinie von dieser
Stelle aus in ziemlich transversaler Richtung zu dem normal ge-
legenen Ileo-coecalwinkel verlief. Eine Fossa duodeno-jejunalis im
Sinne der Autoren war an der normalen Stelle, also dicht unter-
halb des Pankreas, nicht vorhanden. Dagegen fand sich wiederum
hinter der Uebergangsstelle zwischen dem angelütheten und dem
freien Tlieil des Jejunum eine kleine, von einem scharfen halb-
mondförmigen Rande umgebene Tasche vor, in welche man ein
Fingerglied einführen konnte und welche sich gewissermaassen in
die Haftlinie des Mesenterium, also zwischen das letztere und das
Peritoneum parietale, hineinschob. Der freie Anfangstheil des
Jejunum erschien in diese Tasche gleichsam eingebettet. Ich
habe mir bei der Beschreibung dieses Falles dann noch die Be-
merkung notirt, dass wenn man sich diesen Anfangstheil weiter
in die Tasche hineingeschoben dächte, der letztere sich hinter
der Radix mesenterii hinweg in das retroperitoneale Bindegewebe
der rechten Hälfte der hinteren Bauchwand hätte vordrängen
müssen, so dass es zur Entwickelung einer sog. Hernia retro-
peritonealis dextra gekommen wäre. Der Rand der halbmond-
förmigen Begrenzungsfalte des eben beschriebenen Recessus war
verdickt; im Uebrigen waren jedoch irgend welche Abnormitäten
weder hier noch an anderen Stellen des Peritoneum wahrzunehmen.
Ich muss hierbei bemerken, dass ich zur Zeit, als ich die beiden
soeben erwähnten Fälle von Recessus parajejunalis beobachtete,
noch nicht auf die Bedeutung des letzteren für die Entstehung der
Hernia retroperitonealis dextra aufmerksam geworden war; sonst
würde ich den Befund wohl noch etwas genauer aufgenommeu haben.
Die Genese des Recessus parajejunalis in den beiden eben
beschriebenen Fällen konnte nur in folgender Weise erfolgt sein.
Wahrscheinlich schon während des Embryonallebens war es zu
einer Verlöthung der obersten Jejunumschlinge mit der Vorderfläche
des Duodenum ascendens und der hinteren Bauchwand gekommen.
Dagegen war die Verlöthung der gemeinschaftlichen Mesenterial-
platte für das Jejuno -ileum, Colon ascendens und transversum (des
ehemaligen Nabelschleifengekröses) gerade am Anfang des freien
Jejunumabschnittes ein wenig unterbrochen; sie ging von hier aus
nicht in gerader Linie zur Fossa iliaca dextra, sondern der Ver-
140
löthungsstreifen bildete, der Fossa parajejunalis entsprechend, einen
nach rechts convexen Bogen, um dann in der gewöhnlichen Weise
weiter zu verlaufen. Warum die Verlöthung gerade an dieser
Stelle eine Unterbrechung erlitt, während sie im Gegensatz dazu
an der obersten Jejunumschlinge in abnormer Weise erfolgte, das
ist ebenso schwer zu beantworten wie die Frage nach der eigent-
lichen Ursache des Vorkommens oder Unterbleibens aller übrigen
physiologischen Verlöthungen. Jedenfalls ist aber die erste Anlage
eines solchen Becessus parajejunalis nur durch eine partielle Unter-
brechung in der Verschmelzung des ehemaligen Gekröses der Nabel-
schleife mit der Vorderfläche des Duodenum und Pankreaskopfes
bezw. mit der hinteren Bauchwand zu erklären. Ein derartiges
partielles Unterbleiben dieses unter normalen Verhältnissen stets
eintretenden Verlötlmngsvorganges könnte ja nun allerdings auch
stattfinden, ohne dass eine Verwachsung der obersten Jejunum-
schlinge mit dem Duodenum oder der hinteren Bauchwand voran-
gegangen wäre, und es wäre somit vielleicht besser gewesen, wenn
ich den auf diese Weise entstandenen Becessus nicht als Bec. para-
jejunalis, sondern als Bec. mesenterico-parietalis bezeichnet
hätte, da der letztere vielleicht auch einmal gar nicht neben dem Je-
junum gelegen sein könnte, während er sich unter allen Umständen
zwischen dem Mesenterium und dem Peritoneum parietale der
hinteren Bauchwand befinden müsste. Indessen sind erstens der-
artige Fälle eines Bec. mesenterico-parietalis ohne gleichzeitige
abnorme Verlöthung der obersten Jej unumschlinge bisher noch
nicht beobachtet worden und zweitens sind mir die eben erwähnten
terminologischen Bedenken zu spät, d. h. erst während des Druckes
dieser Arbeit, gekommen. So will ich mich denn bis auf Weiteres
an die kürzere Bezeichnung „Becessus parajejunalis“ halten. Ist
nun eine solche Bauchfelltasche an der Uebergangsstelle zwischen
dem angelötheten und dem freien Abschnitt des Jejunum vorhanden,
so muss der freie Anfangstlieil des letzteren in dem Becessus wie
in einem Bett gelegen sein. Die von mir oben sogen. Plica para-
jejunalis entsteht wahrscheinlich dadurch, dass dieses Darmstück
durch die andrängenden Speisemassen continuirlicli gegen die untere
Wand der Bauchfelltasche gedrängt wird ; dadurch müssen sich die
Bänder der Eingangsöffnung faltenförmig verschärfen.
Wenn ich nun in der Literatur Umschau halte, ob ähnliche
Verhältnisse, wie die von mir beschriebenen, bereits früher be-
obachtet worden sind, so finde ich zunächst eine ganze Anzahl von
141
Fällen vor, in welchen zweifellos der Anfangstheil des Jejunum
mit der hinteren Bauchwand bezw. der Vorderfläche des Duodenum
und Pankreaskopfes verlötket war. Nur wird der festgewachsene
Anfangstheil des Jejunum von den Autoren zum Duodenum ge-
rechnet und als eine überzählige Krümmung oder ein supernume-
rärer Schenkel des letzteren bezeichnet, weil die Autoren fast
sämmtlieh von der Annahme ausgingen, dass unter dem Ausdruck
Duodenum unter allen Umständen derjenige oberste Abschnitt des
Dünndarms zu verstehen sei, welcher mit der hinteren Bauchwand
verlötliet ist. Dass diese Annahme heutzutage unter keinen Um-
ständen aufrecht erhalten werden kann, geht aus einer Betrachtung
derjenigen Fälle hervor, in welchen die Verwachsung des Duo-
denum mit der hinteren Bauchwand gänzlich oder theilweise unter-
blieben war (cf. d. A. p. 29 und Toldt No. 3 p. 37 und 38).
Wollte man unter allen Umständen den mit der hinteren Bauch-
wand verlötlieten obersten Dünndarmabschnitt als Duodenum be-
zeichnen, so müsste man consequenter Weise zugeben, dass in ein-
zelnen Fällen überhaupt kein Duodenum existirt. Bevor ich
genauer explieire, wie ich die Bezeichnung „Duodenum“ verstanden
haben möchte, will ich jedoch die einschlägigen Beobachtungen
zuerst kurz citiren.
Hier kommen nun zunächst die von Treitz (p. 127-129) be-
schriebenen Fälle B. C und D in Betracht.
Fall B. 27 Jahre altes Mädchen. Der Magen zeigt die normale Form
und Richtung. Der Zwölffingerdarm weicht insofern vom Normalen ab, als er,
nachdem er die gewöhnliche hufeisenförmige Krümmung gemacht
hat, nicht gleich in das Jejunum übergeht, sondern wieder ein kurzes absteigendes
Stück bildet und dann nochmals zurück durch die Wurzel des Dünndarmgekröses
nach rechts geht, um erst über der rechten Niere in den Leerdarm überzugehen.
Das Duodenum hat demnach bei ungewöhnlicher Länge zwei Partes descendentes
und drei transversae; dabei ist es streng horizontal gelagert. Der ganze übrige
Dünndarm füllt die rechte Hallte der Bauchhöhle aus
Fall C. 58jähriges Weib. Der Magen quer gelagert. Der Zwölffinger-
darm bildet vielfache ganz unregelmässige Krümmungen, indem er zuerst eine
nach unten convexe Krümmung macht, dann nach links und auf-
wärts, abwärts, dann wieder quer durch die Wurzel des Dünndarmgekröses
nach rechts geht, hier aber wieder an der rechten Seite der Vena cava asc. und
mit ihr innig verbunden etwas nach abwärts sich krümmt und endlich unterhalb
der rechten Niere frei wird und in das Jejunum übergeht. Der Zwölffingerdarm
liegt mit allen diesen Krümmungen hinter dem Peritoneum und hat die unge-
wöhnliche Länge von 40 cm. Der ganze Dünndarm lagert in der rechten Bauch-
höhlenhälfte ....
Fall D. Der Magen gross und bedeutend gekrümmt. Das Duodenum
142
hat die normale Form und Lage und ist horizontal gestellt. Nachdem
jedoch der Dünndarm die oberste, 7 cm lange, mit einem sehr kurzen Mesen-
terium versehene Schlinge gebildet hat, geht er wieder hinter der Wurzel des
Dünndarmgekröses nach rechts zurück und kommt vor der rechten Niere zum
Vorschein. Hier erst wird er frei und geht, an ein langes Gekröse geheftet, in
vielfachen Windungen in das Becken hinab ....
In clem ersten dieser Fälle hat das Duodenum zunächst seine
normale hufeisenförmige Krümmung gebildet und ist nach der Be-
schreibung dann erst wieder nach abwärts gestiegen. Wir können
hier somit, wie ich glaube ungezwungen, die Uebergangsstelle
zwischen dem normalen hufeisenförmigen und dem abwärts stei-
genden Tlieil als Flexura duodeno-jejunalis, den ganzen unterhalb
der letzteren gelegenen, wenngleich mit der hinteren Bauchwand
verlötheten Darmtheil als Anfangsstück des Jejunum ansehen, denn
es muss noch einmal betont werden, dass die Ausdehnung der
Verlöthung mit der hinteren Bauchwand unmöglich dafür ent-
scheidend sein kann, was man als Duodenum zu bezeichnen hat.
In dem zweiten Falle ist der Verlauf des letzteren nicht genau
beschrieben worden. Da aber der Zwölffingerdarm zuerst eine
nach unten convexe Krümmung machte und dann nach links und
aufwärts zog (anscheinend die Pars ascendens), so ist wohl anzu-
nehmen, dass auch hier die Flexura-duodeno-jejunalis annähernd an
ihrer normalen Stelle gelegen haben wird. Gradezu beweisend für
die Richtigkeit meiner Auffassung der Dinge ist endlich der dritte
Fall, in welchem das Duodenum nach gewöhnlichem Verlauf an
der normalen Stelle in die Flexura duodeno-jejunalis überging. Der
Anfangstheil des Jejunum besass alsdann auf eine Strecke von
7 cm ein ganz kurzes freies Gekröse, um hierauf wieder retro-
peritoneal zu verlaufen.1) Würde hier auch der 7 cm lange Ab-
schnitt des letzteren Dannstückes mit der hinteren Bauchwann
verlöthet gewesen sein, so würde Treitz denselben jedenfalls ohne
Weiteres als Duodenum bezeichnet haben, während er es unter
diesen Umständen vorzieht, sich bei der Beschreibung etwas all-
gemeiner auszudrücken. Etwas unverständlich bleibt es, wenn T.
in allen drei Fällen sagt, dass sich das abnorm angelöthete Darm-
stück hinter der Wurzel des Dünndarmgekröses oder durch
dieselbe hindurch nach rechts begeben habe. Bei dem Fall B
wäre dies denkbar: bei den anderen Fällen sollte man meinen, das
i) ln dieser Weise möchte ich mir wenigstens die Beschreibung dieses
Falles deuten. Allerdings ist die letztere uicht völlig klar.
143
freie Dünn darmgekr ö s e könne doch erst dort begonnen haben, wo
die Verlüthnng aufgehört hat.
Zwei weitere ähnliche Fälle sind von Gruben (No. 6 p. 223
und 224) veröffentlicht worden.
1. Fall (1. Fall von Gruber). Mesenterium commune für das
Jejuno-ileum und Colon ascendens.
Das Duodenum bildete in seinem Verlaufe vier Schenkel, wovon der
1. bis 3. Schenkel denen des Duodenum der Norm correspondirten, aber mit dem
Unterschiede, dass der 3. (= der Portio transversa inferior der Norm) ganz .
quer verlief. Der 4. oder supernumeräre Schenkel war S-förmig gekrümmt und
l3/4 Zoll lang. Mit seiner oberen kürzeren Portion, welche in der Wurzel
des Mesenterium commune lag, verlief er vor dem Kopfe des Pankreas und
4 Linien über und vor dem 3. Schenkel des Duodenum quer von links nach
rechts bis zum Colon ascendens unterhalb der Flexura coli hepatica, stieg dann
mit der unteren Portion vorwärts von dem 2. und 3. Schenkel des Duodenum
neben dem Colon ascendens bis 3/4 Zoll über der Einsenkung des Ileum in das
Colon abwärts, um hier über und hinter dem Ende des Ileum, also rechts, die
Flexura duodeno-jejunalis zu bilden und durch sie in das Jejunum sich fortzu-
setzen. Die Wurzel des Mesenterium commune lag rechts von der Median-
linie quer.
2. Fall (3. Fall von G-ruber). Mesenterium commune für das
Jejuno-ileum und das Colon ascendens.
Der Dünndarm war 27 Fuss lang, wovon 15 Zoll auf das Duodenum kamen.
Das Duodenum verlief wie ein Zickzack und wies 3 nebeneinander liegende
Schenkel und 2 Flexuren auf. Von den Schenkeln stieg der mediale schräg nach
rechts abwärts, der mediane gerade aufwärts und der laterale parallel diesem
wieder abwärts. Die erste Flexur befand sich am Uebergange des medialen in
den medianen Schenkel, also unten; die zweite Flexur am Uebergange des me-
dianen in den lateralen Schenkel, also oben. Der mediale Schenkel war kürzer
als die beiden anderen, die fast gleich lang waren. Mit dein medialen, am Py-
lorus beginnenden Schenkel, war der Kopf des Pankreas verwachsen. In den-
selben öffnete sich 2 Zoll vom Pylorus entfernt der Ductus pancreaticus und
noch 1 Zoll tiefer der Ductus choledochus. Von jeder der Flexuren ging eine
Duplicatur des Peritoneum ab. Am Uebergange des lateralen Schenkels in das
Jejunum befand sich die deutliche Flexura duodeno-jejunalis, die neben
sich links (aber rechts von der Wirbelsäule) eine gut entwickelte
Retroeversio mesogast rica aufwies. Die Wurzel des Mesenterium lag
rechts von der Wirbelsäule.
In dem ersten dieser Fälle hatte das Duodenum somit seinen
normalen I erlauf, um alsdann mittelst einer vor der Wirbelsäule
gelagerten Biegung in den von Gruber sogen, supernumerären
Schenkel überzugehen. Wir können hier, wie ich glaube, nach
unserer gegenwärtigen Kenntniss der physiologischen Verlöthungs-
vorgänge Aveit ungezwungener die eben erwähnte Biegung als
Flexura duodeno-jejunalis und den supernumerären Duodenum-
144
Schenkel als den mit der hinteren Bauchwand verwachsenen An-
fangstheil des Jejunum betrachten. In dem zweiten Falle ist es
offenbar während des Embryonallebens gar nicht zur Ausbildung
einer normal gelagerten Flexura duodeno-jejunalis gekommen. Hier
möchte ich (vgl. weiter unten) als Duodenum nur den von Grub er
sogen, medialen Schenkel bezeichnen, dagegen den medianen und
lateralen Schenkel desselben Autors zum Jejunum rechnen. Dieser
Fall ist ferner dadurch ausgezeichn&t, dass sich an dem Ueber-
gange zwischen dem verlötheten und dem freien Abschnitt des
Jejunum offenbar der von mir oben beschriebene Rec. para-
jejunalis s. mesenterico - parietalis vorfand, welcher von
Grub er fälschlich für eine verlagerte Fossa duodeno-jejunalis an-
gesehen wurde.
Ein anderer von diesem Autor bereits früher (Ho. 4 p. 589)
beschriebener Fall einer verlagerten Fossa duodeno-jejunalis kann
übrigens zweifellos nicht in derselben Weise, nämlich als Rec. para-
jejuualis, gedeutet werden: aus der Beschreibung und Abbildung
geht soviel mit Sicherheit hervor, dass es sich hier um irgend einen
der von mir oben genauer beschriebenen Recessus gehandelt hat,
welche sich auch in der Nähe einer normal situirten Flexura duo-
deno-jejunalis vorfinden können.1) Nur war die Flexur hier etwas
weit nach rechts gelegen.
Endlich möge hier noch eines von Grub er veröffentlichten
Falles von Mesenterium commune complicirt mit einer Hernia
diapliragmatica spuria sin. (No. 7 p. 386) Erwähnung geschehen,
in welchem offenbar auch ein abnormer Verlauf des Duodenum
vorhanden war, dessen Beschreibung aber leider zu unklar ist. als
dass es möglich wäre, sich von dem Falle ein klares Bild zu
machen. Diese Beschreibung lautet nämlich folgendermaassen :
Das Duodenum ist doppelt S-förmig gekrümmt und zugleich so gedreht, dass
die den oberen Schenkel darstellende Flexur ihre Convexität nach rechts, die
den mittleren Schenkel repräsentirende Flexur dieselbe nach vom und rechts und
die den unteren Schenkel darstellende Flexur dieselbe nach abwärts kehrt. Es
befindet sich in der Wurzel des Mesocolon transversum und ist rückwärts ganz
frei. Seine untere Flexur und die Flexura duodeno-jejunalis liegen in einer vor
der Aorta abdominalis und links davon befindlichen gut entwickelten Retroeversio
peritonaei mesogastrica . . . Das Pankreas ist durch seinen Kopf mit der zweiten
1) Es ist merkwürdig, dass W. Grub er nicht in dieser Abhandlung, sondern
erst in einer viel später erschienenen iNo. (1 p. 218) zum ersten Male erwähnt,
dass in dem eben erwähnten Falle die Retroeversio mesogastrica rechts vor
der Wirbelsäule gelegen war.
145
Flexur des Duodenum, die ihre Concavität nach hinten und links kehrt, ver-
wachsen. An ihrer linken Hälfte bis linken zwei Dritteln ist sie mit ihren
Gefässen iu einer Peritonealduplicatur frei über dem Mesocolon transversum
gelagert. Diese Duplicatur ist die Fortsetzung des vom Mesocolon transversum
gesondert gebliebenen Omentnm majus ....
Aus dieser Beschreibung kann man trotz der beigefügten Ab-
bildung eigentlich wenig mehr ersehen, als dass das Duodenum
nirgends mit der hinteren Bauchwand verlöthet war und sich eine
intestinale, von G. für die Flexura duodeno-jejunalis angesehene
Biegung ungefähr an derjenigen Stelle befand, wo sonst die letztere
Flexur normaler Weise gelegen ist.
Weiterhin kommt hier ein von Schiefferdecker (No. 2 p. 235)
beschriebener Fall von Mesenterium commune in Betracht,
welcher auch durch eine Abbildung erläutert ist. Die Beschreibung
lautet folgendermaassen :
Das Duodenum begann in der Höhe des unteren Endes des XII. Brust-
wirbels bez. der nächst tieferen Synchondrose, ging dann nach rechts neben die
Wirbelsäule, bog hier mit einer nach rechts sehenden Convexität kurz nach der
Wirbelsäule zurück, lief vor der Synchondrose zwischen I. und H. Bauchwirbel
leicht aufsteigend nach links bis zur Seite der Wirbelsäule, machte dann eine
steile Biegung nach unten, zog den Wirbelkörpern dicht anliegend vor dem
Psoas nach unten bis etwa zur Mitte des Ili. Bauchwirbels, bog hier steil auf-
wärts um, legte sich aufsteigend medianwärts an und etwas vor den absteigenden
Schenkel, bog dann wieder ziemlich steil nach rechts um, zog theihveise von der
ersten queren Partie bedeckt wieder quer vor der Wirbelsäule nach rechts hinüber,
dann in gleichem Bogen wie jene erste Schlinge aufwärts neben der Wirbelsäule
bis zur Sychondrose zutschen dem XII. Brustwirbel und dem I. Bauchwirbel, bog
hier ganz steil nach hinten medianwärts und unten um und stieg dann leicht
S-förmig gekrümmt neben der Wirbelsäule herab bis etwa zur Mitte des
HL. Bauchwirbels, vor welchem dann der Dünndarm mit seinem Mesenterium
begann. Mit Ausnahme des ersten Anfanges, des untersten Endes vor dem
HI. Bauchwirbel und des untersten Theiles der links herabsteigenden Schlinge
war der Darm fest an die ßauchwand geheftet, die genannten Theile zeigten
ein kurzes Mesenterium . . . Das untere Ende des Duodenum ging, indem sich
das Mesenterium rasch verlängerte, in das Jejunum über ....
Schiefferdecker memt nun, die Entscheidung darüber, bis
zu welcher Stelle der Darm als Duodeuum zu bezeichnen wäre,
würde nach seinen Auseinandersetzungen eine rein subjective sein.
Ihm selbst erscheint es „mit der gewöhnlichen Form des Duodenum
verträglicher, den ganzen hier wiedergegebenen Darmabschnitt als
Duodenum aufzufassen, im Wesentlichen allerdings wohl auch nur
aus dem Grunde, weil wir eben gewöhnt sind, den ersten Abschnitt
des Darmes unterhalb des Magens, soweit derselbe der Bauchwand
Bvoesike, Hernien. \ Q
146
einigerm aas seil fest anliegt, als Duodenum zu bezeichnen“. Dieser
Ansicht kann ich aber nach meinen obigen Ausführungen unmög-
lich beistimmen. Wenn es Fälle giebt (cf. d. A. p. 29), in denen
das Duodenum und die Flexura duodeno-jejunalis vollständig ihre
normale Form und Lage haben und das erstere dennoch nirgends
mit der hinteren Bauchwand verwachsen ist, so muss man sagen,
dass die Ausdehnung der Verlöthung des obersten Darmstücks mit
der hinteren Bauchwand eben nicht im mindesten die Entscheidung
dieser Frage bestimmen kann. Gehe ich von diesem Grundsatz
aus, so erscheint es mir viel einfacher, in dem Sc hi eff er deck er-
sehen Falle als Duodenum nur die oberste, das Pankreas einrahmende
Darmschlinge zu bezeichnen, an welcher man deutlich eine Pars
transversa sup., Pars descendens und Pars transversa inf. unter-
scheiden kann. Die Flexura duodeno-jejunalis würde alsdann durch
die links von dem I. Lendenwirbel gelegene weitere Biegung des
Darmes repräsentirt sein und somit liier das theilweise mit der
hinteren Bauchwand verlöthete Jejunum beginnen. Für diese An-
sicht würde auch die Thatsache sprechen, dass die Verlöthung des
letzteren Darmabschnittes zum Theil unterbrochen war, so dass
sich hier auf kurze Strecken ein freies Gekröse zeigte, welches
keine Pankreassubstanz enthielt. Ich möchte mir somit diesen Fall
(und in ähnlicher Weise auch einen Theil der früher beschriebenen
Fälle) in der Weise erklären, dass bei demselben ursprünglich
ein ziemlich normales Duodenum nebst einer gleichfalls normalen,
höchstens ein wenig weit nach links gelagerten1) Flexura duodeno-
jejunalis vorhanden war, während gleicherzeit das Anfangsstück
des Jejunum in Folge eines localen excessiven Wachsthums un-
gewöhnlich starke Schlingenbildung zeigte. Später sind diese über-
schüssigen Jejunumschlingen ebenso wie das Duodenum zum
grösseren Theil mit der hinteren Bauchwand verwachsen, zum
kleineren Theil freigeblieben.
Unter den Lageanomalien des Duodenum möchte ich ferner
noch die von Toldt (cf. No. 3 p. 38) zusammengestellten Fälle
von mehr oder weniger vollständiger Transposition der Bauch-
eingeweide kurz erwähnen. Wenngleich bei den meisten dieser
Fälle die Beschreibung viel zu wünschen übrig lässt, so scheint
i) Ich möchte hier noch bemerken, dass bekanntlich unter sonst ganz
normalen Verhältnissen die Flexur nicht immer vor der Wirbelsäule, sondern
mitunter auch ein wenig rechts oder links von derselben liegen kann.
147
sich doch hier die Flexura duodeno-jejimalis gewöhnlich an der
normalen Stelle befunden zu haben.
Sodann möchte ich noch derjenigen Fälle von freiem Mesen-
terium commune gedenken, in denen es gar nicht zur Ausbildung
irgend einer Biegung des Darmes kommt, welche man als Flexura
duodeno-jejunalis ansprechen könnte. Hier giebt es somit an-
scheinend gar keine Abgrenzung zwischen Duodenum und Jejunum,
der Kopf des Paukreas ist zwischen den beiden Blättern des
obersten Abschnittes des freien Mesenterium commune gelegen.
Das Duodenum kann dabei entweder noch tlieilweise mit der
hinteren Bauchwand verlöthet sein, oder das freie Gekröse kann
sich continuirlich bis zum Pylorus hinauferstrecken. Derartige
Fälle sind von Treitz (Fall A p. 126), von His (p. 21) und von
Toldt (Ko. 3 p. 20) beschrieben worden. Ich will von denselben
nur den ersten citiren.
FallA. 32 Jahre alte, geisteskranke Frau. Der Magen ist beinahe grade
gestreckt, sein Fundus wenig ausgebildet und der Pylorus nur unmerklich von
der Mitte der Wirbelsäule nach rechts abweichend. Der Zwölffingerdarm existirt
eigentlich gar nicht, denn der Dünndarm geht senkrecht vom Pylorus nach ab-
wärts, ohne die gewöhnlichen Duodenalkrümmungen zu bilden. Er ist gleich
am Pylorus mit einem Gekröse versehen, welches so schnell wächst, dass es an
der Insertionsstelle des Ductus choledochus bereits 7 cm. hoch ist. Der Ductus
choledochus und der Kopf des Pankreas kommen dadurch zwischen die Blätter
dieses Gekröses zu liegen. Yon da setzt sich der Darm ebenso wie sein Gekröse
ohne alle Abgrenzung in den Dünndarm fort .... Das Dünndarmgekröse ver-
läuft übrigens genau in der Mittellinie der Bauchhöhle .... Zwei Jejunum-
schlingen liegen lose in dem sehr weiten For. Winslowii, dessen Ränder sehnig
verdickt sind.
Endlich möchte ich noch einen Fall eigener Beobachtung an-
führen, in welchem die Pars transversa inf. ein ungewöhnliches
und, soviel mir bekannt, bisher noch nicht beschriebenes Verhalten
zeigte.
Leiche eines jüngeren Mannes in gutem Ernährungszustände. Die Bauch-
eingeweide zeigen bis auf das Duodenum durchweg ein normales Verhalten. Das
Duodenum selbst, erheblich weiter als normal, besitzt zunächst eine in regulärer
Weise mit dem Kopf des Pankreas verbundene Pars transversa sup., Flexura
duodeni prima und Pars descendens. Nach Bildung der Flexura duodeni secunda
zieht dieser Darmtlieil indessen nicht in gerader Richtung nach links und auf-
wärts, sondern bildet zunächst eine Schlinge von der Form einer halben 8, deren
Convexität abwärts gekehrt ist und etwa bis zur Höhe des IY. Lendenwirbels
nach unten reicht. Der absteigende Schenkel dieser Schlinge ist dabei vor dem
aufsteigenden gelegen. Erst dann steigt die Pars ascendens in der gewöhnlichen
Weise schräg nach links und oben, um vor der Wirbelsäule eine normale Flexura
duodeno-jejunalis zu bilden, über welcher die A. mensenterica sup. hervortritt.
10*
148
Die Pars dcscendens, die abnorme Schlinge und die Pars ascendens sind völlig
mit der hinteren Bauchwand verlöthet, Auch die beiden Schlingenschenke]
sind an ihrer Kreuzungsstolle mit einander verwachsen und liegen überhaupt
so dicht neben einander, dass zwischen ihnen nicht einmal ein Gokrösrudiment
erkennbar ist.
In diesem Falle war es also, sei es vor, sei es nach der nor-
malen Fixation der Flexura duodeno-jejnnalis, zu einem excessiven
Wachstimm der Pars ascendens mit Schlingenbildung gekommen.
Nachträglich war dann die abnorme Schlinge ebenso wie der Rest
der Pars ascendens mit der hinteren Bauchwand verwachsen.
Werfe ich jetzt einen Rückblick auf die in der Literatur an-
gegebenen und von mir soeben mitgetheilten Anomalien in Bezug
auf den Verlauf und die Verlöthungsverhältnisse des obersten
Diinndarmabschniftes, so glaube ich daraus zunächst mit Bestimmt-
heit deduciren zu können, dass wir uns, wie dies bereits oben kurz
erwähnt wurde, unmöglich damit zufrieden geben können, einfach
denjenigen Theil des obersten Dünndarms als Duodenum zu be-
zeichnen, welcher ganz oder theilweise mit der hinteren Bauchwand
verwachsen ist.1) Sonst müsste man ja consequenter Weise die
Existenz eines Duodenum selbst dann leugnen, wenn, wie in dem
von mir beschriebenen Falle (cf. S. 29), dieses Darmstück eine
ganz normale Form hat, ja sogar der rechten Hälfte der hinteren
Bauchwand dicht anliegt, an normaler Stelle in die Flexura duodeno-
jejunalis übergeht und dennoch ebensowenig wie der Pankreaskopf
irgendwo mit der hinteren Bauchwand verlöthet ist. Auch in dem
Fall D von Treitz, wo sich an ein normales Duodenum eine normale
Flexur, hierauf ein 7 cm langes, mit einem kurzen Gekröse ver-
sehenes und dann wiederum ein mit der hinteren Bauchwand ver-
löthetes Darmstück anschloss, kann doch unmöglich der ganze
Abschnitt vom Pylorus bis zu dem Ende des letzten verlötheten
Darmstückes als Duodenum angesehen werden.
Nach meiner Meinung kann man den Begriff „Duodenum“ nur
in folgender Weise definiren. Alle bisher bekannten Fälle von
normalem oder abnormem Verhalten des obersten Dünndarm-
abschnittes können in zwei Gruppen eingetheilt werden. In der
einen Gruppe von Fällen hat das Duodenum eine bald mehr
hufeisenförmige, bald mehr ringförmige Gestalt und geht alsdann
mittelst einer entweder vor, oder auch ein wenig rechts oder links
*) Nicht, allein Schiefferdecker (No. 2 p. 239), sondern auch Toldt
(No. 3 p. 37 und 38) scheinen sich dieser Ansicht zuzuneigen.
149
von der Wirbelsäule gelegenen, aber unter allen Umständen an
die hintere Bauch wand fixirten Biegung (der Flexura duo-
deno-jejunalis) in den nächstfolgenden Darmabschnitt über. Den
letzteren werden wir also, ganz gleich, ob derselbe mit der hinteren
Bauchwand ganz oder theilweise verlöthet oder mit einem freien
Gekröse versehen ist. überall dort als Jejunum bezeichnen müssen,
wo wir im Stande sind, eine deutlich ausgebildete, d. h. an-
nähernd normal gelegene Flexura duodeno-jejunalis zu erkennen.
In einer zweiten Gruppe von Fällen ist es garnicht zur Aus-
bildung einer (normal gelegenen) Flexura duodeno-jejunalis ge-
kommen. In allen bisher beobachteten Fällen dieser Art war der
oberste Abschnitt des Dünndarms mit dem Pankreas verwachsen.
An diesem Abschnitt kann entweder eine Pars transversa sup. und
Pars descendens unterschieden werden, oder es ist eigentlich nur
eine Pars descendens vorhanden, indem sich der Dünndarm vom
Pylorus senkrecht nach abwärts erstreckt. Für diese Fälle möchte
ich auf den bereits von Luschka anstatt der Bezeichnung „Duo-
denum“ vorgeschlagenen Ausdruck „Intestinum pancreaticum“ re-
curriren und somit hier als Duodenum oder Pancreaticum den-
jenigen Theil des Dünndarmes bezeichnen, welcher mit dem Pan-
kreas verwachsen ist. Die Grenze zwischen Duodenum und Jejunum
würde somit hier — wenigstens in den bis jetzt bekannten Fällen
— an dein unteren Ende der Pars descendens, d. h. etwas unter-
halb der Einmündungsstelle des Ductus choledochus bezw. pan-
creaticus gelegen sein. Der weiterhin anschliessende Abschnitt des
Jejunum kann nun entweder wie in den Fällen von Tr eit z, His
und Toldt (cf. d. A. p. 146) ein freies Gekröse besitzen, oder wie
in dem zweiten von mir citirten zweiten Falle von Gruber (cf. d. A.
p. 142) unter abnormer Schlingenbildung mit der hinteren Bauch-
wand verlöthet sein. In dem Grub er’ sehen Falle könnte man
somit sogar von einer abnorm gelagerten Flexura duodeno-jeju-
nalis sprechen, womit die Biegung gemeint wäre, welche zwischen
dem von diesem Autor so bezeiclmeten medialen und medianen
Schenkel gelegen war.
Die soeben gegebene Begriffsbestimmung für den Ausdruck
„Duodenum“ würde sich übrigens auch mit den entwicklungs-
geschichtlichen Thatsachen bestens decken. Bekanntlich nimmt
His nach seinen Untersuchungen an Embryonen an, dass der von
ihm sogen. Mesenterialdarm, welcher nach den bisherigen An-
schauungen mit der Toldt’schen Habelschleife identisch wäre, im
150
Anfänge des zweiten Monats vom unteren Ende der Pars descen-
dens duodeni bis zur späteren Flexura coli sin. reicht, also ausser
dem Jejunum, Ileum, Colon ascendens und transversum auch noch
die spätere Pars transversa inf. s. ascendens duodeni nebst der
Flexura duodeno-jejunalis einscliliesst. Der Mesenterialdarm nimmt
nach diesem Autor zu jener Zeit in der rechten Körperhälfte fast
senkrecht unterhalb der Einmündungsstelle des Pankreas ihren
Anfang. Mit diesem Befunde stehe auch in bestem Einklang der (von
mir p. 146 bereits erwähnte) Fall eines Mesenterium commune bei
einem 12jährigen Knaben, bei welchem die Pars descendens duo-
deni in gewöhnlicher Weise an die hintere Bauch wand angeheftet
war, dann aber rechts vom dritten Lendenwirbel in ein freies, mit
Gekröse versehenes Darmstück überging, welches sich ohne weitere
Grenze in das Jejunum fortsetzte. Im Gegensatz dazu beschreibt
Toldt (No. 1 p. 8) an zwei Embryonen aus der sechsten Woche die
Lage des Duodenum folgendermaassen: „Der pylorische Theil des
Magens ist der vorderen Bauchwand angelagert und geht mit einer
leichten Wendung nach rückwärts in die Duodenalschlinge über.
Das Duodenum erscheint als eine nach rechts und etwas nach vorne
gewandte Schlinge, deren oberer sehr kurzer Schenkel, aus dem
Magen hervorgehend, nach rechts und hinten gerichtet ist. Der
verhältnissmässig breite Scheitel der Schlinge (d. h. das ziemlich
lange Mittelstück des Duodenum) hält die Richtung nach rückwärts
und abwärts ein, während seine Convexität, wie schon erwähnt,
nach rechts und vorne dem rechten Leberlappen zugewendet ist.
Der obere Schenkel und der grösste Theil des mittleren liegt rück-
wärts nicht der hinteren Rumpfwand, sondern der Lebersubstanz
an, ohne mit ihr irgendwie verbunden zu sein. Mit seinem ziem-
lich kurzen unteren Schenkel wendet sich das Duodenum nach
links und rückwärts, und kommt dieser letztere so gerade hinter
die grosse Magenkurve zu liegen. In der Mittellinie des Leibes
geht er dann mit einer scharfen, nach vorn und abwärts offenen
Knickung, der späteren Flexura duodeno-jejunalis, in den nächsten
Abschnitt des Darmes (die Nabelschleife) über.“ Nach der Meinung
von Schiefferdecker (No. 2 p. 237) steht nun „in der That der
Befund von His den Angaben von Toldt ganz unvermittelt gegen-
über“ ; da man an der Richtigkeit der Beobachtungen kaum zweifeln
könne, so sei es sehr wahrscheinlich, dass „bei Embryonen der
•sechsten Woche das Duodenum theil weise bis zum unteren Ende
der Pars descendens, theilweise bis zur Mittellinie des Körpers
gehen wird: das Stück Weges, um welches ss sich hier handelt,
ist ja ohnedies sehr kurz“. Toldt seihst (No. 3 p. 36) zweifelt
nicht an der Richtigkeit der Hi s’ sehen Beobachtung, betont in-
dessen, dass bei Embryonen der sechsten Woche, noch deutlicher
an solchen aus dem Ende der sechsten und aus der siebenten
Woche das Duodenum entschieden die Schlingenform besitzt und
die Flexura duodeno-jejunalis ganz gut angedeutet ist. Im Uebrigen
habe er sich bei der Abgrenzung des Duodenum ausschliesslich an
das Mesogastrium gehalten, welches zu der angegebenen Zeit bis
au die Flexura duodeno-jejunalis reicht, während das schmale Ge-
kröse der Nabelschleife dort beginnt. Toldt hält übrigens dafür,
dass die Beobachtungen von His mit den seinen ganz gut vereinbar
sind, wenn man bedenkt, dass das Duodenum „in der fünften Woche
und Anfangs der sechsten Woche, sowie der übrige Darm an
Länge zunimmt, aber nicht in die Nabelschleife des Darmes ein-
bezogen wird , sondern vor dem Anfang derselben sich sehlingen-
förmig einbiegt.“ Ein von His als Stütze für seine Auffassung
beigebrachter Hinweis auf einen Fall von Mesenterium commune,
bei welchem dieses bereits unterhalb der Pars descendens duodeni
seinen Anfang nahm, könne, wie schon Schiefferdecker hervor-
gehoben hat, für die ursprüngliche Abgrenzung des Duodenum nicht
maassgebend sein, weil „in derartigen Fällen erfahrungsgemäss
bald ein grösserer, bald ein kleinerer Theil des Duodenum an dem
Mesenterium commune haftet, d. h. die normgemässe Verklebung
des Duodenum und seines Gekröses mit dem Peritoneum parietale
das eine Mal auf eine längere, das andere Mal auf eine kürzere
Strecke unterbleiben kann.“
Setzen wir nun die Beobachtungen der beiden eben genannten
Forscher als richtig voraus, so erscheint es bei rein theoretischer
Betrachtung zunächst unmöglich, zwischen ihnen eine vermittelnde
Stellung einzunehmen. Nach His gehört die Pars ascendens duo-
deni noch zur Nabelschleife, deren Anfangstheil sie darstellt. Nach
Toldt beginnt dagegen die Nabelschleife dort, wo die Pars ascen-
dens aufhört. Für die eine oder die andere Ansicht muss man
sich folglich entscheiden. Ein glücklicher Zufall ermöglichte es
mir nun noch kurz vor Schluss dieser Arbeit, über diesen Punkt
zu völliger Klarheit zu gelangen. Ich hatte nämlich Gelegenheit,
einen frisch in Alkohol gelegten und sich gerade in dem richtigen
Härtungszustande befindlichen Embryo aus der fünften Woche in
Bezug auf das Verhalten des Darmkanals und seiner Gekröse zu
152
untersuchen. Die Präparation, welche lediglich mittelst zweier, mit
ganz spitzen Branchen versehener Pincetten ausgeführt wurde, war
so gut gelungen, dass man mit blossem Auge fast ebensoviel wie
mit der Lupe erkennen konnte. Der Befund war folgender:
Trefflich erhaltener Embryo von 1,3 cm Scheitel-Steisslänge. Extremitäten-
stümpfe vorhanden; an den vorderen kann die Andeutung der Hand, aber keine
Kerben für die Finger wahrgenommen werden. Nachdem die Bauchwandungen
geöffnet, der Nabelstrang aufgeschlitzt, die Leber stückweise abgetragen und
auf der rechten Seite der Urnierenwulst hinweggenommen ist, ergiebt sich
Folgendes.
Der gut entwickelte Magen liegt zum weitaus grössten Theile in der linken
Bauchhälfte derart, dass seine kleine Curvatur die directe Fortsetzung des ziem-
lich genau in der Medianlinie gelegenen rechten Oesophagusrandes bildet. Der
Fundus ist deutlich ausgeprägt und überragt die Cardia nicht unbeträchtlich
nach links und oben. Die grosse Curvatur ist links gelegen : hebt man dieselbe
auf, so sieht man das Mesogastrium ziemlich genau in der Medianlinie ent-
springen. Doch ist seine Ansatzstelle an den Magen nicht deutlich erkennbar, da
dasselbe der hintereu Magenwand straff und dicht anliegt. Es macht fast den
Eindruck, als ob das Magengekröse sich mehr hinten an den Magen ansetzt, so
dass die vordere, stärker gewölbte Fläche des Magens die hintere, mehr platte
Fläche an Ausdehnung übertrifft. Jedenfalls ist das Mesogastrium noch nirgends
mit der hinteren Bauchwand verlöthet. Während jedoch der Magen mit seinem
oberen dickeren Abschnitt nahezu vertical liegt, verläuft sein pylorischer, ganz
rechts von der Medianlinie gelegener und nur ein wenig nach vorn convexer
Abschnitt in gänzlich transversaler Kichtung nach rechts, um hier (also rechts
von der Wirbelsäule und etwa 1,5 mm von der Medianlinie entfernt) mittelst
einer durch die Lupe deutlich erkennbaren Einschnürung, dem Pylorus, in das
Duodenum überzugehen. Das letztere verläuft zunächst etwa 1 mm lang in
durchaus sagittaler Eichtung nach hinten (Pars transversa sup. duo-
deni), bildet hierauf eine Biegung (Flexura duodeni prima) und verläuft als-
daun wiederum in einer Länge von etwa 1mm senkrecht nach abwärts
(Pars descendens duodeni). Dieser letztere Abschnitt, welchen ich, wie eben
erwähnt, für die Pars descendens ansprechen möchte, ist zunächst in einer ziem-
lich tiefen Einne zwischen der Wirbelsäule und dem Wolff sehen Körper ver-
borgen. Erst wenn man den letzteren abgetragen hat, erhält man einen völlig
klaren Ueberblick über seinen Verlauf. Man sieht alsdann deutlich, dass diese
Pars descendens an ihrem Ende unter nahezu rechtem V inkel nach vorn ab-
biegt und in den proximalen (nach Toi dt absteigenden) Schenkel der Nabel-
schleife übergeht. Die letztere Biegung des embryonalen Darmkanals möchte
ich, um nichts zu präjudicireu, als Flexura duodeno-uinbüicdks bezeichnen, weil
dieselbe erstens vom Duodenum nach dem Nabel hin abbiegt und zweitens den
Uebergaug zwischen dem Duodenum und der Nabelschleife (Ansa umbilicalis)
darstellt. Eine Pars transversa inferior oder asceudens duodeni existirt somit
zu dieser Zeit entschieden nicht. Die Nabelschleife selbst ist an ihrem weitaus
grössten Theile vom Nabelstrang umschlossen: ihre beiden Schenkel nebst dem
zwischen denselben befindlichen schmalen Gekrüsplättchen sind annähernd lioii-
zontal gelegen. Auch der Anfang und das Ende der Nabelschleite liegen in
153
ziemlich gleicher Höhe. Mittelst einer neuen, fast rechtwinkligen Umbiegung
(der späteren Flexura coli lienalis) gellt alsdann die Nabelschleife in das kurze
Endstück des Darmes über. Das Duodenalgekröse war im Uebrigen, wie ich
beim vorsichtigen Aufheben constatiren konnte, allseitig frei und nirgends mit
der rechten Seite der Wirbelsäule verwachsen; es ging continuirlich in das Ge-
kröse der Nabelschleife über. Eine Abgrenzung zwischen dem Duodenal-
gekröse und dem Gekrösplättchen der Nabelschleife war nur insofern gegeben,
als beide, ebenso wie die ihnen correspondirenden Darmtheile, mit einander einen
nach vorn offenen, rechten Winkel bildeten.
Da das sehr instructive Präparat für die hiesige Sammlung aufgehoben
werden sollte, so verzichtete ich darauf, duich mikroskopische Untersuchung
Näheres über die Einmündungsstelle des Ductus pankreaticus in das Duodenum
zu constatiren. Undeutlich sah man das Pankreas durch das Duodenalgekröse
hindurchschimmern und sich bis an die vorhin so benannte Pars descendens
duodeni erstrecken. Eine Verbindungslinie zwischen der von mir vorhin so be-
zeichneten Flexura duodeno-umbilicalis und der Flexura coli lienalis bildete die
Grenze zwischen dem durch das eingelagerte Pankreas undurchsichtigen Duodenal-
gekröse und dem völlig durchsichtigen Gekröse der Nabelschleife.
Durch den eben mitgetheilten Befund werden also die Beob-
achtungen von His vollauf und in ausführlicher Weise bestätigt.
Eine Pars transversa inf. existirt in der fünften Woche nicht.
Die Uebergangsstelle zwischen dem Duodenum und der Nabelschleife
(die Flexura duodeno-umbilicalis) liegt zu jener Zeit zweifellos
rechts von der Wirbelsäule in einer nicht unbeträchtlichen Ent-
fernung von der Medianlinie und bildet ausserdem einen nach vorn
offenen Winkel. Nach dieser Bestätigung meinerseits dürfte man
das zuerst von His beobachtete Verhalten dieses Darmstückes
wohl kaum mehr als etwas Zufälliges, sondern als die Norm an-
sehen müssen. Indessen ist mit der Constatirung dieser Thatsache
natürlich noch nicht der Beweis geliefert, dass sich später aus dem
an die Flexura duodeno-umbilicalis anschliessenden Anfangstück der
Nabelschleife die Pars ascendens duodeni entwickelt, da es ganz
ebenso sicher richtig ist, dass, wie dies Toi dt beschrieben hat,
bei etwas älteren Embryonen die Uebergangsstelle des Duodenum
in den proximalen Schenkel der Nabelschleife nicht rechts von der
Wirbelsäule, sondern in der Medianlinie (also an der Stelle der
Flexura duodeno-jejunalis) liegt und auch weiterhin dort verbleibt.
Auch ist in dem letzteren Falle die Pars ascendens duodeni oder,
wenn man lieber will, Pars transversa inf. deutlich ausgebildet und
jedenfalls oberhalb der eben erwähnten Uebergangsstelle, d. h. genauer
gesagt rechts von derselben, gelegen.
Wenn wir nun von dem durch His und mich beschriebenen
embryonalen Entwicklungsstadium ausgehen, so fragt es sich somit
154
nach wie vor, ob sich die Pars ascendens duodeni aus dem End-
stück des zwischen dem Pylorus und der Flexura duodeno-umbilicalis
gelegenen Darmabschnittes, oder aus dem Anfangsstück der Nabel-
schleife (des Mesenterialdarmes von His) entwickelt. Wenngleich
es ja eigentlich für die endgültige Entscheidung hierüber notli-
wendig wäre, noch weitere makroskopische und mikroskopische
Untersuchungen aller Zwischenstufen zwischen dem Ende der
vierten und der sechsten Woche abzuwarten, so neige ich mich
doch einerseits aus theoretischen Gründen, andererseits aber auch
in Folge weiterer Beobachtungen an einem 4 cm langen Embryo
entschieden der von His vertretenen Ansicht zu, dass sich die
Pars ascendens duodeni aus dem Anfangsstück der Nabelschleife
entwickelt, wie sich die letztere in der fünften Wochfe des
Embryonallebens darstellt. Die Gründe, welche ich für meine
Ansicht zunächst ins Feld führen will, sind zwar nur aprioristische:
ich möchte sie jedoch nichtsdestoweniger für beweiskräftig halten,
weil jeder anderen Auffassung der Dinge wichtige mechanische
Bedenken entgegenstehen.
Aus dem von mir oben ausführlich geschilderten Befunde geht
im Einklang mit den kurzen Ausführungen von His zunächst un-
zweifelhaft hervor, dass die von mir sogen. Flexura duodeno-umbilicalis
in der fünften Woche bereits in einer nicht unbeträchtlichen Ent-
fernung von der Medianlinie, und zwar rechts von der Wirbel-
säule gelagert ist. Die Duodenalschlinge, d. h. das zwischen dem
Pylorus und der eben erwähnten Flexur gelegene Darmstück nebst
dem angrenzenden Pankreaskopf liegt zu dieser Zeit ziemlich genau
in der Sagit talebene: ihre Convexität ist somit nach hinten
gekehrt. Aus den von Toi dt (cf. No. 1 p. 8) zuerst gemachten
und von mir bestätigten Beobachtungen an Embryonen der sechsten
und siebenten Woche geht jedoch ferner hervor, dass die Duodenal-
schlinge kurz darauf ihre Convexität nach rechts und ein
wenig nach vorn wendet. Die Duodenalschlinge nebst dem an-
grenzenden Theile des Pankreas macht also in relativ kurzer Zeit,
d. h. während eines Zeitraumes von 8 — 14 Tagen, eine ganz be-
trächtliche Locomotion aus der Sagittalebene in die Frontal-
ebene oder sogar noch darüber hinaus durch. Diese Locomotion
dürfte in erster Linie auf das Wachsthum der Urniere zurückzu-
führen sein, durch welches die zwischen der letzteren und der Wirbel-
säule befindliche Rinne ausgefüllt wird. In zweiter Linie könnten
alsdann auch das Wachsthum des Duodenum selbst und der Leber
155
in Betracht kommen, welche sich mit ihrem hinteren Theile von
oben her zwischen das Duodenum und die hintere Bauchwand ein-
schiebt. Während sich aber das Duodenum und somit auch sein
Ende, die Flexura duodeno- umbilicalis, in der eben geschilderten
Weise von hinten nach rechts und vorn bewegt, bleibt der grösste
Theil des proximalen Schenkels der Nabelschleife unbeweglich im
Nabelstrang eingeschlossen: dies muss dazu führen, dass sich an
dem zwischen der Flexura duodeno-umbilicalis und dem Nabel ge-
legenen Anfangstlieil der Schleife eine mit der Convexität nach
links und hinten gekehrte Biegung bildet, in welcher ich die erste
Anlage der Flexura duodeno -jejunalis zu sehen geneigt bin. Da
der proximale Schenkel der Nabelschleife auch noch weiterhin
theilweise im Nabelstrang verbleibt, so müsste die eben erwähnte
Biegung bei weiterem Wachsthum bis in die Nähe der Medianlinie
hinüberrücken, wo dann später ihre Fixation an die Wirbelsäule
durch Verlöthung erfolgt. Während übrigens die Flexura dnodeno-
jejunalis auf diese Weise nach links gelangt, schiebt sich die Flexura
coli lienalis in Folge des stärkeren Wachsthum des embryonalen
Darmendstückes höher nach oben, wodurch die p. 24 geschilderte
Locomotion des Gekrösplättchens der Nabelschleife aus der hori-
zontalen in die sagittale Ebene bedingt wird. Die Flexura duodeno-
umbilicalis der fünften Woche würde somit nach meiner Ansicht
nicht der Flexura duodeno -jejunalis, sondern der sogen. Flexura
duodeni secunda des Erwachsenen entsprechen
Nehme ich dagegen an, die Flexura duodeno-umbilicalis der
fünften Woche entspräche der Flexura duodeno-jejunalis; so könnte
sich natürlich die Pars transversa inf. nur aus dem von mir oben
beschriebenen verticalen Darmabschnitt entwickeln, welches ich
wegen seines Verlaufes als Pars descendens duodeni bezeichnet
habe. Dieses zu jener Zeit ziemlich geradlinige Darmstück müsste
sich alsdann in eine Curve verwandeln, deren Convexität bei der
erwähnten Locomotion des Duodenum zuerst mehr nach hinten,
dann mehr nach rechts gekehrt sein würde. Der Pankreaskopf,
welcher in der fünften Woche sich genau bis zur Flexura duodeno-
umbilicalis erstreckt, müsste natürlich mit dem Wachsthum des
Duodenum gleichen Schritt halten und die Concavität der oberhalb
der eben genannten Flexur gelegenen Curve überall ausfüllen. Das
Alles wäre ja ganz gut denkbar. Indessen kommt man bei dieser
Annahme niemals über die eine Schwierigkeit hinweg, zu erklären,
wie die Flexura duodeno-umbilicalis im Laufe der weiteren Ent-
156
Wicklung in die Medianlinie vor der Wirbelsäule gelangen soll.
Wie sich dies aus den Beobachtungen von His und mir ergiebt,
liegt die letztere Flexur bei Embryonen der vierten oder fünften
Woche rechts von der Wirbelsäule, und zwar, wie ich hinzufügen
kann, in einer ziemlich beträchtlichen Entfernung, welche ich bei
dem von mir beschriebenen Embryo auf etwa 2 mm taxirte. Wenn
hierauf in der nächsten Woche die bereits oft erwähnte Locomotion
des Duodenum von hinten nach rechts und vorn stattfindet, muss
sich aber die Flexura duodeno- umbilicalis noch mehr von der
Medianlinie entfernen; jedenfalls kann sie der letzteren unter
keinen Umständen näher rücken oder vor dieselbe gelangen. Wenn
sich also, wie dies Toi dt ganz richtig angiebt, bei Embryonen der
sechsten oder siebenten Woche am Duodenum bereits die bekannten
drei Abschnitte und in der Medianlinie eine gut entwickelte Flexura
duodeno-jejunalis vorfindet, so kann die letztere nicht der Flexura
duodeno-umbilicalis der fünften Woche entsprechen, sondern muss
sich aus dem Anfangsstück der damaligen Nabelschleife entwickelt
haben.
Nachdem ich auf rein theoretischem Wege zu dem eben er-
wähnten Resultate gekommen war, war ich übrigens weiterhin
noch in der Lage, die Richtigkeit dieser Beweisführung durch eine
positive Beobachtung zu bekräftigen. Bei einem 4 cm langen Embryo
zeigte sich zunächst der Magen und das Duodenum ungefähr in
der von Toldt beschriebenen Weise (cf. d. A. p. 150) configurirt.
Eine gut entwickelte Flexura duodeno-jejunalis lag genau in der
Medianlinie und ging hierauf nach vorn in den proximalen Schenkel
der Nabelschleife über, an welcher der Darm bereits eine leichte
Schlingenbildung zeigte. Nachdem ich die Nabelschleife dicht vor
der Flexur kurz ahgeschnitten hatte, konnte ich durch vorsichtiges
Emporheben constatiren, dass die letztere ebensowenig wie das
Duodenum an irgend einer Stelle mit der hinteren Bauchwand
verlöthet war. Als ich dann die Flexur noch etwas weiter nach
vorn und abwärts zog, fand ich zu meinem Erstaunen, dass
dieselbe trotz ihrer medianen Lage mit der Wirbelsäule
durch ein mehrere Millimeter langes Gekröse verbunden
war, welches sich im Uebrigen continuirlich in das gänzlich freie
Duodenalgekröse fortsetzte. Derjenige Theil des letzteren, welcher
der Pars transversa sup. und descendens entsprach, war vollständig
mit Pankreassubstanz ausgefüllt, so dass der untere Rand der
Bauchspeicheldrüse genau wie bei dem Embryo aus der fünften
157
Woche in gleicher Linie mit der sogen. Flexnra dnodeni secunda
gelegen war. Derjenige Abschnitt des Duodenalgekröses dagegen,
welcher der Pars ascendens und der Flexnra duodeno-jejunalis an-
gehörte, war durchsichtig und enthielt kein Pankreas. Liess ich
mit dem Zuge nach, so faltete sich der letztere Gekrö sab schnitt
zusammen und legte sich nebst der zugehörigen Pars ascendens
duodeni derart an den unteren Rand des Pankreas an, dass die
Flexura duodeno-jejunalis wieder in die Medianlinie zu liegen kam
und mit der Wirbelsäule verbunden erschien.
Daraus kann man meiner Meinung nach nur den Schluss
ziehen, dass sich die Pars ascendens duodeni nebst der Flexura
duodeno-jejunalis unter Bildung einer nach links und hinten convexen
Schlinge aus dem Anfangstheil der X abelschleife entwickelt, wie
sie sich in der fünften Woche des Embryonallebens darstellt. Bei
dieser Schlingenbildung legt sich die Pars ascendens duodeni
an den unteren Rand des Pankreas und die Wirbelsäule an und
verwächst später mit diesen Organen. Der Gekrösantheil der
Nabelschleife , welcher diesem Darm ab schnitt entspricht , faltet
sich dabei zusammen und wird in den Verlöthungsprocess mit ein-
bezogen. Hieraus folgt aber weiterhin, dass die primäre Fixation
der Flexura duodeno-jejunalis in keiner Weise abhängig sein
kann von der Bildung des Treitz’schen M. suspensorius duo-
deni, dessen Constanz ich übrigens beiläufig anzweifeln möchte. Die
Fixation der Flexur erfolgt zunächst einfach auf dem Wege der-
selben physiologischen Verlöthung, welche wir auch sonst bereits so
vielfach als den wichtigsten Factor für die Bildung peritonealer
Formationen kennen gelernt haben. Ist die Fixirung der Flexur in
dieser Weise erfolgt, so mag sich der M. suspensorius durch eine
Proliferation der Darmmuskulatur entwickeln und dann seinerseits
zur weiteren Befestigung dieses Darmstückes beitragen. Es er-
scheint mir nothwendig, dies zu betonen, weil noch bis in die
neueste Zeit hinein einzelne Autoren, wie z. B. Fürst und Jon-
nesco, das Unterbleiben einer normalen Fixation der Flexura duo-
deno-jejunalis geradezu durch eine mangelhafte Ausbildung des
M. suspensorius duodeni erklärt haben. Ueberhaupt wäre es nöthig,
einmal eine Nachprüfung bezw. weitere Untersuchung desjenigen
eintreten zu lassen, was Treitz über diesen Muskel mitgetheilt hat.
Wie man aus dem Vorherigen ersieht, haben beide, Toldt
ebensowohl wie His, durchaus richtig gesehen und ihre Beobach-
tungen auch richtig gedeutet. Indessen der His’ sehe Mesen-
158
terialdarm des vierwöchentlichen Embryo ist nicht mit der Toldt-
schen Nabel schleife des sechswöchentlichen Embryos zu identi-
ficiren, wie dies durchweg seitens der Autoren geschehen ist. Zum
Mesenterialdarm im His’schen Sinne gehört eben noch die Pars
ascendens duodeni, welche Toi dt nicht mehr zur Nabelschleife
rechnet. Da jedoch der His’sche Ausdruck ,, Mesenterialdarm“
entschieden das Wesen der Sache lange nicht so kurz und treffend
wie die Toldt’sche „Nabelschleife“ bezeichnet, so möchte ich Vor-
schlägen, den letzteren Namen bereits für das in der fünften Em-
bryonalwoche schleifenförmig in den Nabelstrang hineinragende
Gebilde anzuwenden, welches die Pars ascendens duodeni. das
Jejunum, Ileum, Coecum, endlich das Colon ascendens und trans-
versum umfasst. In diesem Sinne habe ich auch den eben erwähnten
Ausdruck bereits während der letzten Auseinandersetzungen anti-
cipando gebraucht, und ich hoffe, dass sich auch die beiden letzt-
genannten Forscher mit dieser Nomenclatur einverstanden erklären
werden.
Wenn es nun Fälle giebt, in welchen es gar nicht zur Bildung
einer Flexura duodeno-jejuualis kommt, so sind dieselben einfach
so zu erklären, dass der Anfangstheil der Nabelschleife nebst dem
zugehörigen Gekrösabschnitt in diesen Fällen bereits vor jener oft
erwähnten Locomotion des Duodenum aus der sagittalen in die
Frontalebene relativ lang gewesen ist, ja vielleicht, nie z. B. in
dem von mir citirten zweiten Fall von Grub er (cf. d. A. p. 143),
in Folge excessiven Wachsthums bereits eine abnorme Schlingen-
bildung nach rechts gezeigt haben kann, welche natürlich die
Entstehung der typischen Flexura duodeno-jejuualis unmöglich
machen müsste. Dass die Flexur keineswegs immer in der Me-
dianlinie sondern mitunter in einiger Entfernung von der letzteren
nach links oder rechts gelegen ist (cf. d. A. Fig. 6), lässt
sich ohne Schwierigkeit durch ein verschiedenes Längenwachs-
thum der Pars transversa inf. duodeni während der sechsten bis
zehnten Embryonalwoche erklären. Wenn andererseits die Flexur
so häufig in der Nähe der Medianlinie gefunden wird, so dürfte
dies wohl damit Zusammenhängen, dass dieselbe ja an ihrem weiteren
Hinüberrücken nach links zunächst durch den unmittelbar links von
der Medianebene gelegenen Enddarm, weiterhin durch ihre Fixation
an die hintere Bauchwand verhindert wird. Ist die letztere bereits
erfolgt, so würde ein excessives Längenwachsthum der Pars trans-
versa inf, zu einer Schlingenbildung au dem letzteren Darmstück
159
führen müssen, wie ich sie an einem Fall (cl. A. p. 147) beschrieben
habe. Endlich möchte ich darauf aufmerksam machen, dass meine
Befunde an Embryonen sehr gut die von Scliiefferdecker (No. 1,
p. 339 und Taf. XVI, Fig. 2) abgebildete Form des Duodenum
erklärt, bei welcher die Pars transversa inf. duodeni dem unteren
Rande des Pankreaskopfes nicht unmittelbar anliegt, sondern von
dem letzteren durch einen mehr oder weniger breiten Zwischenraum
getrennt ist. Dieser Zwischenraum entspricht eben noch einem
mit der hinteren Bauchwand verlötheten Gekrösabschnitt von dem
Anfangstheil der Nabelschleife.
Also noch einmal: wo keine mit Sicherheit erkennbare Flexura
duodeno-jejunalis vorliegt, können wir das Duodenum oder Pankrea-
ticum nur bis zu dem Puncte rechnen, wo der Darm das Pankreas
verlässt. Dies geschieht in allen bisher beobachteten derartigen
Fällen ebenso wie bei dem Embryo der fünften Woche ausnahms-
los unterhalb der Einmündungsstelle des Ductus pankreaticus, d. li.
am Ende der Pars descendens duodeni. Wo jedoch eine annähernd
normal gelegene Flexura duodeno-jejunalis vorhanden ist, müssen
wir dem alten Brauch die Concession machen, dass wir das Duodenum
an derselben enden lassen. Nach den Resultaten der Entwicklungs-
geschichte wäre es allerdings nur consequent, zum Duodenum s.
Pancreaticum lediglich die sog. Pars transversa sup. und Pars
descendens zu rechnen und die pars ascendens einfach dem Jejunum
zuzuzählen oder höchstens als eine duodeno-jejunale Uebergangs-
portion zu betrachten. Ist ausser dem Duodenum in diesem Sinne
noch ein weiterer Abschnitt des Dünndarms, sei es mit dem Pan-
kreas, sei es sonst mit der hinteren Bauchwand verwachsen, so
kann derselbe nur als das angelöthete Anfangsstück des Jejunum
bezeichnet werden.
b) Die Hernia parajejunalis s. mesenterieo-parietalis.
Es ist bereits anderen Ortes (cf. d. A. p. 121 — 123) von mir
auseinandergesetzt worden, aus welchen Gründen ich es für ganz
unmöglich halte, dass die sogen. Herniae retroperitoneales dextrae
in irgend einer der bisher bekannten und beschriebenen Taschen
entstehen können, welche seitens anderer Autoren hier und da als
Bildungsstätten derselben bezeichnet sind. Ich habe auch dort
bereits darauf hingewiesen, dass ich nach einer sorgfältigen Prüfung
aller hierher gehörigen genetischen und mechanischen Verhältnisse
160
zu der Ueberzeugung gekommen bin, dass nur der von mir sogen.
Recessus parajejunalis s. mesenterico-parietalis als Entsteliungsort
für diese Brüche angesehen werden kann, welche dem zu Folge
nach den in der Einleitung erörterten Principien als Herniae para-
jejunales s. mesenterico- parietales bezeichnet werden müssen. Es
erübrigt nun zunächst, dass ich erkläre, wie ich mir die Genese
der letzteren denke und welche characteristischen Merkmale wir
demgemäss an einer derartigen Hernie stets vorfinden müssen.
Weiterhin würde zu prüfen sein, ob sich diese Merkmale wirklich
an denjenigen Fällen von sogen. Herniae retroperitoneales dextrae
nachweisen lassen, welche bisher von mir und anderen Autoren
beobachtet worden sind.
Meine Erklärung für die Genese der Hernia parajejunalis hat,
wie ich glaube, doch mehr als hypothetischen Werth, wenngleich
bisher leider weder von mir noch von anderen jene Anfangsstadien
dieser Bruchart gesehen worden sind, aus denen man, wie aus dem
von mir p. 128 mitgetheilten Fall einer Treitz" sehen Hernie, völlig
sichere Schlüsse nach dieser Richtung hin ziehen kann. Wenn sich
jedoch alles vorhandene Material in den Rahmen meiner Erklärung
zwanglos einfügt, während alle übrigen Erklärungsversuche fort-
während auf mechanische Widersprüche stossen, so wird man der-
selben doch wenigstens den Werth einer hohen Wahrscheinlichkeit
zuerkennen müssen. Dazu kommt, dass wir aus den beim Studium
der Treitz'schen Hernien gewonnenen Erfahrungen Analogien
ableiten können, welche sich auch für die Erklärung der Genese
der Hernia parajejunalis nutzbringend verwerthen lassen. Darnach
muss zunächst als Vorbedingung für die Entstehung eines solchen
Bruches eine Verlöthung des obersten Jejunum Stückes mit der
hinteren Bauch wand bei gleichzeitigem Vorhandensein eines genügend
tiefen Rec. parajejunalis s. mesenterico-parietalis bezeichnet werden.
Dass der letztere seine Entstehung nur dem Umstand verdankt,
dass die Verwachsung der gemeinschaftlichen Gekrösplatte für das
Jejunum, Ileum und Colon ascendens grade an derjenigen Stelle
unterbrochen ist, wo das Jejunum ein freies Gekröse zu bekommen
anfängt, ist bereits früher erörtert worden. Die blosse Verlöthung
eines Jejunumabschnittes mit der hinteren Bauch wand ohne die
gleichzeitige Existenz eines solchen Recessus kann natürlich nicht
zur Bildung einer solchen Hernie führen. AVäre jedoch anderer-
seits bei einem im Uebrigen normalen Dünndarmgekröse irgendwo
an der Wurzellinie des letzteren ein genügend grosser Rec. me-
161
senterico-parietalis gelegen, so wäre immer noch nicht zu be-
greifen. durch welche Kraft eine Dünndarmschlinge in den letzteren
hineingetrieben werden sollte. Denn die Bauchpresse würde
höchstens die vordere und die hintere Wand des Recessus an-
einander drücken und auf diese Weise eher das Zustandekommen
einer Hernie verhindern. Wenn indessen die Verlöthung des Je-
junum gerade dort aufhört, wo' sich dieser Recessus befindet (cf.
Fig. 8 S. 137), so muss der freie Anfangstheil des ersteren durch
die Wucht der andrängenden Speisemassen gradezu in
den letzteren hineingepresst werden. Ist nun der Rand an der
Oeffnung der Tasche wenig resistent und nachgiebig, so wird
derselbe von dem andrängenden Darm einfach bei Seite geschoben.
Verläuft jedoch in dem Rande oder wenigstens in der Nähe
desselben ein grösseres Gefäss, wie z. B. die A. mesenterica
sup. oder ileo-colica, so kann das mit einem freien Gekröse ver-
sehene Anfangsstück des Jejunum in ganz derselben Weise
eingeklemmt werden, wie dies für die Entstehung der Hernia
duodeno-jejunalis sin. seitens der V. mesent. inf. bis zur Evidenz
festgestellt worden ist. Ist eine solche Einklemmung erst einmal
vorhanden, so sind bei einer leichten Verschieblichkeit des Peri-
toneum alle Bedingungen dafür gegeben , dass es zur Ent-
wicklung einer Hernia parajejunalis kommt. Da sich bei einer
normalen Lage des Colon ascendens der Recessus stets nach
rechts oder höchstens ein wenig nach unten zwischen die
Wurzellinie des Dünndarmgekröses und die hintere Bauchwand
hineinschiebt, so ist es weiterhin selbstverständlich, dass der
Bruchsack stets in der rechten Bauchhälfte gelegen ist. Mit
den eben erörterten Anschauungen über die Entstehung dieser
Bruchart würde übereinstimmen, dass in deu beiden von mir
(p. 138) beschriebenen Fällen von Rec. parajejunalis die A. me-
senterica sup. bezw. ileo - colica nicht in dem vorderen Rande
des Recessus, ja nicht einmal in seiner vorderen Wand gelegen
war. Wahrscheinlich ist hier die Bildung einer Hernie nur aus
dem Grunde unterblieben, weil der bereits von Treitz für die
Entstehung der retroperitonealen Hernien als nothwendig ange-
nommene einschnürende Ring in Gestalt dieser Blutgefässe gefehlt
hat. Auch die Bildung der Hernia parajejunalis dürfte ausnahms-
los unmittelbar nach der Geburt beginnen. Denn wenn auch eine
physiologische Verlöthung des obersten Jejunumendes mit der hinteren
Bauch wand während des extrauterinen Lebens möglich wäre, so
Broesike, Hernien. 21
1G2
müsste doch der Rec. mesenterico-parietalis bereits bei der Geburt
gebildet sein, da die normale Verwachsung des ehemaligen Nabel-
schleifengekröses mit der hinteren Bauchwand . nach der Gebuit
abgeschlossen, d. h. also die Wurzellinie des Dünndarmgekröses
zu dieser Zeit bereits eine definitive zu sein scheint. Immerhin
wäre ja die Möglichkeit vorhanden, dass auch beim Dünndarm-
gekröse nach der Geburt ähnlich wie beim Mesocolon sigmoideum
eine allmählich von rechts nach links tortschreitende physio-
logische Verwachsung mit der hinteren Baucliwand in Aus-
nahmefällen stattfände lind damit ist auch die Möglichkeit der
Bildung eines Recessus und einer Hernia mesenterico-parietalis
noch in späterem Alter nicht absolut von der Hand zu weisen.
Die erste Darmschlinge, welche in die Bruchpforte hineintritt, muss
der Anfang des freien, d. h. mit einem Gekröse versehenen Jejunum
sein: bei kleineren Hernien werden somit zwei Darmröhren in der
Bruchpforte liegen, von denen die eine direct zur Begrenzung dieser
Oetfnung beiträgt. Bei weiterer Zunahme einer solchen Hernie
kann jedoch durch die Last des Bruchinhaltes auch eine sogen.
„Wanderung“ der Bruchpforte in dem Sinne eintreten, wie ich dies
p. 134 bereits für die Hernia duodeno-jejunalis sinistra auseinander-
gesetzt habe. Die Bruchpforte kann sich auf diese Weise bei
starker Ausdehnung des Bruches wohl etwas von der hinteren
Bauchwand entfernen, kann aber natürlich nicht durch die A. mesent.
sup. bezw. ileo-colica nach vorn hindurchwandern: durch die Last
des Bruchinhaltes wird sie jedoch in aufrechter Stellung nach ab-
wärts gezogen werden müssen. Ebenso wie bei den grösseren
Treitz’sclien Hernien (cf. d. A. p. 133) wird natürlich in solchen
Fällen das oberste Jejunumstück nicht durch die Bruchpforte selbst,
sondern direct durch die obere Wand des Sackes in den letzteren
eintreten können.
Als charakteristische Merkmale für die Hernia parajeju-
nalis s. mesenterico-parietalis müssen wir nach dem Gesagten fol-
gende bezeichnen:
1. Von dem Anfangsstück des Jejunum (in dem früher erörterten
Sinnet ist ein grösserer oder kleinerer Abschnitt mit der hinteren
Bauchwand verlöthet.
2. In dem vorderen Rande der Bruchpforte (oder wenigstens
in der Nähe desselben) verläuft bei normalem Tiefstand des Coecum
und einer nicht gar zu beträchtlichen Wanderung der Bruchpforte die
A. mesent. sup. bezw. ilio-colica. Bei kleineren Hernien wird die
163
hintere Begrenzung des Bruchringes durch die hintere Bauchwand
gebildet.
3. Nach dem Herausziehen des Darmes verläuft unter den
gleichen Voraussetzungen die Wurzellinie des Dünndarmge-
kröses längs des vorderen Randes der Bruchpforte. Hat sich die
■Wanderung der Bruchpforte bis unter das Coecum erstreckt,
so kann die Wurzellinie nur am linken Rande der letzteren ver-
laufen.
4. Der Bruchsack liegt entweder ganz oder doch zum grössten
Tlieile in der rechten Bauchhälfte. Dazu muss allerdings bemerkt
werden, dass immerhin die Möglichkeit vorhanden ist, dass bei
ausgesprochener Linkslage der Flexura duodeno-jejunalis auch ein-
mal das Anfangsstück des Jejunum nur mit der linken Hälfte der
hinteren Bauchwand verlöthet sein und demzufolge die Wurzellinie
des Dünndarmgekröses hierselbst ihren Anfang nehmen könnte.
Indessen ist das bis jetzt noch nicht beobachtet worden. In diesem
Falle würde sich jedoch die Lage des Bruchsackes entsprechend
modificiren.
Es erübrigt nun, die bisher bekannten Fälle von sogen. Hernia
retroperitonealis dextra daraufhin zu prüfen, ob die eben genannten
Merkmale sich bei ihnen vorfinden. Ich will damit beginnen zwei
Fälle eigener Beobachtung von dieser seltenen Bruchform zu be-
schreiben, um an denselben zu demonstriren, dass die von mir auf-
gezählte Characteristica sich bei sorgfältiger Untersuchung eines
solchen Falles wirklich an demselben nachweisen lassen. Ich stelle
dabei den von mir zuerst beobachteten Fall voran, weil es der-
jenige von beiden ist, welchen ich mir aufheben und in Folge
dessen am sorgfältigsten untersuchen konnte. Leider ist dieser Fall
insofern kein ganz reiner, als die normale Verlöthung des Colon
und Mesocolon ascendens hier offenbar zu der Zeit noch nicht vor-
handen gewesen ist, als die Hernia parajejunalis sich zu entwickeln
begann. Wer daher ein in gröberen, aber einfacheren Zügen
entworfenes Bild haben will, thut gut, sich zuerst den zweiten Fall
anzusehen.
Fall 1. Etwa 2 Jahre alter Knabe von gutem Ernährungszustände, Blut-
gefässe mit rother Masse injicirt, secirt im Winter 1884/85 auf dem hiesigen
Präparirsaal.
Die beiden an dieser Leiche beschäftigten Präparanten holten mich herbei,
um zu constatiren, dass an derselben der ganze Dünndarm in der rechten, der
ganze Dickdarm dagegen in der linken Hälfte der Bauchhöhle gelegen sei. Ich
11*
164
dachte zunächst an einen Fall von Mesenterium commune, wie sie bei ähnlichen
Lagerungsverhältnissen der Därme bereits von Grub er u. a. beschrieben worden
sind. Als ich indessen die Bauchhöhle näher untersuchte, zeigte sich zunächst,
dass der Dünndarm und der Dickdarm durch eine in der Höhe der unteren
Lendenwirbel gelegene Oeffnung communicirten Cef. Fig. 10), welche nichts anderes
darstellte als das Orificium eines grossen, in der rechten Hälfte der Bauchhöhle
gelegenen Bruchsackes, welcher von den Präparanten gleich beim Eröffnen der
Bauchhöhle ohne ihr Wissen aufgeschnitten war, und welcher fast das ganze
Fig. 9.
Ansicht des Bruchsackes und der Baucheingeweide in ihrer natürlichen Lage
nach Eröffnung der Bauchhöhle.
Convolut der Dünndarmschlingen enthielt. Nachdem die Incisionsstelle wieder
zugenäht und alle Organe in diejenige Lage gebracht worden waren, in
welcher sie sich bei Eröffnung der Bauchhöhle befunden hatten, liess sich
zunächst bei oberflächlicher Inspection folgendes constatireu (cf. Fig. 9). Die
Leber, insbesondere ihr linker Lappen erschien sehr stark entwickelt, so dass
der letztere nach links an die Milz stiess, deren unteres Ende wiederum den
Thoraxrand um einige Oentimeter überragte. Von dem Magen war infolgedessen
165
zunächst Nichts wahrzunehmen. Unterhalb der Leber fiel zunächst die Bruch-
geschwulst ins Auge, welche etwa die Grösse eines neugeborenen Kindskopfes,
d. h. etwa 6 cm im transversalen, etwa 11 cm im verticalen Durchschnitt hatte*
Durch die ziemlich durchsichtige, nur von feinen weisslichen Strängen durch-
zogene Wandung derselben sah man die Dünndarmschlingen deutlich hindurch-
schimmern. Die Bruchgeschwulst nahm die ganze rechte Hälfte der Bauchhöhle
vollständig ein und schob sich mit ihrem mittleren Tlieile sogar noch ein wenig
über die Medianlinie hinaus nach links hinüber. Etwa längs der Grenze zwischen
der vorderen und linken Wand des Bruchsackes zogen das Coecum und Colon
ascendens in die Höhe. Das Coecum entsprach in seiner Lage ziemlich genau
der Symphyse, über welcher dasselbe unmittelbar gelegen war. Der relativ lang
und stark entwickelte Processus vermiformis verlief von hier aus leicht geschlängelt
in der Richtung des Poupart’schen Bandes nach rechts und aufwärts bis etwa
zur Höhe der Spina ilium ant. sup. Ebenso wie das Coecum war auch der Wurm-
fortsatz allseitig frei : er besass sogar ein kurzes Mesenteriolum, dessen beide
Blätter sich, das eine in die vordere, das andere in die hintere Wand des Bruch-
sackes fortsetzen.
Yerfolgen wir nun vom Coecum aus das Colon ascendens nach aufwärts, so
verläuft das Letztere unter Bildung einer leichten Convexität nach links bis dicht
unter die Leber, wo dasselbe rechts von der Medianlinie eine Biegung, die Flexura
coli dextra, bildet. Das Colon ascendens ist dabei derart mit dem Bruchsack
verbunden, dass sein Peritonealüberzug auf der einen Seite in die linke, auf der
andern Seite in die vordere Wand des Bruchsackes übergeht, so dass dieser
Darmtheil direct die Wand des letzteren bilden hilft. Das Colon transversum,
welches schon an der vorhin als Flexura coli dextra bezeichneten Biegung ein
gut entwickeltes Gekröse und ein ebenfalls wohl ausgebildetes Omentum majus
besitzt, zieht von der eben erwähnten Flexur aus zunächst parallel dem Colon
ascendens nach abwärts bis etwa in die Nähe des linken Poupart’schen Bandes
und nimmt danu wiederum seinen Weg nach aufwärts bis an den linken Leber-
rand, um schliesslich unter Bildung einer nach hinten gerichteten Flexura coli
lienalis in das Colon descendens überzugehen. Das letztere — zunächst für die
oberflächliche Inspection durch das Colon transversum verdeckt — ist sehr kurz,
nur unvollständig mit der hinteren Bauchwand verlöthet und geht alsdann in
die mit einem relativ langen Gekröse versehene Flexura sigmoidea über, welche
in mannigfachen Windungen, sogar mittelst einer Schlinge sich nach rechts hin
zwischen den Bruchsack und die hintere Bauchwand einschiebend, in das kleine
Becken hinabzieht, an dessen rechter Seite endlich sein Uebergang in das Rectum
stattfindet Die Gekrösverhältnisse der letztbeschriebenen Dickdarmabschnitte
zeigten, abgesehen von der relativen Länge des Mesocolon transversum und
sigmoideum, nichts Abnormes.
Hebt man den Bruchsack in die Höhe, so sieht man sehr deutlich die
Bruchpforte (cf. Fig. 1U), in welche vom Coecum aus der unterste Abschnitt des
Ileum hineinzieht. Sechs Centimeter dieses Darmstückes, dessen einige Centimeter
langes freies Gekröse mit seiner Wurzellinie an die Wand des Bruchsackes an-
gelieftet ist und mit dem Darm bis an die Bruchpforte heranzieht, liegen ausser-
halb des Bruchsackes. Eine sehr deutlich und gut entwickelte Pliea ileo-
appendicularis verläuft von dem letzteren Darmstück zum Mesenteriolum des
Wurmfortsatzes hinüber, so dass ein deutlicher Recessus ileo-appendicularis
166
(Recessus ilio-coecalis inf. von Waldeyer) gebildet wird. Der ganze übrige
Dünndarm, soweit er zur Zeit sichtbar ist, liegt in dem Bruchsack. Die Bruch-
pforte selbst hat in ausgedehntem Zustande einen Durchmesser von 3 — 4 cm.
In derselben ist ausser dem vorhin erwähnten Ileumstück noch eine andere
Dünndarmschlinge eben sichtbar. Der vordere Rand dieser Oeffnung wird von
der Arteria mesenterica sup. bezw. dem Anfang der Artria ileo-colica durchzogen
(s. Fig. 10). Der freie Rand des Orificium ist im Uebrigen etwas verdickt; der-
selbe ist vom Coecum etwa 6 cm, von der hinteren Bauchwand (bei emporge-
Fig. 10.
Der Bruchsack ist geöffnet, die Dünndärme und das Colon asc. nach rechts
zurückgeschlagen. Man sieht die Bruchpforte (a) und links oberhalb derselben
das Duodenum ascendens und das verlöthete Anfangstück des Jejunum durch
das Peritoneum parietale durchschimmern.
liobenem Bruchsack) etwa 1—2 cm entfernt. Der Bruchsack ist nicht allein
vorne, links, rechts und unten, sondern auch an dem ganzen, weitaus grösseren,
unteren Abschnitt der hinteren Wand vollständig frei, also nicht mit der hin-
167
teren Bauchwand verbunden, so dass die Bruchpforte gänzlich in der linken
hinteren, hier völlig freien, d. h. in keiner Weise mit dem Peritoneum parietale
verwachsenen Wand des Bruchsackes gelegen ist. Die Verbindung des Bruch-
sackes mit der hinteren Bauchwand erstreckt sich etwa his zum Ursprung der
Arteria mesenterica inf. aus der Aorta. Oben stösst der Bruchsack an die Leber,
ohne mit derselben irgendwie verwachsen zu sein.
Hagen und Duodenum sind annähernd normal gelegen: von dem letzteren
ist die Pars transversa sup. deutlich sichtbar, während des Rest des Duodenum
von dem vor ihm gelegenen oberen Abschnitt des Bruchsackes verdeckt ist. Nach
rechts reicht der mit der hinteren Bauchwand verbundene Theil des Bruchsackes,
Big. 11.
Die Dünndärme sind aus dem Bruchsack herausgezogen und nebst dem Colon
ascendens nach rechts hinübergelegt. Das Peritoneum parietale vor dem Duodenum
ascendens und dem verlötheten Anfangsstiick des Jejunum ist hinweggenommen
(zwischen aa).
allmälich immer schmäler werdend, bis zum lateralen Rande der rechten Niere,
welche relativ hoch gelegen ist, deren unteres Drittel jedoch trotzdem nicht
mehr vom Bruchsack, sondern von Peritoneum parietale bekleidet ist.
Zieht man nun die dünnen Därme sämmtlich aus dem Bruchsack heraus
(cf. Fig. 11), so kommt das ganze Colon annähernd in seine normale Position.
168
Die Wurzellinie des Dünndarmgekröses verlauft alsdann genau längs der Arteria
ilio-colica bzw. mesenterica sup. vom Coecum aus bis zur Bruchpforte, um als-
dann längs dom vorderen (rechten) Rande derselben nach aufwärts und schliess-
lich nebst dem Anfangsstück des Jejunum in die Bruchpforte hineinzuziehen.
Hier hört das freie Jejunum-Gekröse dicht neben der Bruchpforte auf, und der
letztere Darmtheil zieht alsdann retroperitoneal in einer Länge von 4 — 5 cm
nach links und aufwärts, um an der gewöhnlichen Stelle in der Medianlinie
mittelst der Flexura duodeno-jojunalis in die Pars ascendens duodeni überzugehen.
Dieses retroperitoneal verlaufende, d. h. also hinter dem Peritoneum parietale
gelegene Anfangsstück des Jejunum verläuft somit nicht in dem Bruchsack, auch
nicht hinter der hinteren Wand desselben, sondern tritt etwa 1 cm von dem Rande
der Bruchöffnung entfernt durch die linke obere Wand des Bruchsackes in den
letzteren hinein. Sein Verlauf entspricht ziemlich genau demjenigen der Pars
ascendens duodeni, vor welcher dasselbe gelegen und an welche es durch massig
festes Bindegewebe angeheftet ist. Bringt man die Därme in ihre normale Lage
und untersucht man alsdann das Innere des Bruchsackes mittelst des eingeführten
Fingers, so macht es den Eindruck, als ob derselbe sich zwischen die beiden
Blätter eines grösstentheils freien Mesocolon ascendens bis zu dem Colon nach
rechts hin vorgeschoben hätte, wobei die ganzen zuführenden Blutgefässe in dem
linken Blatte dieses Gekrösabschuittes geblieben wären und der Bruch sich
liaupstächlich auf Kosten des rechten Gekrösblattes nach rechts hin ausgedehnt
hätte. Der Bruchsack erstreckt sich dabei längs des Colon ascendens bis etwa
zu jener Stelle, wo sich sonst die Flexura coli hepatica befinden sollte. Die
letztere ist natürlich nicht an das Duodenum angeheftet, sondern durchaus frei
beweglich. Die Wurzellinie des Mesocolon transversum fällt so ziemlich mit dem
oberen Rande des Bruchsackes zusammen, wobei sich jedoch der letztere noch
ein wenig über diese Wurzellinie hinaus zwischen beide Blätter des Mesocolon
transversum nach aufwärts erstreckt.
Schlug ich nun die herausgezogenen Dünndärme nebst dem frei beweglichen
Colon ascendens nach links hinüber und eröffnete ich alsdann wiederum den zu-
genähten Bruchsack, so zeigte sich, dass derselbe innen überall von einem glatten
und durchsichtigen Peritoneum austapezirt war. Die Wände des Bruchsackes
waren überall doppelt, nur dort, wo derselbe an der hinteren Bauchwand fest-
sass, einfach. Diese Stelle batte einen Durchmesser von vielleicht 4 cm in der
verticalen und etwa 6 cm in der transversalen Richtung. Die Stelle entsprach
genau der Pars descendens duodeni und Flexura duodeni secunda nebst dem
grössten Tbeil der Vorderfläche des Paukreaskopfes. Mit den eben genannten
Organen war der Bruchsack, insoweit seine Wand aus einem einfachen Peritoneal-
blatte bestand, verlöthet. Der ganze doppelwandige Tbeil des Bruchsackes aber
war allseitig frei, d. h. abgesehen vom Coecum und Colon ascendens nirgends
mit der hinteren Bauchwand oder den Baucheingeweideu verwachsen. Jetzt nach
Eröffnung des Bruchsackes Hess sich auch der Verlauf des Duodenum genauer
constatiren. Dasselbe erschien von normaler Länge, sein tiefster Punkt reichte
etwa bis zur Theilungsstelle der Aorta nach abwärts.
Alle übrigen Organe, die Blutgefässe etc. erschienen völlig normal Die
Flexura duodeno-jejunalis war ein wenig mit dem Mesocolon transversum \ er-
wachsen. Die Vena mesenterica inf. umkreiste die letztere in einer betracht-
169
liehen Entfernung (nach links und oben von derselben), ohne irgend eine Falte
emporzubeben. Ein kleiner Recessus intersigmoideus war vorhanden.
Wie aus dieser Beschreibung hervorgeht, sind an diesem Bruche
alle characteristischen Merkmale nachzuweisen, welche ich oben itir
eine Hernia parajejunalis s. mesenterico-parictalis postulirt habe.
Da der Fall indessen eine complete Hernie dieser Art darstellt,
so darf es nicht Wunder nehmen, dass die Bruchpforte von dem
verlötheten Anfangsstück des Jejunum ein wenig nach abwärts
gerückt ist. Zur Zeit, als die Entwicklung der Hernie begann, ist
ausser dem Anfangsstück des Jejunum bereits ein Tlieil des ehemaligen
Nabelschleifengekröses mit den unteren zwei Dritteln des Duodenum
und dem Pankreaskopf verlüthet gewesen. Dagegen muss das
Colon ascendens zu jener Zeit noch ein theilweise freies Gekröse
gehabt haben — sonst würde es rechts und nicht links von dem
Bruchsacke gelegen haben. Nur wenn es ein freies Gekröse hatte,
konnte der andrängende Bruch das rechte Blatt desselben derart
ausbuchten, dass dieses Darmstück gänzlich an die linke Wand des
Bruchsackes gedrängt wurde. Nur aut diese AUeise lässt sich auch
die Thatsache erklären, dass der letztere am überwiegend grössten
Theile seines Umfanges frei und doppelwandig war. Ueberall dort,
wo derselbe sich ins retroperitoneale Bindegewebe hineingedrängt
hatte, erschien dagegen seine hintere Wand einfach.
Fall 2. Leiche eines erwachsenen Mannes, in gutem Ernährungszustände,
secirt auf dem Berliner Präparirsaale im Januar 1886.
Nach dem Eröffnen der Bauchhöhle zeigten sich zunächst das Coecum, Colon
ascendens, Colon transversum, descendens und die Flexura sigmoidea von normaler
Lage und Beschaffenheit. Zwischen dem Colon ascendens und der Wirbelsäule
lag eine Bruchgeschwulst von etwa Kindskopfgrösse. Ihr oberer Rand erstreckte
sich bis hinter die Wurzellinie des Mesocolon transversum. Die untere Grenze
entsprach ungefähr der Höhe des Darmbeinkammes. Die Bruchgeschwulst
enthielt über die Hälfte des dünnen Darmes, d. h. das ganze Jejunum und einen
Theil des Ileum, während der grösste Theil des Ileum ausserhalb der Geschwulst
lag. Die Bruchpforte lag an der linken Wand des Bruchsackes in der Höhe der
unteren Lendenwirbel, rechts von der Wirbelsäule: sie war etwa so gross, wie
das Lumen eines aufgeblasenen Dünndarms und enthielt in ihrem vorderen Rande
die Arteria mesenterica sup. Neben dem in die Bruchpforte hineinziehenden
Ileum war aus dem Bruchsack durch die letztere eine etwa fingerlange Dünn-
darmschlinge hervorgefallen. Die3 schien zu Stauungserscheinungen innerhalb
des Bruchsackes geführt zu haben, denn der letztere enthielt ausser den Darm-
schlingen noch eine ziemlich grosse Quantität blutig gefärbter, seröser Flüssig-
keit, welche sich in der übrigen Bauchhöhle nicht vorfand. Auch war der im
Bruchsack gelegene Theil des Dünndarms stark hyperaemisch. Im Uebrigen
waren weder in der Bruchgeschwulst, noch in der übrigen Bauchhöhle irgend
welche Erscheinungen von frischer oder abgelaufener Peritonitis wahrzunehmeu.
170
Wurde der Dünndarm aus der Bruchpforte herausgezogen, so zeigte sich, dass
die Wurzellinie des Dünndarmgekröses vom Coecum aus längs dem unteren und
linken Abschnitt der Bruchgeschwulst bis zur Bruchpforte hin und hierauf längs
des vorderen Randes der letzteren in den oberen Pol der Bruchpforte zugleich
mit dem obersten Abschnitt dos Jejunum hineinzog. Dicht neben dem oberen
Pol der Bruchpforte wurde alsdann das Jejunum retroperitoneal, d. h. es verlief
zwischen dem Peritoneum parietale und der Pars ascendens duodeni nach links
und aufwärts, um mittelst einer an normaler Stelle gelegenen Flexura duodeno-
jejunalis in das Ende des Duodenum überzugehen. Das Duodenum selbst und
der Magen zeigten die normale Lago und Beschaffenheit. Die Pars descendens
und die Flexura duodeni secunda waren noch zum Theil hinter dem Bruchsack
gelegen. Der letztere war überall dort einfach, wo er der hinteren Bauchwand
bezw. der rechten Niere und dem Duodenum angrenzte. Im übrigen war seine
"Wand überall aus einem doppelten Peritonealblatt gebildet. Die Vena mesenterica
inf. und die Arteria colica sinistra verliefen links von der Wirbelsäule in einer
nicht unbeträchtlichen Entfernung von der mit der hinteren Bauchwand ver-
wachsenen Flexura duodeno-jejunalis, indem sie eine kleine Peritonealfalte empor-
hoben, so dass sich zwischen der letzteren und der Flexur eine Art von flacher
Grube (die Treitz’sche Fossa duodeno-jejunalis) befand.
Nachdem ich den eben geschilderten Befund aufgenommen hatte, beabsichtigte
ich , von diesem für die Theorie der Genese der Hernia parajejunalis so
instructiven Fall noch eine genauere Beschreibung und Abbildungen zu geben.
Der Präparant, dem dieses Präparat gehörte, erhielt demzufolge die Weisung,
die Präparation vorläufig vollständig zu unterbrechen. Da derselbe indessen
Rumäne war, so verstand er anscheinend meine diesbezüglichen Wünsche
nicht und beeilte sich trotz derselben das Präparat möglichst schnell zu zerstören.
Als ich das letztere am anderen Tage wieder besichtigle, konnte ich nur noch
constatiren, dass das Duodenum wirklich vollständig normal gelegen und das
Anfangsstiick des Jejunum an die Pars ascendens duodeni angelöthet war.
Der eben beschriebene Pall zeigt ebenso wie der vorige alle
characteristischen Merkmale der Hernia parajejunalis s. mesen-
terico-parietalis : er ist jedoch von dem vorigen unterschieden da-
durch, dass 1) offenbar das Colon bereits vor der Bildung der
Hernie seine normale Lage eingenommen hatte und dass 2) bei der
geringeren Grössenentwickelung des Bruches die Wanderung der
Bruchpforte nach abwärts nur eine sehr geringe gewesen war.
Denn das Ende des mit der hinteren Bauchwand verlötheten Jeju-
numabschnittes lag hier dicht neben dem Bande der Bruchpforte,
so dass es eigentlich noch zur Begrenzung der letzteren beitrug.
Klinisch nicht uninteressant sind endlich die Stauungserscheinungen,
welche sich auf den innerhalb des Bruchsackes befindlichen Darm-
abschnitt beschränkten.
Es erübrigt nun noch, die bisher veröffentlichten Fälle von
sogen. Herniae retroperitoneales dextrae daraufhin Revue passiren
171
zu lassen, ob sicli auch an denselben die von mir postulirten
Characteristica nachweisen und sich diese Fälle somit unter die
Hernia parajejunalis s. mesenterico-parietalis einreihen lassen. Ich
will dieselben in chronologischer Reihenfolge und unter Hinweg-
lassung alles nebensächlichen Beiwerks kurz citiren.
Pall 3. (Fall von Klob, cf. pag. 191.) Leiche eines 36jährigen Pfründ-
ners. . .
Bei der Eröffnung der Bauchhöhle fand ich unter dem scharfen Leberrande
die rechte Colonflexur, den Magen in gewöhnlicher Stellung, massig gefüllt, vom
Dünndarm ist nichts zu sehen; wenn das Colon transversum, welches schief von
rechts nach links und oben aufsteigt, sammt dem grossen Netze gegen die Brust-
höhle hinaufgeschlagen wird, so erscheint, die rechte Hälfte der Bauchhöhle
einnehmend, und etwas über die Medianlinie sich herüberwölbend, ein rundlicher
Sack von 8 Zoll Länge, 6 Zoll Breite und 5 Zoll Höhe. Seine obere Peripherie
wird vom rechten und mittleren Theile des Mesocolon transversum gedeckt, an
seiner rechten Seite steigt, derselben fest anliegend, das Colon ascendens herauf;
das untere Ende des Sackes liegt am Beckeneingange und bedeckt das Coecum
sammt dem letzten etwa 1 1/2 Zoll langen Ileumstück. Die Oeffnuug des Sackes
wird von einem nicht in sich selbst zurücklaufenden Rande umfasst und sieht
nach links und etwas nach hinten; sie hat etwas über 2 Zoll Durchmesser mit
deutlichem Ueberwiegen desjenigen von oben nach unten und liegt gerade vor
dem dritten Lendenwirbel. Der vordere Theil des Randes ist wulstig abgerundet,
nach links hin concav, und verläuft nach oben zu in das Mesocolon transversum;
der untere Rand schärft sich allmählich zu und über denselben steigt das unterste
Stück Ileum aus dem Sacke heraus; der hintere Rand ist scharfkantig, nach
rechts concav und läuft, unter oben scharfer Krümmung in eine Leiste aus,
welche sich als pseudo-meinbranöse Bildung an der Mitte des im Sacke gelegenen
Dünndarmgekröses befestigt. Im vorderen stumpfen Rande verläuft die Arteria
iliocolica. Der Sack selbst besteht nahezu allenthalben aus einer Bauchfell-
duplicatur. Das äussere Blatt derselben geht nach rechts in das Mesocolon as-
cendens, nach oben in das Mesocolon transversum über, oder eigentlich ist das
äussere Blatt des Sackes das Gekröse des aufsteigenden Dickdarms. Bei der
Eröffnung des Sackes von vorne her sieht man das Jejunum von seiner oberen
Wand eintreten und den ganzen Dünndarm frei in der Höhle gelegen. Inner-
halb der die obere Wand des Sackes bildenden Peritonealduplicatur bildet das
Jejunum, ehe es in den Sack eintritt, eine vollkommene nach rechts convexe
Krümmung und erscheint sehr ausgedehnt. Das innere Blatt des Sackes geht
nahe der Oeffnung im obersten Umfange an das hereintretende Jejunum als
Peritoneal-Ueberzug, biegt sich am äusserten linken Rande in das Mesenterium
des Dünndarms um, ebenso auch an der unteren Peripherie des Sackes, während
die rechte "Wand (inneres Blatt) in die hintere und diese nach links hin endlich
in das Mesocolon descendens ausläuft.
Ich entfernte nun die Darmschlingen aus dem Sacke und legte den ganzen
Dünndarm nach rechts herüber; da fand sich an der Wurzel des Gekröses des-
selben eine narbig verzogene Stelle, von welcher aus sehnige Streifen theils
nach oben in das hinaufgeschlagene Mesocolon transversum, theils nach links
hinüber in das Mesocolon descendens ausstrahlten; daselbst waren auch brücken-
172
förmige kleine 2 — 3 Linien breite Sehnenstreifen Uber Peritonealfalten ausgespannt,
und hielten dieselben fest. Diese Narbe oder besser diese Pseudoinembranbildung
befindet sich somit gerade an der linken Seite des Eintrittes des Dünndarms in
die Peritonealhöhle. Von dieser Stelle zieht nach abwärts eine halbmondförmige,
mit ihrer Concavität nach rechts sehende Falte, deren oberes Horn in das obere
Blatt des Mesenteriums des Jejunum ausläuft, deren unteres Horn an das untere
(linke) Blatt des Mesenteriums der untersten Ileumschlingen herantritt und das
ebenfalls durch pseudomembranöse Adhäsionen verzogen erscheint. Der von
Treitz erwähnte Gefässbogen findet sich l'/3 Zoll weit vom Bande dieser Falte
nach links hin entfernt und scheint durch das Peritonealblatt durch, steht somit
mit der eigentlichen Falte in keiner Beziehung. Versucht man das obere Horn
dieser Falte weiter nach aufwärts zu verfolgen, so bemerkt man deutlich, dass
sich die Falte noch weiter hinauf fortsetzt, doch ist der höchste Theil ihres
nach rechts hin sehenden Bandes durch die erwähnten pseudomembranösen Ad-
häsionen an das parietale Peritoneum geheftet, welches sonst die hintere Wand
der Fossa jejuno-duodenalis überzieht Das Jejunum bildete, ehe dasselbe
in den Sack eintrat, eine ziemlich scharfe Krümmung nach rechts hinüber und
dann, wie erwähnt, schon zwischen den beiden Blättern des Sackes, einen mit
seiner Concavität nach rechts hin sehenden Bogen. Es erinnert diese Krümmung
an die zweite Beobachtung der Hernia retro-peritonealis von Lambl (pag. 163),
von welcher es heisst: „Der Dünndarm hat mehrere, an der hinteren Bauchwand
fixirte Krümmungen, und zwar nicht bloss im Duodenum seine normale hufeisen-
förmige Krümmung, sondern im Anfangstheile des Jejunum nebstdem eine Pars
descendens, eine Pars horizontalis und eine Pars ascendens, welch letztere erst
in das eingelagerte Darmconvolut übergeht “
Es bestand bei dem Individuum nur eine unvollkommene Plica jejuno-duo-
denalis. Ihr oberes Horn war pseudomembranös verzogen und fixirt, und nur
das untere vorhanden, welches die nach oben offene Fossa jejuno-duodenalis be-
grenzte. Nachdem sich nun durch pseudomembranöse Adhäsionen und deren
Betraction die Lage des Duodenums verändert hatte, muss sich wahrscheinlich
die Gestalt und namentlich die Tiefe dieser sonst in solchen Fällen nur seichten
Tasche (Treitz) geändert haben und dadurch endlich der ganze Dünndarm
vorgefallen sein.
Gegen die Zuverlässigkeit in der Beschreibung des Klob'schen
Falles wurden jedoch von Eppinger Einwendungen erhoben, welche
allerdings insofern nicht ganz unberechtigt sind, als insbesondere
der Zusammenhang des inneren und äusseren Bruchsackblattes mit
den benachbarten Gekrösen und anderen Organen einigermaassen
verworren dargestellt ist. Eppinger sagt u. a. : „waren die
Uebergänge (sc. der inneren Auskleidung des Bruchsackes in das
Peritoneum der Nachbarorgane) im Innern des Bruchsackes ge-
meint, so ist es unmöglich, dass das innere Blatt irgendwo in das
Mesocolon descendens übergehe, sollen sie aber an der Oeftnung
des Bruchsackes stattfinden, so ist es ebenso undenkbar, dass
jenes sich in das Mesenterium des Dünndarms ausbreiten könnte.“
173
Darauf muss zunächst erwidert werden, dass Kl ob nur von der
hinteren Wand des Bruchsackes (cf. pag. 192) aussagt, dass
dieselbe nach links hin „endlich in das Mesocolon descendens
auslaufe“. Betrachten wir den Fall aber als Hernia parajeju-
nalis, so geht allerdings am äussersten linken Rande des Bruch-
sackes, d. h. an dem vorderen Rande der nach links und hinten
sehenden Oeffnung desselben das innere Blatt in das Dünndarm-
gekröse über. Weiterhin sagt Eppinger: „was die Bestimmung
der Richtung der Eingangsötfnung zu diesem Bruchsacke anbelangt,
muss dieselbe als eine ganz unrichtige bezeichnet werden, weil sie
nach links und hinten gesehen haben soll. Die Oeffnung befand
sich der Beschreibung zufolge, obwohl es nicht mit Bestimmtheit
angegeben wird, auf der rechten Seite des Sackes.“ Darauf ist zu
erwidern, dass Kl ob allerdings vergessen hat, besonders anzugeben,
an welchem Abschnitt der Sackwand die Oeffnung gelegen war.
Wenn indessen die Bruckgesehwulst zwischen der Wirbelsäule und
dem an normaler Stelle befindlichen Colon ascendens gelegen war,
wenn ferner die Bruchsacköffnung nach links und etwas nach
hinten sah, und sich zu gleicher Zeit grade vor dem III. Lenden-
wirbel befand, so kann meiner Ansicht nach kaum ein Zweifel
darüber obwalten, dass dieses Orificium an der linken Wand des
Sackes und zwar derart gelegen war, dass der vordere Rand ein
wenig nach links, der hintere ein wenig nach rechts gerichtet war.
Dies bezieht sich allerdings nur auf die natürliche Lage der Bruch-
pforte. Wurde die linke Wand des Bruchsackes nach rechts und
zugleich in die Höhe gehoben, wie es geschehen musste, um die
Oeffnung klar zu übersehen, so erschien dann natürlich der vordere
Theil des Randes nach links hin concav und es ist zweifellos ein
Lapsus, dass Kl ob nicht besonders erwähnt, dass sich ein Theil
seiner Beschreibung auf diese Stellung der Bruchpforte bezieht.
Ebenso mag zugegeben werden, dass es vielleicht nicht die eigent-
liche Arteria ilio-colica, sondern die Arteria mesenterica sup. ge-
wesen sein mag. welche in dem vorderen Rande der Bruchpforte
verlief: es kann ja unter Umständen von dem Belieben des Ein-
zelnen abhängen, wohin man die Grenze zwischen beiden Arterien
verlegt. Wenn jedoch Eppinger bestimmt behauptet, dass diese
Arterie nur die Colica sinistra gewesen sein könne, so muss ich
dem entschieden widersprechen, da in der Klob’schen Beschreibung
direct gesagt ist, dass der diesem Autor wohlbekannte Treitz'sche
Gefässbogen sich iys Zoll weit vom Rande der von ihm oben be-
174
schrieben en Falte nach links hin entfernt vorfand. Wenn schliess-
lich Eppinger sich gegen die Klob'sche Deutung dieses Falles
wendet, dass die Hernie im unteren Horn der Treitz 'sehen
Fossa duodeno - jejunalis entstanden sei, so kann ich diejenigen
Gründe, welche er gegen diese Deutung ins Feld führt, natürlich
nur in jeder Beziehung unterschreiben.
Betrachten wir dagegen den Kl ob 'sehen Fall als eine Hernia
parajejunalis s. niesen terico-parietalis, bei welcher sich an dem
oberen und hinteren Rande der Bruchpforte infolge von perito-
nitischer Reizung allerlei abnorme Verlöthungsprocesse abgespielt
hatten, wie sie ja secundär bei intraabdominalen Hernien so häufig
auftreten können, so erscheint die Beschreibung dieses Falles im
grossen und ganzen durchaus verständlich. Wir haben bei dem-
selben zunächst eine Verlöthung des obersten Jejunumabschnittes
mit der hinteren Bauchwand zu registriren. Dieser verlöthete
Jejunumabschnitt verlief jedenfalls nicht in grader Linie, sondern
in Krümmungen. Derselbe hat erst eine Krümmung mit der Con-
vexität nach rechts und dann bereits zwischen den beiden Blättern
des Sackes eine solche nach links gemacht. Dicht neben dem
oberen Pol der Bruchpforte, also auch in der Nähe des Mesocolon
transversum trat der verlöthete Jejunumabschnitt hierauf in den
Bruchsack hinein und bekam ganz wie in meinem zweiten Falle
ein freies Gekröse. Die Wurzellinie des letzteren verlief alsdann
längs dem vorderen und unteren Rande der Bruchpforte weiter,
um sich dann anscheinend längs des unteren Randes des Bruch-
sackes bis zum Coecum zu begeben. Im vorderen Rande der
Bruchpforte verlief demgemäss entweder die Arteria mesenterica
sup. oder ihre Fortsetzung, die Arterica ilio-colica. Die Bruch-
geschwulst lag im Wesentlichen rechts von der Wirbelsäule. Damit
sind alle characteristischen Merkmale für die Hernia parajejunalis
gegeben. Die von Klob mit so grosser Sorgfalt beschriebene,
nach abwärts ziehende, halbmondförmige, mit ihrer Concavität nach
rechts sehende Falte, welche neben dem eigentlichen hinteren Rande
der Bruchpforte vorhanden gewesen zu sein scheint, dürfte ledig-
lich als das Resultat irgend welcher narbigen Retractionen aufzu-
fassen sein.
Wir gehen nun zur Betrachtung eines sehr complicirten und
infolgedessen auch betreffs seiner Deutung mannigfach angezweifelten
Falles über, nämlich desjenigen, welchen Grub er in seiner bereits
erwähnten Arbeit (No. 6 pag. 228) unter dem Titel: „Mesenterium
175
commune für das Jejuno-ileum und das Colon vom Coecum bis zur
Flexura sigmoides ; wahre Hernia interna mesogastrica dextra und
Hernia inguinalis externa scrotalis congenita dextra (Unicum
Fig. 1, 2, 3)“ publicirt hat. Dieser merkwürdige Fall einer von
Grub er sogen. Hernia retro-peritonealis dextra war, abgesehen
von der ausserordentlich grossen rechtseitigen Scrotalhernie, welche
fast zu einer vollständigen Eventration der Baucheingeweide geführt
hatte, noch durch folgende wichtige Momente complicirt: 1) eine
sichelförmige Verlängerung des ungewöhnlich entwickelten Lig.
coronarium sinistrum hepatis, welches die Flexura sigmoidea des
Dickdarms erreichte; 2) ein gemeinschaftliches Mesenterium für den
Dünn- und Dickdarm: 3) abnorme Lage des Duodenum nach rechts
von der Wirbelsäule. Dasselbe hatte die Form eines S und war
spiralig gedreht; 4) eine abnorme Aufstellung der Flexura sigmoidea,
welche mehr in transversaler Richtung verlief und deren Mesen-
terium mit der oben erwähnten Verlängerung des Lig. coronarium
sinistrum und einem beträchtlich entwickelten, dem normalen Lig.
phrenico-colicum analogen Bande in Verbindung trat. Es würde
zu weit führen, diesen ganzen Fall in extenso wiederzugeben. Ich
will mich deswegen darauf beschränken, nur dasjenige zu citiren,
was auf die sogenannte wahre Hernia interna mesogastrica dextra
Bezug hat.
Fall 4. (Fall von Gruber cf. No 6 pag. 228.) 25jähriger Arbeiter.
Nach Eröffnung der Bauchhöhle sieht man die Leber, die Milz, den Magen,
dessen Portio pylorica etwas nach abwärts gezerrt ist, das Pankreas, die Nieren
und Nebennieren am gehörigen Platze. Yom Darme trifft man in der Bauch-
höhle freiliegend: nur die Flexura sigmoidea und den grössten Theil des Duo-
denum; versteckt jedoch in einem in der Regio lumbalis und Fossa iliaca dextra
gelagerten retro-peritonealen Sacke: das Endstück des Duodenum mit dem 3 Fuss
6 Zoll langen Anfangsstücke des Jejunum. Der Rest des Darmes lag zum Theil
in der Beckenhöhle, zum Theil in der oben erwähnteu Scrotal- Hernie. Der
Magen und das Pankreas sind normal gelagert: das letztere ist am Kopfe mit
der Pars descendens duodeni verwachsen. Das Duodenum zeigt eine von der
Norm ganz abweichende Anordnung. Es ist nämlich S-förmig gekrümmt und
spiralförmig gedreht. Es verläuft zuerst nach rechts und hinten mit der Pars
transversa sup., geht unter einer, mit der Oonvexität nach hinten und rechts ge-
legenen Biegung — Flexura prima — in die Pars descendens über, welche oben
nach rechts, unten vorwärts convex ist und setzt sich unter einer mit der Con-
vexität nach vorwärts und rechts gerichteten Biegung — Flexura secunda —
in die Pars transversa inf fort, welche rück- und medianwärts schräg aufsteigt.
Es ist enorm ausgedehnt und mit Ausnahme des linken hinteren Randes der
Pars descendens, mit welcher der Kopf des Pankreas verwachsen ist, ganz vom
Peritoneum überkleidet. Die Portio transversa inf. ist von rechts und hinten in
176
die hintere Wand des retroperitonealen Sackes wie invaginirt. Es hat mit allen
Theilen seine Lage in der rechten Bauchhöhlenhälfte, ist ungewöhnlich weit von
der Wirbelsäule nach rechts gerückt. Seine Pars descendens steigt vor dem
lateralen Theile der rechten Niere und auswärts davon abwärts. Seine kurze
Pars transversa inf. liegt unterhalb der rechten Niere. Nachdem die Portio
transversa inf. innerhalb des retro-peritonealen Sackes mit den vor dieser ab- und
lateralwärts verlaufenden Yasa mesenterica supp, sich gekreuzt hat, erhebt sich
dieselbe plötzlich vom oberen und lateralen Theile des Bodens des Sackes nach
vorwärts und rechts, um unter einer, mit der Gonvexität nach links und vorwärts
gerichteten, im retroperitonealen Sacke gelagerten Biegung — Flexura duodeno-
jejunalis — in das Jejunum überzugehen. Am Beginn dieser Plexur besitzt das
Darmrohr eine Art Einschnürung, und ist von da an plötzlich um 1 Zoll Weite
enger, als die Pars transversa des Duodenum.
In der rechten Bauchhöhlen- und der rechten grossen Beckenhälfte ist vor
der Wirbelsäule in der Begio lumbalis und in dem grössten Theile der Fossa
iliaca hinter der hinteren Wand des grossen Peritonealsackes ein von dieser
Wand rückwärts ausgestülpter, durch eine weite Pforte mit der Höhle des
grossen Peritonealsackes communicirender seröser Beutel, ein retroperitonealer
Sack zu sehen. Dieser Sack besteht vorn aus zwei Blättern des Peritoneum^
rückwärts ans einem einfachen Blatte desselben und hat eine länglich runde Ge-
stalt Der Sack erstreckt sich vom Pankreas bis zu den Yasa iliaca und dem
Eingänge des kleinen Beckens bis ein paar Zoll über den Arcus cruralis abwärts;
von der Aorta abdominalis vor der rechten Hälfte der Wirbelsäule in der rechten
Begio lumbalis über die seitliche Grenze derselben hinaus und in der rechten
Fossa iliaca bis zur Crista ilei Er ist in verticaler Bichtung 8 Zoll lang, in
transversaler Bichtung b1/-, — 6 Zoll breit und in sagittaler Bichtung 4 Zoll tief.
In der lateralen Hälfte seiner vorderen Wand hat er eine grosse ovale Pforte,
welche in verticaler Bichtung 3 Zoll, in transversaler Bichtung 21/2 Zoll weit
und nach vorwärts und rechts gekehrt ist. Der obere Pol der Pforte liegt
3'/o Zoll unter dem oberen Ende des Sackes und der untere Pol derselben
P/2 Zoll über dem unteren Ende desselben. Yor dem Sacke liegt medianwärt s
von seiner Pforte die Wurzel des Mastdarmschenkels und lateralwärts die Wurzel
des Gritmndarmsckenkels der Flexura sigmoides, deren Mesocolon mit seiner
Wurzel um den medialen und lateralen Umfang und über dem oberen Pole der
Pforte, hier dieser bis 6"' Distanz genähert, halbkreisförmig von der vorderen
Wand des Sackes abgeht. An die vordere Wand des Sackes ist über der Würze
des Mesocolon der Flexura sigmoides ein Theil des Omentum majus augeheftet.
Ueber und vor dem oberen Ende des Sackes liegt der rechte Theil des Pankreas
und lateralwärts von diesem der unter dem Kopfe des Pankreas befindliche Ab-
schnitt der Pars descendens des Duodenum. Hinter dem Sacke liegen die \ ena
cava inf., oben lateralwärts der grössere untere Theil der rechten Niere, oben
unter dieser lateralwärts die in das hintere Blatt des Sackes invaginirte Pars
transversa inf. des Duodenum und vor dieser Portion, diese kreuzend, die Yasa
mesenterica sup., welche bis zur Kreuzung über dem hintersten Umfang des
oberen Endes des Sackes vor der Niere verlaufen, nach dieser Kreuzung mit
dem Duodenum an der seitlichen Grenze der Pforte des Sackes durch diese in
das Mesenterium commune übersetzen, endlich unten die schräg verlaufenden
rechten Vasa spermatica interna. Zwischen den Blättern der vorderen Wand des
177
Sackes liegen der Stamm und die Aeste der Arteria mesenterica inf. Der
ll/4 Zoll lange Stamm dieser Arterie verläuft quer rechts gegen die Pforte und
theilt sich l3/4 Zoll von ihr entfernt in die Arteria colica sinistra und in die
Arteria haemorrhoidalis sup., deren jede bis auf 1 Zoll Abstand der Pforte des
Sackes naherückt Der Sack enthält die Flexura duodeno-jejunalis und
daneben vor-, auf-, median- und abwärts das 3 Fuss 6 Zoll lange oberste Jeju-
numsttick. Er vermag 7 Fuss des angefüllten Jejunum, den von Contentis ent-
leerten ganzen Dünndarm, nach aus seiner Höhle herausgezogenem Darme
5 Pfund Flüssigkeit zu fassen. Im Bereiche der Pforte sind weder am Sacke
noch am Darme Entzündungsspuren zu bemerken .... Der Sack mit dem
Jejunum als Inhalt bildet eine nicht incarcerirte Hernie, welche Hernia interna
mesogastrica dextra zu nennen ist ... . Nach dem Zurückziehen aller in der
Scrotalhernie befindlichen Gedärme aus dieser in die Bauchhöhle, ist das ganze
Jejuno-ileum mit dem Colon bis zur Flexura sigmoides an einem Mesenterium
commune und zwar das Colon am rechten Rande, das Jejuno-ileum am linken
und unteren Rande desselben hängend zu sehen. Die Wurzel desselben beginnt
im Bereiche des lateralen Randes der Pforte des retroperitonealen Sackes, unter
der Kreuzung des Dickdarmes mit dem Dünndarm, zwischen der Flexura duo-
deno-jejunalis und dem Uebergang des Colonschenkels der Flexura sigmoides in
das Colon descendens proprium, und ist hier nur 2 Zoll breit Zwischen
dem Mesenteriolum des Processus vermiformis (hinten), dem Ende des Ileum
(vorn) und dem Coecum (lateralwärts) liegt die gut ausgebildete und abwärts
geöffnete sackartige Fossa ilio-coecalis
Man kann nickt leugnen, dass die eben gegebene Beschreibung
in der Tkat an Unverständlichkeiten und sogar an Widersprüchen
ausserordentlich reich ist. Um einige Punkte hervorzuheben, so
sagt Grub er zuerst, dass das Duodenum S-förmig gekrümmt und
spiralförmig gedreht sei. Hinterher ist aber nur von den gewöhn-
lich an demselben vorhandenen 3 Abschnitten, nämlich einer Pars
transversa sup., descendens und transversa inf. die Rede, von denen
sich dann die letztere plötzlich vom oberen und lateralen Tkeile
des Bodens des Sackes nach vorwärts und rechts erheben soll, um
unter einer mit der Convexität nach links und vorwärts gerich-
teten, im retroperitonealen Sacke gelagerten Biegung, der
Flexura duodeno-jejunalis, in das Jejunum überzugehen. Der untere
Schenkel des S scheint also doch schon die Flexur gewesen zu
sein? Ferner ist zuerst gesagt, dass das Duodenum mit Aus-
nahme des linken hinteren Randes der Pars descendens, mit welcher
der Kopf des Pankreas verwachsen ist, ganz vom Peritoneum über-
kleidet und die Portio transversa inf. von rechts und hinten in die
hintere Wand des retroperitonealen Sackes wie invaginirt
sei. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass das Duodenum
und der Pankreaskopf (ganz oder theilweise) auch an ihrer hinteren
Broesike, Hernien. 19
178
Fläche vom Peritoneum überkleidet gewesen seien und in das
Lumen des Bruchsackes hineingeragt hätten. Weiterhin lesen
wir aber, dass der rechte Tlieil des Pankreas und lateralwärts von
diesem der „unter dem Kopfe des Pankreas befindliche Abschnitt
der Pars descendens des Duodenum“ über und vor dem oberen
Ende des Sackes gelegen hätten. Wie reimt sich dies zusammen?
Wenn ausserdem der Kopf des Pankreas mit dem linken hinteren
Rande der Pars descendens verwachsen gewesen ist, so muss der
rechte Pankreasrand ein wenig hinter der letzteren gelegen haben:
jedenfalls kann sich die Pars descendens nicht „unter dem Kopfe
des Pankreas“ befunden haben. — Wenngleich somit in dem Grub er-
sehen Falle das Mesenterium commune mit seiner Wurzellinie am
Rande der Bruchpforte entsprang und die Vasa mesenterica supp,
an der seitlichen Grenze der Pforte des Sackes verliefen, so möchte
ich mich doch angesichts aller dieser und noch mancher anderer Un-
klarheiten und Widersprüche den auch von Waldeyer als richtig
adoptirten, äusserst scharfsinnigen Auseinandersetzungen von Ep-
pinger (cf. p. 144 — 151) anschliessen , dass es sich hier wahr-
scheinlich weder um ein congenitales Mesenterium commune noch
um eine Hernia retro- periton ealis gehandelt hat, sondern dass
der von Grub er beschriebene, den obersten Abschnitt des Jejunum
enthaltende Bruchsack lediglich einen abnormen Raum darstellte,
welcher durch die chronische Hinabzerrung sämmtlicher Mesocola
in die Scrotalhernie entstanden war.
Fall 5 (von Moutard-Martin, cf. pag. 132—133). Je presente ä la
Societe un exemple remarquable d’anomalie du peritoine, chose rare, peu connue,
dont les exemples sont difliciles ä recueillir.
Yoici en quoi consiste cette anomalie; eile me paraxt differer en beaucoup
de points des Varietes rapportees par les auteurs (je les indiquerai tout ä l'heure),
et je crois la decrire pour la pi’emiere fois.
Une vaste poche, dont la fonne se sousti’ait ä toute comparaison, contient
la plus grande partie de l’intestin grele pourvu de son inesentere normal.
Cette poche occupe toute la partie laterale droite, entre la face interieure
du foie et la fosse iliaque di’oite, passe au devant de la colonne vertebrale et
s’etend meine dans une petite partie de la region laterale gauche.
Sa hauteur (18 centimötres), l’emporte sur la lai-geur (12 centimetres);
quant ä sa profondeur, tres-variable suivant les points qu'on examine, eile est
en moyenne de 9 centimetres. Ses parois vont adherer:
1° En haut: au cölon trausverse, pour se jeter ensuite ce niveau sur
le peritoine parötal de la paroi abdominale postörieure;
2° A droite: au cölon ascendant, et se confomüe avec le peritoine parietal
suivant la direction d’une ligne verticale qui raserait le bord externe
du rein droit;
179
3° A gauche: au cölon descendant, et so porter ensuite sur le peritoino
parietale i\ trös-peu de distance de la colonne vertöbrale;
4° Eubas: au peritoine parietal de la paroi abdominale posterieure et au
mesocolon iliaque.
Ce bord inferieur est remarquable par la presence d’un orifice naturel,
semilunaire, concavite tournee en arriöre, h bords nets, assez 6cartes, entre
lesquels passe l’intestin grele au moment, oü il sort de cette poche d’enveloppe
pour se continuer avec le caecum. Cet orifice qui a 4 cent. environ de circon-
ference, est situe au-devant de la colonne lombaire, ä, 4 ou 5 cent. du caecum.
L’intestin grele contenu dans la poche est pourvu de son mesentere normal,
et sans adberences.
Si l’on cbercbe par oü l’iutestin a pu penetrer dans cette cavite anormale,
on ne trouve a la partie superieure aucun orifice: Le duodenum entre dans la
poche en confondant immediatement sa peripherie avec la membrane d’enveloppe.
11 est encore ä noter:
Que l’hiatus de Winslow existe ä l’etat normale et dans sa position
normale ;
Que le grand epiploon est dejete en entier dans l’hypochondre gauche
dont il remplit une bonne partie, qu’il est normal, si ce n’est qu’il contracte
ä gauche de la colonne vertebrale quelques adherences avec la poche, que je
deviens de decrire:
Que le petit epiploon gastro-colique est intact et normal.
Ces deux demieres remarques font que, sans chercher a expliquer la pro-
duction de cette anomalie, et tout en laissant ce soin h des esprits plus exerces
je crois pouvoir repousser comme inadmissibles dans le cas present les deux ex-
plications donnees (dans les cas que je citerai tout & l’heure) comme rendant
compte des anomalies dont on etait temoin, — je veux dire, d’un cöte, l’agran-
dissement insolite du petit epiploon gastro-colique, et de l’autre, la penetration
d’une anse intestinale dans l’arriere cavite des epiploons.
C’est probablement en cherchant d’oü vient chacun des six feuillets peri-
toneaux dont se compose la paroi de la poche que je decris, qu’on trouverait
l’explication du probleme. Le fait que je presente ne parait avoir d’autre valeur
que sa rarete, sa nouveaute II eut 6te interessant de savoir quelle etait la
sante du sujet, s’il ressentait des douleurs dans l’abdomen, s’il mangeait bien,
digerait facilement; en un mot, si ses fonctions digestives n’etaient pas entravees
par cette singuliöre disposition.
Tous ces renseignements me font absolutement defaut, car le sujet sur
lequel j’ai rencontre cette anomalie se trouvait a l’Ecole pratique pour les dis-
sections.
Der eben citirte Fall ist so mangelhaft beschrieben, dass
es kaum möglich ist, denselben für die Theorie der Hernia
parajejunalis in positivem oder negativem Sinne zu ver-
werthen. Es erscheint eigentlich kaum glaublich, dass der Autor
bei der Beschreibung desselben die Grössenverhältnisse des Bruch-
sackes in Maassen angiebt, ohne dabei auch nur andeutungsweise
das Alter des betreffenden Individuums zu erwähnen. Alles, was
12*
180
wir aus diesem Falle entnehmen können, ist, dass es sich hei dem-
selben um eine grosse intraabdominale Hernie gehandelt hat, welche
bei anscheinend normal gelagertem Colon hauptsächlich die rechte
Bauchhälfte occupirte, sich jedoch noch zum Theil über die Wirbel-
säule nach links hinüberschob und den grössten Theil des Dünn-
darms enthielt. Die Bruchöflhung lag am unteren Rande des Sackes
vor der Wirbelsäule und in einer Entfernung von 4 — 5 cm nach
links vom Coecum. Durch dieselbe scheint das Endstück des Heum
in den Brnclisack hineingezogen zu sein, ähnlich, wie wir dies in
meinem ersten Falle gesehen haben. Das Duodenum, oder wahrschein-
lich das Anfangsstück des Jejunum, scheint dagegen durch die obere
Wand des Bruchsackes in denselben hineingetreten zu sein. Da der
Bruch indessen wegen der grossen Entfernung der Bruchpforte vom
Coecum kaum als irgend eine pericoecale Hernie und ebensowenig
als eine Hernia intersigmoidea oder duodeno-jejunalis sinistra ange-
sehen werden kann, so bleibt immerhin die Wahrscheinlichkeit be-
stehen, dass es sich liier um eine Hernia parajejunalis gehandelt hat.
Bei der Beschreibung des folgenden, hierhergehörigen Falles
war ich nicht in der Lage, mir die betreffende Originalarbeit ver-
schaffen zu können. Ich gebe dieselbe daher nach der übrigens
wörtlichen Uebersetzung wieder, welche sich bei Jonnesco (No. 2
pag. 247) vorfindet.
6. Fall (von Zwaardemaker). Im Monat August wurde ein Rekrut bei
der Infanterie plötzlich krank. Er wurde von heftigen Leibschmerzen, Erbrechen
und Flatulenz ergriffen. Keine Stühle. Gegen Mittag wurde er in das Hospital
aufgenommen und starb am Vormittage des folgenden Tages Cadaver
von kräftiger Constitution. . . . Aus der Bauchhöhle, wo eine grosse Spannung
statt hat, entweicht (sc. beim Eröffnen) eine kleine Quantität von Gas und ein
einziger Tropfen von Flüssigkeit (une seule goutte de liquide). Bis 3 Finger
breit unterhalb des Processus xiphoideus sieht man die Leber; in der Regio ilio-
coecalis einen rotlien, gespannten Tumor. Der Rest der Bauchhöhle wird durch
die stark hervorspringenden Därme eingenommen. Das Omentum bedeckt sie
nicht, es ist gegen die linke und obere Partie der Bauchböhle verschoben. Die
Farben der verschiedenen Darmtheile zeigen eigen thümli che Contraste. In dem
Epigastrium findet sich das Colon transversum, welches stark nach vorn ge-
drängt, aber sehr wenig gespannt ist ; es besitzt die gewöhnliche graue Färbung
des Darmes, obwohl es sich ein wenig getrübt mit einer Nuance ins Rothe zeigt.
In dem Mesogastrium und Hypogastrium befinden sich die Dünndarmschlingen,
welche von gesättigter rother Farbe und getrübt sind. Sie sind elastisch, sehr
gespannt, stark verlagert; man kann leicht 4 Finger in ihr Lumen einführen.
Das Coecum und die aufsteigende und absteigende Portion des Colon, ebenso
wie die Flexura sigmoidea sind links durch die Dünndarmschlingen, rechts durch
den oben erwähnten Tumor verborgen. Die Geschwulst ist von gesättigtem Roth
'
181
und ähnelt einer elastischen Blase, welche sehr gespannt und mehr als kinds-
kopfgross ist. Die Umhüllung der Blase wird durch ein zartes Gewebe gebildet,
durch welches mau eine Arterie wahrnimmt. Wenn man die Blaso vorsichtig
nach links schiebt, sieht man, wie sie gegen das in gewöhnlicher Stellung be-
findliche Coecum gedrückt war. Die Wand der Blase erscheint in Continuität mit
dem Peritoneum, welches das Coecum bedeckt, folglich ist diese Blase retro-
peritoncal. Indem man dem Coecum, Colon ascendens und transversum folgt,
findet man, dass das letztere in seiner Mitte mit der Portio pylorica des Magens
durch solide Neubildungen in der Form von Strängen vereinigt ist, welche ein unge-
faltetes Epiploon constituiren. Daher stammen wahrscheinlich die Falten an dem
beträchtlich verlängerten Dünndarm. Indem man jetzt dem abgeplatteten Coecum
gegen das Ileum hin folgt, erscheint plötzlich der Dünndarm 25 cm von der Valvula
Bauhini in einem Ringe, gelegen in der Wurzel des Mesenteriums an einem
Ort, wo man denselben in normalem Zustande nicht findet. Diese Oeffnung, in
welche man 2 Finger einführen kann, liegt gerade vor der Wirbelsäule. Indem
man sanft an dem Ileum zieht, erscheinen die Dünndarmschlingen und es ver-
mindert sich zu gleicher Zeit das Volumen der Blase in der Coecalgegend. Es
ist klar, dass der Inhalt der Bla«e durch den Dünndarm gebildet ist, welcher
durch die Oeffnung eines Bruchringes hineingedrungen und, so eiuen Bruchsack
bildend, retro-peritoneal geworden ist. Die Schlingen, welche aus der Oeffnung
herausgetreten waren, zeigten sich trüb und ebenso wie ihre kleinen Venen in-
jicirt; die Serosa zwischen den Gefässen zeigte eine dunkelrote Farbe, jedoch
weniger gesättigt, wie diejenige des Dünndarms , welche ausserhalb des Sackes
gelegen ist. Der bei der Eröffnung der Bauchhöhle Vorgefundene Dünndarm war
durch seine dunkelrothe Farbe ausgezeichnet. Nachdem so die grosse Spannung,
welche in dem Bruchsack existirte, gehoben war, führten wir den Finger in die
retro-peritoneale Höhle ein. Sie breitete sich nach rechts bis zur Anheftung des
Coecum und Colon ascendens, nach links bis zur Wirbelsäule, nach unten bis
neben das Promontorium, nach oben und rechts bis neben das Duodenum aus.
Sie war überall von der Serosa bedeckt, welche sich mit dem Peritoneum in Con-
tinuität befand. Diese Serosa bildete ebenso innerhalb des Sackes eine stark ge-
spannte Wand. Folglich stellt die Wand der retro -peritonealen Höhle eine
accessorische Cavität des Peritoneums dar, welche hinter dem hinteren Peritoneum
gelegen ist, d. h. einen retro-peritonealen Bruchsack. Die Oeffnung des Bruch-
sackes ist vorn durch die Wurzel des Mesenteriums begrenzt, welche um die
Oeffnung einen Bogen mit nach links gewandter Concavität bildet. In diesem
Bogen verlaufen 3 Gefässe: 2 Arterien, welche sich bald höher oben zu einer
einzigen vereinigen und ein wenig mehr nach links eine Vene. Der Stamm der
Arterien ist an der Stelle gelegen, wo das Duodenum neben der Aorta in das Je-
junum übergeht: es ist die Art. mesenterica sup. Die Oeffnung des Sackes
findet sich unmittelbar neben der Wirbelsäule. Das Peritoneum geht von den
Nieren direct und gänzlich in die Wand über, welche den Boden des Sackes bildet.
Wenngleich auch dieser Fall in Bezug auf die Beschreibung
Manches zu wünschen übrig lässt, so können wir doch aus dem
soeben Citirten mit ziemlicher Sicherheit entnehmen, dass derselbe
eine Hernia parajejunalis bei normaler Lage des Colon darstellte.
Die Bruchgeschwulst lag in der rechten Bauchhälfte zwischen dem
182
Colon ascendens und der Wirbelsäule. Die Brachöffnung war an
der linken Wand des Sackes dicht vor der Wirbelsäule gelegen.
In ihrem vorderen Rande verlief die Arteria mesenterica sup.
bzw. ilio-colica und an demselben war zugleich die Wurzellinie des
Dünndarmgekrösesangeheftet. Das letztere, characteristische Moment
ist mit besonderer Schärfe und Klarheit hervorgehoben. Ueber
den Verlauf des Duodenum und seinen Uebergang in das Jejunum
ist leider nichts Genaueres gesagt. Doch möchte ich wohl mit Be-
stimmtheit annehmen, dass auch hier, wie in den früher beschriebenen
Fällen, das mit der hinteren Bauchwand verlöthete, vielleicht nur
sehr kurze Anfangsstück des Jejunum in die obere Wand des
Sackes eingetreten ist, während durch die Bruchpforte nur ein
einziges Darmrohr, nämlich das Ileum hineinzog, welches ja, wenn
man es vom Coecum aus verfolgte, gemäss der Angabe des Autors
nach einem 25 cm langen Verlauf plötzlich in der Bruchpforte
verschwand. Da durch die Oeffnung nur 2 Finger in den Bruch-
sack eingeführt werden konnten, dieselbe also sehr klein gewesen
zu sein scheint, und sich trotzdem das Ileum schon durch einen
sanften Zug aus der ersteren herausziehen liess, so ist kaum an-
zunehmen, dass in der Bruclipforte 2 Darmrohre gelegen haben. Auch
würde diese Thatsache wohl von dem Autor besonders erwähnt
worden sein. Ist das Letztere aber nicht der Fall gewesen, so bleibt
nur die Annahme übrig, dass bei normaler Lage der Flexura duodeno-
jejunalis das Anfangsstück des Jejunum in der bereits für die früheren
Fälle beschriebenen Weise durch die obere Wand in den Sack
hineingetreten ist. Interessant ist in klinischer Beziehung, dass
dieser Fall unter schweren peritonitischen Erscheinungen zum Tode
führte, welche sich der Verfasser selbst laut der Ueberschrift durch
Incarceration hervorgerufen denkt. Allerdings muss ich gestehen,
dass die Beschreibung des Falles nicht gerade mit Deutlichkeit für
eine solche Incarceration spricht, da nach der Angabe des Autors
gerade die unterhalb der angeblichen Incarceratiousstelle gelegenen
Darmstücke, d. h. die offenbar ausserhalb des Bruchsackes ge-
legenen letzten 25 cm des Ileum und der Dickdarm ausserordentlich
ausgedehnt waren — vielleicht mit Ausnahme des stark gegen
die vordere Bauchwand gepressten Colon transversum. Alle geschil-
derten Erscheinungen würden sich auch unter dem Bilde einer uni-
versellen Peritonitis unterbringen lassen.
Die beiden letzten Fälle von sog.Hernia retroperitonealis dextra,
diejenigen von Gerard-Marcliant und Quenu, sind von Jonncsco
183
(No. 2 pag. 261 — 264) zuerst pablicirt worden. Von diesen beiden
Fällen ist jedoch nur der erstere beschrieben worden, bei dem
zweiten ist die Beschreibung unterblieben, da G-erard-Marchant,
welcher bei der Obduction zugegen war, an demselben eine ganz
analoge Disposition wie in dem von ihm beobachteten Falle con-
statirte. Der erste Fall ist durch zwei Abbildungen (Fig. 64 u. 65)
erläutert, welche das Verständniss desselben erheblich erleichtern.
Pall 7 (von Guerar d-Marchant). Trouve sur cadavre d'adulte, destine
ä la dissection, ä, l’Ecole pratique.
A 1'ouvert.ure du ventre on trouve le grand epiploon paraissant normal.
Apres l’avoir releve, on tombe sur une vaste poche sereuse, mince, laissant voir
distinctement par transparence les anses de l’intestin grele y contenues. En
dehors du sac, on ne trouvait, ä part la premiere portion du duodenum, aucune
autre partie de rintestin grele. Oette poche etait encadree par les cölons; ä,
droite le eaecum adherait a la poclie par un assez long repli sereux. Le cölon
ascendant, l’angle colique droit et les deux tiers droits du cölon transverse etaient
accoles intimement ft la poche. L’angle colique gauche, ainsi que le cölon de-
scendant et l’S iliaque occupaient leur Situation normale et etaient munis de
mesos assez longs. La poche avait les dimensions d’une tete d’enfant. En bas
eile descendait jusqu’au promontoire oü eile adherait. En soulevant le bord
gauche de la poche on put voir que celle-ci se reflechissait de gauche ä, droite
vers la colonne vertebrale. En relevant plus fortement en haut et ä droite l’ex-
tremite inferieure de la poche, on decouvrit sur sa paroi posterieure un orifice
ainsi constitue: Tres large, on pouvait y introduire facilement le poing. II
avait la forme d’un ovale allonge de haut en bas, de gauche h droite. Son bord
posterieur etait contre la colonne lombaire. Son bord anterieur se presentait
sous l'aspect d’un repli tranchant, falciforme, semi-lunaire, ä concavite regardant
ä gauche et en arriere. La hindere de l’orifice regardait le flanc droit de la
colonne lombaire. Les deux cornes formant le bord libre de l’orifice se perdaient
de la facon suivante: la superieure s’inserait sur la colonne vertebrale et de 1;\
allait se perdre dans le feuillet sereux qui recouvrait le duodenum; la corne in-
ferieure, situee pres du caecum, etait contournee par la portion terminale de
l’ileon qiü penetrait dans le sac ä ce niveau. On chercha a faire sortir l'intestin
et on put retirer tres facilement et devider tout l’intestin grele contenu dans
le sac. Alors on constata que l’intestiu etait rattache par son mesentere tout
le long du bord libre de l’orifice du sac. Tout le long de ce bord libre chemi-
nait härtere mesenterique superieure, qui penetrait dans la corne superieure du
repli, immediatement aprös sa naissance de l’aorte, continuait son trajet, quittait
ce repli prös de la corne inferieure, et allait se perdre au niveau de l’angle ileo-
caecal. De cette artöre naissaient les branches destinees a l’intestin grele qui
penetraient dans l’epaisseur du mesentere. De la meme artere partaient trois
branches volumineuses qui se dirigeaient de gauche ä droite dans l’epaisseur
de la paroi anterieure du sac, vers les cölons ascendant et transverse. La paroi
anterieure du sac est formee de deux lames sörouses.
En examinant la ca vite du sac, on constata que sa paroi posterieure etait
formee d’une seule lame sereuse. Cette vaste poche se prolongeait en haut et
184
ä, droite vers le foie, en passant par-dessus les vaisseaux rdnaux, le rein et les
psoas, du cöte droit; en bas, eile descendait jusque dans la fosse iliaque et re-
couvrait t\ ce niveau l’uretöre droit. A la partie superieure du sac on voyait
sa paroi posterieure soulev6e par le duodönum, qui penetrait ä, ce niveau dans
la poche, et se continuait, aprös s’etre detache de cette paroi, dans le jöjunum.
Ainsi on ne voyait sortir du sac qu’un seul tube intestinal, la portion
terminale de l’ilöon, qui presentait une torsion sur son axe, sa sortie de la
poche.
Nous avons chercliö la continuite des differentes lames qui composaient
l'enveloppe söreuse de ce sac et nous nous sonunes assuiA que la paroi an-
terieure etait recouverte par les feuillets: interne du mesocölon ascendant, et
införieur du colon transverse.
Der eben citirte Fall stellt die voluminöseste von allen bisher
bekannten rechtsseitig gelegenen Herniae retro-peritoneales dextrae
dar. Wie aus der übrigens zweifellos schematisch1) gehaltenen Fig. 64
und der eben citirten Beschreibung hervorgeht, enthielt der Bruchsack
mit Ausnahme eines ganz kleinen Stückes Ileum und des Duodenum
sämmtliche Dünndarmschlingen, auch schob er sich anscheinend, wenn
auch nicht hinter dem Peritoneum parietale, so doch mit dem linken
Abschnitt seines Umfanges über die Medianlinie hinaus nach links
hinüber. Das Colon umgab die Bruchgeschwulst in normaler Lage, nur
muss das Mesocolon transversum an seinen rechten zwei Dritteln
schon vor der Entstehung des Bruches ein sehr kurzes Gekröse gehabt
haben, weil es sonst unmöglich hierselbst an den Bruchsack hätte
angeheftet sein können. Die Bruchöffnung war durch ihre ausser-
ordentliche Grösse oder, besser gesagt, Länge ausgezeichnet: sie
erstreckte sich (cf. Fig. 65) vom 2. Lendenwirbel bis zu dem
normal gelagerten Coecum. Ihr vorderer Rand zeigte sich nach dem
Herausziehen des anscheinend sehr kurzen Dünndarms in ganzer
Ausdehnung von der Arteria mesenterica sup. bzw. Arteria ilio-colica
durchzogen und diente zugleich dem ganzen freien Gekröse des Je-
junum und Ileum als Wurzellinie. Ihr hinterer, wenig ausgeprägter
Rand wurde durch das Peritoneum parietale der hinteren Bauch-
wand gebildet. Von hier aus schob sich der Bruchsack nach rechts
und oben hinter das ehemalige (verlöthete) Mesocolon ascendens
und transversum hinein. Ueber den Verlauf des Duodenum ist
leider gar nichts in der Beschreibung gesagt; doch ersehen wir
aus der ersten Figur, dass dasselbe jedenfalls zunächst eine Pars
transversa sup. und descendens gehabt haben muss. Die letztere
ist alsdann wahrscheinlich in eine Pars ascendens übergegangen,
’) Die Leber kann beispielsweise ganz unmöglich die abgebildete Form,
Grösse und Lage gehabt haben.
185
welche sich hierauf in das mit der hinteren Bauchwand verlöthete,
d. h. retroperitoneal hinter der hinteren Wand des Bruchsackes
gelegene Anfangsstück des Jejunum fortgesetzt haben muss.
Wenigstens sehen wir an der zweiten Figur rechts vou dem An-
fang der Arteria mesenterica sup. und unmittelbar rechts neben der
Wirbelsäule gelegen ein vertical nach abwärts ziehendes Dünn-
darmstück, welches offenbar nach der Beschreibung und Zeichnung
retroperitoneal gelegen ist und sich continuirlich in das mit einem
freien Gekröse versehenen Jejunum fortsetzt. Dieses Darmstück kann
wegen seines vertical nach abwärts gerichteten Verlaufs unmöglich als
die Pars ascendens duodeni, sondern höchstens als der mit der hin-
teren Bauchwand verlöthete Anfang des Jejunum angesehen werden.
Somit hätten wir bei diesem Falle alle Characteristica der von mir
sog. Hernia parajejunalis s. mesenterica-parietalis ohne eine jede
Wanderung der Bruchpforte beisammen. Das einzig Rätlisel-
hafte in diesem sonst so klaren Falle beruht allein in der ausser-
ordentlichen Ausdehnung der Bruchpforte ohne jede Locomotion
derselben. Man könnte ja sagen, dass, beim Verharren des oberen
Poles der Bruchpforte in seiner normalen Lage, durch die Last des
wachsenden Bruches besonders in aufrechter Stellung der untere
Pol derselben allmählich immer mehr nach abwärts gezogen sei, was
immerhin eine abnorme Nachgiebigkeit des letzteren zur Voraus-
setzung hätte. Indessen kann man auch annehmen, dass der Re-
cessus mesenterico-parietalis in diesem Falle von vornherein eine
ganz abnorme Grösse und eine ganz abnorm weite Oeffmmg ge-
habt hätte. Man braucht sich nur vorzustellen, dass hier während
des Embiyonallebens der Verlöthungsprocess des Nabelsclileifenge-
kröses mit der hinteren Bauch wand nicht ganz nach der Norm
vor sich gegangen wäre, sondern dass zuerst der Anfangstheil des
Jejunum, weiterhin der rechte Abschnitt des Mesocolon bezw.
Colon transversum endlich das Colon ascendens mit dem Duodenum
und der hinteren Bauchwand in annähernd normaler Weise ver-
wuchsen, während die Verlöthung des ganzen Mesocolon ascen-
dens mit der hinteren Bauchwand unterblieb. Dadurch würde von
vorn herein ein ausserordentlich grosser Recessus mesenterico-parie-
talis gegeben gewesen sein, dessen Orificium an seinem vorderen
Rande durch die ganze, von der Art. mesenterica sup. durchzogene
Wurzellinie des freien Dünndarmgekröses, an seinem hinteren
Rande durch das Peritoneum parietale der hinteren Bauchwand ge-
bildet war. Durch die andrängenden Speisemassen könnte auch
186
in diesem Falle nach der Geburt allmählich das ganze Packet der
freien Dünndarmschlingen in den Recessus hineingeschoben worden
sein. Der Fall von Gerard-Marchant würde dann nur den
Beweis liefern, dass es bei der Bildung einer solchen Hernie,
ebenso wie bei der Bildung der Tr eitz’ sehen Hernia duodeno-
jejunalis sinistra, weit weniger auf die Enge oder W eite der Ein-
trittsöffnung, als auf das Vorhandensein eines resistenten Ge-
fässringes ankommt, welcher die unter ihn geschobene Darm-
schlinge zurückhält und sich durch die letztere nicht ohne weiteres
bei Seite drängen lässt. Welche von den beiden eben explicirten
H}7pothesen die richtige ist, dürfte sich erst constatiren lassen,
wenn weitere correcte Beobachtungen über diese Frage vorliegen.
Jedenfalls kann diese Hernie unmöglich in dem unteren Horn der
Treitz’schen Plica duodenos-jejunalis entstanden sein.
Fall 8 (von Quenu). Die Besclireibnng des bei einem 50jährigen Manne
beobachteten Falles enthält nur eine kurze Krankengeschichte, aus welcher soviel
zu entnehmen ist, dass es sich bei demselben um eine Incarceration des Darmes,
hervorgerufen durch eine Hernia retroperitonealis dextra gehandelt hat. Hach
vollführter Laparotomie starb der Patient unter den Erscheinungen einer Lungen-
Congestion. Gerard-Marchant constatirte, wie bereits erwähnt, eine Hernie,
welche ein ganz ähnliches Verhalten, wie in dem vorhin beschriebenen Falle zeigte.
Aii diese Fälle scliliesse ich noch einen von C. Fürst unter
dem Titel: „Fall von Hernia retro-peritonealis mit embryonaler
Hemmungslage der Därme“, in schwedischer Sprache mitgeteilten
Fall an, welchen ich wegen seiner besonders complicirten Be-
schaffenheit zuletzt betrachte. Demselben ist eine Abbildung der
intacten Bruchgeschwulst in ihrer Lage zu den Nachbarorganen
beigegeben.
Fall 9 (von C. Fürst). Gl jähriger Schneider. Die Leiche war zur
Muskelpräparation verwendet worden und hatte, als der Bauch geöffnet wurde,
so lange gelegen, dass sie nicht mehr als Präparat conservirt werden konnte
Beim Eröffnen der Bauchhöhle wurde sogleich die abnorme Lage der
Därme bemerkt. Die Dünndärme waren nur in der Kegio iliaca dextra und
hypogastrica wahrzunehmen. Im unteren Theile der Kegio umbilicalis war der
Blinddarm gelegen. Das Omentum war in den angrenzenden Theilen der Regio
hypochondriaca sinistra verborgen. Ein Theil der Regio umbilicalis und die
ganze Regio lumbalis sinistra und Regio iliaca sinistra werden vom Dickdarm
eingenommen. Der Magen kommt etwas unterhalb der linken Rippenkante zum
Vorschein. Der Pylorus und der erste Theil des Duodenum sind gleicher Weise
sichtbar.
Die Regio lumbalis und die benachbarten Partien der Regio hypochondriaca
und umbilicalis dextra sind von einer grossen stark gespannten und sich aus-
buchtenden Peritonealfalte occupirt, unter welcher ein Dünndarmstück hervor-
187
tritt. Boi näherer Untersuchung zeigt sich, dass diese Peritonealfalte die vordere
Begrenzung einer Tasche darstellt, welche einen Inhalt von der Grösse zweier
geballter Fäuste beherbergt. Die vordere Wand der Tasche bestand aus der eben
erwähnten Poritonealfalte und dem Colon ascendens. Die linke Wand wurde
von dem Gekröse für das Colon ascendens gebildet, die hintere Wand von
der hinteren Bauchwaud. Die Oeffnung der Tasche liegt vorn unten und
etwas nach rechts. Der grösste Durchmesser der Oeffnung beträgt 12 cm.
Sie ist begrenzt von der hinteren Bauchwand und dem freien Rande der oben
erwähnten Peritonealfal'te, deren linkes Horn sich in 2 Falten teilt, von denen
die eine in das Mesenteriolum des Processus vermiformis übergeht, während die
andere in der Höhe des 4. Lendenwirbels in dem Dünndarmgekröse verschwindet.
Das rechte Horn geht sichelförmig nach hinten, hierauf nach links und unten,
um alsdann über den untersten Theil der Niere hinwegzuziehen und am rechten
Blatt des Dünndarmgekröses zu verschwinden.
Der Magen hat normale Lage und Grösse; vom Pylorus aus geht das
Duodenum erst etwas nach rechts, dann nach unten, macht so eine Biegung
nach rechts und wendet sich dann aufwärts. Nachdem es dann die Höhe des
Pylorus erreicht hat, wendet es sich wieder nach rechts und unten und verläuft
parallel mit der ersten Schlinge. Das Duodenum hat demnach nicht seine ge-
wöhnliche Hufeisenform, sondern zieht zickzackförmig mit 3 parallelen Schlingen
nach rechts. Gleich unterhalb der dritten Schlinge wird der Darm von dem
oberen Befestigungsrande der vorhin erwähnten Peritonealfalte in einer Höhe mit
der Mitte des II. Lendenwirbels gekreuzt und gelangt alsdann mittelst einer
freien Darmschlinge (Flexura duodeno-jejunalis) in den oberen Theil der Tasche.
Gleich nachdem der Darm in die Tasche getreten ist, bekommt er alsdann ein
Mesenterium, dessen Wurzellinie sich von der Mitte des II. Lendenwirbels nach
abwärts und rechts bis zur rechten Seite des Promontorium erstreckt. Yon
dort zieht es aufwärts bis zur unteren Kante des IV. Lendenwirbels links von
der Mittellinie und geht schliesslich mit einer kurzen Wendung nach rechts und
unten in das Gekröse des Blinddarms über. Der Dickdarm besitzt bis zur
Flexura coli sinistra ein Gekröse. Der Processus vermiformis besitzt ein eigenes
Mesenteriolum.
Ungefähr 2/a der Dünndärme liegen in dem durch die Peritonealfalte ge-
bildeten Sack und die einzelne Schlinge, welche aus der Tasche heraustritt,
steigt ein Stück gerade nach abwärts. Der übrige Theil des Ileum liegt in dem
mittleren Abschnitt der Regio iliaca dextra, in der Regio hypogastrica und in
der Beckenhöhle. Das letzte Stück des Ileum beschreibt zuerst einen Bogen
nach aufwärts, dann nach unten und links und mündet hierauf von links her in
das Colon ein. Der Blinddarm liegt in der Mittellinie und das Colon ascendens
steigt in derselben Linie gerade nach aufwärts. Der Dickdarm verläuft von
dort zuerst 10 cm in horizontaler Richtung, macht dann eine grosse Biegung
nach unten, bis er auf eine Schlinge der Flexura sigmoidea stösst, geht dann
wieder aufwärts und bildet die Flexura coli sinistra, um schliesslich normal
weiter zu verlaufen.
Das Colon ascendens besitzt gar kein Gekröse in gewöhnlichem Sinne,
sondern liegt zwischen den beiden Blättern der oben geschilderten Peritonealfalte.
Die linke Wand der Tasche schliesst ein Gefäss (oder Gefässe?) ein und muss
deshalb als das eigentliche Mesenterium angesehen werden.
188
Das Omentum majus ist normal, aber ein wenig retrahirt. Vom Foramen
Winslowii aus kommt man auf normale Weise in die Bursa omenti minoris und
von dort durch das Fora men omenti majoris in die Bursa omenti majoris hinein.
Die übrigen Eingeweide sind normal sowohl in Bezug auf ihre Lage wie auf ihre
Form. Beide Testikel sind in das Scrotum herabgestiegen. Krankhafte Ver-
änderungen oder deren Ueberbleibsol können an dem Peritoneum nicht bemerkt
werden. Nach einer Injection in die Vena portarum und nachfolgender Prä-
paration zeigen sich die Venen und Arterien beide in Bezug auf ihren Verlauf
zu den entsprechenden Darmabschnitten vollkommen normal.
Wenngleich die Beschreibung dieses Falles in einigen Punkten
ungenau ist, so kann man sich doch aus derselben und aus der
beigegebenen Abbildung ein ziemlich klares Bild von dem betr.
Falle machen. Etwas unklar ist die Beschreibung in Bezug auf
den Verlauf und die Lage des Duodenum; doch lässt sich immer-
hin aus derselben entnehmen, dass das Duodenum eine Pars trans-
versa sup., descendens und ascendens gehabt haben muss, von denen
alsdann der letztere Abschnitt in ein ebenfalls mit der hinteren
Bauchwand verlöthetes Darmstück überging, welches parallel mit
der Pars ascendens nach rechts und abwärts zog, um schliesslich
in die obere Wand des Sackes einzutreten und ein freies Gekröse
zu erhalten. Dies letztere, mit der Pars ascendens parallele Darm-
stiick wird von Fürst noch zum Duodenum gerechnet, ist jedoch
nach meinen früheren Ausführungen zweifellos als das mit der
hinteren Bauchwand verlöthete Anfangstück des Jejunum anzu-
sehen. Im übrigen wäre hervorzuheben, dass die Bruchpforte der
tiefsten Stelle der rechtsseitig gelegenen Bruchgeschwulst ent-
sprach, und dass das Coecuin und Colon ascendens nebst den zu-
führenden Blutgefässen zwischen den beiden Blättern der linken
Wand des Bruchsackes gelegen waren. Das Coecum lag jedoch
ziemlich hoch in der Medianlinie, der übrige Dickdarm war auf die
linke Bauchhälfte zusammengedrängt und zeigte normale Gekrös-
verhältnisse. Die oberen 2/3 des Dünndarmes lagen in dem
Bruchsack und besassen ein freies, rechts von der Wirbelsäule be-
festigtes Gekröse, welches zusammen mit dem Ileum über den Band
der Bruchpforte hinweg aus der letzteren herauszog und alsdann
sich ebenso wie der letztere Darmtheil bis zum Coecum erstreckte.
Die Wurzellinie des Gekröses muss hier somit entschieden noch
ein Stück neben dem linken Bande der Bruchpforte über die linke
Wand des Sackes verlaufen sein. Ein grösseres Gefäss kann nach
Lage der Dinge in dem vorderen Bande der Bruchpforte unmög-
lich gelegen haben.
189
Der eben beschriebene Fall wird von Fürst als eine Hernia
retroperitonealis mit abnormer Lage der Därme bezeichnet, welch’
letztere er durch eine Bildungshemmung zu erklären sucht. Nach
seiner Ansicht ist hier ursprünglich ein Mesenterium commune vor-
handen gewesen, weshalb zunächst die Bildung einer Fossa duo-
deno-jejunalis oder subcaecalis und damit auch einer solchen Hernie
als ausgeschlossen erscheint. Wenn ich weiterhin diesen Autor
recht verstehe, so nimmt er an, dass sich das ursprünglich abnorm
hochstehende und weit nach links gelegene Coecum und Colon as-
cendens während des embryonalen Lebens bei weiterer Senkung
nach abwärts mit ihrem Gekröse über den oberen Abschnitt der
in der rechten Bauchhälfte gelegenen Dünndärme in der Richtung
von oben nach unten gewissermaassen hinübergestülpt hätten, so
dass sich die Dünndarme sozusagen von unten her in eine zwischen
den beiden Blättern des Mesocolon ascendens befindliche Tasche
hineingeschoben hätten. Nach der Geburt sollen sich alsdann in-
folge stärkerer Ausdehnung durch Gas und Speisen die Därme in
den congenitalen Recessus weiter hineingedrängt und die Hernie
gebildet haben. Die ganze Fürst’sche Erklärung basirt jedoch
nach der eigenen Angabe des Autors auf der, wie ich annehmen
darf, jetzt vollständig widerlegten Treitz’schen Hypothese, die
Anheftung des Mesocolon ascendens an die hintere Bauchwand
erfolge dadurch, dass das laterale Blatt desselben gewissermaassen
von dem medialen hinweggezerrt und zur Bedeckung der hinteren
und seitlichen Bauchwand verwandt werde, als deren Peritoneum
parietale es nachher figurirt. Infolgedessen ist aber die von Fürst
gegebene Deutung dieses Falles heute in keiner Weise mehr accep-
tabel: sie beruht eben auf ganz falschen Voraussetzungen.
Eine etwas andere Erklärung dieses Falles giebt Jonnesco
(No. 2 p 130), welche ich lieber wörtlich citiren will, da auch
diese in keiner Weise mit den von Toi dt zuerst beschriebenen,
von Jonnesco selbst (No. 2 p. 125) anerkannten und von mir durch
eigene Nachuntersuchungen bestätigten Vorgängen bei der Ver-
wachsung der gemeinschaftlichen Mesenterialplatte für das Jejunum,
Ileum, Coecum, Colon ascendens und transversum mit der hinteren
Bauch wand im Einklang zu bringen ist. Jonnesco sagt Folgendes:
Pour nous il s'agit dans ce cas d'une evolution defectueuse de l'intesbin
et du meso secondaire du cölon ascendent. L’intestin grele etait primitivement
situe t\ di’oite de la colonne vertebrale et allait du meme cote s’aboucher dans
Je coecum. Le caecurn, en descendant de dessous le foie vers la fosse iliaque
190
droite, a ete force de passer par-dessus et ä gauche de la masse intestinale
grele. Bientot de la paroi posterieure du caecum et du cdlon ascendant partent
des fouillets sereux destines former, en s’ins6rant ä, la paroi abdominale
posterieure, les meso-caecum, mesocölon ascendant et meso de l'angle colique droit.
Or, dans leur course, les deux fouillets droit et gauche de ces meso se sont
dtales sur la masse d’intestin grele pour aller ensuite rejoindre le pöritoine pa-
rietal. En bas, les bords libres des deux lames sereuses, en se continuant l’un
dans l’autre ont circonscrit l’orifice de la poche avec le repli sereux , qui, parti
dvi mesentero de l’intestin grele, va se fixer ä la paroi abdominale posterieure.
Par cet onfice ne pouvait sortir qu’un seul tube: la terminaison de l’ileon.
En haut les lames du m6so de l’angle colique droit ont rencontre le duodenum
descendant, l'ont recouvert comme toujours du reste, et ainsi s’est formee la
paroi superieure de cette poche.
En se rappelant, ce qne nous avons dit du mode de formation des fossettes
retrocaecales ou fossettes de formation secondaire, on verra, que cette poche ne
represente qu’une vaste fossette de ce genre, dont le developpement a ete devie
par l’existence de toute la masse de l’intestin grele ä droite de la colonne verte-
brale. Du reste la Situation du cölon ascendant et du caecum dans la paroi
anterieure du sac est encore une preuve eu faveur de notre opinion.
En somme, ce cas est une hernie retrocaecale et colique due ä la formation
d’une poche retrocaecale et retrocolique enorme et abnormale.
Ich will also zunächst im Einklang mit Jonnesco und wolil
auch mit Fürst annehmen, dass in diesem Falle während des
embryonalen Lebens die ßechtswendung der gemeinschaftlichen
Mesenterialplatte für das Jejuno - ileurn und Colon ascendens
unterblieb, so dass das Jejunum und Ileum in der rechten Bauch-
hälfte, das auffallend kurze Colon ascendens mit dem Coecum in
der Medianlinie gelagert waren. Weiterhin erfolgte dann — wenn
ich Jonnesco recht verstehe — eine partielle Verwachsung der
Mesenterialplatte mit der hinteren Bauchwand in der Weise, dass
die Wurzellinie des Mesocolon ascendens an der linken Seite, die-
jenige für das Dünndarmgekröse an der rechten Seite der Ver-
wachsungsstelle gelegen war. Jetzt stosse ich aber, dem Gange
der Jon uesco’s dien Erklärung folgend, auf ein Hinderniss, über
welches mir meine Phantasie nicht hinweghilft. Wie sollen sich
jetzt das linke und das rechte Blatt des Mesocaecum und Mesocolon
ascendens über die Masse der rechts gelegenen Dünndärme aus-
breiten ( etaler ), um schliesslich das Peritoneum parietale zu er-
reichen? Welche Kraft zerrt die Blätter auseinander? Man könnte
ja vielleicht — was Jonnesco übrigens nicht ausspricht — sup-
pouiren, dass eine erneute Verlöthung zwischen dem rechten Blatte
des Mesocolon ascendens und dem rechts von den Dünndärmen
gelegenen Peritoneum parietale der seitlichen Bauchwand statt-
191
gefunden hatte, welche weiterhin zur Bildung' einer Verlöthungs-
falte (der späteren vorderen Wand des Bruchsackes) geführt hätte.
Aber das Coecum und Colon ascendens liegen ja in der Median-
linie, das rechte Blatt ihres Gekröses ist von dem lateralen Theile
der hinteren bezw. der rechten seitlichen Bauchwand durch die
Dünndärme getrennt — wie sollte es da zu einer solchen Ver-
löthung kommen? Kurz, die Jonnesco'sche Erklärung bleibt für
mich solange eine mechanische Unmöglichkeit, als mir der letztere
Autor nicht in viel detaillirterer Weise erklärt, wie er sich den
ganzen Process eigentlich vorstellt. Im ganzen machen mir seine
Auseinandersetzungen aber den Eindruck, als ob es ihm, halb auf
dem Boden der Treitz’schen, halb auf dem der Toldt'schen Theo-
rie stehend, hier nicht gelungen ist, die sonstige Klarheit seine]'
Ausführungen zu wahren.
Ich gehe nun dazu über, meine eigene Ansicht über diesen
interessanten Fall zu expliciren, welche sich kurz dahin präsiciren
lässt, dass es sich hier um eine Hernia parajejunalis gehandelt hat,
welche sich bei hochstehendem, mit einem theilweise freien
Gekröse versehenen Coecum und Colon ascendens ent-
wickelte und mit einer ungewöhnlich weiten Wanderung
der Bruchpforte complicirt war. Ich muss gestehen, dass es
mir selbst die grössten Schwierigkeiten bereitet hat, zu einer klaren
Vorstellung über die Entwickelung und definitive Gestaltung dieser
Hernie zu kommen, weil ihr in diesem Falle eins ihrer wichtigsten
Characteristica, nämlich das Vorhandensein der A. mesenterica sup.
bezw. ilio-colica sin. und der Wurzellinie des Dünndarmgekröses
in dem vorderen Rande ihrer Bruchpforte, gefehlt hat. Indessen
wird aus dem Folgenden ersichtlich sein, dass sich bei einer so
weiten Wanderung der Bruchpforte und derartig hoch oben ge-
legenem Coecum die eben genannten Arterien und das Dünndarm-
gekröse gar nicht anders verhalten konnten, als es sich hier dar-
stellte. Ich möchte zunächst vorausschicken, dass die von Fürst
und Jonnesco besonders hervorgehobene Thatsache von der Links-
lage des Coecum und Colon ascendens in diesem Falle doch noch
nicht im mindesten beweist, dass hier während des Embryonallebens
die normale Locomotion dieser Darmtheile auf Hindernisse ge-
stossen oder gänzlich unterblieben ist. Auch bei den Treitz’schen
linksseitigen Hernien ist es doch einigemale vorgekommen, dass
das Colon descendens an die rechte Wand des Bruchsackes an-
geheftet vorgefunden wurde, ohne dass es bis jetzt irgend jemand
192
eingefallen ist, liier anzunelimen, dass schon beim Embryo die
Dünndärme links, das Colon descendens rechts gelegen hätten.
Was man aber aus einer solchen ungewöhnlichen Lage des Colon
descendens zu dem Bruchsack der linksseitigen und des Colon as-
cendens zu dem der rechtsseitigen Hernien ohne weiteres folgern
kann, ist, dass vor der Entwickelung des Bruches die eben ge-
nannten Darmstücke ein wenigstens theilweise freies Ge-
kröse gehabt haben müssen, weil andererseits, d. h. bei normal
fixirtem Colon ascendens und descendens die spätere Hernie unter
allen Umständen in dem Coloncarree verbleiben musste, anstatt
mit ihrer Hauptmasse sei es links, sei es rechts von dem letzteren
gelegen zu sein.
Nach meiner Meinung haben wir uns im Fürst’schen Falle
den Status praesens unmittelbar nach der Geburt folgendermaassen
zu denken. Die Rechtswendung der gemeinschaftlichen Gekrös-
platte (des ehemaligen Nabelschleifengekröses) und die Verlöthung
ihres hinteren Blattes mit der hinteren Bauchwand bezw. dem
Duodenum und Pankreas war zum Theil erfolgt. Mit der hinteren
Bauchwand war ferner abnormer Weise ein kurzes Anfangsstück
des Jejunum verwachsen, an dessen Ende sich ein Recessus
parajejunalis s. mesenterico - parietalis befand. Die Verlöthung
des Mesocolon ascendens und der Flexura coli dextra war
dagegen, wie dies ja auch sonst bei Neugeborenen gar nicht
selten zu constatiren ist, am lateralen Abschnitt unterblieben, so dass
somit ein theilweise freies Mesenterium commune für das Jejunum,
Ileum, Coecum und Colon ascendens bestand. Der letztere Darm-
abschnitt muss relativ kurz gewesen sein. Da das Colon trans-
versum wahrscheinlich in normaler Weise mit dem Mesogastrium
verlöthet war, so resultirte hieraus ein einigermaassen hoher Stand
des Coecum. Die von mir supponirte Annahme einer gleichzeitigen
abnormen Verlöthung des Jejunumanfangsstückes neben einem theil-
weise freien Colongekröse hat ja an und für sich gar nichts be-
denkliches: die Fälle sind ja ausserordentlich häufig beschrieben
worden, in welchen abnorme Verlöthungsprocesse und das Unter-
bleiben normaler Verlöthungen neben einander coexistirten. Nach
der Geburt begann nun die Entwickelung der Hernie, indem die
andrängenden Speisemassen das Jejunum in den Recessus mesen-
terico-parietalis hineinschoben. Die Hernie entwickelte sich na-
türlich hauptsächlich nach rechts hin, d. h. sie drang hinter der
Wurzel des freien Mesocolon ascendens nach rechts und con-
193
sumirte somit neben dem Peritoneum parietale hauptsächlicli das
rechte Blatt des letzteren Gekrösabschnittes zu ihrer äusseren Be-
deckung-, so dass das Coecum und Colon ascendens allmählich bei
weiterem Wachstlmm des Bruches nach links gelangen mussten.
Die Für st 'sehe Hernie hatte somit zu einer gewissen Zeit (auch
wahrscheinlich schon in den ersten Lebensjahren) ziemlich das
gleiche Aussehen wie in dem von mir zuerst beschriebenen und
auf Figur 9 abgebildeten Fall — mit dem einzigen Unterschied, dass
in dem Für st’ sehen Fall das Coecum ungefähr in Nabel höhe, in
meinem Fall dagegen erheblich tiefer, d. h. dicht über der Symphyse
gelegen war. Nun begann die Wanderung (und nicht bloss eine
Verzerrung) der Bruchpforte vom oberen Abschnitt der linken
Bruchsackwand nach rechts und unten — in dem Sinne wie ich
dies bereits früher (cf. p. 133 — 134) für die Treitz’schen Hernien
postulirt habe. Diese Wanderung, bei welcher natürlich das Coecum
und die A. ilio-colica an ihrem Platze blieben, musste schliesslich
an dem abhängigsten Theile des Bruchsackes ihr Ende erreichen.
Während derselben musste sich aber auch die Wurzellinie des
ursprünglich am vorderen Rande der Bruchpforte haftenden Dünn-
darmgekröses auf die Innenfläche der linken Bruchsackwand und
den linken Rand der Bruchpforte verlegen. IJebrigens möchte ich
glauben, dass die Fürst’ sehe Hernie zu einer gewissen Zeit
complet gewesen ist, dass jedoch nachträglich wieder einige Ileum-
schlingen aus der Bruchpforte vorgefallen sind, nachdem die letztere
erst am abhängigsten Theile der Bruchgeschwulst angelangt war.
Wie man sieht, wird meine Erklärung allen Details gerecht, welche
von Fürst an seinem Falle beobachtet und derartig beschrieben
sind, dass sie nicht missverstanden werden können.
Man wird mir vielleicht einwenden wollen, mit dieser Annahme
einer Wanderung der Bruchpforte Hesse sich ja schliesslich Alles
je nach dem Belieben des Autors erklären, da man ja bei grösseren
intraabdominalen Hernien auf diese Weise sich den ursprünglichen
Sitz der Bruchöffnung an jede beliebige Stelle des Sackes verlegen
könne. Diese Einwendung wäre aber vollständig nichtig, da eine
solche Wanderung natürlich ganz bestimmten mechanischen Ge-
setzen unterworfen ist, welche sich für jede Bruchart a priori con-
struiren lassen und welche ich entsprechenden Ortes bereits oft
genug präcisirt habe. Auch in diesem Falle konnte die Bruch-
pforte nicht etwa über die A. mesenterica sup. bezw. ilio-colica
hinaus nach vorn wandern, sondern sie musste zunächst zwischen
Broesike, Ilornien. J3
194
der eben genannten Arterie und der hinteren Bauchwand abwärts
rücken, um sich dann bei dem nicht unbeträchtlichen Hochstand
des Coecum von den Arterien zu entfernen und schliesslich am
untersten Abschnitt des Bruchsackes ihr Ende zu erreichen. Anders
verhält sich die Sache bei den Treitz’schen Hernien, wo das
Orificium in dem Treitz’schen Gefässring (Aorta abdominalis,
A. mesent. inf., A. colica sin. bezw. Y. mesent. inf.) natürliche
Grenzen besitzt, welche es bei einer noch so weiten Wanderung
nicht überschreiten kann. Auch hier sind colossale Locomotionen
der Bruchöffnung nach abwärts beobachtet worden. Hier musste
aber immer die A. mesent. inf. bezw. colica sin. den unteren Band
derselben begrenzen, da diese Gefässe bei der Wanderung der Bruch-
pforte durch die Last des Bruches mit nach abwärts gezerrt wurden.
Dass diese Wanderung in dem Eürst'schen Falle gewisser-
maassen ihr Endziel erreichte, ist wohl hauptsächlich dem hohen
Lebensalter des betreffenden Individuums zuzuschreiben. Während
der 61 Lebensjahre des letzteren hatte die Bruchpforte in der That
Zeit, sich soweit wie möglich zu senken. Als begünstigendes
Moment mag der von Fürst besonders erwähnte unmässige Lebens-
wandel desselben Individuums mitgewirkt haben, welcher jedenfalls
zu einer häufig wiederkehrenden Ueberfüllung der in dem Brucli-
sack gelegenen Därme geführt hatte, deren Gewicht auf diese
Weise wohl oft genug beträchtlich vermehrt war.
Ich will zum Schluss dieses Kapitels nicht unerwähnt lassen,
dass im Februar 1891 auf dem hiesigen Präparirsaal noch ein
weiterer Fall einer Intraabdominalhernie beobachtet wurde, bei
welchem der grösste Tlieil des Jejunum und Ileum in einem grossen
vor der rechten Niere gelegenen Bruchsack eiugeschlossen war.
während das im kleinen Becken liegende Coecum und das Colon
ascendens ziemlich genau in der Medianlinie aufwärts verliefen und
der Best des Dickdarms auf die linke Bauchhälfte zusammenge-
drängt war. Ich selbst habe den Fall -gar nicht zu Gesicht be-
kommen, da die betreffenden Präparanten allen Weisungen zum
Trotz ihr Zerstörungswerk bereits auf die ausgiebigste Art vollendet
hatten, als ich auf diesen Fall aufmerksam gemacht wurde. Aus den
eingeholten Informationen konnte ich mit Sicherheit kaum mehr
als die obigen Mittheilungen entnehmen. Ich kann somit diesen
Fall lediglich als eine Hernia retroperitonealis dextra registriren,
ohne an denselben irgend welche weitere Betrachtungen zu knüpfen.
Einige andere, von Jonnesco unter die „Hernies duodenales
195
droites“ (Hernia retroperitoneales dextrae) gerechnete Fälle, näm-
lich diejenigen von Lautner, Biagini und Bryk, sind so mangel-
haft beschrieben, dass man aus denselben kaum entnehmen kann,
ob die Bruchgeschwulst in der rechten oder linken Hälfte der
Bauchhöhle gelegen hat. Ich möchte somit auf eine nähere Be-
trachtung derselben völlig verzichten.
Werfen wir einen Rückblick auf das letzte Kapitel, so lässt
sich sagen, dass bisher 9 Fälle von sogen. Hernia retroperitonealis
dextra zur Beobachtung gekommen sind, von denen wir 7 mit völliger
oder wenigstens annähernder Sicherheit als Herniae parajejunales
s. mesenterico-parietales recognosciren konnten. Die beiden anderen
gehören wahrscheinlich auch in die gleiche Kategorie, ohne dass
es jedoch möglich ist, dies mit Bestimmtheit festzustellen. Etwas
befremdend mag es erscheinen, dass die Hernien des Recessus
parajejunalis häufiger als die Tasche selbst beobachtet worden sind.
Indessen ist dies jedenfalls so zu erklären, dass von den Hernien
kaum je ein Fall unbeachtet geblieben sein dürfte, während die
Tasche selbst der Beobachtung oft genug entgangen sein mag.
Auch in den beiden von mir beobachteten Fällen war der Recessus
von Niemand bemerkt und wäre wohl auch von mir übersehen
worden, wenn ich nicht bereits zu jener Zeit auf die von den
Autoren bisher gar nicht beachtete Verlöthung des oberen Jejunum-
endes bei den rechtsseitigen Retroperitonealhernien aufmerksam
gewesen wäre.
Schlussbemerkungen.
Bei einer Arbeit, welche sich in so eingehender Weise wie
die vorliegende mit allen Details betreffs der Entwickelung und
definitiven Gestaltung des Peritoneum, seiner Recessus und seiner
Hernien beschäftigt, erscheint es mir unmöglich, nur meine eigenen
neuen Beobachtungen und Ansichten aus dem Rahmen des Ganzen
herauszureissen und hier in Form eines Resumes wiederzugeben.
Ich glaube mir bei dem Leser grösseren Dank zu verdienen, wenn
ich auf die speciellere Entwicklung des Peritoneum und seiner
Recessus nicht näher eingehe, sondern lediglich diejenigen Resultate
hervorhebe, welche sich auf den gegenwärtigen Stand der Lehre von
den Intraabdominalhernien nach meinen eigenen und den von mir
adoptirten fremden Anschauungen beziehen.
13'
19G
Die im Cavum abdominis vorkommenden Peritonealfalten sind,
wenigstens in ihrer ersten Anlage, im Allgemeinen entweder
Organfalten oder Yerlöthungsfalten, d. li. sie sind, abgesehen
von ihrem Eigenwachsthum, entweder durch die Einlagerung, das
Wachsthum etc. irgend eines Organes, wie z. B. eines grösseren
Blutgefässes, oder durch die physiologische Verlöthung und das
nachherige Auseinanderrücken zweier mehr oder weniger vom
Peritoneum bekleideter Organe entstanden. Ausser den beiden
eben genannten Kategorien von Falten kommen am Peritoneum
auch reine Tractionsfalten vor, d. h. solche, welche nur als das
Resultat irgend einer Zugwirkung anzusehen sind : dieselben haben
anfangs stets einen transitorischen Charakter, können jedoch bei
längerem Bestehen persistent werden. Von der mehr oder weniger
variablen Entwickelung derartiger Falten hängt nun wiederum die
Entstehung der Bauchfelltaschen ab, welche je nach den localen
Verhältnissen mehr oder weniger als Bildungsstätten für intra-
abdominale Hernien prädisponirt sind. Wenngleich sehr viele der-
artige Hernien in einer gar zu mangelhaften Weise beschrieben
sind, als dass es möglich wäre, ihre Entstehungsstätte mit Sicher-
heit anzugeben, so können wir doch über die Genese und das
weitere Verhalten derselben in den allermeisten Fällen zu sicheren
Schlüssen gelangen. Ich muss dabei vorausschicken, dass in dem
Folgenden nur diejenigen intraabdominalen Hernien eine Berück-
sichtigung gefunden haben, welche sich auf physiologischem
Wege entwickelt hatten. Alle anderen Brüche, deren Entstehung
auf irgend welche pathologische, so z. B. peritonitische Processe etc.,
zurückgeführt werden musste, sind ausser Acht gelassen worden.
Einlagerungen von Darmschlingen in das For. Winslowii
sind bisher in 8 Fällen beobachtet worden, bei denen sich vier
Mal ziemlich schwere Incarcerationserscheinungen zeigten. Eine
excessive Beweglichkeit des Darmes, bedingt durch lange Gekröse,
ein schlaffes Peritoneum oder ein mehr oder weniger vollständiges
Mesenterium commune scheinen die nothwendige Voraussetzung für
die Entstehung derartiger Brüche abzugeben. Als eigentliche
Causa efficiens sind nach meiner Ansicht tiefe costale Inspirationen
anzusehen, bei welchen der vordere Abschnitt der Leber im Ver-
gleich zu dem hinteren erheblich gehoben und auf diese Weise das
For. Winslowii zum Klaffen gebracht wird.
Als Hernie des Rec. intersigmoideus können wir mit
einiger Sicherheit nur einen einzigen Fall, nämlich denjenigen von
197
Eve, anspreclien, bei welchem sich allerdings zwischen den ver-
schiedenen Dickdarmabschnitten so ausgedehnte Verwachsungen
vorfanden , dass man zweifelhaft sein kann, ob man diesen Fall
als eine rein physiologische Intraabdominalhernie ansehen darf.
In jedem Falle würde eine Aufwärtslagerung des S romanum bei
starker Spannung seines Gekröses die erste Vorbedingung für die
Entstehung einer Hemia intersigmoidea sein.
Von den in der Umgebung des Ca ecu ms gelegenen Bauch-
felltaschen sind bisher nur der Re c. retrocaecalis und der Re c.
ileo-appendicularis (Rec. ileo-coecalis inf. von Waldeyer)
als Bildungsstätten für intraabdominale Hernien in Anspruch ge-
nommen worden. Als Brüche, welche iu der ersteren Bauchfelltasche
entstanden sind, können möglicherweise 3 — 4 der bisher in der
Literatur publicirten pericaecalen Hernien aufgefasst werden. Ihre
Genese bleibt bei ihrer maugelhaften Beschreibung nach wie vor
in Dunkel gehüllt. Prädisponirend für die Entstehung einer solchen
Hernie müssten in jedem Falle alle diejenigen Momente wirken,
durch welche das bliude Ende des Coecum nach vorn und oben
dislocirt wird. Als Hernie des Rec. ileo-appendicularis ist sehr wahr-
scheinlich der Fall von Snow auzusehen. Für die Entstehung dieser
Bruchart würde eiue starke Ausdehnung des ileo- caecalen Darm-
abschnittes eine Vorbedingung sein, weil nur in diesem Falle die
Oeffhung des Recessus durch die Spannung seiner Wände derartig
zum Klaffen gebracht wird, dass eine Darmschlinge in denselben
ein treten kann.
In der Umgebung der Pars ascendens duodeni und
Flexura duodeno-jejunalis sind eine ganze Anzahl von peri-
tonealen Falten und Taschen beobachtet worden, deren Entstehung
zum weitaus grössten Theile auf physiologische Verlöthungsprocesse
peritonealer Oberflächen während des intrauterinen Lebens zurück-
zuführen ist. Von allen diesen Taschen kann jedoch nur eine einzige,
nämlich der von mir sogen. Rec. duodeno-jejunalis sin. s.
venosus als Bildungsstätte für die linksseitig gelegenen, Tr eit z-
schen retroperitonealen Hernien fungiren. Die Entwickelung des-
selben ist durchaus abhängig von der Bildung der von mir sogen. Pli ca
duodeno-jejunalis sin. s. venosa., welche die vordere Wand
der Tasche bildet und als eine reine Gefässfälte in dem Sinne von
W aldeyer anzusehen ist. Diese Falte ist weder durch Verlöthungs-
processe noch durch irgend eine Zugwirkung entstanden, sondern
wird lediglich durch die variabel verlaufende V. mesent. inf.
198
bezw. A. colica sin. von der hinteren Bauchwand abgehoben. In ihrer
reinen Form kommt sie nur selten zur Beobachtung: meist hängt
dieselbe mit Yerlöthungs- oder auch Tractionsfalten continuirlicli zu-
sammen, was die meisten Autoren irriger Weise dazu veranlasst hat,
ihren Charakter als Gef assfalte zu leugnen. Die Plica venosa kann
ebensowohl in ihrer reinen Form wie in ihrer Combination mit ver-
schiedenen Verlöthungsfalten zur Bildung einer Treitz’schen Hernie
Veranlassung geben. Infolge dessen müssen in dem vorderen Rande
der letzteren Brüche stets die vorhin erwähnten Blutgefässe verlaufen.
Niemals können diese Hernien aber, wie dies noch bis in die
neueste Zeit hinein behauptet worden ist, in irgend einem anderen
in jener Gegend gelegenen Recessus ihre Entstehung nehmen. Die
Treitz’schen Hernien können sich ebensowohl nach links in das
(freie oder angelöthete) Mesocolon descendens wie nach oben
zwischen die beiden Blätter des Mesocolon transversum hinein-
schieben. Dies ist von individuellen Verschiedenheiten in dem
Verlauf der Ven. mesent. inf., der Lage der Pars ascendens duodeni
und der Verschieblichkeit des Peritoneum abhängig. Als prädispo-
nirendes Moment für die Entstehung dieser Brüche ist in erster
Linie eine gewisse Höhe der Plica venosa zu nennen. Die Ent-
wicklung des Bruches erfolgt lediglich in der Weise, dass der freie
Anfangstheil der Flexura duodeno-jejunalis durch die Gewalt der
andrängenden Speisemassen in den Recessus hineingetrieben
und von der oben genannten Vene eingeklemmt wird. Bei der
enormen Dehnbarkeit und Verschieblichkeit des Peritoneum im ersten
Lebensalter kann sich auf diese Weise eine Hernie entwickeln.
Selbst wenn wir die zweifelhaften Fälle ausschliessen, sind in der
Literatur immerhin noch über 50 Fälle beschrieben worden, welche
mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinlichkeit dieser Kategorie
von Brüchen zugezählt werden können.
Die sogen. Herniae retroperitoneales dextrae der Autoren
entstehen weder in einer verlagerten Fossa duodeno-jejunalis noch
in dem von Treitz sogen, unteren Horn derselben, sondern in
einem bisher von den Autoren noch gar nicht beachteten Recessus,
welcher nur dann zu existiren scheint, wenn der Anfangstheil des
Jejunum kein freies Gekröse besitzt, sondern mit der hinteren
Bauchwand verlöthet ist. Da dieser Recessus einerseits stets am
Ende des verlötheten Jejunumabschnittes gelegen ist, andererseits
sich gewissermaassen nach rechts zwischen die Wurzellinie des
Dünndarmgekröses und die hintere Bauchwand hineinschiebt, so
199
habe ich vorgesclilagen, denselben als Rec. parajejnnalis s. me-
senterico-parietalis zn bezeichnen. Für die Entwickelung einer
Hernie in dieser Banchfelltasche scheint der Verlauf der A. mesent.
sup. bezw. ileo-colica in der vorderen Wand des Recessus eine
nothwendige Vorbedingung zn sein. Wenigstens zeigten alle der-
artigen Hernien bei normalem Tiefstand des Coecnm diese
Arterie in dem vorderen Rand ihrer Bruchpforte, welcher zugleich
als Wurzellinie für das Dünndarmgekröse diente. Auch hier erfolgt
die erste Entwicklung der Hernie einfach in der Weise, dass das
freie Anfangsstück des Jejunum durch andrängende Speisemassen
nach rechts und unten in den Recessus hineingedrängt und dort
von der oben erwähnten Arterie festgeklemmt wird. Der Bruch-
sack muss sich zunächst nach rechts und unten entweder hinter
das Peritoneum parietale oder auch zwischen die beiden Blätter
eines etwa vorhandenen, theilweise freien Mesocolon ascendens
hineinschieben. Bei weiterer Zunahme kann sich der Bruch na-
türlich auch weiter nach oben drängen. Unter Ignorirung zweier
zweifelhafter Fälle konnte ich zum Theil mit Sicherheit zum Theil
mit grosser Wahrscheinlichkeit die Hernia parajejunalis s. mesen-
terico-parietalis sieben Mal recognosciren.
Bei den beiden letztgenannten Kategorien von Brüchen sind
sogen. Wanderungen der Bruchpforte beobachtet worden, als deren
Ursache hauptsächlich die Last der im Bruchsack gelegenen Därme
anzusehen ist, welche der untere Rand der Bruchöffnung in der auf-
rechten Stellung des Menschen zu tragen hat. Diese Wanderung ist
indessen durchaus nicht allein durch eine Verzerrung der Bruchpforte
zu erklären, sondern neben der Zugwirkung spielen auch noch das
Eigen wachsthum der Bruchsackwand und Verlöthungsprocesse
zwischen dem Rand der Bruchöffnung und dem oberen, zuführenden
Darmrohr eine Rolle. Die Wanderung kann nicht in beliebiger
Richtung erfolgen, sondern gehorcht ganz bestimmten, mechanischen
Gesetzen. Sie schlägt stets die Richtung nach abwärts ein und
muss am abhängigsten Theile des Bruchsackes ihr Ende erreichen.
Ihre sonstigen Grenzen sind durch die hintere Bauchwand und die
im Rand der Bruchpforte verlaufenden Blutgefässe gegeben, welche
niemals überschritten werden können. Bei vielen grossen Hernien
ist anstatt einer Wanderung nur eine einfache Ausdehnung oder
Verzerrung der Bruchpforte vorhanden.
Die beiden vorwiegend vorkommenden Arten von Intra-
abdominalhernien, die Hernia duodeno-jejunalis sin. und die Hernia
200
parajejuualis zeigen in vielen wichtigen Punkten eine auffallende
Uebereinstimmung. Beide Hernien entstehen in einem Recessus,
welcher an einer Stelle gelegen ist, wo ein mit der hinteren Bauch-
wand verlöthetes Dünndarmstück ein freies Gekröse zu bekommen
anfängt. Bei der Entwickelung beider spielen in der vorderen
Wand der Bruchöffnung gelegene grössere Blutgefässe und die an-
drängenden Speisemassen die Hauptrolle. Bei beiden scheint fast
immer bereits kurze Zeit nach der Geburt ihre Entwicklung zu
beginnen.
Alle übrigen Kategorien von intraabdominalen Brüchen treten
gegen die beiden letzterwähnten numerisch bedeutend zurück.
Einige gänzlich unerklärliche Fälle finden sich unter den pericae-
calen Hernien vor: dies liegt jedoch nur daran, dass dieselben gar
zu mangelhaft untersucht und beschrieben sind.
Bisher ist noch kein einziger Fall einer intraabdominalen
Hernie bei einem Embryo oder Neugeborenen beobachtet worden.
Meine Betrachtungen über die Genese dieser Brüche haben eben-
falls für alle Kategorien derselben zu dem einen Resultat geführt,
dass sie sich während des extrauterinen Lebens entwickeln müssen.
Nach der von mir Eingangs dieser Arbeit gegebenen Definition
müssen übrigens die Begriffe „congenital“ und „Intraabdominal-
hernie“ schon a priori als Gegensätze betrachtet werden. Wenn-
gleich eine Definition des letzteren Begriffes so lange nur mit einer
gewissen Reserve gegeben werden kann, als das hierhergehörige
Material noch nicht völlig gesichtet und geklärt ist, so lässt sich
doch schon jetzt soviel sagen, dass es durchaus unmöglich erscheint,
eine jede Einlagerung von Darmschlingen in einen normalen oder
abnormen Recessus des Bauchfells als eine Intraabdominalhernie zu
bezeichnen, wenn die eingelagerte Darmschlinge nicht durch einen
einschnürenden Ring festgehalten wird, und somit für den Inhalt
eines solchen Recessus wenigstens eine gewisse Tendenz zur Ver-
grösserung vorhanden ist.
Incarcerations-, peritonitische und andere pathologische Er-
scheinungen sind bei jeder Kategorie dieser Hernien zur Beob-
achtung gekommen — ein Factum, welches die Aufmerksamkeit
der Kliniker um so mehr auf diese Brüche lenken muss, als sie
trotz ihrer relativen Häufigkeit einerseits bisher so gut wie gar
keine Beachtung gefunden haben, andererseits es bereits möglich
gewesen ist, wie in dem Falle von Staudenmayer, wenigstens
eine diesbezügliche Walirscheinlichkeitsdiaguose zu stellen. Wer
201
sich für die klinischen Erscheinungen, die Diagnostik und die
Therapie dieser Brüche interessirt, wird in der oft citirten Arbeit
von Jonnesco alles dasjenige mit grosser Sorgfalt gesammelt
finden, was sich in Bezug auf diese Punkte sagen lässt.
Wenn ich am Schlüsse dieser Arbeit eine Gfenugthuung
empfinde, so ist es die, dass ich bei meinen Deutungen der vor-
handenen Facta nicht ein einziges Mal in der Lage war, an den
thatsächlichen Angaben irgend eines Autors zweifeln zu müssen,
wie dies gerade auf diesem Gebiet von seiten des einen Forschers
gegniiber dem anderen bis in die neueste Zeit hinein oft genug
geschehen ist. Was mir häufig Schwierigkeiten bereitete, war die
unklare, widerspruchsvolle oder mangelhafte Beschreibung, welche
so häufig die interessantesten Fälle für die wissenschaftliche Ver-
werthung unmöglich machte. Ich möchte deswegen noch einmal
hervorheben, wie nothwendig es im Interesse der Sache erscheint,
iu der Beschreibung und Abbildung der einschlägigen Fälle die
grösste Sorgfalt obwalten zu lassen. Für die Beurtheilung einer
intraabdominalen Hernie kommt es eben nicht allein darauf an, die
Grösse, Lage und Beschaffenheit des Bruchsackes, der Bruchpforte
und des Bruchinhaltes, sondern auch den Verlauf der Blutgefässe,
die Haftlinien und Verlöthungsverhältnisse der Gekröse, endlich
die Lage und Beschaffenheit aller übrigen Baucheingeweide zu be-
stimmen. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dass ausser
den von mir beschriebenen Bauchfelltaschen durch abnorme embryo-
nale Bildungsvorgänge noch andere zur Entwicklung kommen
können, welche ebenfalls unter günstigen Umständen zu Entstehungs-
stätten für iutraabdominale Hernien werden können. Endlich möchte
ich betonen, dass für die klare Beurtheilung eines derartigen Falles
eine genaue Kenntniss der embryonalen Entwicklungsvorgänge am
Peritoneum nothwendig ist, wie sie im Anschluss an die grund-
legenden Toldt’schen Untersuchungen auch in dieser Arbeit ge-
schildert worden sind.
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