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Full text of "Vorlesungen uber bakterien"

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ÜBER 

B AKTE 


RIEN 


VON 


Dr.  ALFRED  FISCHER, 

A.  0.  PUOFESSOR  DER  BOTANIK  IN  LEIPZIG. 


JENA. 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1897. 


Alle  Ee eilte  Vorbehalten. 


Vorwort. 


Ein  neues  Bncli  über  Bakterien  bedarf,  da  an  Werken  über  diese 
Organismen  wirklicli  kein  Mangel  lierrsclit,  gewisserniassen  einer  Ent- 
scliiildignng.  Sie  ist  schon  ansgesproclien  in  dem  Titel,  den  das  vor- 
liegende Buch  trägt:  VMrlesnngen  über  Bakterien.  In  Vorlesungen,  die 
zur  Einführung  in  die  gesamte  Bakteriologie  bestimmt  sind , soll  ein 
Ueberblick  gegeben,  die  zahllosen  Einzelforschnngen  sollen  zu  einem  Ge- 
samtbild vereinigt  werden,  das  im  Einzelnen  zwar  durch  feinere  Details 
zu  beleben  ist,  im  Ganzen  aber  den  gegenwärtigen  Stand  der  Wissen- 
schaft in  allgemeineren  Zügen  schildert.  Neben  der  medizinischen  Bakterio- 
logie, die  in  anderen  VVTrken  mit  Recht  bevorzugt  wird,  soll  auch  die 
Bedeutung  der  Bakterien  für  die  Landwirtschaft  und  die  Gärungsgewerbe, 
für  die  grossen  Grnndprozesse  alles  Lebens  auf  der  Erde,  den  Kreislauf 
des  Stickstoffs  und  der  Kohlensänre  dargelegt  werden.  Ferner  waren 
die  grossen  Fortschritte,  welche  die  allgemeine  Physiologie  der  Erforschnng 
der  Bakterien  verdankt,  schärfer  hervorznheben.  Endlich  erschien  es 
wünschenswert,  die  Bakterien  ans  der  Sonderstellung,  die  ihnen  wegen 
ihres  morphologischen  und  physiologischen  Verhaltens  vielfach  zugeschrieben 
wird,  heransznreissen  und  den  anderen  Organismen  durch  vergleichende 
Betrachtung  zu  nähern. 

Eine  solche  Darstellung,  die  durch  ihren  Umfang  nicht  abschreckt, 
schien  mir  zu  fehlen  und  deshalb  unternahm  ich  es,  Vorlesungen  zu  ver- 
öffentlichen, die  vor  Studierenden  der  Naturwissenschaften,  der  Pharmacie 
und  Landwirtschaft,  unter  die  als  weisser  Rabe  auch  hier  und  da  ein 
Mediziner  sich  verlief,  seit  mehreren  Jahren  gehalten  worden  sind. 

Leipzig,  den  22.  Juli  1897. 


Dr.  Alfred  Fisclier. 


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Digitized  by  the  Internet  Archive 


in  2016 


https://archive.org/details/b21 99551 5 


Inhalt. 


Seite 

I.  E i 11 1 e i t n n o- , Morphologie  des  Y e g-  e t a t i o n s k ö r p e r s. 

1.  Form,  Grösse  und  Bau  der  Bakterieiizelle,  Inhalt  und  Meiubrau ...  1 

IT.  i\l  0 r p h 0 1 0 g i e des  Y e g’  e t a t i o u s k ö r p e r s. 

2.  Farbstoffe,  besondere  Zelleiiischlüsse ; Bewegung-  und  Bewegungsorgane ; 

Zellteilung,  Bildung  und  Keimung  der  Sporen 12 

III.  S p e c i e s b e g r i f f und  Y a r i a b i 1 i t ä t ; Involution  und  Ab- 

s c h w ä c h u n g , S 3^  s t e in  d e r B a k t e r i e n 23 

lY.  Stellung  der  B a k t e i'  i e ii  im  System  der  Organismen. 
Niedere  Organismen  anderer  Art  mit  pathogenen 
Eigenschaften 35 

Y.  Y e r b r e i t u n g und  Lebensweise  der  Bakterien;  Ur- 
zeugung   43 

YI.  Allgemeine  Grundlagen  der  E r n ä h r u n g und  Kult  u r . 50 

YII.  Die  Atmung  der  Bakterien. 

Aerobe  und  anaerobe  Lebensweise;  Leuchtbakterien  und  Bakterien  des 
Meeres  überhaupt;  Schwefel-  und  Eisenbakterien 58 

YIII.  Einwirkung  von  P h y s i k a 1 i e n. 

Licht,  Elektricität,  Druck,  Temperatur  und  Trockenheit;  physikalische 
Desinfektion 68 

IX.  Einwirkung  von  Chemikalien. 

Chemotaxis  und  chemische  Desinfektion 75 

X.  D i e Bakterien  und  der  Kreislauf  des  Stickstoffes. 

1.  Einleitung,  _ die  Assimilation  des  freien  Stickstoffes  in  den  Knöllclien 

der  Leguminosen  und  durch  Bodenbakterien 85 

XL  Die  Bakterien  und  der  Kreislauf  des  Stickstoffes. 

2.  Die  Entbindung  und  Mineralisirung  des  organischen  Stickstoffes  durch 

Fäulnis  und  Nitrittkation 95 

XII.  Die  Bakterien  und  der  Kreislauf  der  K o li  1 e n s ä u r e. 

1.  Einleitung,  Fermentum  vivum  und  Enzym,  Kassen  der  Gärungs- 
erreger, Yergärung  von  Alkoholen  und  Säuren,  optische  Spaltungen  . 104 

XIII.  Die  Bakterien  und  d er  K r e i s 1 a u f der  Köhlens  ä u r e. 

2.  Bakteriengärungen  von  Kohlehydraten 112 

Milchsäuregärung,  Buttersäuregärung , Methangärung,  Schleim- 
gärung, besondere  technische  Gärungen  (Indigo,  Tabak,  Zucker- 
fabriken, Brotbereitung). 


VIII 


Seite 

XIV.  Die  Bakterien  ii  n d der  Kreis!  a n f d e r K o li  lens  ä n r e. 

i).  Die  .S])rossi)ilz('  und  die  alkoholisclie  (iärnno-.  Tlieorie  der  (Tärnng’  und 
Ainud-oliiose.  Scldnsshetraclitnn.o'  über  den  Ki-eislanf  des  Stickstoffs 
und  der  Kolilensäure 121 


XV.  D i e B a !c  t e r i e n als  K r a n k li  e i t s e r r e g’  e ]■. 

1.  rdanzenkinnklieiten ; harndose  Afterndeter  des  Menschen;  patliog-ene 
Bakterien,  lnfektions(|uellen  und  Invasionsstellen 131 


X\l.  Die  Bakterien  a 1 s K r a n k h e i t s e r r e e r. 

2.  Beschreihniii»’  eiid^er  pathog-enen  Arten,  Eiterlndvken,  Milzbrand,  Starr- 
krampf, Diphtherie,  Tnherknlose,  Typhus  und  Koloid)akterien,  Cholera  140 

XVI I.  D i e Bakterien  als  K r a n k h e i t s e r ]•  e g e r. 

3.  Die  Wirkungsweise  der  Bakterien  und  die  Beaktion  des  befallenen 


Orgaidsmns.  Serunitherapie  und  Inimnnität 150 

Anmerkungen 101 

Register 179 


I 


I. 


Einleitung,  Morphologie  des  Vegetationskörpers. 


1.  Form,  Grösse  und  Bau  der  Bakterieuzelle,  Inhalt  und  Memhran. 


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B 


Vor  mehr  als  200  Jahren  fand  der  holländische  Naturforscher 
Leeuwenhoek,  der  gdückliche  Entdecker  in  der  Welt  des  unsichtbar 
Kleinen,  die  er  mit  selbstg’eschliffenen  Linsen  von  grosser  Leistungs- 
fähigkeit durchstöberte,  im  Munde  des  Menschen  winzige  Organismen, 
die  er  wegen  ihrer  Bewegung  als  animalcula,  Tierchen  beschrieb.  Seine 
Schilderung^)  und  seine  in  Figur  1 getreu  wiedergegebeue  Abbildung, 
in  der  Kugeln,  kurze  und  lange  Stäb- 
chen, gerade  und  gekrümmte  Formen 
bereits  deutlich  unterschieden  Averden,  ist 
die  erste  Avohl  verbürgte  Nachricht  über  die 
Bakterien,  deren  Erforschung  später  so  ge- 
Avaltige  L^niAA’^älzungen  in  der  Medizin  und 
den  Natur Avissenschaften  hervorrufen,  ja 
zu  einer  neuen  Wissenschaft,  der  Bakterio- 
logie, sich  ausdehnen  sollte.  Seit  dem 
Jahre  1683  freilich  hat  sich  die  Bekannt- 
schaft mit  den  Bakterien  lange  Zeit  auf  n 
die  kurzen  Mitteilungen  Leeuavenhoeks 
beschränkt.  Hundert  Jahre  später  unter- 
suchte sie  der  dänische  Gelehrte  Müller, 
reihte  sie  den  Infusorien  ein  und  be- 
nannte sie  mit  Namen,  die  heute  in  aller 
Munde  sind,  Avie  Vibrio,  Bacillus,  Spirillum. 

Auch  EhrenberGt  beschäftigte  sich  in  Bacillus  maximus  buccalis,  B dürfte 
seinem  bekannten  Infusorien  werk  (1838)  ein  Vibrio  buccalis  sein,  dessen  Be- 
mit  den  in  grösserer  Formzahl  schon  be-  ''^®sunK  bis 
obachteten  Bakterien,  die  er  in  die 


cfl? 


F 


Fig. 


1.  Alteste  Abbildung  echter 
Bakterien  (Mundbakterien)  wAchLeeuioen- 
hoeh  A u.  F gehören  zu  dem  heutigen 


Gruppe  der  Zittertierchen  oder  Vibrionia 


sein , 

wegung  bis  D Leemoenlioeh  verfolgte, 
E stellt  Kokken  dar  und  G ist  wohl 

ein  Spirillum  sputigenum.  (Man  vergl. 


auch  Fig. 


26.) 


A^ereinigte. 

Von  jetzt  ab  verscliAvinden  die  Bakterien  nicht  Avieder  aus  dem 
Gesichtskreis  der  Naturforscher.  Aber  erst  in  den  siebziger  Jahren  fängt 

A.  Fischer,  A'orlesungen  über  Bakterien.  1 


2 


die  Medizin  an  mit  Erfolg’  einzngreifen  und  hat  von  da  an  den  Haupt- 
anteil an  der  Ausbildung  der  bakteriologischen  Methoden  und  dem  Aus- 
bau der  Bakteriologie  zu  einer  neuen  Wissenschaft.  Erst  nach  dem 


Erscheinen  von  Robert  Kochs  -)  erster  Arbeit  über  den  Milzbrand  begann 
jene  rastlose  Thätigkeit  zahlreicher  Forscher,  deren  unermüdlicher  Fleiss 
die  Kenntnis  dieser  kleinsten  aller  Organismen  bereits  soweit  gefördert, 
so  ein  riesenhaftes,  freilich  nicht  durchweg  gleichwertiges  Material  an- 
gehäuft hat,  dass  die  grossen  Sammelwerke  der  Bakteriologie  selbst  bei 
gewaltigem  Umfange ")  kaum  alles  zu  fassen  vermögen.  Vor  diesem 
glänzenden  Aufschwünge,  mit  dem  die  Namen  Pasteur  und  Koch 
ruhmvoll  verknüpft  sind,  galt  die  Arbeit  der  Botaniker  (Cohk,  Nägeli) 
einerseits  der  allgemein  physiologischen  Untersuchung,  anderseits  der 
Erweiterung  der  Formenkenntnis,  der  Stellung  der  Bakterien  im  Sj’^steme : 
nur  auf  dieser  Grundlage  vermochte  die  neuere  Forschung  sich  aufzu- 
bauen, Auch  von  dieser  Anfangsperiode,  in  die  auch  die  glänzenden 
Untersuchungen  Pasteurs  über  die  Physiologie  der  Gährung  fallen, 
bieten  Löeelers  Vorlesungen  ein  reiches  und  wohlgeordnetes  Bild, 
auf  das  hiermit  alle  Freunde  der  Geschichte  der  Bakteriologie  hinge- 
wiesen sein  sollen. 

Der  Vegetationskörper  aller  kleinen  Bakterien  besteht  aus 
einer  einzigen  Zelle,  die  in  ihrer  einfachsten  Form  als  Kugel,  Coccus, 
erscheint.  Herrscht  eine  Längsachse  vor,  streckt  sich  also  die  Kugel 


Fig.  2.  a.  Spirillum  undula,  lebend,  mit 
schraubenförmiger  Krümmung , h zu  halb- 
kreisförmigen Figuren  auf  dem  Deckglas 
angetrocknet;  c Vibrio  cholerae  schwach 
schraubig,  d zu  kommaähnlichen  Formen  an- 
getrocknet. e SpirOChaete  Obermaieri  des 
Rückfalltyphus  aus  Blut  {wsLchSoudahewitsch) 
f Cladothrix  dichotoma.  Ein  Sprossstück 
mit  Scheide  und  sog.  falscher  Verzweigung, 
oberhalb  f dringt  eben  ein  kurzer  Seiten- 
ast aus  zwei  Gliedern  durch  die  Scheide 
hervor,  g Penicillium  glaucum  ein  Stück 
Mycel  mit  echter  Verzweigung  (nach  B)-e- 
feld).  Vergrösserung  : a,  h 1500,  c,d  2250, 
e circa  800,  f 600,  g 120. 


zum  geraden  Cylinder,  so  redet  man  von  der  Stäbchenform,  dem  Bacillus 
oder  dem  Bakterium.  Eine  besondere  Gruppe  solcher  C3dindrischer 
Bakterien  ist  mehr  oder  weniger  schraubig  gekrümmt;  es  sind  das  die 
Vibrionen,  Spirillen  und  Spirochaeten.  Schwach,  nur  ein  viertel  Schrauben- 
gang lind  weniger  betragend  ist  die  Krümmnng  bei  den  Vibrionen 
(Fig.  2 c)  einen  oder  einige  weite  Schraubengänge  umfasst  sie  bei  den 
Spirillen  (Fig.  2u),  zahlreiche  enge  Gänge  bei  der  korkzieherartigen 
Spirochaete  (Fig.  2c). 


— B — 


aus  gekrümmten  Zell- 


Um  die  Formen  der  Bakterien  fixiert  zu  erhalten,  gibt  es  ein  einfaclies 
Mittel ; man  lässt  ein  kleines  Tröpfchen  der  bakterienhaltigen  Flüssigkeit 
auf  einem  Deckgläschen  eintrocknen.  Dabei  lagert  sich  naturgemäss  alles 
in  die  Ebene  des  Deckgiäschens  und  der  schwach  im  Kaum  gekrümmte 
^dbrio  entwirft  nun  das  Bild  eines  schwach  kommaartig  gebogenen 
Körpers  (Fig.  2rf),  weshalb  Koch  die  Vibrionen  der  asiatischen  Cholera 
als  Kommabazillen  bezeichnete.  Ausser  der  Krümmung  besteht  keine 
weitere  Aehnlichkeit  mit  der  Figur  eines  Komma.  Ein  Spirillum  trocknet 
halbkreisförmig  fest  (Fig.  2ö),  eine  Spirochaete  zu  einer  geschlängelten 
Figur  (Fig.  2e,  26/’).  Ob  die  Spirochaeten,  die  oft  recht  lang  Averden, 
stets  nur  aus  einer  einzigen  Zelle  bestehen  ode 
gliedern  zusammeiigesetzt  sind,  bedarf  noch  AA^eiterer  Prüfung 

Alle  anderen  Formen  aber,  Kokken,  Bazillen,  Vibrionen  und  Spirillen 
sind  stets  einzellig,  sie  sind  als  Haplobakter ien  den  echten  AÜel- 
zelligen  Fadenbakterien,  T r ich o bakteriell,  gegenüberzustellen.  Bei 
ihnen,  z.  B.  der  scliAvefelhaltigen  Beggiatioa  (Fig.  17  a)  ist  der  Vege- 
tatiouskörper  ein  unverzAveigter  Zellfaden,  dessen  einzelne  cylindrische 
Glieder  bazillenähnlich  sind,  aber  nur  zu  ZAveckeii  der  Vermehrung  sich 
Amu  einander  trennen  und  beAA^eglich  Averden.  Für  unverzAveigte  Bakterien- 
fäden ohne  besondere  Scheide  (p.  10)  ist  der  Kollektivname  L e p t o t h r i x 
gebräuchlich.  Den  zusammengesetztesten  Vegetationskörper  hat  die  Gattung 
C 1 a d 0 1 h r i X , eine  Wasserbakterie  mit  reich  gabelig  verzAveigtem  Spross- 
system. Die  Seitenäste  entstehen  dadurch,  dass  einzelne  Glieder  des 
Fadens  (Fig.  2f)  sich  seitlich  aus  der  aufgelockerten  Scheide,  die  hier 
jeden  Stamm  und  Ast  des  Sprosssystems  überzieht,  hindurchschieben  und 
nun  zu  einem  neuen  Aestchen  auswachsen.  Deshalb  hängen  diese  nur 
oberflächlich  mit  dem  Mutterast  zusammen  (Fig.  2/;  Fig.  12).  Man  redet 
hier  von  „f  a 1 s c h e r V e r z w e i g n n g“,  Pseudo verzAveigung,  im  Gegensatz 
zu  der  echten,  Avie  jedes  Pilzmycel  sie  zeigt  (Fig.  2g).  Hier  treibt  ein 
Glied  des  Fadens  seitlich  zur  Längsachse  eine  Ausstülpung  hervor,  die 
in  der  neuen  Richtung  AveiterAvachsend  zum  neuen  Seitenast  Avird.  Er 
steht  in  demselben  engen  Verbände  mit  seinem  Tragast  Avie  dessen 
einzelne  Glieder  untereinander.  Solche  echte  VeraAveigung  ist  bei  den 
Trichobakterien  noch  nicht  beobachtet.  Damit  ist  der  Formenkreis 
normal  entwickelter  Bakterien  erschöpft. 

Es  sei  schon  an  dieser  Stelle  auf  einige  W u c h s f o r m e n hinge AAuesen, 
zu  denen  viele  Individuen  der  Haplobakterien  sich  A^ereinigen  können. 
So  bildet  der  Milzbrandbacillus  geAvöhnlich  Ketten  oder  uiiA^erzweigte 
Fäden  (Fig.  28),  die  von  echten  Fadenbakterien  sich  äusserlich  nicht 
unterscheiden,  Avohl  aber  dadurch,  dass  zu  jeder  Zeit  die  Kette  in  ihre 
einzelnen  Glieder  zerknicken  kann,  ohne  jede  Beziehung  zur  Fortpflanzung, 
dass  ferner  kürzere  Ketten  aus  Avenigen  Gliedern,  auch  paanveise  zu- 
sammenhängende Bazillen  und  einzelne  Stäbchen  Amrkommen.  Näheres 
über  diese  Wuchsformen  und  ähnliche  Erscheinungen  bei  den  Kokken 
bringt  die  Darstellung  des  Teilungsvorganges  und  der  Speziesfrage. 
Nicht  selten  findet  man  zalilreiche  Einzelzellen  zu  bald  regelmässig  um- 
schriebenen Massen  (Fig.  8,  17  c,  22)  zusammengelagert,  bald  in  bunter 
Unregelmässigkeit  durch  Gallerte  zusammengehalten.  Man  nennt  solche 
Bakterienhaufen  eine  Zoogloea.  Sie  kann  sowohl  auf  festen  Sub- 
straten, Kartoffeln,  Nährgelatine  sich  bilden,  als  auch  in  Flüssig- 
keiten. An  deren  Oberfläche  A^ereinigen  sich  die  einzelnen  Indi- 
viduen oft  noch  zu  einer  anderen  Wuchsform,  der  sog.  Kahm  haut, 
schlechthin  auch  Haut  genannt,  die  aus  dicht  zusammengelagerten  IndiAdduen 

1* 


4 


bestellt  (Fig.  13 e,  24«  u.  h).  Beide,  Zoogloea  und  Haut,  sind  bald  nur 
j^-esellig-e  A^'uchsformeu,  wie  ein  AVald,  eine  A\4ese,  keine  höheren  Ein- 
heiten von  morpholog-ischem  _A\^ert.  ln  anderen  Fällen  aber,  wie  bei  der 
in  Fig\  3 abg’ebildeten  wolkigen  Zoogloea  und  der  fein  pilzinycelartigen 
des  Bacillus  proteus  (Fig.  22j  liegen  echte  Koloniebildu’ngen  vor, 
deren  Gestalt  nicht  mehr  „zufällig“  ist,  sondern  bestimmten  Regeln  des 
Wachstums  und  der  Vermehrung  entspricht  und  unfehlbar  bei  jeder 
neuen  Kultur  wieder  entsteht.  Die  Systematik  hat  diese  Eigenschaften 
besonders  zu  beachten.  In  allen  Zoogloeen  und  Häuten  erscheint  aber 
jede  einzelne  Bakterie  selbständig  und  unabhängig  von  den  übrigen,  der 
Vegetationskörper  bleibt  in  allen  diesen  Fällen  eine  einzige  Zelle.  Arbeits- 
teilung, wie  bei  höheren  Koloniebildungen  von  niederen  Pflanzen  (Volvo- 
cineen)  und  Tieren  (Coelenteraten)  ist  nicht  bemerkbar. 

Die  Bakterien  sind  die  kleinsten  Organismen,  die  man  gegen- 
wärtig kennt;  der  grösste  Coccus  hat  ungefähr  einen  Durchmesser  von 


at 


000 


bakteriell  sinkt 


mm,  bei  den  Staphylokokken,  den  verbreitetsten  Eiter- 
der  Durchmesser  auf  0,8  das  Volumen  zu  der 


sogar 


Fig.  3.  Stück  einer  gelappten  Zoogloea  einer 
Wasserbakterie  (Zoogloea  ramigera  der  älteren  Autoren), 
mit  dichtester  Lagerung  der  Stäbchen  in  der  Peripherie, 
lockerer  im  Innern;  alles  durch  Gallerte  zusammen 
gehalten.  Vergr.  36.  Mau  vergl.  auch  die  Zoogloeen  in 
Fig.  17  (?  und  Fig.  22/’,  h. 


unvorstellbaren  AVinzigkeit  von  ^l7(MMM)Oooo  Kubikmillimeter  herab.  Ent- 
sprechend der  geringen  Grösse  und  dem  grossen  Wasserreichtum  ist  auch 
das  Gewicht  unfassbar  klein:  30  Billionen  kommen  erst  auf  ein  Gramm. 
In  einem  AA^assertropfen  von  1 Kubikmillimeter  Inhalt  würden  bequem  1700 
Millionen  Eiterkokken  Platz  haben.  Auch  der  bedeutend  grössere  Bacillus 
des  Milzbrandes  ist  noch  ein  winziger  Cylinder  von  3 — 10  u Länge, 
1 — 1,2  {.i  Breite.  Eine  mittlere  Cigarette  müsste  man  sich,  wenn  man 
es  könnte,  auf  verkleinert  vorstellen,  um  zur  Grösse  eines  Alilz- 
brandbacillus  zu  gelangen. 

Feinerer  Bau  der  B a k t e r i e n z e 1 1 e.  'b  Es  erscheint  auf  den 
ersten  Blick  recht  hofi'nungslos,  einen  Einblick  in  den  Bau  dieser  winzigen 
Organismen  zu  gewinnen.  Dennoch  ist  es,  dank  der  hohen  Ijeistungs- 
fähigkeit  der  neueren  Mikroskope,  gelungen,  wenigstens  einiges  festzustellen. 
Man  hätte  ja  vermuten  können,  dass  diese  an  der  unteren  Grenze  des 
Lebens  stehenden  Organismen  einen  Aveit  einfacheren  Bau  besässen  als 
das  Element,  aus  denen  sich  alle  höheren  Tiere  und  Pflanzen  auf  bauen, 
als  die  Zelle.  So  musste  zunächst  ermittelt  Averden,  ob  man  an  einer 
Bakterie  alle  die  Teile  nacliAveisen  kann,  die  man  an  einer  Zelle,  z.  B.  an 
einer  Pflanzenzelle  unterscheidet:  ZellAA^and  (Fig.  4«  bei  w)  und  Inhalt, 
der  selbst  aus  dem  Protoplasma  (Protoplast)  mit  Zellkern  (Fig.  4« 
bei  j>  u.  k)  und  einer  Avechselnden  Menge  von  Flüssigkeit,  Zellsaft  besteht. 


Dieser  schiebt  sich  bald  in  kleinen  Safträumchen  ( Vakuolen)  zAvischen  das 


fester  erscheinende  Protoplasma  ein. 


bald  erfüllt  er  als  grosser  Zellsaft- 


o 


raum  (Fig.  4^^  bei  s)  die  Hauptmasse  der  Zelle,  das  Protoplasma  aut 
einen  sclimalen  Saum,  den  sog\  protoidasmatischeu  Waudbeleg  (Primordial- 
sclilaucb)  zusammemlräugeiid.  Da.  der  Zellsait  verscliiedeuartige  Stoffe, 
minei’alisclie  Salze  und  orgauisebe  Kör])er  gelöst  enthält,  so  entwickelt 
er  einen  gewissen  Druck,  den  osmotischen  oder  Lösnngsdruck,  durch  den 
der  protoplasmatische  Wandbeleg  mehr  oder  weniger  stark  gedehnt  wird. 
Bis  zur  Aufhebung  des  Druckes  kann  das  Protoplasma  schon  deshalb 
nicht  gedehnt  werden,  weil  es  von  der  weniger  dehnbaren,  ziemlich 
starren  Zellwand  umschlossen  wird.  An  sie  wird  deshalb  das  Proto- 


Fig.  4.  Plasmolyse  einer  Zelle  eines  kleinen 
Haares  der  Spritzgurke  (Fcballium  elaterium).  a Ur- 
sprüngliche Anordnung  des  Inhaltes  in  Wasser, 
w Zellwand,  p Protoplasma  (Wandbeleg,  Primordial- 
scblauch) , s Zellsaft,  grosse  Vacuole,  h Zellkern. 
h In  ‘2,5  Kochsalz,  mittlerer  Zustand  der  Plas-_ 
molvse,  das  Protoplasma  hat  sich  zurückgezogen  und 
schnürt  sich  in  zwei  Teile  durch,  c Späterer  Zu- 
stand derselben  Zelle  in  2,5^  0 NaCl  (vielleicht  nach 
h.T  Stde.),  der  Inhalt  in  zwei  getrennte  kugelige 
Teile  zerfallen.  Vergr.  800. 


plasma  durch  den  osmotischen  Druck  mehr  oder  weniger  stark  ange- 
presst. Damit  dieser  Zustand  eintritt  und  andauert,  die  Zelle  ihren 
Turgor  behält;  ist  aber  noch  nötig,  dass  die  im  Zellsaft  gelösten 
Stoffe  nicht  aus  der  Zelle  heraustreten,  denn  der  Lösungsdruck  wird  um 
so  kleiner,  je  verdünnter  die  Lösung  Avird.  Der  Protoplasmakörper,  der 
rings  Avie  eine  BlasenAvand  den  Zellsaft  iimschliesst,  lässt  reines  Wasser 
und  auch  sehr  geringe  Mengen  darin  gelöster  Stoffe  zAvar  ungehindert 
passieren,  setzt  aber  einer  i^iiswanderung  grösserer  Mengen  davon  einen 
unüberwindlichen  Widerstand  entgegen,  er  ist  undurchlässig,  iinpermeabel. 
Eine  Eigenschaft,  die  Avir  hier  als  gegeben  annehmen  Avollen.  Aber  es 
muss  noch  eine  zAveite  Bedingung  erfüllt  sein,  damit  der  Lösungsdruck 
sich  entAvickelt  und  erhalte.  Die  Zelle  muss  in  reinem  Wasser  oder 
doch  in  solchem  liegen,  das  Aveniger  osmotisch  wirkende  Stoffe  enthält 
als  ihr  Zellsaft.  Jetzt  äiissert  sich  der  osmotische  ‘Druck,  da  die  im 
Zellsaft  gelösten  Stoffe  das  Bestreben  haben  in  die  umgebende  Flüssig- 
keit sich  auszubreiten  und  in  ihr  gleichmässig  zu  verteilen.  Da  sie 
hierin  durch  den  impermeablen  Protoplasmaschlauch  ganz  oder  fast  ganz 
verhindert  Averden,  so  äiissert  sich  die  BeAvegung  der  dem  Wasser  zu- 
strebenden Moleküle  als  Druck  auf  den  Plasmaschlauch,  als  Lösungsdruck. 
In  den  geschilderten  Bedingungen  befinden  sich  nicht  bloss  die  Zellen 
aller  im  Wasser  lebenden  Pfianzen,  sondern  auch  diejenigen  der  Land- 
pflanzen, da  die  Cellulosewände  stets  mit  Wasser  vollgesaugt  sind. 

Legt  man  eine  solche  Zelle  in  eine  Lösung,  die  mehr  osmotisch 
Avirksaine  Stoffe  als  der  Zellsaft  enthält,  z.  B.  in  eine  5 % Salpeterlösung 
(oder  2,5  Kochsalz),  so  ändert  sich  dies  Verhältnis.  Der  grössere  Lösungs- 
druck Avird  jetzt  von  der  Salpeterlösung  auf  den  Protoplasmakörper  aus- 
geübt, der  Innendruck  des  Zellsaftes  Avird  aufgehoben,  der  Protoplasma- 
körper zieht  sich  infolge  der  Entspannung  mehr  oder  Aveniger  stark 
zusammen,  bis  ein  Gleichgewicht  zAvischen  dem  Druck  des  Zellsaftes 
uiid_  dem  der  umgelienden  Salzlösung  eingetreten  ist.  Die  Kontraktion 
beginnt  als  leichte  Abhebung  des  Protoplasmas  von  der  Zelhvand  gerade 
dann,  Avenn  die  Salzlösung  aussen  einen  gleichgrossen  Druck  entAvickelt 


G 


Avie  der  ZelLsaft.  So  hat  man  ein  Maass  für  dessen  osmotische  Kraft  in 
der  Konzentration,  die  zum  Beginn  der  Kontraktion  erforderlich  ist.  Man 
nennt  diese  Zusammenziehimg  des  Protoplasmas  Plasmolyse,  d.  h.  Ab- 
lösung des  Protoplasmas  von  der  Zellwand. 

Da  das  Salz  der  umgebenden  Lösung  durch  den  impermeablen 
Protoplasmakörper  nicht  einzudringen  vermag,  so  geht  selbst  l)ei  langem 
Liegen  in  der  Lösung  die  Plasmolyse  der  Zelle  nicht  zurück.  Würde 
dagegen  das  Salz  eindringen,  dann  würde  die  Plasmolyse  verschwinden, 
weil  jetzt  ein  Ueberdruck  in  der  Zelle  wieder  einträte.  Dieser  ist  sofort 
hervorzurufen  dadurch,  dass  man  die  Salzlösung  durch  Wasser  ersetzt, 
der  Protoplasmakörper  legt  sich  in  kurzer  Zeit  der  Zellwand  wieder  an, 
die  Zelle  hat  ihren  früheren  Turgor  wieder  angenommen.  Diese  kurz 
geschilderte  Plasmolyse  lässt  sich  nur  an  lebenden  Zellen  hervorrufen, 
da  nur  das  lebende  Protoplasma  die  hierzu  nötige  Impermeabilität  besitzt. 
Die  Zelle  stirbt  dabei  nicht  ab  und  bleibt  auch  nach  dem  Rückgang  der 
Plasmolyse  lebendig. 

In  kugeligen  Zellen  zieht  sich  das  Protoplasma  bei  der  Plasmolyse 
zu  einer  Kugel  zusammen,  in  lang  cylindrischen  Zellen  aber,  z.  B.  in 
Haaren  (Fig.  4)  oder  in  Algenzellen  zerschnürt  sich  der  Inhalt  gewöhnlich 
in  zwei,  zuweilen  drei  und  noch  mehr  Teilstücke,  die  anfangs  noch  durch 
schmale  Plasmafäden  Zusammenhängen  (Fig.  4 b).  Später  zerreissen  diese 
auch  und  es  liegt  dann  im  häufigsten  Falle  je  ein  kugeliges  oder 
eiförmiges  Schnürstück  des  Inhaltes  in  jedem  Zellende  (Fig.  4cj.  Beim 
Wiederausgleich  der  Plasmolyse  dehnen  sich  die  Stücke  aus  und  ver- 
schmelzen bei  der  Berührung  zum  einheitlichen  Protoplasmakörper  der 
turgescenten  Zelle.  Bei  solchen  plasmolytischen  Durchschnürungen  darf  der 
Rückgang  der  Plasmolyse  nicht  allzurasch  beschleunigt  werden,  weil 
sonst  leicht  die  Teilstücke  platzen  und  so  der  Inhalt  getötet  wird. 

Die  Plasmolyse  bietet  demnach  ein  sehr  wichtiges  Mittel  zur  Unter- 
suchung der  Zelle.  Ein  anderes,  allgemeiner  gebrauchtes  Mittel,  um 
feinere,  an  lebendem  Material  nicht  erkennbare  Strukturen  zu  verdeut- 
lichen, besitzen  wir  in  den  zu  hoher  Vollendung  ausgebildeten  Methoden 
der  Fixierung  und  Färbung. 

Betrachtet  man  lebende  Bakterien  mit  stärkster  Vergrösserung  (über 
2000),  so  wird  man  nur  wenig  sehen.  Der  Bakterienkörper  hat  zwar 
einen  scharfen  Umriss,  es  ist  aber  nicht  möglich  eine  Meml)ran  (Zellhaut, 
Zellwand)  von  dem  Inhalt  zu  unterscheiden.  Der  letztere  erscheint  l)lass 


und  homogen,  nur 


einige 


stärker  glänzende  Körner  treten  zuweilen 


deutlich  hervor,  bei  sehr  grossen  Bakterien  (Spirillum,  Cladothrix)  heben 
sich  auch  mit  Saft  erfüllte  Räume  (Vakuolen)  von  dem  Protoplasma  durch 
wasserähnliches  Aussehen  al).  Von  den  später  zu  schildernden  Be- 
w^egungsorganen  ist  gar  nichts  zu  sehen. 

Um  Bakterien  mit  einem  der  üblichen  F i x i e r u n g s in  i 1 1 e 1 (z.  B.  J od- 
alkohol,  Osmium  säure,  Chromsäure  etc.)  zu  nachfolgender  Färbung  vor- 
zubereiten, verreibt  man  auf  einem  Deckgläschen  ein  kleines  Tröpfchen  der 
fixierenden  Flüssigkeit  mit  einer  Spur  der  l)akterienreichen  Kultur  und 
lässt  eintrocknen.  Die  Bakterien  trocknen  so  in  fixiertem  Zustande  fest 
an  das  Deckglas,  lassen  sich  durch  längeres  Spülen  mit  Wasser  von  dem 
Fixierungsmittel  befreien  und  färben  (Anilinfarben,  Häniatoxylin).  Ab- 
gesehen von  den  allerwinzigsten  Formen  werden  alle  anderen  (Cholera, 
Typhus,  Milzl)rand,  Spirillen,  Cladothrix,  Fig.  5)  jetzt  einen  überein- 
stimmenden Bau  erkennen  lassen.  Die  Membran  tritt  nur  als  scharfer 
Umriss  hervor  und  unischliesst  einen  von  zahlreichen  Safträumchen 


7 


(Vakuolen)  schaumig’  oder  löcherig  erscheiiieiideu  Protoplasmakörper,  der 
in  dichter,  zusammenhäugender  Schicht  als  AV and  beleg  der  Membran  an- 
liegt und  zwischen  den  A^akuolen  in  schmalen  Bändern  und  FiUlen  sich 
hinzieht.  Die  ganze  Masse  des  Protoplasmas  färbt  sich  gleichmässig  und 
erfüllt  den  ganzen  Kaum  innerhalb  der  Haut,  irgend  welche  feine  Glie- 
derung vermag  selbst  die  vorsichtigste  Färbung  nicht  autzudecken. 
Stärker  färben  sich  nur  jene  glänzenden  oft  schon  in  lebenden  Bakterien 
sichtbaren  Kügelchen,  die  man  als  „ C h r o m a t i n k ö r n e r “ zu  bezeichnen 
pflegt,  weil  ihr  starkes  Färbungsvermögen  an  die  der  „chromatischen 


Fig.  5.  Mit  Jodalkohol  fixierte  und  dann  in  ver- 
schiedener Weise  gefärbte  Bakterien,  a u.  b Cladothrix  dicho- 
tonia  mit  Scheide  und  einem  (a),  oder  mehreren!  ft)  Chromatin- 
körnern in  jeder  Zelle  (Hämatoxylin).  c Typhusbacillen  wie 
vorigel  Methylenblau).  J Vibrio  Cholerae  ebenso  (Methylen- 
blau). e Bacillus  Anthracis  (Hämatoxylin),  / Spirillum 
undula  (Hämatoxylin).  Alle  Bilder  lassen  die  im  Text 
beschriebene  Beschaffenheit  des  Inhaltes  erkennen ; 
Chromatinkörner  schwarz,  Vacuolen  (Zellsafträume)  weiss, 
Protoplasma  fein  punktiert.  Vergr.  a— e 2250,/  1500. 


Substanz”  echter  Zellkerne  erinnert,  eine  freilich  nur  wenig  sagende 
Aehnlichkeit.  AA^enn  nur  ein  solches  Chromatinkorn  in  einer  Bakterienzelle 
liegt  ’(Fig.  5«,  c,  d,  e),  dann  ruft  es  den  Eindruck  eines  Zellkernes 
hervor,  sowohl  durch  sein  Grössenverhältnis  zur  ganzen  Zelle,  als  auch 
sehr  oft  durch  seine  Lage  in  deren  Mitte.  Da  aber  ebenso  oft  mehrere, 
selbst  viele  solcher  Körner  in  einer  Zelle  enthalten  sind  (Fig.  bb  und 
andere),  so  fehlt  jeder  gute  Grund,  sie  als  Kerne  zu  deuten,  so  lange 
nicht  nocli  anderes  als  die  kernähnliclie  Färbung  dafür  anzuführeii  ist. 
Auch  zur  Teilung  der  Zelle  stehen  die  Chromatinkörner  in  keiner  Be- 
ziehung. Alan  wird  sie  einstweilen  als  Keservestofte,  die  Bakterienzelle 
als  kernlos  anzusehen  haben.  Denn  mehr  als  diese  Chromatinkörner 
herauszufärben,  ist  trotz  zahlreicher  Bemühungen,  einen  Kern  nachzu- 
weisen, noch  nicht  gelungen. 

Dagegen  hat  sich  noch  eine  ganz  abweichende  Ansicht  viele  Freunde 
erworben.  AA^enn  man  Bakterien  mit  Anilinfarben  färbt,  so  scheint  es, 
als  ob  diese  winzigen  Körperchen  verhältnismässig  viel  Farbstoff  auf- 
nehmen und  ihn  auch  entfärbenden  Alitteln  (Alkohol,  schwache  Säuren) 
gegenüber  fester  halten,  als  das  Protoplasma  anderer  Zellen.  Da  nun 
weiter  in  diesen  die  Zellkerne  durch  grössere  Färbbarkeit  sich  aus- 
zeichnen, so  entstand  allmählich  der  Mythus  der  Kernfarbstoffe, 
also  solcher,  die  von  echten  Zellkernen  besonders  intensiv  gespeichert 
werden.  Freilich  war  es  nur  ein  Alythus,  denn  die  Zellkerne  speichern 
alle  Farbstoffe  stärker  als  das  übrige  Protoplasma,  was  nicht  auf  andere 
chemische,  sondern  nur  andere  physikalische  Eigenschaften,  grössere 
Dichte  und  daraus  folgendes  grösseres  Adsorptionsvermögen,  hinweist.  Die 
Aberkennung  dieser  A^erhältnisse  führte  nun  zu  den  in  fast  alle  bakterio- 
logisclien  Hilfsbücher  übergegangenen  Satz,  dass  die  Bakterien  sich  be- 
sonders stark  mit  „Kernfarbstotfen“  färben  und  deshalb  wohl  selbst  als 
primitive  Kerne,  denen  Protoplasma  nocli  ganz  oder  fast  ganz  fehle,  zu 
deuten  seien.  Spekulation  schloss  sich  an  Spekulation ; da  die  Bakterien 


8 


die  einfachsten  Organismen  sind,  die  wir  jetzt  kennen,  so  entstand  die 
H.ypotliese,  dass  die  ersten  Organismen,  die  auf  der  Erde  anftraten, 
solche  protoplasmalose  Kerne,  zn  denen  erst  später  das  Protoplasma  hinzu- 
gekommen sei,  gewesen  sein  müssten. 

Die  Färbbarkeit  d e]s  B a k t e r i e n i n h a 1 1 e s ist  nun  gar  keine 
ungewöhnlich  grosse,  wenn  man  die  ebenfalls  sich  färbende  Membran  ab- 
rechnet. Aber  selbst  dort,  avo  vielleicht  eUvas  mehr  Farbstoff  gespeicliert 
Avird,  als  bei  anderen  Protoplasmen,  liegt  keine  Eeaktion  auf  Kernsiib- 
stanz  oder  Kernnatur  A^or. 

So  Avürde  die  Untersuchung  mit  den  üblichen  Fixierungs-  und 
Färbnngsmethoden  ergeben,  dass  der  Leib  der  Bakterien  ein  kernloser 
Protoplast  ist,  der  von  einer  Membran  umgeben  Avird. 

Diese  hebt  sich  besonders  deutlich  ab  bei  der  Plasmolvse.  Um 
Bakterien  zu  plasmolysieren  nimmt  man  ein  sehr  kleines  Tröpfchen 
AVasser  mit  Bakterien,  legt  vielleicht  einige  Baiimwollfäden  hinzu  und  deckt 
ein  Deckglas  auf,  an  dessen  Unterseite  immer  viele  Bakterien  festhaften, 
so  dass  sie  selbst  von  starken  Strömungen  nicht  AveggeAvaschen  Averden. 
Dann  setzt  man  die  betreffende  Salzlösung  am  Bande  zu.  Alle  kuge- 
ligen und  sehr  kurz  cylindrischen  Bakterien  Averden  bei  der  Plasmolyse 
nur  glänzender,  nur  daran  ist  die  auch  hier  eintretende  Kontraktion  des 
Inhaltes  bei  den  AAdnzigen  Formen  zu  erkennen.  Gestreckt  C3dindrische  Zellen 
aber,  AAÜe  die  Bakterien  des  Typhus,  der  Cholera,  fluorescierende  Bazillen, 
Spirillen,  Cladothrix  und  viele  andere  lassen  den  A^organg  der  Plasmolyse 
in  aller  Deutlichkeit  erkennen.  Schon  in  2,5  Kalisalpeter,  oder  1 , 
Kochsalzlösung  (Blutserum,  unverdnnstet , enthält  schon  0,7%)  Aveicht 
der  Inhalt  A^on  der  jetzt  deutlich  als  zarte  Hülle  sich  abliebenden 
Alembran  zurück  und  zerfällt,  genau  Avie  bei  gestreckten  Pflanzenzellen 
(Fig.  4 n.  6)  in  zwei,  zuweilen  auch  drei  und  mehr  glänzende  Kugeln,  die  beim 


Fig.  6.  Plasmolyse  der  Bakterien,  a Vibrio  cholerae  von 

einer  Agarkultur  ( Fleischwasser,  -|-  1%  Pepton  F "l^’^^'^'^cnzucker ) 
in  l,25®/o Kochsalz  plasmolysiert,  lebend,  schwach  (SOOinal)  vergrössert, 
die  Bakterien  in  glänzende  Körnchen  zerfallen,  ö AVie  a,  aber  stark 
vergrössert.  c Vibrio  Cholerae  plasmolysiert,  mit  Geissei.  d Typhus- 
bacillen  in  2,5%  Kochsalz,  verschiedene  Anordnung  des  durch- 
geschnürten Inhaltes,  gefärbt,  reclits  von  c ein  Bild  wie  das  der 
Pflanzenzelle  in  Fig.  4Z>.  e Spirillum  undula  beim  Eintrocknen 
von  fauligem  AVasser  plasmolysiert,  die  Struktur  der  einzelnen  Pro- 
toplasmastücke gut  sichtbar.  Protoplasma  überall  schwarz.  A'ergr. 
a 300  h — e 1500. 


AiiSAvaschen  der  plasmolysierenden  Lösung  sich  Avieder  ausdehnen  und 
zu  dem  blassen  Protoplasten  verschmelzen.  In  kürzeren  Zellen  schrumpft 
dieser  geAvöhnlich  nur  zu  einer  glänzenden,  kugeligen  oder  eiförmigen 
Alasse  zusammen , die  bald  in  der  Mitte  der  Zellen  liegt,  bald  am 
Ende.  Plasmolysierte  Bakterien  (T^^phus,  Cholera,  Spirillen)  selien  bei 

ob  sie  in  glänzende  Kügelchen 
a\  erst  bei  starker  A^ergrössernng 
heiTor  (Fig.  Gi). 

So  lehrt  die  Plasmolyse  erstens,  dass  die  Alembran  nicht  fest 
mit  dem  Inhalt  verbunden  ist,  etAva  aa  ie  die  Haut  (Pellicnla)  der  Infusorien, 


scliAvächerer  Vergrössernng  so  aus,  als 
und  Klümpchen  zerfallen  Avären  (Fig.  6 
tritt  der  zarte  Saum  der  Haut  deutlich 


9 


sondern  dass  sie  ihn  g'anz  frei  nniliüllt,  wie  die  (^ellnlosemembran 
einer  PHanzenzelle.  Die  riasniol3^se  lehrt  aber  auch  weiter,  dass 
der  osmotische  Druck  in  einer  Bakterienzelle  fast  nur  7-2  so  gross 
ist  wie  in  den  Zellen  der  höheren  Pflanzen,  da  jene  schon  durch  eine 
halb  so  starke  Salzlösung  plasinolysiert  wird,  wie  diese.  Der  Innen  druck 
einer  Bakterienzelle  erreicht  schon  die  stattliche  Höhe  von  3 — ß At- 
mosphären. Aber  noch  zweierlei  ist  zu  beachten.  Tn  stärkeren  Salz- 
lösungen, • z.  B.  5 *7o  Salpeter  geht  die  Plasmolyse  schon  in  wenigen 
iMinnten  wieder  zurück,  als  Zeichen  dafür,  dass  Salz  eingedrungen  ist,  und 
auch  in  schwächeren  Lösungen  (2,5  % Salpeter)  verschwindet  sie  in 
einigen  Stunden.  Hieraus  folgt,  dass  das  Protoplasma  der  Bakterienzelle 
für  Salze  und  wohl  allgemein  viel  durchlässiger  ist,  als  das  der  Ihdieren 
Pflanzen.  Es  teilt  diese  grössere  Permeabilität  mit  den  Flagellaten  und 
anderen  niederii  Organismen  z.  B.  den  blangrünen  Algen  und  den  Meeres- 
algen. Die  Anbeqnemung  an  das  Medium  ist  hierdurch  wesentlich  er- 
leichtert, zugleich  auch  die  Aufnahme  der  Hahrungsstoffe,  die  Ab- 
gabe der  Stoffwechselprodnkte , z.  B.  bei  Gärungsbakterien  der 
Gärnngsprodnkte , bei  pathogenen  der  giftigen  Körper,  der  Toxine. 
Endlich  bleiben  die  beweglichen  Bakterien  trotz  der  Plasmolyse  in 
Bewegung,  woraus  sich,  wie  in  der  nächsten  Vorlesung  gezeigt  werden 
soll,  gewisse  Aufschlüsse  über  die  Natur  der  Bewegungsorgane  ergeben. 

Bei  der  üblichen  Herstellung  von  Bakterienpräparaten,  Ein  trocknen 
auf  dem  Deckglas,  werden  soviele  Salze  aus  dem  Nährsubstrat,  das 
gewöhnlich  0,7  % Kochsalz  enthält,  mit  übertragen,  dass  beim  Ver- 
dunsten des  Tropfens  die  für  eine  Plasmolyse  erforderliche  Konzen- 
tration erreicht  wird.  Die  Bakterien  trocknen  plasmol3^siert  fest  und 
geben  bei  der  Färbung  ganz  andere  Bilder  als  sonst,  bei  Cholera,  Typhus 
lind  anderen  liegt  in  jedem  Zellende  eine  stark  gefärbte  Kugel  (Polkorn) 
des  plasmolysierten  Inhalts,  im  übrigen  ist  die  deutlich  sichtbare  Haut 
leer  (Fig.  6).  Eine  richtige  Beurteilung  solcher  und  ähnlicher  Bilder 
kann  nach  dem  Mitgeteilten  nicht  schwer  fallen. 

Die  Bakterienzelle,  so  dürfen  wir  aus  dem  Gesagten  folgern,  stellt 
ein  gleiches  osmotisches  System  dar,  wie  eine  Pflanzenzelle  und  unter- 
scheidet sich  von  ihr  besonders  durch  den  Mangel  eines  Zellkernes. 

Die  Membran  (Haut,  Hülle)  der  Bakterien  ist  meistens  dünn  und 
zart,  farblos  und  ohne  feinere  Struktur  und  besteht  nicht,  wie  die  Pflanzen- 
membran aus  Cellulose,  sondern  wahrscheinlich  aus  einem  Eiweisskörper, 
Avohl  einer  Modifikation  der  auch  das  Protoplasma  auf  bauen  den  Stoffe.  Des- 
halb hat  sie  auch  eine  ähnliche  Permeabilität  wie  dieses  und  ist  weniger 
permeabel  als  die  Cellulosemembran  der  Pflanzen.  Es  hat  sich  gewisser- 
massen  bei  den  Bakterien  noch  nicht  jene  Arbeitsteilung  vollzogen  in 
eine^  sehr  permeable  äussere  starre  Haut,  die  Cellulosemembran,  und  eine 
Avenig  permeable  innere  Haut,  den  Protoplasmaschlauch  (die  Plasmahaut). 
Der  Verkehr  mit  der  Umgebung  Avird  vielmehr  durch  zAvei  Zonen 
mittlerer  Permeabilität  geregelt. 

Wie  die  Zellhaut  vieler  Algen,  grüner  und  blaugrüner,  besitzt  auch 
die  Haut  mancher  Bakterien  die  Eigenschaft  der  Gallertbildung, 
bei  anderen  die  der  Scheidenbildung.  Die  A^ergallerte  oder 
schleimige  Membran  erscheint  als  zarter  heller  Hof,  der  bald  schmäler, 
bald  breiter  ist  Avie  die  Amn  ihm  umschlossene  Zelle  und  deren  Form  ge- 
nau entspricht  (Fig.  Ib — d)  Mit  besonderem  Kniff'  lässt  sich  die  Gallert- 
hülle auch  färben.  Sie  entsteht  durch  UniAvandlung,  Wasseraufnahme  der 
äussersten  Membranschichten,  Avährend  durch  die  Thätigkeit  des  Protoplasten 


10 


die  innersten  dicliten  Schichten  immer  wieder  erneuert  werden.  Die  ver- 
g’allerte  Membran  zertliesst  mehr  und  melir  und  vereinigt  grosse  Mengen 
von  Bakterien  zu  den  schleimigen  Massen  der  verschieden  gestalteten 
Zoogloeen  (Leuconostoc  ^ auch  Vorl.  Xlllj.  Eine  deutliche  Gallerthülle 
fehlt  den  meisten  Bakterien,  deren  Membran  entweder  gar  nicht  ver- 
gallert  oder  nur  von  einem  äusserst  zarten  nicht  sichtbaren  Gallertsaum 
überzogen  ist.  Die  Natur  der  dargebotenen  Nahrung  beeinflusst  die 
Gallertbildung  oft  in  sehr  auftälliger  Weise  (Fig.  Ib^  c.)  auch  können 
stark  schleimige,  fadenziehende  Massen  entstehen,  ohne  dass  eine  echte 
Gallerthülle,  vergleichbar  der  der  Gallertalgen  erkennbar  ist  (schleimiges 
Bier,  Wein  etc.).  Nur  wo  ein  scharf  umschriebener  Gallerthof  die  Zelle 
umgiebt,  sollte  man  von  „Kapseln“  reden,  die  dann  auch  ein  gutes  dia- 
gnostisches Merkmal  abgeben  (Leucouostoc). 

Freilich  darf  nicht  jeder  helle  Hof  nm  angetrocknete  Bakterien  als 
Kapsel  gedeutet  werden,  wie  so  oft  geschieht.  Es  können  auch  Artefakte 
vorliegen,  wie  folgendes  Beispiel  lehrt.  In  Trockenpräparaten  aus  ei- 
weiss-  und  schleimhaltiger  Flüssigkeit,  wie  Blut  und  anderen  Körper- 
säften entsteht  ein  gleichmässig  feiner,  leicht  sich  färbender  Ueberzug  der- 
artiger Stoffe,  uud  in  diesen  sind  die  Bakterien  eingebettet.  Meist  umgibt 
sie  ein  schmaler  heller  Hof  (Fig.  7 a),  die  sog.  Kapsel  (Milzbrand,  Pneu- 
moniekokken). Beim  Eintrocknen  schrumpfen  natürlich  die  wasserreichen 
Bakterien  etwas,  am  meisten  beim  letzten  Wasserverlust,  wenn  der  feine 


Fig.  7.  Kapseln  und  Gallerthüllen. 
a Bacillus  Anthracis  mit  sog.  Kapseln  im 
Trockenpräparat  vom  Lebersaft  einer  Milz- 
branclmaus ; über  die  Natur  dieser  Kapseln , 
ebenso  wie  der  anderer  Kapselbazilleu  der 
Medizin  vergl.  man  p.  10.  b — d LeuCO- 
nostoc  mesenteroides  (Froschlaichpilz)  b auf 
zuckerfreiem  Nährboden,  ohne  Gallerthülle, 
c mit  Gallerthülle  auf  zuckerreichem  Nähr- 
boden {b  — c nach  Liesenherg  und  Zopf), 
d ältere  Gallertmasse  mit  gewundenen 
Kettchen  (nach  van  Tieghem).  Vergr. 
a 1500,  b VL  c 1200,  d 500. 


Ueberzug  aus  den  Stoffen  des  Blutes  und  der  Säfte  schon  angetrocknet  ist.  Der 
helle  Hof,  die  Kapsel,  muss  herVortreten.  Damit  stimmt  überein,  dass 
derartige  Kapselbakterien  in  Reinkulturen  keine  Kapsel  zeigen,  dass  diese 
nur  an  den  geschilderten  Trockenpräparaten  erscheint  und,  zweifelhafte 
Ausnahmen  abgerechnet,  auch  in  Schnitten  durch  Gewebe  nicht  zn  sehen 
ist.  Milzbrandbazillen  in  Nierenschnitten  einer  an  Milzbrand  verendeten 
Maus  sind  kapsellos,  im  Blutpräparat  derselben  Maus  haben  sie  eine 
Ka})sel  (Fig.  7 a).  Nur  aus  obigem  Grunde,  nicht  weil  in  dem  Blut  die 
Bazillen  anders  sich  verhalten  nnd  Gallerte  bilden:  denn  auf  Agar  ge- 
zogene kapsellose  Milzbrandbazillen  im  Blute  oder  Lebersaft  einer  ge- 
sunden Maus  eingetrocknet,  erscheinen  nunmehr  auch  von  einer  Kapsel, 
dem  oben  geschilderten  Artefakt,  umgeben. 

Der  umgekehrte  Prozess,  nicht  eine  Verflüssigung,  sondern  eine  Ver- 
dichtung und  Verfestigung  der  änssersten  Membranschichten  führt  zur 
Bildung  sog.  Scheiden,  die  bisher  nur  bei  Fadenbakterien  (Crenothrix, 
(ladothrix)  gefunden  worden  sind,  bei  blaugrünen  Algen  in  den  Gattungen 
Tolypothrix,  Lyngbya  und  vielen  anderen  Vorkommen.  Die  cylindrischen 


11 


Fadenglieder  stecken  in  einer  Eölire,  ans  den  festverscliinolzenen  äusseren 
Membranschicliten,  die  vollkomnien  von  der  eigentlichen  AV'and  (1er 
Glieder  sich  ahlösen,  so  dass  diese  frei  in  der  Röhre  verschiebbar  sind  (Fig.  2 
lind  5).  Ans  ihr  schlüpfen  sie  auch  als  bewegliche,  unbescheidete  Körper, 
Gonidien  (Fig.  12)  hervor,  die  wieder  zu  neuen  Fäden  mit  Scheiden  aus- 
wachsen.  Ganze  Sprosssysteine  der  Cladothrix  oder  einzelne  Aeste  werden 
auf  diese  Weise  entleert,  die  zurückbleibenden  starren  Scheiden  zerbrechen 
oder  vercinellen  und  verschwinden  schliesslich  ganz.  Durch  Einlagerung 
von  Eisenoxydhydrat  werden  diese  Scheidenbruchstücke  sehr  widerstands- 
fähig, sie  vergehen  sehr  langsam  und  häufen  sich  oft  in  Mengen  in 
eisenlialtigen  Wiesen-  und  Snmpfwässern  an  (vergl.  Eisenbakterien). 

Von  einer  Scheide  wird  man  nur  dann  reden  können,  wenn  eine 
wirkliche  Röhre  sich  erkennen  lässt,  in  der  der  Zellfaden  steckt;  farl)- 
lose  Lücken  in  gefärbten  Präparaten  von  Fadenbakterien  sind  allein  noch 
kein  Beweis  für  eine  Scheide,  da  hier  z.  B.  Plasmolyse  vorliegen  könnte. 


I 


II. 


Mni'pliolocjie  des  Veijetatioiiskörpers. 


2.  Farbstoffe,  besondere  Zelleiiiscblüsse;  Bewegung’  und  Bewegungs- 
organe; Zellteilung;  Bildung  und  Keimung  der  Sporen. 


Die  meisten  Bakterien  sind  farblos  und  sehen,  auch  wenn  sie.  wie 
in  Agarkulturen,  in  dichten  Haufen  bei  einander  liegen,  entweder  rein 
weiss  oder  nur  schwach  gelblichweiss  aus.  Eine  grosse  Anzahl  aber,  die 
P i g in  e n t b a k t e r i e n oder  chroinogenen,  sind  durch  lebhafte  Färbung 
ihrer  Kulturen  ausgezeichnet,  schwefelgelb  wachsen  z.  B.  Sarcina-Arten, 
Staphylococcus  pyogenus  citreus,  goldgelb  bis  orange  der  Staphyl.  pyog. 
aureus,  Sarcina  aurantiaca,  gelbbraun  der  Bacillus  brunneus ; iii  ver- 
schiedenen  Nuancen  von  Eot  leuchten  die  Kulturen  des  Micrococcus  agilis, 
des  Bacillus  prodigiosus,  des  Spirillus  rubrum,  einen  blauen  Farbstoff  ent- 
wickelt der  Bacillus  cyanogenus  der  blauen  Milcli,  einen  tiefvioletten  der 
Bacillus  violaceus,  grünlich  oder  bläulich  fluoreszierende  Verbindungen 
scheiden  einige  Bakterien  des  Wassers,  ferner  der  Bacillus  pyocyaiieus 
aus  blaugrünem  Eiter  aus.  Die  Bildung  aller  dieser  gelben,  bmunen, 
roten,  blauen,  grünen  und  fluoreszierenden  Farbstoffe  ist  sehr  abhängig 
von  den  Kulturbedingungen,  wie  Luftzutritt,  Beleuchtung,  Temperatur, 
Zusammensetzung  und  chemische  Reaktion  der  Nährlösung. 

Die  meisten  Pigmentbakterien  sehen  unter  dem  Mikroskope  farblos 
aus,  so  dass  es  schon  hierdurch  zweifelhaft  wird,  ob  der  Farbstoff'  wirk- 
lich im  Bakterienkörper  sich  ablagert.  Beim  Bacillus  prodigiosus.  dem 
Wundertier  der  blutenden  Hostien,  flndet  man  zwischen  den  farblosen 
Stäbchen  kleine  Körnchen  und  Krümel  des  Farbstoffes,  der  hier  nur  als 
„zufallig‘'  gefärbte  Aussclieidiing  erscheint  und  den  dichtgehäuften  Massen 
der  selbst  farblosen  Bakterien  die  charakteristische  Farbe  verleiht.  Die 
fluoreszierenden  Farbstoffe  sind  in  der  Kulturflüssigkeit  gelöst,  sie  diffun- 
diren  iu  den  Agar,  der  durchweg  fluoresziert,  ähnlich  verhält  sich  der 
blaue  Farbstoff’  des  Bacillus  cyanogenus.  Auch  hier  sind  die  Bakterien 
selbst  ungefärbt.  Bei  den  meisten  Pigmentbakterien  verhält  es  sich  so, 
sie  sind  nur  c h r o m o p a r ‘^),  einige  andere  dagegen  sind  wirklich  c h r o m o - 
phor,  d.  h.  der  Protoplasmakörper  ist  selbst  getarbt,  so  bei  den  roten 


Scliwefelbakterien  (Oliromatiuin,  'l'liiocystis  etc.)  und  bei  einigen  l)latt- 
griinen  (Bac,  virens).  Ob  diese  letzteren  ")  mit  vollem  Recht  als  Bakterien 
bezeichnet  werden  oder  mir  verkannte  Algen  sind,  bedarf  nocli  weiterer 
Untersnchnng.  Bei  einigen  (para Chromatophoren)  Arten  endlich 
scheint  vorAviegend  die  Wand  gefärbt  zu  sein  (Bac.  violacens). 

Nur  bei  den  Chromophoren  Bakterien,  deren  Farbstoff  nicht  an  be- 
sondere Farbstottkürper,  ähnlich  etwa  den  Chlorophyllkörnern,  gebunden, 
sondern  gleichmässig  im  Inhalt  verteilt  ist,  sind  Beziehnngen  zwischen 
dem  Farbstoff  und  der  Ernährnng  zu  vermnten.  So  hat  man  für  das  Bak- 
teriopnrpnrin,  den  Farbstoff  der  roten  Schwefelbakterien  nachgewiesen, 
dass  sein  Lichtabsorptionsvermögeii  zur  Kohlensänreassimilation  in  einem 
ähnlichen  Verhältnis  steht,  wie  das  des  Chlorophylles  bei  den  höheren 
Pflanzen  (Vorl.  VII). 

Alle  chromogenen  Pigmeiitbakterien  scheiden  den  Farbstoff  nur  als 
Excret  ans,  dessen  spektroskopische  und  chemische  Untersnchnng  deshalb 
auch  keine  Rolle  der  Farbstoffe  im  Stoffwechsel  anfzndecken  vermag. 
Einige  Pigmente  sind  fettartiger  Natur  (Lipochrome)  andere  stehen  der 
basischen  Körpergrnppe  der  Ptomaine  nahe,  andere  gehören  zn  den 
Eiweisskörpern,  der  Farbstoff  des  Bacillus  cyaneo-fuscns  ist  dem  Indigo 


ähnlich. 

Besondere  geformte  Zelleinschlüsse  fehlen  den  meisten  Bakterien, 
deren  Inhalt  mit  Jodlösnngeii  sich  goldgelb  färbt,  wie  alles  Protoplasma. 
Einige  Bnttersänrebakterien  aber  (Vorl.  XIII),  ferner  einige  die  mensch- 
liche Vnndhöhle  beAvohnende  Arten  (Vorl.  XV)  färben  sich  mit  Jod  bläu- 
lich bis  tiefscliAvarzAiolett,  sie  geben  die  sog.  Grannlosereaktion.  Der 
Stoft“,  der  diese  Reaktion  veranlasst,  ist  noch  nicht  genau  bekannt,  er 
AA’ird  als  Granulöse  bezeichnet,  weil  er  sich  genau  so  färbt  wie  der  gleich- 
namige Bestandteil  der  Stärkekörner.  Ob  er  mit  ihm  chemisch  ganz  überein- 
stimmt, ist  ans  der  Jodreaktion  allein  nicht  zn  entnehmen,  ein  Kohlehydrat  ist 
er  Avahrscheinlich.  Zn  seiner  Entstehung  sind  Kohlehydrate  erforderlich, 
die  den  Mnndbakterien  ja  reichlich  durch  die  Speisen  zngeführt  Averden 
lind  auch  bei  keiner  Bnttersänregärnng  fehlen.  Der  Körper  Avird  zunächst 
in  winzigen  Körnchen  anfgespeichert,  so  dass  die  mit  Jod  gelb  gefärbten 
Bakterien  fein  schwarz  punktiert  erscheinen,  später  Avachsen  die  Körn- 
chen beträchtlich  heran  und  endlich  scheint  sich  der  Stoff  mehr  gleich- 
mässig über  den  ganzen  Inhalt  zn  verteilen,  der  jetzt  durch AA'eg  blau  oder 
Auolett  sich  färbt. 

Sehr  sonderbar  verhalten  sich  die  Buttersänrebacillen,  die  zunächst 
keine  Granulöse  enthalten  und  sie  erst  Avenn  die  Sporenbildnng  heran- 
naht anfspeichern,  aber  nicht  in  der  ganzen  Zelle.  Der  Teil,  in  dem  die 
Spore  entsteht,  bleibt  frei  davon  und  färbt  sich  bis  zn  ihrer  völligen 
Ausbildung  mit  Jod  gelb.  Es  tritt  uns  hier  schon  eine  Art  von  Arbeits- 
teilung entgegen , ^ das  eine  Stück  der  Zelle , z.  B.  das  kopfig  ange- 
scliAvollene  Ende,  dient  zur  Ausbildung  der  Spore,  der  übrige,  c.ylindrische 
Teil  zur  Aufnahme  und  Speicherung  der  Granulöse,  die  Avohl  zur  Ernährnng 
der  Spore  verAveiidet  Avird  (Fig.  11  c — f). 

Ganz  absonderlich  und  im  ganzen  Organismenreich  auf  diesen  einzigen 
Fall  beschränkt  ist  das  Vorkommen  von  ScliAvefel  bei  den  Sclnvefel- 
bakterien  (Vorl.  VII).  Glänzende  Kugeln,  die  in  ScliAvefelkohlenstoff, 
Alkohol,  Xylol  und  Alkalien  löslich  sind,  und,  wie  auch  andere  Reaktionen 
noch  beAveisen,  ans  reinem  ScliAvefel  bestehen,  ertüllen  oft  bis  zur  Ueber- 
ladnng  die  Zellen  dieser  Schwefelbakterien.  Der  ScliAvefel  ist  nicht  ans- 
krystallisiert,  sondern  in  Aveichen  amorplien  Massen  abgelagert.  Nach  der 


14 


Beliandlmig-  mit  Scliwefelkoiilenstolf  bleiben  zarte  Lücken  zurück,  in  denen 
als  feste  Einschlüsse  in  das  Protoplasma  die  Scliwefelkörper  gestecken 
haben. 

Einlagerungen  anderer  Stoffe  sind  bis  jetzt  nicht  beobachtet,  abge- 
sehen von  glänzenden  Fetttröpfclien,  die  zuweilen,  besonders  in  alten  Kul- 
turen, auftreten. 

B e w e g u n g und  B e w e g u n g s o r g a n e.  Wenn  man  Bakterien 
irgend  beliebiger  Art  im  AVasser  betrachtet,  so  wird  man  bemerken,  dass 
alle  mehr  oder  weniger  zitternd  sich  bewegen,  man  wird  aber  bald  einen 
wesentlichen  Unterschied  erkennen  zwischen  einfachen  Zitterbewegungen 
und  einer  wirklichen  Ortsbewegung.  Die  erstere,  die  BuowN’sche  Mole- 
kularbewegung begegnet  uns  wieder  im  Tanzen  der  Sonnenstäubchen, 
winziger,  in  der  Luft  schwebender  Staubteilchen,  die  durch  die  mole- 
kularen Stösse  der  Luft  in  zitternde  Bewegung  versetzt  werden.  Alle 
Körperchen  von  einer  gewissen  AVinzigkeit  ab  führen  auch,  in  Flüssig- 
keit suspendiert,  solche  Molekularbewegungen  aus,  so  die  winzigen  Russ- 
teilchen  fein  verriebener  Tusche.  Auch  die  Bakterien  sind  so  klein  und 
leicht,  dass  sie  in  molekulares  Zittern  geraten.  Eine  Lebensäusserung 
liegt  hier  nicht  vor. 

Die  selbständigen  BeAvegungen  der  Bakterien  sind  entweder  Sclnvimm- 
beAvegungen  oder  die  seltene  Form  der  Oscillation  und  Flexilität,  die  nur 
bei  Fadenbakterien  vorkommt. 

Lebhafte  S ch wimmb e Avegungen  führen  aus  unter  den  Kugel- 
bakterien nur  der  rote  Micrococcus  agilis,  unter  den  Stäbchenbakterien 
sind  dauernd  unbeweglich  die  Bazillen  der  Tuberkulose,  Diphtherie,  des 
Milzbrandes,  die  der  Milchsäure-  und  der  Essigsäuregährung,  viele  Pig- 
mentbakterien, lebhaft  bewegen  sich  die  Bakterien  der  Buttersäure- 
gährung,  der  Typhusbacillus  und  die  meisten  in  faulen  Flüssigkeiten 
lebenden  Stäbchen.  Die  Vibrionen  und  Spirillen  sind  gleichfalls  gute 
ScliAAdmiiier.  Bei  starker  Vergrösserung  scheint  die  ScliAvimmbeAvegung  sehr 
schnell  zu  sein,  sie  ist  es  aber  nur  scheinbar,  weil  ja  auch  der  AA^eg  stark 
vergrössert  Avird,  den  die  Bakterie  in  einer  gemessenen  Zeit  zurücklegt. 
Auf  das  wirkliche  Mass  reduziert  Avird  bei  mittlerer  BeAvegung  in 
15  Almuten  etwa  ein  AA"eg  von  10  cm  zurückgelegt,  ])ro  Sekunde  also 
nur  hfl  mm.  Diese  Schnelligkeit  ist  im  A^erhältnis  zur  Körpergrösse  der 
Bakterien  recht  ansehnlich. 

Die  ScliAvimmbewegung  wird  durch  besondere  Organe,  Geisse!  n oder 
Oilien  unterhalten.  An  lebenden  oder  in  geAvöhnlicher  AA'eise  gefärbten 
kleinen  Bakterien  sind  die  Geissein  nicht  sichtbar,  es  bedarf  zu  ihrem 
NacliAA^eis  besonderer  Alethoden,  deren  erste  und  beste  von  Löfflek  aus- 
gearbeitet worden  ist.  Infolge  einer  Beizung  mit  Tannineisenlösung  AAÜrd 
der  Farbstoff  nicht  bloss,  Avie  sonst  ein-,  sondern,  Avie  Adelfach  in  der  Fär- 
berei, aufgelagert  und  zugleich  viel  intensiver  gespeichert,  so  dass  auch 
die  zarten  Geisselfäden  stark  gefärbt  Averden  und  zugleich,  Avie  auch  der 
Bakterienkörper,  durch  die  aufgelagerten  Farbstoffe  dicker  erscheinen, 
als  sie  Avirklich  sind  und  auch  dadurch  deutlicher  hervortreten.  Nach 
der  Anordnung  dei‘  Geissein  hat  man  3 Gruppen  zu  unterscheiden : 
monotriche,  1 o p h o t r i c h e und  p e r i t r i c h e Bakterien  ^ ^’) . Bei 
den  monotrichen  sitzt  ein  einziger  Geisselfäden  an  einem  Körper- 
ende, z.  B.  bei  den  Adbrionen  (Fig.  8 a,  23),  auch  denen  der  Cholera,  ferner 
dem  Bac.  pyocyaneus.  Die  lopho  tri  dien  Bakterien  tragen  an  einem 
Ende  einen  ganzen  Schopf  oder  Büschel  von  mehreren  Geisseln  (Spirillen, 
manche  Fäulnisbakterien,  Fig.  Hh,  22a  12).  Bei  den  per it riehen 


15 


endlich  entspring’en  die  Geisselii  an  der  ganzen  Oherfläclie,  bald  lockerer 
gestellt,  bald  dichter,  wodurch  die  Bakterien  in  ein  dichtes  fädiges  Kleid 
eingehüllt  erscheinen.  Peritrich  sind  der  'l\ypliiisbacillus  und  der  Bac. 
coli  coinmnne,  ferner  einige  Bnttersäurebakterien,  der  Henbacilliis,  der 

Fig.  8.  Geisseltypen.  a Monotrich  (Vibrio 
Cholerae).  h Lophotrich  (Spirillum  unclulab 
c Peritrich  (Tvphusbazillen).  d Entwicklung  des 
neuen  Geisselbüschels  während  der  Teilung  von 
Spirillum  undula.  c Teilweise  und  (rechts)  voll- 
ständige Einrolluug  der  Geissein  zu  Ringen  bei 
Bacillus  SUbtiliS.  Vergr.  a — e 2250.  In  der 
Fig.  a — c ist  die  Struktur  des  Zellinhaltes  nach 
Jodpräparaten  (Fig.  5)  ergänzt,  um  den  Bau  der 
Bakterien,  soweit  er  bis  jetzt  erkennbar  gewesen 
ist,  zu  veranschaulichen.  In  Fig.  d u.  e ist  der 
Inhalt  gleichmässig  schematisch  fein  punktiert;  in 
dem  nach  Löfflers  Methode  gefärbten  Präparat  ist 
wegen  starker  Auflagerung  von  Farbstoff  von  dem 
Inhalte  nichts  einzelnes  zu  sehen.  Vergl.  auch 
Fig.  11,  12.  13.  17,  22,  23,  24,  2G  u.  28,  die  weitere 
Beispiele  der  verschiedenen  Begeisselung  geben. 

Bacillus  proteus,  einer  der  gewöhnlichsten  Fäulniserreger,  und  viele  andere 
(Fig.  8f,  e,  11,  13,  22,  24,  28).  Die  Geisselanordnung  ist  für  jede  Art  con- 
stant  und  selbst  die  Zahl  der  zum  Schopf  vereinigten  Geissein  kann  zur 
Unterscheidung  der  Arten  dienen. 

Ihrer  Natur  nach  entsprechen  die  Geissein  den  Fliminerhaaren  der 
tierischen  Fliminerepithelien,  den  Cilien  der  Algen-  und  Pilzschwärm- 
sporen,  den  Geissein  der  Flagellaten  u.  s.  w.  Eine  Geissei  ist  ein  dünner, 
zarter,  langer  Faden  aus  protoplasmatischer  Substanz,  der  lebhaft  schlägt 
und  schwingt  und  so  ruderartig  den  Körper  fortbewegt.  Sie  wachsen 
langsam  hervor  (Fig.  8 d)  und  werden  nicht  wieder  eingezogen,  auch  bei  der 
plasmolytischen  Kontraktion  des  Inhaltes  nicht  (Fig.  6 c).  Sie  erscheinen 
als  ziemlich  selbständige  Organe,  die  natürlich  die  Betriebskraft  für  ihre 
Bewegungen  vom  Protoplasmakörper  empfangen,  mit  dem  sie  durch  feine 
Löcher  der  Haut  verbunden  sind. 

Durch  ungünstige  Einflüsse  sind  die  Geissein  leicht  zu  schädigen. 
Bei  groben  Insulten  werden  sie  abgeworfen  und  zersetzen  sich  dann  oft 
schon  in  wenigen  Minuten  vollständig.  Hierauf  ist  besonders  bei  dem 
Nachweis  der  Geissein  in  gefärbten  Präparaten  zu  achten,  da  es  ge- 
schehen kann,  dass  trotz  lebhafter  Bewegung  keine  einzige  Geissel  zu 
sehen  ist,  die  beim  Eintrocknen  des  Tropfens  abgeworfen  worden  sind. 
Besonders  nimmt  in  alten  Kulturen  die  Empflndlichkeit  der  Geissein 
sehr  zu.  Oft  werden  sie  nicht  sogleich  abgeworfen , sondern  rollen 
sich  zusammen  und  gehen  dann  erst  zu  Grunde,  peritriche  Bakterien 
sind  oft  mit  einem  Schaum  solcher  eingerollter  Geissein  umgeben 
(Fig.  8 c). 

Andere  Einwirkungen  rufen  eine  G(dsselstarre,  Stillstand  der  Be- 
wegung hervor,  so  zunehmende  Säure  in  alten  Kulturen,  Sauerstottinangel 
unter  dem  Deckglas,  Mangel  an  geeignetem  Nährmaterial.  Durch  Neutrali- 
sieren der  Säure,  durch  Lüften  des  Deckglases,  durch  Zugabe  von  Zucker 
oder  Asparagin  lässt  sich  die  Starre  aufheben.  In  Kulturen  unbewegliche 
Bakterien  wird  man  demnach  nicht  ohne  weiteres  als  unfähig  zur  Loko- 
motion ansehen  dürfen,  erst  längere  Eilährung  ist  hier  entscheidend; 
ebenso  variiert  die  Schnelligkeit  der  Bewegung. 


16 


Die  Scliwiinml)ewegimg-  besteht  in  einem  Vorwärtsschreiten  und  ist, 
wie  bei  Algen-  und  Pilzsporen,  bei  Flagellaten  auch  zumeist  von  einer 
Eotation  um  die  Längsachse  begleitet,  es  ist  anziinehmen,  dass  wie  bei 
den  Flagellaten  das  geisseltragende  Ende  der  mono-  und  lophotrichen 
Geissein  nach  vorn  gerichtet  ist.  Eine  Umkehrung  würde  also  durch  eine 
Drehimg  von  180*^^  um  die  Querachse  eingeleitet  werden.  Bei  peritri- 
chen  Bakterien  weicht  die  Bewegung  im  ganzen  von  der  geschilderten 
nicht  ab,  nur  ersdieinen  hier  sehr  oft  liöchst  sonderbare  Pnrzelbewegungen  : 
die  Zelle  eilt,  sich  fortwährend  um  die  Querachse  überschlagend,  durch 
das  Gesichtsfeld. 

Unter  den  Fadenbakterien  beobachtet  man  die  o sei  liier  ende 
B e w e g n n g nur  bei  der  Schwefelbakterie  Beggiatoa , deren  Fäden 
langsam  pendelnd  hin-  nnd  herschwingen  und  auch  vor-  und  rück- 
wärts zu  gleiten  vermögen.  Die  Erscheinung  ist  hier  ebensowenig  auf- 
geklärt, wie  bei  den  blaugrünen  Oscillarien,  die  nach  dieser  sonderbaren 
Bewegung  benannt  worden  sind.  Besondere  Organe,  die  die  Oscillation 
vermitteln,  hat  man  nicht  erkennen  können,  die  Zellwand  erscheint  all- 
seits geschlossen,  so  dass  Protoplasma  in  leicht  nachweisbaren  Mengen 
nicht  heranstreten  kann,  vielleicht  geben  verfeinerte  Untersuchungs- 
methoden hier  Aufschluss.  Dass  die  Bewegungen  ohne  unmittelbare  Be- 
teiligung des  lebenden  Protoplasmas  zu  stände  kommen,  erscheint  ausge- 
schlossen. 

Von  Flexilität  endlich  redet  man,  wenn  die  Fäden  an  und  für 
sich  zwar  starr  und  ruhig,  aber  nicht  gerade  gestreckt,  sondern  schraubig 
und  verschiedenartig  gekrümmt  sind  und  in  mannigfach  geschlungenen 
Bogen  verlaufen.  Man  vermutet,  dass  flexile  Fäden  eine  weniger  starre 
Haut  haben,  die  den  Verschiebungen  des  von  ihr  umschlossenen  Inhaltes 
nachzugeben  vermag.  Solche  flexile  Fäden  kommen  bei  allen  Tricho- 
bakterien  vor,  bei  den  andern  dagegen  ist  die  Membran  immer  starr  und 
fest.  Drehungen  und  Knickungen  von  Fäden  scheinen  oft  rein  mechanisch 
durch  teilweise  Trennung  der  aneinanderstossenden  Fadenglieder  zu  ent- 
stehen. Genaue  Untersuchung  der  Flexilität  ist  notwendig. 

Vermehrung  der  Bakterien  durch  Teilung.^Q  Wie  jede 
wachstumsfähige  Zelle  unter  günstigen  Ernährungsbedingungen  nach 
einer  gewissen  Grössenzunahme  sich  teilt  und  verdoppelt,  so  teilt  sich 
auch  die  Bakterienzelle.  Durch  die  Teilung  ihrer  einzelnen  Glieder 
wachsen  und  verlängern  sich  die  Fadenbakterien  nur,  eine  Vermehrung 
tritt  erst  ein,  wenn  die  Glieder  sich  aus  dem  Fadenverbande  lösen  und 
jedes  für  sich  zu  einem  neuen  Faden  auswächt.  Die  einzelligen  Vegetations- 
körper der  Haplobakterien  dagegen  vermehren  sich,  sobald  sie  sich  teilen. 
Ein  Stäbchen  streckt  sich,  wie  eine  C3dindrische  Pflanzenzelle  nnd  wird  dann 
durch  eine  Querwand  in  zwei  Hälften  zerlegt,  Kugelbakterien  werden  ellipsoi- 
disch  nnd  teilen  sich  dann  ebenso,  worauf  die  beiden  zunächst  semmelförmigen 
Schwesterzellen  wieder  zur  Kugel  sich  abrunden.  Feinere,  an  die  Teilungs- 
vorgänge anderer  Zellen  erinnernde  Verschiebungen  des  Inhalts  sind  nicht 
wahrzunehmen,  das  Protoplasma  schnürt  sich  einfach  zu  zwei  neue,  von  der 
Teilungswand  getrennte  Protoplasmakörper  durch,  in  derselben  Weise 
wie  bei  der  Teilung  einer  Cladoi)horazelle.  Hier  setzt  sich  zunächst 
an  die  Zellwand  ein  in  das  Zellinnere  vorspringender  schmaler  Ring  von 
Cellulose  an,  dort,  wo  die  neue  Teilungswand  entstehen  soll,  also  in  der 
Mitte  der  Zelle  (Fig.  9 a).  Der  Ring  dringt  immer  tiefer  in  die  Zelle 
ein,  durchschneidet  gleichzeitig  den  Protoplasmakörper  (Fig.  9b)  und 
schliesst  sich  endlich  zur  neuen  Sclieidewand.  Genau  so  wird  wohl  auch  eine 


17 


Bakterienzelle  sich  teilen,  zu  verfolgen  sind  die  Einzelheiten  wegen  der 
Kleinheit  des  Objektes  natürlich  nicht. 

Unter  optimalen  Bedingungen  (Temperatur,  Ernährung)  teilt  sich 
das  Stäbchen  des  Henbacillns  in  einer  lialben  Stunde,  der  Choleravibrio 
verdoppelt  sich  in  20  Minuten,  woraus  sich  für  einen  ü'ag  die  stattliche 
Zahl  Amn  1600  Trillionen  als  Nachkommen  einer  einzigen  Zelle  be- 


Fig.  9.  Querteilung  einer  vielkernigen  lebenden  Algenzelle 
(Cladophora  fracta),  deren  neue  Zellwand,  wie  bei  allen  viel- 
kernigen Zellen  unabhängig  von  der  Teilung  der  Kerne  entsteht. 

In  Fig.  a erhebt  sich  senkrecht  zur  Längswand  ein  Ringwall  der 
neuen  Querwand,  der  im  Bilde  (optischer  Längsschnitt)  als 
stäbchenförmiger  Auswuchs  erscheint,  an  seinem  freien  Ende  vom 
feinpunktierten  Protoplasma  umgeben.  Die  grossen  Ringe  sind 
Stärkekörner.  Fig.  b stellt  ein  älteres  Stadium  dar,  die  neue 
Wand  ist  bis  auf  eine  schmale  Stelle  in  der  Mitte  vollendet.  Die 
Figur  soll  als  Beispiel  dafür  dienen,  wie  man  sich  die  mikro- 
skopisch nicht  verfolgbare  Teilung  einer  Bakterie  zu  denken  hat. 

Nach  Strasburger^  Vergr.  600. 

rechnen  würde.  Diese  Menge  von  Bakterien  würde  ungefähr  2000  Centner 
Trockensubstanz  enthalten,  ein  Eiesenexperiment  müsste  man  anstellen, 
um  einen  einzigen  Kommabacillus  in  vollster  Ueppigkeit  sich  vermehren 
zu  lassen.  So  sclilimm  ist  es  nun  freilich  niemals  in  der  Natur,  denn  in 
so  regelmässig  geometrischer  Progression  schreiten  aus  verschiedenen 
Gründen  die  Teilungen  niemals  fort.  Einmal  schon,  Aveil  das  nötige 
Nährmaterial  niemals,  auch  im  kranken  Körper  nicht,  zur  Verfügung 
steht,  ferner  Aveil  viele  Individuen  bald  absterben,  weil  die  Konkurrenz 
anderer  Organismen  hemmend  Avirkt,  und  Aveil  endlich,  so  besonders 
in  Eeinkulturen , die  eigenen  Stoffwechselprodukte,  z.  B.  Säiirebildimg, 
bremsen. 

Zum  Vergleich  sei  noch  hervorgehoben,  dass  eine  ganze  Kern-  und 
Zellteilung  in  den  Staubfadenhaaren  von  Tradescantia  80 — 100  Minuten 
dauert,  dass  aber  Amöben  schon  in  10—20  Minuten  eine  Teilung  a^oII- 
enden  können.  Die  VermehrungsgeschAvindigkeit  der  Bakterien  ist  also 
keine  beispiellose  und  ganz  verständlich,  da  keine  komplizierten  Um- 
lagerungen von  Kernelementen  vorausgehen,  die  bei  der  Teilung  kern- 
haltiger Zellen  Adel  Zeit  erfordern. 

Alle  cylindrischen  Bakterienzellen,  gleichviel  ob  gerade  Stäbchen 
oder  gekrümmte  Vibrionen  oder  Spirillen  teilen  sich  stets  senkrecht  zur 
Längsachse,  niemals  parallel  damit,  AA^as  ja  den  gleichen  Erfolg  haben 
Avürde.  Die  Teilung;sAvand  Avird,  Avie  bei  allen  Zellen,  so  sparsam  angelegt, 
dass  sie  ein  Minimum  Avird,  und  das  ist  allein  die  QuerAvand.  Bleiben 
die  neuen  Generationen  aneinander  hängen,  so  entsteht  die  Wuchsform 

A.  Fischer,  Vorlesungen  über  Bakterien.  2 


18 


der  Ivetten  und  Fäden,  die  besonders  bei  unbeweg^liclien  Bakterien^  wie 
dem  Milzbrandbacillus,  regelmässig-  Vorkommen,  gelegentlich  auch  bei  den 
beweglichen,  z.  B.  Choleravibrioneii  (Fig.  28 />:},.  wo  sich  aber  die  beweg- 
lichen Glieder  leichter  von  einander  losreissem  Aus  der  für  alle  cylin- 
drischen  Bakterien  gleichartigen  Querteilung  ergiebt  sich,  dass  andere 
Wuchsformen  als  Ketten  nur  dann  entstehen  können,  wenn  nachträgliche 
Verschiebungen  der  Glieder  hinzukommen.  Bei  monotrichen  und  lopho- 
trichen  Bakterien  sprossen  aus  dem  noch  geissellosen  Ende  des  zur  Teilung 
str(d)enden  Stäbchens  die  Geisselii  für  das  eine  neue  Individuum  hervor 
(Fig.  8(f),  während  die  alten  Geissein  auf  die  andere  Zelle  übergehen. 
Wenn  Stäbchen  an  beiden  Enden  Geissein  tragen,  so  liegt  stets  ein  junges 
Teilungsstadium  vor.  Für  die  Lebensgeschichte  der  Geissein  ergiebt  sich 
hieraus  noch  ein  Kuriosum.  Bei  jeder  Teilung  wird  ja  nur  für  ein  In- 
dividuum ein  neuer  Bewegungsapparat  erzeugt,  das  andere  erhält  den 
alten,  so  kann  sich  das  vielmal  wiederholen.  Von  zwei  aneinander- 
hängenden und  zusammen  dahin  schwimmenden  Stäbchen  kann  das  eine  einen 
nagelneuen  Geisselapparat  tragen,  während  der  des  anderen  schon  hunderte 
von  Teilungen , mit  durchgemacht  hat.  Bei  peritichen  Formen  werden 
wahrscheinlich  während  der  Streckung  der  Stäbchen  neue  Geissein  zv/ischen 
die  alten  eingeschoben  und  so  der  Apparat  für  die  Teilung  vervollständigt. 

Bei  den  Kugelbakterien  ist  jede  durch  den  Mittelpunkt  gehende 
Halbierungswand  ein  Minimum  und  für  die  Oekonomie  der  Zelle  ist  es 
daher  ganz  gleichgültig , in  welcher  Eichtung  sie  gezogen  wird.  Wenn 
hier  eine  bestimmte  Eichtung  der  Teilungsebene  eingehalten  wird,  so  ist 
das  schon  der  Ausdruck  für  erbliche,  morphologische  Eigenschaften,  die 
den  Wert  von  Gattungscharakteren  besitzen.  Am  engsten  an  die  Stäbchen- 
bakterien schliesst  sich  der  Fall  an , dass  die  Teilun,gsebenen  in  den 
aufeinanderfolgenden  Generationen  parallel  gerichtet  sind.  Bleiben  jetzt 
die  Zellen  aneinander  hängen,  so  entstehen  unverzweigte  Ketten  aus 
Kügelchen,  wie  z.  B.  bei  Streptococcus  pyogenes  (Fig.  10a),  einem  Eiterungs- 
erreger, oder  wie  bei  Leuconostoc  mesenteroides  (Fig.  7 d),  dem  Frosch- 
laichpilz der  Zuckerfabriken  (Vorl.  XIII). 

Kreuzen  sich  in  regelmässiger  Abwechselung  die  Teilungen  in  den 
beiden  Eichtungen  der  Ebene,  so  entstehen  kleine  Täfelchen  von  4,  16, 
64  etc.  Zellen  (z.  B.  bei  der  roten  Schwefelbakterie  Thiopedia,  bei 


Fig.  10.  Teilungsfolge  der  Coccaceen  (Homococcaceen).  « Streptococcus  pyogenes, 

Teilungswände  immer  parallel,  Kettenwuchs,  i PediOCOCCUS  tetragenUS  (Micrococcus  tetragenus), 
Teilungswände  abwechselnd  senkrecht  zu  einander,  in  den  Richtungen  der  Ebene,  Flächen- 
wuchs. c Sarcina  lutea,  Teilungeia  in  den  drei  Richtungen  des  Raumes,  Würfelwuchs,  Packet- 
wuchs.  Vergr.  a — c 1500. 

Micrococcus  (Pediococcus)  tetragenus  (Fig.  10 i).  Wechseln’  endlich  die 
successiven  Teilungswände  regelmässig  in  den  drei  Eichtungen  ^ des 
Eaumes  ab,  so  müssen  sich  die  Zellen,  wenn  sie  aneinander  hängen  bleiben, 
in  die  Ecken  eines  Würfels  einordnen  und  später  zu  noch  grösseren 
packetähnlichen  Ballen  von  sehr  hoher  Zeilenzahl.  Die  Gattung  Sarcina 
(Fig.  10c)  ist  hierdurch  ausgezeichnet.  Nur  dort,  wo  mehrere  Gene- 


19 


rationell  von  Kivcfelbakterien  cliircli  Gallerte  zusaniniengeli alten  werden, 
ist  es  noch  möglich,  ans  der  Gruppierung’  die  Art  der  Teilung-  heraus- 
zulesen. Sobald  aber  die  Kugeln  nach  der  Teilung  sich  trennen,  ist  es 
natürlich  nicht  mehr  möglich,  über  die  Aufeinanderfolge  der  Teilungs- 
ebenen etwas  herauszulinden. 

Es  bleibt  noch  der  Fall  übrig,  dass  keine  feste  Regel  eingehalten 
wird,  dass  bald  in  dieser,  bald  in  jener  Richtung  die  Kugel  halbiert  wird. 
Hier  würde  sich  eine  grössere  Menge  von  Wuchsformen,  vor  allen 
Dingen  auch  Verzweigungen  in  der  Ebene  und  im  Raum,  kurz  ein  buntes 
Gewirr  ergeben.  Solche  Verbände  sind  von  Kugelbakterien  nicht  be- 
kannt. Wir  müssen  deshalb  annehmen,  dass  auch  die  grosse  Schaar  der 
Mikrokokken  (z.  B.  auch  die  medizinischen  Staphylokokken)  nach  be- 
stimmten Regeln  sich  teilen,  dass  aber  infolge  schneller  Trennung  der 
Individuen  keine  grösseren,  die  Regel  veranschaulichenden  Verbände 
entstehen  können.  Am  wahrscheinlichsten  ist  für  die  Staphylokokken 
wohl  eine  Abwechselung  in  den  drei  Richtungen  des  Raumes,  aber  nicht 
eine  strenge,  sondern  schwankende,  so  dass  einige  Teilungen  durch 
parallele  Wände  sich  vollziehen  und  dann  eine  neue  Richtung  ein  setzt, 
der  schneller  oder  langsamer  die  dritte  oder  auch  die  erste  wieder  folgen 
kann.  So  würden  kurze  Kettchen,  winzige  Täfelchen  und  auch  kleine 
Packetchen  nebeneinander  auftreten  können,  wie  es  in  der  That  die 
Staphylokokken  auch  zeigen  (Fig.  28a). 

Die  Spor enbil düng ^-).  Die  Bakterienzelle  vermag  zwar  eine 
kurze  Zeit  auch  ungünstigen  äusseren  Bedingungen  (Nährstoffmangel, 
ungünstige  Temperatur,  Wassermangel)  zu  widerstehen,  aber  nicht  länger, 
nicht  Jahre  lang,  ebenso  ist  sie  auch  gegen  andere  Schädigungen  nicht 
hinreichend  geschützt.  Wie  alle  niederen  Organismen,  deren  Nahrungs- 
quellen an  ihrem  natürlichen  Wohnort  zeitweise  versiechen,  oder  denen  die 
Ungunst  der  Jahreszeit  hemmend  entgegentritt , so  bilden  auch  die 
Bakterien  besonders  widerstandsfähige  Ruhezustände  oder  Dauerformen, 
die  als  Sporen  bezeichnet  Averden.  Der  Name  soll  die  biologische  Ueber- 
einstimmung  mit  den  gleichnamigen  Gebilden  bei  Algen  und  Pilzen  an- 
deuten, ohne  besondere  morphologische  Nebenbedeutung.  Diese  liegt 
aber  in  dem  Namen  „Endosporen“  für  die  häufigste  Art  der  Bakterien- 
sporeu. 

Ihre  Entwickelung  würde  beim  Milzbrandbacillus  damit  beginnen, 
dass  der  Inhalt  eines  Stäbchens  zu  einem  ellipsoidischen  Körper  sich 
zusammenzieht  (Fig.  11a),  der  zunächst  noch  keine  eigene  Haut  hat  und 
von  der  sonst  leeren  Stäbchenhaut  umschlosseu  Avird.  Später  schrumpft 
der  junge  Sporenkörper  noch  etAvas  mehr  zusammen,  er  wird  dichter  und 
lichtbrechender  als  er  früher  Avar,  als  er  noch  als  Protoplast  das  ganze 
Stäbcheninnere  erfüllte.  Jetzt  scheidet  die  junge  Spore  eine  eigene  Haut 
aus,  deren  Undurchlässigkeit  für  Wasser  und  gelöste  Stoffe  die  Spore 
besonders  ihre  grosse  Widerstandskraft  verdankt.  Damit  ist  die  Spore 
fertig,  freilich  immer  noch  umschlossen  von  der  leeren  Stäbchenhaut 
(Fig.  11^),  durch  deren  langsame  Auflösung  sie  endlich  ganz  befreit 
wird.  Die  reife  Spore  ist  ein  glänzendes,  ellipsoidisches , unbeAvegliches 
Körperchen,  das  noch  bedeutend  kleiner  ist,  als  das  Stäbchen,  in  dem 
es  entstand  und  oft  von  gallertigen  Resten  desselben  zart  umsäumt  Avii'd 
(Fig.  11  y,  /i,  i — 1).  Solche  freie  Sporen  findet  man  in  Mengen  in  2 — 3 Tage 
alten  Milzbrandbkulturen,  sie  entwickeln  sicli  bei  günstiger  Temperatur  in 
den  ersten  24—36  Stunden.  Ebenso  entstehen  die  Endosporen  des  Heu- 

2* 


20 


Dacilliis,  dessen  Stäbchen  ihre  cylindrische  Gestalt  dabei  ebenso  unver- 
ändert beibehalten,  wie  der  Bacillus  Anthracis  (Fig.  116,  13  c). 

Ein  fortgeschrittenerer  Typus  der  Sporenbildung  besteht  darin,  dass 
die  Stäbchen  ihre  Gestalt  verändern,  spindelförmig  (Fig.  11c  und  d) 
oder  durch  Anschwellung  des  einen  Endes  Stecknadel-  oder  kaulquappen- 
oder  trommelschlägerähnlich  (Fig.  11c  und  f)  werden  und  dass  zwar  der 


Fig.  11.  Sporenentwickelung  und  Keimung,  a Milzbrandbacillus,  dessen  Inhalt  sich  zum 
jungen , noch  hautlosen  Sporenkörper  zusammengezogen  hat.  b Reife  Spore  des  Milzbrandes, 
noch  eingeschlossen  in  das  Stäbchen,  dessen  Gestalt  während  der  Sporenbildung  sich  nicht  verändert. 
c u.  d Clostridium  butyricum  [Pi-azm.),  c vegetatives  peritriches  Stäbchen , d reife  Spcfren  in 
der  spindelförmig  aufgeschwollenen  Zelle,  deren  Inhalt  nicht  ganz  zur  Sporenbildung  aufgebraucht 
wird,  e U.  f Ploctridium  paludosum,  e unverändertes  Stäbchen,  f kopfig  angeschwollen  (Kaul- 
quappenform, Stecknadelform)  mit  reifer  Spore  im  dicken  Ende,  g Keimung  der  Sporen  von 
Bacillus  Anthracis,  das  Keimstäbchen  streckt  sich  parallel  zur  Längsachse  der  kurzellipsoidischen 
Spore  hervor,  3,  4 (nach  Prazmoioshi).  h Keimung  der  Spore  von  BacilluS  SubtiliS,  Streckung 
des  Keimstäbchens  senkrecht  zur  Längsachse  der  Spore  (3  — 5);  wie  beim  vorigen  schlüpft  es 
schliesslich  aus  der  Sporenhaut  (3)  hervor  (nach  Prazmoioski).  c BacilluS  leptosporus.  Die 
Spore,  von  einem  zarten  Gallerthof  (punktiert  1 — 3)  umgeben,  streckt  sich  zum  Stäbchen,  ohne 
dass  eine  besondere  Sporenhaut  zurückbleibt  (4) ; einfachste  Art  der  Sporenkeimung  (nach 
Vergr.  a 2250,  b—f  circa  1200.  g — i 1000. 

grösste  Teil  des  Inhaltes,  aber  doch  nicht  alles,  znm  Sporenkörper  sich 
znsammenzieht.  Es  bleibt  ein  äiisserst  zarter,  durch  Plasmolyse  nachweis- 
barer Wandbelag  übrig,  auf  dessen  Gegenwart  wohl  die  Fortdauer  der 
Schwimmbewegung  während  der  Sporenbildiing  ziirückziiführen  ist.  Die 
Geissein  werden  nicht  eingezogen  (Fig.  11  d und  f)  und  schwingen  noch 
eine  Zeit  lang  munter  weiter,  bis  auch  hier  die  reifen  Sporen  ganz  aus 
den  absterbenden  Stäbchen  befreit  werden. 

Formänderung  der  sporenbildenden  Zelle  und  nur  teilweise  Um- 
bildung des  Protoplasmas  zur  Spore  scheinen  stets  zusammen  vorzu- 
kommen. So  wenigstens  bei  den  Spindeln  einzelner  Bnttersänrebazillen, 
bei  den  Trommelschlägern  einiger  Sumpfbakterien.  Trotz  mancher  wider- 
sprechender Angaben  ist  wohl  sicher,  dass  die  Formänderungen  bei  den 
betreffenden  Arten  stets  Vorkommen  und  zur  systematischen  Unterschei- 
dung verwertbar  sind.  Man  kann  die  Spindeln  als  Clostridien,  die  Trommel- 
schläger als  Plectridien  unterscheiden.  (Ygl.  A' orl.  III.) 

AVeniger  die  Gestaltverändernng  kennzeichnet  diesen  zweiten  Typus 
als  einen  höheren,  fortgeschritteneren,  als  vielmehr  die  Sonderung  des 
Inlialts  in  den  zur  Spore  werdenden  Hauptteil  und  den  das  Leben  des 
Stäbchens  noch  weiter  unterhaltenden  zarten  AVandbeleg.  Hierdurch  ist 
eine  primitive  Art  der  Arbeitsteilung  gegeben,  die  in  der  freien  Natur 


J 


— 21  - 

eine  Weiterbeförderung  der  heranreifenden  Sporen  an  andere,  ihrer  zu- 
künftigen Keimung  günstige  Stellen  gestattet. 

Von  vielen  Bakterien  kennt  man  noch  keine  Endosporen,  so  von 
sämtlichen  Kokken  und  einer  grossen  Zahl  pathogener  Stäbchen,  wie  dem 
des  l\vphus,  der  Tuberkulose,  der  Diphtherie,  ferner  vom  Choleravibrio. 
Dass  auch  sie  alle  Sporen  entwickeln,  unterliegt  keinem  Zweifel,  nur 
scheinen  sie  besondere,  in  den  Kulturen  noch  nicht  erreichte  Bedingungen 
zu  verlangen.  Es  Avird  eine  wichtige  Aufgabe  der  Bakteriologie  sein, 
diese  Lücke  auszufüllen.  Zweifelhafte  Sporen  sind  von  den  genannten 
pathogenen  Bakterien  und  vielen  anderen  zwar  als  glänzende  Körnchen 
und  Kügelchen  beschrieben,  es  fehlt  aber  jeder  Beweis  für  deren  Sporen- 
natur. Vielmehr  ist  sicher,  dass  übrig  gebliebene  „Chromatinkörner“ 
ans  abgestorbenen  und  zerfallenen  Bakterien  oder  andere  Zusammen- 
klumpungen des  vergehenden  Protoplasmas  mit  echten  Sporen  oft  ver- 
Avechselt  worden  sind. 

Zu  den  geschilderten  Eigenschaften  der  Sporen  kommt  noch  eine 
hinzu:  sie  färben  sich  ohne  besondere  Vorbehandlung  nicht,  woraus  nun 
freilich  nicht  folgt,  dass  jede  ungefärbt  bleibende  Lücke  eine  Spore  sein  muss. 

Um  die  Sporen  zu  färben,  hat  man  viele  Methoden  ausgebildet,  die 
schöne  Doppelfärbungen  gestatten,  so  lange  noch  die  Spore  in  der 
Stäbchenhaut  steckt.  Die  Undurchlässigkeit  der  Sporenhaut  übervlndet 
man  entweder  durch  starkes  Erwärmen  mit  stark  färbenden  Lösungen 
oder  durch  eine  Vorbehandlung,  z.  B.  mit  Cliromsäure,  die  entweder  die 
Sporenliaut  auflockert  oder,  was  Avahrscheinlicher  ist,  geAvisse  Stoffe  her- 
auslöst und  so  dem  Farbstoff  den  Weg  bahnt.  Aber  selbst  eine  solche 
Sporenfärbung  bietet  noch  keinen  untrüglichen  Beweis  dafür,  dass  ein 
Gebilde  auch  Avirklich  eine  Spore  ist.  Hierüber  entscheidet  einzig  und 
allein  die  Keimung. 

Die  Sporen  sind  gleich  nach  ihrer  Eeife  keimfähig  und  bleiben  es 
eingetrocknet  im  Staube  viele  Jahre  lang.  Das  ist  keine  besondere 
Eigenschaft  der  Bakteriensporen:  gut  trocken  aufbeAvahrte  Getreide- 
körner keimen  noch  nach  10—20  Jahren,  die  Sporen  des  Getreidebrandes, 
wenn  sie  8 Jahre  im  Herbarium  gelegen  haben.  (Vgl.  Vorl.  VIII.)  In 
reinem  Wasser  keimen  die  Bakteriensporen  nicht,  es  bedarf  dazu  eines 
von  einer  geeigneten  Nährlösung  ausgehenden  Eeizes  und  selbstverständ- 
lich auch  einer  angemessenen  Temperatur.  Die  Vorstufen  der  Keimung 
äussern  sich  in  einer  langsamen  Aufschwellung  der  Spore,  die  dabei 
ihren  starken  Glanz  mehr  und  mehr  verliert  (Fig.  11  g 2,  h 2,  i 3). 
Beim  Heubacillus  (Bac.  subtilis)  würde  diese  erste  Keimungsphase  in 
1 — 3 Stunden  verlaufen.  Jetzt  platzt  die  Sporenhaut  an  einer  Stelle, 
der  Inhalt,  von  zarter  Haut  umhüllt,  drängt  sich  als  kleines  Knöpfchen 
hervor,  das  nun  in  kurzer  Zeit  zum  Keimstäbchen  sich  streckt  (Fig.  11h 
2 — 6),  an  dessen  Basis  oft  lange  Zeit  noch  die  leere  Sporenhaut  hängen 
bleibt.  Die  Keimung  ist  nunmehr  vollendet,  sie  Avürde  beim  Heubacillus 
4—5  Stunden  dauern.  Noch  auf  eine  Eigentümlichkeit  ist  hinzuAveisen. 
Die  Sporen  des  Bacillus  subtilis  sind  kurz  ellipsoidisch , in  derselben 
Eichtling  gestreckt  AAÜe  das  sie  erzeugende  Stäbchen.  Bei  der  Keimung 
reisst  die  Spore  seitlich  auf,  das  Keimstäbchen  streckt  sich  senkrecht  zu 
ihrer  Längsachse  hervor  (Fig.  11  h).  Die  Längsachse  der  neuen  Generation 
kreuzt  sich  also  mit  der  der  vorausgegangenen.  Die  Sporen  des  Milz- 
brandbacillus, des  Clostridium  butyricum  reissen  dagegen  am  Scheitel 
auf,  die  Längsachsen  der  alten  und  der  neuen  Generation  sind  gleich- 
sinnig gerichtet  (Fig.  11  g). 


22 


Beide  Arten,  gekreuzte  und  gleichsinnige  Keimung  kommen  auch 
noch  bei  anderen  Bakterien  vor,  sind  aber  für  jede  Spezies  konstant 
und  zu  ihrer  Unterscheidung  verwertbar. 

Am  einfachsten  verläuft  die  Keimung  bei  einigen  harmlosen  Bakterien 
(z.  B.  Bac.  leptosporns) , indem  die  Spore  sich  unter  allmählicher  Ver- 
grösserung  zum  Bacillus  streckt,  ohne  eine  Membran  abzuwerfen  (Fig.  11  i). 
Hier  wird  also  die  ganze  Haut  der  Spore  zur  Haut  des  neuen  Stäbchens, 
während  bei  der  oben  beschriebenen  Keimung  des  Heubacillus  (ebenso 
Milzbrand,  ferner  Clostridium  butyricum)  die  Sporenhaut  sich  spaltet, 
in  eine  äussere  Schicht,  die  als  leere  Haut  abgestreift  wird  (Fig  lly  3,  4 
u.  h 5,  6)  und  in  eine  innere  Schicht,  die  als  Haut  des  neuen  Stäbchens 
den  hervorquellenden  Inhalt  umhüllt.  In  dieser  Weise  keimen  auch  viele 
Pilzsporen. 

Ausser  den  Endosporen  werden  noch  sog.  Arthrosporen,  Glieder- 
sporen von  DE  Bary  erwähnt,  die  zu  grossen  Missverständnissen  geführt 
haben.  De  Bary  bezeichnet  damit  einmal  Glieder  von  Fadenbakterien, 
wie  Cladothrix  (Fig.  12),  Thiotaix  u.  s.  w. , die  sich  ablösen,  als 
Schwärmer  herumschwimmen  und  zu  neuen  Fäden  endlich  auswachsen. 
Sie  sind  Fortpflanzungszellen,  Gonidien,  die  man  auch  Sporen  nennen  kann, 
weil  die  Spore  eben  auch  der  Vermehrung  dient.  x4rthrosporen  nannte 
sie  DE  Bary,  weil  ein  Glied  des  Fadens  sie  bildet.  Irgend  welche  andere 
Eigenschaften  von  Sporen  kommen  diesen  Arthrosporen  nicht  zu,  sie  sind 
losgelöste  Glieder  ohne  besondere  Widerstandskraft,  ohne  anhaltendes 
Keimvermögen.  Eine  andere  Art  iVrthrosporen  sind  dann  diejenigen,  die 
bei  Leuconostoc  Vorkommen  sollen.  Hier  wird  eine  ganze,  etwas  ver- 
grösserte  Zelle  durch  Verdickung  ihrer  Membran  zu  einem  Ruhezustand, 
einer  Arthrospore,  wie  bei  den  blaugrünen  Algen.  Ein  solcher  Fall  ist 
von  den  allgemein  untersuchten  Bakterien  nicht  bekannt  und  könnte  nur 
dann  als  sicher  gelten,  wenn  die  Arthrosporen  die  Form  der  Bakterien, 
zu  der  sie  gerechnet  werden,  noch  besitzen.  So  müssten  also  die  Arthro- 
sporen des  Choleravibrio  gekrümmte,  glänzende  Stäbchen  sein,  die  des 
Bacillus  violaceus  langgestreckte  gerade  u.  s.  w.  Die  bis  jetzt  miss- 
verständlich als  xWthrosporen  beschriebenen  Gebilde  z.  B.  der  Cholera- 
vibrionen sind  wohl  nur  Kügelchen  aus  altem  Kulturdetritus,  eine  wirkliche 
Keimung  ist  ja  auch  nicht  beobachtet  worden. 

Ueber  die  Ursachen  der  Sporenbildung  ist  wenig  zu  sagen.  Wie  bei 
anderen  Organismen  verhält  es  sich  auch  hier.  Ungünstige  Ernährungs- 
bedingungen, Verbrauch  der  dargei'eichten  Nahrung,  Anhäufung  schäd- 
licher Produkte  des  eigenen  Lebens  führen  zur  Sporenbildung.  Die 
pathogenen  Bakterien  erzeugen  inf  kranken  Körper,  soweit  wenigstens  bisher 
genau  geprüft  wurde,  keine  Sporen.  Der  Milzbrandbacillus  scheint  die 
Sporen  nur  an  offenen,  der  Luft  zugänglichen  Stellen  von  Kadavern  zu 
bilden,  ausserdem  in  den  Ausleerungen  der  kranken  Tiere.  Einige 
weitere  Bemerkungen  findet  man  bei  der  Einzelbesprechung  der  pathogenen 
Bakterien  (Vorl.  XVI). 


III. 


Speciesbegi'iff  und  Variabilität.  Involution  und  Abscliwächnng. 

System  der  Bakterien. 


Als  man  die  ausserordentlich  mannigfaltigen  Wirkungen  näher 
kennen  lernte,  die  von  den  winzigen,  morphologisch  so  gleichartigen 
Bakterien  in  der  Natur  hervorgebracht  werden,  da  schien  es  manchem, 
als  ob  die  Bakterien  Wesen  ganz  besonderer  Art  seien,  die  erhaben 
wären  über  die  Eegeln  und  Gesetze,  die  für  alle  andern  Organismen 
gelten.  Den  Bakterien  gegenüber  schien  jede  Ansicht,  auch  die  ab- 
surdeste erlaubt  zu  sein.  Auch  der  Speciesbegriff  sollte  nicht  gelten. 
Der  Kampf  um  die  naturhistorische  Art  hat  viel  Staub  aufgewirbelt  und 
ist  erst  seit  wenigen  Jahren  in  dem  Sinne  entschieden,  dass  für  die 
Bakterien  dasselbe  gilt  wie  für  alle  andern  Organismen,  dass  auch  hier 
Species  und  Gattungen  zu  unterscheiden  sind.  Die  ganze  Streitfrage 
über  den  Wert  der  Bakterienspecies  lässt  sich  in  zwei  Schlagworte 
zusammenfassen : P 1 e o m o r p h i e oder  morphologische  Wandel- 
barkeit und  Pleogenie  oder  physiologische  Wandelbar- 
keit. 

Die  Pleomorphisten  meinten,  dass  ein  Coccus  bei  seinem  weiteren 
Lebensgange  nicht  immer  ein  Coccus’  zu  bleiben  braucht,  sondern  dass 
er  unter  gewissen  Umständen  zum  Bacillus  sich  strecken  kann,  dass 
dieser  zeitweise  sich  krümmt,  Vibriogestalt  annimmt,  um  dann  später 
vielleicht  wieder  zur  Kugelform  zurückzukehren.  Worte  wie  Micrococcus, 
Bacillus,  Vibrio,  Spirillum,  die  jetzt  wohl  umschriebene  Gattungsbegrilfe 
sind,  sanken  zu  nichtigen  Zeichen  für  vorübergehende  Gestaltung  herab. 

Als  Muster  einer  fast  unerschöpflichen  Vielgestaltigkeit  galt  die  ver- 
zweigte Wasserbakterie  C 1 a d o t h r i x d i c h o t o m a.  Es  hat  sich  aber  her- 
ausgestellt, dass  auch  diese  keineswegs  pleomorph  ist.  Nur  zu  Zwecken 
der  Vermehrung,  der  Ansiedelung  auf  neuem  Substrat  lösen  sich  die  cylin- 
drischen  Glieder  aus  dem  Fadenverbande,  entwickeln  einen  Büschel  von 
Geissein  und  schwärmen  als  G o n i d i e n , Sch  wärmzellen,  aus  den  Scheiden 
hervor  (Fig.  12).  Nach  kürzerer  oder  längerer  Schwärmzeit  setzen  sich 
die  bazillenartigen  Körper  irgendwo  fest  und  wachsen  zu  neuen  Fäden  aus. 


24 


Weder  Kokken,  noch  Vibi’ionen  und  Spirillen  schieben  sich  in  den  Ent- 
wickelung’sgang  ein.  Vorübergehende  Krümmungen  und  Schlängelungen 


Fig.  12.  Claclotlirix  dichotoma,  Schwärmerbildung. 
Die  feinpunktierte  Scheide  hat  sich  am  linken  Aste  geöffnet 
und  entlässt  einen  Schwärmer,  am  rechten  Aste  ist  eine  ganze 
Gruppe  von  Fadengliedern  in  Schwärmer  mit  je  einem  seit- 
lichen Geisselbüschel  umgewandelt.  An  diesem  Aste  ist  die 
Scheide  stark  aufgelockert,  verquollen.  Vergr.  1000. 


der  Zweigstücke  oder  Znsammenhänfungen  unbeweglich  gewordener 
Gonidien,  die  früher  als  pleomorphe  Entwickelnngsphasen  gedeutet  wurden, 
wolle  man  nicht  für  mehr  halten  als  sie  wirklich  sind:  zufällige  Vor- 
kommnisse. 

Eiterkokken  (Staphylococcns)  in  beliebigen  Nährsnbstraten  gezüchtet, 
werden  immer  und  immer  wieder  nur  als  kleine  Kügelchen  (Fig.  28  a) 
erscheinen,  niemals  eine  andere  Gestalt  annehmen,  also  mit  unerschütter- 
licher Beständigkeit  ihre  äussere  Form  beibehalten.  x\nch  der  Komma- 
bacillns  der  Cholera  wird  sich  immer  als  leicht  gekrümmtes  Stäbchen  ent- 
wickeln, nie  von  dieser  Form  abweichen.  Nur  würden  in  manchem  Nähr- 
böden mehr  Einzelvibrionen,  in  anderen  mehr  Kettchen  Vorkommen.  (Fig.  28^•.) 


Fig  18.  Bacillus  subtilis  in  Heuinfus, 
sämtliche  vorkommende  Zustände,  a peritri- 
ches,  bewegliches  Kurzstäbchen,  i unbeweg- 
liche Stäbchen  und  Ketten,  d bewegliche 
Ketten,  c Sporen  in  unbeweglichen  Einzel- 
stäbchen und  Ketten , die  auf  der  Infusober- 
fläche  zur  dichten  weisslichen  Kahmhaut  (^e) 
vereinigt  sind.  Vergr.  a—d  1500,  e (nach 
Brefeld]  250. 


Eine  Kultur  des  Bacillus  subtilis,  vielleicht  in  Heuinfus, 
würde  neben  einander  enthalten:  bewegliche  und  unbewegliche  Einzel- 
stäbchen (Fig.  13  a u.  h)  bewgliche  (d)  und  nnbewegliche , besonders 
auf  der  Oberfläche  des  Aufgusses  zur  Kahmhaut  (Fig.  13  e)  vereinigte 


25 


Ivetten.  Der  Vegetationskörper  ist  hier  ein  einzelliges  peritrich  be- 
geisseltes,  lebhaft  bewegliches  Stäbchen  (Fig.  13  a).  Zeitweise  Geissel- 
starre  giebt  die  nnbeweglichen  Stäbchen  der  Infnskultur,  deren  be- 
wegliche Ketten  dadurch  entstehen,  dass  mehrere  dnrcli  Teilung  eines 
Stäbchens  gebildete  Generationen  an  einander  hängen  bleiben  (Fig.  13  d). 
In  frischen  Infuskulturen,  die  sich  gleichinässig  trüben,  wird  man  nur  diese 
beweglichen  Zustände  finden,  erst  später  sammeln  sich  die  beweglichen 
Stäbchen,  von  Sauerstoffhunger  getrieben,  an  der  Obei’fläche  und  wachsen 
zu  nnbeweglichen,  geissellosen  Fäden  aus,  in  denen  die  Sporen  entstehen 
(Fig.  13  c u.  e).  Darauf  ist  der  Formenkreis  des  Bacillus  subtilis  be- 
schränkt. 

Diese  Beispiele  werden  genügen,  um  zu  zeigen,  dass  ein  Pleomorphismus 
in  dem  oben  angegebenen  Sinne  nicht  besteht.  Bei  allen  einfachen 
Bakterien  (Haplobakterieu)  schwankt  nur  die  Wuchsform  zwischen  Einzel- 
individuen, Ketten  und  Haufen,  denen  noch  Zoogloeen  sich  zugesellen 
können,  einher,  abhängig  vom  Substrat,  die  Form  des  Vegetationskörpers 
aber  ist  durchaus  beständig. 

Dass  gute  und  schlechte  Ernährung  die  Grösse  der  Individuen  beein- 
flusst, bedarf  wohl  keines  näheren  Beweises,  auch  Zwerg-  und  Riesen- 
wuchs kommen  bei  den  Bakterien  ebenso  vor,  wie  bei  anderen  Organismen 
und  sind  nicht  anders  wie  bei  diesen  zu  beurteilen.  Für  alle  Bakterien- 
arten lässt  sich  eine  mittlere  Grösse  und  Form  feststellen,  von  der  keine 
grössere  Abweichungen,  wie  bei  anderen  Organismen,  zu  beobachten  sind. 
Immer  vorausgesetzt,  dass  die  Bakterien  in  den  Kulturen  sich  Wohl- 
befinden. Das  dauert  aber  nicht  so  lange,  wie  man  für  gewöhnlich  wohl 
vermutet.  Man  sperre  einmal  einige  Tausend  Kinder  in  engem  Raum 
zusammen,  sorge  für  reichliche  und  beste  Nahrung,  aber  entferne  nicht 
ihre  Entleerungen,  schon  nach  wenigen  Stunden  würde  es  fürchterlich  aus- 
sehen.  Ganz  in  der  gleichen  Lage  befinden  sich  die  ungezählten  Bak- 
terien in  einem  Agarbeleg , in  jeder  unserer  künstlichen  Kulturen  über- 
haupt. So  ist  es  nicht  zu  verwundern,  wenn  später  viele  Zellen  zu  miss- 
gestalteten, absterbenden  Involutionsformen  auswachsen  und  neben  den 
morphologischen  Eigenschaften  auch  die  physiologischen,  wie  Gärungs- 
tüchtigkeit, Virulenz  der  pathogenen  Arten,  sich  abschwächen. 

In volutions formen  (Fig.  14)  bilden  alle  Bakterien,  wenn  sie 
längere  Zeit  in  ihnen  nicht  zusagenden  Bedingungen  leben  müssen,  sie 
verkrüppeln  und  verkümmern,  wie  andere  lebende  Wesen.  Die  Ursachen 
der  Involution  können  sehr  verschieden  sein,  so  wachsen  die  Essigbakterien 
(Fig.  14  c— c/)  sowohl  durch  Anhäufung  ihres  eigenen  Produktes,  der 
Essigsäure,  als  auch  durch  eine  Steigerung  der  Temperatur  über  die  obere 
Grenze  zu  Missgestalten  aller  Art  aus  (Vorl.  XII),  so  kann  ■ man  durch 
ein  Missverhältnis  von  Kohlenstoff  und  Stickstoff  in  der  Nahrung  den 
Bacillus  suljtilis  zur  Involution  zwingen  in  einer  Lösung,  die  0,1  % As- 
paragin  und  10*^/,,  Zucker  enthält.  In  anderen  Fällen  wird  dasselbe  erreicht 
durch  einen  hohen  Zusatz  von  Neutralsalzen.  Ein  merkwürdiger  Fall 
von  Involution  ist  die  Bakteroidenbildung  in  den  Leguminosenknöllclien 
(Vorl.  X). 

Die  Gestalten,  welche  entstehen,  sind  sehr  mannigfaltig,  bald  schwellen 
die  Stäbchen  Ifiasig  oder  eiförmig  oder  spindelförmig  auf,  bald  wachsen  sie  zu 
gewundenen  und  geschlungenen  Fädchen  aus,  bald  treiben  sie  kurze 
Ausstülpungen,  werden  zwei  und  dreiarmig  und  bilden  wenn  Kettenwuchs 
herrscht,  dann  scheinbar'  verzweigte  Systeme  (Fig.  14).  Gleichzeitig 
nimmt  auch  der  Inhalt  ab  und  färbt  sich  schwächer,  oft  nur  noch  in  ein- 


26 


zelnen  Körnchen.  Die  vollkommen  aiisgebildeten  Involntionsformen  sind 
todt  lind  können,  selbst  durch  die  besten  Bedingungen  nicht  wieder  be- 
lebt und  in  die  normale  Gestalt  zurückgeführt  werden.  In  alten  Kulturen 
Avird  man  selir  oft  solche  Involutionsformen  finden,  besonders  bei  den 
echt  parasitischen  Krankheitserregern,  wie  dem  der  Tuberkulose  und 
Diphtherie,  die  auch  in  den  besten  Kulturen  doch  nicht  ganz  diejenigen 


Fig.  14.  Involutionsformen,  a Bacillus  subtilis  aus  einer  4 Tage  alten  Kultur  mit 
Chlorammonium,  2®/q  Traubenzucker  und  0,5%q  Nährsalzen,  schwach  sauer,  h Typhusähnliche 
Bazillen  aus  AVasser  in  Heuinfus  Chlorammonium;  unbeweglich,  geissellos , an  die 

Bakteroiden  der  Leguminosenknöllchen  (e  u.  /)  erinnernd,  c Bacterium  aceti  bei  39—41*^ 
nach  E.  Chr.  Hansen,  d Bacterium  Pasteurianum  7 Stunden  bei  34*^  nach  Hansen,  e BaC- 
teroiden  aus  den  AVurzelknöllchen  von  Vicia  villosa,  die  kleinen  Kinge  sind  die  noch  gut  färb- 
baren Inhaltsreste  (nach  Morde),  f Bacteroiden  von  Lupinus  albus  (nach  Morck,  die  obere 
vierarmige  Figur  gehört  zu  Vicia  villosa).  g TuberkeibacilluS,  verzweigte  Stücke  aus  Sputum 
(nach  Coppen- Jones),  h Diphtheriebazillen,  sogenannte  verzweigte,  die  sicherlich  nur  Involutions- 
formen sind  (nach  Bernheim  u.  Folger).  A'ergr.  a m.  b 1500,  c u.  100,  e u,  f circa  1500, 
g 1250,  h circa  100. 

Bedingungen  finden,  die  sie  verlangen.  Solche  Involutionsformen  mit 
kurzen  Seitenästchen  hat  man  vielfach  als  BeAveise  dafür  angesehen,  dass 
die  Bakterien  der  Diphtherie  (Fig.  14//)  und  Tuberkulose  (Fig.  14//)  einen 
reicher  gegliederten  Vegetationskörper  besitzen,  als  es  für  geAvöhnlich 
erscheint.  Die  Stäbchen,  die  im  kranken  Körper  und  in  den  Kulturen 
zunächst  allein  aiiftreten,  seien  nur  die  eine  EntAvickelungsstiife  eines 
verzAveigten  Organismus,  der  entweder  zu  den  Fadenbakterien  oder  avoIü 
gar  zu  einfachen,  fädigen  Pilzen  (H3q)homyceten)  gehöre.  Auch  besondere 
Namen  hat  man  schon  geschaffen,  den  Erreger  der  Tuberkulose  stellt 
man  in  die  neue  Gattung  M^^cobacterium,  den  der  Diphtherie  zu  Co- 
rynebacteriiim.  Meiner  Ansicht  nach  oline  ausreichenden  Grund,  denn 
die  z.  B.  bei  der  Tuberkulose  erst  in  3 — 6 Monate  alten  Kulturen  er- 
scheinenden VerzAveigungen  (Fig.  14  g)  sind  keinesAvegs  allgemein  und 
stimmen  mit  den  degenerativen  Ausstülpungen  der  Leguminosenbakte- 


27 


roiden  (Fig.  14  c — f)  und  der  Essigbakterieii  (Fig.  14  c—d)  ganz  über- 
ein. Wie  diese  sind  sie  Involntionsformen. 

Wenn  man  die  zur  Involution  treibenden  Umstände  auf  ein  gewisses 
Maass  einscliränkt,  so  kann  man  eine  allgemeine  Abschwäcliung  der 
Bakterien  lierbeifnliren.  Bei  fortgesetzter  Kultur  im  Laboratorium  tritt 
das  allmählich  von  selbst  ein,  die  pathogenen  Eigenschaften,  die  Virulenz 
nehmen  ab,  ebenso  die  Gärkraft  und  vieles  andere.  Man  kann  die 
alte  Kraft  wieder  erwecken  dadurch,  dass  man  die  pathogenen  Bakterien 
mehrmals  durch  den  Tierkörper  schickt,  den  Gärnngserregern  Gelegenheit 
zu  lebhafter  Gärung  bietet;  kurz  Znrnckversetzung  in  die  natürlichen 
Verhältnisse  kann  die  knltnrelle  Abschwäcliung,  die  noch  nicht  bis  zur 


Involution  sich  gesteigert  hat,  beseitigen. 

Was  bei  längeren  Kulturen  allmählich  geschieht,  kann  man  absichtlich 
in  kurzer  Zeit  dadurch'  erreichen,  dass  man  die  Bakterien  einem  stärkeren 
Grad  ungünstiger  Einwirkungen  anssetzt.  Um  das  Wichtigste,  die  Ab- 
s c h w ä c h n n g der  Virulenz  herbeiznführen,  kann  man  sich  aller 
Mittel  bedienen,  die  das  Leben  schädigen,  nur  gilt  es  das  rechte  Mass 
abzupassen.  Direktes  Sonnenlicht  in  wenigen  Stunden,  Zusatz  von 
0,1 — 0,2  '’/o  Karbolsäure  schwächt  die  Virulenz  des  Milzbrandbacillus  ab,  Jod- 
trichlorid  gab  Erfolge  bei  Diphtherie-  und  Starrkrampf  bazillen.  Durch  Tem- 
peratureinwirkuug  hatPASTEun  weniger  virulente  Formen  des  Milzbrandes 
erzeugt,  die  längere  Zeit  ihre  neuen  Eigenschaften  bewahrten.  Es  genügte 
ein  15  Minuten  langes  Erwärmen  auf  52  vierstündiges  auf  47  ",  sechstägiges 
auf  43  und  ein  28  tägiges  auf  42,5 ".  Da  das  Temperaturoptimum  für  den 
Milzbrandbacillus  bei  30 — 37 ",  das  Maximum  bei  42  43 ",  die  Tötungs- 

grenze bei  50 — 60"  liegt  (Vorl.  VIII),  so  ersieht  man,  dass  es  nur  nötig 
ist,  über  diese  Werte  emporzusteigen  und  dass  die  Abschwächung  um  so 
schneller  eintritt,  je  mehr  man  sich  der  Tötungstemperatur  nähert. 

Dass  die  Abschwächung  der  Virulenz  nur  der  Ausdruck  einer  all- 
gemeinen Schädigung  ist,  geht  daraus  hervor,  dass  die  abgeschwächten 
Milzbrandbazillen  auch  die  Fähigkeit  verloren  haben,  Sporen  zu  bilden, 
dass  sie  „as porogen“^®)  geworden  sind.  x\uf  den  ersten  Blick  scheint 
das  ein  ausserordentlich  grosser  Erfolg  zu  sein.  Die  Sporenbildung  ist 
eine  der  wichtigsten  morphologischen  Eigenschaften.  Wenn  es  gelingt, 
sie  vollkommen  zu  unterdrücken,  ja  so  zu  unterdrücken,  dass  in  den 
günstigsten  Kulturen  sie  nicht  wieder  erscheint,  dann  wäre  ja  ein  stiller 
Wunsch  der  Abstammungslehre  erfüllt:  durch  äussere  Einflüsse  wäre 
eine  neue  Eigenschaft,  die  Asporogenität,  erblich  erzeuzt.  Leider  ist 
auch  hier  der  Erfolg  nur  scheinbar.  Ebenso  wenig  wie  es  möglich  ist, 
durch  rastloses  xlbschneiden  von  Mäuseschwänzen  eine  schwanzlose  Kasse 
zu  erziehen,  ebensowenig  sind  die  asporogenen  Milzbrandbazillen  eine 
neue  lebenskräftige  Rasse.  Nur  die  Ausbildung  vollreifer  Sporen  von 
bekannter  Widerstandskraft  wird  verhindert,  rudimentäre  Sporen,  un- 
fertige Sporen  werden  aber  gebildet.  Nur  eine  allgemeine  Degeneration, 
die  alle  Eigenschaften  beeinträchtigt,  ist  erreichbar.  Dass  geht  schon 
daraus  hervor,  dass  schliesslich  solche  „asporogene“  und  schwach- 
virulente Bazillen  nach  und  nach  absterben.  Durch  Einimpfung  in 
Tiere  und  mehrfach  wiederholte  „Passage*‘  durch  den  üherkörper,  also 
um  medizinisch  zu  reden,  durch  corroborierende  Behandlung  kommen 
die  geschwächten  Bakterien  wieder  in  den  Vollbesitz  ihrer  ganzen 
Kraft,  sie  werden  wieder  hochvirulent  und  können  auch  wieder  normale 
Sporen  erzeugen,  genau  wie  kränkelnde  Pflanzen  sich  erholen,  wenn  sie 
in  optimale  Verhältnisse  versetzt  werden.  Die  grosse  Bedeutung  der 


28 


experimentellen  Abschwächung  der  Virulenz  für  die  künstliche  Immuni- 
sierung wird  später  (Vorl.  XVII)  besprochen  werden. 

Durch  äussere  Einwirkungen  von  der  kurzen  Dauer,  die  das  Experiment 
gestattet,  lässt  sich  demnach  nur  eine  vorübergehende,  keine  erbliche 
Aenderuug  hervorrufen,  die  morphologischen  Eigenschaften  bleiben  er- 
halten und  immer  wieder  kehrt  die  Art  zu  ihrer  charakteristischen  Form 
zurück.  Der  Species-  und  Gattungsbegriff  ist  demnach  für  die  Bakterien 
kein  anderer  wie  tür  alle  anderen  Organismen.  ‘ Die  Ansicliten  Bill- 
roth’s  über  die  sogenannte  Coccobacteria  septica,  wonach  alle  in 
einer  Wunde  vorkommenden  Bakterien  nur  Entwickelungsstadien  einer 
naturhistorischen  Art  sein  sollten,  die  weitgehenden  Spekulationen  Zopf’s 
über  Artbegriff  und  Formenkreise  der  Bakterien  gehören  nur  noch  in  die 
Geschichte  der  Bakteriologie.  Auch  Näoeli’s  ähnliche  Ansicliten  haben 
sich  den  neuen  Erfahrungen  gegenüber  nicht  bestätigt,  die  von  Cohn 
schon  lange  vertretene  Auffassung,  dass  auch  die  Bakterien  in  gute  Species 
und  Gattungen  morphologisch  sich  einordnen  lassen,  dürfte  jetzt  allgemein 
anerkannt  sein. 

Weniger  einfach  ist  die  Frage  der  ph^^siologischen  Wandelbarkeit, 
der  Pleogenie  zu  lösen.  Einzelheiten  werden  sich  bequemer  bei  der 
weiteren  Besprechung  der  verschiedenen  biologischen  Bakteriengruppen 
behandeln  lassen,  es  sei  deshalb  auf  die  Vorlesungen  V,  XI,  XII.  XIII. 
XV  verwiesen.  Für  jede  Bakterienart  besteht  ein  gewisser  Spielraum 
der  Entwickelungsfähigkeit  auf  verschiedenen  Substraten,  von  deren  Zu- 
sammensetzung auch  die  Wirkungen,  die  in  jedem  einzelnen  Falle  hervor- 
treten, abhängen.  Man  könnte  danach  wohl  zwei  grosse  Gruppen  unter- 
scheiden, die  monotrophen  und  die  polytrophen  Bakterien.  Die 
ersteren  stellen  sehr  scharf  umschriebene  Ansprüche  an  die  Ernährung,  die  nur 
in  engeren  Grenzen  variieren  darf,  und  demgemäss  sind  auch  die  Produkte 
des  Stoffwechsels,  die  Wirkungen  dieser  Bakterien  in  der  Natur  ganz 
spezifische.  Solche  monotrophe  Bakterien  würden  z.  B.  die  Schwefel-  und 
Salpeterbakterien  sein,  ferner  die  echten  Parasiten,  die  stickstoffassimi- 
liereiiden  Knöllchenbakterien  der  Leguminosen.  Aber  auch  unter  der 
grossen  Schaar  der  Fäulnis-  und  Gärungsbakterien  giebt  es  monotrophe. 
die  nur  ganz  spezifische  Gärungen  hervorrufen,  wie  die  Essigbakterien, 
viele  Milchsäure-  und  Buttersäurebakterien,  ferner  die  Harnbakterien  und 
manche  mit  eng  begrenzten  saprogenen  Eigenschaften.  Daneben  finden 
sich  aber  auch  polytrophe,  die  eine  Mehrzahl  von  Prozessen  hervorrufen 
können.  Einige  Buttersäurebakterien  scheinen  auch  imstande  zu  sein, 
Eiweiss  in  Fäulnis  zu  versetzen,  neben  zymogenen  Eigenschaften  sind 
saprogene  vorhanden.  Andere  Buttersäurebakterien  werden  auch  pathogen 
(Rauschbrand,  malignes  Oedem),  umgekehrt  können  Bakterien  mit  vor- 
herrschend saprogenen,  fäulnisserregenclen  Eigenschaften  auch  auf  fäulnis- 


unfähigem Substrat  wachsen  und  Gärungen 


erzeugen. 


wie  der  Bacillus 


vulgaris  und  ähnliche.  Während  vielen  Bakterien  die  Fähigkeit,  im 
lebenden  Körper  zu  gedeihen,  ganz  abgeht,  vermögen  dies  andere,  ihre 
Polytropliie  ist  nach  dieser  Seite  hin  ausgebildet  (Typhus,  Choleravibrio). 

Beispiele  für  ähnliche  Verschiedenheiten  bei  anderen  Organismen 
brauchen  wohl  nicht  angeführt  zu  werden.  Am  schärftsten  tritt  auch 
physiologisch  der  Artcharakter  natürlich  bei  den  monotrophen  Formen 
hervor,  aber  auch  die  polytrophen  behalten  trotz  wechselnder  Leistungen 
ihren  Wert  als  Species.  Eine  ümzüchtung  in  Rassen  mit  erblichen  neuen 
Eigenschaften  ist  wohl  im  Experiment  nicht  ausführbar,  denn  die  Ab- 
schwächung der  Virulenz  ist  nicht  erblich,  sie  ist  durch  Tierpassage  zu 


29 


beseiti«-en.  Man  hat  es  ganz  in  seinem  Belieben,  patliogene  Bakterien 


mit  allen  Abstufungen  der  Virulenz  lieranzuzüchten,  je  nachdem  man  sie 

Tieren  einimpft  und 
erzielten  Abarten  haben  aber  nur  den  Wert 


läno'ere  Zeit  ohne  Tier  kultiviert  oder  gewissen 


dergleichen.  Alle  die  so 
von  Laboratiumsrassen , eine  erbliche  Variation  ist  nicht  eingetreten. 
Anderer  Art  sind  die  Kulturrassen  der  Gärungsorganismen , über  die 
man  Vorl.  XII  und  XIV  vergleichen  wolle. 

Eine  gänzliche  Unterdrückung  einer  biologischen  Eigenschaft  ist  bis 
jetzt  noch  nicht  gelungen,  denn  die  Angaben  aus  früherer  Zeit,  als  man 
mit  der  Technik  der  Reinkulturen  noch  nicht  so  vertraut  war,  wie  heute, 
sind  nicht  mehr  beweiskräftig.  Die  Umzüchtung  der  Milzbrandbazillen 
in  den  harmlosen  Heubacillus,  die  einst  viel  Aufsehen  erregte,  hat  sich 
nicht  bestätigt. 

Wenn  nach  alledem  darüber  kein  Zweifel  mehr  herrschen  kann,  dass 
die  Bakterien  genau  wie  andere  Organismen  in  naturgeschichtliche  Arten 
und  Gattungen  zerfallen,  so  ist  doch  die  grosse  Schwierigkeit  hervor- 
zuheben, die  einer  Umgrenzung  der  systematischen  Ein- 
heiten entgegensteht.  Die  morphologische  Eintönigkeit  der  Kugel- 
bakterien, die  grosse  Aehnlichkeit  vieler  Stäbchenbakterien  macht  eine 
rein  morphologische  Charakteristik  der  Arten  ganz  unmöglich.  Man  hat 
daher  zu  physiologischen  Merkmalen  gegriffen  und  benutzt  neben  der 
Form  auch  noch  folgende  Eigenschaften:  Wuchs  auf  verschiedenen 

Nähr  Substraten  und  Anforderungen  an  die  Ernährung  (Vorl.  VI),  spezi- 
fische Produkte,  wie  Farbstoff,  Licht,  Granulöse,  Schwefel,  spezifische 
Leistungen  wie  Fäulnis,  Gärung,  Krankheit,  das  Verhalten  zum  Sauer- 
stoff’ (Vorl.  VII)  und  vieles  andere.  Experimentelle  Pathologie,  physio- 
logische Chemie  und  Botanik  müssen  Zusammenwirken,  um  eine  zuverlässige 
Artbeschreibung  zu  ermöglichen.^^)  Das  ist  freilich  zum  grossen  Teile 
noch  eine  Aufgabe  für  die  Zukunft.  Die  Einteilung  der  Bakterien  allein 
nach  ihren  besonders  hervorstechenden  Leistungen  ist  gewiss  nicht  zu 
unterschätzen,  sie  führt  aber  nur  zu  physiologischen  Gruppen, 
von  denen  die  wichtigsten  die  folgenden  sind : saprogene  oder  Fäul- 
n isb akterien,  zymogene  oder  Gärungsbakterien,  chromo- 
gene  oder  Farbstoffbakterien,  photogene  oder  Leucht- 
bakterien, t h e r m 0 g e n e oder  W ä r m e b a k t e r i e n , pathogene 
oder  Krankheitsbakterien,  ferner  Nitrit-  und  Ni  trat  bakte- 
riell, Schwefelbakterien,  Eisenbakterien,  Purpurbakte- 
rien. Unberechtigt  aber  ist  es,  nach  diesen  Gesichtspunkten  auch 
Gattungsnamen  zu  machen  und  diese  gleichwertig  mit  morphologischen 
Gattungen  zu  gebrauchen.  Solche  physiologische  Gattungen,  die  in  einem 
System  der  Bakterien  keinen  Platz  beanspruchen  können,  sind:  Photo- 
bacteriiim,  Nitrobacter,  Nitrosomonas  und  Nitrosococcus,  Granulo- 
bacter  für  Buttersäurebakterien  mit  Graniilosereaktion,  Jodococciis  für 
ebenso  reagierende  Mimdbakterien,  Halibacterium  für  die  Meeresbakterien, 
Gonococcus  für  die  Tripperkokken,  Proteus  für  einige  Fäulnisbakterien 
und  andere.  Sie  sind  ja  als  leicht  zu  handhabende  1'rivialnanien  sehr 
brauchbar  und  empfehlenswert,  müssen  aber  im  System  ziirückstehen 
hinter  denjenigen  Gattungen,  die  durch  morphologische  Merkmale  unter- 
scheidbar sind.  Denn  auf  diesen  hat  zunächst  das  System  aller  Orga- 
nismen sich  aufzubauen,  auch  das  der  Bakterien.  Wenn  bei  ihnen  gerade 
die  morphologischen  Merkmale  bei  der  Speciesiinterscheidung  ganz  im 
Stich  lassen  und  durch  physiologische  ersetzt  werden  müssen,  so  muss 
doch  andrerseits  alles  versucht  werden,  um  Avenigsteus  die  Gattungen 


30 


morplioloo-iscli  zu  umgrenzen.  Das  war  l)ereits  der  Gedanke  des  jetzt 
nicht  mehr  ausi’eiclienden  Systems  von  Comn  das  muss  auch  hei  jedem 
neuen  V ersucli  festgehalten  werden.  Die  S y s t e m a t i k d e r B a k t e r i e n 
leidet  an  einem  Uebelstande,  dem  andererseits  freilich  die  vielseitige 
Kenntnis  dieser  Organismen  zu  danken  ist^  an  dem,  dass  zu  verschieden- 
artig geschulte  Forscher  hineinzureden  haben.  Neben  den  medizinisch 
ausgebildeten  Bakteriologen,  denen  die  streng  aufgebauten  Gesetze  der 
Systematik  nicht  bekannt  sein  können,  wetteifern  in  der  Art-  und  Gattungs- 
fabrikation die  Untersucher  der  technischen  Gärungen  und  der  biochemi- 
schen Processe  in  der  Landwirtschaft,  ferner  eine  grosse  Zahl  andrer  Phjrscher. 
Ich  meine  nun  keineswegs,  dass  zum  Ausbau  eines  S3"stems  der  Bakterien 
nur  die  Botanik  berechtigt  sei,  ich  möchte  nur  hervorheben,  dass  nach 
den  Prinzipien  ihrer  allgemeinen  Systematik  auch  von  den  andern 
Forschern  vorgegangen  werden  muss.  Schon  in  der  Wertschätzung  der 
wenigen  morphologischen  Merkmale,  die  der  Bakterienkörper  darbietet, 
herrscht  noch  eine  grosse  Willkür.  Uebereinstimmung  besteht  nur  in  der 
Gruppierung  nach  der  äusseren  Form  des  Vegetationskörpers  in  Kugel-, 
Stäbchen-,  Schrauben-  und  Fadenbakterien,  die  Cohn’s  System  schon  ein- 
führte. Aber  schon  der  Gegensatz  zwischen  Fadenbakterien  und  allen 
anderen,  deren  Vegetationskörper  eine  einzige  Zelle  ist,  verdient  mehr 
hervorgehoben  zu  werden,  als  es  gewöhnlich  geschieht.  Die  Fadenbakterien 
sind  als  0 r d n u n g der  T r i c h o b ak  t e r i e n den  anderen,  den  Haplo- 
bakterien  gegenüberzustellen , bei  denen  nur  als  vorübergehende 
Wuchsformen  Ketten  oder  andere  mehr  oder  weniger  scharf  umschriebene 
Zusammenhäufungen,  wie  die  Packete  der  Sarcinen,  die  spinnwebartigen 
Zoogloen  des  Bacillus  vulgaris  Vorkommen.  Mit  Eecht  legt  man  der  Be- 
weglichkeit und  ihrem  Fehlen  grossen  s3^stematischen  Wert  bei,  nur  wird 
die  Beständigkeit  der  Begeisselung  (monotriche,  lophotriche,  peritriche) 
unterschätzt.  Ein  Choleravibrio  oder  ein  Bac.  pyoc3^aneus  trägt  stets 
nur  eine  Geissei,  seltene  Ausnahmen  mit  2 abgerechnet,  ein  Typhus- 
bacillus oder  ein  Heubacillus  und  sehr  viele  andere  sind  stets  peritrich 
begeisselt,  endlich  tragen  lophotriche  Formen,  wie  die  Spirillen  und  manche 
Wasserbakterien,  auch  der  Bacillus  S3mcyaneus  der  blauen  IVilch  stets 
ein  polares  Geisselbüschel,  dessen  Geisselzahl  annähernd  bestimmt  ist 
und  keinen  zu  grossen  Schwaukungen  unterliegt.  Wenn  im  Präparat 
mancheiTei  Unregelmässigkeiten  in  der  Geisselzahl  Vorkommen,  so  ist 
das  auf  die  grosse  Empfindlichkeit  der  leicht  abfallenden  Geissein  zurück- 
zuführen, nicht  eine  ursprüngliche  Unregelmässigkeit.  Wie  bei  den 
Flagellaten,  ist  auch  bei  den  beweglichen  Bakterien  die  Zahl  und  An- 
ordnung der  Geissein  ein  mori)hologisches  Merkmal  von  fiuidamentalem 
systematischem  AVert.  Ein  zweites  liegt  in  der  Form  der  sporenbildenden 
Stäbchen,  das  zwar  vielfach  als  unbeständig  und  sclnvankend  bezeichnet 
wird,  in  Wirklichkeit  aber  gleichfalls  diejenige  Beständigkeit  besitzt,  die 
man  von  einem  systematischen  Unterscheidungsmerkmal  verlangen  muss. 
Die  Milzbrandbacillen  behalten  stets  während  der  Sporenbildung  ihre 
zylindrische  Gestalt,  die  Tetanusbazillen  nehmen  ausnahmslos  Trommel- 
schlägerform (Plectridien)  an,  einige  Buttersäurebakterien  werden  durch- 
weg zu  Spindeln,  nur  wenige  Missbildungen  würden  abzurechnen  sein, 
unter  vielen  Hunderten  nur  einige.  Das  Chaos  der  Stäbchenbakterien 
lässt  sich  mit  Hilfe  der  Geissein  und  Sporenzellen  in  einige  gut  um- 
schriebene Gattungen  einteilen,  die  sogar  in  Unterfamilien  sich  zusaninien- 
fassen  lassen.  Man  wendet  ein,  dass  die  Sporen  von  vielen  Bakterien 
noch  unbekannt  sind.  Das  ist  wahr,  aber  dann  ordne  man  doch  wenigstens 


31 


die  vollständig  bekannten  Bakterien  in  gute  Gattungen  ein  und  bringe 
nur  den  Rest  provisorisch  unter.  Diesen  wenigstens  nach  der  leicht  er- 
kennbaren Begeisselnng,  einstweilen  in  diejenigen  Gattungen,  deren  Stäb- 
chen sich  bei  der  Sporenbihlnng  nicht  verändern. 

Die  Namen  der  Gattungen  würden  sich  bequem  so  einrichten  lassen, 
dass  das  Stamm  wort  die  Form  des  sporenhaltigen  Stäbchens,  die  Endung 
die  Art  der  Begeisselnng  kennzeichnet,  ininm  für  monotriche,  illnm  für 
lophotriche,  idium  für  peritriche.  Stab  (baktron),  Spindel  (kloster)  und 
Trommelschläger  (plektron)  geben  die  Stammworte.  Einfacher  gestaltet 
sich  die  Einteilung  der  weniger  zahlreiclien  Spirillaceen,  wie  die  fol- 
gende Uebersicht  ergeben  wird.  Bei  den  Coccaceen  hat  man  die  Gattungen 
bereits  nach  der  Teilnngsart  unterschieden,  es  würde  sich  aber  empfehlen, 
noch  mehr  den  Gegensatz  zwischen  zwei  Gruppen,  den  Honiococca- 
ceen  und  den  Allococcaceen  hervorznheben.  Bei  den  Gattungen 
der  ersten  sind  die  aufeinanderfolgenden  Teilnngsebenen  scharf  und  be- 
stimmt orientiert  bei  den  Allococcaceen  herrscht  keine  solche  Regel 
(p.  18,  19). 

Noch  ein  Wort  über  die  alten  Namen  Bacterinm  und  Bacillus. 
Sie  werden  in  den  beiden  neuesten  Systemen-^)  ganz  verschieden  gebraucht. 
Lehmakn  und  Neumann  bezeichnen  mit  Bacterinm  alle  Stäbchenbakterien, 
deren  Sporen  man  noch  nicht  kennt,  worauf  doch  gar  kein  Wert  zu 
legen  ist,  da  sich  das  jeden  Tag  ändern  kann.  Die  Gattung  Bacillus 
umfasst  alle  Stäbchen  mit  Endosporen.  Auf  die  Begeisselnng  wird  gar 
keine  Rücksicht  genommen. 

Migula  hingegen  rechnet  alle  unbeweglichen  Stäbchen  in  die  Gattung 
Bacterinm,  alle  peritrich  begeisselten  zu  Bacillus  und  die  übrigen  beweg- 
lichen mit  polaren  Geissein  zu  der  neuen  Gattung  Psendomonas. 
Hier  wird  zwar  dem  Umstande,  ob  man  Endosporen  schon  kennt  oder 
nicht,  mit  Recht  keine  Bedeutung  beigemessen,  aber  auch  die  Form  der 
Sporenstäbchen  vernachlässigt,  endlich  ^ber  werden  die  mono-  und  lopho- 
trichen  m die  Gattung  Psendomonas  znsammengeworfen. 

Die  alte  Gattung  Bacterinm  wird  man  wohl  am  besten  ganz  ein- 
ziehen, da  das  Wort  sich  zur  Bezeichnung  der  ganzen  Organismnsgruppe 
eingebürgert  hat,  die  Gattung  Bacillus  dürfte  wohl  am  besten  zum 
ehrenden  Andenken  an  Koch’s  erste  Arbeit  denjenigen  Bakterien  vorzn- 
behalten  sein,  die,  wie  der  Milzbrandbacillus  sich  verhalten,  d.  h.  dauernd 
unbeweglich  sind  und  bei  der  Sporenbihlnng  sich  nicht  verändern. 

Der  Gallertbildung,  den  sog.  Kapseln,  kann  bis  auf  eine  genaue  Unter- 
suchung ein  entscheidender  generischer  Wert  nicht  zngestanden  werden, 
für  die  Speciesbeschreibnng  dagegen  ist  sie  nicht  zu  vernachlässigen.  Die 
Trichobakterien  umfassen  noch  so  wenige  Gattungen,  dass  einstweilen 
es  genügen  dürfte,  sie  in  eine  Familie  mit  dem  Charakter  der  Ordnung 
zu  vereinigen. 

Das  Sj^stem  der  Bakterien  würde  also  folgende  Ordnungen,  Familien 
und  Gattungen  umfassen,  unter  letzteren  sind  einige  seltenere  ans- 
gelassen. 


32 


1.  Orclmmg.  Haplobacterinae. 

Vegetationskörper  einzellig,  kugelig,  cylindriscli  oder  schraubig,  einzeln 
oder  zu  Ketten  und  andern  Wuclisformen  vereinigt. 


1.  Familie.  Coccaceae,  Kugelbakterien. 
Vegetationskörper  kugelig. 

1.  Unterfamilie  Allococcaceae.  ^ 

Mit  beliebig  wechselnder  Teilungsfolge,  keine  scharf  ausgeprägten 
■\Vuchsformen,  bald  kurze  Ketten,  bald  traubige  Häufchen,  bald  paarweise 

und  einzeln. 

Gattung  Micrococcus  Cohn.  Unbeweglich. 

Hierher  gehört  die  Hauptmasse  der  Kugelbakterien,  auch 
die  medizinischen  Gattungen  Staphylococcus,  Gonococcus. 

Gattung  Planococcus  Migula.  Beweglich. 


2.  Unterfamilie.  Homococcaceae. 

Mit  bestimmter,  für  jede  Gattung  typischer  Teilungsfolge. 

Gattung  Sarcina  Goodsir.  Die  Teilungswände  folgen  sich  in  den 
drei  Kichtungen  des  Eaumes,  es  entstehen  packetartige 
Wuchsformen,  unbeweglich. 

Gattung  Plano  sarcina  Migula,  Avie  die  Awige,  aber  beAA^eglich,  mono- 
trich begeisselt. 

Gattung  Pediococcus  Lindner.  Teilungswände  kreuzAveise  in  den  beiden 
Kichtungen  der  Ebene  abAvechselnd , Zellen  zu  vier  oder  zu 
Täfelchen  zusammengelagert.  Hierher  der  Micrococcus  tetra- 
genus  von  Koch  und  Gaefey,  ferner  die  Sclnvefelbakterie 
Thiopedia  und  andere,  Avahrscheinlich  noch  einige  der  ge- 
wöhnlich zu  Micrococcus  gestellten  Formen. 

Gattung  Streptococcus  (Billroth).  TeilungSAvände  immer  parallel, 
nur  in  derselben  Richtung;  Wuchs  in  Ketten. 

Hierher  auch  der  Streptococcus  der  Medizin , auch  der 
gallertumhüllte  Leuconostoc. 


2.  Familie.  Bacillaceae,  Stäbchenbakterien. 


Vegetationskörper  cylindriscli,  ellipsoidisch,  eiförmig,  gerade;  bei  den 
kurzen,  fast  kugeligen  Formen  Avird  die  Trennung  von  Kokken  scliAver; 

Teilung  immer  senkrecht  zur  Längsachse. 


1.  Unterfamilie  Bacilleae. 

Sporeiibildeiide  Stäbchen  unverändert,  cylindrisch. 

Gattung-  Bacillus  (Cohn).  Unbeweglich. 

Hierher  der  Bacillus  Anthracis,  tiiberculosis,  dijihtheriae  und 
viele  andere. 

Gattung  Bactrininm  A.  Fischer,  beweglich,  monotrich,  mit  einer 

polaren  Geissei. 

Hierher  einstweilen  alle  monotrichen  Stäbchenbakterien,  deren 
Sporen  noch  unbekannt  sind,  z.  B.  der  Bacillus  pyocyaneus. 

(fattang  Bactrillum  A.  Fischer,  mit  lophotrichen  Geissein;  hierher 
einstweilen  auch  viele  ohne  bekannte  Sporen,  z.  B.  Bacillus  syii- 
C3^aneus  (cyaiiogenus)  der  blauen  Milch. 

(-iattung  Bactridium  A.  Fiscnmi,  beweglich,  peritrich,  vorläufig  auch 
ohue  Sporen;  eine  grosse  Schaar  gehört  hierher.  Die  Sporen 
kennt  man  von  Bac.  subtilis,  Bac.  Megatherium,  ferner  hierher 
Bacillus  vulgaris  und  verwandte  (alte  Cfattung  Pi’oteus),  ferner 
Bacillus  typhi,  Bacillus  coli  etc. 


2.  Unterfamilie  Clostridieae. 

S p 0 r e n b i 1 d e 11  d e Stäbchen  s p i n d e 1 f ö r m i g. 


Gattung  Clostridium  (Prazmowski) , beweglich,  peritrich;  hierher 
einige  Buttersäurebakterien. 

Andere  Gattungen  mit  monotrichen  und  lophotrichen  Geissein  sind  noch 

unbekannt. 


3.  Unterfamilie  Plectridieae. 

S 0 r e n b i 1 d e n d e Stäbchen  t r o m in  e 1 s c h 1 ä g e r f ö r m i g. 

Gattung  Plectridiiim  A.  Fischer,  beiveglich,  peritrich;  hierher  einige 
Buttersäure-Bakterien,  eine  Methanbakterie,  ferner  der  Tetanus- 
bacillus. 

iVudere  Gattungen  noch  unbekannt. 


3.  Familie.  Spirillaceae,  Schraubenbakterien. 

Vegetationskörper  cylindrisch,  aber  schraubig  gekrümmt,  Teilung  immer 

senkrecht  zur  Längsachse. 

Gattung  Vibrio  (Müller-Loeeler),  schwach  kommaförmig  gekrümmt,  be- 
Aveglich,  monotrich;  Vibrio  cholerae  asiaticae  und  zahlreiche 
Vibrionen  des  süssen  Wassers  und  Meeres. 

Gattung  S])irillum  (Ehrenrerg),  stärker  schraubig  in  weiten  Win- 
dungen gekrümmt,  beiveglich,  lo])hotrich. 

Spirillum  undiila,  Sjhrillum  rubrum  etc. 

Gattung  Spirochaete  (Ehrenberg),  sehr  enge,  zahlreiche  Schrauben- 
windungen, Geissein  unbekannt,  Zelhvand  vielleicht  Üexil. 

Spirochaete  Obermaieri  (Eückfallstyphus). 


A.  Fis  eil  er,  Vorlesmiffeii  über  Bakterien. 


8 


34 


2.  Tricliobacteriiiae. 

Veg’etatioiiskörper  ein  unverzweig’ter  oder  verzweig-ter  Zellfaden,  dessen 
Glieder  als  Scliwärinzellen  (Gonidien)  sicli  ablösen. 

1.  Familie.  Trichobacteriaceae,  Fadenbakterien. 

Charakter  der  Ordnung-. 

a)  Fäden  nnbeweg-licli,  starr,  in  eine  Sclieide  ein^esclilossen. 

Gattung-  Crenotlirix  Cohn,  Fäden  unverzweig-t,  ohne  Scliwefel. 
Gattung-  Thiothrix  Winogradsky,  wie  vorige,  aber  mit  Schwefel. 

Gattung  Cladothrix  Cohn  (inkl.  Sphaerotilus),  Fäden  verzweigt,  pseudo- 
dichotom. 

b)  Fäden  pendelnd  und  langsam  kriechend  beweglich,  ohne  Scheide. 

Gattung  Beggi(atoa  Trevisan  mit  Schwefel. 

Ueber  die  Gattung  Streptothrix  sehe  man  die  nächste  Vorlesung 
nach.  Dieser  kui’ze  Ueberblick  über  das  des  weiteren  Ausbaues  natürlich 
noch  sehr  bedürftigen  Systems  mag  genügen.  Die  Speciesunterscheidung, 
zu  der  die  oben  genannten  Eigenschaften  alle  herangezogen  Averden 
müssen,  ist  nicht  Sache  dieser  Vorlesungen.  Man  vergleiche  die  in  An- 
merkung- 3 genannten  Werke. 


IV. 


8telhm((  der  Rakteiieii  im  System  der  Oitjaiiismeii. 
Niedere  Oriiaiiismeii  aiidei'er  Art  mit  i)atlio(jeneii  Eigenschaften. 


Man  bekommt  oft  die  Frage  vorgelegt:  sind  die  Bakterien  eigentlich 
Pflanzen  ? Der  Begrilf  ,/Iher“  und  „Pflanze“ 


Tiere  oder 
einer  Zeit. 


und  „Pflanze“  stammt  ans 
wo  man  solche  winzige  Organismen,  wie  die  Bakteiien  noch 
gar  nicht  kannte,  er  wurde  vom  Laien  geschaffen  für  das  Moos  und  das 
Insekt,  den  Elephanteu  und  den  Eichbaum.  So  Avar  es  ein  überflüssiges 
Bemühen,  Avenn  man  in  früherer  Zeit  sich  quälte,  die  Grenze  zAvischen 
Tier-  und  Pflanzenreich  mit  den  grössten  Spitzfindigkeiten  innerhalb  jener 
AA'inzigen  Organismen  festzustellen,  für  die  der  Begrilf  Tier  und  Pflanze 
gar  nicht  geschaffen  Avorden  war.  Deshalb  ziehen  Hackel  und  viele 
andere  es  vor,  neben  den  beiden  Reichen  der  Tiere  und  Pflanzen  noch 
ein  drittes,  das  der  Protisten  oder  U r o r g a n i s m e n anzunehmen,  bei 
denen  die  Scheidung  noch  nicht  sich  vollzogen  hat,  die  bald  mehr  Pflanze 
sind,  bald  mehr  Tier.  Zu  diesen  Protisten  würden  die  Protozoen,  also 
Radiolarien  und  Infusorien,  Flagellaten  und  andere  gehören,  aus  dem 
Pflanzenreich  würden  die  blaugrünen  Algen  (C3mnophyceen)  und  einige 
Gruppen  einfacherer  grüner  Algen  und  auch  Pilze  hierher  zu  verAveisen 
sein.  Die  Grenze  zAvischen  Protisten  einerseits,  Tieren  und  Pflanzen 
andererseits  würde  freilich  auch  nur  künstlich  zu  ziehen  sein.  Zu  diesen 


Protisten,  denen  die  jetzt  gebräuchlichen  Namen  „Mikroorganismen“ 
„Mikroben“  annähernd  entsprechen,  gehören  auch  die  Bakterien. 

Nicht  seltener  als  die  erste  Frage  taucht  eine  andei'e  auf:  sind  die 
Bakterien  vielleicht  Pilze?,  Avas  ja  schon  durch  den  Namen  Spaltpilze  an- 
gedeutet zu  Averden  scheint.  In  der  Lebensweise  stimmen  Pilze  und  Bak- 
terien völlig  überein;  abgesehen  von  den  Salpeterbakterien  und  einigen  an- 
deren sind  beide  niclit  im  Stande,  organisches  Material  aus  uiiorgauischen 
Verbindungen  aufzubauen,  sie  sind  beide  metatroph,  d.  h.  in  ihrer  Ernähi'ung 
auf  diejenigen  organischen  Verbindungen  angeAviesen,  die  höhere  Orga- 
nismen, Tiere  und  Pflanzen  erzeugt  haben,  oder  sie  sind  sogar  i)aratroi)h, 
d.  h.  sie  vermögen  nur  als  Parasiten  in  andern  Organismen  zu  leben 
(Vorl.  V p.  47). 


8* 


36 


Trotz  aller  ])liysiol()g-isclieii  Uebereinstiminim^  bestehen  aber  sehr 
grosse  mo]‘j)liologisclie  Unterscbiede  zwisclieii  IMlzeii  und  .Bakterien. 
GHeicliviel  ob  man  einen  Cliam])io’non  oder  eine  Morchel,  einen  Brand- 
pilz auf  Getreide  oder  einen  gemeinen  Schinimeli»ilz  (Fig.  15c)  auf 
Komi)ot  oder  bei  der  Bläschentleclite  (Herpes  tonsurans)  betrachtet, 
immer  wird  mau  zwei  Teile  uutersclieideu  können:  den  vegetativen  Teil, 
das  Mycelium,  und  diesem  aufsitzend  die  verschieden  gestalteten  Frucht- 
bildungen. Im  einfachsten  Falle  einzelne  oder  zu  Ivetten  aneinander  ge- 
reihte besondere  Fortpflanzungszellen  (Conidien),  auf  der  höchsten  Stufe 
die  zusammengesetzten  Fruchtkörper  der  Schwämme.  Das  Mycel  bestellt 
aus  einem  reich  verzweigten , strahlig  sich  ausbreitende  Fadenwerk 


Fig.  15.  a Oscillaria  tenuis  (Cyanophycee),  Fadeiistück,  ch  hohlcyliiidrisches  Chromatophor 
(FarbstofFkörper),  c sog.  Centralkörper,  Hauptmasse  des  feinvakuoligen  Protoplasmas  mit  stark 
färbbaren  Körnern  (schwarz),  h Polytoma  UVella,  Flagellatc  mit  zwei  Geissein  am  Vorder- 
ende, V kontraktile  Vakuole,  Tc  Zellkern,  h Zellhaut,  der  Inhalt  mit  Assimilationsprodukten  (kleinen 
Ringen,  Paramylum)  erfüllt,  c Peniciliium  glaucum  (echter  Pilz,  Mycomycet).  Mycelstück  aus 
einer  ausgekeimten  Conidie  («)  entstanden  , an  besonderen  in  die  Luft  ragenden  Ästchen  neue 
pinselförmige  Conidienträger  (5)  mit  Conidienketten.  Vergr.  a 2250,  h circa  600,  c (nach 
Brefeld)  120. 


(Fig.  15c),  das  bei  den  meisten  Pilzen,  z.  B.  bei  dem  auch  pathogenen, 
schwarzen  Kolbenschimmel  (Aspergillus  niger)  aus  cylindrischen  Zell- 
gliedern, die  in  ihrer  Form  einer  Stäbchenbakterie  gleichen,  zusammen- 
gesetzt ist.  Lange  Zeit  vermag  das  Mycel  auf  dem  Nährboden  zu  pere- 
nieren  und  üppig  zu  wuchern,  immer  neue  Fortpflanzungsorgane  und 
Fruchtkörper  erzeugend. 

Von  alledem  ist  bei  den  Bakterien  nichts  zu  sehen.  Ihr  Vegetations- 
körper ist  entweder  nur  eine  einfache  Zelle  oder  ein  Zellfaden,  an  dem 
besondere  Fortpflanzungsorgane  sich  nicht  entwickeln,  der  vielmehr  wie 
bei  Cladothrix  (Fig.  12)  gänzlich  in  Gonidien  zerfällt.  Auch  bei  der 
Sporenbildung  hört  die  ganze  Bakterienzelle  als  solche  auf  zu  bestehen. 
Ebenso  Avie  bei  den  Schleimpilzen  (Myxomyceten)  und  vielen  andern  Pro- 
tisten verwandelt  sich  der  ganze  Vegetationskör] >er  ohne  einen  Aveiter- 
lebenden  Kest  in  die  Fortpflanzungsorgane,  die  Bakterien  sind  holo- 
karpisch,  sie  stehen  noch  auf  der  tiefsten  Stufe  der  morphologischen 
Gliederung.  Die  Pilze  dagegen  sind  eukarpisch.  derselbe  Vegeta- 
tionskörper vermag  längere  Zeit  hindurch  besondere  Früchte  zu  erzeugen, 
sie  stehen  also  morphologisch  viel  höher  als  die  Bakterien.  Ihre  syste- 


37 


matisclien  Bezielmii<;'eii  iiiüsseii  deshalb  an  anderen  Stellen  des  Protisten- 
reiches anfeesucht  werden,  besonders  sind  zwei  Gruppen  zu  beachten: 
einmal  die  blauo’riinen  iVl^’en  (Gyano])hyceen)  und  zweitens  die  Flagellaten. 

ln  der  äusseren  Gliederung  des  Vegetation sköi'pers  stimmen  die 
einfachen  blaugrünen  Algen  mit  den  Bakterien  überein,  wie  hier  finden 
wir  auch  dort  kugelige  Formen  (Ohroococcus)  oder  Stäbchen  (Aphanothece), 
Avie  bei  den  Bakterien  vereinigen  sich  auch  die  einzelnen  blaiigrünmi 
Zellen  zu  Packeten  (Gloeocapsa — Sarcina)  oder  zu  Täfelchen  (Meris- 
mopoedia),  endlich  giebt  es  gerade  (Oscillaria)  und  spiralig  gedrehte 
(Spirulina)  uiiverzweigte  Fäden.  Auch  die  Scheidenbildung  und  unechte 
Verzweigung  der  Cladothrix  finden  ihresgleichen  bei  den  blaugrünen 
Scytonemeen  (^roly|)othrix).  Freilich  Avürde  man  dieselbe  Mannigfaltigkeit 
der  äusseren  Form  auch  bei  den  grasgrünen  Algen  (Chlorophyceen) 
wiederfinden.  Der  mehlige  grüne  Ueberzug  an  der  Nordseite  unserer 
Waldbäume  besteht  aus  kleinen  grünen  Kugeln  (Pleurococcus) , grünes 
Teiclnvasser  wird  oft  von  echten  Stäbchen  (Stichococcus)  gefärbt,  die 
Krümmung  der  Vibrionen  begegnet  uns  bei  den  zierlichen  Eaphidien. 
Auch  Beispiele  für  Gallert-  und  Scheidenbildung  fehlen  nicht.  Es  kann 
das  ja  auch  nicht  überraschen,  da  freilebende  Zellen  entweder  die  Form 
von  Kugeln  oder  Cylindern  haben  müssen  und  ihre  einfachste  Verbindung 
die  zu  Fäden,  Tafeln  und  Packeten  ist.  So  geAvährt  die  äussere  Über- 
einstimmung der  Form  nur  eine  oberflächliche  Aehnlichkeit,  die  noch  nicht 
zu  einer  systematischen  Vereinigung  berechtigt. 

Die  Cyanophyceenzellen,  gleichviel  ob  sie  isoliert  leben  (Chroococcus, 
Aphanothece)  oder  zu  Fäden  verbunden,  A^ermehren  sich,  Avie  jede  andere 
Zelle  auch  durch  Teilung,  genau  Avie  die  Bakterien.  Ebenso  Avie  bei 
diesen  lösen  sich  auch  bei  den  isoliert  lebenden  Cyanophyceenzellen  die 
ScliAvesterindividuen  von  einander  ab,  sie  „spalten“  sich,  Aveshalb  man 
die  blaugrünen  Algen  als  Spaltalgen  (Schizophyceen)  mit  den  Spaltpilzen 
(Schizomyceten)  in  die  Pflanzenklasse  der  Spalt  pflanzen  (Schizo- 
phyten)  vereinigte,  gestützt  ausser  auf  die  oberflächliche  Aehnlichkeit 
der  Form  auf  die  nicht  minder  oberflächliche  der  „Spaltung“,  die  stets 
eintritt,  Avenn  isoliert  lebende  einzellige  Organismen  sich  teilen,  und  keine 
besondere  Eigentümlichkeit  der  Spaltpflanzen  ist.  So  war  auch  die  An- 
nahme, dass  die  Bakterien  farblose  Parallelformen  der  Spaltalgen  seien, 
nur  locker  begründet. 

Ebenso  gross  als  diese  Aehnlichkeiten  sind  aber  auch  die  Ver- 
schiedenheiten zAvischen  den  beiden  Gruppen.  Die  Cyanophyceen  sind, 
abgesehen  Amn  den  leichten  ScliAvingimgen  und  KriechbeAvegungen  der 
Oscillarien  dauernd  unbeAveglich,  Avährend  eine  grosse  Zahl  von  Bakterien 
(Vibrionen,  Spirillen,  viele  Bazillen  etc.)  lebhafte  ScliAAmrinbeAvegungen 
ausführen  und  auch  besondere  Organe  dazu,  die  Geissein,  tragen,  nicht 
bloss  vorübergehend,  als  Fortpflanzungsstadien,  sondern  Zeit  ihres  Lebens. 
Auch  die  Sporenbildung  ist  eine  andere,  Endosporen  bilden  die  Gyano- 
pli3"ceen  nicht,  hier  verwandelt  sich  eine  Zelle,  meist  unter  ansehniicher 
Vergrösserung  im  ganzen  zur  Spore,  die  eine  echte  Arthrospore  ist. 

Die  feinere  Struktur  der  Zelle  zeigt  nur  eine  Uebereinstimmung 
zAvischen  Cyanophyceen  und  Bakterien,  das  Fehlen  eines  Zellkernes, 
AAnhrend  im  übrigen  die  blaugrünen  Algen  bereits  eine  Aveit  entAvickelte 
Arbeitstheilung  erkennen  lassen.  Sie  besitzen  alle  einen  besonderen  Farb- 
stoöfräger,  ein  Chromatophor  (Fig.  15  c bei  rh),  das  geAVöhnlich  hohl- 
cylindrisch  resp.  bei  kugeligen  Zellen  hohlkugelig  gestaltet  ist  und  die 
Hauptmasse  des  Protoplasmas  mit  den  anfgesi)eicherten,  stark  färbbaren 


Köniei'ii  der  Assimilate  nmsr.liliesst  15^/ bei  r).  So  ei’.sclieint  iiiiierlialb 
(les01iromat()i)liors  (der  ^riiiieii  Kinde)' ein  stark  färbbares  Gebilde  ((-eiitral- 
körper),  das  keriiäliiilicli  aiissielit,  aber  kein  Kern  ist,  ebensowenig  wie 
die  leiclit  fäiKbaren  Körnclien  sclileclitliin  als  Kern-Clironiatin  bezeichnet 
werden  dürfen.  Ihre  Natur  ist  nnbekannt  wie  die  der  sog.  Cliromatin- 
körner  der  Bakterien  (p.  7).  Eine  solche  Differenzierung  des  Protoplasten 
fehlt  allen  Bakterien,  auch  den  farbstoffbildenden. 

Vergleicht  man  eine  Flagellate,  z.  B.  das  in  fauligem  Wasser  oft 
massenhaft  vorkommende  Polytoma  uvella  (Fig.  Ibh)  mit  einer  beweg- 
lichen Bakterie,  so  besteht  auf  den  ersten  Blick  grosse  Uebereinstim- 
mung:  eine  eiförmige  Zelle  mit  deutlicher  Haut  (/O,  dauernd  durch  ein 
polares  Geisselpaar  beweglich.  Bei  anderen  Flagellaten,  wie  Monas  würde 
nur  eine  Geissei,  bei  anderen  wie  ^J'etramitus  ein  Schopf  von  4 Geissein 
an  dem  bei  der  Bewegung  nach  vorn  gerichteten  Körperende  sitzen. 
Dazu  käme  dann  die  Aehnlichkeit  der  Endosporen  mit  den  Cysten  der 
Flagellaten.  So  zieht  sich  bei  Monas  der  grössere  Teil  des  Inhalts  zu- 
sammen und  umgiebt  sich  mit  einer  neuen  Membran,  er  wird  zur  Cyste,  die 
schliesslich  durch  die  Zersetzung  des  übrig  gebliebenen  Körpers  befreit 
wird  genau  wie  die  Endospore  einer  Bakterie.  Ein  grosser  Gegensatz 
besteht  aber  im  feineren  Bau,  die  Flagellaten  haben  einen  Zellkern  (Fig.  15 
h bei  /C,  der  den  Bakteiäen  noch  fehlt.  So  würde  es  nicht  richtig  sein, 
die  Bakterien  von  den  Flagellaten  abzuleiten  oder  ihnen  als  Parallel- 
reihe zur  Seite  zu  stellen;  ebenso  unberechtigt  ist  freilich  auch  die 
schon  besprochene  Vereinigung  mit  den  Spaltalgen  (Cyanophyceen). 
Unseren  heutigen  Kenntnissen  entspricht  es  wohl  am  besten,  wenn  man 
die  Bakterien  als  eine  besondere  Gruppe  der  Protisten  auffasst  und  zwar 
die  niedrigste,  die  wir  kennen.  Sie  gewährt  einerseits  Anklänge  an  die 
Flagellaten,  andererseits  an  die  (Cyanophyceen,  als  deren  gemeinsame 
Wurzel  die  Bakterien  zu  betrachten  wären.  Die  Arbeitsteilung  in  Chro- 
matophoren und  farblose  Protoplasten,  noch  nicht  begleitet  von  der  Aus- 
bildung eines  echten  Kernes,  führt  zu  den  Cyanophyceen,  die  Ausbildung 
eines  echten  Kernes  und  Verallgemeinerung  des  Bewegnngsvermögens  zu 
den  Flagellaten.  In  der  Stammgruppe  der  Bakterien  selbst  Avürden  un- 
bewegliclie  und  be^vegliche  Formen  als  gleichwertige  Ausgangspunkte 
für  die  beiden  Entwickelungsreihen  neben  einander  zu  stellen  sein,  ferner 
würden  sich  hier  Fadenwnchs,  Gallert-  und  Scheidebildnng  als  ursprüng- 
liche Erscheinungen  darbieten,  die  bei  C3^anoph3T.een  und  Flagellaten 
wiederkehren  und  zn  höherer  Ausbildung  gelangen. 

Die  niederen  Organismen  (IVrikroorganismen,  Mikroben),  in  deren 
System  wir  den  Bakterien  ihren  Platz  anznweisen  versuchten,  sind  nicht 
bloss  ausserordentlich  mannigfach  gestaltet,  sondern  haben  auch  eine  sehr 
verschiedene  Lebensweise,  bringen  sehr  verschiedenartige  Wirkungen  her- 
vor, die  freilich  nur  dann  zu  so  benierklicher  Höhe  sich  steigern  wie 
bei  den  Bakterien,  wenn  ein  dichtes  geselliges  Zusammenleben  möglich 
ist.  Schnelles  Wachstum  befähigt  die  meisten  Mikroorganismen  auch 
hierzu,  so  dass  einige  in  ihren  Leistungen  mit  den  Bakterien  wetteifern 
können.  Es  sei  an  die  Sprosspilze  der  alkoholischen  Gärung  (Vorl  XIV), 
an  die  üppig  wuchernden  Mycelien  der  Schimmelpilze  und  die  durch  sie 
bewirkten  energischen  Stoffzersetznngen  erinnert.  xAuch  pathogene  Eigen- 
schaften sind  bei  zahlreichen  anderen  jUikroorganismen --)  bekannt  ge- 
worden, Avenige  freilich  nur  sind  Erreger  echter  Infektionskrankheiten, 
die  meisten  siedeln  sich  nur  in  vereinzelten  lA'illen  im  IMenschen  und 
höheren  Tieren  an  nnd  rufen  seltenere  i)arasitäre  Krankheiten  hervor. 


Die  Sprosspilze  (Saccliaromyceten,  Vorl.  XIV)  sind  erst  seit 
wenig’en  Jahren  in  die  Reihe  pathogener  Organisnien  eingetreten.  Man 
hat  verschiedene  rein  gezüchtete  Brennerei-  und  Braiiereihefen  Versnclis- 
tiereii  injiziert  und  so  sogar  schwere,  znin  Tode  führende  Krankheiten 
(Saccharoinycosen)  liervorgernfen,  deren  Syniptoine  und  pathologische  Be- 
funde freilich  nocli  keinen  sicheren  Anhalt  dafür  geben,  welche  Krank- 
heiten des  ÄEenschen,  deren  parasitische  Natur  wahrscheinlich  ist,  durch 
solche  Sprosspilze  veranlasst  sein  könnten.  Sie  hatten  sich  reichlich  ent- 
wickelt, waren  im  Blut  und  fast  in  allen  Organen  des  Versuchstieres 
nachzuweisen.  Eine  Infektion  mit  den  allverbreiteten  Hefepilzen  würde 
ja  ebenso  leicht  möglich  sein,  wie  mit  Bakterien.  Der  Verdacht  lenkt 
sich  neuerdings  auf  den  Krebs  (Carcinom)  und  ihm  ähnliche  Geschwülste, 
in  denen  man  hefeartige  Bildungen  wenigstens  in  gefärbten  Schnitten 
glaubt  gesehen  zu  haben,  lieber  diesen  ersten  Anfang  ist  die  Forschung 
noch  nicht  hinweg.  Viele  meinen  sogar,  dass  nur  variable  Zellformen  und 
Zellfragmente  der  Geschwülste  für  hefeähnliche  Parasiten  gehalten  worden 
sind,  viele  bestreiten  überhaupt  den  parasitären  Ursprung  des  Krebses. 
Gleichfalls  zu  den  Sprosshefen  scheint  der  Soorpilz  (Saccharomyces 
albicans)  zu  gehören,  der  Erreger  der  Mundschwämmchenkrankheit  der 
Säuglinge.  Wie  echte  Sprosshefe,  deren  langgestrecktenFormen  die  einzelne 
Zelle  des  Soorpilzes  ähnlich  sieht,  vermehrt  auch  dieser  sich  durch  Spros- 
sung und  wächst  an  der  Oberfläche  von  Kulturflüssigkeiten  zu  mycelartigen 
Sprossverbänden  aus,  die  sich  zu  dichter  Kahmhaut  zusammenschliessen. 
Ausserdem  erzeugt  der  Soorpilz  auch  schwache  alkoholische  Gährung, 
z.  B.  in  Bierwürze.  Ob  die  Mycelien,  die  einige  Forscher  beschrieben 
haben , nur  solche  mycelähnliche  Sprossverbände  waren  oder  echte 
Schimmelpilzmycelien  lässt  sich  nicht  immer  entscheiden.  Desshalb  muss  es 
zweifelhaft  bleiben,  mit  welchem  Recht  der  Soorpilz  von  einigen  Untersuchern 
zu  echten  Schimmelpilzen  (Monilia  candida , Oidium)  gestellt  wird. 
Die  mit  den  Bakterien  nahe  verwandten  Flagellaten  (Mastigophoren) 
kommen  gelegentlich  als  Vernnreinigungen  vor,  wirklich  pathogen  sind 
sie  noch  nicht  beobachtet  worden.  Für  den  Menschen  wären  zu  er- 
wähnen Trichomonas  vaginalis,  die  metatroph  in  dem  Vaginalschleim  der 
Frauen  zwischen  andern  Bakterien  nicht  selten  lebt,  ferner  eine  Tricho- 
monas intestinalis,  die  im  Darminhalt  bei  andern  Erkrankungen  (Diarrhoe, 
Cholera),  gelegentlich  auch  in  der  Lunge,  wenn  diese  durch  Bakterien  ge- 
schädigt ist,  sich  einfindet.  Beide  Trichomonaden  sind  wohl  nur  Wasser- 
organismen, die  sich  in  den  menschlichen  Körper  verirrt  haben. 

Grössere  Bedeutung  hat  eine  andere  Gruppe  der  Protozoen,  die 
Sarkodinen,  hüllenlose, Protoplasmakörper,  die  durch  Ausstülpung  und 
Wiedereinziehung  von  protoplasmatischen  Fortsätzen  (Psendopodien)  unter 
fortwährender  Aenderung  ihres  Umrisses  sich  bewegen.  Die  einfachsten 
liierher  gehörigen  Organismen  sind  die  Amöben,  nach  denen  die  charakte- 
ristische Bewegung  als  amöboide  bezeichnet  wdrd.  Sie  teilen  sich  einfach 
dadurch,  dass  sie  in  zwei  getrennte  Stücke  sich  durchschnüren  und  ver- 
mehren sich  recht  schnell.  Der  Ruhezustand,  die  bewegungslose  Cyste, 
mit  einer  allen  solchen  Zuständen  eigenen  Widerstandskraft,  ist  von 
einer  dicken  Haut  umgeben,  die  von  der  zur  Kugel  sich  abrundenden, 
keine  Pseudopodien  mehr  aussendenden  Amöbe  ausgeschieden  wird.  Bei 
der  Keimung  schlüpft  der  Inhalt  wieder  amöboid  hervor.  Amöben  ge- 
hören zu  den  gemeinsten  Bewohnern  jedes  Sumpfwassers,  auch  in  der 
Erde  fehlen  sie  wohl  nie,  ihre  gelegentliche  Uebertragnng  in  den  mensch- 
lichen Körper  ist  deshalb  leicht  möglich.  Als  iVmoeba  coli  wird  eine 


40 


bei  J)yseiiierie  unreg’el massig-  voi-komineiide  Art  besdirieben , die  aiiHi 
im  gesuiideii  Darm  autzutreten  sclieint.  Ob  sie  die  Urlieben'ii  der  sog. 
Amöbendysenterie  wirklich  ist,  bedarf  nocdi  weiterer  Prüfung.  Ihikterien- 
freie  Reinkulturen  und  daran  sich  anschliessende  Tierexperimente  sind 
noch  nicht  gelungen. 

Ein  amöbenartiger  Organismus  (Cytoryctes  variolae)  von  noch  recht 
zweifelhafter  Jvegitimität  soll  in  den  Kuh})Ocken  sich  finden,  dei’  viel- 
gesuchte  Erregei-  dieser  Ki-ankheit  ist  er  aber  sicher  nicht.  Die  hohen 
Geldpreise,  die  für  die  Entdeckung  des  K u h ])  o c k e n o r g a n i s m u s aus- 
gesetzt  sind,  harren  noch  des  glücklichen  Finders. 

Nahe  Beziehungen  zu  den  echten  Amöben  hat  zweifellos  auch  das 
sog.  P 1 a s in  0 d i u m m a 1 a r i a e , auch  Haemamöba,  Laverania  und  sonst- 
Avie  noch  genannt,  der  bei  Wechselfieber  das  Blut  bevölkernde  Orga- 
nismus. Yorwiegend  in  den  roten  Blutkörperchen,  aber  auch  in  der  Blut- 
flüssigkeit treten  kleine,  amöboid  sich  bewegende  Körperchen  auf,  an- 
fangs farblos,  später  mit  dunklen  Körnchen  (Melanin)  des  zersetzten 
Blutfarbstoffes  beladen.  Zur  Zeit  eines  neuen  Fieberanfalles,  je  nach 
der  Art  der  Krankheit  also  nach  3,  4 Tagen  oder  weniger,  regelmässig- 
täglich,  sollen  diese  xAmöben  am  häufigsten  sein  und  nun  entweder  eine 
Anzahl  kleiner  Kügelchen,  Sporen  genannt,  bilden  oder  in  leblose 
Trümmerchen  zerfallen.  Bis  zum  neuen  Fieberanfall  nimmt  dann  die 
Zahl  der  Amöben  wieder  zu.  Ob  die  sog.  Sporen  Avirklich  diesen  Namen 
verdienen,  ist,  wie  so  vieles  andere,  Avas  von  den  Malariaparasiten  ge- 
schildert AAÜrd,  noch  nicht  erAviesen,  denn  eine  Auskeimung  ist  noch  nicht 
beobachtet  Avorden.  Auch  die  Reinkultur  des  Plasmodium  malariae 
ist  noch  nicht  geglückt.  Dennoch  scheint  seine  Natur  ■ als  Erreger  des 
Fiebers  kaum  noch  zAveifelhaft  zu  sein,  da  durch  Injektion  mit  amöbenreichem 
Malariablut  die  Krankheit  sich  übertragen  liess.  Wie  die  Plasmodien 
in  den  Körper  gelangen,  ob,  was  sehr  Avahrscheinlich,  durch  kleine  Wunden, 
besonders  Insektenstiche,  oder  auch  noch  durch  Einatmung  und  durch 
den  Darm,  das  alles  bedarf  noch  der  Feststellung.  Auch  der  Wohnort 
des  allem  Anschein  nach  nur  fakultativen  Parasiten,  der  in  den  Malaria- 
gegenden wohl  als  metatropher  Organismus  im  Freien  lebt,  ist  noch  un- 
bekannt. 

Aehnliche,  mit  dem  Plasmodium  malariae  zu  der  Gruppe  der  H a e m o - 
sporidia  vereinigte,  Blutparasiten  finden  sich  sehr  häufig  bei  Fröschen, 
Reptilien  und  A^ögeln,  eine  abgeschlossene  Entwicklungs-  und  Krankheits- 
geschichte fehlt  auch  hier  noch.  Die  Froschparasiten  (Drepanidium 
ranae),  früher  als  Blutwürmchen,  Cytozoen,  bezeichnet,  haben  eine 
Zeit  lang  eine  grosse  Rolle  gespielt,  da  sie  nicht  als  Parasiten,  sondern 
als  Körperelemente  des  Frosches  gedeutet  wurden  und  begreiflicherAveise 
eine  grosse  Revolution  in  den  allgemeinen  Anschauungen  hervorzurufen 
anfingen.  Ihre  Parasitennatur  ist  aber  jetzt  allgemein  anerkannt. 

Eine  grosse  Zahl  anderer  Parasiten  der  verschiedensten  Tiere  Avürden 
sich  hier  noch  anschliessen , alle  gehören  in  die  Protozoengruppe  der 
Sporozoen  (Gregarinen,  Coccidien,  Sarcosporidien  etc.),  alle  sind,  da 
eine  Reinkultur  noch  von  keinem  geglückt  ist,  nur  lückenhaft  bekannt. 

Untei-  den  echten  Pilzen  Avird  Avohl  die  kleine  medizinische  Grut)pe 
der  Strep to tricheen  unterznbringen  sein,  äusserst  zartfädige,  atv- 
zAveigte  Mycelien,  von  denen  einige  auch  pathogene  Eigenschaften  haben. 
In  den  Reinkulturen  Avachsen  diese  Streptotriclieen  entAveder  als  sterile, 
d.  h.  keine  Fortpfianzungszellen  (Sporen,  Conidien)  bildende  ]\rycelien 
oder  sie  entAvickeln  bald  einzeln,  bald  in  kurzen  Kettchen  an  den 


41 


IMycelästcheii  sitzende  Conidieii,  vevlialten  sicdi  also  wie  die  eiutaelisteii 
der  eiiifaclien  Seliinnnelpilze  (Haploinyceten,  Hyjdioniyceteii),  zii^deiieii  sie 
aiudi  o-ehören.  ]\Iit  den  Bakterien  liabeii  sie  niclits  gemein.  Es  sclieint 
sieh  mit  der  Gattung  S tr e ]) to tli r ix  (von  einigen  auch  Oospora 
genannt)  so  zu  verhalten  Avie  mit  der  alten  (Tattung  Leptomitus,  zu  der 
früher  alle  fädigen  Organismen  gestellt  wurden  . die  in  verAvahrlosten 
Apothekerlösnngen.  in  den  Keagentien  chemischer  Ijahoratorien,  in  4hnte 
n.  s.  Av.  sich  entAvickelten.  Jetzt  Aveiss  man,  dass  diese  Lei)tomitusarten 
keine  besonderen  Organismen  sind,  sondern  Mycelieii  verschiedener 
Schimmelpilze,  die  in  den  mehr  oder  Aveniger  zusagenden  Lösungen  ein 
kümmerliches  Dasein  führen  und  steril  bleiben.  Mit  Streptothrix  be- 
zeichnet man  alle  auf  den  üblichen  Nährböden  der  Bakteriologie  schleclit 
und  recht  gedeihenden  sterilen,  sehr  zartfädigen  Pilzmycelien,  deren  Zu- 
gehörigkeit zu  Avohlbekannten  Schimmelpilzen  sicher  einst  sich  heraus- 
stellen  Avird,  sobald  man  'andere  Nährsnbstrate  noch  aiiAveiidet. 

Auch  die  am  genauesten  untersuchte  Streptothrix  Actino- 
myces,  früher  als  Actinomyces  bovis  bezeichnet,  der  Strahlenpilz, 
scheint  in  der  Kultur  noch  nicht  ihren  vollen  Eiitwicklnngscyklns  ent- 
entfaltet  zu  haben.  Der  feinfädige  Vegetationskörper  dieses  Organismus 
ist  aus  cylindrischen  Gliedern  zusammengesetzt,  genau  Avie  ein  Pilz- 
myceliuni,  und  bildet  auf  festem  Substrat  (Agar,  Blutserum)  dichte  Knäuel 
verflochtener  und  durcheinander  gewirrter  Mycelfäden,  von  denen  auch 
ein  Aveisslicher  Flaum  zarter  Luftfäden,  die  Conidieii  bilden,  emporwächst. 
Jedoch  scheint  diese  Conidienfrnktifikation  noch  weiteren  Vergleiches  mit 
andern  Hyphomyceten  zu  bedürfen. 

Der  Strahlenpilz  ruft  häuflg  beim  Kind,  selten  auch  bei  Menschen, 
eitrige  GescliAvülste,  besonders  des  Kiefers,  hervor,  kann  sich  aber  auch 
an  andern  Stellen  festsetzen.  Seine  Uebertragung  scheint  besonders  durch 
Grasspelzen  und  Getreidegrannen,  an  denen  Avahrscheinlich  der  Strahlenpilz 
als  Schimmel  Avächst,  zu  geschehen.  Experimentell  hat  man  die  Aktiuo- 
mykose  Aveder  mit  Keinkulturen  des  Pilzes,  noch  mit  kranken  GeAA^ebs- 
stücken  hervorrufen  können.  In  den  letzteren  findet  man  drusenartige,  dicht- 
verfilzte Massen  des  Pilzes,  von  denen  nach  allen  Seiten  feine  Mycel- 
fäden ausstrahlen,  deren  Enden  keulig  anschwellen  und  so  den  Prä- 
paraten der  Aktinomycesdrusen  ein  unverkennbares  Aussehen  geben.  Die 
Kolben,  die  auch  in  älteren  Kulturen  sich  entAvickeln,  hielt  man  früher 
für  Sporangien,  sie  sind  aber  nach  neueren  Erfahrungen  nur  eigenartige 
Gallertbildungen  der  FadeiiAvand  und  wohl  eher  als  eine  Degenerations- 
erscheinung, als  eine  besondere  EntAvicklungsstufe  des  Strahlenpilzes 


aufzufassen. 

Eine  Reihe  von  Hautkrankheiten  Avird  durch  einfache  Schimmelpilze 
hervorgerufen.  Ob  hier  echte  Parasiten  vorliegen,  oder  ob  diese  Pilze 
noch  sonst  in  der  Natur  unter  den  unzähligen  Schimmeln  zu  finden  sind, 
bedarf  noch  Aveiterer  Prüfung.  Es  Avürden  zu  nennen  sein  T r i c h o - 
phyto  11  ton  SU  raus,  als  Urheber  der  Herpes  tonsurans,  einer  mit 
Haarverliist  verbundenen  Krankheit  der  Haare.  Das  Mycel  des  Pilzes 
findet  sich  in  den  Schuppen  und  Bläschen  der  behaarten  Haut  und  schnürt 
in  der  Kultur  Ketten  cylindrischer  Conidien  ab. 

Bei  Favus,  einer  den  Menschen  und  die  Haustiere  befallenden 
grindigen  Hautkrankheit,  findet  sich  ein  anderer  Schimmelpilz,  Achorion 
Schoenleinii,  der  nach  neuerer  Ansicht  aber  in  eine  Mehrzahl  ver- 
schiedener Favuspilze  zerlegt  Averden  müsste,  Avälirend  andere  mit  einer 
Species  auszukommen  glauben.  Die  Morphologie  des  Achorion  ist  trotz 


42 


zahlreicher  üntersiiclimi^^’eii  im  hotaiiisclieii  Sinne  nocli  niclit  g-anz 
klar  gestellt,  nur  soviel  ist  sicher  zu  entnehmen,  dass  ein  Schimmelpilz 
aus  der  Gru})])e  der  Haplomyceten  vorliegt.  Aiudi  die  stattlichen  Schimmel 
der  (Gattung  A s])ergillus,  von  der  neben  den  gestielten  Köi)fchen  mit 
ihren  allseitig  ausstrahlenden  Conidienketten , aiudi  noch  eine  andere 
P'ruchtform  (Perithecien)  bekannt  ist,  siedeln  sich  gelegentlich  am  Menschen 
an.  Diese  As])ergillus-  oder  Kolbenschimmel  gehören  nach  ihren  Peri- 
thecien zu  den  Asconiyceteu  fspez.  Perispor iaceen),  als  deren  unvollständig 
bekannte  Schimmelfruktifikation  oft  sämtliche  Haplo-  und  Hy])honiyceten 
aufgefasst  werden.  Demnach  müsste  man  erwarten,  dass  auch  für  Acho- 
rion,  Trichophyton  und  unzälilige  andere  noch  solche  höhere  Früchte, 
Ascnsfrüchte , sich  nachweisen  Kessen.  Jedoch  geht  man  hierin  wolil 
zu  weit,  es  giebt  wohl  sicher  einfache  Schimmelpilze,  deren  ganzer  Ent- 
wicklnngscyklus  auf  das  Mycel  und  die  Conidien,  die  auch  austrocknen 
können  und  doch  keimfähig  bleiben,  beschränkt  ist.  Auch  die  Aspergillus- 
arten leben  oft  lange,  in  Kulturen  jahrelang  nur  auf  diese  einfache  Art, 
ohne  ihre  Ascnsfrüchte  zu  bilden. 

Pathogene  Eigenschaften  liaben  die  durch  schwarze  und  schwarz- 
braune  Conidienbüschel  gefärbten  Arten  Aspergillus  f u m i g a t u s und 
A.  niger  und  der  gelbliche  A.  flavus.  Sporenaufschwemmungen,  die 
man  Versuchstieren  injiziert,  rufen  eine  tödtliche  Krankheit  hervor,  in  allen 
Organen  des  Körpers  findet  man  kleine  Pilzmycelieu.  Natürliche  In- 
fektionen werden -in  den  Luftwegen  der  Vögel  öfter  beobachtet  und  er 
greifen  hier  auch  den  Menschen;  daneben  auch  in  dem  Ohr,  am 
und  vereinzelten  andern  Stellen. 

Ueber  den  ganzen  Körper  verbreiten  sich  die  Aspergillen  von  ihren 
Invasionsstellen  aus  nicht.  Ob  sie  stets  die  wirklichen  Urheber  der  zu 
beobachtenden  krankhaften  Zustände  sind  oder  ob  ihnen  durch  andere 
Organismen  oder  durch  Verletzungen  erst  der  Boden  bereitet  werden 
muss,  bedarf  in  jedem  Falle  einer  besonderen  Untersuchung.  Die  Asper- 
gillusschimmel sind  überall  verbreitet  und  können  daher  leicht  als  Ver- 
unreinigungen sich  einstellen. 

Endlich  bleiben  noch  einige  Arten  der  Gattung  Muco  r übrig,  eben- 
falls eines  Schimmelpilzes,  dessen  Mycel  aber  nicht  aus  cylindrischen 
Gliedern  zusammengesetzt,  sondern  ein  scheidewandloser,  reich  verästelter 
Schlauch  ist,  von  dem  einzelne  Aeste  senkrecht  in  die  Luft  wachsen  und 
die  Sporangien,  kugelige,  geschlossene  Sporenbehälter,  entwickeln.  Die 
Mucorineen  gehören  wegen  ihres  Mycelbaues  zu  der  grossen  Gruppe  der 
Phy  comyce ten.  Mucor  rhizo  podi formis  und  Mu.  corym- 
bifer  und  einige  andere  Arten  wirken,  wenn  man  ihre  Sporen  Kaninchen 
injiziert,  ähnlich  wie  die  Aspergillen,  in  allen  Organen  entwickeln  sich 
kleine  Mycelien.  Ansser  einem  Fall  sind  Mncormykosen  beim  ]\renschen 
noch  nicht  beobachtet.  ErAvähnt  mag  noch  werden,  dass  diejenigen 
Mucor-  und  Aspergillusarten,  welche  im  Körper  der  Warmblüter  sich  zu 
entwickeln  vermögen,  nur  bei  Bluttemperatur  üppig  gedeihen,  dass  aber 
die  grosse  Menge  der  andern  Species  der  beiden  Gattungen,  die  geringere 
Ansprüche  an  die  Temperatur  stellen,  in  den  Versuchstieren  schlecht  oder 
gar  nicht  Avachsen. 


Auge 


V. 


VerbreituiKj  imd  Le1)eiisweisp  dpr  Bakteiieii,  Ui'zeiujiiiKj. 


Keine  andere  Darstellung-  vermag-  so  treffend  und  zug-leicli  so  kurz 
die  Verbreitung-  der  Bakterien  in  der  Natur  zu  schildern,  wie  das  Dicliter- 
Avort : 

Der  Luft,  dem  Wasser,  wie  der  Erden 

Entwinden  tausend  Keime  sich, 

Im  Trocknen,  Eeuchten,  Warmen,  Kalten! 

Und  auch  der  stolze  Schlusssatz  des  Mephisto: 

Hätt’  ich  mir  nicht  die  Flamme  vorhehalten; 

Ich  hätte  nichts  Apart’s  für  mich. 

g-emahnt  uns  daran,  dass  die  Flamme  die  sicherste  Gewalt  ist,  die  der 
Mensch  über  die  Bakterien  für  sich  voraus  hat,  denn  das  Feuer  ist  das 
zuverlässigste,  freilich  so  oft  nicht  anwendbare  Vernichtungsmittel  für 
die  Bakterien. 

Wenn  man  weiter  auf  deren  Verbreitung-  eingehen  will,  so  hat  man 
Avohl  zu  unterscheiden  zAvischen  dem  Vorkommen  lebensfähigei’  Keime 
und  üppiger  Vegetation.  In  der  Form  sehr  widerstandsfähiger  Sporen 
oder  der  Aveniger  resistenten,  aber  auch  noch  Avochenlang  das  Austrocknen 
vertragenden  staubtrocknen,  vegetativen  Zuständen  findet  man  Bakterien- 
keime überall,  im  Staub,  in  trockner  Erde,  an  allen  Gebranchsgegen- 
ständen, auf  unserer  Haut  u.  s.  av.,  kurz  überall.  In  üppiger  EntAvick- 
lung  und  Vermehrung  dagegen  Avird  man  die  Bakterien  nur  dort  finden, 
Avo  alle  Bedingungen  für  ihr  Gedeihen  erfüllt  sind;  neben  einer  geeig- 
neten Temperatur  müssen  Wasser^  das  Lebenselement  aller  Organismen, 
und  zusagende  Nährstoffe  vorhanden  sein.  Die  Orte,  an  denen  man  im 
Freien  Bakterien  zu  suchen  hat,  ergeben  sich  hieraus  von  selbst.  Wasser, 
das  durch  absterbende  Tier-  und  Pfianzenkörper  verunreinigt  ist,  Avird 
stets  eine  Unzahl  von  Bakterien  , untei-mengt  mit  anderen  niederen  Or- 
ganismen, beherbergen,  ferner  Mist  und  Jauche,  feuchter  Ackerboden, 
auf  feuchtem  Waldboden  verfaulende  Kadaver;  im  Haushalte  des  Menschen 
werden  die  Milch  und  die  Molkereiprodukte,  ferner  nnznreichend  ge- 


44 


scliützte  aller  Ai’t  der  Kii)uistiiiig'  von  Bakterien  aiis- 

f>-esetzt  sein.  In  den  meisten  Fällen  sind  es  liarnilose  i^akterien,  die  im 
Freien  gut  gedeiken  und  sich  vei-nieliren  ,*  es  wird  aber  eine  Haupt- 
aufgabe einei’  ziikiinftigen  Floristik  der  Bakterien  sein,  auch  pathogene 
in  ii])piger  Fntwicklung  aufzusuchen,  nicht,  wie  bisher,  einzelne  ent- 
wicklungsfähige Feime,  sondern  ganze  Häufchen  und  Kolonieen. 

Die  ]\Iethoden  zum  Nachweis  von  Bakterien  in  Luft,  A\'asser,  Frde 
sind  iu  den  letzten  Jahren  sehr  vervollkommnet  worden,  ihre  Beschreibung 
gehört  in  die  methodischen  Hilfsbüclier , nicht  hierher,  wo  nur  auf  die 
allgemeinen  Grundlagen  hingewiesen  werden  kann.-h 

Fm  aus  der  Luft  Bakterienkeime  in  roliester  Weise  aufzufängen, 
genügt  es,  einen  geeigneten  Nährboden  offen  stehen  zu  lassen.  Um  aber 
auch  die  Keime  zählen  zu  können,  die  in  einem  gewissen  Quantum  Luft 
schweben,  saugt  man  diese  langsam  durch  eine  lange  Glasröhre,  deren 
Innenfläche  mit  steriler  Nährgelatine  überzogen  ist.  Beim  langsamen 
Durchstreichen  der  Luft  setzen  sich  die  Keime  ab  und  jeder  entwickelt 
eine  scharfumschriebene  Kolonie,  deren  Zahl  nun  leicht  zu  bestimmen,  ist. 
Zahlreiche  andere  Methoden  beruhen  auf  einem  langsamen  Filtrieren  der 
Luft  durch  Watte  oder  Sand  oder  Glasperlen  in  hoher  Schicht,  die  alle 
Keime  zurückhalten  und  sie  nunmehr  bei  geeigneter  Aussaat  in  Nähr- 
material zu  zählen  gestatten. 

Zehn  Ijiter  Lnft  eines  Krankensaales  enthielten  30 — 110  Keime,  zehn 
Liter  Luft  im  Freien  1—5  Bakterien  und  Pilze,  annähernd  zu  gleichen 
Mengen.  Ist  die  Luft  andauernd  ruhig,  so  nimmt  die  Keimzahl  ab,  wird 
sie  durch  Kehren  bewegt  und  werden  dabei  neue  Staubteilchen  vom 
Boden  anfgewirbelt , so  steigt  ihre  Zahl,  da  die  Avinzigen  Bakterien  in- 
folge ihres  geringen  spezifischen  GeAvichtes  längere  Zeit,  ähnlich  den 
Sonnenstäubchen,  in  der  Luft  zu  scliAveben  vermögen,  bevor  sie  sich 
Avieder  absetzen.  An  solche  feine  Staubteilchen  sind  die  Keime  in  der 
Luft  oft  angetrocknet. 

Wenn  jede  Gefahr  ausgeschlossen  ist,  dass  bakterienreiche  AusAvürfe 
Kranker  (Tuberkulose,  Diphtherie)  zu  Staub  eintrocknen  und  in  die 
Luft  übergehen,  so  sind  die  hier  uachAveisbaren  Keime  geAvöhnlich  von 
harmloser  Natur.  Nicht  selten  sind  eitererregende  Kokken  gefunden 
Avorden. 

Die  Atemluft,  d.  h.  die  Luft,  Avelche  AAur  ausatmeu,  ist  keim- 
frei, so  dass  die  Atmungsorgane  geAvissermaassen  als  Filter  Avirken.  Alle 
Bakterien,  die  Avir  ein  atmen,  Averden  im  Körper  zurükgehalten , zum 
Teil  setzen  sie  sich  schon  in  Mund,  Nase  uud  Eachen  fest,  znm  kleinsten 
Teil  nur  gelangen  sie  Avohl  auch  in  die  Lungen.  Da  nun  ein  ErAvachsener 
pro  Stnnde  etwas  über  500  Liter  Lnft  einathmet,  so  Averden  im  Freien 
dabei  ungefähr  50 — 250  Keime  eiugeführt.  Da  die  meisten  harmlos  sind,  so  ist 
das  nicht  schlimm,  man  ersieht  aber  daraus,  Avelche  Gefahr  die  Feber- 
tragung  pathogener  Keime  in  den  Staub  mit  sich  bringt. 

Grosse  Bedeutung  hat  man  dem  Wasser  als  Vermittler  von  an- 
steckenden Krankheiten  A^-on  jeher  zugeschrieben,  seine  Fntersuchnng  ant 
Bakterien  erscheint  daher  von  besonderer  AVichtigkeit.  Schon  das  ge- 
Avöhnliche  destillierte  AV  a s s e r unserer  Laboratorien  enthält  noch 
genügende  Atcmgen  Nälirmaterial,  um  eine  scliAvache  EutAvickluug  zu  ge- 
statten, Avas  leicht  verständlich  ist,  da  30000  Bakterien  nur  Milli- 
gramm Avasserfreie  Substanz  enthalten.  Das  RegeiiAvasser  enthält 
diejenigen  Keime,  die  es  aus  der  Luft  mit  niedergerissen  hat,  in  einem 
Falle  z.  B.  35  Keime  pro  Liter. 


45 


Sein*  yerscliieden  ist  der  Gelialt  des  B u ii  ii  e ii  - und  F 1 ii  s s w a s s e r s , 
entsprecliend  ilirer  aiissei*oi‘dentlicli  verscliiedeiien  Zusammensetzung’.  So- 
bald A\5isser  mit  organiscdien  Stoffen  vei’uureiuigt  Avird  , Avie  durcli  Zu- 
füliruug’  Amu  Sclileusseu  in  die  Flüsse,  so  ist  es  jetzt  nicht  bloss  Avie  reines 
AVasser  geeignet.  Jhikterienkeime  längere  Zeit  entAvicklnngsfäliig  zu  er- 
halten, sondern  es  wird  geradezu  zu  einer  Nährlösung,  in  der  die  Ihikterien 
üppig  gedeilien.  So  Avnrden  im  SpreeAvasser  oberhalb  Berlin  im  Knbik- 
centimeter  6140,  nnterhalb  243000  Bakterien  gezählt.  AVichtiger  freilich 
als  das  Quantum , dessen  Bestimmung  Avohl  oft  zu  peinlicli  und  hand- 
AA'erksmässig  betrieben  Avird,  ist  das  (j)nale.  Die  Mengen  von  Bakterien, 
die  im  FlnssAvasser  sich  finden,  sind  meist  nnschnldiger  Art,  es  sind  sog. 
AVasserbak terieii,  die  hier  ihren  natürlichen  Standort  haben  und 
die  organischen  A^erniireinignngeii  des  AA^assers  anfzehren.  Unter  besoii- 
derii  Umständen  Averden  auch  pathogene  Keime  in  Brniineii  und  Flüsse 
gelangen  und  hier  zAvischen  den  AA^asserbakterien  zu  leben  vermögen, 
freilicli  nur  geAvisse,  Avie  die  der  Cholera  und  des  Typhus,  deren  A^or- 
kommen  im  Wasser  später  noch  genauer  besprochen  Averden  soll  (XTII. 
und  XIA^.  Vorlesung),  lieber  die  Bakterien  des  MeeresAvassers  vergleiche 
man  den  Abschnitt  über  die  Lenchtbakterien  (A^orl.  VII). 

Hat  die  mikroskopische  Prüfung  eines  AVassers  ergeben,  dass  es 
nicht  allzuviel  Bakterien  enthält,  daun  ist  die  bakteriologische  Unter- 
snchnng  ziemlich  einfach.  Man  vermischt  einen  Knbikcentimeter  davon 
mit  verfiüssigter  Nährgelatine  und  giesst  diese  auf  eine  Glasplatte  oder  in 
eine  Glasschale  breit  ans.  Die  Keime  Averden  in  der  Gelatine  gleich- 
mässig  verteilt  und  nach  deren  Erstarrung  festgehalten,  die  Zählung 
der  heran Avachsenden  Kolonien  ist  einfach.  Bakterienreiches  \A^asser 
muss  man  entsprechend  verdünnen  und  dann  AAÜe  oben  verfahren.  Beim 
NacliAveis  vereinzelter  pathogener  Keime  (Typhus,  Cholera)  in  verhältnis- 
mässig reinem  AVasser  bedient  man  sich  der  sog.  Anreichernngs- 
methode.  Man  versetzt  das  AVasser  mit  sterilisierter  Nährlösung 
(Peptonznckerlösnng),  damit  die  Avenigen  Keime  sich  reichlich  vermehren 
können  und  nun  leichter  sich  durch  das  Plattenverfahren  reinigen  lassen. 
Freilich  hat  diese  Methode  den  Nachteil,  dass  auch  die  AA^asserbakterien 
durch  die  zngesetzte  Nährlösung  zu  üppigem  Wachstum  angeregt  Averden 
und  die  gesuchten  pathogenen  Keime  leicht  überwuchern. 

Auch  das  Eis  ans  Flüssen  und  Teichen  enthält  eine 
lebensfähiger  Bakterien  (z.  B.  pro  ccm  2000),  die  den  Einschluss  in  Eis 
oft  sehr  lange  ohne  Schaden  vertragen. 

Im  Erdboden,  von  dem  geAVogene  Mengen  mit  Nährgelatine  ver- 
mengt Averden , finden  sich  stets  sehr  viele  Bakterien,  teils  • als  ruhende 
Keime,  teils  in  lebhafter  A^egetation,  Avie  die  Salpeterbakterien.  AATe 
beim  AVasser  erhöht  sich  auch  beim  Boden  die  Zahl  der  Bakterien,  so- 
bald organische  Stoffe  aufgenommen  und  festgehalten  Averden.  In  einem 
Gramm  Gartenerde  Avird  man  immer  mehr  als  100000  Bakterien  finden 
können,  darunter  auch  regelmässig  solche,  die  pathogene  Eigenschaften 
besitzen,  Avie  der  Erreger  des  AVnndstarrkrampfes,  des  malignen  Oedenis, 
ferner  Gärnngs-  und  Fänlnisbakterien,  Farbstoffbakterien,  Salpeter- 
bakterien und  AÜeles  andere. 

Die  qualitative  Untersnchnng  Amn  Luft,  AVasser,  Boden  und 
Staub,  überhaupt  unserer  Umgebung  auf  Bakterien,  kann,  so  lange  sie 
im  Dienst  der  Gesundheitspflege  geschieht,  sich  darauf  beschränken, 
durch  gut  nährende  Substrate,  Peptonznckergelatine  oder  Blutserum,  die 


grosse 


Menge 


Keime  zur 


EntAvicklung 


anzuregen, 


teils  mit  Luftzutritt,  teils  bei  Ijuft- 


4(5 


abscliliiss.  Es  würde  sicli  liieraii  dann  eine  langwierige  Prüfung  der 
einzelnen  isolierten  Formen  auf  ihre  pathogenen  Eigenschaften  anzu- 
schliessen  haben.  Soll  aber  eine  solche  Untersuchung  eine  vollständige 
Aufzählung  aller  sich  findenden  Bakteiienarten  liefern,  dann  sind  ver- 
schiedene Nährböden,  bessere  und  schlechtere,  anzuwenden.  So  würde  es 
nicht  gelingen,  die  nitrifizierenden  und  die  stickstoffassimilierenden  Bakte- 
rien des  Ackerbodens  neben  den  Bazillen  des  Starrkrampfes  mit  dei‘  ge- 
wöhnlichen Nährgelatine  nachzuweisen.  Je  nach  den  Ansprüchen,  die 
die  Bakterien  an  die  Ernähning  stellen  (vgl.  York  VI),  Avird  sich  im 
einzelnen  Falle  die  Auiswahl  der  Nährsubstrate  zu  richten  haben. 

Ihrer  LebensAveise  nach  pflegt  man  die  Bakterien  in  zAvei  grosse 
Gruppen  einzuordnen,  die  Saprophyten  und  die  Parasiten,  die 
beide  nicht  fähig  sind , ihre  organische  Leibessubstanz  aus  anorga- 
nischem Material  anfzubauen  und  durch  dessen  Verarbeitung  die  für  den 
Betrieb  des  Lebens  eiforderliche  Kraft  (Energie)  zu  geAvinnen.  Beide 
Gruppen  sind  demnach  auf  diejenigen  organischen  Verbindungen  ange- 
Aviesen,  die  andere  Organismen  (Tiere  und  Pflanzen)  ihnen  liefern.  Ver- 
mag eine  Bakterie  nur  dann  zu  gedeihen,  Avenn  sie  in  einem  andern  lebenden 
Organismus  sich  einnistet  und  so  unmittelbar  an  der  (ijuelle  dessen  Substanz 
sich  aneignet,  so  bezeichnet  man  sie  als  Parasiten,  genügt  ihr  aber  das  orga- 
nische Material  in  den  Ausscheidungen  lebender  AVesen,  in  dessen  Ex- 
ki’ementen  und  Sekreten  und  fernerhin  die  Substanz  des  todten  Orga- 
nismus, so  ist  die  Bakterie  ein  Saprophyt.  Diese  alte,  jetzt  allgemein 
gelänflge  Unterscheidung  genügt  aber  seit  der  Entdeckung  der  Er- 
nährungSAveise  von  Salpeter-  und  ScliAvefelbakterien , ferner  der  Stick- 
stoflbakterien,  denen  sich  geAAfss  noch  andere  anschliessen  Averden,  nicht 
mehr.  Sie  konnte  befriedigen,  so  lange.  zAvei  alte,  als  unumstösslich 
geltende  Sätze  der  allgemeinen  Physiologie,  denen  sie  geAvissermaassen 
Ausdruck  verleiht,  keine  Einschränkung  erfuhren.  Der  eine  dieser 
Sätze  lautete,  dass  nur  die  grünen  Pflanzen  (und  die  roten  und  braunen 
Algen  des  Meeres)  die  Kohlensäure  der  Luft  mit  Hilfe  des  Sonnen- 
lichts assimilieren  und  in  organische  Substanz  überführen  können, 
und  dass  nur  auf  diesem  AVege  farblosen  Organismen  (Pilzen,  Tieren) 
die  Kohlensäure  der  Luft  zugänglich  gemacht  Averde.  Auch  alle  sapro- 
phytischen  Bakterien  sollten  diesem  Gesetz  unterAvorfen  sein  und  nur  aus 
kolilenstolfhaltigen  Produkten  des  Tier-  und  Pflanzenkörpers  ihren  Kohlen- 
stoffbedarf befriedigen  können.  Die  Entdeckung,  dass  die  farblosen 
Salpeterbakterien  auch  ohne  die  Energie  des  Sonnenlichtes  die  Kohlen- 
säure der  Luft  sich  anzueignen  vermögen,  brach  die  allgemeine  Giltig- 
keit des  obigen  Satzes.  Auch  das  andere  Gesetz,  dass  der  freie  Stick- 
stoff der  Luft  überhaupt  keinem  Organismus  als  Nahning  dienen  könne, 
dass  der  Salpeterstickstoft“  zAvar  für  die  grüne  Pflanze  genüge,  aber  für 
alle  ungefärbten  Organismen  (Tiere,  Pilze)  also  auch  die  saprophytischen 
Bakterien  nicht  ausreiche,  musste  fallen,  als  die  Bindung  des  atmo- 
spliärischen  Stickstoffes  durch  die  Knöllchenbakterien  der  Leguminosen 
sicher  beAviesen  Avurde,  als  zu  Erfahningen  über  die  ErnahrungsAveise 
von  Schimmelpilzen  auch  die  Aveitere  Eigenschaft  der  Salpeterbakterien 
hinzukam,  ihre  Leibessubstanz  aus  der  Kohlensäure  der  Luft  und  dem 
Stickstoff  des  Salpeters  anfzubauen.  So  trat  unter  den  Bakterien,  denen 
bei  genauerer  Erforschung  geAviss  auch  andere  niedere  Organismen  (Pro- 
tozoen) sich  anreiheu  Averden , eine  besondere  Gruppe  hervor,  ausge- 
zeichnet durch  primitiven  Stottwechsel,  der  diese  Bakterien  an  die  ScliAvelle 
alles  Lebens  stellt.  Diese  bescheidenen  Formen  kann  man  unmöglich  als 


47 


Sapropliyteii  bezeicliiieii  und  dadui*(di  mit  den  ansprnclisvollen  Fänlnis- 
erreg’ern  auf  eine  Stufe  stellen.  Es  wird  sich  deshalb  emi)fehlen,  die 
Bakterien  nach  ihrer  Lebensweise  in  drei  biologische  G r n p ])  e n 
einznordneii : prototrophe,  me  tatro  ])he  und  paratro])he  Bakte- 
rien.-’L  Die  pro totro})hen  bedürfen  entweder  gar  keinei*  organischen 
Nahrung  (Salpeterbakterien),  ja  verschmähen  sie  sogar  oder  veianögen 
doch  wenigstens  den  Stickstoff  in  elementarer  Form  zu  verarbeiten  bei 
Gegeinvart  organischer  Kohlenstoffpnellen,  vielleicht  einfaclister  Art 
(StickstoffFakterien).  Andere  prototrophe  endlich,  Avie  die  Sclnvefel-  und 
Eisenbakterien  zersetzen  anorganische  Verbindniigen  besonderer  Art  und 
geAvinnen  hierdurch  Enei’gie,  unter  den  bescheidensten  Ansprüchen  an  or- 
ganische Nahrung.  IMancherlei  ist  hier  noch  anfznklären  und  festzn- 
stellen,  auch  an  Uebergängen  zur  Metatrophie  fehlt  es  nicht.  Allen  Proto- 
trophen  gemeinsam  erscheint  schon  jetzt  die  Fähigkeit  , ganz  oder  teil- 
Aveise  ohne  organische  Nahrung  zu  gedeihen.  Diese  Avircl  verlangt  von 
allen  metatrophen  Bakterien,  deren  Ansprüche  an  organische  Kohlen- 
stoff- und  Stickstoffqnellen  freilich  recht  verschieden  sind,  Avie  die  fol- 
gende Vorlesung  zeigen  Avird.  Die  Metatrophen,  die  Hauptmasse  der 
Bakterien,  gedeihen  übemll  dort,  aa^o  organische  Nahrniig  ihnen  geboten 
Avird.  also  soAvohl  in  nnreinem  Wasser,  auf  Nahrungsmitteln  aller  Art, 
als  auch  in  den  von  aussen  zugänglichen  Höhlungen  des  tierischen  und 
menschlichen  Körpers,  die  in  Sekreten  oder  Naliningsresten  geeignete 
Nährstoffe  darbieten.  Solche  me t atrophe  Bakterien  beAvohnen  Mnnd- 
nnd  Nasenhöhle,  den  Darmkanal,  die  Aveibliche  Scheide.  Ein  Teil  der 
metatrophen  Bakterien  ruft  tiefgehende  Zerspaltungen  der  organischen 
Stoffe  hervor,  sei  es  unter  der  Erscheinung  der  Gärung  als  zymogene 
Bakterien,  sei  es  als  saprogene,  als  Erreger  der  Fäulnis.  Andere  nieta- 
trophe  Arten  verändern  die  dargebotene  Nahrung  nicht  so  stürmisch  und 
siedeln  sich  besonders  dort  gern  an , avo  durch  saprogene  Bakterien  ein 
buntes  Gemenge  organischer  Stoffe  verschiedener  Art  erzeugt  Avird.  Man 
könnte  diese  als  saprophil  bezeichnen.  Manche  metatrophe  Bakterien 
können,  je  nach  den  sich  bietenden  Bedingungen,  verschiedene  Eigen- 
schaften entAvickeln  (polytroph),  Avährend  andere  mit  weniger  vielseitigen 
Fähigkeiten  ausgestattet  sind  und  nur  als ' spezifische  Erreger  eines 
Zersetznngsprozesses  gedeihen  (monotroph , Vorl.  III).  Viele  meta- 
trophe Bakterien  können  überhaupt  nicht  im  lebenden  Organismus 
AAvachsen,  sie  sind  exklusiv  oder  obligat  metatroph,  es  sind  das  die 
sog.  obligaten  Sapropliyteii.  Andere  leben  zwar  für  geAvöhnlich  nieta- 
troph,  können  aber  auch  paratroph  gedeihen  und  so  als  Krankheits- 
erreger Avirken.  Sie  sind  fakultative  Parasiten  (Choleravibrio, 
Milzbrand-,  vielleicht  Typhnsbazillen). 

Die  paratroph en  Bakterien  endlich,  die  Parasiten,  vermögen  nur 
in  andern  lebenden  AVesen  zu  Avachsen  und  sind  in  der  freien  Natur 
entweder  gar  nicht  Amrhanden  (Gonokokken)  oder  nur  als  staubtrockene 
Ruhezustände  (Tuberkel,  Diphtherie).  Nur  Avenn  jede  Konkurrenz  mit 
metatrophen  ferngehalten  Avird  und  die  Bedingungen  möglichst  dem 
lebenden  Körper  entsprechen  (Blnttemperatnr , Blntsernm),  gelingt  es, 
diese  paratrophen  auch  in  Reinkulturen  zu  züchten.  Andere  paratroi)he 
Bakterien  scheinen  leicht  auch  ausserhalb  des  Körpers  zu  gedeihen,  sie 
können  auch  fakultativ  metatrophisch  leben;  jedoch  bedarf  diese  Frage 
noch  Aveiterer  Untersuchung,  da  die  konkurrenzlosen  Reinkulturen  der 
Laboratorien  darüber  nicht  zu  entscheiden  vermögen,  sondern  nur  eine 
Floristik  der  Bakterien. 


48 


So  gelangen  Avir  zu  folgender  IJebersiclit : 

I.  Pro totr oi>lie  Bakterien. 

Salpetei'bakterien,  Stickstolfbakterien,  ScliAvefel-  und  Eisenbakterien;  nur 
in  dei“  freien  Natur,  nie  parasitiscli  und  immer  monotropb. 

TL  Met  atrophe  Bakterien. 

Zymogene,  saprogene  und  sapropliile  Bakterien ; in  der  freien  Natui’  und 
auf  der  inneren  Obertläclie  des  Kör])ers,  zinveilen  auch  parasitisch 
(fakultative  Ihrrasiten),  teils  monotroph,  teils  polyti’oph. 

III.  Par  atrophe  Bakterien. 

Nur  im  Innern,  den  Säftebahnen  und  den  Geweben  lebender  Organismen. 

Echte  (obligate,  exklusive)  Parasiten. 

Nebenbei  sei  bemerkt,  dass  auch  alle  anderen  Organismen  in  diese 
drei  biologischen  Gruppen  sich  einordnen  lassen.  So  sind  alle  gefärbten 
Pflanzen,  von  der  einzelligen  Alge  bis  zum  höchsten  Banm  prototroph, 
alle  Pilze  und  Tiere,  soweit  sie  nicht  parasitisch  leben,  metatroph. 

Da  entAvicklungsfähige  Keime  metatropher  Bakterien  überall  sich 
finden,  so  ist  nicht  zu  verAAumdern , dass  alle  Lösungen,  die  geeignete 
Nährstoffe  enthalten,  Infnse  ans  Hen  und  Stroh,  Aufgüsse  von  Fleisch 
u.  s.  Av.,  Avenn  sie  unbedeckt  stehen  gelassen  Averden  in  kurzer  Zeit  sich 
trüben  durch  reiche  EntAvicklung  der  hineingefallenen  Keime.  So  siclier 
Avir  heutigen  Tages  Avissen,  dass  solche  unsichtbare  Keime  vorhanden 
sind  und  dass  durch  ihre  EntAvicklung  allein  die  zalillosen  Bakterien  ent- 
stehen (omne  vivnm  e vivo),  so  überraschend  und  rätselhaft  musste  in 
früherer  Zeit  ihr  Erscheinen  sein.  Schien  es  doch,  als  ob  aus  nichts, 
d.  h.  genau, gesagt,  aus  unbelebten  Bestandteilen  des  Infnses  die  Bakterien 
sich  zu  entAAuckeln  vermöchten,  als  ob  sie  durch  U r z e u g u n g -Ö  (Generatio 
spontanea  oder  aequivoca)  entstanden  AAdtren.  Aelter  noch  als  das  Ab- 
stammnngsproblem , das  heute  aller  NaturAvissenschaft  zn  Grunde  liegt, 
ist  das  Problem  der  Urzeugung,  d.  h.  der  Entstehung  des  Lebenden  aus 
dem  Unbelebten:  eine  nnniittelbare  Forderung  der  KANT-LAPLACE’schen 
Theorie  der  Urgeschichte  unserer  Erde,  die  erst  allmählich  sich  soAveit 
abkühlte  und  veränderte,  dass  organische  Wesen  auf  ihr  zu  leben  ver- 
mochten. Wo  kamen  diese  ersten  Wesen  her,  Avnrden  sie  durch  den 
Weltenraum  von  anderen  Himmelskörpern  der  Erde  rechtzeitig  zuge- 
sendet oder  entstanden  sie  auf  ihr  selbst  ans  dem  allein  vorhandenen 
anorganischen  Material?  Wäre  das  erstere  der  Fall  geAvesen,  AAms  ganz 
unAvahrscheinlich  ist,  so  Avürde  die  Frage  nach  der  Entstehung  der  ei’sten 
Wesen  doch  nur  von  der  Erde  auf  eine  andere  Welt  verlegt  nnd  sofort, 
das  Problem  der  Urzeugung  Aväre  nicht  erledigt.  Viel  Avahrscheinlicher 
ist  es,  dass  anf  unserer  jungen  Erde  selbst  die  ersten,  einfachsten 
Wesen  durch  Urzeugung  entstanden  nnd  dass  von  ihnen  aus,  AA’ie  die 
EntAvicklungslehre  anuimmt,  in  ununterbrochener  Folge  die  Organismen- 
Avelt  bis  zn  ihrer  heutigen  H(")he  sich  entAvickelte.  Ohne  die  Annahme  einer 
einmaligen  Ui’zeugung  kommt  die  Abstammnngslehre  nicht  ans.  AAhis  früher 
geschehen,  könnte  aber  auch  noch  geschehen,  neben  den  fort  nnd  fort 
Aveiter  sich  entAvickelnden  Organismen  kcninten  unausgesetzt  durcli  Ur- 
zeugung neue  sich  bilden.  Da  man  mit  Recht  annahni,  dass  hierdurch 


49 


nur  allereinfacliste  Wesen  entstehen  k(")nnten , so  ist  es  begreiflicli,  dass 

Erre^^'er  von  Gärung-en  (Hefe- 


erzeug’en  versuclite. 


inan  Infusorien , besonders  die  winzigen 
pilze  und  Bakterien)  durch  Generatio  aeqnivoca  zu 
Da  selbst  1—2  Btniiden  langes  Kochen  nicht  immer  genügte,  um  eine 
Ti'übnng  des  wohlverschlossenen  Infnses  von  Heu  oder  Käse  durch  Oi- 
ganismen  zu  verhindern,  so  schien  hier  wirklich  ürzengnng  vorziiliegen. 
Denn  dass  Keime  lebender  Wesen  eine  so  grosse  Widerstandskraft 
gegen  die  Siedehitze  haben  könnten,  widersprach  aller  P]rfahrnng.  Blieb 
nach  längerem  Erhitzen  der  Infus  klar,  so  meinten  die  hartnäckigen 
Verfechter  der  experimentellen  Ürzengnng,  dass  die  Nährflüssigkeit  sich 
verändert  habe  und  nicht  mehr  zur  Urzeugung  tauglich  sei.  Da  Durch- 
leitnng  von  Luft  nachträglich  eine  Trübung  des  gekochten  Infnses 
herbeiführte,  so  schien  es,  als  ob  durch  die  Luft  jene  ungünstige  Ver- 
änderung wieder  beseitigt  werden  könne.  Viele  andere  Schwierigkeiten 
und  Widersprüche  tauchten  auf.  die  Gegner  und  Anhänger  des  Pro- 
blemes  in  gleich  grosse  Verlegenheit  brachten.  Wurde  die  Luft  durch 
Schwefelsäure  oder  Watte  flltriert  oder  geglüht,  bevor  sie  in  den  gekochten 
Infus  eintrat,  so  blieb  dieser  meistens  zwar  klar,  aber  doch  nicht  in 
allen  Fällen.  AVir  wissen  heute,  dass  die  Bakterien,  um  die  es 
sich  hier  handelt,  aus  ihren  besonders  widerstandsfähigen  Kuhezu- 
ständen,  den  Sporen,  deren  Eigenschaften  in  den  folgenden  Kapiteln 
uns  noch  oft  beschäftigen  werden,  sich  entwickelten,  auch  in  dem 
stundenlang  gekochten  Infus.  AVir  wissen  auch,  dass  diejenigen,  welche 
durch  das  Glühen  der  Luft  die  Keime  tödten  oder  sie  durch  die 
Filtration  durch  Schwefelsäure  oder  AVatte  zurückhalten  wollten,  ßecht 
hatten  und  dass  deshalb  die  Infuse  oft  klar  blieben. 

Genügend  lange  gekochte  Infuse,  einfach  mit  AVatte  abgeschlossen, 
bleiben  jahrelang  vollkommen  klar,  eine  Urzeugung  findet  nicht  statt. 
AVie  alle  Organismen,  können  auch  die  Bakterien  nur  aus  ihren  Keimen 
sich  entwickeln.  So  sind  denn  auch  die  von  Zeit  zu  Zeit  immer 
wieder  auftauchenden,  oft  recht  phantastischen  Nachrichten,  dass  das 
absterbende  Protoplasma  höherer  Organismen  in  Bakterien  zerfalle  oder 
dass  doch  Urzeugung  beobachtet  worden  sei,  mit  gebührendem  Kopf- 
schütteln aufzunehmen.  Nicht  minder  gilt  das  gegenüber  der  Behauptung, 
dass  es  sogar  stickstofffreie,  nur  aus  Kohlenstoff,  AVasserstoflf  und  Sauer- 
stoff aufgebaute  niedere  Organismen  gäbe.-®) 

Nach  einer  anderen  Seite  hin  hat  aber  doch  die  Physiologie  der 
Bakterien  das  immer  und  immer  wieder  sich  aufdrängende  Urzeugungs- 
problem geklärt.  Solange  man  nur  metatroplie  Organismen  kannte,  zu 
denen  der  üblichen  Annahme  nach,  auch  alle  Infusorien  und  Protozoen 
überhaupt  gerechnet  werden , bestand  eine  unüberwindliche  Schwierig- 
keit darin,  wie  man  sich  die  Ernährung  der  durch  Urzeugung  entstan- 
denen AA^esen  zu  denken  habe.  Seitdem  der  primitive  Stoffwechsel  der 
prototrophen  Bakterien,  besonders  der  Salpeterbakterien,  die  nur  aus  an- 
organischem Material  ihre  Kör[)ersnbstanz  autbauen,  bekannt  geworden 
ist,  fehlt  es  nicht  mehr  an  einem  Beispiel  für  die  Lebensweise  der 
Erstlingsorganismen. 


A.  PUscIm*)',  Voi'lesmigeii  ühPi-  Bakterien. 


4 


VI. 


Allgemeine  Grundlagen  der  Ernälining  und  Kultur. 


Chemische  Z u s am  m e ii  s e t z ii n g d er  B a k t e r i e n.- ')  Wie  der 
lebende  Körper  aller  Org^anismen,  besteht  auch  der  der  Bakterien  A^or- 
wiegend  ans  Wasser,  ca.  85 7o  (Mensch  65  — 70^/,,,  krautige  Pflanzen 
60 — 80%,  Algen  ca.  90%).  Ihr  hoher  Wassergehalt,  der  auch  in  dei* 
feinen  Struktur  des  zellsaft-  und  vaknolenreichen  Protoplasmas  lierAmr- 
tritt,  erklärt  sich  daraus,  dass  sie  Bewohner  des  M'assers  und  von  Flüssig- 
keiten aller  Art  sind,  keine  Landorganismen.  Eine  Analyse  der  von 
Beimengungen  des  Nährbodens  möglichst  gereinigten  Bakterien  ergab  für 
ein  Gemisch  verschiedener,  lebhafter  bewegter  Fäulnisbakterien  (Nencki) 
und  für  Keinkultiiren  des  roten  Bacillus  prodigiosus  folgendes: 

Fäulnisbakterien  Bac.  prodigiosus 


(Nencki)  (Kappes) 

Wasser  83,42  85,45 

Eiweisskörper  ' 13,96  10,33 

Fett  1,00  0,7 

Asche  0,78  1,75 

Rest  0,84  1,57 

(nicht  untersucht) 


Diese  beiden  Analysen  können  natürlich  nur  ein  allgemeines  Bild 
geben,  im  Einzelfalle  würden  grössere  Differenzen  Vorkommen,  da  die 
Bakterien  in  ihrer  Zusammensetzung  von  der  dargebotenen  Nahrung 
ebenso  abhängig  sind,  wie  andere  Organismen.  Wie  diesen  freilich  Avird 
auch  den  Bakterien  die  Fähigkeit  einer  beschränkenden  AusAvahl  der  vor- 
handenen Nahrung  zukommen,  so  dass  zAvar  bei  grösserem  Salzgehalt  des 
Nährbodens  auch  die  Aschenbestandteile  zunehmen,  bei  üppig  nährenden  Pep- 
tonlösungen mehr  Eiweisskörper  entstehen  als  bei  schlecht  nährendem  Sal- 
miak-Glycerin, ungeAvöhnliche  AbAveichungen  aber  Avohl  kaniii  Vorkommen. 
Eine  von  allen  andern  Organismen  Aveit  abAveichende  Zusammensetzung 
haben  nach  den  beiden  mitgeteilten  Analysen  die  Bakterien  keinesAvegs. 

Nencki  “’)  stellte  den  EiAveisskörper  so  dar,  dass  er  die  Bakterien' 
durch  Kochen  mit  Salzsäure  ausfällte,  dann  mit  Äether  und  Alkohol  fett- 


51 


g’e- 


frei  machte,  in  Kali  löste*  und  mit  Kochsalz  aussalzte.  Der  so 
woiinene  schwefelfreie  Eiweisskörper,  das  Myco})rotein  enthält 
52,39  %0,  7,55  H,  14,75“/,»  N und  ca.  25  7oO  und  steht  einem  von 
SchlossuerctF-k  ans  Sprosshefe  darg'estellten  Körper  ziemlich  nahe. 
Wenn  auch  angenommen  werden  darf,  dass  das  Mycoprotein  ein  unver- 
änderter Bestandteil  des  Bakterienleibes  ist  und  nicht  erst  durch  Spaltung 
zusammengesetzter  Proteinkörper  entstanden  ist,  so  folgt  doch  hieraus 
noch  nicht,  dass  das  Mycoprotein,  also  ein  Schwefel-  und  phosphorfreier,  sehr 
einfacher  Eiweisskörper,  die  Hauptmasse  des  Bakterienprotoplasmas  bildet 
und  so  znm  Träger  des  Lebens  wird.  AVäre  diese  Annahme  richtig,  so  würden 
ja  auch  in  dieser  Beziehung  die  Bakterien  auf  der  niedersten  Stufe  der 
Organismen  stehen,  deren  I/ebensänssernngen  an  viel  zusammengesetztere 
Körper,  Nnkleine  imdNukleoalbnmine  mit  hohem  Phosphorgehalt  gebunden 
erscheinen.  Da  solche  Körper  in  anderen  Bakterien  sicher  nachgewiesen 
worden  sind,  so  Avird  es  Aveiterer  Untersnchnngen  bedürfen,  um  die  Be- 
deutung des  Mj^coprote'ines  festzustellen. 

An  die  Ehveisskörper  (im  Aveiteren  Sinne)  des  Bakterienprotoplasmas 
schliessen  sich  Avohl  am  nächsten  giftige  Stoffe  an,  die  als  Toxine  be- 
zeichnet Averden,  ihrer  chemischen  Natur  nach  aber  noch  ganz  nnbe- 
kannt  sind.  lieber  ihre  Bedentnug  für  den  Verlauf  der  Infektionskrank- 
heiten vergleiche  man  Vorlesung  XVII. 

Kohlehydrate  Averden  AVohl  in  keiner  Bakterie  fehlen,  einen  so 
Avesentlichen  Anteil  an  dem  Aufbau  ihres  Körpers  aber,  wie  bei  den 
Pflanzen,  haben  sie  keinesfalls.  So  besteht,  Avie  schon  erwähnt,  die  Wand, 
Hülle,  der  meisten  Bakterien  nicht  aus  Cellulose,  sondern  einem  protein- 
artigen Körper.  So  fehlen  auch  kohlehydratische  Inhaltsbestandteile; 
die  Grannlosereaktion  (p.  13),  der  Bnttersänrebacillen  und  einiger  Mnnd- 
bakterien  Aveist  auf  ein  freilich  nur  Avegen  der  Jodfärbnng  als  Granu- 
löse bezeichnetes,  noch  nicht  genau  untersuchtes  Kohlehydrat  hin.  Die 
Gallerte  des  später  zn  besprechenden  Froschlaichpilzes  (Lenconostoc)  und 
anderer  schleimbildender  Bakterien  in  Wein  und  Bier  besteht  Avahrschein- 
lich  ans  einem  Kohlehydrat,  Dextran  (CßHjoOg),  das  der  Cellulose  und 
ihren  schleimigen  Produkten  bei  Gallertalgen  ähnlich  ist. 

lieber  besondere  Einschlüsse  der  Bakterienzelle,  wie 
Farbstoffe  Avnrde  schon  in  der  II.  Vorlesung  gesprochen. 

Endlich  Avird  man  noch  alle  diejenigen  Stoffe  als  Bestandteile  der 
Bakterienzelle  anfzufassen  haben,  Avelche  bei  Gärung  und  Fäulnis  ge- 
bildet Averden,  sich  aber  in  der  Zelle  in  grossen  Mengen  nicht  anhänfen, 
sondern  als  Stoffwechselprodnkte , die  nicht  speichernngsfähig  sind,  ans- 
geschieden Averden.  lieber  die  grosse  Zahl  derartiger  Verbindungen  ver- 
gleiche man  die  Vorlesungen  XI — XIV. 

Die  vorliegenden  Elementaranalysen  der  Asche  geben  über  den  An- 
teil, den  die  mineralischen  Elemente  am  Autban  des  Bakterienkörpers 
haben,  keinen  Aufschluss,  Aveil  die  dargebotenen  Nährhisnngen  nicht  be- 
sonders auf  diese  Frage  zubereitet  waren. 

Die  Nährstoffe  der  Bakterien.-^  Mineralische  Nährstoffe 
verlangen  die  Bakterien  so  gut  wie  alle  anderen  Organismen,  nur  be- 
darf es  sehr  geringer  Mengen  selbst  zu  üppigem  Wachstum,  denn  bei 
durchschnittlich  1%  Asche  würden  1 Milligramm  lebendige  Bakterien, 
d.  h.  ca.  30  Milliarden  Individuen  nur  Milligramm  Mineralstoffe 
enthalten.  Deshalb  genügen  für  künstliche  Nährlösungen  auch  sehr  ge- 
ringe Salzzusätze,  vielleicht  0,1— 0,2%.  Man  Avürde  von  Elementen  un- 
bedingt zu  bieten  haben  ScliAvefel,  Phosphor,  Calcium  Magnesium,  Kalium 

4* 


ScliAvefel  lind 


( 


— 52  — 

imd  Natrium,  eine  Spur  Chlor  und  Eisen.  Ob  nur  ein  Alkalimetall,  also 
Kalium  oder  Natrium  <>enüg't,  ob  andere  Alkalien,  wie  Rubidium  und  Cäsium 
dafür  Ersatz  bieten  können,  ob  auch  statt  des  Calcium  ein  anderes  alka- 
lisches Erdmetall,  wie  Baryum  und  Strontium  genügt,  bedarf  noch  weiterer 
und  erneuerter.  Untersuchung,  ist  aber  nach  neueren  Erfahrungen  an 
Schimmelpilzen  wenig  wahrscheinlich. 

Nähere  Auseinandersetzungen  über  die  vorteilhafteste  Darbietung 
der  mineralischen  Stoffe  gehören  in  die  methodischen  Handbücher.  In  der 
folgenden  Schilderung  enthalten,  wenn  kurz  von  „nötige  Salze“  ge- 
sprochen Avird,  die  Lösungen:  0,1^7«  Dikaliumphosphat  (K0HPO4),  0,02 
Magnesiumsulfat  (Mg  SO4)  0,01 'Vo  Cblorcalcium  (CaCL),  keine  besonderen 
Zusätze  von  Natriufti  und  Eisen,  die,  wenn  man  nicht  ganz  besonders 
gereinigte  Chemikalien  und  ausserdem  Leitun gswasser  benutzt,  in  aus- 
reichender Menge  vorhanden  sind.  Beigabe  von  0,1  "/„  Kochsalz  oder 
auch  bis  zu  0,7  7o  kann  bei  pathogenen  Bakterien  vorteilhaft  sein.  Be- 
reitet man  seine  Nährlösungen  mit  Infusen  von  Fleisch  oder  mit  Fleisch- 
extrakt so  bedarf  es  besonderen  Salzzusatzes  nicht. 

Zum  Aufbau  ihres  Körpers  brauchen  Avohl  alle  Bakterien  keine 
anderen  als  die  oben  genannten  Mineralstoffe,  dagegen  stellen  die  drei 
früher  unterschiedenen  biologischen  Gruppen  der  prototrophen,  meta- 
trophen  und  paratrophen  Bakterien  sehr  ungleiche  x\nsprüche  an  die  Er- 
nährung mit  Kohlenstoff-  und  Stickstoffverbindungen,  denen  sie  die  Avich- 
tigsten  Elemente  zur  Bildung  der  lebenden  Substanz  entnehmen. 

Die  prototrophen  Salpeterbakterien,  die  uns  später  noch  genauer  be- 
schäftigen Averden,  gedeihen  vorzüglich  in  folgender  Nährlösung : 

100  g Wasser, 

0,05  g salpetrigsaures  Kali, 

0,02  g Dikaliumphosphat, 

0,03  g schwefelsaure  Magnesia, 

0,05  g Soda, 

0,05  g Kochsalz. 

Als  Stickstoffquelle  genügt  die  salpetrige  Säure,  der  Kohlenstoff  Avird 
nicht  der  Soda,  sondern  der  Kohlensäure  der  Luft  entnommen. 

Andere  prototrophe  Arten  des  Ackerbodens,  die  den  atmosphärischen 
Stickstoff  zu  assimilieren  vermögen,  verlangen  ausser  den  nötigen  Salzen 
nur  noch  eine  Kohlenstoffquelle,  z.  B.  Zucker  in  der  Nährlösung. 

Das  Wachstum  nietatropher  Bakterien  in  Nährlösungen  mit  ver- 
schiedenen Kohlenstoff-  und  Stickstoffquellen  mag  zunächst 
folgende  Tabelle  veranschaulichen.  Alle  Lösungen  enthielten  gleiche 
Mengen  der  nötigen  Salze  und  reagierten,  avo  nicht  anders  angegeben, 
ganz  scliAvach  alkalisch,  da  freie  Säure,  Avie  auch  aus  der  Tabelle  her- 
vorgehen Avird,  meist  hemmend  Avirkt.  Die  Kultnren  Avurden  bei 
günstigster  Temperatur  gehalten  und  14  Tage  überAvacht,  damit  nicht 
ein  geringes,  verspätetes  Wachstum  übersehen  Avurde.  Es  bedeutet: 

-] — I — |-  = sehr  üppiges  Wachstum,  Flüssigkeit  stark  getrübt  resp. 

daneben  noch  häutige  Anliäufung  an  der  Oberfläche 
(Cholera,  Bac.  subtilis)  oder  beim  IMilzbrand  starker 
Bodensatz  in  der  klar  gebliebenen  Flüssigkeit. 

-[ — 1~  = mittleres  Wachstum,  deutliche,  Avenn  auch  sclnvache 
Trübung,  sclnvache  Haut. 


4-  = geringes  Waclistnm,  leichte  Trübung  nur  beim  vor- 
siclitij^’eu  Scliüttelii  in  feinen  Wolken  bemerkbar: 
Kill  4-  = AVaclistiim  fast  0,  kaum  bemerkbar. 

0 = kein  Wachstum. 


Die  einzelnen  Grade  können  natürlich  nur  schätzung’s weise  bestimmt 
werden,  wollte  man  ganz  exakt  Vorgehen , so  müsste  man  die  Keime 
zählen,  die  gleiche  Mengen  z.  B.  1 ccm  der  Nährlösungen  nach  gleicher 
Zeit  enthalten,  nach  derselben  Methode  wie  bei  bakterienreichem  AVasser 
(p.  45). 


Nr. 

Stickstoff- 

Quelle 

Kolileustoff- 

Quelle 

Chemische 

Reaktion 

Bacillus 

Anthracis. 

Bacillus 

typhi 

Bacillus  coli 

1. 

1%  Pepton 

1^/oTraubenzuck. 

alk. 

+++ 

+++ 

+++ 

2. 

1 Pepton 

(Pepton) 

?? 

++ 

++ 

++ 

3. 

1 Asparagin 

1 Traubenzuck. 

?5 

0 

+ 

+++ 

4. 

1 

1 

sauer 

0 

+ ? 

++-1- 

5. 

1 

(Asparagin) 

alk. 

0 

0 

++ 

6. 

1 

sauer 

0 

0 

+ 

i. 

1 weinsaures 

1 Glycerin 

alk. 

0 

0 

++ 

Ammonium 

8. 

1 

(weins.  Ammon.) 

» 

0 

0 

+ ? 

9. 

1 Clilorammon. 

1 Glycerin 

alk. 

0 

0 

4-++ 

10. 

1 

n 

sauer 

0 

0 

+++ 

11. 

1 Kalisalpeter 

1 Traubenzuck. 

alk. 

0 

0 

+ 

12. 

1 

1 Glycerin 

J) 

0 

0 

0 

13. 

— 

1 Zucker 

)? 

0 

0 

0 

14. 

1 Kalisalpeter 

— 

5) 

0 

0 

0 

0) 

O 

i-l  OJ 


cc 


CÖ 

pq  «3 


CO 


03 


.'75  o3 
ü 

§ 


M 


+++ 

0 

++ 

0 

+ 


+++ 

+ 


4- 

+ 

+4-+ 


+-H- 

+ 

4- 


0 

4-+ 

0 

+ ? 

0 

0 

0 


0 


4-? 


++ 

4-+ 

4-+ 

0 

0 

0 


44- 

-f 

+4-4- 


0? 

0 


Als  erstes  und  wichtiges  Eesultat  springt  aus  der  Tabelle  der  grosse 
Gegensatz  zwischen  dem  Milzbrandbacillus  und  dem  Bac.  pyoc^^aneus 
hervor,  der  erstere  gedeiht  nur,  wenn  Pepton  als  StickstolFquelle  gegeben 
wird,  er  ist  eine  Peptonbakterie,  der  andere  wächst  noch  ebenso 
üping  mit  prächtiger  Fluorescenz  wie  auf  Pepton,  auch  auf  Kalisalpeter  (12), 
er  ist  eine  Nitrobakterie  und  steht  den  echten  prototrophen  Bakterien, 
den  nitrifizierenden  am  nächsten.  Von  ihnen  unterscheidet  er  sich  aber 
dadurch , dass  er  noch  einer  besonderen  Kohlenstolfquelle  bedarf,  nicht 
die  Kohlensäure  der  Luft  assimilieren  kann  (14).  Eine  grosse  Zahl 
metatropher  Bakterien  begnügt  sich  mit  dem  Stickstoff  des  Ammoniakes 
und  wächst  damit  bei  geeigneter  besonderer  Kohlenstoffquelle  noch  ganz 
oder  beinahe  ebenso  üppig,  wie  auf  Pepton.  Zu  diesen  Ammon- 
bakterien gehören  nach  unserer  Tabelle  der  Bacillus  coli,  der  Vibrio 
cholerae  und  der  Bac.  subtilis.  Höhere  Ansprüche  stellt  die  Gruppe  der 
Amidobakterien,  die  wie  der  Typhusbacillus  noch  ziemlich  gut  mit 
Amidoverbindungen  (Asparagin,  Leucin  etc.)  gedeihen,  aber  nicht  mit 
Ammoniakstickstoff'.  AVenn  man  nach  ihrem  Stickstoff'bedürfniss  die 
Bakterien  in  die  vier  Gruppen  der  Pepton-,  Amido-,  Ammoniak- 
und  Nit robakterien  einordnet,  wolle  man  nicht  übersehen,  dass  auch 


— 54  — 

die  Kolilenstoftqiielle,  die  man  g’] ei cli zeitig’  darbietet,  von  grosser  Bedeutung 
für  die  Verwei’tung’  der  Stickstoifverbindung  ist.  8o  können  die  Animon- 
bakterien  der  Tabelle  auch  noch  den  Salpeterstickstoff  verwerten,  wenn 
ihnen  im  Zucker  eine  geeignete  KolilenstoffVerbindiing  gereicht  Avird, 
Avährend  Glycerin  nicht  genügt.  Ohne  Stickstoff  vermag  keine  Bakterie 
zu  Avachsen,  denn  die  geringe  Entwicklung  des  Bac.  pyocyaneus  (13)  in 
reiner  Zuckerlösung  könnte  auch , Aveitere  Prüfung  Vorbehalten,  auf  ge- 
ringen Verunreinigungen  des  Zuckers  oder  auf  Absorption  geringer  Ammo- 
niakmengen aus  der  Laboratoriumsluft  beruhen. 

Die  Grundlage  für  diese  Unterscheidung  der  Bakterien  nach  ihrer 
Fähigkeit,  Stickstoffverbindungen  zu  verarbeiten,  Avurde  bereits  vor 
längerer  Zeit  von  Naegeli  geschaffen,  der  auch  Spross-  und  Schimmel- 
pilze daraufhin  untersuchte.  Später  hat  Beverinck  die  Frage  Aveiter 
verfolgt.  -®) 

In  der  medizinischen  Bakteriologie  sind  die  flüssigen  Nährsubstrate 
mit  verschiedeuAvertigen  Stickstoffquellen  niemals  allgemein  angewendet 
und  durch  die  schablonenhafte  Kultur  auf  Gelatine  und  Agar  mit 
Peptonzuckerzusatz  verdrängt  Avorden.  Wohl  nur  zum  Nachteil  vieler 
Fragen,  denn  das  Beispiel  von  Typhus-  und  Kolonbacillus,  der  erstere  eine 
Amido-,  der  andere  eine  Ammonbakterie,  zeigt  am  schlagendsten,  Avelcher 
Wert  für  die  Differentialdiagnose  ähnlicher  Arten  diesen  Nähr- 
lösungen zukommt. 

Nicht  minder  Avichtig  sind  die  Eückschlüsse,  die  aus  der  Tabelle  ^ 
auf  das  Vorkommen  pathogener  Bakterien  in  der  freien  Natur  gezogen 
Averden  können,  Avie  hier,  unter  Himveis  auf  späteres  nur  angedeutet  sein 
mag.  Auch  die  Wirkung  der  chemischen  Eeaktion  ändert  sich 
bei  verschiedenen  Stickstoffquellen,  je  besser  diese,  je  kräftiger  also  die 
Bakterien  gedeihen,  um  so  unempfindlicher  sind  sie  gegen  nicht  zusagende, 
saure  Eeaktion  der  Lösung.  Erhaben  hierüber  erscheint  in  der  Tabelle 
nur  der  Bacillus  coli,  deutlich  gehemmt  durch  saure  Eeaktion  AAÜrd  der 
Bac.  pyocyaneus  erst  bei  Salmiak  als  Stickstoffquelle  (9  und  10)  nicht 
Avenn  Asparagin  geboten  wird  (3 — 6).  Ganz  unterdrückt  Avird  durch 
freie  Säure  der  sehr  empfindliche  Choleravibrio  (4  und  6),  Avährend  der 
in  scliAvachsaurem  Heuinfus  Avohl  gedeihende  Heubacillus  Aveniger  ein- 
deutig sich  verhält. 

Auch  die  Farbstoff bildung  des  Bac.  pyocyaneus  und  anderer  chroino- 
gener  Bakterien  ist  abhängig  von  der  Stickstoffquelle  und  chemischen 
Eeaktion. 

Obgleich  die  organischen  Stickstoffverbindungen  alle  Kohlenstoff'  ent- 
halten, reichen  sie  allein  doch  nicht  für  üppiges  Gedeihen  aus,  Avie  ein 
Vergleich  der  Nummern  1 und  2,  3 und  5 zeigt,  ja  der  Kohlenstoff'  des 
Aveinsauren  Ammons  (8)  ist  für  Bac.  subtilis  ganz  unbrauchbar,  der  Kolon- 
bac.  und  Bac.  pyocyaneus  fristen  damit  nur  ein  sehr  kümmerliches  Dasein. 
Die  Beigabe  einer  besonderen  Kohlenstoffquelle  ist  deshalb  stets  anzu- 
empfehlen. Ihr  Wert  ist  ein  dop[)elter.  Einmal  scheint  der  Ueberschuss 
an  organisch  gebundenem  Kohlenstoff'  den  Aufbau  der  lebenden  Substanz 
zu  erleichtern  und  zweitens,  Avohl  hauptsächlich,  liefert  die  Kohlenstoff'- 
qiielle  das  Atmungs-  resp.  Gäningsmaterial  zur  GeAvinnung  freier 
TCnergie,  die  auch  die  VerAveilung  einer  geringeren  Stickstoff(iuelle  er- 
möglicht (11  und  12).  Die  organische  n Kohl  e n s t o f f Ver- 

bindungen besitzen  einen  sehr  verschiedenen  Wert  für  die  Er- 
nährung der  Bakterien,  dei’  zAvar  vorAviegend  von  der  Verbrennungs- 
wärme abzuhängen  scheint,  aber  doch  nichf  ausschliesslich.  Traubeu- 


55 


Zucker,  überhaupt  Zuckerarteii,  siud  die  besten,  ihnen  scliliessen  sich  Gly- 
cerin und  andere  melirwertige  Alkohole,  wie  Mannit  und  Dulcit  an. 
Dann  folgt  eine  grosse  Zahl  zwar  noch  brauchbarer,  aber  doch  schlecht 
uährender  Yerbindungen : Weinsäure,  Bernsteinsäure,  Benzoesäure  und 
ähnliche,  ferner  einwertige  Alkohole  und  ihre  verschiedenartigen  Deri- 
vate, Avie  Fettsäuren,  ilmine  und  dergleichen.  Einzelheiten,  die  ei'ii enter 
Prüfung  sehr  bedürftig  sind,  findet  man  bei  Naeüelt.^®) 

Nicht  brauchbar  als  Kohlenstottquelle  sind  Harnstoff*,  Oxalsäure, 
d.  h.  diejenigen,  deren  Kohlenstoff*  unmittelbar  mit  Sauerstoff*  verkettet 
ist,  und  ebenso  Cyan,  die  Stickstoffvei’bindung.  So  hat  es  den  Anschein, 
als  ob  der  Kohlenstoff*  am  brauchbarsten  sei,  wenn  er  nur  mit  Wasser- 
stolf  verbunden  ist , also  als  CHg , Aveniger  gut  als  CH , noch  minder- 
Avertiger  als  CHOH  und  gar  nicht  als  CO  und  CN.  Eine  ganz  glatte 
Skala  hat  man  hier  freilich  nicht  vor  sich. 

Um  eine  Bakterienart  ernährungsphysiologisch  zu  kennzeichnen, 
Avählt  man  am  besten  ihr  Verhalten  gegenüber  verschiedenen  Stick- 
stoftquellen,  denn  das  scheint  doch  schärfere  und  tiefere  Unterschiede  zu 
geAvähreu,  als  die  Ansprüche  an  die  Kohlenstoffquelle.  Die  paratrophen 
Bakterien  endlich  gedeihen  in  den  Nährlösungen  unserer  Tabelle  ent- 
Aveder  gar  nicht  oder  nur  in  peptonhaltigen , sie  stehen  also  den  meta- 
trophen  Peptonbakterien  am  nächsten.  Ueber  diese  gehen  aber  ihre  An- 
sprüche oft  hinaus,  so  dass  die  Kultur  nur  auf  albuminhaltigen  Nähr- 
böden, Avie  erstarrtem  Blutserum,  gelingt.  So  wachsen  Gonokokken  hier 
allein,  die  Diphtheriebazillen  hier  am  besten.  Nur  der  vorläufig  noch 
als  echter  Parasit  anzusehende  Tuberkelbacillus  gedeiht  auf  minder- 
Avertigen  Nährböden,  sogar  auf  dem  der  Ammoniumbakterien,  worüber 
man  Vorlesung  XVI  vergleichen  wolle. 

In  der  Bakteriologie  bedient  man  sich  gewöhnlich  neben  der  Bouillon 
sog.  fester  Nährböden  aus  Gelatine  und  Agar.  Am  gebräuch- 
lichsten ist  ein  Fleischinfus  (ein  Pfund  Fleich  auf  ein  Liter  Wasser), 
der  noch  mit  Pepton  und  Zucker,  je  1 — 2^o  versetzt  und  nun  mit  Gelatine 
(10%)  oder  Agar  (1 — 2^Vß)  gekocht  und  heiss  filtriert  wird.  Man  erhält 
so  einen  sog.  festen,  durchsichtigen  Nährboden,  die  nährende  Lösung 
suspendiert  und  gleichmässig  verteilt  in  der  durchsichtigen,  selbst  nicht 
nährenden  Gelatine-  oder  Agargallerte.  Die  Einführung  -®)  derartiger  Nähr- 
böden in  die  Bakteriologie  hat  wesentlich  zu  deren  Aufschwung  beige- 
tragen, denn  mir  mit  solchen  leicht  zu  verflüssigenden  und  leichterstarrenden 
Substraten  Avurde  es  möglich,  Bakterien  aus  Gemischen  bequem  zu  iso- 
lieren und  rein  zu  geAvinnen.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  man  die 
Nährlösungen  der  Tabelle  ebenfalls  in  Gelatine  und  Agar  einschliessen 
und  alle  Vorteile  beider  mit  einander  verbinden  kann.  Um  jede  orga- 
nische Verbindung  auszuschliessen,  kann  man  auch  Kieselgallerte  als  durch- 
sichtige Matrix  benutzen. 

In  der  Zusammensetzung  der  üppig  nährenden  Fleischwasserpepton- 
zuckersubstrate hat  man  grosse  Freiheit,  jedes  bakteriologische  Labora- 
teriuin  hat  fast  seinen  besonderen,  durch  langjährige  Erfahrung  oder 
einseitige  Liebhaberei  festeingeAvurzelten  Nährboden,  der  zuAveilen  unnötig 
überstopft  mit  Nährstoffen  ist.  Ausser  mit  Fleisch  lassen  sich  Infuse  auch 
aus  Heu,  Stroh,  Kartoffeln  und  vielem  anderen  Material  herstellen  und 
ebenso  wie  Bierwürze,  Pflaumendekokt  und  dergl.  in  Gelatine  suspen- 
dieren. Als  undurchsichtige  feste  Nährböden  sind  beliebt  die  Kartoffeln. 
Eine  reiche  Auswahl  von  Nährsubstraten,  über  deren  Herstellung  die 
praktischen  Handbücher  zu  vergleichen  sind. 


56 


Die  A^erscliiedeiieii  Bakterien  waclisen,  g'anz  abgeselieu  von  Farb- 
stoff- und  Gasproduktion,  auf  demselben  Nälii’bodeu  nicht  f>’]eichartig  und 
lassen  sich  hierdurch  bis  zu  einem  ^»’ewisseu  Grade  von  einander  uiitei’- 
sclieiden.  Jedoch  darf  man,  wie  es  wohl  zuweilen  g’eschieht,  hierauf  nicht 
zu  viel  AVert  legen.  In  Nährlösungen,  z.  B.  Bouillon  wird  man  zwei 
Hauptwachstumsart eil  zu  unterscheiden  haben,  ohne  und  mit  Trübung 
der  Lösung.  Bleibt  die  Lösung  klar,  so  hat  man  es  mit  unbeweglichen 
Formen  mit  ausgesprochenem  Ketten-  und  Fadenwuchs  zu  tliun,  an  den 
AVänden  des  Gefässes  und  besonders  auf  dem  Boden  entwickeln  sich 
flockige,  flaumige  Massen,  die  beim  Schütteln  als  kleine  Flöckchen  auf- 
steigen  (Milzbrandbacillus,  Streptococcus).  Haben  solche  unbewegliche 
Formen  ein  lebhaftes  Sauerstoffbedürfnis,  wie  z.  B.  der  kompakt  wachsende 
Tuberkelbacillus,  so  bildet  sich  au  der  Oberfläche  eine  kräftige,  bald  mehr 
glatte,  bald  runzelig  faltige,  grubige  Haut  über  der  klaren  Flüssigkeit. 

Diese  wird  gleichmässig  getrübt,  von  dickmilchiger  Undurchsichtig- 
keit herab  bis  zu  leichtem  Schleier,  der  oft  erst  beim  Schütteln  durch 
zarte  AVölkchen  erkennbar  wird,  durch  alle  isoliert  lebenden  Formen 
und  besonders  durch  die  bewegliclien  (Cholera,  lYphus).  Dem  Sauerstoff 
zueilend  sammeln  sich  viele  Bakterien  zu  einer  Haut  (Kahinhaut)  auf 
der  Oberfläche  der  trüben  Flüssigkeit  (Cholera,  Bac.  subtilis). 

Die  Gela  t ine  kill  tur  gestattet  die  Bakterien  in  zwei  grosse 
Gruppen  einzuordnen,  die  grosse  Masse  derjenigen,  welche  Gelatine  durch 
ein  peptonisierendes  Enzym  (siehe  später)  mehr  oder  weniger  schnell 
auch  bei  Zimmertemperatur  verflüssigen  und  die  weniger  zahlreichen 
nicht  verflüssigenden  (Bac.  typhi,  coli  commune,  Streptococcus,  Milchsäure- 
bacillus etc.).  Um  weitere  AVachstumsdifferenzen  auf  Gelatine  zu  sehen, 
empfiehlt  sich  am  meisten  die  Platten-  und  die  Stichkultur.  Die  Platten- 
k ul  tur  mit  geringer  Einssaat  in  die  vorher  durch  Erwärmen  ver- 
flüssigte und  dann  zu  dünner  Schicht  breit  ausgegossene  Gelatine  giebt 
kleine  scharf  umschriebene  Kolonien,  die  aus  einem  oder  doch  nur  wenigen 
zusammenverklebten  Individuen  herangewachsen  sind.  Besonders  in  den 
ersten  Tagen  lassen  die  auf  der  Gelatineschicht  liegenden  Kolonien,  die 
Oberflächenkolonien,  mancherlei  charakteristische  Unterschiede  erkennen. 
Neben  der  Verflüssigung  oder  deren  Fehlen  ist  auf  die  Farbe  und  die  bei 
schwacher  A^ergrösserung  erkennbare  Structur  des  Häufchens,  ferner  auf 
seine  Form  und  seinen  Umriss,  seinen  Glanz  und  seine  Konsistenz  zu 
achten.  Besser  als  eine  Aufzählung  aller  der  einzelnen  hierbei  zu  unter- 
scheidenden Abstufungen,  über  die  Lehmann-Neumann  ^^)  eine  ausführ- 
liche Uebersicht  geben,  wird  eine  Schilderung  zweier  Oberflächenkolonien 
das  AVesentliche  hervortreten  lassen,  der  beiden  farblosen,  die  Gelatine 
verflüssigenden  Bakterien  des  Milzbrandes  iijid  der  Cholera,  die  aller- 
dings hinlänglich  schon  an  ihrer  verschiedenen  Zellgestalt  erkenn- 
bar sind. 

Die  Milzbrandkolonien  verflüssigen  langsam,  sind  rund  und  weiss- 
lich,  schwach  vergrössert  am  Rande  lockig-fädig,  nicht  glatt,  später 
liegt  ein  unregelmässiger , rundlicher  Ballen  in  der  fast  klaren 
verflüssigten  Gelatine ; die  Cfliolerakolonien  verflüssigen  schnell,  sind  gelb- 
lichweiss  gefärbt,  sclnvach  vergrössert  körnig  krümelig  mit  leicht  Avelligem, 
nicht  lockigem  Rande,  um  die  langsam  zerbröckelnden  Kolonien  sammelt 
sich  trübe  verflüssigte  Gelatine.  Es  darf  nicht  verschwiegen  werden, 
dass  mancherlei  Schwankungen  Vorkommen  und  dass  besonders  einander 
sehr  ähnliche  Formen,  wie  z.  B.  die  verschiedenen  AA^asservibrionen  und 


I 


57 


der  Cholevavibrio  oder  der  M^vplinsbacillus  und  der  Rucillns  coli  coiniimuis 
durch  ihre  Platteukoloiiieii  uiclit  siclier  zu  uiiterscJieideu  sind. 

Die  G elatiiiestiehkult  ur  in  Reao'euzo'läserii  Avird  dadiircli  her- 
^>-estellt,  dass  mau  mit  einem  geraden  Ihatindralit  grössere  Mengen  einer 
anderen  Knltui’  in  eine  hohe  Schiclit  erstarrter  Gelatine  durch  senk- 
rechten Stich  einimpft.  Grosses  Sauerstofthedürfnis  änssert  sich  darin, 
dass  an  der  Einstichstelle,  aber  nicht  längs  des  Jmpfstiches  die  Bakterien 
zu  sichtbaren  Massen  heran  wachsen , Abneigung  gegenüber  dem  Saiier- 
stotf  führt  zu  Wachstum  in  den  tieferen  Schichten  der  Gelatine.  Faden-  und 
Ketteinvnchs  änssert  sicli  darin,  dass  A^om  Stichkanal  feine  zarte  Fädchen 
horizontal  in  die  Gelatine  ausAvachsen,  der  Impfstich  erscheint  federig 
oder  fein  behaart  (Milzbrand) ; EinzelAvuchs  bescliränkt  sich  auf  die  Ober- 
fläche des  Stichkanals.  Bei  verflüssigenden  Arten  Avird  der  Form 
der  Verflüssigung,  ob  sie  gleichmässig  längs  des  ganzen  Impfsticlies  an- 
fängt und  diesen  schlauch-  oder  sackförmig  erAveitert,  oder  ob  sie  schneller 
an  der  Einstichstelle  beginnt  und  langsam  in  die  Tiefe  dringend  zu 
trichterförmigen  Bildungen  führt,  grosser  Wert  beigelegt.  Auch  hier  sind 
aber  grosse  ScliAvankungen  möglich,  nahe  verwandte  Arten  dadurch  nicht 
zu  unterscheiden. 

In  schräg  gelegten  Reagenzgläsern  schräg  erstarrten  x\gar  endlich 
benutzt  man  zu  den  Strich  kulturell,  die  einfach  dadurch  angelegt 
Averden,  dass  man  die  Bakterien  mit  einem  Platindraht  längs  der  Agar- 
oberfläche  ausstreicht.  Beim  Agar  fällt  die  Verflüssigung  Aveg,  im  übrigen 
Avird  Färbung,  Umriss,  Glanz  und  Konsistenz  der  längs  des  Striches 
herauAvachsenden  Bakterienmassen  ebenso  Avie  bei  den  Plattenkolonien 
Unterschiede  liefern. 

Ernährungsbedingungen  besonderer  biologischer  Gruppen  Averden  die 
folgenden  Vorlesungen  enthalten. 


VII. 

Die  Atiimiig  der  Bakterien. 


Aerobe  und  anaerobe  Lebensweise  ; Lenchtbakterien,  Bakterien  des 
Meeres  im  all  gern  einen;  Schwefel-  und  Eisenbakterien. 


Der  alte,  jetzt  verscliollene  Name  des  SaiierstolFes,  Lebensluft,  sollte 
aiidenten,  dass  ohne  sie  kein  Leben  möglich  sei;  nnnmstösslich  schien  der 
Satz  der  allgemeinen  Physiologie  zu  sein,  dass  alle  Tiere  und  alle  Pflanzen 
atmen,  d.  h.  SauerstolF  der  Luft  aufnehmen  müssen,  um  damit  organische 
Verbindungen  zu  zerlegen  und  so  Kraft  (Energie)  für  die  zahlreichen 
Lebensverrichtnngen  zu  gewinnen.  Entziehung  der  Luft  und  Tod  durch 
Erstickung  schienen  unzertrennbar  zu  sein.  Wiederum  war  es  die  Er- 
forschung niederer  Organismen,  besonders  der  Hefepilze  und  der  gärung- 
erregenden  Bakterien,  welche  eine  fundamentale  Umgestaltung  des  Lebens- 
begrilfes  veranlasste.  Pasteur  entdeckte  im  Jahre  1861  dass  solche 
zymogene  Bakterien  ohne  Sauerstoff  zu  leben  und  lebhafte  Gährung  her- 
vorzurufen vermochten,  er  nannte  sie  deshalb  an  aerob.  Seitdem  ist  die  an- 
fangs überraschende,  fast  märchenhaft  erscheinende  Thatsache  allgemein 
anerkannt  und  oft  bestätigt  worden,  man  teilt  die  Bakterien  in  zwei 
biologische  Gruppen  ein,  die  aeroben  und  a n a e r o b e n.  Die  ersteren  atmen 
wie  alle  anderen  Organismen  und  zerlegen  dabei  l.)esonders  stickstofffreie 
organische  Verbindungen,  wie  Zucker,  Glycerin  in  Kohlensäure  und  AVasser, 
weshalb  sie  zu  ihrem  besseren  Gedeihen  derartige  A^erbindungen  als  be- 
sonderes Atmungsmaterial  verlangen.  Aber  ebenso  wie  die  Pflanzen  und 
Tiere  vermögen  aucli  diese  aeroben  Bakterien  stickstoffhaltige  organische 
ATrbindnngen,  Pepton,  Amidokörper  zu  veratmen,  freilich  weniger  leicht 
und  anscheinend  mit  geringerem  Energiegewinn  als  die  stickstofffreien. 
AJele  dieser  aeroben  Bakterien  können  ohne  Sauerstoff'  gar  nicht  gedeihen, 
sie  ersticken  schliesslicli  wie  eine  Maus  in  reinem  AAhisserstoff.  Sie  sind 
exklusiv  oder  0 bl  igat  aerob  und  gedeihen  am  besten  bei  vollem  Luft- 
zutritt .In  verdünnter  Luft  oder  in  künstlichen  Gasmischlingen  mit  ge- 
ringem Sauerstoffgehalt  wachsen  sie  um  so  schlechter,  je  weniger  „Lebens- 
luft“ ihnen  geboten  wird,  zugleich  nehmen  auch  alle  oder  einzelne  Iiebens- 


59 


äusserung’eii  besonders  ab  (Essig’bakterieii,  Heubacillus).  Scliou  bevor  z.  R 
durch  die  Luftpumpe  ein  vollkomuieues  Vakuum  erreiclit  ist,  hören  sie 
auf  zu  wacliseu. 

Iliueu  g’eg’euiiber  steht  die  Gruppe  der  obligat  au  aeroben,  zu 
denen  einige  Buttersäiirebakterieu,  darunter  auch  die  Erreger  des  StaiT- 
kraiu])fes,  des  Rauschbraudes  und  des  maligueu  Oedems  gehören.  Nur 
ohne  Sauerstotf  wachsen  sie,  schon  Spuren  davon  hemmen  ihre  Eiit- 
Avickluug.  Eine  grosse  Schaar  von  Bakterien  mit  allen  möglichen  Ab- 
stiifimgeu  der  Empfindlichkeit  schiebt  sich  zwischen  diese  beiden  Extreme 
ein.  Diese  „fakultativen“  Anaeroben  euDyickeln  sich  am  üppigsten 
bei  Lnftzntritt , vermögen  aber  auch  in  verdünnter  Luft  und  sogar  bei 
gänzlichem  Fehlen  des  Sauerstotfes,  oft  freilich  nur  kärglich  und  stark 
beeinträchtigt  in  ihren  Lebensäusserungen  zu  gedeihen.  Obligate  und 
fakultative  Anaeroben  haben  wir  in  der  Natur  überall  dort  zu  suchen, 
wo  die  Luft  überhaupt  nicht  hinzudringen  vermag  oder  durch  andere 
Gase  verdrängt  wird,  also  in  tiefen  Schichten  der  Erde,  in  dem  schwarzen 
Schlamm  von  Flüssen  und  stehenden  Gewässern,  im  Schlicke  des  Meeres- 
bodens, im  Mist,  in  unseren  Exkrementen.  An  allen  diesen  Stellen  sind 
Anaeroben  oft  die  einzigen,  sicher  die  vorherrschenden  Vertreter  des  Lebens 
und  ihre  gärung-  und  fäulniserregenden  Eigenschaften  tragen  hier  in 
erster  Linie  zur  Zersetzung  abgestorbener  Tier-  und  Pfian zenkörper 
bei,  worüber  später  ausführlich  gesprochen  werden  soll.  Dort  wird  sich 
auch  bei  der  theoretischen  Erklärung  des  Gäruugsvorganges  die  beste 
Gelegenheit  finden,  die  Anaerobiose  von  allgemeinem  Standpunkte  aus  zu 
betrachten.  Fakultativ  anaerob  sind  die  meisten  Fänlnisbakterien , die 
Milchsäure-  und  andere  Gärnngsbakterien , unter  den  pathogenen  die 
Bakterien  des  Typhus,  der  Cholera,  ferner  viele  Eiterkokken  (Strepto- 
kokken lind  Staphylokokken).  Die  anaerobe  Fähigkeit  scheint  sogar 
bei  derselben  Art  verschiedener  Herkunft  oder  Kulturmethode  wechseln 
zu  können.  Ebenso  mannigfaltig  beeinträchtigt  die  Sauerstoftentziehung 
einzelne  Eigenschaften.  Einige  Farbstoffbakterien,  z.  B.  der  schwarz- 
blaue Bac.  violaceus,  wachsen  ohne  Sauerstoff  farblos,  umgekehrt  sollte 
Spirillum  rubrum  nur  anaerob  Farbstoff  bilden,  was  sich  aber  nicht  aus- 
nahmslos bestätigt  hat.  Viele  obligat  anaerobe,  wie  einige  Buttersäiire- 
bazillen  sind  beweglich,  in  der  sauerstofffreien  Kultur  beziehen  sie  die 
Kraft  für  die  an  und  für  sich  zwar  geringe,  im  Verhältnis  zu  ihrem 
Körper  aber  doch  ansehnliche  Arbeitsleistung  aus  weniger  tief  gehender 
Spaltung  des  Moleküls  der  gärfähigen  Subtanz.  Sie  hören  auf  sich 
zu  bewegen,  sobald  Sauerstoff  ihnen  znströmt.  Dagegen  verfallen  die 
aeroben  in  eine  Geiselstarre,  wenn  ihnen  der  Sauerstoff  entzogen  wird 
und  bewegen  sich  um  so  lebhafter,  je  reichlicher  dieser  vorhanden  ist. 
Sie  sammeln  sich  im  Präparat  nm  Lnftbläschen  oder  am  Rande  des 
Deckglases  in  grossen  Mengen  an,  angezogen  durch  den  Sauerstoff  der  Luft. 
Besonders  sanerstoffbedürftige  Aeroben  hat  Engelmänn  -^-)  benutzt  bei 
seiner  geistreichen  Bakterienmethode  des  Sauerstoffhachweises.  Mit  dem 
lebenden  Reagenz  gelang  das,  was  reinchemisch  vorläufig  unmöglich  ist: 
der  mikrochemisclie  Nachweis  freien  Sauerstoffes. 

Neben  der  Atmung,  mit  Aufnalnne  von  Sauerstoff  und  Aussclieidnng  von 
Kohlensäure,  geht  bei  allen  gefärbten  Pflanzen  noch  ein  zweiter  Gaswechsel 
einher,  der  die  Assimilation  der  Luftkohlensäure  begleitet  und  fälsclilicher- 
weiseoft  auch  als  Atmung  bezeichnet  wird.  Die  anfgenommene  Kohlensäure 
wird  in  der  Pflanze  mit  Hilfe  des  Sonnenlichts  zerlegt,  Sauerstoff  dabei  ausge- 
schieden, „ausgeatmet“.  Nicht  alle  Strahlengattungen  des  Sonnenlichts 


m — 


^reifen  o'ieicliinässi^-  in  diesen  Assiniilations})rozess  ein.  Das  Absorptions- 
spektrum eine]’  Dösnno’  von  Blatt^irün  (niloi’0])liyll)  lelirt.  dass  dieses  am 
stärksten  die  roten  Inclitsti’alilen  in  dem  Bezirk  zwisclien  den  Fhauun- 
iionimsclieii  Ijinien  7>  und  C absoi’biert,  ziemlich  stark  aucli  einen  'J'eil  des 
violetten  Lichts.  ENuiUiMANN  entwarf  nun  mit  seinem  Mikrospektralapparat 
in  dem  (L^sichtsfelde  des  Mikroskopes  ein  Miki’ospektrum,  in  das  g-rüne 
Algenfädeii  oder  Moosblätter  scharf  eingestellt  werden  konnten  (Fig.  16j. 


o ß c D j:  b F 


Fig.  16.  Sauerstoffnachweis  mit  Bak- 
terien nach  Engelmann  Die  senkrechten 
Linien  a — F geben  die  Fraunhofer  sehen 
Linien  eines  Mikrospektrums  an  , das  mit 
Hilfe  von  Engelmanns  Alikrospektralapparat 
im  Gesiclitsfelde  des  Mikroskopes  entAvorfen 
Avird.  In  dieses  Spektrum  ist  ein  Algen- 
faden (Cladophora)  eingestellt,  um  den 
zAvischen  B und  C und  neben  F grössere 
Mengen  \mn  Bakterien  herumAvimmelu  (vergl. 
Text).  Vergr.  200. 


Bei  starker  Beleuchtung  und  guter  Abhaltung  alles  übrigen  Lichtes  durch 
einen  dunklen  Kasten  sammeln  sich  dem  Präparat  zugesetzte  sauerstolf- 
emptindliche  Bakterien  an  denjenigen  Stellen  des  assimilierenden  Pflanzen- 
körpers in  reichen  Schwärmen  an,  die  im  roten  Teil  des  Mikrospektrums 
liegen,  dort,  wo  die  Hauptabsorption  des  Chlorophjdles  hinfällt.  Eine 
zweite,  weniger  starke,  aber  deutliche  Ansammlung  entspricht  der  Ab- 
sorption im  violetten  Teil,  bei  der  Linie  F.  Der  übrige  Teil  der  Pflanze 
wird  nur  von  einigen  wenigen  Bakterien  umschwärmt,  hier  ist  die  Sauer- 
stolfausscheidung  sehr  gering,  während  sie  im  Rot  ihr  Maximum  erreicht. 
Die  Strahlen,  die  am  stärksten  vom  Chloroph}^!  absorbiert  werden,  liefern 
am  meisten  Sauerstotf  als  Zeichen  dafür,  dass  mit  ihrer  Hilfe  die  Kohlen- 
säure der  Luft  am  reichlichsten  zerlegt  wird.  Auf  mancherlei  besondere 
Fragen,  die  zu  entscheiden  der  Pflanzenphysiologie  zukommt,  kann  hier 
nicht  eingegangen  werden.  Die  Anwendung  der  ENGELMANNschen  Methode 
verlangt  stets  grosse  Sorgfalt,  besonders  auch  in  der  Beurteilung  der 
Resultate,  da  die  Geissein  vieler  Bakterien  nicht  bloss  durch  Sauerstoff, 
sondern  auch  durch  bessere  Nährstoffe  und  mancherlei  andere  Chemi- 
kalien zu  lebhafteren  Bewegungen  veranlasst  werden,  wie  die  später  zu 
schildernde  Chemotaxis,  von  der  die  Bakterienmethode  ENtJELMAXNs  ja  nur 
ein  S])ezialfall  ist,  zeigen  wird. 

Die  grossen  Enei’giemengen,  welche  durch  die  Veratmung  organischer 
Verbindungen,  wie  der  Kohlehydrate,  mit  hoher  Verbrennungswärme  frei 
werden,  werden  nicht  alle  zur  Arbeitsleistung  verwendet,  sondern  äussern 
sich  zum  Teil  in  einer  Steigerung  der  Körpertemperatur  (AVarmblüter, 
Blütenkolben  von  Aroideen).  Auch  gärende  und  faulende  Massen  (Heu, 
Mist,  Baumwollenabfälle,  sog.  Nissel)  erhitzen  sich  in  ihrem  Innern  oft 
recht  ansehnlich,  bis  60 — 70 Diese  Selbsterhitzung,  die  sogar  bis  zur 
Selbstentzündung  sich  soll  steigern  können,  bei’uht  auf  lebhafter  Atmung 
aerober  Bakterien  (thermogene  Cohn),  die  Gärung  und  Fäulnis  her- 
vorrufen.  Cohn"")  fand  in  feuchten  Baumwollenabfällen  einen  l\Iic]’ococcus, 


*)  Berichte  deutsch.  Bot.  Ges.  XI.  p.  (66). 


61 


der  bei  Tjuflzutritt  Kolileiisäure  als  Atimiii^^'spi’odiikt  reiclilicli  ausf^ab, 
daneben  ancli  Triinetliylainin  entwickelte  und  bei  geeigneter  Verhinderung 
der  Wärmeansstralilnng  die  fanlende  Masse  bis  auf  67 " erhitzte. 

Auch  als  Licht  kann  ein  Teil  der  durch  gesteigerte  Atinnng  befreiten 


Energie  hervortreten.  Lenchtende  Pilzmy(;elien  rnfen  das  gesi)enster- 
hafte  Lenchten  alter  V^eiden  hervor;  lenchtende  ^biere  giebt  es  sowohl 
anf  dein  Lande  (Johanniswnrnichen),  als  besonders  ini  Meer  (Feuerwalzen, 
Lenchtschnnren  und  viele  andere).  Das  allbekannte  Lenchten  des  Meeres 
wird  von  solchen  leuchtenden  Tieren  zum  grossen  Teil  veranlasst,  be- 
sonders aber  und  in  unseren  Breiten  fast  ausschliesslich  durch  Bakterien, 
L e n c h t b a k t e r i e n. In  die  biologische  Gattung  P h o t o b a k t e r i u m 
gehören  lebhaft  bewegliche,  teils  gerade,  teils  gekrümmte  vibrionenartige 
Stäbchen,  deren  Artumgrenzung  ziemlich  unsiclier  ist,  sodass  Namen,  wie 
Bacterium  phosphorescens,  Bacillus  Inminosns,  ferner  der  leuchtende  Vibrio 
albensis  keine  naturwissenschaftlichen  Spezies  vorstellen.  Mit  Seefischen, 
die  sehr  oft  leuchten,  gelangen  die  Leuchtbakterien  auch  ins  Binnen- 
land, siedeln  sich  gelegentlich  auch  auf  Fleisch  an  und  bringen  dieses 
znm  Lenchten.  Ob  es  Süsswasser  bewohnende  photogene  Bakterien  giebt, 
ist  noch  zweifelhaft;  die  genau  untersuchten  Leuchtbakterien  sind  durchweg 
Meeresbewohner.  Als  solche  verlangen  sie  2 — 3 *Vo  Kochsalz  in  dem  Nähr- 
boden, der  ausser  den  üblichen  Salzen  Pepton  und  meistens  eine  besondere 
Kohlenstoffquelle  (Zucker,  Glycerin,  Asparagin)  enthalten  muss.  Die  Leucht- 
bakterien scheinen  also  Peptonbakterien  zu  sein  und  im  Meer  auf  ab- 
gestorbenen Tieren  und  Pflanzen  zu  wachsen,  von  denen  sie  durch  den 
Wogenschlag  losgerissen  werden  und  so  in  unzähligen  Mengen  in  das  Meer- 
wasser gelangen.  Die  Leuchtbakterien  der  Nord-  und  Ostsee  wachsen 
am  besten  bei  18  aber  auch  noch  recht  gut  bei  sehr  niederer  Temperatur, 
bis  auf  0 herab.  Sie  schliessen  sich  hierin  den  Bewohnern  nordischer 
Meere  an.  Ohne  Sauerstoff  vermögen  sie  zwar  langsam  zu  gedeihen, 
Licht  wird  aber  nur  bei  Luftzutritt  entsendet.  Die  Lichtentwickelung 
ist  ein  exklusiv  aerober  Prozess,  wie  jeder,  der  das  Meeresleuchten  ge- 
sehen hat,  weiss.  Das  ruhige  Meerwasser  leuchtet  nicht,  aber  jeder 
AVellenkamm  leuchtet,  jedes  Aufrühren  des  Wassers  und  feuchten  Sandes 
ruft  Leuchten  hervor  infolge  der  Luftzufuhr. 

Dass  durch  die  Atmung  das  Licht  entwickelt  wird,  geht  besonders 
daraus  hervor,  dass  bei  Aufhebung  der  Atmung,  also  Luftentziehung, 
das  Licht  sofort  erlischt,  dass  es  durch  reiches  Atmungsmaterial  (Kohle- 
hydrate, Glycerin)  gesteigert  wird.  Ferner  hört  mit  dem  Leben  der 
Bakterien  das  Leuchten  sofort  auf.  Auch  von  vorausgehender  Insolation 
ist  das  Leuchten  unabhängig;  im  Finstern  erwachsene  Bakterien  leuchten 
ebensogut  wie  am  Tageslicht  gezogene.  Ihre  Phosphorescenz  ist  also 
nicht  derjenigen  der  Sulfide  der  alkalischen  Erden  (Schwefelbaiyum,  Schwefel- 
strontium etc.)  zu  vergleichen,  die  nur  Licht  aussenden,  wenn  sie  vorlier 
stark  beleuchtet  waren.  Endlich  ist  es  auch  nicht  möglich  gewesen,  einen 
besonderen  Leuchtstoff  (Luciferin)  zu  isolieren,  der  ausserhalb  der  lebenden 
Zelle  weiterleuchtet,  er  müsste  denn  ausserordentlich  unbeständig  sein. 
Man  kann  sich  Leuchtbakterien  leicht  verschaffen,  wenn  man  das  Fleisch 
frischer  Seefische  (besonders  ungesalzene,  sog.  grüne  Heringe)  mit  2—3  ‘V(, 
Kochsalzlösung  übergiesst  und  bei  niederer  'l'emperatur  (5 — 10**)  hinstellt. 
In  1-2  Tagen  leuchtet  nicht  bloss  das  Fleisch,  sondern  auch  das  AVasser 
in  mattem,  meist  grünlich  weissem  Lichte,  das  durch  Hinzufügung  von 
Zucker  oder  Glycerin,  d.  li.  von  Atmungsmaterial  erheblich  gesteigert 
Averden  kann.  So  kann  man  sich  in  kurzer  Zeit  ein  künstliches  Meer- 


62 


leucliteii  lierstolleii.  Mit  Pepton  und  Zucker  versetzte  Seefisclibouillon  in 
Gelatine  suspendiert  g’estattet  auch  die  Tsolieruug’  uud  Reinkultur.  Die 
Kolouien  der  Leuclitbakterien  entsenden  soviel  Licht,  dass  es  bei  langer 
Expositionszeit  gelingt,  sie  bei  ilireni  eigenen  Licht  zu  photographieren. 
Es  besteht  nur  aus  stärkei-  breclibaren  Strahlen,  von  der  Linie  I)  al) 
hinauf  bis  zu  G,  was  sclion  der  bläuliche  oder  grünliche  Schimmer  des 
Lichts  erkennen  lässt. 

Anhangsweise  mögen  einige  Worte  über  die  Bakterien  des 
Me  eres  überhaupt  eingeschaltet  werden,  von  denen  viele,  aber  nicht 
alle  leuchten.  Auf  der  deutschen  Plauktonexpedition  wurden  Kokken 
selten  gefunden,  kurze  Stäbchen  und  Vibrionen,  alle  lebhaft  Ijeweglich, 
herrschten  vor.  Ihre  Verbreitung  steht  durchaus  unter  dem  Einfluss  des 
Landes,  denn  nahe  der  Küste  ist  die  Vegetation  der  Meeresalgen  am 
üpidgsten,  hier  sammeln  sich  aucli  an  gelockt  davon  zahllose  iVleerestiere. 
kurz  esgiebt  in  den  vielen  hier  absterbenden  Organismen  genug  organisches 
Material  für  metatrophe  Bakterien.  Drei  bis  fünf  Kilometer  weit  er- 
sti-eckt  sich  dieser  Einfluss  der  Küste,  die  Zahl  der  Bakterien  pro  Kubik- 
centimeter  Meerwasser  ist  gross,  stellenweise  aber  sehr  klein.  Tmmei- 
schwanken  aber  die  Zahlen  ausserordentlich,  sowohl  an  der  Küste,  als 
auch  auf  dem  freien  Ocean,  eine  gesetzmässige  Verteilung  war  nicht  zu 
bemerken.  Auch  die  Beleuchtung  ist  belanglos.  Das  an  der  Obei’fläche 
geschöpfte  Meerwasser  enthielt  pro  Kubikcentimeter  z.  B. 

1 Seemeile  von  der  Küste  Flut  3960 

(Rhede  von  Plymouth)  Ebbe  13320 

240  Seemeilen  von  der  Küste  (Golfstrom)  645 

450  „ „ „ „ (Sargassosee)  20,  200,  206,  168 

Keime,  die  aber  nicht  alle  zu  Bakterien  gehörten  (auch  Schimmelpilze). 
In  54  "/,j  aller  solcher  Proben  waren  circa  100  Bakterien  im  Kubik- 
centimeter enthalten.  In  tiefen  Wasserschichten,  800 — 1100  ]\leter  tief, 
Avurden  nur  wenige  Keime,  8 — 12  im  Kubikcentimeter,  gefunden. 

Schlammproben  vom  Meeresboden  enthielten  in  mehreren  Kubik- 
centimetern  bei  einer  Tiefe  von  1523  und  2406  Metern  keine  Keime,  bei 
4099  und  5250  Meter  1 — 4.  Das  scheint  sehr  wenig  zu  sein,  denn  selbst 
in  diesen  Tiefen  beträgt  die  Temperatur  noch  2 — 5 Organismen  anderer 

Art,  sicher  doch  Protozoen  (Foraminiferen  und  Radiolarien)  gedeihen  noch 
in  grossen  Mengen.  Es  dürfte  wohl  die  Wahl  des  Kulturbodens  (See- 
fischbouillon mit  Pepton  in  Gelatine)  nicht  unwesentlich  das  Resultat  be- 
einflusst haben,  da  er  nur  metatrophe  Bakterien,  ähnlich  den  Leuchtbakterien, 
zu  kultivieren  gestattete,  prototrophe  aber  nicht.  Gerade  nach  prototrophen 
Bakterien  mit  vielleicht  ganz  absonderlicher,  primitiver  Form  des  Stoff- 
wechsels, die  zu  konstruieren  uns  jeder  Anhalt  fehlt,  Avürde  auf  dem 
Grunde  des  Meeres  zu  suchen  sein.  Ganz  unerwartete  Einblicke  in  das 
Leben  des  Meeres  wären  davon  zu  erhoffen.  Nitrate  rediicierende  aerobe 
Arten  wurden  von  Russnii  im  Meerschlamm  nachgewiesen. 


63 


Die  bisher  besprochenen  aeroben  Bakterien  oxydieren  bei  der  Atinnng’ 
organisclies  Material  und  g’ewinnen  daraus  die  für  das  Beben  erfoi'derliclie 
Energie,  die  anaeroben  Bakterien  zielien  ihren  erheblich  kleineren  Energie- 
gwinn  ebenfalls  aus  organischen,  gärungs-  und  fäulnisfähigen  Stotfen, 
kurz  alle  diese  Bakterien  sind  metatroph  auch  in  dieser  Beziehung. 

Eine  der  Atmung  vergleichbare  Oxydation  anorganischer  Verbindungen 
dagegen  liefe]’t  vielen  prototrophen  Bakterien  die  nötige  Energie,  so  den 
Salpeterbakterien,  die  in  geeigneterem  Zusammenhänge  später  besprochen 
Averden  sollen,  so  den  sonderbaren  Schwefelbakterien,  dem  klassischen 
Beispiel  einer  prototrophen  A t m u n g. 

Sch  w e f e 1 b a k t e r i e n (Thiobakterien) (p.  13),  die  mit  kugeligen, 
glänzenden  Massen  reinen  Schwefels  oft  überladen  erscheinen,  kommen 
in  der  Natur  dort  vor,  avo  SchwefelAvasserstoff  sich  findet,  in  den  ScliAvefel- 
quellen,  avo  er  meist  mineralchemisch  entsteht,  und  auf  dem  Boden  stehender 
GeAvässer  und  des  Meeres  (Aveisser  und  roter  Grund),  wo  durch  Fäulnis 
abgestorbener  Tier-  und  Pflanzenkörper  SchAvefelwasserstoff'  frei  Avird. 
Diesen  hielt  man  früher  für  ein  Produkt  der  Schwefelbakterien,  Aveshalb 
man  ihnen  einen  Avichtigen  Anteil  an  der  Bildung  mancher  Schwefelquellen 
zuschrieb.  Durch  Winogeadskys  schöne  Untersuchungen  ist  aber  sicher  nach- 
geAviesen,  dass  der  SchwefelAvasserstoff  ein  unentbehrlicher  Nährstoff'  für 
die  ScliAvefelbakterien  ist.  Man  kann  sie  das  ganze  Jahr  hindurch  finden, 
ihre  HauptentAvicklungszeit  ist  das  zeitige  Frühjahr  und  der  späte  Herbst, 
jene  Zeiten  also,  in  denen  die  Pfianzenreste  der  letzten  Vegetationsperiode 
auf  dem  Grunde  unserer  stehenden  GeAvässer  durch  andere  Bakterien 
unter  SchwefelAvasserstottentwickelung  zersetzt  und  vernichtet  Averden.  Bald 
Avird  man  die  faulende  Pflanzendecke  von  einem  feinflaumigen  schnee- 
Aveissen  Filz  übersponnen  finden,  bald  werden  dazwischen  schön  dunkel- 
i'osae  Fleckchen,  die  in  das  Wasser  sich  verbreiten,  auffallen,  bald  Avird 
die  Masse  gleiclimässig  schmutzig  lila  gefärbt  erscheinen.  Farblose  und 
rosa  oder  lila  gefärbte  ScliAvefelbakterien  finden  sich  stets  nebeneinander 
A^or,  die  ersteren  überall  hin  sich  ausbreitend,  die  letzteren  an  Stellen 
bestimmter  Helligkeit  sich  jansammelnd.  Die  farblosen  Ueberzüge  be- 


a.  h c d 


Fig.  17.  Schwefelbakterien,  a —c  Beggiatoa,  derselbe  Faden,  a dick  mit  Schwefel  (schwarzen 
Eingen)  vollgestopft,  h teilweise  entschwefelt  durch  24stündiges  Liegen  in  Brunnenwasser. 
c F'ast  ganz  schwefelfVei  nach  weiteren  24 — 48  Stunden  in  schwefelwasserstofffreiein  AVasser. 
d Chronatium  Okenii,  schmutzig-rosae  Purpurschwefelbakterie,  e Stück  einer  durchlöcherten  Zoogloea 
von  Lamprocystis  roseo-persiclna.  Vergr.  a — c 1000,  d 900,  e,  500;  « -c  nach  WinOijradski, 
d,  e nach  Zopf. 


stehen  ans  fädigen  Arten , hauptsächlich  den  unverzAveigten , zartschei- 
digen,  dem  Substrat  fest  ansitzenden  und  davon  in  das  Wasser  aus- 
strahleiiden,  unbeAveglichen  Fäden  der  Gattung  T h i o t h r i x.  1 )azAvischen 
finden  sich  langsam  pendelnde,  freie  Fäden  der  Beggiatoa  (Fig.  17  — c), 


64 


die  oft  aiicli  in  aiiselinlidien  Massen  die  faulenden  Reste  überzieht.  Auch 
farblose  Schwefel lialtif>'e  Einzelzellen  wird  man  finden.  Einen  grösseren 
Eormenkreis  ninfassen  die  roten  Schwefelbakterien,  die  P u r p u r b a k t e r i en. 
Lebhaft  rote,  besonders  bei  Sonnenschein  an  g-ewissen  Stellen  auffallende 
Fleckchen  bestehen  aus  den  lebhaft  beweg’lichen  plumi)en  Stäbchen  der 
Gattung-  C h i-  o in  a t i n m (bes.  Ohr.  Okenii),  die  oft  g-anze  'J'eiche  schmutzigrosa 
färbt  (Fig-.  \ld).  Dazwischen  sclilängeln  sich  die  roten  Schwefelspirillen 
(^IMi ios pi  1‘il  1 u in)  und  andere.  Die  schmutzig  rosaen  Ueberzüge  bestehen 
meist  aus  einem  bunten  Gemenge  unbewegliclier  Formen:  kleine  Täfelchen 
kugliger  Zellen  (T  h i o p e d i a),  Haufen  kugliger  und  cylindrischer  Formen, 
bald  in  scharf  bestimmbarer  Anordnung,  bald  regellose  durchlöcherte 
Zoogloen  (L am  pro  cy s t is  Fig.  Ile).  Neun  Gattungen  davon  wird  man 
bei  MTNOdu.vDSKY  beschrieben  finden. 

Schon  die  Ansammlung  der  roten  Bakterien  an  beleucliteten  Stellen 
zeigt,  dass  hier  Beziehungen  zum  Licht  bestehen,  die  unabhängig  von 
der  Oxydation  des  Schwefelwasserstoffs  in  die  Ernährung  eingreifen  und 
erst  dargestellt  werden  können  nach  einer  Schilderung  der  einfächeren 
farblosen  Schwefelbakterien.  Deren  wahrscheinlich  vollkommen  proto- 
trophe  Lebensweise  ist  noch  nicht  ganz  klar  gelegt,  nur  ihre  Beziehungen 
zum  Schwefelwasserstoff  sind  genau  bekannt.  Gut  nährende  Substrate 
(Peptonzuckergelatine  und  ähnliche)  werden  von  ihnen  durchaus  ver- 
schmäht, es  genügen  als  Kohlenstoffquelle  sehr  geringe  Mengen  von  Ameisen- 
und  Propionsäure,  als  Stickstoffquelle  Ammoniak,  lauter  Verbindungen,  die 
bei  der  Fäulnis  stets  entstehen.  In  den  Schwefelquellen  sind  organische 
Stoffe  nur  sehr  spärlich  nachgewiesen,  im  Weilbacher  Wasser  nur 
0,0048  Gramm  im  Liter  und  doch  wachsen  darin  die  Schwefelbakterien 
sehr  üppig.  Sie  sind  streng  aerob  und  gedeihen  auch  im  Dunkeln,  am 
besten  in  Wasser  mit  100  Milligramm  Schwefelwasserstoff  im  Liter  (Stachel- 
berger Quelle  73  Milligramm).  Gesättigtes  Schwefelwasserstoffwasser 
(4,56  Gramm  HoS  pro  Liter)  tötet  sie.  Bringt  man  schwefelreiche  Fäden 
in  Brunnenwasser,  so  werden  sie  in  24—48  Stunden  (Fig.  17« — c) 
vollkommen  schwefelfrei  und  gehen  schliesslich  an  Schwefelwasserstoff- 
hunger zu  Grunde.  Führt  man  solchen  entleerten  Fäden  Schwefelwasser- 
stoffwasser längere  Zeit  zu,  so  beladen  sie  sich  allmählich  wieder  mit 
den  glänzenden  Schwefelkugeln  und  wachsen  munter  weiter.  Der  Schwefel- 
wasserstoff' wird  zu  Schwefel  oxydiert  und  zunächst  als  solcher  in  den  Zellen 
gespeichert,  als  Reservematerial.  In  reinem  Wasser  oder  bei  eintretendem 
Slangei  an  Schwefelwasserstoff'  wird  der  Reserveschwefel  weiterox}xliert 
zu  Schwefelsäure,  die  zunächst  an  Alkalien  gebunden  wird  und  schliess- 
lich mit  dem  Kalk  des  Wassers  zu  Gips  sich  umsetzt.  Andere  im  Sumpfe 
lebende  Bakterien,  Spirillen,  Cladothrix.  ferner  Schimmelpilze  können 
den  Schwefelwasserstoff  nicht  in  dieser  Weise  verarbeiten,  sie  kränkeln 
dort,  wo  die  Schwefelbakterien  wohl  gedeihen.  Da  Schwefelwasserstoff- 
Avasser  schon  durch  den  Sauerstoff'  der  Luft  sehr  leicht  unter  Abscheidung 
von  Schwefel  zersetzt,  mit  Baumwolle  oder  anderen  porösen  Körpei’ii  ver- 
mengt sogar  zu  Schwefelsäure  oxydiert  wird,  so  würden  die  Sclnvefel- 
bakterien  aus  dieser  leichten  Oxydierbarkeit  schon  Vorteil  ziehen  können 
einfach  durch  die  Eigenschaft,  im  schAvefehvasserstoff'haltigen  AVasser  nicht 
zu  Grunde  zu  gehen.  Der  eingedrungene  Schwefelwasserstoff'  Avürde  schon 
durch  den  Luftsauerstoff'  zu  Sclnvefel  oxydiert  und  damit  Aväre  eine  reiche 
Energieciuelle  für  weitere  Oxydationen  geschaffen.  Es  würde  zu  obigea- 
Fähigkeit  also  nur  noch  die  andere  liinzuzukommen  haben,  die  oxydierende 
Kraft  des  Luftsauerstoff's  durch  das  Protoplasma  zu  steigern,  ihn  zu 


65 


aktivieren.  Der  Energiegewiiin  ist  ein  ganz  beträclitliclier,  71  Kalorien 
(meclian.  Wärmeeinheiten)  liefert  schon  die  Oxydation  des  wassergelösten 
Schwefehvasserstolfs  zn  Schwefel,  dessen  Oxydation  zu  Schwefelsäure  sogar 
2109  Kalorien.  Dass  wirklicli  die  Oxydation  des  Schwefels  als  eiipige 
Energiequelle  die  Atmung  anderer  Organismen  vertritt,  geht  wohl  sicher 
daraus  schon  hervor,  dass  organisches  Material,  das  zu  Kohlensäure  oxy- 
diert Averden  kininte,  den  Schwefelbakterien  gar  nicht  geboten  zu  werden 
braucht  und  dass  sie  ohne  Sclnvefel,  d.  h.  ohne  Atmungsmaterial  zu 
Grunde  gehen. 

Die  beiden  grossen  physiologischen  Prozesse:  Aufnahme  und  Auf- 
speichernng  von  Atmnngsmaterial  einerseits,  Befreiung  der  darin  ge- 
bundenen Energie  durch  Oxydation  (Atmung)  andererseits,  würden  dem- 
nach bei  grünen  Pflanzen,  metatrophen  Bakterien  und  Schwefelbakterien 
folgendermassen  sich  gestalten: 


I.  Aneignung  des  Atmnngsmaterials: 

grüne  Pflanzen  metatroplie  Bakterien  Schwefelhakterieu 

Aufnahme : Kohlensäure  und  organisches  Material,  Schwefelwasser- 

Wasser,  Euer-  z.  B.  Zucker , der  stoff  und  Sauer- 

gie  des  Sonnen-  nicht  weiter  ver-  stoff 

lichtes  ändert,  sondern  so- 

fort veratmet  wird 

Ausgabe : Sauerstoff  — Wasser 

Speicherung:  Kohlehydrate  — Schwefel 


II.  xA.tmung,  Befreiung  der  Energie: 

grüne  Pflanzen  inetatrophe  Bakterien  Scliwefelbakterien 

Kraftquelle : Kohlehydrat  organisches  Material,  ScliAvefel 

z.  B.  Zucker 

Aufnahme : Sauerstoff  Sauerstoff  Sauerstoff 

Ausgabe:  Kohlensäuren.  Kohlensäure  und  Schwefelsäure 

AVasser  W asser 

EnergiegeAvinn : über  6000  Kal.  über  6000  Kal.  2109  Kal. 


Mehr  als  ein  Schema  soll  diese  Uebersicht  nicht  geben,  einzelne  Be- 
denken Avird  Jeder  sich  selbst  zurecht  legen  können.  Die  grüne  Pflanze 
bezieht  die  grosse  Energie,  die  zur  Bildung  von  Kohlehydraten  ans  Kohlen- 
säure und  Wasser  erforderlich  ist  und  später  bei  der  Atmung  ansgenutzt 
werden  soll,  bekanntlich  von  der  Sonne.  Die  metatrophen  Bakterien  ver- 
langen organisches  Material,  dass  sie  sofort  als  Kraftquelle  veratmen, 
die  ScliAvefelbakterien  endlich  gewinnen  mit  geringem  AnfAvand  den 
Schwefel.  Bei  seiner  Oxydation  entsteht  sehr  Adel  freie  Energie,  die 
Avohl  mehr  als  ausreichend  ist,  um  das  Leben  so  zu  unterhalten,  wie  es 
nach  obiger  Darstellung  sich  abspielt,  d.  h.  mit  geringen  Mengen  von 
Fettsäure  und  Ammoniak,  die  zur  lebenden  Substanz  zusammengearbeitet 
Averden  müssen.  Fast  scheint  es,  als  ob  noch  an  eine  andere  Verwen- 
dung der  Energie  gedacht  werden  könnte,  besonders  seitdem  man  die 
Salpeterbakterien  genauer  kennt.  Wie  diese  die  Kohlensäure  der  Luft 
ohne  Sonnenhilfe  assimilieren,  so  können  das  vielleicht  auch  die 
SchAvefelbakterien,  die  durch  die  Oxydation  des  ScliAvefels  viel  mehr 
Energie  gewinnen,  als  die  Salpeterbakterien  durch  die  Oxydation  von 
Stickstoffverbindungen.  Würde  sich  diese,  weiterer  Untersuchnng  be- 

A.  Fischer,  A^orlesimgen  über  Bakterien.  5 


66 


dürftige  Verniutimg  bestätigen,  so  wäre  aucli  eine  bessere  Verbindung  mit  den 
gefärbten  Scliwefelbakterien,  den  P ii  r p n r b a k t e r i e n ”)  geschaffen.  Bei 
ilinen  treten  zu  den  Eigenschaften  der  farblosen  Tliiobakterien  nocli  die- 
jenigen hinzu,  welclie  mit  dem  roten  Farbstoff,  dem  B a k t e r i o p u r p u r i n 
verbunden  sind.  Hein  Absorptionsspektrum  ist  nach  Engelmanns  subtilen 
Untersnchnngen  ein  höchst  sonderbares,  einzigartiges.  Neben  einer 
starken  Absorption  der  roten  Strahlen  zwischen  den  Linien  B und  C 
überrascht  eine  besonders  starke  der  unsichtbaren,  ultraroten,  sog.  dunklen 
Wärniestrahlen  von  0,8 — 0,9  Wellenlänge.  Mit  der  Bakterienmethode 

(p.  60)  konnte  Engelmann  nachweisen,  dass  auch  in  diesem  unsicht- 
baren Teile  des  Spektrums  Sauerstoff'  ausgeschieden  wird,  dass  also  die 
Energie  der  dunklen  Wärmestrahlen  zur  Assimilation  der  Kohlensäure 
von  den  Purpurbakterien  ebenso  benutzt  wird,  wie  die  der  sichtbaren 
roten  Strahlen.  Wieder  eine  ungeahnte  Bereicherung  der  allgemeinen 
Plpysiologie  durch  das  Studium  der  Bakterien.  So  erwächst  den  Purpur- 
bakterien ein  doppelter  Energiegewinn,  einmal  durch  die  Oxydation  des 
Schwefels  und  zweitens  durch  die  Absorption  des  Lichtes  durch  den 
Farbstoff.  Biologisch  dürfte  das  grossen  Vorteil  gewähren,  da  beim  Ver- 
sagen der  einen  Energiequelle,  beim  Schwefelwasserstoffmangel,  durch 
den  die  farblosen  Schwefelbakterien  schliesslich  zu  Grunde  gehen,  die 
andere  an  ihre  Stelle  treten  könnte,  in  günstigen  Verhältnissen  sogar 
beide  zur  Verfügung  ständen.  Welche  Assimilationsprodukte  aus  der 
Kohlensäure  der  Luft  gebildet  werden,  bedarf  noch  Aveiterer  Unter- 
suchung, Stärke  ist  nicht  nachzuweisen. 

Die  Purpurbakterien  gehören  zu  den  lichtempfindlichsten  photo- 
taktischen Organismen,  die  man  kennt,  schon  geringe  Abnahme 
der  Helligkeit  schreckt  sie  zurück,  geringe  Zunahme  lockt  sie  her- 
bei. Unter  teilweiser  Verdunkelung  des  mikroskopischen  Gesichtsfeldes 
lassen  sich  die  lebhaft  beweglichen  Chromatien  wie  in  einer  Lichtfalle 
einfangen.  Die  Bedeutung  der  Schwefelbakterien  für  den  grossen  Kreis- 
lauf des  Stoffs  in  der  Natur  liegt  darin,  dass  sie  den  SchAvefel  des  für 
grüne  Pflanzen  nicht  venvertbaren  Schwefelwasserstoffes  in  gut  aufnehm- 
bare  Sulfate  überführen  und  so  ein  regelmässiges  Produkt  der  Fäulnis 
toter  Organismen  zum  Aufbau  neuen  Lebens  befähigen. 

Nicht  minder  merkAvürdig  scheint  die  Ernährung  der  freilich  noch 
sehr  lückenhaft  bekannten  Eisenbakterien’^®)  (Ferrobakterien)  zu 
sein,  die  sich  durch  prototrophe  Atmung  an  die  ScliAvefelbakterien  an- 
schliessen.  Stehendes  Wasser  auf  sumpfigen  Wiesen  ist  oft  mit  einer 
dünnen,  fettig  glänzenden,  bräunlichen  Haut  überzogen,  die  vonviegend 
aus  Eisenhydroxyd , untermischt  mit  organischen  Bestandteilen  und 
phosphorsaurem  Eisenoxyd,  besteht  und  sich  als  Easeneisen  oder  Sumpf- 
erz absetzt.  Durch  reduzierende  Stoffe,  die  bei  Fäulnis  und  VerAvesung 
entstehen,  werden  die  Oxydverbindungen  des  Eisens,  besonders  das  stets 
vorhandene  Eisenoxydhydrat  zu  Oxydulen  reduziert,  die  durch  die  Kohlen- 
säure des  Wassers  als  kohlensaures  Eisenoxydul  gelöst  werden.  Schon 
der  Sauerstoff  der  Luft  genügt,  um  diesen  Körper  langsam  in  Oxyd  zurück- 
zuverAvandeln  und  so  seine  Ablagerung  als  Eisenoxydhydrat  herbeizu- 
führen. Schon  nach  dieser  Auffassung  greifen  lebende  Organismen  ein, 
da  sie  die  reduzierenden  Kräfte  liefern.  Winogradsky  zeigte  aber,  dass 
auch  die  Oxydation  des  kohlensauren  Eisenoxydules  nicht  rein  mineral- 
chemisch  verläuft,  Avenigstens  nicht  ausschliesslich,  und  durch  Bakterien, 
Eisenbakterien,  sicher  beschleunigt  Avird.  In  den  glänzenden  Eisenablage- 
rungen der  Wiesentümpel  findet  man  oft  ungeheure  Mengen  kurzer 


()7 


rühriger  Bniclistücke  der  Scheide  einer  imverzweigteii  Fadeiibakterie,  die 
bis  auf  weiteres  als  Leptothrix  ochracea  zu  bezeiclmeii  ist.  Diese 
gelblichbräuulicheu  Sclieideu  färben  sich  mit  Salzsäure  und  gelbem  Blut- 
laugeusalz  deutlich  blau,  sie  euthalteii  Eiseiioxydhydrat.  Baseueiseii- 
steiu  aus  Sibirien,  Schweden  und  der  uorddeiitsclieii  Tiefebene  eiitliielt 
unter  34  Proben  allerdings  nur  in  3 grosse  Mengen  solcher  Bakterien- 


scheiden. * 

Ausser  den  leeren  Scheiden  wird  man  stets  auch  üppig  vegetierende 
Fädengewirre  der  Leptothrix  finden,  deren  Scheiden  durchweg  noch  die 
cylindrischen  Zellen  enthalten  oder  doch  nur  teilweise  durch  Aiiswan- 
dnng  der  Glieder  als  Gonidien  (wie  bei  Cladothrix)  entleert  sind.  Löst 
man  mit  kohleusänrehaltigem  Wasser  ans  den  gelbbraunen  Scheiden 
lebender  Fäden  das  Eisen  heraus,  entfärbt  sie  so  und  bringt  sie  dann  in 
eine  schwache  Lösung  von  kohlensanrem  Eisenoxydul,  gemäss  der  Zu- 
sammensetzung der  stehenden  Wiesenwässer,  so  färben  sich  die  Scheiden 
von  neuem.  Aber  nur  dort , wo  sie  lebende  Glieder  noch  enthalten,  die 
entleerten  Scheidenstücke  bleiben  farblos.  Die  lebende  Bakterienzelle 
beschleunigt  also  sicherlich  die  Oxydation  des  kohlensauren  Eisenoxy- 
dnies, ebenso  wie  bei  den  Schwefelbakterien  die  Oxydation  des  Schwefel- 
wasserstoffes und  gewinnt,  wie  diese,  hieraus  Energie,  freilich  nicht  all- 
zuviel. Da  Gelbfärbung  von  Scheiden  und  Zellmembranen  durch  Einlage- 
rung von  Eisenoxydnl  auch  bei  andern  Wassergewächsen  vorkommt, 
z.  B.  Cladothrix  und  Crenothrix  unter  den  Bakterien,  Conferva  (Psicho- 
hormium)  unter  den  Fadenalgen,  so  bedarf  es  noch  weiterer  Untersuchung 
darüber,  ob  eine  biologische  Gruppe  besonderer  Eisenbakterien  zu  unter- 
scheiden ist.  Auch  ihre  Ernährung  mit  Kohlen-  und  Stickstoff  bedarf 
noch  genauerer  Prüfung.  Prototroph  werden  sie  wohl  sicher  auch  sein. 

Mit  einigem  Eecht  würden  hier  die  Essigbakterien  anzuschliessen 
sein,  die  aber  besser  im  Zusammenhang  mit  den  übrigen  Gärnngsbakterien 
behandelt  werden. 


5* 


Einwirkung  von  Pliysikalien. 


I 


Liclit,  Elektricität,  Druck,  Temperatur  und  Trockenheit ; 

physikalische  Desinfektion. 

Die  einzigen  Bakterien,  in  deren  Ernährimg  eine  Lieh t Wirkung 
wie  bei  den  höheren  Pflanzen  eingi’eift,  sind  die  roten  Schwefelbakterien, 
Purpnrbakterien,  die  deshalb  in  Zimmerkulturen  die  beleuchtete  Seite  des 
Glassgefässes  phototaktisch  aufsuchen,  hier  gefärbte  Ueberzüge  bildend. 
Alle  anderen  Farbstolfbakterien,  die  ja  meist  nur  chroinopar  (p.  12)  sind, 
vermögen  mit  ihren  Farbstolfen  zwar  bestimmte  Strahlen  des  Sonnen- 
lichts zu  absorbieren,  der  Zelle  geht  aber  die  Fähigkeit  der  Kohlensäure- 
assimilation durchaus  ab.  Die  Farbstoffe  erscheinen  nur  als  „zufällig“ 
gelärbte  Stoffwechselprodukte  und  werden  bei  allen  sowohl  im  Finstern, 
als  bei  Beleuchtung  gebildet.  Farbstoffbakterien,  ins  Finstere  gebracht, 
etiolieren  nicht,  verbleichen  nicht,  woraus  allein  schon  hervorgeht,  dass 
die  Pigmente  nicht  die  Funktion  des  Chlorophylles  zu  erfüllen  haben. 

Alle  farblosen  Bakterien  gedeihen  bei  Lichtabschluss  ebensogut  wie 
bei  schwacher  difl'user  Beleuchtung.  Uebersteigt  diese  einen  gewissen 
Grad,  so  verlangsamt  sich  das  Wachstum  und  endlich  kann  in  unseren 
Kulturen  eine  andauernde  Beleuchtung  sogar  die  Bakterien  schädigen. 
Bei  der  Beurteilung  solcher  in  grosser  Zahl  angestellter  Versuche'"®)  ist 
nicht  zu  übersehen,  dass  die  Bakterien  in  unseren  beengten  Kulturen, 
gleichviel  ob  festen  oder  flüssigen,  ob  in  Glasgefässen  oder  Blechkästen, 
der  lästigen  Beleuchtung  nicht  ausweichen  können  und  allmählich  ab- 
sterben.  In  der  freien  Natur  dagegen  wird  es  allen  beweglichen  Bakterien 
leicht  möglich  sein,  die  ihnen  zusagende  Helligkeit  aufzusuchen,  denn  sie 
können  ja  schon  hinter  winzigen  Wasserpflänzchen  (x41genzellen),  hinter 
Schlammsplitterchen  reichlichen  Schatten  Anden.  So  dürfte  das  dilfuse 
Licht  im  freien  Geschehen  der  Natur  ganz  unschädlich  sein.  Auch  das 
auf  Kulturen  viel  heftiger  als  das  diffuse  wirkende  direkte  Sonnenlicht 
kann  in  der  Natur  nur  hemmen,  die  Entwicklung  von  Bakterien  an 
gänzlich  schattenlosen,  d.  h.  für  sie  schattenlosen  Stellen  verhindern  oder 
sie  von  hier  vertreiben,  tödliche  Wirkungen  aber  in  grösserem  Maass- 


69 


stabe,  etwa  bei  der  Selbstreinig'ung  der  Flüsse  '®),  niclit  ausüben.  Un- 
mittelbare Besonnung*  von  Kulturen  tötet  die  Zellen  und  die  S^joren  schon 
in  wenigen  (1 — 3)  Stunden,  nicht  etwa  durch  Wärme  Wirkung,  sondern 
durch  Lichtwirknng.  Man  ersieht  das  ans  Versuchen  unter  doppelwandigen 
Glasglocken,  die  entweder  mit  Kalinmbichromatlösung  zur  Abhaltung  der 
stärker  brechbaren  Strahlen  des  Lichtes  oder  mit  Knpferoxydammoniak, 
das  die  gelben  und  roten  Strahlen  absorbiert,  gefüllt  waren.  Liess  man 
direktes  Sonnenlicht  anffallen,  so  war  mit  Typhusbacillen  frisch  geimpfte 
Nährbouillon  hinter  dem  Kaliumbichromat  nach  8 Stunden  stark  getrübt, 
im  blauen  Licht  des  Kupferoxydammoniaks  dagegen  waren  die  Kulturen 
nach  5 Tagen  noch  vollkommen  klar.  Die  schädliche  Wirkung  der  Be- 
sonnnng,  überhaupt  des  Lichtes  beruht  also,  abgesehen  von  einer  gelegent- 
lichen ungünstigen  Veränderung  des  Substrates,  auf  den  stärker  brech- 
baren Strahlen  mit  stark  photochemischen  Eigenschaften.  Dieselben 
Strahlen  sind  es  auch,  die  bei  einem  der  gemeinsten  Schimmelpilze  (Botrytis 
cinerea)  die  Sporenbildnng  verhindern,  weshalb  er  nur  des  Nachts  seine 
Fortpflanznogszellen  zu  entwickeln  vermag.  Andere  Pilze  dagegen,  wie 
der  auf  Pferdemist  stets  sich  einstellende  1 — 2 Millimeter  grosse  Hut- 
werfer (^Pilobolus),  der  seine  reifen  Sporangien  über  einen  Meter  hoch 
schleudert,  und  der  später  erscheinende  Tintenblätterpilz  (Coprinns) 
bedürfen  des  Lichtes  zur  Frnktifikation , sie  vergeilen  im  Finstern  wie 
eine  grüne  Pflanze.  Allgemeine  Gesetze  für  das  Verhalten  farbloser 
Pilze  zum  Licht  lassen  sich  demnach  nicht  aiifstellen.  Vielleicht  giebt 
es  auch  lichtfreimdliche  Bakterien  ausser  den  gefärbten  Purpurbakterien 
und  dem  zu  ihnen  gehörigen,  äusserst  lichtempfindlichen  Bacterium 
p h 0 1 0 m e t r i c u m Exgelmax  ns.  Jedenfalls  wird  man  Kulturen  entweder 
ins  Dunkle  stellen  oder  doch  wenigstens  vor  zu  greller  Beleuchtung  zu 
schützen  haben,  schwaches  Tageslicht  schadet  nicht.  Zu  Desinfektions- 
zwecken im  grossen  eignet  sich  Licht,  auch  der  Sonnenschein  nicht. 

Starke  elektrische  Ströme^^)  töten  die  Bakterien,  deren  Proto- 
plasma hierbei  sicherlich  in  gleicher  Weise  verändert  wird,  wie  das  von 
Pflanzenzellen.  Neben  einer  solchen  unmittelbaren  Wirkung  des  Stromes 
können  auch  durch  ihn  her  vor  gehr  achte  Temperatursteigerungen,  be- 
sonders aber  elektrolytische  Zerlegungen  des  Nährbodens  die  Bakterien 
schädigen.  Diese  NebeuAvirkungen  des  elektrischen  Stromes  setzen  seiner 
AuAvendung  zur  Desinfektion  von  Genussmitteln  grosse  ScliAvierigkeiten 
entgegen,  die  auch  in  dem  ' Brennereibetriebe  aau  man  mit  Strömen 
von  circa  5 Ampere  die  Bakterien  zu  unterdrücken  versucht,  ohne  die 
Alkoholhefe  selbst  zu  schädigen,  Avohl  noch  nicht  ganz  überAvunden  sind. 

ScliAvache  Ströme  Averden  vermutlich  auf  beAvegliche  Bakterien  ähnlich 
Avirken  Avie-  auf  Infusorien  und  andere  beAAUgliche  Organismen  die  sich 
galvanotropisch  an  der  Kathode  (negativer  Pol)  ansammeln.  Kehrt  man 
durch  einen  StromAvechsler  den  Strom  um,  so  drehen  sich  die  Infusorien 
bald  schneller,  bald  langsamer  iim  180®,  stellen  sich  mit  ihrer  Achse  in 
die  Stromrichtung  und  eilen  dem  neuen  negatiA^en  Pol  zu.  Spezielle  Ver- 
suche mit  Bakterien,  deren  Kleinheit  die  feinere  Beobachtung  ihres  Gal- 
vanotropismus sehr  erscliAvert,  sind  noch  nicht  angestellt  Avorden. 

Die  Röntgen  sehen  Strahlen^'')  haben  in  gründlichen  Ver- 
suchen auf  die  Bakterien  nicht  eingewirkt,  nicht  einmal  entAvickelungs- 
hemmend ; der  voreilige  Lärm,  der  sich  schon  bis  zur  Verheissung  einer  inneren 
Xstrahlendesinfektion  des  Kranken  verstiegen  hatte,  ist  Lärm  geblieben. 
Auch  an  höheren  Pflanzen  hat  man  bis  jetzt  sichere  Wirkungen  nicht 
beobachtet. 


70 


Hoher  Druck'“')?  selbst  bis  zu  600  Atmosphären  gesteigert,  ver- 
mochte Milz])raiiclsporen  in  24  Stunden  weder  zu  töten  nocli  abzuschwächen. 
Alkoholgälirung  und  Fäulnis  verliefen  noch  unter  300 — 500  Atmosphären 
Druck.  Bereclinet  man  den  Druck,  der  hierbei  auf  einem  einzigen  Milz- 
brandbacillus von  5 //  Länge,  1 fi  Breite  lastet,  so  kommt  man  zu  er- 
stauiilich  geringen  Zahlen,  bei  500  Atmosphären  nur  ungefähr  80  Milli- 
gramm. ln  der  grössten  Meerestiete  (7086  Meterj  würde  ein  Kokkus 
von  2 Durchmesser  unter  einem  Wasserdruck  von  circa  90  Milligramm 
stehen.  Es  dürfte  unmöglich  sein,  sich  eine  klare  Vorstellung  darüber 
zu  machen,  ob  das  Keicli  des  unendlich  Kleinen  ohne  weiteres  mit  den 
Erfahrungen  an  grossen  Organismen  gemessen  werden  darf.  Vorläufig 
scheint  es  wohl  nicht  richtig,  den  Bakterien  schlechthin  eine  besonders 
grosse  Beständigkeit  gegenüber  dem  Druck  zuzuschreiben.  Die  Schwer- 
kraft hat  keine,  den  geotropischen  und  geotaktischeii  Erscheinungen 
an  höheren  Pflanzen  entsprechende  Wirkung. 

Die  Bakterien  gehören,  wie  die  Pflanzen  und  Kaltblüter,  zu  den- 
jenigen Organismen,  deren  Körpertemperatur  annähernd  mit  der  ihrer 
Umgebung  übereinstimmt,  mit  ihr  steigt  und  fällt,  sie  sind  p o i k i 1 o t h e r m. 
Ihre  Abhängigkeit  von  der  Temperatur'^')  spiegelt  sich  wieder  in  den 
drei  Kardinalpunkten:  Minimum,  Optimum,  Maximum,  die 
für  jeden  Organismus,  auch  die  Warmblüter,  sich  bestimmen  lassen.  Die 
verschiedenen  Lebensverrichtungen  sind  aber  nicht  in  gleichem  Maasse 
von  der  Temperatur  abhängig,  die  eine  verlangt  höhere  Temperatur,  die 
andere  geringere.  So  würden  auch  tür  Wachstum,  Bewegung,  Sporenbildung 
und  Sporenkeimung,  Gärwirkung  und  Giftproduktion  der  Bakterien  be- 
sondere Kardinalpunkte  sich  aufstellen  lassen.  Einen  guten  Durchschnitt 
davon  giebt  das  Wachstum,  das  bei  einzelligen  Organismen,  wie  den  Bak- 
terien, mit  der  Vermehrung  zusammenfällt.  Die  folgenden  Kardinalpunkte 
sind  diejenigen  des  Wachstums.  Das  Minimum  ist  diejenige  niederste 
Temperatur,  bei  der  die  betreffenden  Bakterien  eben  noch,  wenn  auch 
sehr  spärlich  und  langsam,  wachsen,  das  Optimum  ist  die  Temperatur 
des  besten  Gedeihens,  das  Maximum  bezeichnet  die  obere  Grenze,  die 
ohne  gänzliche  Einstellung  des  W achstums  vertragen  wird.  Kleine 
Schwankungen  der  angeführten  Werte  sind  selbstverständlich. 


Minimum 

Optimum 

Maximum 

Keimpflanzen  des  Weizens 

5—7  *>  C, 

. 29“  C.  42,5“  C. 

„ „ Kürbis 

13,7 

33,7 

46,2 

Bacillus  Anthracis 

14 

37 

45 

Tuberkelbacillus 

30 

38 

42 

Bacillus  thermophilus 

42 

63—70 

72 

Bacillus  subtilis 

6 

30 

50 

Bacillus  fluorescens  liquaefaciens  5 — 6 

20—25 

38 

Bacillus  phosphorescens 

0 

20 

38 

Weizenkeimlinge  und  bei 

uns  im  Freien 

lebende, 

metatrophe  Bak- 

terien  (Bac.  subtilis,  liquaefaciens)  stellen  annähernd  die  gleichen  Ein- 
sprüche an  die  Temperatur,  dagegen  weist  das  Aufrücken  der  Kardinal- 
punkte des  Kürbis  auf  dessen  wärmere,  freilich  nicht  genau  bekannte 
Heimat  hin.  Mit  ihm  stimmt  der  Bac.  Anthracis  und  der  Choleravibrio 
(Optim.  30—40*9  ziemlich  überein.  Tief  hinab  reicht  das  Minimum 
der  Leuchtbakterie,  die  als  Bewohnerin  nördlicher  Meere  (Nordsee)  dort 
mit  höheren  Wärmebedürfuissen  gar  nicht  gedeihen  könnte.  Ihr 


gegen- 


71 


über  stellt  der  höchst  sonderbare  Bacillus  thermophiliis,  als  Vertreter  einer 
neuen  biologischen  Gruppe,  der  therinophilen  Bakterien.  In  die  engsten 
'’J'eniperaturgrenzen  ist  der  Tuberkelbacillus  eingeschlossen,  nur  ein  Spiel- 
raum von  12 trennt  Minimum  und  Maximum.  Er  ist,  um  einen  Aus- 
druck der  Tierbiologie  zu  gebrauchen,  stenotherm.  Alle  echten  Para- 
siten der  AVarmblüter,  wie  die  Erreger  der  Diphtherie,  der  Gonorrhoe 
sind  stenotherm.  Dagegen  gehören  alle  metatrophen  Bakterien  zu  den 
Eurythermen,  d.  h.  sie  gedeihen  noch  bei  grossen  Abweichungen  vom 
Optimum , der  i\.bstand  von  Maximum  und  Minimum  beträgt  30  **  und 
mehr.  Sobald  eine  für  AVarmblüter  pathogene  Bakterie  eurytherm  ist, 
wie  z.  B.  der  Bacillus  Anthracis,  dann  ist  schon  sehr  wahrscheinlich,  dass 
sie  in  unserem  Klima  auch  metatroph  vorkommt. 

Sonderbar  erscheint  es  auf  den  ersten  Blick,  dass  die  thermo- 
phileii'^®)  Bakterien  bei  uns  allgemein  verbreitet  sind,  eine  grössere 
Anzahl  von  Arten  ist  aus  Abort-  und  Cloakenflüssigkeit,  aus  Erde 
isoliert  worden.  AA^o  finden  diese  anspnichsvollen  Bakterien,  meist  un- 
bewegliche, aerobe  Stäbchen  mit  guter  Sporenbildung,  geeignete  Stätten 
für  ihre  EntAvickelung  ? Der  Erdboden  erwärmt  sich  bei  andauernder 
Besonnung  auch  bei  uns  zuweilen  bis  auf  70®  und  könnte  so  eine 
vorübergehende  A'ermehrung  der  thermophilen  Bakterien  ermöglichen. 
Häufiger  wohl  werden  im  Mist,  der  bei  seiner  Zersetzung  sich  auch 
stark  erwärmt , und  ebenso  bei  ähnlichen  Gärungen  anderer  Stoffe 
diese  merkwürdigen  Organismen  sich  reichlich  entwickeln  können.  Sie 
werden  aber  wohl  auf  sehr  lange  Euheperioden  angewiesen  sein.  Das 
Maximum,  ja  selbst  das  Optimum  des  Bac.  thermophilus  reicht  an  die 
Koagulationstemperatur  mehrerer  Eiweisskörper  heran.  Diese  schwankt 
für  denselben  Stoff,  je  nach  Reaktion  seiner  Lösung  und  manchem 
anderen,  in  weiten  Grenzen,  sodass  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  die 
thermophilen  Bakterien  noch  nicht  zu  den  ganz  unverständlichen 
Naturwundern  gehören.  In  heissen  Quellen  auf  Ischia,  an  den  Fuma- 
rolen  bei  Neapel  leben  auch  noch  niedere  Organismen  bei  60  ® C.  und 
mehr,  im  Abfluss  des  Karlsbader  Strudels  entwickelt  sich  bei  54®  ein 
dichter  Ueberzug  farbloser  Fadenbakterien  (Leptothrix),  zu  denen  sich 
sehr  bald  spangrüne  Oscillarien  gesellen.  Die  „Anpassung“  an  unge- 
wöhnlich hohe  Temperaturen  ist  also  nicht  auf  die  thermophilen  Bak- 
terien beschränkt,  auch  Krebse  und  Insektenlarven  kennt  man  als  fröhliche 
Bewohner  über  60®  heisser  Quellen. 

Nach  dem  Optimum  zerfallen  die  Bakterien  in  2 grosse  Gruppen, 
diejenigen,  welche  am  besten  bei  Zimmertemperatur  (20®  C.)  wachsen 
(Bac.  fluorescens,  phosphorescens , prodigiosus  und  viele  andere  meta- 
trophe)  und  diejenigen,  welche  eine  höhere  Temperatur  verlangen.  Um 
diese  gleichmässig  zu  erhalten,  bedient  man  sich  besonderer  Heizschränke, 
die  in  grosser  Mannigfaltigkeit  und  Ausstattung  jetzt  zu  haben  sind,  mit 
Thermoregulatoren.  Sie  gestatten  eine  sehr  genaue  Einhaltung  der  ge- 
wünschten Temperatur  und  geben  nur  Schwankungen  von  0,1 — 0,5®.  Noch 
vorteilhafter  ist  ein  Zimmer  mit  konstanter  Bruttemperatur.  Diese  prak- 
tischen Fragen  werden  in  den  in  Anmerkung  3 citirten  Büchern  ausführlich 
behandelt. 

AVenn  die  Temperatur  sich  dem  Minimum  oder  Maximum  nähert,  so 
sinkt  nicht  bloss  das  AA^achstum  stark  herab,  sondern  alle  Funktionen 
erlahmen.  Besonders  eine  andauernde  Kultur  nahe  dem  Maximum 
bringt  schwere  Schädigungen  hervor,  die  von  den  Bakterien,  auch 
wenn  sie  in  optimale  Verhältnisse  zurückversetzt  sind,  nur  sehr  langsam 


72 


überwimden  Averden.  Die  Abscliwäcliiino’  ])atliog'eiier  Bakterien  zu  Im- 
munisieriingsz wecken  (vg'l.  Vorl.  III  n.  XVII)  ist  eine  solche  AVirkiing*. 

Alle  poikilotbermen  Oi*g’anisinen  vermög-en  tiefe  ein  p erat ii re n, 
die  weit  unter  das  Minimum  lierabg’elien,  recht  gut  zu  ertragen,  sie  verfallen 
in  eine  Kälteruhe,  Mduterruhe.  Auch  die  Bakteilen  vertragen,  man 
kann  fast  sagen,  jede  beliebige  Temperatur  unter  0.  Sporenfreie  Mi\z- 
brandstäbchen  sterben  erst,  wenn  sie  länger  als  12  Tage  ununter- 
brochen — 26,8*’  ausgesetzt  werden;  die  Sporen  des  Milzbrandes  Avaren, 
nachdem  sie  20  Stunden  bei  —130®  C.  gehalten  Avorden  Avaren,  noch 
keimfähig  und  ])athogen.  Längerer  Einschluss  in  Eis,  Aviederholtes 
Auftauen  und  Gefrieren  können  die  Bakterien  Avochen-  und  monatelang  er- 
tragen. Sie  verhalten  sich  nicht  anders  Avie  Wasserpflanzen  (Algen  u.  dergl.). 
Zur  Vernichtung  von  Bakterien  reicht  unsere  Winterkälte  demnach  nicht 
aus,  zur  Desinfektion  sind  auch  die  tiefsten,  künstlich  herstellbaren  Tem- 
peraturen unbrauchbar.  ® ) 

Schnell  zum  Tode  führt  die  U e b e r s c h reit  u n g des  a x i - 

mums,  besonders  durch  die  Gerinnung  des  Protoplasmas.  Deshalb  genügt 
schon  ein  10  Minuten  langes  ErAvärmen  auf  50 — 60  ®,  um  die  sporen- 
freien, saftreichen  Zellen  aller  Bakterien  zu  vernichten.  Bei  70®  sterben 
sie  schon  in  5 Minuten.  Das  Pasteurisieren  (ErAvärmen  auf  70® 
während  30  Minuten)  beruht  hiei’auf  und  Avird  in  der  Konservierungs- 
praxis von  Nahrungs-  lind  Genussmitteln  und  bei  der  Wein-  und  Bier- 
bereitung ausgedehnt  angeAvendet.  Auch  die  fraktionierte  Sterilisation 
solcher  Nährböden,  Avie  Blutserum,  die  ohne  Nachteil  nicht  auf  100®  er- 
hitzt AA' erden  können,  sucht  nur  die  sporenfreien  Zellen  zu  A^ernichten. 
Nur  ist  dafür  zu  sorgen,  dass  die  nicht  getöteten  Sporen  auskeimen, 
damit  ihre  noch  sporenfreie  Nachkommenschaft  beim  nächsten  ErAA’ärmen 
getötet  Avird,  bis  schliesslich,  vielleicht  nach  5 — 6 Wiederholungen,  volle 
Sterilität  erreicht  Avird. 

Viel  Aviderstandsfähiger  sind  die  Sporen^'),  um  so  mehr,  je  trockener 
sie  sind.  Hierin  darf  man  aber  keine  besondere  Eigentümlichkeit  der 
Bakteriensporen  suchen,  denn,  alles  ruhende  Protoplasma  ist  infolge 
seines  geringen  Wassergehalts  sehr  Aviderstandsfähig.  Getreidesamen, 
denen  unter  dem  Exsikkator  ihr  Wasser  so  vollständig  als  möglich  ent- 
zogen Avar,  vertrugen  stundenlang  eine  trockene  Hitze  von  100 — 110®, 
ohne  ihre  Keimfähigkeit  einzubüssen.  Sie  stehen  darin  nicht  viel  hinter 
absolut  trockenen  Milzbrandsporen  zurück,  die  erst  einer  dreistündigen 
Erhitzung  auf  140®  erlagen.  Wollte  man  mit  trockener  Hitze  eine  alle 
Sporen  vernichtende  Sterilisation  oder  Desinfektion  erreichen,  so  Avürde 
das  Avohl  ohne  Schädigung  oder  gänzliche  Vernichtung  vieler  Objekte 
ganz  unmöglich  sein.  Die  trockene  Hitze  Avird  zum  Sterilisieren  von 
GlasAvaaren  zu  KulturzAvecken  mit  bestem  Erfolg  angeAvendet,  Avährend 

chirurgischen  Verbandstoffen  und  Instrumenten 


man  zur  Sterilisirung  von 


Hunderte  von 
um  der  leidenden 
zu  lassen  (Asep- 


siedendes  Wasser  und  strömenden  Dampf  bevorzugt 
Sterilisierungsapparaten  sind  jetzt  täglich  im  Gebrauch, 
j\[enschheit  die  Wohlthaten  der  Forschung  angedeihen 
sis  p.  84). 

Schneller  gehen  die  Sporen  zu  Grunde,  Avenn  sie  in  Flüssigkeiten 
erhitzt  Averden,  freilich  bedarf  es,  Avenn  nur  die  Siedetenii)eratur  des 
AVassers  angeAvendet  Averden  soll,  doch  noch  eines  mehr  als  einstündigen 
Kochens,  um  sicher  auch  die  fast  unverAvüstlicheu  Sporen  des  Heu-' 
bacillus  und  einiger  ihm  verAvandter  Arten  zu  vernichten.  Die  Milzbrand- 
sporen sterben  in  kochendem  AVasser  sicher  und  allgemein  in  2-5  Ali- 


73 


nuten,  nur  wird  man, stets  damit  zu  rechnen  haben,  dass  einige  Sporen 
von  ganz  heimtückisclier  A\dderstandskraft  erst  nacli  10 — 12  Minuten  ge- 
tötet Averden. 

Feuchte  Ptlanzensamen  gehen  allerdings  viel  schneller  zu  Grunde, 
schon  unterhalb  der  Siedehitze.  M'oranf  diese  Eigenschaft  der  Bakterien- 
sporen beruht,  entzieht  sich  unserer  Beurteilung,  Avahrscheinlich  wirken 
eine  grosse  Zähigkeit  des  Protoplasmas  und  eine  sehr  geringe  Durch- 
lässigkeit der  Sporenmembran  für  Wasser  zusammen.  Wäre  letzteres 
der  Fall,  dann  Avürden  die  Sporen  in  der  siedenden  Flüssigkeit  nur  sehr 
langsam  mit  Wasser  so  stark  sich  durchtränken,  dass  nunmehr  ihr  Proto- 
l)lasma  so  Avasserreich  geAvorden  ist,  um  der  Hitze  zu  erliegen.  Die 
Sporen  Avürden  gewissermaassen  Avähreud  der  ersten  Zeit  des  Kochens  als 
trockene  Sporen  in  der  Flüssigkeit  herumtanzen.  Diese  Ansicht  gewinnt 
an  Wahrscheinlichkeit,  Avenn  man  bedenkt,  dass  Sporen  des  Heubacillus 
ohne  besondere  Vorbereitung  sehr  langsam  auskeimen,  dass  viele  Stunden 
vergehen , bevor  die  Spore  durch  Wasseraufnahme  aufquillt  und  ihren 
Glanz  verliert.  Schneller  Avird  dieses  erste  Stadium  der  Keimung  durch- 
laufen, Avenn  die  Sporen  vorher  5 Minuten  gekocht  Averden.  Hier  scheint 
doch  die  ]\Iembran  anfangs  sehr  Avenig  permeabel  für  Wasser  zu  sein. 
Das  ist  auch  für  die  Häute  von  Pilz-  und  Algendauersi)oren  bekannt. 
Dauerzustände  anderer  niederer  Organismen,  Avie  die  der  Amöben,  Infusorien 
und  Flagellaten,  die  noch  nicht  untersucht  sind,  Averden  sich  sicherlich 
ähnlich  verhalten  Avie  die  Bakteriensporen. 

Die  Sterilisation  durch  Kochen  von  eingemachten  Avohlverschlossenen 
Früchten  ist  allbekannt  und  schon  seit  dem  vorigen  Jahrhundert  in  Ge- 
brauch. Auf  die  verschiedenen  Einrichtungen,  wie  die  AiiAvendung  des 
strömenden  Dampfes  im  KocH’schen  Dampfkochtopf,  die  des  gespannten 
Dampfes,  der  bei  140®  schon  in  einer  Minute  auch  die  allerzähesten 
Sporen  vernichtet,  kann  hier  nicht  eingegangen  Averden.  Sie  benutzt 
man  in  der  bakteriologischen  Technik  zum  Sterilisieren  der  Nährsub- 
strate. Die  hohe  EntAvicklung  dieser  ph3’-sikalischen  Desinfektionsmethode 
zu  sanitätspolizeilichen  ZAvecken  Avird  man  aus  den  Lehrbüchern  der  Hj^giene 
ersehen. 


Gegen  V'  a s s e r m a n g e 1 und  gänzliches  A u s t r o c k n e n haben  sich 
Pflanzen  aller  Art  nicht  bloss  in  den  Steppen  und  Wüsten  zu  schützen,  sondern 
auch  in  unserer  Flora.  So  trocknen  Moose  und  Flechten,  die  auf  nacktem 
Gesteine  sich  angesiedelt  haben,  zu  brüchigen,  zerreibbaren  Massen  ein 
und  verfallen  in  einen  Euhezustand  (Trockenruhe),  in  dem  sie  Avochen- 
lang  entwicklungsfähig  bleiben.  Algen  unserer  Tümpel  oder  auf  perio- 
disch befeuchteter  Erde  können  ebenfalls  Avochen-  und  monatelang  der 
Trockenheit  Aviderstehen.  In  allen  diesen  Fällen,  Moose,  Flechten,  Algen, 
Steppen-  und  Wüstenpflanzen,  verfällt  der  ganze  Vegetationskörper  in 
einen  Ruhezustand  (Vegetationsruhe),  der  zwar  lange  Zeit  ohne  Nachteil 
vertragen  Avird,  aber  doch  nicht  allzulange.  Auch  ganze  Tierkörper, 
wie  Rädertierchen  (Rotatorien),  Tardigraden  (Bärentierchen)  und  kleine 
Würmer  (Anguillullen)  können  Avochen-  und  monatelang  eingetrocknet 
liegen  und  beim  Befeuchten  zu  neuem  Leben  erAvachen. 

Viel  sicherer  vermögen  die  Organismen  aber  durch  besondere  Dauer- 
zustände, Sporen,  Cvsten  und  Samen,  kurz  durch  Samenruhe  andauernder 
Trockenheit  zu  trotzen.  Die  Sporen  des  Getreidebrandes  (Ustilago  carbo) 
keimen  noch,  in  A\Asser  geljracht,  nachdem  sie  7 — 10  Jahre  im  Herbarium 
trocken  gelegen  haben,  Getreidekörner  keimen  noch  sehr  gut  nach 
10  Jahren  und  viele  sind,  Avenn  sie  nur  sorgfältig  vor  vorübergehender 


74 


Befeuchtung’  geschützt  Averdeii,  selbst  nach  20  Jaliren  noch  keimfähig. 
Unbegrenzt  ist  aber  diese  Samenrnhe  niclit,  die  oft  als  'Whmder  ange- 
stannte  Keimung  des  Mnmienweizeiis , der  tausende  von  Jahren  alt  ist, 
gehört  in  das  Reich  der  P^abel. 

Auch  die  Sporen  der  Bakterien,  z.  B.  die  des  Milzbrandbacillus, 
keimten  noch,  nachdem  sie  10  Jahre  trocken  gelegen  hatten.  Die  Samen- 
ruhe, richtiger  Sporenrnhe,  dehnt  sich  demnach  bei  Bakterien  auf  ähnliche 
Zeiträume  ans,  wie  bei  den  Pflanzensamen  und  wird  durch  vorüber- 
gehende Befeuchtung  oder  dumpflge  Umgebung  genau  so  verkürzt  wie 
bei  diesen. 

Durch  Yegetationsruhe  vermögen  die  Bakterien  ebenfalls  dem 
Austrocknen  zu  widerstehen,  lufttrockene  Stäbchen  des  Tuberkelbacillus 
bleiben  wochenlang  entwicklungstähig , die  der  Diphtherie  und  des 
Typhus,  staubtrockene  Eiterkokken  (Staplyylokokken ) desgleichen.  Echte 
Mmsserbakterien  dagegen,  wie  der  Vibrio  der  asiatischen  Cholera, 
widerstehen  der  Wasserentziehung  nur  kurze  Zeit,  2—5  Stunden.  Ueber 
die  Bedeutung  dieser  kürzeren  oder  längeren  Vegetationsruhe  staubtrockener 
Bakterien  für  die  Infektionskranheiten  vergleiche  man  Vorlesung  XV 
und  XVI. 

Zu  Desinfektionszwecken  ist  die  Austrocknung  nicht  brauchbar.  Da- 
gegen erscheint  sie  als  ein  Hauptfaktor  der  natürlichen  Desinfection,  der 
unzählige  staubtrockene  Bakterienleiber  allmählich  erliegen.  Finden  solche 
eingetrocknete  Bakterien  bei  vorübergehender,  einige  Tage  anhaltender 
Befeuchtung  die  nötigen  Nahrungsmittel,  so  werden  sie  sich  vermehren 
können,  um  von  neuem  in  Vegetationsruhe  zu  verfallen.  Im  Freien 
werden  deshalb  eingetrocknete  Auswürfe  Kranker , von  organischen 
Stoffen  verunreinigte  Erde  der  natürlichen  Desinfektion  durch  Austrocknung 
schwer  oder  gar  nicht  zugänglich  sein. 


I 


Einwirkung  von  Clieinikalien. 


Clieiuotaxis  und  chemische  Desinfektion. 

AVenii  man  faulig’es  A^"asser  untersiiclit , so  wird  man  sehen,  dass 
Bakterien  und  vielerlei  Protozoen  (Infusorien,  Flagellaten)  oft  in  dichten 
Schwärmen  an  kleinen  Brocken  und  Flocken  der  faulenden  Substanzen 
sich  ansammeln,  als  ob  sie  durch  die  nahrungspendenden  Beste  ange- 
zogen Avürden,  wie  Fische,  die  zugeworfenem  Brot  eilig  'zuschwimmen, 
wie  Ameisen,  die  Blattläuse  aufsuchen.  Was  bei  diesen  Tieren  als  „In- 
stinkt“ bezeichnet  wird  und  unter  diesem  Namen  auch  bei  dem  Anthro- 
pomorphisten  Gnade  findet,  das  verrichten  die  einzelligen  Bakterien  mit 
derselben  Pünktlichkeit.  Haben  sie  auch  Instinkt?  Das  wäre  ja 
wunderbar. 

Genauer  wurden  derartige  Eigenschaften  der  niederen  Organismen 
zuerst  von  Stahl  ^0  an  den  Plasmodien  der  Schleimpilze  (Myxomyceten) 
studiert.  Die  nackten  grossen  Protoplasmamassen  Messen  sich  durch  ein- 
seitig dargebotene  Nährstoffe  anlocken,  sie  waren  trophotropisch.  Der 
Trophotropismus , Anlockung  durch  Nahrungsmittel , schien  der  ge- 
eignete Ausdruck  für  diese  Erscheinungen  zu  sein.  Zu  gleicher  Zeit 
hat  Pfeffer  an  Bakterien,  Protozoen  und  den  Spermatozoiden  der 
höheren  Kryptogamen  (Moose,  Farne)  solche  Reiz  Wirkungen  durch  Chemi- 
kalien von  allgemeinerem  Gesichtspunkte  aus  untersucht.  Er  stellte 
schliesslich  fest,  dass  der  Nährwert  der  Stoffe  nicht  immer  und 
allein  entscheidet,  sondern  dass  zunächst  nicht  weiter  zerlegbare,  in 
der  chemischen  Natur  der  Reizmittel  wurzelnde  Eigenschaften  entscheiden 
können  und  führte  den  jetzt  allgemein  gebräuchlichen  Namen  Chemo- 
taxis ein. 

Um  die  Chemotaxis  der  Bakterien  schnell  und  sicher  hervorzurufen, 
bedient  man  sich  nach  Pfeffer  folgender  Methode.  Man  injiziert  kurze 
(^/o — 1 cm),  an  einem  Ende  zugeschmolzene  Kapillarröhrchen  bis  zur  Hälfte 
mit  der  zur  prüfenden  Lösung,  z.  B.  einer  5%  schwach  alkalischen  Imsung  von 
Liebig’s  Fleischextrakt  oder  von  Pepton  und  schiebt  sie,  sauber  abge- 
spült, zu  einem  offenen  Wassertropfen,  in  dem  gut  bewegliche  Bakterien 


76 


solchen  ]\lengen  entlialten  sind,  dass  er  g-anz  leiclit  ^^etrübt  ei’sclieint 
Schon  in  sehr  kurzer  Zeit,  5 — 10  Sekunden,  beginnen  die  Bakterien  um 
den  Mnnd  der  Kaidllare  sicli  zu  sammeln,  in  wenigen  Minuten  sind  sie 
schon  zn  einem  dichten  Schwarm  vermehrt,  dei‘  nun  auch  in  das  Innere 
der  Köhre  einzndringen  beginnt  (Fig.  18«).  Die  Bewegung  dei*  Bakterien 
wird,  sobald  sie  in  die  Ditfusionszone  des  Peptones  gelangen,  lebhafter 
nnd  steigert  sich  zu  einem  tollen  Dnrcheinandei’wirbeln  am  Eingang  der 
Köhre.  Der  Näln’stoff  liefert  Kraft  zn  lebhaften  Schwingungen  der 
Geissein.  Legt  man  später  ein  Deckglas  auf  und  sperrt  dadurcli  die 


I 


0 


j 


fl 


Fig.  18.  Chemotaxis.  a Teil  eines  Wassertropfens  mit 
Bacillus  fiuorescens  liquaefaciens  und  einer  oben  zugeschmolzenen 
Kapillare,  die  teilweise  mit  scliAvach  alkalischer  Peptonlösung 
gefüllt  ist,  bei  l Luftblase.  Vielleicht  4 Min.  nach  dem  Einlegen 
der  Kapillare,  starke  positiv  chemotaktische  Häufung  der  Bakterien 
im  Kapillarenmunde,  b H — t'o  StuiMe  später,  die  dichteste  Menge 
der  Bakterien  hat  sich,  ihrem  Sauerstoffbedürfnis  folgend,  an  der 
Luftblase  im  oberen  Teil  der  Kapillare  angesammelt.  Kach  der 
Natur.  Vergr.  50. 


Luft  ab,  so  hat  man  Gelegenheit,  eine  zweite  Art  der  Chemotaxis  zu 
sehen.  Die  in  die  Kapillare  eingeschwärmten  Bakterien  rücken  all- 
mählich in  ihr  aufwärts,  angelockt  durch  die  Luft  im  oberen  Stück.  In 
einer  halben  Stunde  vielleicht  steckt  ein  dichter  Pfropf  lebhaft  wimmeln- 
der Bakterien  in  dem  oberen,  an  die  Kapillarenluft  angrenzenden  Ende  der 
Peptonlösung  (Fig.  18  Beide  in  einem  Versuche  zu  beobachtende 
Erscheinungen,  die  Anziehung  durch  Luft  und  die  durch  Fleischextrakt 
oder  Pepton  könnten  als  Trophotropismus  gedeutet  werden,  die  Chemotaxis 
kommt  noch  nicht  rein  zum  Ausdruck.  Keine  Salzlösungen,  z.  B.  1.9 
Chlorkaliiim  wirken  ebenfalls  stark  anziehend  und  locken  die  Bakterien 
in  die  Kapillaren  hinein ; schwach  selbst  noch  in  einer  Verdünnung  von 
0.019  %.  Unter  den  Alkalien  ruft  das  Kalium  die  stärkste  Chemotaxis 
hervor,  ihm  schliesst  sich  Natrium,  Kubidium  u.  s.  w.  an,  schwächer 
wirken  die  alkalischen  Erden.  Den  Hauptanteil  an  der  Wirkung  eines 
Salzes  hat  sein  elektropositiver  Bestandteil,  während  die  Säure  zurück- 
tritt. Näheres  hierüber  und  viele  andere  interessante  Einzelheiten  sind 
bei  Peefeek  zu  finden. 

Unter  den  organischen  Stoffen,  die  zugleich  gute  Nährstoffe  und  Kraft- 
quellen sind,  ziehen  Pepton,  Asparagin  die  Bakterien  sehr  stark  an, 
während  Zucker,  der  doch  als  Kraftquelle  den  ersten  Kang  einnimmt, 
nur  wenig  wirkt.  Gl3xerin  gegenüber  reagieren  die  genauer  unter- 
suchten Bakterien  gar  nicht.  Der  bis  jetzt  geschilderten  Anziehung,  der 
positiven  Chemotaxis,  steht  eine  oft  sehr  energische  Abstossung, 
negative  Chemotaxis,  gegenüber.  So  kann  schon  in  Salzen  das 
Metall  positiv,  die  Säure  negativ  wirken  (Monokaliumphosphat  8,48 
kohlensaures  Ammon  1,76).  Die  Bakterien  nehmen  dann  eine  resultierende 
IMittelstellung  in  gewisser  Entfernung  vom  Kapillarenmunde  ein.  Freie 
Säure  und  freies  Alkali,  auch  der  Alkohol  wird  in  allen  Verdünnungen 
von  den  Bakterien  „instinktiv“  vollkommen  verschmäht,  die  Kapillare 
bleibt  ganz  leer. 


77 


Ebensowenig’  wie  der  Nälirwert  allein  massgebend  ist  für  die  chemo- 
taktische Anziehung,  ebensowenig  ist  es  die  Giftigkeit  für  die  Repulsion. 
Eine  Lösnng  von  0,019  Ohlorkalinm  + 0,01  Sublimat  loc^t  die  Bakterien 
ents])rechend  dem  Kaligehalte  stark  an,  sie  stürzen  sich  in  die  Kapillaren 
lind  linden  hier  durch  das  Sublimat  einen  schnellen  Tod.  Die  Chemotaxis 
kann  also,  so  nützlich  sie  bei  der  Anfsuchnng  von  Nährstolfen  ist,  die 
Bakterien  auch  ins  Verderben  führen,  freilich  lauern  auf  sie  in  der  freien 
Xatnr  nicht  so  heimtückisch  gefüllte  Kapillaren. 

Vdll  man  diese  in  reinlichen  Experimenten  leicht  zu  beobachtenden 
Thatsachen  zur  Illustration  des  Bakterienlebens  an  ihrem  natürlichen 
AVohnort,  im  sumpligen  Wasser  oder  im  kranken  Körper  benutzen,  so 
hat  man  auf  einige  Punkte  besonders  noch  zu  achten.  Erstens  kann 
Chemotaxis  nur  bei  beweglichen  Bakterien  und  in  dem  zur  Aus- 
führung der  Bewegung  erforderlichen  Medium,  also  in  Flüssigkeiten 
eintreteii.  Ferner  verhalten  sich  verschiedene  Bakterienarten  gegen- 
über demselben  Stoffe  nicht  gleich.  Drittens  ist  der  Wirkungskreis  einer 
Kapillare  kein  allzugrosser,  es  gelingt  nicht,  alle  Bakteiien  eines 
AVassertropfens  damit  einzufangen,  es  würde  auch  dann  nicht  glücken, 
wenn  die  diffundierte  Substanz  in  den  Kapillaren  wieder  ersetzt  würde, 
ähnlich  wie  vielleicht  im  Teichschlamm  ein  faulendes  Bröckelchen  längere 
Zeit  hindurch  Stoffe  ausscheiden  könnte.  Sobald  in  den  AVassertropfen  ein 
Teil  der  reizenden  Stoffe  übergetreteii  ist,  würde,  selbst  wenn  in  der 
Kapillare  die  ursprüngliche  Konzentration  wieder  hergestellt  würde, 
nicht  mehr  der  gleiche  Erfolg  wie  zuerst  zu  erzielen  sein.  Denn  die 
Bakterien  würden  durch  die  diffundierten  Stoffe  bereits  schwach  gereizt 
sein,  so  dass  zur  Auslösung  einer  vollen  chemotaktischen  Bewegung  jetzt 
eine  höhere  Konzentration  erforderlich  ist,  als  anfangs,  als  die  Bakterien 
noch  in  reinem  AVasser  sich  befanden.  Das  AA^EBER’sche  Gesetz  (Psycho- 
physische  Gesetz  Fechner),  dass  dem  Verhältnis  der  Reizgrösse  zur 
Empfindungsstärke  unserer  Sinneswahrnehmungen  bestimmten  Ausdruck 
verleiht,  beherrscht  auch  die  chemotaktischen  Bewegungen  der  winzigen 
Bakterien.  Nach  dem  AVEBER’schen  Gesetz  muss  eine  von  aussen  wirkende 
Kraft,  die  wir  zunächst  zu  empfinden  vermögen,  in  einem  bestimmten 
A^erhältnis  an  wachsen,  damit  wir  die  gleiche  Empfindung  wie  das  erste 
Alal  haben.  Lege  ich  1 g auf  meine  Hand,  so  habe  ich  eine  Druck- 
empfindung, die  ich  nur  von  neuem  hervorrufen  kann,  wenn  ich 
zu  dem  1 g noch  §’  hinzufüge;  10  g müssten  ebenfalls  um 
d.  h.  auf  13,3  g vermehrt  werden,  um  eine  neue  Druckempfindung  aus- 
zulösen. Für  Temperaturreize  beträgt  die  Steigerung  , für  Licht 
des  bereits  wirkenden  Reizes,  damit  die  Reizschwelle  wieder  über- 
schritten wird. 


So  bedarf  es  bei  einer  häufigen  Fäulnisbakterie  sogar  einer  fünf- 
fachen Vermehrung  des  Reizes,  um  merkliche  chemotaktische  Bewegungen 
Avieder  herbeizuführen.  Befinden  sich  also  die  Bakterien  in  einer  0,1  % 
Fleischextraktlösung,  so  muss  eine  Kapillare  mit  0,5 Ao  zugeschoben 
werden,  zu  einer  1%  demnach  eine  ö^o,  um  eine  gleichstarke  Chemotaxis 
zu  erzielen.  Starke  Erfolge  Avürden  erst  bei  einer  noch  stärkeren  Steige- 
rung,, vielleicht  auf  das  10— 20  fache  her  vor  treten.  Auf  diesen  Punkt 
ist  besonders  zu  achten,  wenn  Ansammlungen  der  Bakterien  im  kranken 
Körper  und  ebenso  die  von  Leukocyten  um  Bakterienheerde  herum 
auf  Chemotaxis  zurückgeführt  werden  sollen.  Eine  genaue  Analyse  der 
A'erhältnisse  dürfte  in  keinem  Falle  vollkommen  möglich  sein,  denn  die 
Zusammensetzung  der  Körpersäfte,  ihr  Gehalt  an  denjenigen  Stoffen, 


78 


(lenen  clieniotaktisclie  Wirkungen  zngesclnieben  wei’den,  sind  docli  lauter 
nnbekannte  Grössen.  Gewisse  Vorsicht  mit  dei’  znni  beliebten  Sclilag- 
wort  gewordenen  Chemotaxis  ist  deslialb  empfehlenswert.  (Vei'gl.  Voi’- 
lesnng  XYII.) 

Sehr  gering  ist  die  absolute  Menge  mancher  Stoffe,  z.  B.  von  Pepton, 
die  genügt,  um  eine  eben  merkliche  Peaktion  hervoi’znrnfen.  Pfeffer 
berechnet,  dass  in  einer  Kapillare , die  mit  0,01 " ^ Peptonlösung  gefüllt 
war  und  im  AVasser  schwimmende  Bakterien  eben  sichtbar  zu  reizen 
vermochte,  nur  der  200 millionste  dVil  eines  Milligramms  Pepton  ent- 
halten war,  angesichts  der  AVinzigkeit  der  Bakterien  (p.  4j  freilich 
immer  noch  verhältnismässig  genug. 

Das  AVesen  der  Chemotaxis  ist  dunkel,  wie  alles,  was  in  letzter  In- 
stanz auf  die  lebende  Zelle  zurückweist.  Soviel  lässt  sich  zum  weiteren 
A'erständnis  sagen,  dass  die  Bakterien  durch  die  aus  der  Kapillare  heraus- 
tretenden Stoffe  in  eine  bestimmte  Kichtung  eingestellt  werden  (da- 
her Chemo-Taxis)  und  zwar  mit  ihrer  Achse  parallel  dem  Diffusionssti’om, 
dem  sie  entgegen  sich  bewegen  (positive  Chemotaxis)  oder  dem  sie  folgen 
(neg’ative  Chemotaxis).  AA'arum  aber  der  eine  Stoff  positiv,  der  andere 
Stoff  negativ  wirkt,  das  entzieht  sich  jeder  Erklärung.  AA^eitere  An- 
deutungen würden  eine  lange  Auseinandersetzung,  zu  der  hier  der  Raum 
fehlt,  verlangen,  und  auch  nur  Andeutungen  sein  können. 

Auch  diejenigen  Stoffe,  welche  in  verdünnter  Lösung  positive  Chemo- 
taxis anregen,  wirken  in  stärkerer  Konzentration  zuweilen  noch  in  gleicher 
AA^eise  (z.  B.  Chlorkalium  19  %),  in  anderen  Fällen  aber  tritt  dann  eine 
Repulsion  ein.  Solche  neutrale  Stoffe,  wie  Chlorkalium,  Chlornatriiim, 
werden  oft  in  hoher  Konzentration  vertragen,  der  Heubacillus  wächst 
noch  gnt  in  Infus  mit  Kochsalz,  Salmiak,  11 Chlorkalium, 
10  ®/o  Kalisalpeter.  Diese  Neutralsalze  sind  nicht  giftig  und  hemmen 
schliesslich  das  AVachstum  durch  den  osmotischen  Druck. 

Ein  grosses  praktisches  Interesse  knüpft  sich  an  die  giftigen 
Chemikalien,  die  schon  in  geringen  Mengen  das  Leben  der  Zellen 
schädigen.  Spezifische  Bakteriengifte  sind  sie  keineswegs,  ihre  Giftigkeit 
für  diese  ist  oft  nicht  grösser  als  für  die  Zellen  amierer  Organismen. 
So  tötet  z.  B.  eine  0,1  Sublimatlösung  Tuberkelbazillen  in  10  Alinuten 
und  ebenso  schnell,  eher  noch  schneller  eine  beliebige  Algenzelle;  in 
einer  einprozentigen  Karbolsäure,  die  Tuberkelbazillen  in  1 Minute  ver- 
nichtet, sterben  Pflanzenzellen  in  der  gleichen  Zeit.  Das  Protoplasma 
aller  Organismen  wird,  einzelne  Schwankungen  und  Ausnahmen  ab- 
gerechnet, von  den  stärkeren  dieser  Gifte  annähernd  gleich  schnell 
zerstört. 

Die  Vernichtung  der  Bakterien  durch  Gifte,  die  chemische  Des- 
infektion^O  oder  Sterilisation  hat  überall  dort  einzugreifen,  wo 
die  in  der  letzten  Vorlesung  geschilderte  Desinfektion  durch  hohe  Tem- 
peratur, z.  B.  wegen  Schädigung  der  Desinfektionsobjekte,  nicht  aus- 
führbar ist. 

Die  AVider Standskraft  der  Bakterien  gegen  Chemikalien  ist  nicht 
bloss  bei  verschiedenen  Arten  eine  ungleiche,  sondern  schwankt  auch  bei 
derselben  Art  nach  verschiedenen  Umständen  und  ist  am  grössten,  wenn 
die  Bakterien  in  den  besten  Vegetationsverhältnissen  sich  befinden,  also 
Nährboden,  Temperatur  und  alle  anderen  Bedingungen  optimale  sind. 
Die  Bakterien  sind  eben  Organismen,  wie  andere  auch,  die  am  dauer- 
haftesten und  widerstandsfähigsten  sind,  wenn  sie  sich  am  wohlsten  be- 
finden. Stets  ist  der  Gegensatz  gross  zwischen  den  Sporen  und  den  viel 


79 


empliiidlicheren  sporenfreien  Zellen,  sodass  ein  Desinfektionsmittel  iinr 
dann  als  erprobt  gelten  kann,  wenn  es  Sporen  gegenüber  kräftig  wirkt. 
Freilich  kann  ja  in  besondei'en  Fällen,  deren  Beurteilnng  der  Praxis  zu 
überlassen  ist,  Von  dieser  Forderung  abgegangen  werden. 

Jedes  Desinfektionsmittel  müsste  rite  auf  folgende  drei  Punkte  ge- 
prüft sein: 


1.  In  welcher  Konzentration  muss  es  einem  bestimmten  Substrat 
zugesetzt  werden,  um  eingeimpfte  Bakterien , ohne  sie  zu 
töten,  an  der  Entwicklung  und  Vermehrung  zu  verhindern;  es 
Avürde  das  der  Hemmuugswert  sein. 

2.  In  welcher  kürzesten  Zeit  vermag  ein  Mittel  bei  mässiger,  keine 
anderen  Nachteile  bietenden  Konzentration  und  bei  Zimmer- 
temperatur sporenfreie  Bakterien  in  Wasser  abzutöten;  es  würde 
das  der  kleine  Giftwert  sein. 

• 3.  In  welcher  kürzesten  Zeit  Averden  unter  denselben  Bedingungen 

wie  bei  2 die  Sporen  getötet;  der  grosse  Giftwert. 

Eine  Unzahl  mühevoller  Arbeiten  hat  sich  mit  der  Feststellung  dieser 
drei  Werte  für  alle  Klassen  anorganischer  und  organischer  Körper  be- 
schäftigt, sodass  bereits  eine  Avohl  geprüfte  Auswahl  derjenigen  Stoffe  vor- 
liegt, die  besonders  zur  Desinfektion  sich  eignen.  Einige  Beispiele  bringen 
die  folgenden  Tabellen,  Aveitere  i^ngaben  findet  man  in  der  in  Anmerkung  3 
und  54  citierten  Litteratur. 


I.  H e m m u n g s Av e r t für  M i 1 z b r a n d b a z i 1 1 e n in  Kinder- 

b 1 u t s e r u m. 

Nach  Versuchen  von  Behring  die  Zahl  giebt  an,  auf  wieviel 
Kubikcentimeter  des  Serums  ein  Gramm  fester,  ein  Kubikcentimeter 
fiüssiger  Desinfektionsmittel  zugesetzt  Avorden  war;  also  z.  B.  Sublimat 
10000  = 1 Gramm  HgCB  auf  10000  Kubikcentimeter  Serum. 


Cyanin  und  Malachitgrün 

40000 

Höllenstein 

30000 

Sublimat 

10000 

Jodtrichlorid 

1500 

Natronlauge 

1500 

Cadaveriu  (Bacterientoxin.) 

1500 

Salzsaures  Chinin 

500 

Karbolsäure 

500 

Thymol 

250 

Salicyls.  Natron 

150 

Alkohol 

15 

Kochsalz 

15 

Die  erstaunlich  geringen  Mengen,  die  von  manchen  Stoffen  schon 
genügen,  um,  Avie  man  oft  sagt,  Asepsis,  Fäulnisfreiheit  zu  erreichen, 
können  natürlich  nicht  die  eingesäten  Bakterien  töten,  sie  verhindern 
nur  deren  Vermehrung. 


80 


II. 


T ö t ii  11 


o-swert  für  Sporen  freie  "ruberkelbazillen. 


Kleiner  Giftwert;  angegeben  die  Zeit,  in  welcher  einer  Kultur  ent- 
noininene,  nicht  in  Sputiini  eingeschlossene,  Tuberkelbazillen  getötet  werden ; 
nach  Yeksin  '^^): 


Karbolsäure  5 % 

30 

Sekunden 

r /o 

1 

Minute 

absolut.  Alkohol 

5 

Minuten 

Jodoform  1 

5 

Aether 

10 

Sublimat  0,1  \ 

10 

Thymol  0,3  ^/o 

3 

Stunden 

Salicylsäure  0.25  % 

6 

Um  die  Bakterien  im  Auswurfe  Tuberkulöser  zu  töten,  müssten  dm 
oben  angegebenen  Konzentrationen  viel  längere  Zeit  Avirken  Avegen  des 
hindernden  Schleimes ; so  z.  B.  10  % Lysol  12  Stunden.  Die  Zahlen  sind 
so  geAA^onnen,  dass  Tuberkelbazillen  aus  einer  AA^achstumsfähigen  Rein- 
kultur mit  dem  Desinfektionsmittel  Amrmengt  und  von  Zeit  zu  Zeit  Proben 
herausgenommen  und  ausgesät  Avurden.  Die  angeführten  Werte  gelten 
im  allgemeinen  für  alle  sporenfreien  Bakterienzellen,  deren  Empfindlich- 
keit durch  dieses  eine  Beispiel  hinreichend  veranschaulicht  Avird. 


III.  T ö tungSAverte  für  Milzbrandsporen. 

Nach  Paul  und  Krönig 
Zeit  der  Einwirkung  bei  18*^*; 


Sublimat 


1,7  »/„ 

( 16 

Liter)  12 — 14  Minuten 

0,84 

,, 

( 32 

) 24-30 

0,42 

,, 

( 64 

„ 

) 45 — 60  ,, 

0,2 

5? 

(128 

) 60—80 

0,1. 

„ 

(256 

„ 

) über  120  „ 

4,25 

„ 

( 4 

?? 

) 15-60 

0,08 

„ 

(200 

5, 

) noch  nicht  in  10  Co  Stunden 

16 

J, 

( 1 

,, 

) nicht  in  10  Tagen 

32,5 

„ 

( 1 

) „ „ 7 ■ „ 

4,9 

„ 

( 2 

„ 

) noch  nicht  in  30  Stunden 

5,6 

„ 

( 1 

„ 

) nach  18  Stunden 

3,95 

„ 

( 4 

„ 

) in  40  Minuten 

7,4 

,, 

( 4 

J, 

) noch  nicht  in  4 Tagen 

Höllenstein 

Kupfervitriol 

Bleizucker 

Schwefelsäure 

Kalilauge 


Uebermangans.  Kali  8 Liter  + 8 Salzsäure  in  5 Minuten 
Chlorwasser  0,22  7o  (32  Liter)  in  2 Minuten 
BroniAvasser  0,5  „ (32  „ ) „ 2 „ 

Karbohvasser  5 ,,  nicht  in  24  Stunden 
Formaldehyd  '5'  „ in  120  Minuten. 


Die  TötungSAverte  für  Sporen  bestimmt  man  in  der  Weise,  dass  man 
die  Sporen  an  Seidenfäden,  Glasstücken,  am  besten  gut  gereinigten 


81 


Granaten  angetrocknet  in  die  Lösungen  legt  und  zeitweise  Proben  lieraus- 
nimmt  und  ausscät.  Damit  keine  Gifte  in  die  Kulturen  übertragen 
werden,  müssen  die  Seidenfäden,  Granaten  und  dergleichen  vorher  sehr 
sorgfältig  gereinigt  werden,  Spülen  mit  destilliertem  Wasser  genügt  hier- 
für nicht,  so  müssen  die  löslichen  Metallsalze  durch  Schwefelammonium  aus- 
gefällt  werden.  Nur  daun  ist  man  sicher,  ein  reines  Bild  der  desinfi- 
zierenden Kraft  eines  Giftes  zn  bekommen,  denn  selbst  kleine,  den 
Sporenkörpern  anhaftende  Giftmengen  würden  genügen,  um  die  vielleicht 
noch  gar  nicht  abgetöteten  Sporen  schon  in  den  ersten  Stadien  der 
Keimung,  schon  während  der  Aufquellung  zu  vernichten  oder  sicher  dann 
das  hervortretende  Keimstäbchen.  Bei  den  in  Tabelle  III  angeführten 
Versuchen  wurden  15  000 — 20  000  Sporen  in  den  angegebenen  Zeiten  ge- 
tötet. Die  Konzentration  ist  in  Prozenten,  eingeklammert  auch  in  mole- 
kularem Maasse  angegeben,  z.  B.  16  1 bei  Sublimat  bedeutet,  dass  in  16  Liter 
der  Lösung  das  Molekulargewicht  des  Quecksilberchlorides,  271,  in  Grammen 

271 

enthalten  ist,  in  100  ccm  der  Lösung  also  g = 1,7  g.  Diese  in  der 

modernen  phj^sikalischen  Chemie  übliche  Konzentrationsbestiminung  ist 
beigegeben,  weil  sie  schneller  einen  Vergleich  der  Lösungen  verschiedener 
Salze  gestattet. 

Die  Tabelle  sei  noch  ergänzt  durch  die  Angabe,  dass  nach  Koch 
absoluter  Alkohol,  konz.  Glycerin,  konz.  Kochsalzlösung,  destilliertes 
Wasser  auch  nach  monatelanger  Wirkung  die  Milzbrandsporen  nicht  uni- 
zubringen  vermögen.  Aus  der  Tabelle  geht  hervor,  dass  die  Halogene 
(Chlor,  Brom)  und  unter  den  Metallsalzen  das  Sublimat  die  giftigsten  sind. 
Das  salpetersaure  Silber  leistet  ja  auch  noch  einiges,  Knpfersulfat  und 
Bleizucker  dagegen  sind  fast  ganz  machtlos.  Von  freier  Säure  und  freiem 
Alkali  bedarf  es  doch  schon  recht  ansehnlicher  Mengen,  ebenso  von 
chromsaurem  Kali,  einem  kräftigen  Oxydationsmittel,  während  das 
schwächer  oxydierende  Kaliumpermanganat  in  gleicher  Konzentration  recht 
kräftig  Avirkf. 

Den  grossen  Unterschied  zwischen  Sporen  und  sporenfreien  Zellen 
veranschaulichen  Tabelle  II  und  III  sehr  gut , so  vergleiche  man  5 ^/o 
Karbolsäure,  die  in  30  Sekunden  die  Tuberkelbazillen,  aber  noch  nicht 
in  24  Stunden  die  Milzbrandsporen  tötet,  oder  0,1 7o  Sublimat  mit 
10  Minuten  und  60—80  Minuten  oder  den  absoluten  Alkohol.  Die  Eigen- 
schaft der  Sporen  beruht  wohl  hauptsächlich  auf  einer  geringen  Durch- 
lässigkeit, fast  vollkommenen  Impermeabilität  der  Sporenhaut  gegen  ge- 
löste Stoffe  aller  Art,  eine  Eigenschaft,  die  die  Hüllen  und  Schalen  um 
die  Euhezustände  anderer  niederer  Organismen  ebenfalls  besitzen,  die 
auch  die  Schale  der  Pfianzensamen  auszeichnet.  Ohne  einen  solchen 
Schutz  würde  ja  überhaupt  ein  auf  längere  Ruhepausen  eingerichteter 
Zustand  gar  nicht  denkbar  sein.  Bei  den  Pflanzensamen  und  den  Sporen 
A^on  Algen  Avird  die  Undurchlässigkeit  der  Schale  durch  Einlagerung 
fett-  und  harzartiger  Stoffe  bedingt,  vielleicht  ist  auch  die  Haut  der 
Bakteriensporen  ähnlich  imprägniert.  Zu  diesen  Eigenschaften  tritt  dann 
noch  die  grössere  Widerstandskraft  des  ruhenden,  wasserarmen  Proto- 
plasmas hinzu. 

Die  allbekannte  grosse  Giftigkeit  des  Sublimates  erscheint  auf  den 
ersten  Blick  nur  als  ein  Spezialfall  der  Giftigkeit  aller  Quecksilbersalze, 
ihnen  allen  glaubte  man  eine  gleich  grosse  Giftwirkung  zuschreiben 
zu  müssen , Avenn  nur  die  Lösungen  eine  gleiche  Menge  des  giftigen 

A.  Fischer,  A^orlesungen  über  Bakterien.  6 


82 


Metalles  enthielten,  aeciuimolekulare  Lösungen  müssten  also  gleich  gut 
desinfizieren.  Diese  Anschauung  konnte  von  Untersuchungen  die  auf 
der  neuen  physikalisch-chemischen  Theorie  der  Lösungen  fiissen,  nicht  be- 
stätigt werden,  es  hat  sich  vielmelir  ergeben,  dass  wahrscheinlich  mit 
dem  Dissociationsgrad  auch  die  giftigen  Eigenschaften  sicli  ändern.  Die 
Dissociationstheorie hat  gezeigt,  dass  die  Lösung  eines  Salzes  nicht 
nur  dessen  unzerlegte  Molekel,  also  beim  Sublimat:  HgClg  enthält,  son- 
dern dass  ein  Teil  des  Salzes  in  elektrisch  aktive  Komponenten,  die 
Ionen,  zerlegt  ist,  das  elektropositive  Metallion  (Kation)  Hg  und  das 
negative  Säureion  (Anion)  CI,  neben  einem  Eest  unzersetzter  Molekeln 
HgCl.2.  Der  Dissociationsgrad,  d.  h.  das  Verhältnis  zwischen  unzerlegten 
und  gespaltenen  Molekeln  ändert  sich  mit  der  Konzentration  der  Lösung, 
der  Temperatur,  dem  Lösungsmittel  und  anderen  hier  nicht  zu  besprechenden 
Bedingungen,  verschiedene  Salze  desselben  Metalles  sind  verschieden 
stark  dissociiert.  Von  dem  Dissociationsgrad  einer  Lösung  hängen  auch 
viele  ihrer  physikalischen  Eigenschaften,  wie  elektrische  Leittähig- 
keit,  Siedepunkt  und  Gefrierpunkt,  osmotischer  Druck,  ab.  Auch  die 
Giftigkeit  schliesst  sich  wahrscheinlich  an.  Da  nun  die  Quecksilbersalze 
in  sehr  ungleichem  Masse  in  wässriger  Lösung  dissociiert  sind,  so  war  zu 
erwarten,  dass  hiernach  auch  ihre  Giftwirkung  verschieden  ausfallen 
würde.  In  der  That  zeigt  sich,  dass  das  äusserst  wenig,  fast  gar  nicht 
dissociierte  Cyanquecksilber  in  16  I^terlösung  (1,58  7o)  Staphylokokken 
in  3 Minuten  nicht  vernichtet,  während  eine  nur  so  starke  Sublimat- 
lösung 64  Liter  (0,4 7o)  in  der  gleichen  Zeit  alle  tötete;  Milzbrand- 
sporen 20  Minuten  in  dieser  Sublimatlösung  waren  bis  auf  wenige  (7  Kolo- 
nieen  wuchsen)  abgestorben,  während  noch  unzählige  Kolonieen  anwuchsen, 
wenn  eine  gleiche  Zeit  lang  das  Cyanquecksilber  (16  1)  gewirkt'  hatte. 

Der  Vergleich  verschieden  dissociierter  Quecksilbersalze  zeigt  also 
deutlich  den  Zusammenhang  der  Giftwirkung  mit  der  Dissociation.  Noch 
anschaulicher  tritt  dieses  Verhältnis  hervor,  wenn  dieselbe  Salzlösung  in 
verschiedenem  Dissociation sgrade  angewendet  wird.  Da  in  einer  ge- 
gebenen Lösung  eines  Salzes,  z.  B.  des  Sublimates,  das  Verhältnis  des 
dissocierten  Anteiles  zum  nicht  dissocierten  konstant  ist,  also  z.  B. 
der  Chlorionen  zu  den  unzerlegten  Molekeln  HgClg  des  Sublimates,  so 
kann  man  durch  Hinzufügung  anderer  Chlorionen,  z.  B.  von  stärker 
dissocierten!  Kochsalz  die  Dissociation  des  Sublimates  zurückdrängen, 
gemäss  dem  Verhältnis  des  höheren  Dissociationsgrades  des  Koch- 
salzes zu  dem  geringeren  des  Sublimats.  Eine  16  Literlösung  dieses 
Salzes  enthalte  z.  B.  x Chlorionen  und  v unzerlegte  Molekel,  so  ist 


y 


= c,  eine  Konstante.  Bringe  ich  dazu  noch  soviel  Kochsalz,  dass  da- 


von ebenfalls  16  Liter  gelöst  sind,  so  giebt  das  Avegen  der  höheren 
Dissociation  des  Kochsalzes  x-|-in  Chlorionen  von  NaCl.  Für  die  reine 
Sublimatlösung  gilt  x = cy,  für  die  mit  NaCl  versetzte  aber  x-|-(x-|-m) 

cv  — ni 

= cy  oder  x = — " ^ — , also  die  Chlorionen  des  Sublimates  nehmen  ab, 

dessen  Dissociation  Avird  zurückgedrängt. 

In  dem  Grade  nimmt  auch  die  GiftAvirkung  ab  Avie  folgende  Tabelle 
in  der  Zahl  der  Kolonieen  erkennen  lässt,  die  aus  annähernd  gleicher 
Zahl  der  Sporen  erAvachsen,  Avenn  die  Lösungen  6 Minuten  gewirkt 
haben. 


83 


Sublimat 

16  1 

8 

Kolonieen, 

+ 

1 Kochsalz  32 

» 

2 

, 124 

5? 

+ 

3 ,, 

, 282 

)) 

1 

-I- 

•1  . 

, 382 

5? 

+ 

4,6  „ 

410 

„ (Sublim  atpastillen  des  deut- 

schen Arzneibuches) 

n 

>? 

+ 

6 „ 

803 

+ 10  ,, 

1087 

y, 

Die  Abnahme  der  Giftigkeit  ist  unverkennbar  und  bedarf  keines 
Aveiteren  Kommentares. 

Bei  Versuchen  über  den  Desinfektionswert  des  Sublimates  in  koch- 
salzhaltigem Substrat,  wie  Blntsernm  oder  Bouillon,  die  circa  0,7  % (8  1) 
Kochsalz  enthalten,  ist  auf  die  besprochene  Erscheinung  wohl  zu  achten, 
es  Avird  ein  höherer  Siiblimatzusatz  erforderlich  sein.  Eine  Aveitere  Steige- 
rung desselben  ist  aber  noch  nötig,  Aveil  das  Sublimat  mit  den  Eiweiss- 
körpern des  Serums  und  dem  Pepton  einer  Peptonbouillon  unlösliche  Ver- 
bindungen eingeht  und  dadurch  teilweise  in  seiner  Giftigkeit  herabgesetzt 
Avird. 

Da  die  Dissociation  von  der  Temperatur  und  dem  Lösungsmittel 
abhängt,  so  ändert  sich  auch  demgemäss  der  DesinfektionsAvert,  dessen 
Steigerung  durch  Temperatur  freilich  nicht  allein  hierauf  zurückzuführen 
ist.  Wenn  auch  die  grosse  Desinfektionspraxis  durch  diese  neuen  Er- 
fahrungen einstAveilen  nicht  getroffen  Avird,  so  haben  diese  dagegen  ein 
hohes  Avissenschaftliches  Interesse,  das  der  Einsichtige  wohl  zu  schätzen 
Avissen  Avird. 

Ausser  den  bisher  besprochenen  Körpern  äussern  noch  viele  andere 
mehr  oder  weniger  starke  Giftwirkungen,  die  auch  zu  Desinfektions- 
zwecken ausreichen  Avürden,  z.  B.  viele  Anilinfarbstoffe  (Methylviolett), 
ätherische  Gele,  zahlreiche  Verbindungen  der  aromatischen  Körperklasse, 
worauf  nur  hingeAviesen  sein  mag.  Es  tauchen  ja  täglich  neue  Des- 
infektionsmittel auf,  die  mit  viel  Geschrei  oft  angepriesen  Averden,  um 
bald  lautlos  Avieder  zu  verscliAvinden. 

Gase,  Avie  Kohlensäure,  Kohlenoxyd,  Wasserstoff,  Stickoxydul,  Stick- 
oxyd, ScliAvefelAvasserstoff,  schweflige  Säure,  Leuchtgas  Avirken  zwar,  über 
Agarkulturen  in  langsamen  Strom  hinweggeleitet , wachstumshemmend, 
sind  aber  zur  Desinfektion  nicht  zu  brauchen.  Auch  der  Ozongehalt  der 
Luft  steigt  selbst  in  den  ozonreichsten  Sommerfrischen  nicht  so  hoch, 
um  desinfizierend  Avirken  zu  können. 

Da  täglich  tausende  von  Bakterien  unsere  Verdanungsorgane  passieren, 
so  fragt  es  sich,  ob  deren  Säftezusammensetzung  für  eine  natürliche 
Desinfektion  genügt.  Der  Mundspeichel  und  der  Pankreassaft  reagieren 
schwach  alkalisch  und  können  die  Bakterien  nicht  schädigen,  der 
letztere  ist  sogar  infolge  seines  Eiweissgehaltes  ein  guter  Nährboden. 
Hemmend  Avirkt  zAvar  die  Gallensäure,  aber  nur  die  freie  Säure 
(2 — S^^/oo),  des  Magensafts  vermag  Bakterien  abzutöten,  freilich  nur  die 
sporenfreien  Zellen  und  auch  diese  nicht  präcis.  Normaler  Magensaft 
vernichtete  im  Keagenzglas  in  ^2  Stunde  die  Bakterien  der  Cholera, 
des  Typhus  und  des  Kotzes,  Eiterkokken  und  die  sporenfreien  Stäbchen 
des  Milzbrand  und  Tetanus.  Sporen  gehen  nngeschädigt  durch  den 
Magen,  denn  es  bedarf  einer  sechsstündigen  Wirkung  einer  2 Salz- 
säure, um  z.  B.  Milzbrandsporen  vollkommen  abzutöten.  Der  sclnvache 

6*' 


84 


Salzsäureofelialt  (0,2  des  Magensaftes  Avürde  dazu  selbst  bei  tagelanger 
Behandlung  nicht  ausreichen,  und  auch  als  Schutz  gegen  si)orenfreie 
Bakterien  ist  er  nicht  von  der  Bedeutung,  wie  obige  Angaben  veianuten 
lassen,  da  an  Versuchstiere  mit  der  Nahrung  verfütterte  Bakterien  (Bac. 
pyocyaneus,  Milzbrandblut,  tuberkulöses  Material)  im  Magen  selbst  nach 
6—8  Stunden  nicht  gänzlich  vernichtet  wurden. 

Eine  chemische  Desinfektion  erkrankter  Körperteile  ist  unmöglich, 
da  die  den  Bakterien  allein  zugedachte  Schädigung  durch  Chemikalien 
unfehlbar  auch  die  Zellen  des  Körpers  trifft.  Auch  Wunden,  in  denen 
sich  Bakterien  eingenistet  haben,  können  durch  chemische  Desinfektion 
nicht  gereinigt  Averden,  eine  Antisepsis,  eine  Vernichtung  der  Bakterien 
in  der  AVunde  ist  unmöglich.  Man  muss  vielmehr,  Avenn  eine  ope- 
rative Keinigung  der  AVunde  nicht  möglich  ist,  dem  Körper  selbst 
den  Kampf  gegen  die  Eindringlinge  überlassen  und  kann  ihn  hierin  nur 
durch  Asepsis,  d.  h.  Reinlichkeit  unterstützen.  Die  Asepsis  beschränkt 
sich  auf  die  Behandlung  der  AAAinden  mit  keimfrei  gemachten,  sterili- 
sierten Instrumenten  und  A^erbandstoffen,  ohne  gleichzeitige  Anwendung 
bakterientötender  Chemikalien.  Die  Asepsis  genügt  auch,  um  frische, 
noch  nicht  mit  Bakterien  infizierte  AA^unden,  z.  B.  Opera tionsAvunden 
bakterienfrei  zu  erhalten  und  zu  heilen. 

AVorauf  die  tötliche  AVirkung  eines  Desinfektionsmittels  beruht, 
entzieht  sich  meistens  unserer  Kenntnis.  ScliAvere  Metallsalze  (Sublimat, 
Höllenstein)  sind  Fällungsmittel  für  EiAveisskörper  und  werden  Avohl  da- 
durch das  Leben  zerstören,  dass  sie  aus  dem  hochzusammengesetzten 
Protoplasma  einzelne  Körper  ausfällen.  Andere  Stoffe,  Avie  Alkalien  und 
Säuren  können  auch  durch  eine  teihveise  Herauslösung  von  EiAveisskörpern 
die  Struktur  des  Protoplasmas  A^ernichten.  Schon  der  Umschlag  in  der 
chemischen  Reaktion  könnte  zur  Ausfällung  Amn  Protoplasmabestandteilen 
führen.  In  den  meisten  Fällen  freilich  vermag  man  keine  Erklärung  zu 
geben,  weil  die  das  Leben  bedingende  Struktur  des  Protoplasmas  selbst 
noch  ganz  unbekannt  ist. 


X. 


Die  Bakterien  und  der  Kreislauf  des  Stickstoffes. 


1.  Eiuleitiiufif ; die  Assiiiiilatiou  des  freien  Stickstoffes  in  den 

Knöllchen  der  Leguminosen  und  durch  Bodenhakterien. 

Abgesehen  von  einigen  bereits  geschilderten  Wirkungen  der  Bak- 
terien, wie  Farbstoff-  und  Lichtentwickhmg,  dem  sonderbaren  Stoffwechsel 
der  Schwefel-  und  Eisenbakterien,  umfasst  ihre  Thätigkeit  in  der  Natur 
drei  grosse  Gebiete: 

1.  Den  Kreislauf  des  Stickstoffes  in  den  Prozessen  der 
Fäulnis  und  Verwesung,  der  Nitrifikation  oder  Salpeterbildiing, 
der  Assimilation  des  atmosphärischen  Stickstoffes. 

2.  Den  Kreislauf  der  Kohlensäure  unter  den  Erscheinungen 
der  Gärung  von  Kohlehydraten  und  anderen  stickstofffreien  Pro- 
dukten des  Tier-  und  Pfianzenkörpers. 

3.  Die  Krankheitserregung  in  anderen  Organismen,  besonders 
beim  Menschen  und  den  warmblütigen  Tieren. 


Den  Organismen,  Tieren  und  Pflanzen,  stehen  in  der  Natur  fünf 
Stickstoffqnellen  offen:  1.  der  freie  Stickstoff  der  Luft,  die  davon  un- 
gefähr 79  Volumprozent  enthält,  2.  die  salpetersauren  Salze  des  Bodens 
und  geringe  Mengen  salpetriger  Säure,  die  bei  Gewitter  in  der  Luft  sich 
bilden,  3.  der  Stickstoff'  des  Ammoniaks,  das  in  sehr  geringen  Mengen  in 
der  Luft  vorkommt  und  bei  Fäulnis  und  Verwesung  der  Organismen  stets 
reichlich  entsteht,  4.  der  Stickstoff  in  den  Exkrementen  der  Tiere,  ge- 
bunden an  eine  grosse  Eeihe  mannigfacher  organischer  Verbindungen 
herab  bis  zu  Ammoniak,  5.  der  Stickstoff  in  den  Leibern  der  Tiere  und 
Pflanzen. 

Da  alle  Tiere  ihren  Stickstoff  bedarf  entweder  unmittelbar  als  Pflanzen- 
fresser von  den  Pflanzen  beziehen  oder  ihn  erst  auf  dem  Umwege  durch 
andere  Tiere  sich  aneignen,  so  sind  für  sie  die  unter  1 — 3 genannten 
Stickstoffquellen  bedeutungslos.  Den  Pflanzen  dagegen  schien  er  allein  in 


86 


einer  dieser  Formen  zugänglich  zu  sein.  Die  Pflanzeni)hysiologie  kam  zu  der 
Ansicht,  dass  die  Pflanze  in  der  freien  Natur  nur  den  Salpeterstickstolf  des 
Bodens  anfnimmt  und  mit  ihm  ihren  ganzen  Bedarf  deckt.  Der  Stick- 
stoff der  Ammoniaksalze  vermag  wolil  im  Experiment  eine  grüne  Pflanze 
vollständig  zu  ernähren,  seihst  gasförmiges  Ammoniak  wird  l)ei  geeigneter 
Versnchsanstellung  aufgenommen  — die  natürliche  Stickstoflfluelle  für 
die  Vegetation  bildet  aber  das  Ammoniak  nicht.  Der  atmosphärische 
Stickstoff'  endlich,  dieses  grosse  Stickstoffmagazin  der  Natur,  schien  den 
Pflanzen  gänzlich  verschlossen  zu  sein. 

Erst  die  genauere  Erforschung  der  Hülsenfrüchte  oder  Leguminosen, 
deren  Fähigkeit,  auf  einem  anerkannt  stickstoffarmen  Boden  auch  ohne 
besondere  Stickstoffdüngung  vortrefflich  zu  gedeihen,  schon  lange  bekannt 
war.  stellte  den  Anteil  fest,  den  der  atmosphärische  Stickstoff  an  der 
Ernährung  der  Pflanzen,  besonders  unserer  Kulturpflanzen  hat.  Der  Stick- 
stoff^ den  die  Leguminosen  als  Stickst  off  mehr  er  oder  Stick- 
st offs  am  ml  er  dem  Ackerboden  znführeu,  besonders  wenn  sie  als 
Gründung  nntergepflügt  werden,  stammt  aus  der  Atmosphäre.  Alle  anderen 
Pflanzen,  alle  Hack-,  Halm-  und  Oelfrüchte  der  Kultur  dagegen  sind  Stick- 
stoflzehrer,  sie  entziehen  dem  Ackerboden  Stickstoff,  da  sie  nur  denjenigen 
des  Salpeters,  nicht  den  der  Luft  zu  assimilieren  vermögen.  Die  beiden 
Pflanzengruppen  unterscheiden  sich  auch  wesentlich  durch  ihren  Stick- 
stoffgehalt, z.  B.  enthält  der  Same  der  Lupine  5,7  der  des  stickstotf- 
zehrenden  Weizens  nur  2,1  %,  das  Stroh  der  ersteren  0,94,  das  des  letz- 
teren nur  0,5%  Stickstoff.  Bei  einem  Versuch  mit  Erbsen,  deren  Samen 
16  Milligramm  N enthielten,  erwuchs  eine  Ernte  mit  499  Milligramm  N, 
der  Stickstoff  von  4 Kilo  Boden  stieg  von  22  Milligramm  auf  57  Milli- 
gramm — ein  Gesamtgewinn  von  518  Milligramm.  In  die  grosse  Praxis 
übertragen,  giebt  das  ganz  ansehnliche  Zahlen ; so  schätzt  man  den  jähr- 
lichen Gewinn  für  1 Hektar  Lupinen  auf  227  Kilogramm  Stickstoff. 
Durch  kosmisch-chemische  Bindung  des  Luftstickstoffes,  der  bei  Gewittern 
in  geringen  Mengen  zu  salpetriger  Säure  und  Salpetersäure  ox}Miert  wird, 
würde  ein  Hektar  Boden  jährlich  nur  0,09 — 1,8  Kilogramm  Stickstolf  zu- 
geführt bekommen.  Nur  aus  dem  reichen  Stickstoffvorrat  der  Atmosphäre, 
können  demnach  die  Stickstoff'sammler  schöpfen. 

Da  alle  anderen  Kulturpflanzen  dazu  nicht  befähigt  sind,  auch  der 
weisse  Senf  nicht,  so  scheint  auf  den  ersten  Blick  eine  höchst  sonder- 
bare Fähigkeit  der  Leguminosen,  denen  sich  vielleicht  noch  die  Erle 
und  Elaeagnus  mit  ihren  Wurzelknöllchen  anreihen,  vorzuliegen.  Freilich 
würde  man  fehlgehen,  wenn  man  diese  Eigentümlichkeit  darin  suchen 
wollte,  dass  die  Leguminosen  selbst  den  Stickstoff  der  Luft  assimilieren. 
Ihm  gegenüber  verhält  sich  die  Leguminose  selbst  nicht  anders  wie 
jede  andere  Pflanze,  erst  durch  eine  Vereinigung  mit  Bakterien,  die  in 
den  sog.  W u r z e 1 k n ö 1 1 c h en  reichlich  sich  entwickeln,  werden  die  Legumi- 
nosen zu  den  Stickstoffmehrern  der  Landwirtschaft.  Die  Knöllchen 
entstehen  an  den  Wurzeln  wenige  Wochen  alter  Keimpflanzen  als  winzige, 
weisslich  oder  rosa  gefärbte  Knötchen,  die  bald  sich  vergrössern  und  je 
nach  der  Leguminose  deren  Wurzeln  mehr  oder  weniger  stark  verun- 
stalten (Fig.  19  a u.i),  sodass  es  aussieht,  als  ob  sie  mit  Pilzgallen  be- 
setzt wären.  Zunächst  sind  die  Knöllchen  prall  und  fest,  sobald  aber 
die  Pflanzen  üppiger  ins  Kraut  schiessen  und  Früchte  ansetzen,  werden 
sie  runzelig,  schrumpfen  mehr  und  mehr,  bis  sie  endlich  bei  der  Samen- 
reife brüchig  und  rissig  werden.  Mit  dem  im  Ackerboden  zurückbleibenden 


87 


AVurzelwerk  der  Leguminose  verwesen  auch  die  vertrockneten  Knöllchen- 
reste. 

Die  Knöllchen  sitzen  entweder  der  Wurzel  seitlich  an  und  sind  mit 
ihrem  Gefässbündel  durch  ein  kleines  Zweigbündelchen  verbunden  oder  der 
A\'urzelkörper  selbst  schwillt  stellenweise  knollig  auf.  In  beiden  Fällen 
stehen  die  bakterienhaltigen  Zellen  der  Knöllchen  mit  den  Stoffwaiiderungs- 
bahnen  der  Leguminose  in  engster  Verbindung  (Fig.  19  i).  Auf  dem  Quer- 
schnitt durch  ein  jüngeres,  noch  pralles  Knöllchen,  das  beim  Drücken 
einen  milchig  trüben  Saft  abgiebt,  fallen  grosse,  dicht  mit  feinstricheligem 
Inhalt  erfüllte  Zellen  auf,  die  nach  früherem  Gebrauch  auch  heute  noch 
als  das  Bakteroidengewebe  bezeichnet  werden  (Fig.  19  6 bei  ii\  19c). 


Fig.  19.  Wurzelknöllchen  der  Leguminosen. 

a Wurzelk nöllchen  der  Lupine  in  natürlicher 
Grösse  (nach  Woronin).  h Längsschnitt  durch 
eine  LupinenAvurzel  mit  Knöllchen;  g das  Wurzel- 
gefdssbündel , von  dem  aus  nach  allen  Teilen 
des  Knöllchens  und  seinen  bakterienreichen  Zell- 
gruppen (w)  feine  Aestchen  abgehen  (starke 
Lupenvergrösserung,  nach  Woro7u'n).  c Eine  Zelle 
eines  Lupinenknöllchens , vollgestopft  mit  Bak- 
terien (schwarz) , zwischen  denen  ein  zarteres 
Gerüst  des  Protoplasmas  der  Lupinenzelle  sicht- 
bar ist.  An  den  Zellkanten  Intercellularräume 
(weiss).  Nach  einem  TMikrotomschnitt  (Fixierung 
mit  Fle^nmingscher  Lösung.  Färbung  nach  Gram), 
d Knöllchenbakterien  der  Lupine , noch  unver- 
ändert. e u.  / Bakteroiden  von  Vicia  villosa 
und  Lupinus  albus  (nach  Morde).  Vergr.  c 600, 
d—f  circa  1500. 


Oft  sind  über  den  Querschnitt  der  Knöllchen  mehrere  Nester  solcher  Zellen 
verstreut,  oft  schliessen  sie  sich  zu  grösseren  Verbänden  zusammen.  Die 
Zellen,  die  weiter  nichts  sind  wie  vergrösserte,  aufgeschwollene  Zellen 
der  Leguminosenwurzel,  sind  vollgestopft  mit  zarten,  schlanken  Stäbchen 
fFig.  19  r/),  deren  Natur  verschieden  gedeutet  wurde.  Der  erste  Beob- 
achter (Woronin  1866)  hielt  sie  für  bakterienähnliche  Teile  eines  in 
den  Knöllchen  schmarotzenden  Pilzes,  später  deutete  man  sie  für  leb- 
lose krystallähnliche  Ablagerungen  von  Eiweiss  und  nannte  sie  wegen 
ihrer  Bakterienähnlichkeit  Bakteroiden.  War  dieses  richtig,  so  waren 
die  Knöllchen  keine  krankhaften  Gebilde,  sondern  besondere  Organe  der 
Leguminose,  gewissermaassen  EiweisskartÖffelchen,  in  denen  die  mit  Stick- 
stoff der  Luft  erzeugten  Eiweisskörper  als  Bakteroiden  abgelagert  wurden. 
Jetzt  ist  sicher  erwiesen,  dass  lebende  Bakterien  die  trüben  Knöllchen- 
zellen erfüllen  (Fig.  19c — f).  Aber  nur  in  jüngeren  Knöllchen  sind  diese 
Bakterien  schlank  und  gesund,  mit  Anilinfarben  gleichmässig  färbbar,  wie 
andere  Bakteiien.  Sehr  bald  aber  nehmen  sie  Missgestalten  aller  Art  an, 
bald  an  ein  lateinisches  Y erinnernd,  also  unregelmässig  dreiarmig,  bald 
spindelförmig  angeschwollen,  bald  zu  unregelmässig  stumpfkantigen,  breit 


88 


ovalen  Körperchen  aufgebläht.  Diese  verunstalteten  Bakterien  allein 
nennt  man  jetzt  noch  Bakteroiden  (Fig.  19  c, /■),  sie  sind  sog.  Involutions- 
forinen,  die  lebende  Bakterien  aller  Art  unter  ungünstigen  Verhältnissen 
bilden,  z.  B.  die  Essigsäurebakterien  bei  einem  gewissen  Gehalt  der 
Lösung  au  Essigsäure,  die  Diphtherie-  und  Tuberkelbazillen  in  älteren 
Kulturen  u.  s.  w.  (p.25).  Neben  der  äusseren  Verunstaltung  geht  auch  eine  Ab- 
nahme des  Inhalts  einher,  oft  bleiben  nur  ein  oder  wenige  färbbare 
Körnchen  zurück,  oft  scheint  es,  als  ob  nur  noch  eine  entleerte  Haut  sich 
mit  Anilinfarbe  schwach  färbte.  Kurz  die  Umwandlung  der  Bakterien 
in  Bakteroiden  ist  ein  Zeichen  ihres  Absterbens  und  ihrer  Verarbeitung 
durch  die  Leguminose,  die  kräftiger  zu  wachsen  beginnt,  sobald  die 
Bakteroiden  erscheinen.  Bei  der  Samenreife  enthalten  die  zusammen- 
gesimkenen  entleerten  Knöllchen  neben  zahlreichen  Trümmern  von  Bak- 
teroiden auch  noch  eine  Anzahl  intakter  gesunder  Stäbchen,  die  als  Saat- 
material für  das  nächste  Jahr  in  den  Ackerboden  übergehen. 

In  allen  Knöllchen  aller  Leguminosen  ( Papilionaceen,  Mimosaceen.  C'aes- 
alpiniaceen)  sind  Bakterien  und  Bakteroiden  beobachtet  Avorden,  Knöllchen 
ohne  Bakterien  giebt  es  nicht.  Da  nun  weiter  knöllchenfreie  Leguminosen 
keinen  Stickstoff  sammeln,  sondern  ihre  Stickstoff bilanz  der  anderer 
Pflanzen  gleicht,  so  ergiebt  sich,  dass  die  Bakterien  die  eigentlichen  Stick- 
stoffsammler sein  müssen.  Durch  die  bahnbrechenden  Untersuchungen 
von  Hellriegel  und  Wileahrt die  auch  unzweifelhaft  nachwiesen, 
dass  der  Stickstoff  der  Atmosphäre  von  den  knöllchentragenden  Legumi- 
nosen aufgesammelt  wird,  wurde  die  obige  Anschauung,  die  lange  schon 
in  der  Luft  schwebte,  fest  begründet.  Es  galt  Leguminosen  in  sterilisierter 
Erde  und  bei  steriler  Aussaat  knöllchenfrei  zu  ziehen,  also  während  der 
einige  Monate  langen  Kultur  gegen  Bakterieneinwanderung  zu  schützen; 
es  galt  ferner  zu  zeigen,  dass  auch  ohne  Stickstoffdüngung  die  Legumi- 
nosen üppig  gedeihen  und  Stickstoff  speichern,  wenn  sie  nur  Bakterien 
zur  Knöllchenbildung  in  der  Erde  vorfinden  oder  mit  einer  Aufschwemmung 
von  Erde,  auf  der  schon  Leguminosen  gewachsen  Avaren,  geimpft  Averden. 
Endlich  musste  der  Gegensatz  gegen  einen  Stickstoffzehrer  (Hafer)  scharf 
hervortreten.  Aus  den  mühevollen  Experimenten  Hellriegels  und  Wil- 
FAHRTs  seien  folgende  zusammengestellt: 


Stickstoffgebalt 

des 

Samens  und  Bodens. 

Stickstoff  der 
Ernte. 

Stickstoffljilanz 
der  Ernte. 

I.  Mcht  sterilisiert,  nicht 
geimpft. 

a)  Ohne  besondere 
Stickstoff- 
düng' u n g. 

Hafer 

Erl)se 

0.027  g 
0,041  „ 

0,007  g 
1,283  „ 

— 0,020  g 

+ 1,242 ; 

b)  M i t Salpeter- 
sanreni  Kalk  ge- 
düngt (N  = 0,112  g). 

Hafer 

Erbse 

0,139  „ 
0,153  „ 

0,09  „ 
0,700  „ 

- 0,049  „ 
0,547 

89 


Stickstoffgellalt 

des 

Samens  und  Bodens. 

Stickstoff  der 
Ernte. 

Stickstoffbilanz 
der  Ernte. 

n.  Geimpft  mit  Erdaiif- 
scliwemmuujr , nicht 
sterilisiert. 

a)  0 li  11  e besondere 
Stickstoff- 
d ü u ,o- 11  n g-, 

Hafer 

Erbse 

0,027  g 
0,038  „ 

0,007  g 
0,459  „ 

- 0,020  g 

+ 0,421  „ 

b)  M i t K a 1 k s a 1 p e t e r 
(N  ==  0,112). 

Hafer 

Erbse 

0,139  „ 
0,150  „ 

0,088  ,. 
0,220 

, ^ 0,051  „ 
+ 0,070  „ 

HI.  Geimpft  und  dann 
sterilisiert. 

a)  Ohne  besondere 
N - D ü n g- 11 11  g. 

Erbse 

0,038  „ 

0,015  „ 

- 0,023  „ 

b)  Mit  N - D ü 11  g u n g 
(N  = 0,112). 

Erbse 

0,045  „ 

0,014  „ 

— 0,031  „ 

Zu  der  Tabelle  dürften  nur  wenige  Bemerkungen  nötig  sein.  Wie 
der  Hafer  verhält  sich  die  Erbse  nur  dann,  wenn  sie  steril,  ohne  Knöllchen 
kultiviert  wird  (III),  während  sie  sonst,  schöne  Knöllchen  tragend,  at- 
mosphärischen Stickstolf  sammelt,  gleichviel  ob  der  Boden  noch  besonders 
mit  Stickstoff  gedüngt  war,  wodurch  der  Hafer  viel  stickstoffreicher 
wird  (Ib,  Hb),  während  die  Leguminose  damit  nichts  anzufangen  weiss 
fllla  u.  b).  Vorteilhaft  wirkt  dagegen  auch  auf  sie  jede  Düngung,  die 
dem  Boden  andere  unentbehrliche  Nährstoffe  zuführt,  so  besonders  mit 
Kaliphosphat.  Eine  Impfung  mit  Boden  ist  beim  Hafer,  der  wie  alle 
Halmfrüchte  keine  Knöllchen  trägt,  ganz  erfolglos  (II). 

Es  erwuchs  nun  die  neue  Aufgabe,  die  Knöll  eben  bakteriell  rein 
zu  kultivieren  und  ihr  Verhalten  zum  atmosphärischen  Stickstoff  zu  prüfen. 
Das  erste  gelingt  leicht  in  einer  Abkochung  von  Leguminosenkraut,  der  7^  ^/o 
Asparagin  und  2%  Zucker  zugesetzt  werden.  Hier  wachsen  aus  Knöllchen 
steril  übergeimpfte  Bakterien  recht  gut,  anfangs  vom  Stickstoff  des  Asparagins 
zehrend,  als  schlanke  dünne,  auch  bewegliche,  aerobe  Stäbchen,  die  auch 
zur  Bakteroidenbildung  neigen.  Nach  zwei  Monaten  ergab  sich  pro  Liter 
Kultur  ein  Stickstoffgewinn  von  9 — 18  Milligramm,  der  nur  aus  der  At- 
mosphäre stammen  konnte  (Beyekinck);  bessere  Ausbeute  bei  geringer 
Abänderung  der  Kultur  erhielt  Maze,  in  15  Tagen  eine  Zunalinie  um 
47,5  Milligramm,  in  einem  anderen  Falle  in  18  Tagen  23,4  Milligramm 
atmosphärischen  Stickstoff.  Wenn  auch  Aveitere  Untersuchungen  noch  er- 
wünscht sind,  so  ist  es  doch  zweifellos  erwiesen,  dass  die  rein  kultivierten 
Knöllchenbakterien  den  freien  Stickstoff  der  Luft  assimilieren.'“) 

In  den  Reinkulturen  aus  verschiedenen  Leguminosen  sehen  die  Bak- 
terien alle  ganz  gleich  aus  und  wachsen  auch  auf  Gelatine,  die  nicht 


90 


verflüssigt  wird,  ohne  auffällige  Unterschiede.  Auch  in  den  Knöllchen 
der  verschiedenen  Hülsenfrüchte  haben  die  Bakterien  die  gleiche  Form 
und  selbst  die  Bakteroiden  geben  keine  durchgreifenden  Unterschiede, 
was  von  Involutionsfornien  auch  kaum  zu  erwarten  ist.  8o  schien  es,  als 
ob  alle  Leguminosenknöllchen  von  derselben  Spezies  bewohnt  würden. 
Sie  erhielt  den  Namen  Bacillus  radicicola  Beyerinck  (Rhizobium 
Leguminosarum  B.  Frank). 

Begiesst  man  sterile  Kulturen  beliebiger  Leguminosen,  z.  B.  von 
Klee,  Erbse  und  AVicke  mit  einer  Aufschwemmung  von  Bakterien,  die 
aus  Erbsenknöllchen  rein  kultiviert  worden  sind,  so  entstehen  zwar  an 
der  Erbse  zahlreiche  Knöllchen,  ebenso  an  der  Wicke,  dagegen  nur  wenige 
oder  selbst  gar  keine  am  Klee,  der  infolgedessen  auch  schlechter  gedeiht. 
Umgekehrt  waren  Kleebakterien  fast  wirkungslos  auf  AA^icke  und  Erbse. 
Nobbe  und  Hiltner'^-),  die  solche  A^ersuche  mit  freilich  noch  nicht  ganz 
widerspruchslosem  Erfolg  angestellt  haben,  sind  der  Ansicht,  dass  Knöllchen- 
bakterien sich  nur  zwischen  den  Angehörigen  der  natürlichen  G-ruppen 
der  Papilionaceen  austauschen  lassen,  z.  B.  von  Klee  auf  andere  Trifolieen, 
wie  Luzerne  und  Steinklee,  aber  nicht  auf  Phaseoleen  (Phaseolus,  Lupinusj 
und  A^icieen  (Vicia,  Ervum,  Pisum),  umgekehrt  von  den  letzteren  nicht 
auf  die  Trifolieen.  Es  würden  demnach  Kulturrassen  einer  Bakterieuart 
(Bacillus  radicicola)  vorliegen,  die  allmählich,  ungeahnt  von  der  Land- 
wirtschaft, durch  die  Legumiuosenkultur  herangezüchtet  worden  sind,  ver- 
gleichbar den  Heferassen  der  Gärungsgewerbe  oder  auch  vergleichbar 
den  von  Eriksson  erkannten  Rassen  des  Getreiderostes  (Puccinia  graminis). 

Nobbe  und  Hiltner  haben  ihre,  weitere  Prüfung  noch  verlangende 
Theorie  auch  bereits  für  den  Pflanzenbau  nützlich  zu  machen  versucht  durch 
Einführung  des  Nit  rag  ins,  dessen  Herstellung  und  A^erkauf  die  Höchster 
Farbwerke  übernommen  haben.  Zur  Zeit  werden  8 verschiedene  Nitragine 
für  Erbse,  Bohne,  Lupine  etc.  empfohlen.  Das  Nitragin  ist  eine  Rein- 
kultur von  Knöllchenbakterien  auf  Nährgelatine,  gewissermaassen  ein 
Düngemittel  aus  lebenden  Organismen,  das  entweder  dem  Saatgut  bei- 
gemengt oder  mit  Erde  verarbeitet  auf  dem  Acker  ausgestreut  wird. 
Es  soll  besonders  den  Anbau  der  Leguminosen  auf  jungfräulichem,  schlechtem 
Boden,  z.  B.  in  der  Moorkultur,  erleichtern  oder  dort  angewendet  werden, 
wo  viele  Jahre  hindurch  keine  Leguminosen  gebaut  worden  sind  und 
deshalb  eine  A^erarmung  des  Bodens  an  Knöllchenbakterien  anzunehmen 
ist.  Die  Erfolge  in  der  Praxis  sind  wohl  noch  ungleiche  und  oft  schwer 
zu  beurteilende,  sodass  man  sich  nicht  wundern  darf,  wenn  der  Eine  die 
Wirksamkeit  des  Nitragins  in  den  Himmel  hebt,  der  Andere  verächtlich 
verneint.  Statt  des  Nitragins  wird  auch  eine  Impfung  mit  „Leguminosen- 
boden“ erfolgreich  angewendet. 

Das  merkwürdige  Verhältnis  zwischen  den  Leguminosen  und  den 
Knöllchenbakterien  wird  gewöhnlich  als  eine  S3nnbiose  aufgefasst,  als 
ein  Zusammenleben,  von  dem  beide  Teile  A^orteil  haben,  ähnlich  wie  Alge 
und  Pilz  zum  Flechtenkörper  sich  vereinigen  sollen.  Dieser  besteht  be- 
kanntlich aus  farblosen,  zu  dichtem  Filzwerk  verflochtenen  Fäden  eines 
Pilzes  und  dazwischenliegenden  grün,  blaugrün  oder  braun  gefärbten 
Zellen  einer  Alge  (Fig.  20).  Diese  soll  dem  metatrophen  Pilz  die 
nötige  organische  Nahrung  bereiten  und  dafür  von  ihm  durch  eine 
Gegenleistung  entschädigt  werden , nämlich  durch  Y ersorgung  mit 
AVasser  und  mineralischer  Nahrung  und  durch  allgemeinen  Schutz. 
So  sagen  wenigstens  diejenigen,  die  dem  symbiosefrolien  Zuge  unserer 
Zeit  folgend  auch  den  Flechtenkörper  als  eine  S}mibiose  auffassen.  Nun 


91 


können  aber  die  Algen,  auch  die  in  die  Flechte  eingesperrten,  ganz 
selbständig  leben,  Wasser  und  Mineralstoffe  aufnehmen,  sie  bedürfen 
dazu  des  Pilzes  nicht  und  empfangen  sie  von  ihm  auch  gar  nicht  in 
dem  leicht  mit  Wasser  sich  vollsaugenden  Flechtenkörper.  Schutz  finden 
sie  hier  auch  kaum,  denn  die  Pilzfäden  umschlingen  die  Algen  von  allen 
Seiten  (Fig.  20^),  senden  auch  kurze  Saugfortsätze  in  sie  hinein,  kurz 


Fig  20.  Parasitismus  der  Flechten,  a Durch- 
schnitt durch  den  Thallus  von  Xanthoria  parietina 
(nach  Schwendener).  b Algenzellen  von  den  feinen 
Fäden  des  Flechtenpilzes  umsponnen,  von  Cladotlia 
furcata  (nach  Bornet).  Die  grünen  Algenzellen  schwarz 
punktiert.  Vergr.  a 500,  h 950. 


verhalten  sich  wie  Parasiten,  die  auf  den.  Algen  leben  Wenn  der  Pilz 
mit  seinem  weitläufigen  Mycelium  auf  der  kleinen  Alge  schmarotzen  will, 
so  kann  er  natürlich  nicht  hineinkriechen,  wie  der  Bandwurm  in  den 
Menschen,  sondern  er  muss  sie  umschlingen  und  umwickeln  und  ihr  in 
seinem  Mycelgeflecht  (Flechtenthallus)  ein  luft-  und  lichtreiches  Plätz- 
chen gewähren.  So  erklärt  sich  die  absonderliche  Erscheinung  sehr  ein- 
fach, der  parasitische  Pilz  umschliesst  seinen  Wirt,  die  kleine  Alge,  und 
bildet  so  den  Flechtenkörper. 

Ein  ähnlicher,  zunächst  sehr  paradox  erscheinender  Parasitismus 
begegnet  uns  auch  zwischen  Leguminose  und  Knöllchenbakterien,  die 


Fig.  21.  Einwanderung  der  Bakterien  in 
die  Leguminosenwurzel,  a Eine  Zelle  aus  der 
Wurzelrinde  der  Erbse  mit  Zellkern  und  sog. 
Infektionsschlauche,  einem  breiten  Strom  einer 
dicht  gedrängten  Bakterienzoogloea,  die  durch 
die  Zellwände  sich  hindurchschiebt  (nach  Praz- 
moiüshi).  h Ende  eines  Wurzelhaares  der  Erbse, 
an  dessen  Spitze  einige  kleine  Erdteilchen  (rechts) 
kleben  und  Bakterien  (links)  sich  angesammelt 
haben.  Im  Innern  der  Spitze  dichtes  Protoplasma 
untermengt  mit  Bakterien,  die  als  fädige  Zoo- 
gloea  (Infektionsfaden)  in  dem  Haar  empor- 
wandern (nach  B.  Frank).  Vergr.  a 650,  b 175. 


Leguminose  schmarotzt  auf  den  Bakterien.  Um  diese  Ansicht  uns  zu- 
gänglicher zu  machen,  wollen  wir  die  Entwicklung  der  Knöllchen  näher 
verfolgen.  Die  feinen  Wurzelhärchen  einer  jungen,  noch  knöllchen- 
freien Leguminosenpflanze  schieben  und  drängen  sich  überall  zwischen 
die  Bodenteilchen  ein,  um  hier  Wasser  und  mineralische  Salze  auf- 
zunehmen, ja  sie  sclieiden  sogar  besondere  Stoffe  aus,  um  die  Erd- 


92 


teilclien,  mit  denen  sie  dicht  verkleben,  zu  lösen.  So  wird  schon  die 
unverletzte  Oberfläche  der  Wurzeln  chemotaktisch  wirkende  Stoffe  vielfach 
absondern.  Dazu  kommen  noch  zahlreiche  verletzte  Wurzelhaare  oder  andere 
leichte  AV linden  der  Wurzel,  die  anlockend  auf  Knöllchenbakterien  wirken 
werden,  wenn  diese  in  den  wassererfüllten  Räumchen  zwischen  den  Boden- 
teilchen herumschwärmen.  Wovon  hier  die  Bakterien  leben,  bedarf  noch 
weiterer  Untersuchung-,  denn  sie  müssten  hier  natürlich  mit  bescheideneren 
Kohlenstoff-  und  Stickstoffquellen  vorlieb  nehmen  als  in  der  Reinkultur 
mit  Asparagin  und  Zucker.  Gerade  solche  Stoffe,  besonders  das  chemo- 
taktisch sehr  wirksame  Asparagin  ist  in  den  Keimpflanzen  der  Legumi- 
nosen stets  reichlich  enthalten  und  wird  bei  jeder  Verletzung  der  AVurzel 
hervortreten.  So  könnte  ihm  wirklich  die'  Rolle  des  Anlockungsstoffes 
für  die  Knöllchenbakterien  zufallen,  die  in  ein  aufgerissenes  AVurzelhaar 
genau  so  einschwärmen  würden,  wie  in  eine  mit  Asparagin  gefüllte 
Kapillare  (Fig.  21  h).  Ja  es  scheint  sogar,  als  ob  die  Leguminosen  durch 
Auflockerung  der  Zellwände  an  manchen  AVurzelhaaren  u.  s.  w.  die  An- 
lockung der  Bakterien  vorbereiteten.  Sicher  ist,  dass  sie  chemotaktisch 
angelockt  werden  und  nun,  sobald  sie  unter  die  besseren  Ernährungs- 
bedingungen gekommen  sind,  sich  reichlich  vermehren.  *In  dichtgedrängten 
Zügen  dringen  sie  von  der  Oberfläche  der  Wurzel  in  deren  Innei’es  vor, 
wobei  ihnen  wiederum  die  Leguminose  den  Weg  zu  ebnen  scheint  da- 
durch, dass  sie  die  schwer  durchdringbaren  Zellwände  etwas  auflockert.  Als 
sog.  I n f e k t i 0 n s s c h 1 a u c h (Fig.  21  a u.  b)  setzen  sich  die  breiten  Strassen 
der  Bakterienzoogloea  in  das  Innere  der  Wurzel  von  Zelle  zu  Zelle 
fort.  Jetzt  beginnt  auch  eine  sichtbare  Reaktion  der  Leguminose.  Sie 
erweitert  viele  ihrer  AVurzelzellen,  schafft  aus  dem  oberirdischen  Kraut 
Kohlehydrate  und  Asparagin  reichlich , herbei  und  bereitet  so  eine  mit 
Nährstoffen  vollgestopfte  Brutstätte  für  die  Bakterien,  äusserlich  sichtbar 
an  den  jetzt  rasch  sich  entwickelnden  Knöllchen. 

In  ihnen  legt  sich  die  Leguminose  geradezu  eine  Bakterienkultur  an. 
Hier  vermehren  sich  die  Bakterien  zunächst  auf  Kosten  der  Leguminose. 
Bald  fangen  sie  aber  an,  selbständig  zu  arbeiten  und  den  Stickstoff  der  Luff  zu 
assimilieren,  während  ihr  Kohlenstoffbedarf  wohl  während  des  ganzen 
Sommers  durch  die  anfangs  reichlich  zugeführte  Stärke,  die  allmählich, 
vielleicht  von  der  Leguminose  selbst,  verzuckert  wird,  gedeckt  werden  muss. 
Jetzt  ist  das  Knöllchen  in  voller  Thätigkeit,  die  Luft  umspült  in  kleinen 
Intercellularräumchen^^^)  die  bakterienreichen  Zellen  (Fig.  19  c),  in  denen 
der  Stickstoff  festgehalten  wird.  Bald  entstehen  die  ersten  Bakteroiden  und 
damit  beginnt  die  Aufzehrung  der  eiweissreichen  Bakterien  durch  ihren 
Parasit,  die  Leguminose,  die  allmählich  den  Stickstoff  der  Knöllchen,  die 
bei  blühenden  Lupinen  5,2 "/o  davon  enthalten,  in  die  Samen  überführt. 
Dadurch  sinkt  der  Stickstoffgehalt  der  Knöllchen  bei  der  Samenreife  auf 
1,7  während  die  knöllchenfreien  Teile  der  AVurzeln  immer  unge- 
fähr ebensoviel,  l,6^/o  enthalten.  Ob  die  Leguminose  zur  Lösung  der 
Knöllchenbakterien  ein  peptonisierendes  Enzym  absondert,  bedarf  noch 
weiterer  Untersuchung,  ist  aber  sehr  wahrscheinlich.  Nur  ein  kleiner 
Teil  der  Bakterien  geht  unversehrt  in  den  Ackerboden  über,  die  Haupt- 
masse wird  von  der  Leguminose  buchstäblich  aufgefressen ; Symbiose  liegt 
liier  »nicht  vor.  Denn  das  Asparagin  und  die  Kohlehydrate,  die  von  der 
Leguminose  den  angelockten  Bakterien  geboten  werden,  sind  doch  nur 
ein  heimtückisch  gespendetes  Darlehn,  das  später  mit  AVucher  als  kost- 
barer Stickstoff  zurückgefordert  wird.  So  erscheint  wohl  die  Ansicht, 
dass  die  Leguminose  der  Parasit  der  Knöllchenbakterien  ist,  nicht  mehr 


verdreht.  Sie  muss  den  viel  kleineren  Wirt  gerade  so  in  sich  einschliessen, 
wie  der  Pilz  die  Alge  im  Flechtenkörper.  Während  im  letzteren  Falle  ein 
voller  Parasitismns  vorliegt,  sind  die  Leguminosen  nur  H a 1 b p a r a s i t e n , 
nur  in  ihrem  Stickstolfbedarf,  den  sie  weder  aus  der  Atmosphäre  noch 
ans  dem  Salpeter  des  Bodens  zu  decken  vermögen  (p.  88,  89  Tab.  III).  Für 
die  Assimilation  der  Kohlensäure  und  für  die  Aufnahme  der  mineralischen 
Nahrung  sorgen  die  Leguminosen  selbst.  Sie  schliessen  sich  hierin  anderen 
grünen  Halbparasiten,  wie  Thesium,  Rhinanthaceen  etc.  an,  von  denen 
nur  noch  nicht  bekannt  ist,  welche  Nährstoffe  sie  ihren  Wirtspflanzen, 
mit  deren  Wurzeln  ihre  Wurzeln  verwachsen,  entziehen. 

Da  in  jedem  mit  Leguminosen  bebauten  Acker,  ja  fast  in  jedem 
Boden  Knöllchenbakterien  vorhanden  sind,  so  war, noch  zu  versuchen, 
sie  direkt  aus  dem  Boden  rein  zu  kultivieren.  Auch  ist,  wie  schon  er- 
wähnt, noch  nicht  bekannt,  ob  die  Knöllchenbakterien  frei  im  Boden 
leben  und  sich  vermehren  können  oder  ob  sie  hier  nur  in  Vegetations- 
ruhe (Sporen  noch  unbekannt)  liegen,  bis  sie  durch  die  Wurzeln  der 
Leguminosen  von  neuem  belebt  werden. 

Die  Isolierung  der  Knöllchenbakterien  aus  Ackerboden  ist  noch  nicht  • 
gelungen,  dagegen  hat  Winogeadsky  eine  andere  Bodenbakterie  aufge- 
funden, die  den  atmosphären  Stickstoff  assimiliert.'^^)  Sie  wird  als 
Clostridium  Paste urianum  bezeichnet  und  gehört  zu  den  Butter- 
säurebakterien.  Ihre  Reinkultur  gelang  in  einer  Nährlösung,  die  ausser 
mineralischen  Salzen,  natürlich  mit  Ausschluss  von  Stickstoffverbindungen, 
nur  Zucker,  als  Kohlenstoffquelle,  enthielt.  Dieser  wird  in  Buttersäure 
und  Essigsäure,  Kohlensäure,  Wasserstoff  und  einige  nicht  bestimmte 
Nebenprodukte  vergoren  und  gleichzeitig  wird  Stickstoff  gebunden,  um 
so  stärker,  je  mehr  Zucker  da  war,  d.  h.  um  so  energischer  die  Gärung 
verlief  Zum  Beispiel : 


Dextrosegehalt  der  Nährlösung. 

Stickstoff  der 

Stickstoff  der  Ernte 

Gramm 

Nährlösung. 

in  Milligramm. 

1 

0 

■ 3.0 

2 

0 

2,9 

3 

0 

8,1 

6 

0 

i2;8 

Der  Stickstoff  wird  möglicherweise  durch  naszierenden  Wasserstoff 
gebunden,  sodass  als  erstes  Assimilationsprodukt  Ammoniak  entstehen 
würde.  Die  i’ein  kultivierte  Bakterie  war  ein  kräftiger,  anaerober,  in 
schleimigen  Massen  wachsender,  lebhaft  beweglicher  Bacillus,  der  sich  von 
den  dünnen  und^  schlanken  Knöllchenbakterien  wesentlich  unterscheidet. 
Er  bildet  in  spindelig  augeschwollenen  Stäbchen  (daher  Clostridium), 
Si)oren  und  giebt  auch,  wie  andere  Buttersäurebakterien,  mit  Jod  die 
Granulosefärbung. 


Unter  welchen  Bedingungen  das  Clostridium  Pasteurianum  in  der 
freien  Natur  sich  entwickelt,  von  welcher  Kohlenstoffquelle  es  besonders 
im  Ackerboden  zehrt,  bedarf  noch  weiterer  Untersuchung.  Sollte  es 
Zucker  notwendig  als  gärungsfähige  Substanz  verlangen,  so  würde 
es  wohl  niclit  in  ungedüngtem  Boden  leben,  aber  überall  dort  gedeihen 
können,  wo  Gärungs-  und  Fäulnisprozesse  in  buntem  Durcheinander 
sich  abspielen.  Ob  auch  die  anderen,  später  zu  schildernden  Butter- 
säurebakterien den  atmosphärischen  Stickstoff  assimilieren,  ist  un- 


94 


bekannt.  Gewiss  darf  aber  angenommen  werden,  dass  noch  andere,  viel- 
leicht ganz  prototrophe  Bodenbakterien  diese  Fähigkeit  besitzen  werden. 

Besonders  wird  man  dem  Walde,  der  ja  nie  gedüngt  wird  und  doch  jedes 
Jahr  ungeheure  Mengen  von  Stickstoff  in  organischer  Substanz  festlegt, 
seine  Aufmerksa'mkeit  zu  schenken  haben,  im  Waldboden  nach  Bakterien 
suchen  müssen,  die  den  Luftstickstoff'  assimilieren.  Freilich  mit  der  nötigen 
Kritik,  da  der  in  landwirtschaftlichen  Kreisen  auftauchende  Gedanke, 
dass  alle  Bodenbakterien  Stickstoff'  binden,  keine  Berechtigung  hat.  Grüne 
und  blaugrüne  Algen,  denen  man  früher  diese  Eigenschaft  zuschrieb,  be- 
sitzen sie  nach  neueren  Untersuchungen  nicht. Dass  Schimmelpilze 
freien  Stickstoff  binden,  wird  zwar  behauptet,  ist  aber  noch  nicht  unter 
Berücksichtigung  aller  Fehlerquellen  erwiesen.  Vielleicht  wird  einst  das 
Nitragin  durch  Reinkulturen  frei  im  Boden  lebender,  Stickstoff'  bindender 
Bakterien  ersetzt,  die  man  gewissermaassen  als  Zwischensaat  zwischen 
stickstoffzehrende  Kulturgewächse  verwenden  könnte. 


XI. 


Die  Bakterien  und  der  Kreislauf  des  Stickstoffes. 


2.  Die  Entbindung  und  Mineralisierung  des  organischen  Stickstoffes 

durch  Fäulnis  und  Nitrifikation. 

Wenn  der  Stickstoff  einmal  von  den  Pflanzen  in  ihre  Körpersub- 
stanz aufgenoininen  und  in  Eiweisskörpern,  giftigen  und  ungiftigen 
Pflanzenstoffen  aller  Art  (z.  B.  Alkaloiden),  dem  Chlorophyll  und  anderen 
Farbstoffen  (z.  B.  Indigo)  chemisch  gebunden  worden  ist,  dann  wird  er 
erst  wieder  durch  den  Tod  der  Pflanze,  durch  Fäulnis  und  Verwesung 
zu  neuem  Kreislauf  befähigt:  denn  die  Pflanze  scheidet  während  ihres 
Lebens  Stickstoff  in  keiner  Form  aus  ihrem  Körper  aus  und  kann  lebend 
nur  Parasiten  und  Pflanzenfressern  als  Stickstotfquelle  dienen. 

Im  Tierkörper  ist  der  Stickstoff  vorwiegend  an  Eiweisskörper  im 
weitesten  Sinne  und  an  ihre  Derivate,  die  sogenannten  Albuminoide,  wie 
Mucin  (Schleimj,  Glutin  (Leim),  Keratin  (Horn),  Elastin  (elastische  Substanz) 
gebunden,  ferner  an  die  hochzusammengesetzten  Stoffe,  wie  Hämoglobin, 
Nuclein,  Chitin,  Lecithin  und  viele  andere.  Aus  allen  diesen  Verbin- 
dungen wird  der  Stickstoff  schliesslich  erst  nach  dem  Tode  des  Tieres 
durch  Fäulnis  und  Verwesung  in  einfachere  chemische  Körper  zurück- 
geführt. Dazu  kommt  allerdings,  dass  die  Tiere  sowohl  in  Sekreten,  wie 
der  Milch,  als  auch  in  ihren  Exkrementen,  im  Harn  und  Kot  eine  Keihe 
stickstotthaltiger  Verbindungen  regelmässig  abgeben.  Dieser  Stickstoff“ 
der  Exkremente,  bereichert  durch  den  Stickstoff  der  Stallstreu,  ist  es 
ja,  der  dem  Dünger  unserer  Zuchttiere  seinen  hohen  Wert  verleiht. 
In  frischem  Stalldünger  hat  aber  der  Stickstoff  noch  nicht  jene  Form, 
in  der  er  Avieder  als  Pflanzennahrung  dienen  kann. 

Im  Harn  der  Pflanzenfresser  ist  er  vorwiegend  als  Hippursäure,  im 
menschlichen  Harn  als  Harnstoff  neben  Harnsäure  und  einigen  andern 
Harnkörpern  vorhanden.  In  den  Exkrementen  Anden  sich  neben  EiAveiss- 
resten  der  unverdauten  Nahrung  zahlreiche  stickstoffhaltige  Produkte 
einer  im  Darm  schon  beginnenden,  durch  Bakterien  hervorgerufenen  Fäul- 
nis der  Verdauungsrückstände,  wie  Indol,  Skatol,  Leucin,  Tyrosin  herab 
bis  zu  Ammoniak.  Keine  dieser  Verbindungen,  selbst  das  Ammoniak 


9B 


nicht,  ist  geeignet,  den  grünen  Pflanzen,  durch  die  doch  aller  Kreis- 
lauf des  Stickstolfes  sich  liindurchbewegt,  als  Nahrung  zu  dienen.  Erst 
durch  die  Fäulnis  wird  aller  Stickstolf  aus  dem  organischen  Molekel 
entbunden,  erst  durch  die  Nitrifikation  wird  er  wieder  mineralisiert  und 
als  Salpeterstickstoff  der  Pflanze  zugänglich. 

Nur  wenn  alle  Bedingungen  für  die  Entwicklung  lebender  Wesen  erfüllt 
sind,  tritt  Fäulnis  ein,  sie  ist  ein  biochemischer  Prozess.  Sinkt  die  Tempe- 
ratur unter  eine  gewisse  Grenze,  so  faulen  Kadaver  überhaupt  nicht,  wie  der 
überraschende  Fund  vollkommen  wohlerhaltener  Mammutleichen  im  grossen 
Eisschranke  der  Natur,  im  nördlichen  Sibirien,  zeigt.  Ihr  Fleich  war 
noch  so  wenig  verändert,  dass  es  von  Hunden  gefressen  wurde  und  doch 
hatte  es  unberechenbare  Tausende  von  Jahren  gelegen.  Wird  ein  an- 
derer Faktor  des  Lebens,  das  Wasser  ferngehalten,  so  unterbleibt  die 
Fäulnis  ebenfalls,  trockenes  Fleisch  fault  nicht.  Trockenheit  und  niedere 
Temperatur  verhindern  oft  zusammen  die  Fäulnis,  so  in  Kirchen krypten. 
wo  unbalsamierte  Leichname  aus  früheren  Jahrhunderten  dem  staunenden 
Besucher  wohlerhalten  gezeigt  werden.  Weitere  Mittel,  die  Fäulnis  zu 
verhindern,  bietet  die  bereits  besprochene  chemiche  und  ph}^sikalische  Des- 
infektion, der  ersteren  bedient  man  sich  zur  Balsamierung  der  Leichen, 
zur  Konservierung  von  Nahrungsmitteln.  Nur  durch  lebende  Organismen 
und  zwar  durch  saprogene  Bakterien,  Fäulnisbakterien  wird 
Fäulnis  (Putrescenz,  Putrefactio)  hervorgerufen.  Sie  ist  demnach  die 
Zersetzung  stickstoffhaltiger  Produkte  des  Tier-  und  Pflanzenlebens, 
besonders  der  Eiweisskörper  durch  Bakterien.  Diese  vermögen  sich 
in  den  ei  weissarmen  aber  pflanzensäurenreichen  Früchten  (Obst,  Wein- 
beeren, Apfelsinen),  deren  Säure  sie  hemmt,  nicht  einzunisten.  Die  Fäul- 
nis dieser  Früchte  wird  von  Schimmelpilzen  verschiedener  Art  (Peni- 
cillium,  Mucor,  Botrytis)  erregt. ‘^'^) 

Die  Zersetzung  abgestorbener  Tier-  und  Pflanzenkörper,  der  tierischen 
Exkremente  und  des  landwirtschaftlichen  Stalldüngers,  ist  nun  freilich 
nicht  ein  einfacher  Fäulnisprozess,  da  gleichzeitig  neben  diesem  noch 
mancherlei  Gärungen  die  stickstofffreien  Produkte  der  Organismen  er- 
greifen und  andere  biochemische  Prozesse,  wie  die  Nitrifikation  hinzu- 
kommen. Ein  buntes  Gemisch  von  BakterienAvirkungen  ist  demnach 
die  Zersetzung  der  Kadaver  und  des  Mistes,  so  dass  es  oft  unmöglich 
Avird,  den  Anteil  jeder  einzelnen  Bakterienart  genau  herauszufinden. 
Stätten  der  Fäulnis  sind  ausser  dem  Darminhalte  des  Menschen,  den 
Tierkadavern  und  den  Düngerhaufen  alle  Abortgruben  und  Schleussen. 
der  schlammige  Boden  von  Teichen  und  Flüssen,  der  Meeresboden,  kurz 
jeder  Ort,  avo  stickstoffhaltige  organische  Körper  bei  geeigneter  Tempe- 
ratur und  Feuchtigkeit  sich  selbst,  d.  h.  der  EiiiAvirkung  von  Bakterien 
überlassen  sind. 

Die  faulenden  EiAveisskör  per  zerfallen  in  eine  grosse  Zahl  A'er- 
schiedenartiger,  teils  stickstoffhaltiger,  teils  stickstofffreier  Verbindungen, 
genau  denen  gleich,  die  bei  der  künstlichen  Zersetzung  des  EiAA^eisses 
im  Laboratorium  durch  Kochen  mit  Salzsäure  oder  BarythjTlrat,  durch 
Schmelzen  mit  Aetzkali  entstehen.  Folgende  5 Gruppen  Avürden  zu  unter- 
scheiden sein: 

1.  A 1 b u m 0 s en  und  P e p t o n e , Avasserlösliche,  dem  EiAveiss  noch  sehr 
nahe  stehende  Körper,  die  auch  bei  der  Verdauung  entstehen 
und  Avie  bei  ihr  auch  von  den  Bakterien  durch  besondere  Enzyme, 
dem  Pepsin  unseres  Magens  entsprechend,  gebildet  Averden. 

2.  Aromatische  Verbindungen  in  grosser  Zahl,  darunter  das 


97 


o 

O. 


4. 


o. 


stickstolflialtig’e  Indol  und  8katol,  die  vornelimsten  Stinkstolfe  der 
menscliliclien  Exkremente ; daneben  stickstofffreie,  wie  Phenol, 
riienjdessig’säiire,  Phen^ylpropionsäiire. 

Ainidokör per,  alle  stickstoffhaltig*:  Leucin  und  T}TOsin,  As- 
parag'insäure,  GI3XOC0II. 

Fett-  und  Carbon  säuren,  durchweg*  stickstofffrei  und  des- 
halb für  den  Kreislauf  des  Stickstoffes  belanglos,  wie  Essigsäure, 
Buttersäure,  Valeriansäure,  Bernsteinsäure  etc. 

Anorganische  Endprodukte  der  Fäulnis:  freier  Stick- 
stoff“, Ammoniak,  freier  Wasserstoff“,  Methan  (Sumpfgas),  Kohlen- 
säure, Methjdmerkaptan,  Schwefelwasserstoff.  Ob  auch  Phosphor- 
wasserstoff, der  durch  den  Luftsauerstoff  sofort  ox}^diert  wird,  ent- 
steht, ist  zwar  nicht  erwiesen,  aber  doch  wohl  anzunehmen. 

Zu  diesen  Zersetzungsprodukten  des  faulenden  Eiweisses,  die  zum 
grössten  Teil  auch  bei  der  chemischen  Eiweissspaltung*  sich  bilden,  kommt 
noch  eine  sechste  Körpergruppe  hinzu,  die  man  als  spezifische  Fäulniskörper 
bezeichnen  könnte,  die  sog*.  Pt  omaine  oder  Fäulnis  alk  aloide  zu 
den  Aminbasen  gehörend  und  alle  stickstoffhaltig.  Es  sind  bereits  eine 
grosse  Zahl  solcher  Körper,  teils  sehr  giftige,  teils  harmlose  beschrieben 
worden,  die  meisten  freilich,  wie  das  bei  der  Schwierigkeit  ihrer  Eein- 
darstellung  nicht  anders  möglich,  noch  ziemlich  lückenhaft.  Aus  faulendem 
Fleisch  (Säugetiere,  Menschenleichen,  Fische)  und  Leim  wurden  von 
Brieger  isoliert  das  Neuridin  (CgHj^K.,),  Trimethylamin  (C3H9N),  das 
Cadaverin  (Pentameth3dendiamin  0511^4^2),  ferner  Putrescin,  ein  Diamin 
der  Meth34enreihe  (C^H^o  No),  alle  diese  sind  gar  nicht  oder  nur  in  grossen 
Dosen  einverleibt,  giftig*.  Sehr  giftig*  dagegen  sind  einige  aus  verdorbenen, 
faulenden  Nahrungsmitteln  hergestellte  Stoffe,  die  schwere  Yergiftungs- 
fälle  hervorrufen,  wie  AYurstgift  (Ptomatropin),  Käsegift  (T3Totoxin).  Die 
giftigen  Aminbasen  pflegte  man  früher  als  Toxine  (Fäulnis-  und  Leichen- 
gifte) zu  bezeichnen,  jedoch  ist  dieser  Name  in  neuerer  Zeit  auf  alle 
giftigen  Produkte  des  Bakterienlebens  ausgedehnt  worden,  unbekümmert 
um  ihre  chemische  Natur.  So  werden  auch  die  später  (York  XYII)  zu 
erw^ähnenden  Gifte  pathogener  Bakterien  als  Toxine  bezeichnet  (Diphtherie- 
toxin, Tetanustoxin  etc.). 

Für  den  Kreislauf  des  Stickstoffes  sind  die  Endprodukte  der  Fäulnis, 
freier  Stickstoff  und  Ammoniak  allein  wichtig*.  Bis  zn  ihnen  herab 
werden  allmählich  auch  alle  stickstoffhaltigen  Zwischenprodukte  der 
Fäulnis  zerlegt,  bei  längerer  Dauer  des  Prozesses  z.  B.  liefert  Leucin: 
Yaleriansäure,  Ammoniak,  Kohlensäure  und  W asserstoff ; Tyrosin  gab  bei 
Luftzutritt  Hydroparacumarsäure , Paraox3^phenylessigsäure , Parakresol, 
Phenol,  Ammoniak,  Kohlensäure;  ohne  Luftzutritt,  bei  anaerober  Fäulnis 
Indol,  Kohlensäure,  fYasserstolf. 

Die  Aufzählung*  der  Fäulnisprodukte  ist  durchaus  keine  vollständige, 
da  selbst  die  qualitative  Erforschung*  des  komplizierten  Yorganges  noch 
lange  nicht  abgeschlossen,  eine  quantitative  aber  ganz  unmöglich  ist.  So 
fehlt  es  durchaus  noch  an  Erfahrungen  darüber,  unter  welchen  Umständen 
das  eine  oder  das  andere  Zwischenprodukt  vorwiegend  auftritt. 

Genauer  bekannt  ist  nur  der  Einfluss  des  Sauerstoffes.®^)  Findet 
die  Fäulnis  aerob  statt,  so  verläuft  sie  oft  ganz  geruchlos,  weil  der 
Sauerstoff“  der  Luft  die  übelriechenden  Endprodukte,  wie  Ammoniak 
und  Schwefelwasserstoff  sogleich  oxydiert  unter  Bildung*  von  Nitraten 
und  Sulfaten.  Diese  Mineralisierung  geschieht  teilweise  ebenfalls  durch 
aerobe  Bakterien,  wie  die  Salpeterbakterien,  die  Schwefelbakterien. 


A.  Fischer,  Voiiesungeu  über  Bakterien. 


98 


Ferner  kommt  es  bei  aerober  Fäulnis  gar  nicht  zur  Ansammlung  der  stark 
stinkenden  Zwisclienprodukte,  wie  Indol,  Skatol.  Man  nennt  eine  solche 
Fäulnis  ohne  übermässigen  Gestank  gewöhnlich  Verwesung;  sie  findet 
statt  an  der  Oberfläclie  von  Düngerhaufen  und  Kadavern,  in  gut  durch- 
lüftetem Boden. 

Die  a 11  a e r 0 b e Fäulnis  führt  zunächst,  ebenso  wie  die  anaerobe  Gärung, 
nur  weniger  tiefe  Spaltungen  des  Eiweissmoleküles  herbei,  die  stinkenden 
ZAvischenprodukte,  Indol  und  Sk-atol  sowohl,  als  die  Amidokörpei’  (Leucin, 
Tyrosin  etc.)  häufen  sich  an  (z.  B.  in  den  Exkrementen),  dazu  kommt 
ferner,  dass  die  Endprodukte  nicht  sogleich  oxydiert  werden.  Hieraus 
folgt,  dass  die  anaerobe  Fäulnis  unter  heftigem  Gestank  verläuft,  wie 
Jeder  weiss,  der  ein  fauliges,  von  den  Zersetzungsgasen  aufgeblähtes  x\as 
aufsticht  oder  tiefere  Schichten  fauligen  Teichschlammes  heraufholt. 

So  hängt  der  Verlauf  der  Fäulnis  wesentlich  vom  Luftzutritt  ab, 
die  Endprodukte  sind  aber  schliesslich  die  gleichen:  freier  Stickstoff', 
Ammoniak,  Methan,  Kohlensäure,  Schwefelwasserstoff',  freier  Wasserstoff'. 
Auch  eine  menschliche  Leiche  fault  schliesslich  zu  diesen  Stoff'en  zu- 
sammen. 

Kurz  sei  noch  erwähnt,  dass  man  Vermoderung  die  Zersetzung  ei- 
weissarmer, aber  cellulosereicher  Pfianzensubstanz  nennt,  wobei  zahlreiche 
Huminkörper  entstehen.  Dieser  Vorgang  dessen  biochemischer  Charakter 
kaum  bestritten  werden  kann,  ist  auf  die  Einwirkung  von  Bakterien 
noch  nicht  genau  erforscht. 

Als  Fäulnisbakterie  par  excellence  galt  das  Bacterium  termo, 
nach  CoHxs  Beschreibung  ein  schwach  fluoresciereiides,  lebhaft  beweg- 
liches, kurz  eiförmiges  Stäbchen,  dessen  Zugehörigkeit  zu  einer  der  jetzt 
genauer  beschriebenen  Bakterien  arten  sich  nicht  bestimmen  lässt  (Fig.  22  a). 
Bacterium  termo  ist  jetzt  nur  noch  ein  Sammelbegriff'  für  in  faulenden 
Substraten  aiiftretende  bewegliche,  sonst  nicht  genau  untersuchte  Bak- 
terien. Was  jetzt  noch  unter  diesem  Namen  segelt,  kann  sehr  verschiedenes 
sein.  In  der  reichen  Bakterienflora  'D  einer  faulenden  Flüssigkeit 
wird  man  zunächst  zwei  biologische  Gruppen  von  Bakterien  zu  unter- 
scheiden haben,  echte  Fäulniserreger,  saprogene  Bakterien  und 
zweitens  saprophile,  die  nur  von  den  Produkten  der  ersteren  leben. 
Saprophil  sind  z.  B.  die  Schwefelbakterien  auf  dem  Teich-  und  Meeres- 
boden, wo  sie  die  fauligen  Massen  der  Pflanzenreste  überziehen,  ferner 
die  Salpeterbakterien,  wenn  sie  durch  Fäulnis  erzeugtes  Ammoniak  oxy- 
dieren. Die  Fähigkeit,  saprophil  zu  leben,  besitzen  überhaupt  sehr  viele 
metatrophe  Bakterien,  auch  pathogene,  auch  die  grossen  Spirillen  (Spirillum 
iindula)  des  Wassers.  Saprophile  Bakterien  sind  nicht  selbst  im  Stande, 
die  Eiweissmolekel  anzugreifen  und  zu  zerlegen.  Diese  Eigenschaft 
zeichnet  die  saprogenen  aus.  Wenn  man  alle  in  fauligen  Substraten 
erscheinenden  Bakterien  als  Saprophyten  bezeichnet,  so  ist,  wie  obige 
Auseinandei-setzung  wohl  gezeigt  hat,  damit  gar  nichts  gesagt. 

Saprogene  Eigenschaften  kennt  man  bei  einer  sehr  grossen 
Zahl  von  Bakterien,  die  bald  sehr  energische  Fäulniserreger  sind,  wie  der 
Bac.  vulgaris  (Proteus  Heuseii),  bald  nur  langsam  die  Eiweissmolekel 
zu  zerlegen  vermögen.  Spezifische  Fäulnisprodukte,  die  zur  Cliarakteristik 
der  einzelnen  saprogenen  Arten  dienen  könnten,  werden,  abgesehen  von 
einigen  Toxinen,  nicht  gebildet.  So  bilden  sämtliche  saprogene  Vibrionen 
(Fig.  22  h)^  nicht  bloss  clei’  Komabacillus,  ferner  der  Bacillus  coli  commune 
und  viele  andere  Bakterien  Indol  und  Schwefelwasserstoff'  u.  s.  w.  An 
diese  iiathogenen  Bakterien  mit  saprogenen  Eigenschaften  würden  sich 


99 


Am  biolog'isclieii  Gruppen  noch  anscliliessen  viele  fliiorescierencle  und 
Liclit  entwickelnde  Bakterien. 

Der  aus  Wasser  leicht  isolierbare  Bacillus  fl  u o r e s c e n s 1 i q ii  a e - 
faciens,  ein  lebhaftes  bewegliches  Stäbchen,  bildet  aus  Eiweiss : Pepton, 
Fettsäuren  und  andere  Fäiilnisprodukte;  ein  als  Bacillus  pntrificns  coli  früher 
beschriebenes  Stäbchen  ans  dem  Darm,  das  bei  der  Si)orenbildnng  kopfig 
anschwillt,  lieferte  Pepton,  Indol,  Skatol,  Amidokörper,  schliesslich  Am- 
moniak; ihm  ähnlich  verhält  sich  gegen  Eiweiss  und  Fleisch  der  Bacillus 
vulgaris  (Proteus  vulgaris)  nebst  Verwandten,  der  auch  reichlich  Toxine 
erzeugt.  Der  Bacillus  vulgaris  erscheint  fast  regelmässig,  wenn  man 
Fleischinfus  offen  stehen  lässt.  Er  ist  ein  schlankes,  1,5  — 4 (.l  langes, 
circa  0,5  breites  Stäbchen  mit  ausgesprochenem  Ketten  wuchs , sehr 
lebhaft  beAveglich  durch  zahlreiche  peritriche  Geissein.  Ihm  schliessen  sich 
als  morphologisch  kaum  trennbare  Verwandte  (Adelleicht  als  Bactridium 
Proteus  zu  vereinigen)  mit  stark  saprogenen  Eigenschaften  an : Bacterium 
Zopfii  Kurth  und  einige  andere,  die  insgesamt  von  Heuser  in  die  alte 
Gattung  Proteus  gestellt  Averden  Avegen  der  mannigfaltigen  Gestalt,  die 
ihre  Kolonieen  auf  Gelatine  annehmen.  Hier  bilden  sie  an  Pilzmycel 
erinnernde,  reich  verzweigte  Zoogloen  und  überspinnen  so  die'ganze  Gelatine- 
platte. Die  pilzähnlichen  Fäden  bestehen  aus  unregelmässig  zusain men- 
gelagerten, durch  Gallerte  vereinigten  Einzelindividuen  (Fig.  22d—h). 


Fig.  22.  FäulnisbaktGrien.  a Bactrillum  pSGUdotermO,  der  Uo/mscheu  Beschreibung  des 
alten  Bacterium  Termo  am  meisten  entsprechend,  b Vibrio  aus  fauligem  Wasser,  choleraähnlich, 
c Bacillus  urcaG , der  häufigste  Erreger  der  Harnfäulnis  und  wohl  dem  Micrococcus  ureae 
Pasteurs  entsprechend,  d—li  Bactridium  PrOtGUS  (Bacillus  vulgaris,  Bacterium  Zopfii,  Proteus 
vulgaris  etc.),  d peritriche  Stäbchen,  e spinnewebig  feinfädiger  oder  mycelartiger  Wuchs 
(Zoogloeal  auf  Gelatine,  ganz  schwach  (50  mal)  vergrössert,  / stärker  (300)  vergrösserte  gewundene 
Fäden  und  Fadenbänder  solcher  mycelartiger  Massen,  rj  schöner  Bänmchenwuclis  auf  Gelatine 
mit  knorrigen  und  wurstförmigen  Anschwellungen.  50  mal  vergrössert,  h Stücke  des  vorigen 
Bildes  300  fach  vergrössert,  um  die  A^erschlingung  der  Fäden  zu  den  Anschwellungen  der  mycel- 
artigen  Zoogloea  zu  zeigen.  Vergr.  a — d circa  1500,  e u.  >j  50,  / n.  li  300. 

Aber  auch  diese  scheinbar  siiecifischeii  Fäuliiiserreger  kann  man 
doch  nicht  als  exklusiv  ansehen,  etwa  Avie  die  Schwefel-  oder  die  Sal- 
peterbakterien, die  nur  eine  Art  des  Stoffwechsels  liaben  und  nur  dann 
gedeilien,  Avenn  er  sich  abspielen  kann.  Zu  den  saprogenen  Figenscliaften 
treten  z.  B.  bei  den  Proteusarten  aucli  zvinogene  hinzu,  sie  können  auch 

7* 


100 


Kolileliyclrate  unter  Gas-  und  Sänrebildiiiig-  vergäieii,  ebenso  der  Bacillus 
coli  coinmnne. 

Es  wird  noch  sehr  sorgsamer  chemischer  Versuche  mit  Eeinknltnreii 
bedürfen,  um  in  dieses  Chaos  von  Eigenschaften  bessere  Ordnung  zn 
bringen.  Dem  heutigen  Stande  der  Kenntnis  entspricht  es  Avohl  am 
besten,  Avenn  man  den  Begriff  des  Fänlniserregers  etAvas  Aveit  fast  und 
zn  ihm  alle  Bakterien  mit  saprogenen  Eigenschaften  rechnet,  gleichviel 
ob  auf  diesen  allein  die  Ernährung  beruht  oder  ob,  bei  anderem  Sub- 
strat, an  ihre  Stelle  andere  pleotrophe  Eigenschaften,  z.  B.  zymogene, 
eintreten  können. 

Sicher  ist,  dass  viele  Bakterien,  so  fast  alle  Kokken  und  sehr  Adele 
Farbstoff’bakterien  keine  saprogenen  Eigenschaften  besitzen. 

Die  saprogenen  Bakterien  können  Ehveisskörper  aller  Art  und  in 
jeder  morphologischen  Form,  als  Zellprotoplasma,  als  Mnskelfleisch,  in 
jedem  Organ  des  todteii  Organismus  zerlegen;  AvieAveit  die  saprogenen 
Eigenschaften  pathogener  Bakterien  bei  der  Krankheitserregnng  ein- 
greifen,  Avdrd  später  kurz  erwähnt  Averden. 

Aehnlich  Avie  das  frühere  Bacterinm  termo  als  einziger  Erreger  der 
Fäulnis,  wurde  der  von  Pasteur  entdeckte  Micrococcns  nreae,  ein 
kurzes,  fast  kugeliges,  imbeAvegliches  Stäbchen  (0,8  — 1,2  Durchmesser),  das 
meist  in  Pärchen,  aber  auch  in  Kettchen  Avächst,  als  der  spezifische  Er- 
reger der  sog.  fauligen  Gärnng  des  Harnes^^  ^^0  angesehen 
(Fig.  22  c).  Gesunder  menschlicher,  bakterienfrei  ansfliessender  Harn  ver- 
liert beim  längeren  Stehen  seine  saure  Eeaktion,  der  Harnstoff  hat  sich 
•durch  Hydratation  in  koblensaures  Ammon  iimgeAvandelt,  zu  dem  mit 
einigen  ZAvischenstufen  auch  die  Hippursäure  im  Harn  der  Pflanzen- 
fresser und  auch  die  Harnsäure  umgesetzt  Avird.  Der  Erreger  dieses  in 
den  Kreislauf  des  Stickstoffes  ebenso  tief  Avie  die  EiAveissfäulnis  ein- 
greifenden biochemischen  Prozesses  ist  zAvar  sehr  häufig  der  Micrococcus 
ureae  Pasteurs,  aber  doch  nicht  ausschliesslich.  Nahezu  60  (?)  verschie- 
dene Arten  mit  der  gleichen  Eigenschaft  sollen  in  Mist  und  Jauche  Vor- 
kommen, auch  der  Bacillus  vulgaris,  ferner  ein  fluorescierendes  Stäbchen 
gehören  hierher.  Unfähig,  den  Harnstoff  in  kohlensaures  Ammon  umzu- 
setzen, sind  z.  B.  der  Bac.  subtilis,  die  Erreger  des  Milzbrand,  JYphus 
und  Cholera,  die  Eiterkokken  und  auch  manche  saprogene  Bakterien. 
Umgekehrt  vermögen  die  Harnbakterien  nicht  EiAA^eiss  zu  zersetzen,  was 
bei  der  grossen  Verschiedenheit  des  Prozesses  nicht  zu  verAvundern  ist. 

Die  Keime  der  Harnbäkterien  finden  sich  überall  in  Mist,  Jauche, 
Erde,  Luft;  aller  Harn,  der  im  Freien  abgelassen  Avird,  verfällt  der  AVir- 
kung  dieser  Bakterien.  Wie  gross  die  Menge  von  Stickstoff“  ist,  die  durch 
sie  in  kohlensaures  Ammon  verAvandelt  und  so  zur  Nitrifikation  und  zu 
neuem  Kreislauf  durch  die  Pflanze  vorbereitet  Avird,  geht  daraus  hervor, 
dass  in  einer  Stadt  Avie  Leipzig  pro  Tag  ungefähr  4200  Kilo  Stickstoff 
in  menschlichem  Harn  entleert  Averden. 

Durch  die  geschilderten  Vorgänge  Avird  schliesslich  die  Hauptmasse 
alles  organisch  gebundenen  Stickstoffes,  auch  der  der  untergepflügten 
Gründüngungspfianzen  und  der  im  Boden  bleibenden  Ernterückstände  in 
Ammoniak  verwandelt,  neben  einer  geringen  Menge  freien  Stickstoffes.  Der 
letztere  ist  ohne  Aveiteres  den  Knöllchenbakterien  und  auch  andern  Boden- 
bakteiien  zugänglich,  der  xAmmoniak  stick  Stoff  aber,  auch  der  des  als 
Düngemittel  viel  angeAvandten  sclnvefelsaureii  Ammoniaks  der  Gasfabriken 
muss,  damit  er  für  die  stickstoftzehrenden  Pflanzen  brauchbar  Avird,in  Sali»eter- 
säure  übergeführt  Averden.  Dieser  Prozess  der  N i t r i f i k a t i o n galt  früher 


101 


für  eine  rein  clieinisclie  Ox3^(lation  diircli  den  Lnftsanerstoff,  bald  melirten 
sich  aber  die  Anzeiclien,  dass  ancli  liier  ein  biocheinisclier,  dnrcli  Bakterien 
vermittelter  Vorgang'  sich  abspiele.  Nach  zahlreichen  vergeblichen  Be- 
mnhnngen  Anderer,  diese  nitritizierenden  Bakterien  zn  isolieren  und  zn 
knltivieren,  gelang  es  endlich  dem  rnssischen  Naturforscher  AAhNOGRADSKY 
die  sonderbare,  vollkommen  prototrophe  Lebensweise  der  Salpeter- 
bakterien "“b  aufzndecken  und  sie  rein  zu  kultivieren.  Die  Wissen- 
schaft verdankt  diesen  Arbeiten  Winü(ii{adsky’s  nicht  bloss  die  Aufliellung 
der  Nitritikation  als  eines  biochemischen  Vorganges,  sondern  auch  zu- 
gleich Einblicke  in  die  einfachsten  Lebensbedingnngen  niederer  Orga- 
nismen. Ueberall  im  Ackerboden  und  in  nnknltivierter  Erde,  in  der 
oberen  Schicht  des  Düngerhaufens  sind  die  Salpeterbakterien  unermüd- 
lich thätig.  In  grossem  Maassstabe  werden  sie,  ohne  dass  man  sie  kannte, 
seit  Jahrhunderten  in  den  Salpeterplantagen  gezüchtet,  in  denen  man 
fänlnisfähiges  Material  (Dünger,  tierisclie  Abfälle  aller  Art,  Fell-  und 
Leimreste  n.  s.  w.)  mit  kalkreicher  Erde  vermengt  und  in  Hänfen  anf- 
schichtet. 

Die  grossen  Salpeterlager  Chiles  verdanken  ihre  Entstehung  der 
Thätigkeit  von  Salpeterbakterien  in  einer  früheren  Erdperiode,  im  Quartär, 
und  sind  Avahrscheinlich  durch  Zusammenschwemmnng  des  an  verschie- 
denen Orten  aus  faulenden  Organismen  gebildeten  Salpeters  in  den  regen- 
losen Küstenstrichen  entstanden. 

Die  Isolierung  der  Salpeterbakterien  ans  Ackererde  gelingt  nicht 
mit  den  üblichen  Peptonznckernährböden,  auf  denen  diese  bescheidensten 
aller  Bakterien  überhaupt  nicht  gedeihen.  Sie  verschmähen  jede  orga- 
nische Nahrung  und  sind  prototroph  im  wahrsten  Sinne  des  Wortes.  Um 
sie  zunächst  en  gros  zn  züchten,  bedient  man  sich  folgender  Nährlösung, 
die  man  mit  etwas  Erde  impft: 

1 1 Wasser, 

0,2  gr  Dikaliumphosphat, 

0,3  „ schwefelsanres  Magnesium, 

0,5  „ Soda  (oder  kohlensanres  Magnesium), 

0,5  Kochsalz, 


und  fügt  anfangs  nur  wenig,  vielleicht  20 — 50  mgr  schwefelsanres  Ammo- 
niak bei,  das  dann  später,  nach  8 Tagen,  durch  grössere  Gaben,  1 g, 
immer  wieder  ersetzt  wird.  Die  Nährlösung  bietet  als  einzige  Stickstotf- 
qnelle  das  Ammon  dar,  der  Kohlenstoff  wird  nicht  ans  der  Soda  oder  dem 
Magnesinmcarbonat,  die  nur  zur  Bindung  der  entstehenden  salpetrigen 
und  Salpetersäure  hinzugesetzt  werden,  entnommen,  sondern  aus  der 
Kohlensäure  der  Luft.  Das  Kochsalz  befördert  in  vorläufig  nnerklärlicher 
Wise  den  Prozess. 

Der  Ammon  Stickstoff’  wird  nicht  sofort  zu  Salpetersäure  ox^vliert, 
wie  man  früher  annalim,  sondern  zunächst  zu  salpetriger  Säure  und  diese 
dann  zn  Salpetersäure.  Der  Prozess  zerfällt  demnach  in  zwei  Teil- 
imozesse,  eine  Nitritbildung  aus  Ammoniak  und  eine  Nitratbildung  aus 
Nitriten.  Jeder  dieser  beiden  Prozesse  wird  von  besonderen  Bakterien 
durchgeführt , die  einen,  die  Nitrit  hak  terien , vermögen  nur  den 
Ammoniak  zu  salpetiiger  Säure  zu  verarbeiten,  die  anderen,  die  Nitrat- 
bakterien, die  letztere  zu  Salpetersäure.  Beide  Bakterienarten  kommen 
nebeneinander  im  Ackerboden  vor  und  da  nun  die  eine  sogleich  weiter 
verarbeitet,  was  die  andere  gebildet  hat,  so  liänft  sich  salpetrige  Säure 


102 


gar  nicht  an,  es  erscheint  ini  Boden  nur  das  Endprodukt  der  beiden 
Teilprozesse , die  Salpetersäure. 

Nur  im  Experiment  mit  reinen  Kulturen  lassen  sich  die  beiden  Vor- 


gänge getrennt  verfolgen,  beide  verlaufen  hier  ziemlich  langsam,  z.  B. 

Tage  alten  Kultur  täglich  00  mgr 


Avurden  in  einer  10 

Ammoniak  in  salpetrige  Säure  verwandelt 


in  einer 


schwefelsaures 
0 Wochen  alten 


Kultur  täglich  64  mgr  salpetrigsaures  Kali  in  Salpetersäure.  In  der 
freien  Natur,  avo  die  Salpeterbakterien  jedenfalls  unter  günstigeren  Bedin- 
gungen Avachsen,  die  das  Experiment  noch  nicht  ganz  glücklich  hat  nach- 
ahnieii  können,  dürfte  der  Prozess  schneller  verlaufen. 

Um  aus  der  oben  geschilderten  Rohkultur  die  beiden  Sorten  zu  iso- 
lieren, bediente  sich  Winogradsky  des  bekannten  Plattenverfahrens,  nur 
benutzte  er  als  feste  durchsichtige  Matrix  für  die  Nährlösung  nicht  Gela- 
tine, sondern  eine  Kieselgallerte,  über  deren  Herstellung  die  citierten 
Arbeiten  zu  vergleichen  sind.  Auch  sehr  sorgfältig  ausgeAvaschener  Agar 
ist  geeignet.  Für  die  Nitritbakterien  setzt  man  scliAvefelsaures  Ammon 
in  der  oben  angegebenen  Menge  der  Nährlösung  zu,  für  die  Nitratbakterien 
salpetrigsaures  Kali. 


Die  Nitritbakterien,  von  Winogeadsky  in  die  biologischen 
Gattungen  Nitrosococcus  und  Nitrosomonas  gestellt,  sind  teils  unbeAveg- 
liche  Kugelbakterien  bis  zu  3 ii  Durchmesser  (Nitrosococcus  aus  süd- 
amerikanischer  und  australischer  Erde),  teils  lebhaft  beAvegliche,  sehr 
kurze  ellipsoidische  Stäbchen  (Nitrosomonas).  Unter  den  letzteren  seien 
zAvei  x^rten  besonders  hervorgehoben:  Nitrosomonas  europaea  (Fig.  23g), 
überall  in  Erde  aus  Europa,  Afrika  und  Japan  gefunden,  0,9 — 1 /<  breit, 


f 


a. 


, J Fig.  23.  Salpeterbakterien  nach  WinofjradsTcy. 

^ a Nitrosomonas  europaea  (Nitritbakterien  von  Zürich ). 
b Nitrosomonas  javanensis  (Nitritbakterien  von  Java). 
c.  c Nitrobacter  (^Kitratbakterien  aus  Quito).  A^ergr.  1000. 


1,2— 1,8  f-L  lang,  mit  einer  kurzen  Cilie ; Nitrosomonas  javanensis  aus 
Buitenzorger  Erde  (Fig.  23/>),  fast  kugelig,  0,5— 0,6  Durchmesser  mit 

einer  bis  30  i-i  langen  Geissei,  der  längsten,  die  man  bisher  bei  Bakterien 
gefunden  hat.  Sporenbildung  ist  noch  nicht  beobachtet.  Die  Nitrit- 
bakterien trüben  die  Nährlösung  leicht,  solange  sie  gut  beAveglich  sind 
und  bilden  ausserdem  auch  Zoogloeu,  die  bei  Zugabe  von  kohlensaurem 
Magnesium  um  dessen  unlösliche  Kryställchen  sich  anhäufen,  die  Bak- 
terien fressen  sich  in  diese  säurebindenden  Stückchen  tief  hinein,  Avie  die 
Kalkflechten  ins  Gestein. 

Die  bis  jetzt  bekannt  geAvordenen  Nitratbakterien  (Nitrobac- 
ter,  Fig.  23  c)  sind  Avinzige,  unbewegliche  Stäbchen  (0,5  f.i  lang,  0,25  .g 
breit),  die  die  Nährlösung  gar  nicht  trüben  und  dünne  zarte  Häutchen 
auf  dem  Boden  und  an  den  Wänden  der  Kulturgefässe  bilden.  Sporen 
sind  auch  hier  noch  nicht  beobachtet. 

Alle  Salpeterbakterien  wachsen  nur  aerob,  Avas  bei  ihrer  oxydierenden 
AVirkung  nicht  zu  verAvundern  ist,  des  Lichtes  bedürfen  sie  aber  nicht, 
trotzdem  sie  die  Kohlensäure  der  Luft  assimilieren.  Das  ist  eine  der 
Avichtigsten  Entdeckungen  in  der  neueren  Physiologie,  Avorauf  schon 
früher  (p.  46)  liingeAviesen  Avurde.  ln  drei  A' ersuchen,  bei  denen  die  ur- 


sprüiisi'liclie  Nälirlösimo'  0 mg  Kolilensäure  als  kolileiisaures  Magnesium 
eiitliielt  , ergab  nacli  melireren  Wochen  die  Ernte  37,6,  26,  17,5  mg 
Kolilensäure,  die,  wie  Godlewski ’•*)  später  noch  besonders  bewiesen  hat, 
aus  der  Luft  anfgenommen  worden  war,  assimiliert  ohne  Licht  und 
Ohloroplpyll.  Der  Stickstolf  wird,  wie  schon  erwähnt,  dem  zu  oxydierenden 
Matei'ial,  dem  Ammoniak  oder  der  salpetrigen  Säure  entnommen,  ja  es 
wird  sogar  etwas  freier  Stickstolf  allgegeben.  Die  Bausteine  der  Leibes- 
substanz der  prototrophen  Salpeterbakterien  sind  also  die  einfachsten 
Verbindungen : Kohlensäure,  Ammoniak  oder  salpetrige  Säure  neben  den 
nötigen  Mineralsalzen,  gewiss  die  primitivste  Synthese  von  Eiweisskörpern, 
die  man  sich  denken  kann.  Die  Energiequelle  für  diese  Prozesse 
liefert  die  Oxydation  des  Ammoniaks  und  der  salpetrigen  Säure. 

Nicht  alle  Salpetersäure , die  durch  die  Bakterien  erzeugt  worden 
ist,  kommt  den  stickstoffzehrenden  Pflanzen  Avieder  zu  Gute,  da  im  Acker- 
boden und  im  Mist  auch  andere  Bakterien  Vorkommen,  die  das  tvieder 
zerstören,  was  die  einen  geschaffen  haben. 

Diese  nitratreduzierenden  Bakterien  können  einen  Verlust 
an  Salpeterstickstoff'  zwar  hervorrufen , zu  gefährlich  für  die  Landwirt- 
schaft sind  sie  aber  nicht.  Wenigstens  ist  vorläufig  keine  Angst  nötig; 
dagegen  trübt  natürlich  diese  Denitrifikation  ^0  ausserordentlich  das 
glatte  und  klare  Bild,  welches  man  vom  Kreislauf  des  Stickstoffes  sich 
zu  entAverfen  pflegt. 

Es  sind  schon  mehrere  Arten  solcher  reduzierender,  natürlich  anae- 
rober Bakterien  aus  Mist  kultiviert  Avorden.  Sie  wuchsen  in  einer  Nähr- 
lösung, die  0,3  Natronsulfat,  0,3  ^/o  Zucker  und  die  nötigen  Salze  ent- 
hielt. Von  dem  dargeliotenen  Stickstoff  Avurden  82,7  in  elementarer 
Form  aufgefangen,  bei  einer  anderen  Art  sogar  99%,  der  Best  diente 
zum  Autbau  der  Leibessubstanz. 

Wie  diese  Bakterien  das  Widerspiel  der  Salpeterbakterien,  so  sind 
die  desulfurierenden  das  der  ScliAvefelbakterien.  Aus  Kloaken  und 
schmutzigen  Gräben  ist  ein  solcher,  ebenfalls  anaerober  Organismus 
(Spirillum  desulfuricans)  bekannt,  der  aus  schAA^efelsauren  Salzen 
ScliAvefelAvasserstoff  bildet.  Eine  vollständig  abgeschlossene  Lebens- 
geschichte dieses  Spirillum  fehlt  aber  noch."^) 

Es  ist  Avohl  anzunehmen,  dass  ähnliche  biochemische  Prozesse  auch 
sonst  noch  in  der  Natur  sich  abspielen,  die  Mineralchemie  Avird  den 
Bakterien  ihre  Aufmerksamkeit  schenken  müssen.  Vielleicht  Avird  es 
sogar  gelingen,  prototrophe  Bakterien  aufzufinden,  die  den  Silicaten  zu 
Leibe  gehen.  Darüber  Aveiter  nachzudenken,  mag  dem  Leser  selbst  über- 
lassen bleiben. 


XII. 


Die  Bakterien  und  der  Kreislauf  der  Kohlensäuie. 


1.  Einleitung-,  Eermentuin  yivuni  und  Enzym,  Rassen  der  Gärungs- 
erreger,  Yergärung  toii  Alkoholen  und  Säuren,  optische  Spaltungen. 


Die  einzige  Ivohlenstolfqiielle,  aus  der  alle  Organismen  unmittelbar 
oder  mittelbar  schöpfen,  ist  die  Kohlensäure  der  Luft,  in  deren  Kreislauf 
die  Bakterien  nicht  weniger  tief  und  vielseitig  eingreifen,  wie  in  den 
des  Stickstoffes.  Wie  bekannt,  können  die  Tiere  nicht  selbst  die  Kohlen- 
säure in  organische  Verbindungen  überführen,  sie  sind  in  ihrem  Kohlen- 
stoffbedarf auf  die  Versorgung  durch  die  Pflanzen  angewiesen.  Unter 
diesen  vermögen  nur  die  gefärbten,  die  grünen  Land-  und  Wasserpflanzen 
und  die  grünen,  roten  und  braunen  Algen  des  süssen  Wassers  und  des 
Meeres  die  Kohlensäure  der  Luft  zu  assimilieren  und  bedürfen  dazu  der 
Energie  des  von  ihren  Farbstoffen  absorbierten  Sonnenlichtes.  Die  einzige 
Ausnahme  von  diesem  Gesetz  bilden  von  allen  Organismen  nur  die 
prototrophen  Salpeterbakterien.  Die  zahlreichen  organischen  Verbin- 
dungen ohne  und  mit  Stickstoff,  die  die  Pflanzen  ans  der  Kohlensäure 
der  Luft  autbauen,  sind  die  Grundlagen  für  alles  tierische  Leben  auf 
der  Erde.  Die  Zurückgabe  des  organisch  gebundenen  Kohlenstottes  als 
Kohlensäure  in  die  Atmosphäre  verbürgt  allein  den  Fortbestand  alles 
Erdenlebens.  Für  diese  Befreiung  der  Kohlensäure  sorgen  zum  Teil  alle 
lebenden  Organismen,  dÜere  und  Pflanzen,  schon  selbst  durch  die  Atmung, 
wobei  die  von  der  Pflanze  mit  Sonnen energie  beladene,  organisch  ge- 
bundene, Kohlensäure  ihrer  Energie  zur  Unterhaltung  des  Lebens  beraubt 
und  an  die  Atmosphäre  znrückgegeben  wird. 

Alle  andere  Kohlensäure  aber,  die  nicht  ausgeatmet  wird  und  beim 
Aufbau  des  Körpers  in  organischen  Verbindungen  festgefahren  worden 
ist,  wird  erst  nach  dem  Tode  eines  Organismus  durch  dessen  Zersetzung 
befreit.  Soweit  der  Kohlenstoft*  mit  Stickstoff  zusammen  zu  Eiweiss- 
körpern und  anderen  auf  p.  96  n.  97  genannten  Stoffen  vereinigt  ist.  ent- 
weicht er  als  Kohlensäure  bei  der  Fäulnis.  Die  zahllosen  stickstottfreien 
Verbindungen  des  Tier-  und  Pflanzenkörpers  aber,  wie  Kohlehydrate 
(Ziickei-,  Stärke,  Cellulose),  (Bykoside,  ein-  und  mehrwertige  Alkohole, 
organische  Säuren  und  Fette  sind  nicht  fänlnisfähig;  sie  Averden  durch 


105  ■— 


die  Gärung  zersetzt,  Avobei  Kolileusäure  scliliesslicli  das  Endi)rodiikt  ist. 
Einscliräiikeud  sei  bemerkt,  dass  über  die  Vergärung’  Aaju  Glykosiden 
keine,  über  die  biocliemisclie  Spaltung’  der  Fette nur  orientierende  Ver- 
suclie  Aaudiegen , nach  denen  einige  Bakterien,  Avie  der  ClioleraAubrio, 
Typlinsbacillns , der  Bacillus  pyocyanens,  OliA^enöl  und  Rinderfett  in 
Glycerin  und  Fettsäure  zerlegen  und  dadnrcli  gärfäliig  machen. 

Die  Gärungen  sind  in  der  Natur  noch  vei’breiteter  Avie  die  Fäulnis 
und  arbeiten  mit  dieser  zusammen  an  der  Zerstörung  aller  abgestoi’benen 
Tiere  und  Pflanzen,  ferner  dienen  sie  auch  zur  Bereitung  zahlreicher 
Nahrungs-  und  Genussmittel  (saure  Milch,  Käse,  Sauerkraut,  Brot,  Alkohol] 
und  sind  gefürchtet  als  Verderber  Amu  Milch,  Butter,  AVein,  Bier  u.  s.  av., 
endlich  greifen  sie  bald  helfend,  bald  schädigend  auch  in  viele  technische 
Prozesse  ein.'^'^) 

Ueber  den  Begriff  der  Gärung  (Fermentatio)  gehen  die  An- 
sichten sehr  auseinander,  bald  bezeichnet  man  als  Gärung  jede  „durch  die 
Lebensthätigkeit  von  Pilzen  hervorgerufene  Zersetzung  oder  Umsetzung 
von  Substanzen  mannigfaltiger  Art“  ( Anm.  77  p.  24)  und  rechnet  dann  auch 
die  Fäulnis,  die  Nitrifikation  und  Ox3Tlation  des  ScliAvefehvasserstofles,  kurz 
alle  biochemischen  Prozesse  dazu.  Von  einer  solchen  Auffassung  aus  ist 
es  nur  noch  ein  kleiner  Schritt,  um  auch  das  lieben  des  Menschen  als 
eine  Gärung  aufzufassen.  Meiner  Ansicht  nach  ist  eine  engere  Um- 
grenzung des  Begriffes  sowohl  der  Klarheit  als  auch  seiner  historischen 
und  sprachlichen  EntAAdcklung  Avegen  erforderlich.  Als  Gärung  soll  hier, 
nach  dem  Beispiele  AÜeler  Autoren,  die  biochemische  Zersetzung  stickstoff- 
freier organischer  A'erbindungen,  besonders  der  Kohlehydrate  durch  be- 
sondere Gärungserreger,  Fermentorganismen,  bezeichnet  Averden. 

Bedingungen  für  die  Gärung  sind  ausser  dem  löslichen,  gärungs- 
fähigen Material  noch  die  nötigen  Nährstofle,  vor  allem  auch  eine  be- 
sondere Stickstoffquelle,  ferner  geeignete  Temperatur  und  Feuchtigkeit, 
genau  Avie  bei  der  Fäulnis.  Obgleich  man  lange  Avusste,  dass  ein  ge- 
AA’isses  EtAAms,  das  Fermentum,  zu  der  Lösung  hinzukommen  muss,  damit 
Gärung  eintritt,  so  gelang  es  doch  erst  Pasteur’'),  nachzuAveisen,  dass 
jede  Gärung  von  einem  Ferm  ent  um  vivum,  einem  lebenden  Organis- 
mus, erregt  wird,  nicht  von  einem  chemischen  Ferment,  einem  Enz  y m , 
Avie  man  früher  vermutete. 

Den  Enzymen’®),  chemischen  vom  lebenden  Organismus  erzeugten 
pern  und  den  Gärungs  er  regem  gemeinsam  ist  die  beschränkte 
Fähigkeit,  spezifische  Umsetzungen  hervorzurufen,  aber  immer  nur  eine 
bestimmte,  eng  umgrenzte  und  keine  andere.  Und  weiter  stimmen 
das  chemische  Ferment  und  das  lebende  darin  überein,  dass  die  eigen- 
artigen Prozesse,  die  sie  scheinbar  ohne  besonderen  EnergieaufAAnnd 
hervorrufen,  die  Avie  von  selbst  sich  abspielen,  im  Laboratorium 
nur  durch  heftige  AVirkungen,  hohe  Temperatur  oder  starke  chemische 
Eingriffe  oder  bis  jetzt  überhaupt  nicht  nachzuahmen  Avaren.  Endlich 
drittens  verscliAvindet  Aveder  das  Enzym  noch  das  Fermentum  vivum, 
Avie  sonst  ein  chemischer  Körper  bei  einer  Reaktion  in  einer  neuen  A^er- 
bindung  verscliAvindet,  das  zugesetzte  Etwas  kann  eine  sein  eigenes  Ge- 
Avicht  hundert-  und  tausendfach  übertreffende  Stoffmenge  in  spezifischer 
AVeise  verändern.  So  vermögen  Avir  zwar  Stärke  durch  Kochen  mit  Salz- 
säure zu  verzuckern,  in  der  Pflanze  besorgt  das  scheinbar  ohne  An- 
strengung ein  Enzym,  die  Diastase,  die  aber  nur  diese  Leistung,  keine 
andere  zu  verrichten  vermag,  Avährend  man  durch  Kochen  mit  Salzsäure 
eine  Unzahl  chemischer  Reaktionen  ansführen  kann ; so  kann  man  Alilcli- 


106 


säure  aus  Zucker  durcli  Erwäriueii  mit  Alkalien  lierstelleiij  die  Milcli- 
säurebakterieu  leisten  dasselbe  durcli  eine  Gärung',  krnmeii  aber  uiclit 
Buttersäure  bilden.  Alkohol  aus  Zucker  zu  erzeugen,  ist  im  Laboratorium 
überhaupt  noch  nicht  gelungen. 

Der  grösste  Unterschied  aller,  der  zwischen  Enzymen  und  Gärungs- 
orgauismeu  besteht  iiutl  viele  kleinere  Gegensätze  bedingt,  ist  der,  dass 
die  Gärungserreger  wachsen  und  sich  vermehren  in  dem  Maasse,  als 
ihnen  gärfähiges  Material  und  Nahrung  geboten  wird,  dass  aber  das 
Enzym  das  nicht  vermag.  Es  ist  und  bleibt  eben,  trotz  mancher  an 
lebende  AVesen  erinnernden  Eigenschaften,  ein  lebloses  Produkt  von  aller- 
dings leicht  zerstörbarer  Konstitution,  die  es  aber  mit  den  Eiweisskörpern, 
denen  es  auch  sonst  nahe  steht,  teilt.  In  AA'asser  gelöste  Enzyme  werden 
schon  durch  kürzeres  Erwärmen  auf  50—60",  die  Tötungstemperatur 
sporenfreier  Zellen,  also  auch  aller  Gärnngserreger,  unwirksam,  manche 
vertragen  mehr.  Gegen  Gifte  sind  die  Enzyme  viel  weniger  empfindlich, 
ihre  AVirkungeu  dauern  ungeschwächt  an,  wenn  arsenige  Säure,  Phenol, 
Salycilsäure , Chloroform  etc.  in  solcher  Yerdünnung  beigesetzt  werden, 
dass  die  Gärungserreger  gehemmt  werden.  Chloroform  scheint  einige 
Enzyme  aber  doch  bald  zu  beeinträchtigen. 

Sehr  gross  endlich  ist  der  Unterschied  in  der  chemischen  AYirkung. 
Die  Enzyme  rufen  nur  sog.  hydroljTische  Prozesse  hervor,  d.  h.  sie  ver- 
Avandeln  durch  AA^asseranlagerung  unh'isliche  Körper  in  Avasserlösliche, 
allerdings  mit  neuer  chemischer  Konstitution,  aber  ohne  Nelienprodukte, 
ohne  Gasentwicklung;  es  findet  eine  glatte,  durch  Formeln  ausdrückbare 
Umsetzung  statt.  So  verwandelt  Diastase  durch  AYasseranlagerung 
1 Molekel  Stärke  in  1 Molekel  Traubenzucker  (Cj3Hjo05  -p  HoO 
= CßH^._>0(.),  in  gleicher  AYeise  das  Invertin,  ein  Enzym  der  Bierhefe 
1 Molekel  Eohrzucker  in  je  1 Molekel  Glukose  und  Fruktose  (Cj.iHooO]! 
-[- HoO  ==  CßHjoOß  + CßH^oOß).  Das  Pepsin  des  Magens  verwandelt  die 
unlöslichen  Ei  weisskörper  in  lösliche  Albumosen  und  Pepton^.  Ganz  anders 
arbeiten  die  Gärungsorganismen,  sie  i’ufen  tief  gehende  Zersetzungen  hervor, 
es  bilden  sich  ein  oder  auch  einige  Hauptprodukte,  gewöhnlich  auch  Gase 
und  Nebenprodukte.  Deshalb  ist  es  nicht  möglich,  eine  kurze  chemische 
Formel  für  die  Gärung  aufzustellen,  etwa 

OßHioOß  2 ChH,0  -f  2 CO, 

Glukose  Alkohol  Kohlensäure 

für  die  Alkoholgärung  — , oder 

+ 2 CO,  + 4 H 

Buttersäure  Kohlensäure  AYasserstolf 

für  die  Buttersäuregärung,  denn  es  würden  zahlreiche  sjiäter  zu  erwähnende 
Nebenprodukte  fehlen.  Da  Kohlensäure  fast  bei  jeder  Gärung  als  gas- 
förmiges Hauiitprodukt  erscheint,  so  liezeichnet  man  die  Gärungen  nach 
dem  anderen  Hauptprodukt,  wie  oTiige  Beispiele  schon  gezeigt  lialieu.  Ein 
Nebenprodukt  der  einen  Gärung,  z.  B.  die  Essigsäure  bei  der  Alkohol- 
gärung, kann  Hauptprodukt  einer  anderen  sein. 

Für  Gärungserreger  braucht  mau  oft  auch  den  Ausdruck  Hefe  und 
unterscheidet  dann  genauer  als  Spalthefe,  die. Gärungsbakterieu,  als 
S p r 0 SS  h e f e,  die  Sprosspilze  (Saccharomyces),  die  Erreger  der  alkoholischen 
Gärung  des  Zuckers,  im  täglichen  Gebrauch  schlechthin  Hefe  genannt, 
und  endlich  die  Schimmelliefe,  Schimmelpilze,  die  nur  ausnahmsweise 
eingreifen,  z.  B.  die  Mucorhefe  als  ATrunreinfgung  des  AVeines. 


107 


sog.  Scliimnielliefen  (Aspergillusliefe),  die  in  China  und  Japan  zur 
g-  des  Eeisweines  (Sake),  zur  Herstellung  der  Sojasance  ver- 


Die 

Bereitung 

Avendet  Averden,  Avirken  nur  durch  Enzyme,  Avährend  mit  ihnen  A^er- 
gesellschaftete  Sprosshefen  z.  B.  hei  der  Sakehereitnng  die  alkoholische 
Gärung  A^ermitteln.  Aehnlich  sind  im  Eagi,  der  „Hefe“  der  Arak- 
fabrikation,  mit  einem  Sprosspilz,  der  den  Alkohol  bereitet,  auch  noch 
Schimmelhefen,  besonders  eine  Mucorinee  (Ehizopus  Oryzae)  vermischt, 
die  durch  diastaseähnliche  Enzyme  die  Eeisstärke  verzuckern  und  so 
den  Sprosspilzen  zugänglich  machen. ( 'itronensäurebildnng  durch  Schim- 
melpilze, auch  technisch  veiAvertet,  Avürde  Aveiterhin  zu  nennen  sein.*  ' 


Als  Pasteur  nacliAvies,  dass  die  meisten 


Gärungen 


durch  Bakterien 


hervorgerufen  Averden.  standen  ihm  die  kunstvollen  Methoden,  die  Avir 
jetzt  als  selbstverständlich  hinnehmen,  noch  nicht  zu  Gebote,  die  Unter- 
scheiduug  naheverAAmndter  Arten  Avar  unmöglich.  So  Avar  es  zunächst 
ausreichend,  für  jede  Gärung  einen  spezifischen  Erreger  vorauszusetzen, 
ein  Bacterium  aceti  als  den  der  Essigsäuregärung,  ein  Bact.  butyricum 
(Vibrion  butyrique)  für  die  Buttersäuregärung  u.  s.  av.  ; so  unterschied 
man  auch  bis  zu  Hansees  uimvälzeuden  Forschungen  nur  Avenige  Species 
von  Sprosshefe,  den  Saccharomyces  cerevisiae  der  Bierbrauerei,  den  Sacch. 
ellipsoideus  der  Weinbereitung  und  einige  andere.  Heute  unterscheidet 
man  hunderte  von  Heferassen  der  alten  Species  Saccharomyces  cere- 
visiae und  ebenso  der  Weinhefe.  Bei  diesen  technischen  Gärungen,  die 
so  alt  sind  AAÜe  die  menschliche  Kultur,  hat  sich  an  den  Avinzigen,  Jahr- 
tausende lang  unbekannten  Gärungsorganismen  dasselbe  vollzogen,  Avas 
AA’ir  an  unseren  Kulturpflanzen  und  -tieren  absichtlich  hervorzurufen  uns 
bemühen : Eassenbildung.  So  leicht  es  nun  ist,  die  Eassen  unserer  Kultur- 
pflanzen zu  unterscheiden,  so  scliAver  ist  es,  Merkmale  herauszufinden  für 
die  morphologisch  scliAver  oder  gar  nicht  trennbaren  Heferassen.  Es 
müssen  hier  physiologische  Merkmale,  Avie  Verhalten  zur  Temperatur 
(verschiedenes  Optimum),  spezifische  Gärtüchtigkeit,  Art  und  Mischungs- 
verhältnis der  Nebenprodukte  und  vieles  andere  herangezogen  Averden; 
die  Eassenunterscheidung  ist  keine  leichte  Aufgabe.  Auch  darf  man  nicht 
übersehen,  dass  die  Eassenbildung  unausgesetzt  fortgeht,  dass  alte  Eassen 
ausstei'ben,  neue  unter  anderen  Betriebsbedingungen  an  ihre  Stelle  treten. 
VJe  schnell  in  doch  verhältnismässig  kurzer  Zeit  Kulturrasseu  entstehen 
können,  zeigt  schon  die  Modeliebhaberei  der  Blumenzucht  (Chrysan- 
themum), zeigt  die  Kartoffel  mit  über  500  durch  Gestalt  und  Farbe, 
Stärke-  und  EiAveissgehalt,  Geschmack  und  anderes  unterschiedenen  Eassen, 
die  alle  erst  durch  die  allgemeine  Weltkultur  dieser  Pflanze  in  2 — 3 Jahr- 
hunderten entstanden  sind.  Wie  die  Sprosshefe  sind  auch  viele  Bakterien 
Erreger  von  Gärungen  uralter  Kultur,  z.  B.  bei  der  Käsebereitung, 
bei  der  Essiggärung,  auch  hier  sind  viele  Eassen  entstanden,  die  im  Inter- 
esse der  LandAA'irtschaft  in  besonderen  Laboratorien  rein  gezüchtet  Averden. 

Es  kommt  aber  noch  hinzu,  dass  mehrere,  auch  morphologisch  Avohl 
trennbare  Bakterienarten  gleiche  zymogene  Eigenschaften  besitzen; 
nicht  einen,  sondern  schon  10 — 12  Erreger  der  Milchsäuregärung,  der 
Buttersäuregärung  kennt  man,  mehr  oder  Aveniger  genau  allerdings.  Da 
die  Beschreibungen  nicht  immer  mit  der  gleichen  Sorgfalt  l)earbeitet  sind, 
so  giebt  es  sicher  jetzt  mehr  Speciesnamen  für  Gärungsbakterien  als 
Avirkliche  Arten,  ein  Labyrinth,  aus  dem  auch  der  Faden  der  Ariadne 
nicht  heraushilft.  Ich  muss  mich  deshalb  in  der  folgenden  Besprechung 
auf  einige  Avenige  Arten  beschränken,  ebenso  kann  ich  nicht  näher  auf 
eine  Beschreibung  der  Eassen  eingehen.  Einige  Gärungsbakterien  können 


108 


aucli  patliogeiiv werden,  so  zAvei  anaerobe  Bnttersänrebakterien  des  Erd- 
bodens, von  denen  die  eine  den  Eansclibrand  (Bacillus  Cliaiivoeij,  die 
andei’e  das  maligne  Oedein  liervorrnft.  Auch  der  vielgenannte  Bacillus 
coli  coinmnne  vergärt  Traiibenzncker  und  zwar  in  jMilclisänre,  Bernstein- 


Fig.  24.  Gärungsbakterien,  a — c Essigbakterien  nach  E.  Clir.  Hansen,  a BacilluS  aceti. 
b Bac.  Pasteurianus,  c Bac.  Kütiingianus.  d Bac.  acidi  lactici,  häufigster  Erreger  der 
Milchsäuregärung,  e CloStridium  butyricum,  einer  der  anaeroben  Erreger  der  Buttersäuregärung, 
mit  Granulosereaktion,  rechts  Spore  im  spindeligen  Stäbchen,  f Plectridium  paludosum  anaerobe 
Gärungsbakterie  aus  Sumpfwasser,  in  der  Form  den  Methanbakterien  und  einigen  Buttersäure- 
bakterien entsprechend.  Vergr.  a—f  1000. 


Säure,  Aetli^d-  und  Propylalkobol,  Kohlensäure.  Die  meisten  Gärnngs- 
bakterien  sind  aber  harmlos,  was  bei  der  Unzahl,  die  Avir  täglich  davon 
in  Milch  und  Käse  und  anderen  Nahrungsmitteln  in  uns  aufnehmen,  zur 
Beruhigung  dienen  Avird. 

Gut  zu  übersehen  ist  der  Chemismus  nur  bei  den  sog.  Oxv- 
d at ionsgär nn gen,  zu  denen  die  Essiggärung  gehört.  Hier 
Avird  mit  Hilfe  des  Lnftsanerstoffes  der  Alkohol  zunächst  zu  Alde- 
hyd und  Wasser,  das  Aldehyd  dann  zu  Essigsäure  oxydiert  und  schliess- 
lich Avird  diese,  wenn  der  Prozess  nicht  unterbrochen  Avird,  sogar  zu 
Kohlensäure  und  Wasser  verbrannt,  entsprechend  den  drei  Formeln: 


C,R,0  -pO  =CoH40  + H.,0 

Aldehyd 

Cb  H4  0 -|- 0 Essigsäure 

CÖH4O.3  +40  = 2CO.,  + 2HoO. 


Diese  Gärung  schliesst  sich  also  eng  dem  Atmnngsprozesse  und  ähn- 
lichen Oxydationswirkungen  der  Salpeter-  und  ScliAvefelbakterien  an.  Sie 
Aveicht  von  den  andern  Gärungen  auch  durch  das  Fehlen  von  Nebenpro- 
dukten ab.  In  den  Kreislauf  der  Kohlensäure  greift  die  Essiggärung  aber 
ebenso  ein,  Avie  die  andern  Gärungen,  die  sog.  Spaltungsgär u ngen. 
Ihr  Chemismus  Avird  durch  zahlreiche  Nebeii])rodukte  sehr  verdunkelt 
und  ist  noch  für  keine  genau  festgestellt.  Einiges  darüber  Avird  die 
Theorie  der  Gärungen  bringen  (Vorl.  XIV). 

Unter  den  Gärungen  eiiiAvertiger  Alkohole  hat  die  schon 
erAvähnte  Essiggärung  des  Aethyl  alkoh  oles  ^-)  allein  praktische 
Bedeutung.  Alkoholhaltige  Flüssigkeiten,  Avie  Bier,  Wein,  bedecken  sich 
bei  längerem  Stehen  an  der  Luft  und  Avarmer  Temperatur  mit  einer 


109 


zarten,  weissliclieii  Haut  und  werden  sauer.  Die  Haut  l)estelit  aus 
Essig'bakterien,  jedoch  nicht  immer.  Zuweilen  liat  sicli  statt  ilirer  der 
sog.  Kalimpilz,  eine  Sprosshefe  (Saccharomyces  Mycoderma)  eingetunden, 
die  den  Alkohol  sofort  zu  Kohlensäure  und  Wasser  oxydiert,  was  die  hlssig- 
bakterien  langsam  mit  der  länger  der  Oxydation  widerstehenden 
Zwischenstufe  der  Essigsäure  endlich  auch  thuii.  In  Flüssigkeiten  mit 
mehr  als  14  Alkohol  vernuigen  die  Essigbakterien  nicht  zu  wachsen.  Die 
alte  Species  Bact.  aceti  ist  durch  Hanseks  Untersuchungen  in  drei  Arten 
zerlegt  worden:  Bacillus  aceti,  Bac.  Pasteurianus  und  Bac.  Kützingianus 
(Fig.  24u— c).  Morphologisch  stehen  die  drei  Arten  einander  sehr  nahe, 
es  sind  unbewegliche,  mittelgrosse  Stäbchenbakterien,  die  zu  Kettenwuchs 
neigen  und  in  der  Essighaut  als  lange  gewundene  Ketten,  untermischt 
mit  Einzelzellen  sich  zusammenlagern.  Durch  ihr  Verhalten  gegenüber 
maximaler  Temperatur  und  einige  feinere  Abweichungen  der  Gestalt  sind 
sie  wohl  zu  unterscheiden,  auch  die  Färbung  der  Gallerthülle  mit  Jod 
ist  anzuführen.  Der  Bacillus  aceti  wird  rein  gelb  gefärbt,  bei  den  beiden 
andern  aber  färbt  sich  die  Gallerthülle,  die  der  Essighaut  festen  Halt 
giebt.  bläulich,  der  Zellkörper  selbst  gelb.  Ob  ein  Kohlehydrat  vor- 
liegt. muss  solange  zweifelhaft  bleiben,  so  lange  die  Zusammensetzung 
der  Membran,  deren  äussere  verquollene  Schichten  die  blau  sich  färbende 
Gallerte  liefern,  selbst  zweifelhaft  ist.  Aus  Cellulose  soll  sie  nicht  be- 
stehen. 

Das  Optimum  der  Essiggärung  liegt  bei  34  Minimum  4 — 7 ", 
Maximum  42 ".  Durch  Annäherung  an  das  Maximum , in  Kulturen 
bei  40 — 40,5"  bilden  die  drei  Essigbakterien  mannigfach  gestaltete  Tn- 
volutionsformen  (Fig.  14  c,  d,  pag.  26).  Die  Grenzen  der  Nachbarzellen 
werden  undeutlich,  die  einzelnen  Glieder  schwellen  kugelig  oder  bim- 
förmig oder  gestreckt  spindelig  auf,  auch  kurze  Seitenäste,  ähnlich  wie  bei 
Bakteroiden,  entstehen  an  den  verschlungenen  und  gewundenen  Fäden.  Die- 
selben vielgestaltigen  Involutionen  bilden  sich  auch  bei  optimaler  Tempe- 
ratur, sobald  der  Essigsäuregehalt  eine  gewiss 
üebelbeiinden  der  Bakterien  hervorruft,  die  endlich  bei  ca. 
säure  ganz  zu  wachsen  aufhören  und  schliesslich  absterben.  Um  ihre 
Thätigkeit  noch  an  einem  speziellen  FalPO  vorzuführen,  sei  erwähnt, 
dass  Bacillus  Pasteurianus  in  125  cbcm  eines  Lagerbieres,  das  3,7  Volum- 
prozent Alkohol  enthielt,  bei  34®  C.  nach  7 Tagen  4,2  g Essigsäure 
gebildet  hatte.  Der  Alkohol  war  ganz  verschwunden  und  allmählich  ging 
auch  infolge  weiterer  Oxydation  die  Essigsäure  zurück.  In  einer 
Parallelkultur  war  nach  21  Tagen  nur  noch  0,7  g davon  nachzu weisen. 

Die  technische  Essigfabrikation  muss  demnach,  um  Verluste  möglichst 
zu  vermeiden,  den  gebildeten  Essig  immer  zur  rechten  Zeit  ab  fangen, 
damit  er  nicht  weiter  verbrannt  wird.  In  jeder  Essigfabrik  besteht  die 
sog.  Essigmutter,  der  Gärungserreger,  aus  den  geschilderten  Essigbakterien, 
von  denen  wahrscheinlich  noch  viele  Kulturrasseii  gezüchtet  werden. 
Die  gebräuchlichsten  Methoden,  die  noch  aus  einer  Zeit  stammen,  als 
man  die  Essigbildung  nur  für  eine  Wirkung  der  Luft,  d.  h.  ihres  Sauer- 
stoffes hielt,  zielen  deshalb  darauf  ab,  die  alkoholische  Flüssigkeit  mög- 
lichst mit  der  Luft  in  Berührung  zu  bringen,  entweder  in  grossen  Fässern 
oder  bei  der  Schnellessigfabrikation  dadurch,  t 
liohe  Schichten  eng  zusammengerollter  Hobelspähne 
fliesst.  Der  bessere  Zutritt  der  Luft  befördert  ja  in  dei 
Essigbildung,  aber  nur  mittelbar  dadurch,  dass  er  die  auf  den  Hobel- 
spähnen  wachsenden  Essigbakterien  reichlich  umspült.  Als  Essiggut, 


Höhe  erreicht  und  ein 
14®/o  Essig- 


die  Flüssigkeit  durch 
langsam  hindurch- 
That  die 


110 


(1.  li.  zu  vergärende  alkoliolisclie  Flüssigkeit  kann  Beeren-  und  Obst- 
wein, dünner  Branntwein,  kurz  dünner  Alkoliol  jeder  Herkunft  ver- 
wendet werden.  Nur  verleiht  die  Art  des  Essiggntes  dem  Essig  stets 
noch  einen  besonderen  Geschmack  durch  die  von  der  Gärung  niclit  ver- 
änderten Bestandteile.  Als  Nebenprodukt  entstellt  Essigsäure  bei  der 
Fäulnis  und  zahlreichen  Gärungen,  z.  B.  Alkohol-,  Milchsäure-,  Butter- 
säuregärung etc. 

In  alkoholfreien  Substraten  gedeihen  selbst  bei  bestem  Nährstoff  die 
Essigbakterien  nicht,  den  Stickstoff  vermögen  sie  auch  Ammonsalzen  zu 
entnehmen,  im  Essiggut  wird  er  ihnen  stets  in  Protein  stoffen  geboten. 
Ob  der  Alkohol  als  einzige  Kohlenstoffquelle  oder  nur  als  Energielieferant 
nnentbehrlich  ist,  bedarf  noch  weiterer  Prüfung.  Andere  Vergärungen 
einwertiger  Alkohole  sind  zwar  noch  nicht  beschrieben,  kommen  aber 
sicherlich  vor. 

G ä r u 11  g mehrwertiger  Alkohole® bewirkte  ein  aus  Schaf- 
mist isoliertes,  bewegliches,  einzeln  oder  in  Ketten  wachsendes  Stäliclien, 
der  Bacillus  e t h a c e t i c u s.  Nach  3 Monaten  waren  aus  60  g Gl3xerin 
gebildet : 

7,52  g Aethylalkohol, 

3,88  g Essigsäure, 

0,06  g Bernstein  säure, 

Spur  Ameisensäure, 

Kohlensäure  und  Wasserstoff, 

unzersetzt  waren  24,19  g Glycerin  geblieben.  Dieselbe  Bakterie  zer- 
setzte Mannit  in  ähnlicher  Weise,  nicht  den  isomeren  Diilcit.  Auch  der 
sog.  FniEDLÄNDER’sche  Kapselbacillus  der  Pneumonie  vergärt  Mannit  zu 
den  gleichen  Produkten,  nicht  Dulcit. 

Ein  anderer,  ebenfalls  aus  Mist  isolierter,  dem  vorigen  ähnlicher 
Bacillus  (ethacetosuccinicus)  vergor  sowohl  Mannit  als  Dnlcit,  und  zwar 
waren  in  85  Tagen  in  Kulturen  mit  den  nötigen  Nährstoffen  und  8 g 
gärfähiger  Substanz  gebildet  worden; 


aus  Dulcit 

Mannit 

Aethylalkohol 

1,011  g 

1,03  g 

Ameisensäure 

0,128  „ 

0,263  „ 

Essigsäure 

0,322  „ 

0,308  „ 

Berstein  säure 

0,264 

0,29  „ 

Kohlensäure 

1,05  „ 

la  „ 

Wasserstoff 

0,04  .,  . 

0,03  ,, 

un vergorener  Rest 

2,62  „ 

3,2  ,, 

Die  genaue  Analyse  ist  interessant,  da  sie  die  Hanptprodnkte  Aethyl- 
alkohol- und  Kohlensäure  deutlich  gegenüber  den  allerdings  sehr  reich- 
lichen  Nebenprodukten  hervortreten  lässt.  Ferner  sei  besonders  darauf 
liingewiesen,  dass  Aethylalkohol,  dessen  Bereitung  fast  als  Monopol  der 
Sprosspilze  gelten  könnte,  doch  auch  durch  Bakterien  gebildet  werden 
kann,  z.  B.  ausser  der  genannten  auch  uocli  von  einer  ans  Heninfus  ge- 
wachsenen Art  (Bac.  Fitzianns). 

Glycerin  kann  noch  in  verschiedene  Produkte  durch  Bakterien 
vergoren  Averden,  man  kennt  Butylalkoliol,  Buttersäure  als  Haui)tpro- 
dukte  (Bacillus  ortliobutylicus,  Vorl.  Xlll). 


111 


Als  Beispiele  für  G ä r u n <>’  e n v o n F e 1 1 - ii  n d C a r b o ii^s  ä u reu. 
als  neutrale  Salze  dar^eboten,  seien  fol^^’ende  erwähnt.  Die  Essigsäure 
wird  durch  ihre  Erzeuger  selbst,  durcli  die  Essigbakterien  zu  Koldensäure  und 
AVasser  weiter  verarbeitet.  Die  AVeinsänre  (Rechtsweinsäure)  des  AVeines 
zertällt  durch  verschiedene  Bakterien  in  mehrere  Fettsäuren,  z.B.  Ameisen- 
säure, Essigsäure,  Proi)ionsäure  und  Buttersäure,  daneben  Beriisteinsäiire 
und  Alilchsäure.  Auf  der  Eimvirkung  derartiger,  freilich  noch  nicht  ge- 


nau untersuchter  Bakterien  beruht  zum 


grossen 


Teil  die  Säureabnahme 


des  AVeines  beim  Lagern,  auch  eine  AA^einkrankheit,  das  sog.  Umschlagen 
wird  vorwiegend  hierauf  zurückzuführen  sein. 

Aehnlicli  verhält  es  sich  mit  der  Apfel  säure  im  Apfelwein,  die  in 
Essigsäure,  Propionsäure,  Buttersäure,  Koldensäure  und  AVasserstolf  zer- 
legt wird.  Zersetzungen  ähnlicher  Art  sind  ferner  bekannt  für  Citronen- 
säiire,  Bernsteinsäure  und  andere;  in  allen  diesen  Fällen  fehlt  noch  die 
bakterio-chemische  Anal3^se.  Die  Alilchsäure,  selbst  ein  Produkt  zahl- 
reicher Gärungen  von  Kohleh}^draten , wird  durch  Buttersäurebakterien 
(A^orl.  XIII)  in  Buttersäure,  Kohlensäure  und  AVasserstotf  vergoren. 

Sehr  merkwürdige  optische  Sp al tungen  ^'^)  von  inaktiven,  das 
polarisierte  Licht  nicht  drehenden  Säuren,  die  aus  gleichen  Teilen  rechts- 
und  links  drehenden,  sog.  stereo-isomeren  Säuren  zusammengesetzt  sind, 
werden  gleichfalls  von  noch  nicht  rein  kultivierten  Bakterien  bewirkt. 
So  wird  aus  dem  Ammonsalz  der  optisch  inaktiven  Traubensäure  nur  die 
Linksweinsäure  in  nachweisbaren  Mengen  frei,  die  ihr  entsprechende 
Alenge  Rechts  Weinsäure  dagegen  wird  von  den  Bakterien  verbraucht. 
Aehnlicli  wirken  auch  Schimmelpilze.  Auch  die  inaktive  Milchsäure  und 
Alandelsäure  lassen  sich  biochemisc]i  in  ihre  optisch  aktiven  Komponenten 
zerlegen.  In  diesen  Fällen  handelt  es  sich  nur  scheinbar  um  eine  tiefer 
gehende  chemische  Spaltung,  in  AATrklichkeit  wird  nur  der  eine  der 
beiden  aktiven  Bestandteile,  die  ja  neben  einander  in  der  Lösung  sich 
finden,  verarbeitet.  Es  ist  nur  ein  elektiver  Stoftwechselprozess.  So  wird 
z.  B.  von  einem  Schleim  bildenden  Bacillus  die  Fumarsäure  verbraucht, 
die  ihr  stereoisomere  Maleinsäure  nicht. 

In  die  gleiche  Gruppe  von  Erscheinungen  gehört  auch,  dass  eine  Rasse 
des  Bacillus  coli  commune  aus  Traubenzucker,  je  nach  der  Stickstoft- 
({uelle,  optisch  verschieden  reagierende  Alilchsäure  erzeugt.  Bei  phosphor- 
saurem Ammon  entsteht  Linksmilchsäure,  bei  Peptonnahrung  dagegen 
Rechtsmilchsäure,  während  die  gewöhnlich  bei  Gärungen  sich  bildende 
Gärungsmilchsäure  optisch  inaktiv  ist. 

Die  Thatsachen  müssen  einstweilen  so  hingenommen  werden,  eine 
Erklärung  ist  nicht  möglich.  Die  stereochemischen  Hypothesen,  mit 
denen  die  neuere  Chemie  diesen  isomeren  Verbindungen  gerecht  zu  werden 
versucht,  sind  vorläufig  nicht  geeignet,  den  biochemischen  Vorgang 
unserem  A^erständnis  näher  zu  rücken. 


/ 


XIII. 


Die  Bakterien  und  der  Kreislauf  der  Kolilensäiire. 


2.  Bakterien gäriiii gen  von  Kohlehydraten. 


In  der  ganzen  Natur  verbreitet  ist  die  Mil cli säuregär iing.  die 
nicht  bloss  in  dem  Molkereibetrieb  eine  grosse  Rolle  spielt,  sondern  auch 
in  viele  andere  Prozesse  eingreift,  bald  als  unentbehrlicher  Gehilfe,  bald 
als  gefürchteter  Eindringling,  Vei’gärungsfähig  sind  Traubenzucker,  Rohr- 
zucker, Milchzucker;  andere  Zuckerarten,  wie  Malzzucker  und  Kohle- 
hjulrate,  wie  Stärke,  Cellulose  müssen  erst  durch  Enzyme  in  die  gärungs- 
fähige Form  übergeführt  werden  und  hierzu  würde  die  Beiwirkuug  anderer 
Organismen  nötig  werden,  da  die  Milchsäurebakterien  solche  EnzAune  nicht 
ausscheiden. 

Die  Milchsäuregärung  ist  ein  aerober  Prozess , dessen  Optimum 
zwischen  30 — 35  liegt,  für  gewisse  Arten  bei  47 — 52  und  der  nur 

dann  längere  Zeit  andauert,  wenn  durch  Zusatz  von  kohlensauren  Salzen, 
z.  B.  kohlensaurem  Kalk  die  gebildete  Säure  neutralisiert  wird.  Denn 
schon  0,15  % freie  Milchsäure  genügt,  um  die  Gärung  zu  unterbrechen. 
Das  wichtigste  Produkt  ist  die  sog.  Gärungsmilchsäure,  die  optisch  in- 
aktive oder  Aethylidenmilchsäure,  in  die  gegen  80%  des  vergorenen 
Zuckers  verwandelt  werden;  daneben  entstehen  dann  in  wechselnden 
Mengen  Essigsäure,  optisch  aktive  Milchsäuren  und  andere  Nebenprodukte, 
auch  Kohlensäure. 

Eine  sehr  grosse  Zahl  von  Bakterien  besitzt  die  Fähigkeit,  ]\Iilch- 
säiire  aus  Zucker  zu  bilden,  so  fast  alle  Vibrionen,  auch  der  der  Cholera, 
ferner  der  rote  Bacillus  prodigiosus,  Bakterien  aus  dem  Milchkot  der 
Säuglinge,  Sarcinaarten  der  Brauereien  und  viele  andere.  Neben  diesen 
haben  wir  aber  nocli  die  ständigen  Erreger  der  Milchsänregärnng  zu 
unterscheiden,  d.  h.  diejenigen,  die  im  landwirtschaftlichen  Betrieb  die 
Säurung  der  Milch  spontan  hervorrufen  und  früher  als  Bacterium  acidi 
lactici^*^)  bezeichnet  wurden.  Auch  diese  S})ecies  ist  hinfällig  geworden, 
seitdem  man  eine  grössere  Zahl  aus  saurer  Milch  isoliert,  bald  die  eine, 
bald  die  andere  als  Hauptsäuerer  gefunden  hat.  Sehr  häulig  sind  un- 
bewegliche, 1 — 2 u lange,  0,5  l)reite  Stäbchen  (Sporen  nnbekannt),  die 
die  Gelatine  nicht  verflüssigen,  auch  fakultativ  anaerob  wachsen  (Fig.  24(/). 


Sie  i>’elieii  unter  verscliiedeiieii  Naineii,  wie  l^acillus  aero^>’eiies,  Bacillus 
acidi  lactici  etc.  und  stellen  einander  sein'  nahe,  sind  Rassen  von  viel- 
leicht mir  einer  nrsprnno-lieheii  Art.  Man  kann  sie  als  die  ty])isclien 
Erreger  der  Milclisänreg-ärnng-  bezeichnen.  Zwischen  ihnen , zuweilen 
in  gTOssen  l\rassen  tinden  sich  auch  kugelige  oder  sehr  kurz  ellijisodische 
Bakterien  der  IVlilchgerinnnng.  Endlich  ist  es  sicher,  dass  die  Milch- 
sänregärnng,  die  z.  B.  in  den  Brennereien  der  Alkoholgärnng  vorans- 
geschickt  wird,  nicht  durch  dieselben  Bakterien,  wie  die  Säuernng  der 
Milch,  besorgt  wird,  sondern  durch  grössere  Stätichen  (Bacillus 
acidificans  1 ongissimns),  die  circa  1 breit  und  über  2,5  lang 
sind.*^')  Kurz  die  Zahl  der  Milchsänrebakterien  ist  gross,  die  Artuin- 
grenznng  auch  hier  sclnvierig. 

Es  wird  sich  verlohnen,  die  vielseitige  Bedentnng  der  Milchsäure- 
gäriing  noch  an  einigen  Beispielen  genau  zu  schildern. 

1.  IMilch  und  Molkereiprodnk te.^^5  Die  Kuhmilch  mit  neu- 
traler Reaktion,  4 — 5'*/,»  Milchzucker,  4^7o  Casein  und  0,7  "/„  der  er- 
forderlichen IVrineralsalze  ist  ein  ausgezeichneter  Nährboden  ihr  Bakterien 
aller  Art  und  enthält  auch,  wenn  sie  znin  Verkauf  gelangt,  stets 
sehr  viele  Bakterien,  deren  Zahl  natürlich  von  der  Reinlichkeit  beim 
Melken  und  der  weiteren  Behandlung  ausserordentlich  beeinflusst  wird 
und  deshalb  zwischen  weiten  Grenzen  schwankt.  Es  werden  zwischen 
100 — 6000000  Keime  und  noch  mehr  pro  Knbikcentimeter  angegeben. 
Die  Sterilisation  der  Milch,  besonders  der  Kindermilch,  ist  daher  zu  einer 
Hani)t-  und  Staatsaktion  geworden,  die  verschiedensten  Apparate  hat 


man  erdacht,  um  sie  so 


gründlich 


wie  mögdich  vornehmen  zu  können. 


Immer  bleiben  aber,  selbst  nach  1 V.>  ^tündigem  Kochen  im  SoxLETHSchen 
Apparat  noch  einige  unverwüstliche  Sporen  zurück,  eine  vollständige 
Sterilisierung  erscheint  ohne  Veränderung  der  Milch  unmöglich.  Da  nnn 
die  Hauptmasse  der  Milchbakterien  sporenfreie  Zellen  sind,  die  schon  in 
kurzer  Zeit,  durch  5 — 10  Minuten  langes  Kochen  sicher  getödtet  werden, 
so  kehrt  man  allmählich  zu  dem  altbewährten  Verfahren  der  Hausfrau 
in  der  guten  alten  Zeit  zurück  und  stellt  dann  die  abgekochte  Milch 
hübsch  kühl,  damit  die  nicht  getödteten  Sporen  nicht  auskeimen  können. 

Neben  den  weitaus  vorherrschenden  Milchsäurebakterien  sind  immer 
auch  Labfermentbakterien,  oft  auch  vereinzelte  Keime  chromogener  und 
schleimbildender  Bakterien  in  der  Marktmilch  zu  Anden.  Da  die  Ver- 
unreinigung durch  pathogene  Bakterien gefährlich  werden  kann,  so 
hat  man  auch  experimentell  ihr  Verhalten  in  der  Milch  geprüft.  Die 
Bakterien  des  Tj^phus,  Milzbrandes  und  Rotzes,  der  Tuberkulose,  Di- 
phtherie und  Cholera  wachsen  sehr  gut,  ohne  auffällige  Veränderungen 
im  Aussehen  der  Milch  hervorzurufen,  wie  man  es  ja  auch  einer  frischen 
Marktmilch  nicht  ansieht,  dass  sie  Millionen  von  Bakterien  enthält.  Erst 
nach  längerer  Zeit  wird  die  Milch  verändert,  sie  gerinnt  infolge  der 
Säiirebildung;  der  Milzbrandbacillus  bildet  Essigsäure  und  Caprousäure. 
Ob  in  die  Milch  kranker  Kühe,  abgesehen  von  nachträglicher  Verun- 
reinigung, pathogene  Bakterien  übergehen,  ist  noch  nicht  für  alle  Fälle 
sicher  gestellt,  bei  tuberkulösen  (perlsüchtigen)  Tieren  ist  es  sicher 
beobachtet. 

Die  Säuerung  der  Milch  zur  Bereitung  der  Sauermilchkäse  wird  durch 
die  schon  genannten  Milchsäurebakterien  veranlasst,  infolge  der  Säure- 
bildung fällt  das  (-asein  aus,  die  Milch  gerinnt.  Dasselbe  wird  auch 
(Labkäsebereituug)  durch  das  Lab,  ein  Enzym  aus  dem  Labmagen  des 
Rindes,  ohne  Säurebildung  erreicht.  Das  so  oder  so  ausgefällte  Casein 

A.  Fischer,  Vorlesungen  über  Bakterien.  ^ 


114 


von  der  Milelifliissig-keit  (Molke)  befreit,  liefert  den  (J>nark  und  Briicli,  die 
Masse  zur  Käsebereitnng’. 

Zahlreiclie  Mi  1 cli  kran  kb  ei  t en  sind  das  AVerk  von  Bakterien.  8o 
kommt  es  nicht  selten  vor,  dass  die  Milch,  auch  ohne  sauer  zu  werden, 
s])ontan  gerinnt,  sog*.  Labfermentbakterien,  die  das  gleiche  Enzym  ab- 
scheiden wie  dei’  Labmagen,  sind  besonders  im  Käse  (Tyrothrix-Ai-ten)  ge- 
funden worden.  Oft  wird  Milcb  durch  eine  grosse  Zahl  von  Pigment- 
l)akterien  gefärbt,  so  entsteht  rote  Milch  durch  Einnistung  des  Bacillus 
prodigiosns.  ferner  einer  Sarcina,  blaue  Milch  bildet  der  harmlose  Bacillus 
cyaiiogenus,  ein  kleines  beAvegliches  Stäbchen,  das  auf  dem  Agar  je  nach 
den  Nährstoffen  bald  in  leicht  blaugrauen,  bald  schön  dunkelblauen  Belagen 
Avächst.  Auch  aus  gelber  Milch  sind  mehrere  Pigmentbakterien  gezüchtet 
Avorden.  Die  bunte  Milch  ist  zugleich  auch  mehr  oder  Aveniger  sauer  ge- 
worden. Schleimige  fädenzieheiide  Milch  ist  eine  Folge  der  später  zu 
schildernden  Schleimgärung.  Bitter  Avird  Avie  Milch  endlich  besonders 
durch  Pepton,  das  von  Bakteiien  mit  selir  Aviderstandsfähigen  Sporen 
(p.  113)  gebildet  AAÜrd. 

Die  Butter  enthält  immer  viel  Bakterien,  z.  B.  eine  IMünchener 
Molkereibutter  in  1 Gramm  6—25  Millionen,  die  auch,  da  die  Butter  immer 
noch  7-2 — IVe'Vo  Milchzucker  und  auch  sonst  die  nötigen  Nährstoffe  enthält, 
Veränderungen  hervorrufen  können  durch  Bildung  von  Milch-  und  Butter- 
säure. Die  Butter  schmeckt  dann  scharf  und  ranzig,  jedoch  ist  ihr  Ranzig- 
Averden  vorAviegend  eine  rein  chemische  Oxydation  des  Butterfettes  zu 
Fettsäuren  (Buttersäure,  auch  Milchsäure)  durch  den  Luftsauerstoff,  oft  ge- 
fördert durch  das  Tageslicht.  Das  eigenartige  Aroma,  Avas  manche  Butter- 
arten besonders  schmackhaft  macht,  hat  man  auch  als  ein  Produkt  be- 
sonderer Bakterien , der  sog.  Aromabakterien , erkannt , die  bereits  in 
Molkereilaboratorien  rein  gezüchtet  und  dem  frischen  Butterfette  zu- 
gesetzt AA^erden.^*^) 

Ein  sehr  verAAdckelter  und  in  seine  Einzelphaseu  sehr  schwer  zer- 
legbarer Vorgang,  der  durch  ein  buntes  Gemenge  von  Bakterien  hervor- 
gebracht Avird,  ist  die  Reifung  des  Käses ‘^^),  der  daher  stets  unge- 
heure Mengen  von  Bakterien  enthält.  In  einem  Gramm  Hauskäse  fand 
inan  5—6  Millionen,  in  einem  Gramm  ScliAveizerkäse  gegen  1 Alillion 
Keime,  in  anderen  Sorten  noch  viel  mehr.  Neben  den  Bakterien  Averden 
bei  der  Bereitung  des  Roquefort  noch  Schimmelpilze  (Penicillium  glaucum) 
mit  schimmeligem  Brot  in  die  Käsemasse  gebracht,  sie  bilden  die  be- 
kannten grünen  Nester;  in  anderen  Fällen  Avirken  andere  Schimmelpilze 
(Oidium  lactis)  und  aiicli  Sprosspilze  mit. 

Nicht  alle  Bakterien  des  Käses  tragen  in  gleichem  AFaasse  zu 
seiner  Reifung  bei ; viele  sind  nur  wirkungslose  Ansiedler  auf  dem  günstigen 
Nährsubstrat,  andere  bestimmeu  vielleicht  nur  feine  Nuancen  im  Ge- 
schmack, andere  endlicli  verrichten  die  Hauptarbeit.  Zu  den  letzteren 
gehören  die  Milch-  und  die  Buttersäurebakterien,  Avährend  die  speziell 
als  Käsebakterien  (Tyinthrix  Duclanx)  beschriebenen,  den  Heubazillen 
ähnlichen  Arten  nicht  die  grosse  Rolle  spielen,  die  ihnen  anfangs  zu- 
geschrieben wurde.  AVie  scliAvierig  es  ist,  den  Anteil  jeder  Sorte  zu  be- 
stimmen, wird  schon  daraus  einleuchten,  dass  in  einem  Käse  nicht  Aveniger 
als  19  verschiedene  Bakterienarten  und  daneben  noch  3 Si)rosspilze  ge- 
funden AAUirden,  in  anderen  die  Flora  sogar  noch  reichhaltiger  ist  und 
ansseixlem  in  den  verschiedenen  Stadien  der  Käsereifung  Avechselt.  So 
erklärt  es  sich,  dass  trotz  zahlreicher  und  soi'gfältiger  Arbeiten  die  Bio- 
cliemie  des  Käses  ei'st  zu  wenigen,  Aviderspruclislosen  Resultaten  gelangt 


115 


ist.  Selbst  die  qualitative  Zusauniieusetziiiig’  der  Jväsearteii^  sclnvaiikt 
ausserordeutlicli,  (lie  (luantitative  Analyse  uiiiss  liier  einstweilen  ebenso 
wie  bei  der  Fäulnis  der  Znknnft  überlassen  bleiben.  Als  Beisjiiel  sei 
erwähnt,  dass  reifer  Fninienthaler  Käse  enthält:  Milchsäure,  Bnttersänre, 
Bencin,  dATOsin,  Phenylaniidopropionsänre,  Aniinoniak,  ferner  (hsein,  teils 
nnverändert,  teils  als  Avasserlüsliche  Albnniosen,  endlich  Milchfett  und 
natnrli(*h  noch  vieles  andere,  z.  B.  Fettsäuren  (Essigsäure,  Valeriansänre). 
Der  frische  Quark  und  Bruch,  die  ürniasse  des  Käses,  enthält  drei  Haupt- 
bestandteile, durch  deren  Yerändernngen  der  Käse  reift:  1.  Kohlehydrat: 
^niclizncker,  2.  EiAA'eisskörper : (Aisein  und  Paracasein,  8.  Fett.  Der  Milch- 
zucker Avird  schon  anfangs  dnrcli  Milchsänrebakterien  und  bald  auch 
durch  Bnttersänrebakterien  zersetzt,  ausser  den  hierbei  entstehenden  Säuren 
Avird  auch  Kohlensäure  und  freier  Wasserstolf  gebildet,  die  sich  in  der 
Käsemasse  sammeln,  sie  blähen,  ihre  „Lochung“  bewirken.  Das  Casein 
Avird  zunächst  in  albnnioseähnliche  Körper  (unzutreffend  als  Caseoglntin 
bezeichnet)  durch  Enzyme  der  Bakterien  iimgeAvandelt  und  zerfällt  znm 
Teil  später  in  d\vrosin,  Leucin,  Phenylaniidopropionsänre,  Ammoniak. 
Echte  Fänlnisprodnkte,  Avie  Indol,  Skatol,  treten  nicht  auf,  sodass  die 
Zersetzung  des  Caseins  nur  als  eine  fänlnisälinliche  betraclitet  werden 
kann,  bei  der  auch  Fettsäuren  entstehen.  So  nimmt  während  der  Reifung 
die  ]\[enge  des  nnzersetzten  Caseines  mehr  und  mehr  ab  und  ist,  Avenn 
der  Käse  „durch“  ist  und  zu  laufen  anfängt,  Avohl  ganz  verscliAvnnden. 
Welche  Bakterien  diesen  Hanptprozess  der  Käsereifnng,  die  Unnvandlnng 
des  Caseins  besorgen,  ist  noch  nicht  sicher  gestellt.  Fett  Avird  ans 
Chsein  nicht  gebildet;  das  schon  in  der  frischen  Käsemasse  enthaltene 
Bntterfett  Avird  zunächst  Avenig  angegriffen  und  erst  in  sehr  alten  Käsen 
scheint  es  reichlich  in  Glycerin  und  Fettsäuren  zerspalten  zu  Averden. 
Die  beiden  Avichtigsten  Umsetzungen,  die  sich  Avährend  der  Käsereifnng 
abspielen,  sind  demnach  die  Yergärnng  des  Milchzuckers  und  die  Zer- 
legung des  Caseins. 

Ein  weiteres  Produkt  der  Milch,  der  Kefir,  ein  schwach  alkoholisches, 
stark  schäumendes  Getränk  ans  Kuh-  oder  Stutenmilch,  entsteht  durch  das 
ZusammeiiAvirken  von  Milchsänrebakterien  und  einem  Sprosspilz  (Saccharo- 
myces). Beide  zusammen  bilden  die  Kefirkörner  des  Handels,  die  seit 
Alters  her  in  den  Kankasnsländern  gebrauchten  Erreger  der  Kefirgärung. 
Der  Sprosspilz  vermag  mit  einem  besonderen,  ihm  eigentümlichen  Enzym 
(Lactase)  den  Milchzucker  in  Traubenzucker  zu  verwandeln  und  zu  Alkohol 
und  Kohlensäure  zu  vergären;  die  Milchsänrebakterien  verleilien  durch 
ihre  Produkte  (Milchsäure)  dem  Getränk  den  säuerlichen  Geschmack  und 
sorgen  für  eine  sehr  feinfiockige,  leicht  verdauliche  Fällung  des  Caseins. 
Als  Nebenprodukte  der  kombinierten  Kefirgärung  sind  noch  zu  nennen 
Essigsäure,  Bernsteinsäui’e.‘^  Q) 

2)  Im  Br  eu  ne  reibe  trieb  ®-)  hatte  man  früher  sehr  die  EntAvick- 
lung  von  Buttersäurebakterien  zu  fürchten,  deren  Sporen  bei  der  Be- 
reitung der  Hefemaische  aus  Grünmalz,  trotz  zAveistüiidigem  ErAvärmen 
auf  70  natürlich  nicht  getödtet  werden.  In  der  Praxis  kam  mau  schliess- 
licli  zu  der  Einsicht,  dass  ein  gewisser  Säuregrad  der  Maische  diese  ge- 
fürcliteten  Buttersäurebakterien  unterdrücke,  ohne  die  Sprosshefe  zu 
schädigen.  Die  genauere  Verfolgung  dieser  Erfahrung  ergab,  dass  die 
Hefemaisclie  durcli  Milchsäurebakterien  gesäuert  Avird.  Mau  schickt 
uiiiimehr  eine  solche  Milclisäuregärimg  durch  den  grossen  Bacillus  acidi- 
ficans  der  Aufzuclit  der  Hefe,  die  st)äter  iii  die  grossen  Gärbottiche  als 
Aussaat  geschüttet  Averden  soll,  voraus  indem  man  die  Hefemaische  mit 

8* 


11() 


Reinkulturen  der  Sänrebildnei*  impft  und  l)ei  50",  dem  0])timnm  für 
diese  Milclisäni’ebakteiien,  hält.  Ks  entwickelt  sich  reichlich , bis  zn 
1 Milchsäure,  die  die  Bnttersänrebakterien  vollkommen  zniäickdräng’t. 
Diese  erliegen  ausserdem,  da  ihr  Optimum  circ.a  40"  ist,  bei  der  hohen 
Temperatur  überhaupt  sclion  dei’  Konkurrenz  der  J\lilchsäurel)akterien. 

J)iese  wichtige  Anwendung  der  Milchsänregärung  wird  vielfach  ver- 
diüiigt  durch  eine  weit  einfachere  Bekämpfung  der  Bakterien  mit  dem 
K V V IM)  N T ’ s c h e n F 1 u s s s ä n r e v e r f a h r e n.  Die  S])rossliefen  sind  an 
lind  für  sich  gegen  Säure  überhaupt  viel  weniger  em])tindlich  als  Bak- 
terien lind  vertragen  auch  geringen  Fliisssäiirezusatz.  da  man  kann  durch 
fortgesetzte  Kultur  mit  steigendem  Fliisssäuregehalt  die  Sprosshefe  an  so 
hohe  Beigaben  von  Flusssäiire  geAVölmen,  dass  dadurch  die  Bakterien  auf 
ein  unschädliches  Minimum  zurückgedrängt  oder  ganz  unterdrückt  werden. 
Man  kann  die  Alkoholhefe  in  wenigen  Monaten  bis  an  dO  g Fluss- 
säure im  Hektoliter  Maische  gewöhnen,  10  g genügen  schon,  um  die 
Bakterien  zu  beseitigen.  Auch  andere  Gifte  sind  noch  ansprobiert  worden, 
so  scheint  das  Formaldehyd  fast  nocli  vorteilhafter  zu  sein,  als  die  Flnss- 
säiire.  lieber  elektrische  Sterilhaltung  vergleiche  p.  69. 

3.  Verderben  von  Getränken  und  Nahrungsmitteln 
durch  Milchsäuregärung  kommt  oft  vor.  Das  Umschlagen  des  Bieres, 

über  7 "/„  geschützt  ist,  beruht  auf 


das  erst  bei  einem  Alkoliolgehalt  von 
der  Wirkung  von  Milchsäurebakterien,  die  das  Bier  mehr  und  mehr  trüben 
und  ihm  einen  widerlichen  Geschmack  verleihen.  Ziehender  Wein  ent- 
hielt bis  über  2 "/„  Milchsäure,  die  von  Bakterien  aus  dem  Fruclitzucker 
gebildet  worden  war.  Dieser  „Stich“,  Milclisäurestich,  ist  zAvar  nicht 
selten,  aber  doch  weniger  häiilig  als  der  Essigstich,  der  durch  Essig- 
säurebakterien erzeugt  Avird.  Gekochte  Gemüse  Averden  sehr  oft  durch 
Milchsäurebakterien  „sauer“,  hierbei  greift  auch  die  Buttersäuregärung  ein. 

4.  F u 1 1 e r b e r e i t u n g s a r t e n ^•"),  Avie  Braunheu,  Sauerfutter,  Grün  - 
jiressfutter  (SAveet  ensilage)  gründen  sich  auf  Milchsäuregärung,  durch 
die  das  Futter  soAvohl  haltbar  als  auch  schmackhafter  gemacht  Avird. 
Auch  das  Sauerkraut  wäre  hier  anzuschliessen.  Neben  der  Milchsäure- 
gärung Avirkt  in  allen  diesen  Fällen  auch  die  folg-ende  mit. 


II.  Die  Buttersä  uregärung, 


ein  vonviegend  streng 


anae- 


rober Prozess,  dessen  Bedeutung  für  die  allgemeine  Theorie  der  Gärung 
die  nächste  Vorlesung  behandeln  Avird,  ist  nicht  minder  in  der  Natur 
verbreitet  Avie  die  Milchsäuregärung.  Man  kann  sich  auf  verschiedene 
Weise  leicht  eine  freilich  nicht  ganz  reine  Bnttersäuregärnng  verschaffen, 
die  dann  zur  Reinzüchtung  der  anaeroben  Erreger  unter  luftleeren  oder 
mit  einem  indifferenten  Gas  (Wasserstoff)  gefüllten  Glocken  dienen 
kann.  Es  genügt  z.  B.,  einige  Erbsen  in  eine  zuckerhaltige  Nähr- 
lösung zu  Averfeii,  den  Glaskolben  mit  einem  Kork  zu  verschliessen  und 
durch  ihn  ein  Gasableitungsrohr  zu  führen,  das  in  einem  daneben  stehenden 
Glase  unter  Wasser  ausmündet.  Bei  30—40"  tritt  in  1 — 2 Tagen  eine 
lebhafte  Gärung,  ein,  starke  GaseutAvicklnng  und  Geruch  nach  Butter 


säure.  Nach  einer  andern  Methode  kocht 


niaii 


eine  Mischung  von 


5 


O’ 

& 


dh^aubenzucker  und  5 g fein  gemahlenem  Fibrin  in  100  (umi  Wasser  und 
inficiert  Avährend  des  Kocliens  mit  etAvas  Gartenerde.  Bei  35"  ist  nach 
24 — 48  Stunden  die  Gärung  im  Gange,  fast  rein  durch  Grannlobacter 
saccharobutyricus  ( Beyekinck ). 

Früher  galt  als  einziger  und  vielseitiger  Erreger  der  Buttersäure- 
gärung der  Vibrion  butyrique  Pasteuks,  Amylobacter  bntyricus  van 
Ti Eo  II  CMS,  der  aber  soAAmhl  morphologisch  als  physiologiscli  eine  KollektiA^- 


117 


species  ist,  ebenso  Avie  das  Clostridium  biityricum  PjiA/MowsKi’s.  lln,i^e’tälir 
20  versidiiedene  Bii  1 1 ersä  iir  eb  ak t er ien  sind  mein*  oder  weniger  ge- 
nau besclirieben , ihre  Zalil  Aviirde  sieb  wohl  auf  einige  wenige  Arten 
einscliränken  lassen.  Viele  daAmn  sind  durch  die  ]).  Cd  beschriebene 
(Iranulosereaktion  ausgezeichnet  (daher  die  biologische  Gattung  Gi’annlo- 
bakter  Bk.ykhinck),  allen  gemeinschaftlich  ist  die  Fornnawänderiing  der 
^Stäbchen  AAdihrend  der  Sporenbildung  (Fig.  24c,/'),  die  hier  mit  grosser 
Regelmässigkeit  gegen  das  Ende  der  Gärung  eintritt.  Die  spindelige 
A lisch Avelliing  herrscht  Aor  (Clostridium),  einige  Arten  scliAA^ellen  kopfig 
an  (Plectridium).  Fast  alle  sind  lebhaft  beweglich  und  peritrich  be- 
geisselt.  auch  verhältnismässig  gross,  0,5 — 1 breit,  5 — 5,  selbst  10 

lang  (Fig.  24c  und  f). 

Ansehnliche  Mengen  von  Bnttersänre,  dann  Kohlensäure  und  Wasser- 
stoff, ferner  Essigsäure  und  geringe  Mengen  anderer  h^ettsäureii  liefern 
folgende  Arten : 


Grannlobacter  saccharobutyriciis,  anaerob,  Clostridium,  mit  Granulöse, 

„ lactobutyricus,  „ „ „ „ 

Bacillus  orthobutylicus  „ „ ohne  „ 

Der  letztere  vergärt  allerlei:  Glycerin,  Mannit,  Glucose,  Invertzucker, 
Rohrzucker,  Malzzucker,  Milchzucker,  Arabinose,  Stärke,  Dextrin,  Inulin, 
nicht  Trehalose,  Erythrit,  arab.  Gummi ; zum  Teil  natürlich  nach  vorheriger 
EnzyiuAvirkung.  Die  beiden  andern  sind,  wie  schon  ihre  Speciesnamen 
aussagen,  Avählerisch,  neben  Traubenzucker  auf  Rohrzucker  oder  Milch- 
zucker abgestimmt. 

Der  Bacillus  orthobutylicus  vergor  z.  B.  2,4  g Glucose  in  20  Tagen 
und  lieferte  dabei 

0,842  g Buttersäure  (normale), 

0,264  „ Butylalkohol, 

0,229  „ Essigsäure, 

daneben  AVasserstotf  und  Kohlensäure,  die  bei  andauernder  Gärung  mehr 
und  mehr  zunahm,  Avoraus  Avohl  folgt,  dass  die  Gärprodnkte  selbst  noch 
Aveiter  bis  zu  Kohlensäure  zerspalten  Averden. 

Besonders  ist  noch  ein  anaerobes  Clostridium  mit  Granulöse  zu  er- 
Avähneu,  das  zAvar  keine  Bnttersänre,  aber  doch  auch  einen  Körper  der 
Butylgruppe,  Butylalkohol  neben  Kohlensäure  und  Wasserstoff  aus  Malz- 
zucker liefert.  Die  in  Erde  vorkommende  Bakterie  Avird  von  Beyerinck 
als  Grannlobacter  butylicus  bezeichnet. 

Buttersäure  ist,  AAÜe  schon  erAVähnt,  auch  ein  häutiges  Produkt  der 
Fäulnis,  ja  es  scheint  sogar,  dass  manche  Buttersäurebakterien  auch 
saprogene  Eigenschaften  besitzen  und  das  EiAveissmolekel  angreifen 

(Bacillus  butyricus  Hüppe’s),  während  andere,  z.  B.  der  Bacillus 
orthobutylicus  aus  Pepton  allein,  ohne  besonderen  Zusatz  einer  der  oben 
genannten  stickstofffreien  Verbindungen  keine  Buttersäure  bilden  kann. 
Saure  Milch  verfällt  beim  längeren  Stehen  einer  Buttersänregärung,  die 
soAvohl  den  übrigen  Milchzucker,  als  auch  die  Milchsäure  ergreift. 
Rein  tritt  diese  Wirkung  der  Buttersäurebakterien  bei  der  Vergärung 
des  milchsauren  Kalkes  hervor,  Avobei  die  Buttersäure  aus  der  Milch- 
säure entsteht.  lieber  die  Beteiligung  der  Buttersäurebakterien  an  der 
Käsereifung  siehe  p.  114,  über  das  Vorkommen  dieser  Anaeroben  in  der 


118 


Natur  ]>.  rJ9,  eudlicli  ve.rg’luicdie  mau  iiocli  die  Stickstoltassimilatiou  durcli 
buttersä urebildeude  Jtodeubakterieii  (}).  98). 

HL  Neben  der  Buttersä uregäruiig-  spielt  aucli  die  aiiaerobe  8iiui])f- 
g’as-  oder  M (?tli  aiig-är  uu  g- der  Cellulose  eine  giusse  Eolle  bei  der 
Vei’iiiclitiiiig'  der  cellulosereiclieii  Pflaiizeiireste  auf  dem  Boden  von  8üss- 
Avasseransammlungen  und  des  Meeres,  im  Mist.  Auch  im  Darm  der 
l^flanzenfresser  und  des  Menschen  entwickeln  die  Metlianbakterien  ilire 
aufblähende  Thätigkeit.  Die  Cellulose  wird  zunächst  durch  ein  Enzym 
verzuckert  (C^-Hi^O.-,  + H20  = C(.H,.,0,5 ) und  dann  in  Methan  (CH^)  und 
Kohlensäure,  auch  Nebenprodukte  aus  der  Fettsäurereihe  verg’oi'en.  Mit 
8tickstotf  und  Kohlensäure  g’enieng’t  steigt  das  Methan  als  Sumpfg'as 
empor,  wenn  man  mit  einem  Stock  in  die  fäulnis-  und  gärungsreichen 
Schichten  von  Teichschlamm  einsticht. 

jMethanbakterien  scheint  es  auch  eine  grössere  Zahl  zu  geben,  so 
gehört  sicherlich  der  Vibrio  rugula  (anaerob,  mit  Granulosereaktion) 
hierher,  ferner  wurde  aus  Kloakenschlamm  ein  zartes  Stäbchen  (anaerob, 
lebhaft  beweglich,  Plectridiiim)  isoliert,  das  Filtrierpapier  in  kurzer 
Zeit  in  lebhafte  Gärung  versetzte.  Das  aufgeweichte  Papier  wird  zunächst 
durchsichtig  und  schmierig  und  schliesslich  fast  vollständig  gelöst. 

IV.  Der  S chl  eimgär  ung verfallen  sehr  oft  Wein,  Bier,  Milcli, 
sie  werden  schleimig  und  fädenziehend,  „lang‘k  Auch  abgekochte  Ge- 
müse werden  schleimig.  Wiederum  sind  Bakterien  die  Erzeuger  diesei- 
Schleimgärung  der  Kohlehydrate , die  als  Hauptprodukt  den  Schleim 
liefert,  ferner  Kohlensäure  und  Wasserstoff  und  daneben  die  unvermeid- 
lichen Fettsäuren.  Der  Wasserstoff  im  Status  nascens  verbindet  sich  zu- 
weilen mit  der  Dextrose  zu  Mannit,  der  dann  als  Produkt  dieser  „Mannit- 
gärung“ erscheint.  Der  Schleim  ist  ein  andren  Pflanzenschleimen  und  den 
Gnmmiarten  nahestehendes  Kohlehydrat  von  der  Zusammensetzung  der 
Cellulose  (CßHujOrJ  und  ist  nicht  in  dem  Sinne  Produkt  der  Gärung  wie 
Buttersäure,  Milchsäure  etc.,  die  als  unmittelbare  Stoffwechselprodukte 
im  Protoplasma  der  Gärungserreger  entstehen.  Der  Schleim  dagegen  ist 
ein  Produkt  der  Membran,  die  bei  den  Schleimbakterien  sehr  zur  Gallert- 
bildung neigt  und  in  dem  Zncker  von  Wein,  Bier,  Milch  reichliches 
Material  zu  ungewöhnlicher  Schleimentwicklung  zu  finden  scheint.  Es 
würde  verlohnen,  die  chemische  Natur  der  unverschleimten  inneren 
Membranschicht  genau  zu  untersuchen,  vielleicht  bestehen  sie  aus  einem 
Cellulose  ähnlichen  Kohlehydrat. 

Die  Zahl  der  Schleimbakterien  ist  schon  recht  gross  geworden,  denn 
die  verschiedenen  Zuckerarten  sollen  ihre  besonderen  Schleimbildner 
haben,  so  soll  ein  Bacillus  viscosus  sacchari  nur  rohrzuckerhaltige  Flüssig- 
keiten „lang“  machen,  ein  andrer  soll  nur  in  sauren  Traubenzuckerlösungen 
(Wein)  gedeihen,  ein  dritter  (lactici)  Milchzucker  verlangen. 

V.  B e s 0 n d e r e technische  G ä r u n g e n.  Sobald  gäruugsfähiges 
Material  im  Grossen  verarbeitet  wird,  ist  auch  die  Gefahr  gegeben,  dass 
Gärungsbakterien  sicli  einnisten  können.  Aber  ebenso  ist  auch  für  der- 
artige Betriebe  anzunehmen,  dass  mancher  Prozess,  der,  einmal  einge- 
leitet, scheinbar  von  selbst  weiterläuft  und  von  Alters  her  ausgebeutet 
worden  ist,  der  Thätigkeit  von  Bakterien  zu  danken  ist.  Ein  Jeder 
wird  sich  ja  selbst  die  Orte  ausmalen  können,  avo  der  Bakteriologe 
solchen  verkannten  biocliemisclien  Prozessen  nachzuspüren  hat;  in  einigen 
Fällen,  z.  B.  für  die  Gerberei  (Säuerung  der  Gerberbrühe)  liegen  ein- 
leitende Lhitersuchungen  bereits  vor.  Einiges  mag  noch  genauer  erAvälint 
werden. 


Die  (TespiinistfaserpfDiiizeii,  wie  Flaclis,  Hanf  wei'deii  zur  He,- 
freiuiio'  der  Fa.^erii  von  den  sie  einliüllenden  Geweben  der  so<>'.  Ivös te ^') 
unterworfen,  sie  werden  läno-ere  Zeit  in  Wasser  und  fano-en  an 

zu  g-ären.  Das  Gewebe  lorkert  sicdi  liierbei  duredi  Lösung*  dei‘  die  Zellen 
als  lUittellainelle  der  ^^^äude  zusauinienlialtenden,  kolileliydratäbnliclieu 
rektiustoffe  (pektiusaui'er  Falk)  und  kann  nun  leicht  durch  das  Brecdien 
und  Hecheln  niechauisch  von  den  Fasern  ab^^’elöst  werden.  Bis  jetzt  ist 
genauer  eine  Bakterie  bekannt,  welche  die  Gärung  der  Pektinstotfe  bei 
der  Küste  veranlasst,  ein  anaerobes,  leicht  sporenbihlendes  Plectridinni 
(10 — 15  /<  lang,  0,8  f-L  breit),  das  mit  Ammoniak  als  Stickstoffqnelle  vor- 
lieb nimmt  nml  ans  Lein,  Birnen,  Rüben  bereitete  Pektinstotfe  vergärt. 
Cellulose  und  Gummi  arabicum  werden  nicht  angegriffen.  Dagegen 
werden  auch  andere  Kohlehydrate  vergoren,  wenn  Pepton  als  Stickstoff- 
quelle geboten  wird,  lieber  die  Produkte  der  Pektinvergärung  ist 
noch  nichts  mitgeteilt,  es  dürfte  aber  wahrscheinlich  sein,  dass  es  Kohlen- 
säure, Fettsäuren,  wie  bei  anderen  Gärungen  sind.  Eine  Cellulose  Ver- 
gärung, für  welche  man  früher  die  Röste  der  Gespinnstpflanzen  hielt, 
ist  sie  sicherlich  nicht. 


Die  Gewinnung  des  Indigos beginnt  ebenfalls  mit  einer 


Bakteriengärung , der  man  die  Indigopflanzen  (Indigofera  tinctoria  etc.) 
in  besonderen  Cisternen  unterwirft.  Die  Pflanze  enthält  ein  Glycosid, 
das  Indican,  das  bei  25—35''  in  8 — 15  Stunden  durch  die  anaerob  ver- 
laufende Gärung  in  Indigweiss  und  eine  Zuckerart  (ludigglucin)  zerlegt 
wird.  Nur  an  der  Oberfläche  der  Gärungsküpen  nimmt  das  grünlich-gelbe 
Wasser  eine  bläuliche  Färbung  durch  Bildung  von  Indigblau  an,  das 
man  durch  „Schlagen“  der  Flüssigkeit,  also  durch  reichliche  Berührung 
mit  dem  Sauerstoff  der  Luft,  endlich  allgemein  erzeugt.  Näher  ist  der 
Chemismus  der  Indigogärung  noch  nicht  verfolgt.  'Man  fand  einen  mit 
deutlicher  Gallerthülle  umgebenen  kurzen  Bacillus  (indigogenus),  ohne 
dessen  Zuthun  sterilisierte  Extrakte  aus  Indigopflanzen  keinen  Farbstoff 
bildeten. 

Auch  in  der  Tabaksindust rie^®)  spielen  Bakteriengärungen  eine 
grosse  Rolle.  Die  getrockneten  Blätter  werden  wieder  angefeuchtet  und 
in  grossen  Haufen  „fermentiert“,  vergoren,  wobei  die  Kohlehydrate,  das 
Nikotin  und  Pflanzensäuren  teil^veise  verarbeitet  und  in  Kohlensäure, 
Buttersäure,  Bernsteinsäure  und  noch  unbekannte  Stoffe,  daneben  auch 
„Aromastoffe“  zerlegt  werden.  Das  Eiweiss  der  Tabaksblätter  soll  nicht 
angegriffen  werden.  Verschiedene  Bakterien  sind  bereits  aus  gärenden 
Tabakshaufen  isoliert  Avorden,  aus  Havannatabaken  andere  als  aus  dem 
Pfälzer,  so  dass  man  mit  gewissem  Erfolg  diese  letzteren  durch  Havanua- 
bakterien  zu  veredeln  vermochte.  Ob  es  freilich  ganz  gelingen  Avird, 
dem  Pfälzerkraut  den  lieblichen  Duft  der  Havanna  durch  Bakterien  an- 
zugären, ist  fraglich,  da  neben  den  zymogenen  Aroniastoffen  doch  auch 
noch  die  des  Krautes,  des  „GeAvächses“  in  Rechnung  zu  bringen  sind. 
Beispiele  ähnlicher  Art  liefert  die  Veredelung  minderw^ertiger  Moste 
mit  feinen  Heferassen  (Vorl.  XIV). 

Im  Rübensaft  von  Z u c k e r f a b r i k e iL und  auch  in  Zucker- 
rafflnerien  flndet  sich  zuweilen  als  grosse  Plage  der  sog.  Froschlaichpilz 
(Leuconostoc  mesenteroides,  Fig.  Ih  — d.  pag.  10)  ein,  eine  Bakterie  der 
Schleimgärung.  Sie  Avii’d  speziell  als  Dextrangärung  bezeichnet,  Aveil  der 
in  ungeheui’en  Mengen  sich  bildende  Schleim  einem  Kohlehydrat  der 
Zuckerrübe,  dem  Dextran  gleich  sein  soll,  Avas  noch  Aveiterer 'Unter- 
suchung bedürftig  erscheint.  Bei  optimaler  Temperatur  (30 — 35 ")  Avächst 


120 


der  Fi'osclilaiclipilz  aiissei'ordentlic.li  rascli,  so  diii’cliwiiclierte  er  in  eiiieiii 
Falle  einen  Bottich  mit  49  Hektoliter  Melasse  von  10 ‘7„  Zucker  in 
12  Stunden  mul  ei’füllte  ilin  mit  seinen  znsammenliän, senden  froschlaicli- 
älinliclien  Massen.  Neben  dem  Schleim  fand  man  wenig’  Milchsäure  und 
Kohlensäni’e,  tiefere  Spaltungen  grösseren  Umfanges  kommen  nicht  vor. 
Die  Bakterie  gehört  zu  den  Kngelbakterien  mit  fest  orientierten  Teilnngs- 
ebenen  und  bildet  nnverzweigte  farblose  Ketten , die  in  Gallerte  einge- 
bettet sind  wie  die  rosenkranzlörmigen  blangrünen  Fäden  einer  Nostoc 
(dabei-  Leuconostoc) ; Arthrosporen,  etwas  vergrösserte,  glänzende  Zellen, 
sollen  Vorkommen,  sind  aber  zweifelhaft.  Rohr-  und  Traubenzucker  sind 
zur  Schleimbildnng  notwendig,  auf  Nährböden  ohne  diese  Zuckerarten 


wächst  der  Leuconostoc 
(Fig.  Ih). 


in  gallertfreien  Ketten  wie  ein  Streptococcus 


Bei  der  Brotbereitun  g 


hilfe  von  Mikroora’anismen 


kann  der  Mensch  auch  nicht  der  Bei- 
entraten,  durch  die  erst  der  ganze  Zweck, 


das  nahrhafte  Mehl  schmackhaft  und  geniessbar  zu  machen,  erreicht 
wird.  Die  Hefe,  mit  der  der  Teig  versetzt  und  zum  „Aufgehen“  ge- 
bracht wird,  ist  ein  Gemisch  von  Sprosspilzen  der  Alkoholgärung  und 
Bakterien  verschiedener  Art,  die  soAvohl  durch  Bildung  von  Säure  (Milch- 
säure, Essigsäure  etc.),  als  auch  durch  Enzyme,  Verzuckerung  der  Stärke, 
in  die  alkoholische  Brotgärung  eiligreifen.  'Letztere  erzeugt  pro  Kilo 
Brot  circa  2,5  g Alkohol  und  2,7  g Kohlensäure,  durch  die  das  Brot 
aufgelockert,  blasig  wird.  Beim  Backen  wird  das  noch  gesteigert  durch 
die  Ausdehnung  der  Kohlensäure,  des  Alkoholes,  von  Wasserdämpfen. 
Ein  Teil  der  Gärungsprodukte  ist  auch  noch  im  ausgebackenen  Brote 
enthalten  nnd  trägt  zu  dessen  Geschmack  Avesentlich  bei. 


XIV. 


Oie  Bakterien  und  der  Kreislauf  der  Koldensiiiire. 


3.  Die  Hprosspilze  und  die  alkoholische  (järuiiJi;*.  Theorie  der  (järmii:^ 
lind  Anaerobiose.  Schlnsshetrachtnng  über  den  Kreislauf  des  Stick- 
stoffs lind  der  Kohlensäure. 


Einige  Bakterien  bilden  zwar  ancli  Aetli^dalkoliol  (Bac.  etliaceticiis), 
die  allgemein  verbreitete  und  tecliniscli  bei  der  Wein-  und  Bierbereitnng, 
in  der  Brennerei  verwendete  Alk  oliolgärnng  wird  aber  durch 
andere  niedere  Organismen,  die  Sprosspilze^*''^)  (Blastomy ceten, 
Saccharomy ceten),  erregt.  Der  stets  unbewegliche  Yegetations- 
körper  dieser  Hefen  im  populären  Sinne  ist  eine  einzige  Zelle,  die  aber 
Aveder  Stäbchen-  noch  kugelförmig  gestaltet  ist,  sondern  ellipsoidisch,  bald 
gestreckt,  bald  kurz  ellipsoidisch  oder  eiförmig  (Fig.  25).  Die  Form  der 
Zellen  dient  Avesentlich  mit  zur  Charakteristik  der  auch  hier  scliAver  ab- 
grenzbaren  Species  und  Bassen  (p.  107,  123),  erscheint  aber  bei  flüchtiger 
Betrachtung  Adel  unregelmässiger  als  sie  Avirklich  ist,  Avegen  der  eigen- 
artigen Yermehrungsart  der  Zellen,  der  sog.  Sprossung.  Nicht  eine 
Teilung  in  zAvei  gleich  grosse  Hältten  Avie  bei  den  Bakterien  und  den 
geAVöhnlichen  GeAvebszellen  der  Pflanzen  führt  zur  Yermehrung  der  Zellen, 
sondern  es  Avächst  an  einer  beliebigen  Stelle  eine  zunächst  kleine  Aus- 
stülpung kopfartig  hervor,  Avodurch  schon  das  neue  Bild  (Fig.  25)  einer 
ausgeAA^achsenen  Hefezelle  mit  einem  kleinen  kugeligen  Ansatz  entsteht. 
Dieser  schwillt  mehr  und  mehr  an  und  wird,  noch  lange  bevor  er  zur 
Grösse  der  Mutterzelle  sich  ausgedehnt  hat,  durch  eine  Zelhvand  von 
ihr  abgetrennt  und  dadurch  selbständig  zur  neuen  Zellgeneration,  die 
nun  Aviedernm  knospen  und  sprossen  kann.  Der  Gegensatz  gegenüber 
der  Teilung  ist  sehr  auffällig.  Bei  ihr  entfällt  auf  jede  Zelle  der  neuen 
Generation  eine  Hälfte  der  alten,  die  als  solche  authört  zu  bestehen.  Bei 
der  Sprossung  dagegen  löst  sich  nur  ein  junger  AusavucIis  von  der  alten 
Generation  ab,  die  selbst  Aveiter  lebt  und  zahlreiche  neue  Knospen  noch 
treiben  kann.  Auch  die  Sprossung  geht  schnell  von  statten , in 
2 Stunden  folgt  eine  neue,  sodass  auch  die  Hefezellen  rasch  sich  ver- 
mehren, nur  Avenig  langsamer  als  die  Bakterien.  Wie  liier  die  verschiedenen 


(leiienitioiieii  zu  KeU.eii  verbunden  bleiben,  so  l)leil)en  aiK'li  die  Spi’ossniig'en 
aneinander  liän^-eii  und  bilden  melir  oder  weni<,^er  ansg-edelinte  Spross- 
verbände (Fi^^’.  25).  Diese  sind  al)e]‘  verzweigt,  niclit  bloss  in  dei- 
Ebene,  sondern  nnregelniässig  ini  Räume,  da  die  nenen  Sprossknosjien 
an  jeder  beliebigen  Stelle  der  Zelle  und  ohne  jede  (jesetzinässigkeit  lier- 
vortveten  können.  Sowohl  nntergetanclit  in  Flüssigkeiten  als  an  der 
Obertläclie  entstehen  derartige  Sprossverbände,  die  ans  kleinen  und  grossen, 


Fig.  25.  Saccharomyceten  (Sprosspilze),  a Saccharomyces  cerevisiae  Nr.  I.  5 Sacch. 
Pasteurianus  Nr.  lll.  c Sacch.  ellipsoideus  ( ^Vei^hefe)  Nr.  1.  SaCCh.  ellipS.  Nr.  II.  c und 

/ Hautwuchs  des  SaCCh.  eilipsoideus  Nr.  1 e bei  34 — 20  oder  G — 7*’,  /*  bei  15 — 30**  (Spross- 
ni}'celium).  i/— /o  Sporeiihaltige  Zellen,  <j  Sacch.  cerevisiae  I,  li  Sacch.  Pasteur.  I.  i u.  ^•.  Sacch. 
ellipSOid.  1 u.  II.  L Keimung  von  zwei  freien  Sporen  des  SaCCh  Ludwigii  bei  18  — 20*’  von 
links  ab  nach  18,  20,  26,  28,  29,  30 '/o  und  33  Stunden.  Alle  Kulturen  in  Bierwürze,  nach 
K.  Chr.  Hansen,  Vergr.  1000. 


ausgewachsenen  und  eben  erst  hervorgetriebenen  jungen  Sprösschen  be- 
stehen. An  der  Obertläche  breiten  sich  diese  Sprossverbände  oft  zu 


grösseren  häutigen  Ueberziigen  (Kahmhant)  ans.  gleichzeitig  strecken  sich 
(lie  Zellen  oft  etwas,  wodurch  das  Ganze  einen  invcelartigen  Habitus 
( Fig.  25 e u. /’j  bekommt  (Sprossmy cel).  Seiner  Entstehnng  nach  bleibt 
es  aber  trotz  aller  Aehnlichkeit  mit  einem  echten  Pilznna'el  ein  Spross- 


123 


V 


verbaud,  eine  Wurlisfonii.  Die  einzelne  Hefe  zelle  ist  von  einer 
JMeinbran  ninlüillt  mul  hat  den  üblichen  protophisniatischen  Inhalt,  in 
den  auch  ein  Zellkern  eino-ebettet  zu  sein  scheint.  Klein  sind  auch  die 
S[)rosspilze  noch,  aber  doch  gTösser  Avie  die  Bakterien,  unf>’efähr  8 — 10  // 
Durchmesser.  Alle  praktisch  Avichtigen  Hefen  sind  farblos  und  wachsen 
nach  Bakterienart  kultiviert,  in  Aveissen  oder  sclnvach  gelblichen  Kolonieen. 
Eine  häufige  Verunreinigung  der  Kultnrplatten  Avird  durch  eine  rosae 
Hefe  (Saccharomyces  glutinis)  mit  scliAvacher  (lärkraft  veranlasst,  seltener 


ist  die  scliAvarze  Hefe. 

Unter  geAvissen  Bedingungen  (reichlichem  Luftzutritt,  Kultur  auf 
feuchter  Oberfläche,  nicht  untergetaucht,  günstige  Temperatur  25**) 
Averden  auch  Sporen  gebildet  dadurch,  dass  der  Inhalt  in  mehrere 
getrennte  Teile  zerfällt,  deren  jeder  sich  mit  eiiier  Membran  umgiebt 
und  zur  Spore  Avird.  Statt  einer  Endospore,  Avie  bei  den  Bakterien, 
Averden  stets  mehrere,  meist  2—4  (1-10)  in  jeder  Zelle  erzeugt 
(Fig.  25  <7  — k).  Die  Sporen  besitzen  erheblich  geringere  Widerstands- 
kraft (Tötungstemperatur  62 — 70**  in  5 Min.)  Avie  Bakteriensporeu,  sind 
sogleich  keimfähig  und  bleiben  es  auch  ausgetrocknet  lange  Zeit.  Die 
keimende  etAvas  aufgescliAvollene  Spore  treibt  sofort  neue  Sprossungen, 
nachdem  die  Sporenhaut  abgeworfen  worden  ist  (Fig.  25/).  Von  be- 
sonderer Bedeutung  ist  nach  Hansens  Untersuchungen  die  Sporenbildung 
und  ihre  x^bhängigkeit  von  der  Tem])eratur  für  die  Art-  und  Rassen- 
unterscheidung, freilich  nur  in  der  Hand  des  Erfahrenen,  der  alle 
Nebenumstände,  die  beschleunigen  und  hemmen  können,  zn  Avürdigen  ver- 
steht. Die  Unterschiede  äussern  sich  soAvohl  in  verschiedenem  Optimum, 
als  auch  besonders  Maximum  der  Sporenbildung ; für  eine  Oberhefe  (Sacch. 
cerevisiae),  zAvei  Rassen  einer  Avilden  Hefe  (Sacch.  Pasteurianus)  aus 
Brauereiluft  und  eine  Rasse  der  Weinhefe  (Sacch.  ellipsoideus)  mögen 
folgende  Zahlen  angeführt  Averden.  xingegeben  ist,  in  Avelcher  Zeit  die 
Sporenbildung  Amllendet  AAmr: 


Tempe- 

ratur 

C. 

S.  cerevisiae 

S.  Paste 

I. 

urianus 

II. 

S.  ellipsoideus. 

37,5 

keine  Sporen 

36-37 

29  Std.  Maximum 

— 

— 

— 

35 

25  Std. 

— 

— 

— 

31,5 

— 

keine  Sporen 

— 

36  std.  IMaximum 

30 

20  Std.  Optimum 

30  Std.  Maximum 

— 

— 

27,5 

— 

24  Std.  Optimum 

34  Std.  Maximum 

— 

25 

23  Std. 

— 

25  Std.  Optimum 

21  Std.  0])timum 

18 

50  Std. 

35  Std. 

3()  Std. 

33  Std. 

11—12 

10  Tg’.  Minimum 

— 

77  Std. 

— 

7 

keine  Sporen 

7 Tage 

7 Tage 

11  Tg.  Minimum 

3—4 

14  Tg.  Minimum 

17  Tg.  Minimum 

keine  Sporen 

Die  Lage  der  Kardinalpunkte  der  d^emperatur  ist  in  der  Tabelle 
erAvähnt  und  es  bedarf  Avohl  keines  Aveiteren  Himveises  darauf,  Avelche 
Avertvollen  Mei’kmale  hieraus  sich  entnehmen  lassen.  Noch  subtilere  Unter- 
schiede sind  zu  beachten,  Avenn  es  um  uaheverAvandte  technische  Rasseii 
sich  handelt.  Um  sie  sicher  zu  bestimmen,  sind  noch  die  Sprossungsform, 
die  Gestalt  der  Zellen,  die  Kardinalpunkte  der  S])rossuiig,  die  Gärkraft, 
das  Gärvermögen  gegenüber  den  verschiedenen  Zuckerarten,  besonders 


% 


124 


aii(*li  den  nalievei’wandten  derselben  clieinisdien  (Inipi)e  und  vieles  andere 
j^’enan  festznstellen.  Da  sclion  einig’e  der  natiirlicli  vorkoninienden  Hefe- 
rassen nicht  zur  Sporenlnldiin^i’  zu  zwingen  sind,  ansclieinend  oline  diese 
iliren  Del)enscyklns  vollenden,  so  versnclite  sie  Hansen'"')  bei  anderen, 
gut  sporenerzeugenden  Rassen  kiinstlicli  zu  unterdrücken  durcli  dasselbe 
Mittel,  was  auch  asporogene  Milzbrandbazillen  lieterte  fp.  27).  diu-cli 
Uebersclireitung  der  Maxinialteni])ei‘atur.  Die  S])orenbildung  blieb  aus 
und  trat  aucli  bei  der  AVeiterzüchtung  in  optimalen  Verhältnissen  nicht 
wdeder  hervor,  zugleich  hatte  die  Gäi’kraft  sich  etwas  geändert.  AVar 
das  epochemachende  Experiment,  was  beim  Milzbrand  nur  gelungen  zu 
sein  schien,  liiei“  wirklich  geglückt?  Sporen  lose  A^arie  täten  von 
AVeinhefen  gingen  in  Erde  schon  nach  1 Jahre  zu  Grunde,  während 
die  si)orenbildende  sonst  gleiche  Rasse  3 Jahre  dort  zn  leben  vermag. 
Hieraus  würde  schon  eine  gewisse  Degeneration  der  Sporenlosen  sich  er- 
geben, auch  sind  noch  einige,  nicdit  mit  wenigen  AVorten  zu  erledigende 
Anzeigen  dafür  da,  dass  die  neuen  sporenfreien  Rassen  allgemein  geschwächt 
sind,  genau  wie  der  asporogene  Milzbrand.  AA^^enn  demnach  eine  künst- 
liche Züchtung  von  Rassen  mit  neuen  morphologischen  Eigenschaften 
(Sporenveiiust)  bis  jetzt  noch  nicht  einwmrfsfrei  gelungen  ist,  so  ist  es 
dagegen  möglich,  die  physiologischen  Eigenschaften,  die  Gärart  zu  beein- 
flussen, neue,  haltbare  Rassen  zu  ziehen,  die  mehr  oder  weniger  Alkohol 
liefern  und  besonders  auch  die  Nebeni)rodukte  dei*  Gärung  in  anderen 
Alischungsverhältnissen  und  sogar  neue  Nebenjirodukte  erzeugen.  Im 
Brauereigew'erbe"’'''i  sind  hunderte  solcher  Rassen  allmählich  entstanden 
und  beeinflussen  den  spezifischen  Geschmack  der  verschiedenen  Bräue.  Um 
diese  AA'irkungen  sicher  zu  erzielen  und  nach  Belieben  variieren  zu  können, 
hat  man  nach  Hansens  A^organge  die  Hefereinzucht  eingeführt. 

Auch  die  AVeiuhefen  zerfallen  in  zahlreiche  Rassen,  last  jede  be- 
sondere Pflege  hat  ihre  eigenen  Rassen,  die,  wJe  bei  der  Brauerei,  durch 
Quantität  des  Alkoholes  und  der  Nebenprodukte,  besonders  auch  die  sog. 
sekundären  Bouquettstoffe  (Gärungsbouquette)  die  einzelnen  Marken  er- 
zeugen helfen.  Freilich  giebt  die  Traube  selbst  wmhl  den  Ausschlag 
durch  ATelerlei,  nicht  zuletzt  durch  die  primären  Bouquettstofle  (Trauben- 
bouquett),  die  wie  die  sekundären  zu  den  Estern,  Verbindungen  von 
organischen  Säuren  mit  Alkoholen,  gehören.  So  darf  man  auch  von  der 
A^eredelung  mindeiAvertiger  Moste  durch  reine  Hefen '"^)  aus  besten  Pflegen 
nicht  zu  viel  erwairten,  ein  Aleissner  Säuerling  kann  nicht  durch  Johannis- 
berghefe zum  Kabinetswein  aufgebessert  Averden;  ein  wesentlicher  Fort- 
schritt ist  aber  sicher  durch  die  A'erwendung  reiner  Hefen  von  bekannter 
Gärart  angebahnt.  Bei  der  alten  Art  der  A^Vinbereitnng  verlässt  man 


auf  die  „von  selbst“  im  Most  sich  entAvickelnden  Hefen,  das  sind 
diejenigen,  die  an  den  AVeinbeeren  stets  in  grossen  Alengen  festsitzen, 
besonders  an  den  ge])latzten  und  angefressenen  sich  schon  am  Stock 
vermehren  und  im  ganzen  Berge  von  W.spen  Aveiter  verschlei)]>t,  geAvisser- 
maassen  auf  natürlichem  AVege  A^erim])ft  Averden.  Nach  der  Ernte  bleiben 
unzählige  Hefemengen  im  Berge  zurück,  sie  überwJntern  hier  im  Erd- 
boden. Soll  mit  reinen  Hefen  die  Mostgärung  durchgeführt  Averden.  so 
braucht  man  diese  AVeinbergshefen  nicht  durch  Kochen  zu  töten,  es  ge- 
nügt, eine  grosse  Menge  der  reinen  Kultur  dem  Moste  zuzusetzen  und 
so  eine  Konkurrenz  hervoi'zurufen,  bei  der  fast  ausnahmslos  die  minder- 
zähligen  Berghefen  unterliegen. 

Der  Sp e ciesbe griff  ist  für  die  Sprosspilze  nicht  anders  zu  fossen 
Avie  für  die  Baktei'ien  und  alle  andern  Organismen,  nur  ist  zu  bedenken. 


(lass  S(^l{'lie  alte  Kultur, ^ewä(*lise  wie  AW,iu-  und  Hierliefe  uuzälili^’e  Rassen 
bilden  nmssteu.  So  wird  mau  als  iiaturliistoriscdie  rasseiireiclie  Species 
der  Hier-  und  Hreimerei^’äruu^'  aucdi  heute  uocli  S acchur ouiy ces 
cereAMsiae  iiebeu  eiuig’eu  audereu  g’elteu  lassen  iiiüsseii,  für  die  Weiii- 
liefe,  den  Saccli.  e llii)soid e us,  letzterer  etwas  sdiiualer  und  kleiner, 
als  der  erstere  (Fig. '250,  c und  (/).  Dazu  Avürdeu  noch  eine  grosse  Zahl 
neuer  Species  koimueu. 

Die  eigeuartige  Vermehruu.g  durch  Sprossung  kennzeichnet  die  S])ross- 
l)ilze  allein  schon  als  eine  Avohl  abgrenzbare  systematische  (frnpi)e  niedei-er 
Organismen,  deren  Selbständigkeit  nicht  hätte  angezAveifelt  Averden  können, 
Avenn  nicht  die  gleiche  Sprossung  noch  bei  andern  Pilzen  beobachtet 
Avorden  Aväre  In  Mistdekokt  ansgesäte  Sporen  der  Brandpilze  (Usti- 
higineen)  keimen  zunächst  mit  einem  Avenigzelligen  Keimschlancli,  der  bald 
seitliche  Sprossungen  treibt.  Diese  Sprosszellen  (Sporidien)  Amrmehren 
sich  nun  hier  im  Mistdekokt  unausgesetzt  durch  Sprossung  Aveiter,  bilden 
Sprossverbände,  die  den  echten  Sprosshefen  zum  Verwechseln  ähnlifdi 
sehen,  aber  keine  alkoholische  Gärung  hervoiTufen  können.  Auch  das 
vermögen,  Avenii  auch  nur  scliAvach,  die  sog.  Mncorhefen,  kugelige,  durch 
Siirossnng  sich  vermehrende  Zellen,  in  Avelche  das  fädige  Mycelinm  ge- 
wisser Schimmelpilze  (Mncor  raceniosns,  erectns,  circinelloides)  zerfällt, 
Avenn  es  nntergetancht  in  zuckerhaltigen  Nährlösungen  kultiviert  Avird. 
Kudlich  vereinigen  gewisse  Ascomyceten  (Exoasus)  mit  der  Fdlhigkeit 
der  Simossung  eine  Art  der  Sporenbildung  (Ascosporen),  die  oberflächlich 
an  die  der  Sprosspilze  erinnert,  indem  Avie  bei  ihnen  eine  Anzahl  Sporen 
in  einer  schlauchförmigen  Zelle  (Ascus)  entstehen.  Das  schienen  Gründe 
genug  zu  sein,  um  die  Selbständigkeit  der  Sprosspilze  anzuzAveifeln  und 
in  ihnen  nur  Abkömmlinge  einer  dieser  höheren  Pilzgruppen  zu  sehen, 
die  nur  die  Fähigkeit,  zu  den  höheren  EntAvicklungsstufen  ihrer  Stamm- 
eltern aiiszuAAmchsen,  verloren  hätten.  Denn  eine  echte  Sprosshefe  bildet 
immer  nur  Sprossverbände  und  Sporen,  niemals  etwas  anderes  und  alle 
auch  in  neuerer  Zeit  Avieder  auftauchenden  Behauptungen,  dass  die 
Züchtung  echter  Alkoholhefen  ans  anderen  Pilzformen  gelungen  sei,  haben 
sich  als  IiTtum  herausgestellt. 

Auch  zu  einer  phylogenetischen  Ableitung  der  Sprosspilze  von  höheren 
Pilzen,  die  bald  von  den  Mucorinen,  bald  von  den  Ustilagineen,  bald 
und  mit  besonderer  Vorliebe  von  den  Exoasceen  als  rudimentäre  Asco- 
myceten (daher  Hefeascus  für  die  sporenbildenden  Zellen)  A^ersucht  Avird, 
scheint  mir  kein  ausreichender  Grund  vorzuliegen.  Denn  die  Sprossung 
bietet  doch  nur  eine  äussere  Aehnlichkeit  einer  Vermehrungsart  der  Zelle, 
die  unabhängig  mehrmals  sich  ausgebildet  haben  kann.  Es  ist  deshalb 
Avold  ganz  gerechtfertigt,  die  Sprosspilze  als  eine  selbständige 
G r n p p e Jiiederer  Organismen,  die  der  S a c c h a r o niy  c e t e n , aufzufassen. 

Die  S])rosshefen  sind  metatroph  und  verlangen  die  gleiche  Ernährung 
Avie  Adele  Bakterien,  als  Stickstofüiuelle  steht  Pepton  (dAenau,  dann  As- 
pamgin.  aber  selbst  Ammonsalze  genügen  noch,  als  K(ddenstoff(|uelle  dient 
das  gärungsfähige  Mateilal  (Zuckerarten,  nicht  über  55  *V,„  Optimum  2 — 4 
oder  20  — 25'Vo),  das  auch,  Avenn  es  sich  nur  um  die  Kultur  handelt, 
durch  Glycerin  oder  Mannit  ersetzt  Averdeu  kann.  Die  Reaktion  der 
Lösung  kann  sauer,  sogar  ziemlich  stark  sauer  sein,  Avährend  freies  Al- 
kali hemmt.  Durch  diese  Eigenschaft  Avird  es  möglich,  viele  gerade  ent- 
gegengesetzt sich  A^erhaltende  Bakterien  einzuschränken  und  auch  ganz 
fernzull  alten  (p.  115). 

Unmittelbar  gärungsfähig '*’*)  sind  nur  die  Monosaccharide,  die  ein- 


126 


faclieii  Zuckei’  der  Formel 


„ 'vie  Glukose  (Traubeiiziickerj  und 

F'ruktose  (Grucditzucker),  ferner  Galaktose  und  andere.  Eine  feinere  Ab- 
stnfiing  der  zalilreicben , in  neuerer  Zeit  dargestellten  Zuckerarten  in 
Bezug-  auf  ihre  Verg-äruugsfäliigkeit  lässt  sich  auch  aus  den  neueren  An- 
sichten über  den  Aufbau  dieser  Zucker  ableiten.  Hierauf  sei  nur  hin- 


g-e wiesen. 

Alle  anderen  zu  den  Pol.ysacchariden  g-ehörig-en  Zuckerarten,  also  die 
drei  häufig*en  Disaccharide  Rohrzucker  (Saccharose),  Malz- 

zucker (Maltose),  Milchzucker  (Lactose)  werden  nicht  unmittelbar  ver- 
goren, sondern  erst  durch  Enzyme  die  die  Sprosshefen  selbst  abscheiden, 
hydrolytisch  in  Monosaccharide  gespalten.  Die  Bier-  und  Weinhefen 
verwandeln  mit  einem  Enzym  (Invertin)  den  Rohrzucker  in  Invertzucker 
(p.  106),  mit  einem  andern  (Maltase  oder  Hefeglukase)  den  Malzzucker 
in  Glukose,  können  aber  den  Milchzucker  nicht  enzymatisch  verarbeiten 
und  daher  auch  nicht  vergären.  Andere  Hefen,  z.  B.  in  den  Kefir- 
köi-nern  (p.  115)  invertieren  mit  einem  besonderen  Enzym  (Laktase)  den 
Milchzucker.  Jede  Hefenart  hat  ihre  besonderen  enzymatischen  Eigen- 
schaften. 

Die  nicht  zuckerähnlichen  Polysaccharide , wie  Cellulose,  Stärke, 
Dextrine  und  Gummiarten  sind  den  Saccharomyceten  überhaupt  nicht  zu- 
gänglich und  müssen  erst  durch  Enzyme  anderer  Herkunft  verzuckert 
werden,  z.  B.  bei  der  Bierbereitung  die  Stärke  des  Gerstenkornes  durch 
dessen  eigene  Diastase  zu  Malzzucker. 


Die  zahlreichen  Produkte,  die  neben  Aethylalkohol  und  Kohlensäure 
als  Hauptprodukten  entstehen,  mag  folgende  Gärungsanalyse  ver- 
anschaulichen. Fis  waren  aus  1000  g Traubenzucker-  durch  eine  Wein- 
hefe, freilich  keine  Reinkultur  nach  heutigen  Begriffen,  gebildet  worden  : 


Spuren 

'506,15 

0,02 

0,015 

0,51 

0,02 

1,58 

21,2 

2,05 

4,52 

oder  circa: 

506 

30 


Aldehyd 
g Aethylalkohol, 

„ normaler  Propylalkohol, 
„ Isobutylalkohol, 

,,  Amylalkohol, 

„ Genau thylätlier, 

„ Isobutylenglycol, 

„ Glycerin, 

„ Essigsäure, 

„ Bernsteinsäure 

g Alkohol, 

„ Nebenprodukte, 


dazu  schätzungsweise  450  g Kohlensäure.  Ungefähr  1 7o  ^^es  Zuckers 
waren  zur  Idrnälirung  der  Hefe  aufgewendet  worden.  Unter  den  Neben- 
])rodukten  tritt  Glycerin  mit  über  2"/„  hervor,  seine  ^lenge  im 
Weine  ist  von  grösserem  Einfluss  auf  den  Wohlgeschmack,  als  man  zunächst 
vermuten  möchte.  Ihm  schliesst  sich  Flssigsäure  und  Bernsteinsäure  an. 
A\4r  haben  freilich  hier  nur  einen  Speziallfall  vor  uns,  der  für  andere 
FJllle  nicht  als  Norm  gelten  kann,  da  besonders  die  Nebenprodukte  bei 
den  verschiedenen  technischen  Gärungen  (inantitativ  und  ([ualitativ  sehr 
wechseln.  Bei  der  Brennerei  entstehen  noch  höhere  Alkohole  (Fhiselöle) 
als  im  obigen  Beisidel,  bei  der  A\'eingäi-ung  so  g(*ringe  Mengen  der 
Bomiuettstoffe  (Ester),  dass  ihr  Naclnveis  und  ilire  Isolierung  nicht 


127 


möo’licli  ist.  Und  doch  sind  o-emde  die  Boiiqiietstoffe  der  Gäniii«’  und 
der  ^rraube  schon  in  lioni()0])atliisclien  Verdünn nng'en  inassgebeiid  für  den 
Geschmack  und  Duft,  die  J^lume  des  Weines. 

Die  Gärung'  schliesst  ab,  sobald  sämtlicher  Zucker  verarbeitet  ist, 
nur  darf  der  Alkoholgehalt  nicht  über  12 — 14*’/,,  ansteig’en,  sonst  steht 
die  Gärung'  still,  bevor  aller  Zucker  zeileg't  ist.  Die  alkoholische  Flüssig- 
keit bleibt  süss,  Avie  viele  südlichen  Weine,  die  allerdings  zu  grösserer 
Haltbarkeit  noch  mit  Alkohol  versetzt  werden.  (?) 

Die  alkoholische  Gärung  (Optimum  25-80**,  Minimum  gegen  0*’, 
Maximum  circa  58'*)  kann  aerob  und  anaerob  verlaufen,  im  ersten  Falle, 
bei  Luftzutritt  vermehren  sich  die  Hefezelleii  ausserordentlich  stark, 
ihre  Gär  kraft  aber,  d.  h.  die  Zuckernienge,  die  in  der  Zeitein- 
heit von  der  Hefeeinheit  vergoren  Avird,  ist  gering.  Umgekehrt  steigert 
Sauei’stotfmangel  die  Gärkraft,  setzt  aber  die  Wachstnmsgeschwindigkeit 
herab.  Um  800  ccm  Most  ganz  zu  vergären,  Avaren  28  Tage  erforder- 
lich, gleichviel  ob  mit  oder  ohne  Luftzutritt,  aber  die  Zahl  der  Hefe- 
zellen, die  das  geleistet  hatte,  Avar  sehr  ungleich.  Bei  Durchlüftung  ent- 
hielt 1 ccm  des  ausgegoreneii  Mostes  4454800  Zellen,  bei  Luftabschluss 
nur  50160  von  entsprechend  AÜel  grösserer  GärAvirkung.^"^) 

Die  technischen  Gänmgen  (Wein,  Bier,  Brennerei)  verlaufen  alle 
anaerob,  cleiin  Avenu  auch  anfangs  Luft  in  der  Flüssigkeit  euthalteu  ist 
und  frei  hinzutveteu  kann,  so  Avird  sie  doch  bald  zum  Wachstum  der 
Hefezellen  verbraucht,  die  entstehende  Kohlensäure  lagert  sich  über  die 
gärende  Masse  und  sperrt  sie  gänzlich  gegen  .die  Luft  ab.  Die  Hefe- 
zellen entfalten  demnacli  das  Maximum  ihrer  Gärkraft  und 
liehst  viel  Alkohol.  Wünscht  man,  Avie  in  den  Hefefabriken, 


geben 


niog- 


zu 


geAVimieu , 


aus  einer 
so  hat  mau 


gegebenen  Zuckermenge  möglichst  viel  Hefe 
für  ausreichende  Durchlüftung  zu  sorgen. 

Eine  theoretische  Erklärung  der  Gärung  und  Fäulnis**'^*) 
scheint  auf  den  ersten  Blick  die  Thatsache  zu  bieten,  dass  viele  Gärungen 
an  aerob,  bei  Luftabschluss  verlaufen.  Aber  selbst  Avenn  man  die  sog. 
Oxydationsgärungen,  Avie  die  Essigbildung,  die  nur  aerob  sich  vollziehen 
können,  ausscheidet,  so  sind  doch  auch  nicht  alle  Spaltungsgärungen  an- 
aerobe Prozesse.  Streng  anaerob  verlaufen  die  meisten  Buttersäure- 
gärungen, die  Methangärung,  auch  die  alkoholische  Gärung  findet  bei 
Wein-  und  Bierbereitung  vonviegend  ohne  Luftzutritt  statt  und  erreicht 
nur  so  ihren  höchsten  Wert,  vermag  aber  auch  bei  reichlicher  Durch- 
lüftung der  gärenden  Flüssigkeit  nur  etAvas  langsamer  sich  abzuspielen. 
So  ist  die  alkoholische  Gärung,  Avie  viele  andere  Spaltungsgärungen  nur 
als  fakultativ  auaerob  zu  bezeichneu,  d.  h.  sie  kann  mit  und  ohne  Luft- 
zutritt vor 


sich  gehen. 


Man  hat  zum  Verständnis  dieser  Erscheinung  an  die  sog.  intra- 
molekulare Atmung  der  Tiere  und  höheren  Pflanzen  angeknüpft,  die  im 
sauerstoflfreien  Raume,  z.  B.  in  Wasserstoff,  Kohlensäure  ausscheideu  und 
in  den  GeAveben  auch  etwas  Alkohol  bilden,  freilich  nur  kurze  Zeit  und 
dann  absterben.  So  schien  es,  als  ob  aller  lebenden  Substanz  die  Fähig- 
keit zukäme,  fakultativ  ohne  Sauerstoff  zu  leben  und  dabei  das  Atmungs- 
matei'ial  (Kohlehydrate,  vielleicht  aucli  EiAveiss)  in  ähnlicher  Weise  zu 
spalten  Avie  z.  B.  die  Sprosshefe,  deren  Gärkraft  nur  ein  gesteigertes  und 
andauerndes  Vermögen  zu  intramolekularer  Atmung  sein  Avürde.  I )er  Name 
intramolekulare  Atmung  sollte  andeuten,  dass  Avie  bei  normaler  Atmung 
PO.,  ausgeschieden  Avürde,  das  Behvort  in t]*am o lekul ar  sollte  an- 
deuten, dass  der  Sauerstoff  hierbei  nicht  der  Atmosphäre  entnommen. 


128 


sondern  ans  znsannneng-esetzten  Molekeln,  z.  Ik  des  Zuckers,  lierans- 
,i>'erissen  würde.  wol)ei  dieser  selbst  in  die  Gärungsprodukte  zerfiele.  Es 
finden  ja  bei  sobdien  anaeroben  Gärungen,  z.  B.  bei  Buttersäuregärung, 
in  der  Tliat  starke  Keduktionen  statt,  es  entsteht  freier  Wasserstoff,  der 
zugesetzte  organische  Farbstoffe,  z.  Ik  Indigo,  Laknius,  Methylenblau  ent- 
färl)t,  in  ihre  gewöhnlicdi  uni  2H  reicheren  Leukokörjier  verwandelt. 
Solche  entfärbte  Gärnngsffüssigkeiten  werden  beim  Zutritt  der  ljuft  wieder 
oxydiert,  färben  sich  von  neuem  blau,  zum  Zeichen  dafür,  dass  die  Farb- 
stoffe selbst  keine  tieferen  Zersetzungen  erfahren  haben,  als  die  An- 
gliederung von  nascierendem  Wasserstoff,  der  bei  der  Zertrümmerung 
tler  Molekel  des  Gärmateriales  entstand.  Ob  er  hierbei  wirklich  da- 
durch frei  wird,  dass  die  Gärungsorganismen  dem  Molekel  Sauerstoff  ent- 
reissen,  oder  ob  durch  Spaltungen  uns  unbekannter  Art,  die  nur  das  lebende 
Protoplasma  herbeizuführen  vermag,  das  entzieht  sich  unserer  Kenntnis. 
So  würde  schon  hieraus  sich  ergeben,  dass  Pasteurs  Theorie  der  Gärung, 
die  sog.  Sauerstoffentziehungstheori  e,  die  in  dem  Satze  gipfelt 
„Gärung  ist  Leben  ohne  Sauerstoff“,  nicht  mehr  ganz  den  Thatsacheu 
entspricht.  Da  aber  anderseits  die  Gärung,  auch  die  alkoholische,  durchaus 
nicht  an  das  Fehlen  des  Sauerstoffs  gebunden  ist,  so  ergiebt  sich  hieraus 
ein  weiterer  Einwand  gegen  Pasteurs  Theorie  und  gegen  die  Deutung 
dei’  Gärung  als  einer  intramolekularen  Atmung  im  obigen  Sinne.  Schon 
vor  Pasteurs  Hypothese  war  von  Traube  (1858)  eine  andere  Erklärung 
gegeben  Avorden,  die  Enzym theorie.  Die  Gärungsorganismen  sollten 
besondere  Enzyme  ausscheiden,  die  die  Spaltung  des  Gärmateriales 
bewirken  sollten.  Eine  solche  däieorie  war  nur  möglich,  so  lange  man 
nicht  Avusste,  dass  z.  B.  bei  der  Alkoholgärung  eine  grosse  IVIenge  von 
Nebenprodukten  entstehen,  so  lange  man  glaubte,  der  Vorgang  vollziehe 
sich  glatt  nach  der  Formel 

CcHi.Oß  = 2aH«0  + 2 00.,. 

Da  es  nun  aber  niemals  gelingen  wollte,  aus  den  Sprosshefen  ein 
solches  Enzym  zu  isolieren,  da  ausserdem  die  Nebenprodukte  bekannt 
Avurden,  so  Avar  für  die  alkoholische  Gärung  und  alle  anderen  Gärungen 
mit  Nebenprodukten  auch  diese  Enzymtheorie  aufzugeben.^ " ) Nur  für 
die  Fäulnis  des  Harnstoffes,  die  ja  glatt  und  nebenproduktlos  nach  der 
(fleichung 

NH. 

CO  + 2H.>0  = (NHJaCO, 

NH. 


als  Hydrol^'se,  ähnlich  anderen  Enzym Avirkungen  verläuft,  Avar  ein  Enzym 
zu  vermuten.  In  der  That  ist  es  gelungen,  ein  solches  als  Urase"-) 
bezeichnetes  Enzym  von  freilich  grosser  Unbeständigkeit  nachzuAveisen 
und  zu  isolieren.  Dass  Enzyme  fast  stets  in  Gärungsprozesse  eingreifen, 
ist  ja  zweifellos,  es  handelt  sich  aber  nur  um  vorbereitende  Veränderungen, 
Avie  bei  der  Inversion  des  Eohrzuckers  und  Malzzuckers  durch  die  Spross- 
hefe,  bei  der  Peptonisierung  des  EiAveisses  durch  Fäulnisbakterien.  Die 
Gärung  selbst  mit  ihren  vielen  Nebeni)rodukten  ist  durch  EnzyniAvirkung 
nicht  zu  erklären. 

Auf  ganz  anderem  WTge  versuchte  Naeueiu  (1879)  mit  seiner  mole- 
knlar-physikalischen  Tlieorie  die  Gärung  zu  erklären.  Nach  ihm 
vollzieht  sich  der  Prozess  extracellulär,  durch  üebertragung  von  IMole- 
kularscFAA’ingungen  des  lebenden  Protoi>lasmas  auf  das  Gärmatculal,  AATidurch 


129 


dieses  in  starke  molekulare  Heweg’ung’en  versetzt  werde  und  aussei'liall) 
der  Zellen  in  die  (TÜrprodiikte  zerfalle.  Dieser  zunächst  sein-  g'e- 
fällio’en  Theorie  steht  aber  wohl  schon  das  eine  Bedenken  entgeo^en, 
dass  die  niolekularen  Schwingungen  des  Protoplasmas  durch  die  stai’re 
Haut  der  Hefezelle  jedenfalls  sehr  stark  abgeschwäc-lit  werden.  Frei- 
li(*h  lässt  sich  mit  Avenigeu  Worten  diese  Theorie  nicht  widerlegen,  wie 
j(‘de  Erklärung,  die  auf  das  rein  hyi)otlietische  Dehiet  der  Molekular- 
physiologie iibergreift.  Dem  i)hysiologischen  oder  biochemischen  Charakter 
aller  Gärungs-  und  Fäulniserscheinungen,  d.  h.  ihrem  Gebundenseiii  an 
die  Thätigkeit  lebender  Wesen,  entst)richt  wohl  am  besten  die  Stoff- 
wechseltheorie, die  den  Spaltungsprozess  in  den  Zellleib  der  Gärungs- 
organismeu  verlegt.  Sie  haben  besondere,  anderen  Organismen  nicht  zu- 
kommende Eigenschaften  und  durch  diese  allein  werden  sie  befähigt,  an 
Orten  in  der  Natur  zu  leben,  die  eine  Verbrennung  des  Nährmaterials 
bis  zu  Kohlensäure  und  AVasser  nicht  gestatten.  Es  würden  das  also  alle 
jene  Stellen  sein,  zu  denen  der  freie  Sauerstoff  der  Luft  keinen  Zutritt 
hat,  z.  B.  die  an  organischen  Stoffen  reichen  tiefen  Schlammschichten  auf 
dem  Grunde  von  Teichen  und  Tümpeln,  das  Innere  faulender  Kadaver, 
der  Darminhalt,  die  inneren  Schichten  der  Misthaufen,  kui’z  alle  jene 
Stellen,  wo  Gärung  und  Fäulnis  anaerob  verläuft.  Die  Energie,  die  alle 
höheren  Tiere  und  Pflanzen  durch  die  Atmung  gewinnen,  wird  hier  durch 
eine  weniger  tiefe  Zerspaltung  der  Molekeln  erlangt  und  die  grössere  Menge 
der  mit  kleinerem  Energiegewinn  zersetzten  Molekeln  ersetzt  den  grösseren 
Gewinn  bei  der  tief  eingreifenden  Veratmung  geringer  Mengen.  So  bleiben 
bei  allen  Gärungen  noch  Köri)er  mit  hoher  Verbrennungs wärme  zurück, 
Alkohol  3246  Kalor.,  Buttersäure  3679. 

Der  Grad  der  Anpassung,  wenn  man  das  AVort  gern  hört,  an  solche 
sauerstofflose  AA^ohnorte  ist  bei  den  verschiedenen  Gärungsorganismen  ver- 
schieden. Die  einen,  z.  B.  die  Buttersäurebakterien,  die  Methanbakterien 
sind  die  vollkommensten  ihrer  Art,  sie  haben  sich  das  Leben  mit  Sauer- 
stoff’ und  die  Atmung  ganz  abgewöhnt,  sie  sind  streng  anaerob,  andere, 
wie  die  Alkoholhefen,  die  Milchsäurebakterien  und  alle  anderen  Erreger 
von  Spaltungsgärungen  und  der  Fäulnis  sind  nur  fakultativ  anaerob,  sie 
sind  noch  nicht  ganz  entwöhnt  vom  Sauerstoff,  der  für  sie  noch  nicht 
zum  Gift  geworden  ist.  Auch  bei  seiner  Anwesenheit  können  sie  die 
hesondere  Eigenschaft  ihrer  Protoplasmen  äiissern,  das  organische  Molekel 
von  hoher  A^erbrennuiigswärme  mit  bescheidenem  Energiegewinn  zu  zer- 
legen, zugleich  aber  veratmen  sie  auch  einen  Teil  davon,  denn  die  Alkohol- 
hefe atmet  neben  ihrer  Gärwirkung  bei  Luftzutritt  zweifellos,  bildet  mehr 
Kohlensäure,  als  dem  Alkohol  entspricht.  Vielleicht  ist  hierauf  sogar  das 
schnelle  AA^achstum  bei  Durchlüftung  zurückzuführen,  weil  der  grössere 
Energiegewinn  aus  der  Verbrennung  des  Zuckers  zu  Kohlensäure  und 
Wasser  auch  eine  grössere  ßetriebskraft  für  den  Aufbau  neuer  Zell- 
substanz liefert.  Fällt  die  Atmung  weg,  so  bleibt  nur  die  andere  Art 
der  Energiebefreiung  übrig,  und  da  schwer  ein  vollkommener  Ersatz  ge- 
schaffen, also  nicht  die  gleiche  Betriebskraft  wie  bei  aerobem  Leben  ge- 
wonnen werden  kann,  so  sinkt  das  Wachstum  herab.  Auf  diese  wenigen 
Bemerkungen,  die  nur  zu  einer  vorläufigen  Orientierung  über  das  schwierige 
Problem  dienen  sollen,  müssen  wir  uns  hier  beschränken.  Nur  noch  ein 
Wort  über  die  Nebenprodukte,  die  bis  zu  Kohlensäure,  AAhasserstoff,  bei 
der  Fäulnis  Ammoniak,  freiem  Stickstoff  hembgehen,  also  Kör[)ern 
mit  geringer  potentieller  Energie.  Sieht  man  genau  zu,  so  findet 
man  eine  ganze  Stufenleiter  von  dem  Hauptprodukt  der  Gärung  mit 

9 


A.  Fi.sclior,  Vorlesungen  über  Bakterien. 


liolier  Verbremiuiigswävine  bis  lieral)  zu  den  g-eiiainiteii.  Es  liegt  die 
Venmitiing  wohl  nicht  allziifeni,  dass  das  Haiii)T,))rodukt  selbst  laiigsaiii 
weiter  verarbeitet  wird  und  daun  auch  die  Nebenprodukte  mit  hölierer 
Verbrenn uug’swärme,  sodass  stets  in  jeder  Zelle  des  (lärungserregers  zahl- 
reiche Prozesse  neben-  und  durcheinander  herlaufeig  alle  charakterisiert 
dadurch,  dass  ein  Stotf  nur  sta  hei  weise  in  einfachei*e  zerlegt,  seine  potentielle 
Energie  ganz  allmählich  abgezapft  wird.  Die  Folge  davon  würden  die 
Nebenprodukte  der  Gärung  sein. 

Das  Bild,  welches  in  den  letzten  fünf  Vorlesungen  über  das  Ein- 
greifen der  Bakterien  in  den  Kreislauf  des  Stickstohs  und  der  Kohlen- 
säure entworfen  wurde,  würde  unvollständig  sein  und  zu  fälschen  An- 
nahmen führen,  wenn  der  Anteil  nicht  erwähnt  würde,  den  zahlreiche 
andere  niedere  Organismen  an  der  Verarbeitung  abgestorbener  Tier-  und 
Phanzenkörper  haben.  Dass  mau  gerade  über  die  Leistungen  der  Bak- 
terien so  gut  unteniclitet  ist,  erklärt  sich  aus  den  Interessen  der  Medizin, 
die  zu  so  gründlicher  und  allseitiger  Erforschung  der  Bakterien  anregten. 
Es  erklärt  sich  auch  daraus,  dass  die  technischen  Gärungen  vorwiegend 
durch  Bakterien  bewirkt  werden.  Kaum  zu  zweifeln  ist  daran,  dass  aucli 
zahlreiche  andere  Protozoen  (Infusorien,  Flagellaten,  Amöben  etc.),  die 
ja  an  Orten  der  Fäulnis  und  Gärung  sich  in  ungezählten  Scharen  ein- 
hnden,  hier  nicht  bloss  saprophil  leben,  sondern  selbst  an  der  Zerstörung 
der  organischen  Substanz  mitarbeiten,  in  den  Kreislauf  von  Stickstoff 
und  Kohlensäure  eingreifen.  Erforscht  ist  davon  freilich  noch  nichts. 
Auch  darf  nicht  ükersehen  werden,  dass  Schimmelpilze  und  alle  anderen 
Pilze  bis  hinauf  zum  Steinpilz  nur  von  vergehender  organischer  Substanz 
leben  und  so  mindestens  durch  deren  teilweise  Veratmung  den  Kreislauf 
der  Kohlensäure  beschleunigen,  ausserdem  die  schwerer  vergängliche  Sub- 
stanz in  leichter  zerstörbare  Pilzmassen  überführen.  Still  und  unscheinbar 
vollzieht  sich  die  Arbeit  der  winzigen  Pyrenomyceten,  die  nicht  zu  unter- 
schätzen sind.  Keinen  abgestorbenen  Ast  auf  dem  Boden  des  Waldes,  kein 
vertrocknetes  Kraut  wird  man  vergebens  nach  den  kleinen  Früchten 
der  Pyrenom3^ceten  untersuchen.  Schliesslich  fällen  aber  alle  diese  Pilze 
doch  der  Fäulnis  anheim. 

So  könnte  es  scheinen,  als  ob  allmählich  die  Erde  an  Bakterien  er- 
sticken müsste.  Jede  Bakterienzelle  lebt  aber  nur  bestimmte  Zeit  und 
kann  nur  eine,  wenn  auch  grosse,  aber  doch  beschränkte  Zahl  von  Nach- 
kommen hinterlassen,  die  schliesslich  selbst  absterben  und  von  ihresgleichen 
für  einen  neuen  Kreislauf  der  Kohlensäure  und  des  Stickstoffs  aufgearbeitet 
werden.  Ein  guter  Teil  der  Bakterien  dient  anderen  Protozoen,  wie 
Infusoi’ien  und  Amöben,  die  oft  vollgestopft  damit  sind,  als  Nahrung  und 
wird  so  vernichtet. 


XV. 


Die  Hakteiieii  als  Ki'anklieitserr 


1.  Pflaiizeuliraiiklieiteii;  liariiilose  Afterinieter  des  Menschen  ; 
pathogene  Bakterien;  Intektionsqnellen  und  Invasionsstellen. 

Abgesehen  von  den  Kn()llelienbakteri(Mi,  deren  sonderbare  Bezielinngen 
zu  den  Leguminosen  bereits  früher  (Vorl.  X)  geschildert  wurden,  ist  kein 
einziges  Beispiel  dafür,  dass  Bakterien  in  den  geschlossenen,  lebenden 
Zellen  einer  Pflanze  sich  einnisten  können,  bis  jetzt  bekannt  geAvorden.  Die 
unverletzte  Pflanze  steht  mit  der  Aussen  weit  nur  durch  die  Spalt- 
(ittiuingen  in  oifener  Verbindung,  die  selbst  sich  darauf  beschränkt,  dass 
das  gegen  die  Zellen  ganz  abgeschlossene  System  der  Infterfüllten  Inter- 
cellnlarräiime  mit  der  Anssenlnft  kommuniziert.  Wenn  durch  den  Wind 
oder  durch  Regen  Bakterienkeime  in  die  Spaltöttnungen  geführt  werden, 
so  gelangen  sie  von  hier  ans  nur  in  diese  Intercellnlärränme,  wo  ihnen 
ausser  dampfgesättigter  Luft  nichts  Aveiter  geboten  Avird,  avo  alle  Nähr- 
stoffe fehlen,  ohne  die  keine  Bakterienspore  auskeimt,  keine  Bakterienzelle 
sich  vermehrt.  Selbst  Avenn  auch  solche  Bakterien,  die  Cellulose  lösen 
können  (Methanbakterien),  in  die  Intercellnlärränme  gebracht  Averden,  so 
können  sie  sich  doch  hier  nicht  ernähren  und  ihre  Eigenschaft,  die  Zell- 
Avand  anfznlösen,  entfalten.  Mit  Erfolg  vermögen  deshalb  in  die  Pflanze 
nur  solche  Organismen  parasitisch  einzudringen,  deren  Keime  soviel 
Nährstofle  mit  auf  den  Weg  bekommen  haben,  dass  sie  auch  in  reinem 
Wasser  anskeimen,  den  Nahrungsmangel,  der  sie  zuerst  trifft,  übenvinden 
lind  ihre  Angriffe  auf  die  schützenden  Zelhvände  auf  eigene  Kosten  er- 
öffnen können.  Das  ist  erfüllt  bei  den  Sporen  der  parasitischen  Pilze, 
die  mit  ihren  Reservestoflen  einen  Keimschlanch  treiben,  der  nun  un- 
mittelbar die  Epidermis  der  Pflanze  durchbohrt  (Kartoffelpilz,  Phytophthora 
infestans)  oder  durch  eine  Spaltöffiinng  (Rostpilze)  zunächst  in  das  Inter- 
cellnlarsystem  eindringt  und  von  hier  ans,  die  Zellwände  durchsetzend, 
in  die  Zellen  hineiiiAvnchert  oder  in  sie  docli  wenigstens  besondere  Seiten- 
zAveiglein  seines  Mycelinms  als  Sangfortsätze  (Hanstorien)  entsendet.  Alle 
diese  Fähigkeiten  fehlen  den  Bakterien,  gegen  die  eine  unverletzte  Pflanze 
vollkommen  geschützt  ist.  Aber  auch  die  verAvnndete  Pflanze 

9* 


würde  mir  in  den  ,<>’eöifneten,  verletzten. Zellen  Nälir.stolfe  fiii’  Bnkterien 
darbieten,  eine  Quelle,  die  bald  dadurch  abg’escdinitten  wird,  dass  unter 
der  AViinddäclie  eine  nndnivlilässi^’e  Korkschiclit  (AVnndkorkj  entsteht, 
die  jeden  weiteren  8äfteaiistritt  ans  der  Wunde  verhindert.  Die  AVnnde 
bleibt  nicht  feucht,  die  verletzten  Zellen  schrninpfen  und  trocknen  ein 
lind  damit  ist  den  Bakterien  der  Eingang-  genau  so  vers]»errt  wie  an 
der  nnverletzten  Pflanze.  Bir  drohen  deinnach  auch  keine  AVnnd- 
infektionskrankheiten  durch  Bakterien,  deren  A\"eiterverschle])i)iing  in 
der  Phaiize  gleichfalls  iinniöglich  ist.  Nach  alledem  ist  der  Erfolg  einer 
Injektion  von  Bakterien,  auch  für  Tiere  und  MenscBen  pathogenen,  in  die 
lebende  Pflanze  leicht  vorauszusagen:  keine  Entwicklung  in  den  Inter- 
cellularräiimen,  vielleicht  eine  ganz  geringe,  bald  erlöschende  Vermehrung 
an  grossen  Wunclflächen.  . Die  Versuche  sind  genau  so  ausgefallen  und 
bedürfen  keiner  weiteren  Besprechung.'^")  Dennoch  tauchen  immer  und 
immer  wieder  Beschreibungen  neuer,  durch  Bakterien  hervorgerufener 
Pflanzenkrankheiten  auf,  freilich  oft  was  für  Beschreibungen  und  Avas 
für  kritiklose  Versuche.  Dass  in  kranken  Pflanzen  Bakterien  oft  in  Un- 
mengen sich  finden,  ist  sicher,  sie  lialien  sich  aber  hier  stets  nur  meta- 
troph  auf  dem  durch  echte  Pilze  zerklüfteten  und  zersetzten  Gewebe 
angesiedelt  und  helfen  nun  allerdings  an  dem  Aveiteren  ZerstörungSAverk, 
können  auch  dem  Aveiteren  Verlaufe  der  Krankheit  ein  besonderes  Ge- 
präge verleihen.  Die  ersten  Angrifte  auf  die  Pflanze  müssen  aber,  von 
anderen  Schädigungen  Avie  Frost,  Tiere  etc.  abgesehen,  durch  die  Pilze 
geschehen,  nicht  bloss  bei  Erkrankungen  intakter  Pflanzen,  sondern  auch 
bei  Wundinfektionen,  die  oft  durch  Pilze  sehr  sich  ausdelineii  und  zu 
unheilbaren  Schäden  Averden.  Von  der  Gommose  bacillaire  des  Wein- 
stockes bis  zum  Schorf  der  Kartoffel  sind  alle  sog.  Bakt  er  lösen 
der  Pflanzen  anderen  Ursprungs,  die  Bakterien  nur  metatrophe  Verun- 
reinigungen, nicht  selbsterobernde  Parasiten. 

Pein  metatroph  leben  Bakterien  auch  auf  insektenfressenden  Pflanzen 
(Pinguicula,  Drosera,  Nepenthes),  die  bekanntlich  kleine,  mit  besonderen 
Einrichtungen  eingefangene  und  festgehaltene  Insekten  verdauen  und 
deren  Lösungsprodukte  in  sich  aufnehinen.  Da  die  insektivoren  Organe, 
Avie  die  Blätter  der  Pinguicula,  die  Kannen  der  Neiienthes  nicht  abge- 
schlossen gegen  die  AusseuAvelt  sind  und  sein  können,  so  Averden  durch 
den  Wind  und  durch  Tiere  Bakterienkeime  auch  hierher  gebracht  und  es 
Aväre  Avimderbar,  Avenn  diese  an  solchen  saft-  und  iiahrungsreichen  Stellen 
sich  nicht  vermehren  und  von  den  Verdauungsprodukten  des  gefangenen 
Tierchens  zehren  Avürden.  Mau  hat  auch  hier  eine  Symbiose  vermutet, 
die  Bakterien,  die  ja  auch  mit  peptonisierenden  Eigenschaften  ausgestattet 
sind,  sollten  unentbehrlich  sein  für  die  Auflösung  der  Beute.  Genaue 
AbAvägung  der  Verhältnisse  hat  dieses  neue  SymbioseAvunder  nicht  be- 
stätigen können.  Ob  die  Stäbchenbakterien  in  den  Schuppenhöhlen  der 
SchuppeiiAvurz  (Lathraea),  deren  Kopfhaare  oft  dicht  damit  gespickt 
sind,  auch  nur  metatroph  sich  festsetzen,  bedarf  noch  Aveiterer  Unter- 
suchung.^^''') 

Bakterienkrankheiteu  niederer  Tiere  sind  noch  Avenig  bekannt, 
geAviss  aber  sehr  häufig;  die  sog.  Eaulbrut  der  Bienen,  die  von  Pastecu 
erforschte  Schlafsucht  der  Seidenraupen  gehören  hierher,  ein  Bacterium 
ranicidum,  für  Frösche  und  Fische  pathogen,  Aväre  noch  zu  erAvähnen."") 

Das  Hauptinteresse  konzentriert  sich  begreiflicher  Mäuse  auf  das 
Verhalten  der  Bakterien  zum  Menschen  und  den  Sänge tiereii.  Da 
die  Bakterienkrankheiten  beider  in  allen  ihren  Avesentlicheii  Eigenschaften 


und  Krsclieiimu,£>’eii  übereinstimmen,  so  soll  iiii  Fol^’ornleii  nur  der  Mens(di 
als  \Mrt  patliog’ener  Bakterien  berücksichtigt  werden. 

Viele  Krankheiten  sind  Menschen  und  liöheren  Säugetieren  geniein- 
sam,  ganz  ohne  Wirkung  auf  das  eine  oder  andere  Versuchstier  ist 
auch  keiner  der  ihr  Menschen  specihschen  Krankheitserreger.  Die 
Wissenschaft  besitzt  hierin  ein  nneiitbehrliches  Hilfsmittel  für  das  Stndinm 
der  Krankheiten,  den  Tierversuch,  die  experimentelle  Hervorriifnng  einer 
Krankheit  durch  Einfnhrnng  der  rein  gezüchteten  pathogenen  Bakterien. 
Die  ganze  Fülle  unseres  Wissens  über  diese  Organismen,  die  Seruni- 
therapie  und  das  Tnberknlin  fassen  auf  dem  Tierexperiment. 

Jeder,  auch  der  gesündeste  Mensch  schleppt  stets  eine  Unzahl  von 
metatrophen  Bakterien  mit  sich  hemm,  harmlose  Aftermieter,  die 
alle  von  aussen  zugänglichen  Höhlungen  des  Körpers  beAVohnen.  Auf  den 
Schleimhäuten  und  der  durch  Sekrete  feuchten  Oberfläche  der  Mund- 
nnd  Nasenhöhle,  der  weiblichen  Geschlechtsorgane  " ^) , im  Darm  findet 
sich  stets  eine  reiche  Vegetation  metatropher  Bakterien,  die  nur  von  den 
ansgeschiedeneii  Stötten  leben,  nicht  in  die  Gewebe  eindringen,  und  in 
jeder  der  genannten  Höhlungen  eine  von  der  Beschattenheit  des  Sekretes, 
von  der  dargebotenen  Nahrnng  abhängige  und  wohl  bestimmte  Lokal- 
flora znsammensetzen.  Einige  Formen  sind  konstante  Bewohner, 
andere  sind  bald  häufiger,  bald  seltener,  dei‘  Platz  ist  aber  stets  besetzt 
durch  diejenigen  metatrophen,  die  sich  am  Avolilsten  hier  befinden  und 
gewissermaassen  einen  Schutz  gegen  die  Einnistung  anderer,  vielleicht 
pathogener,  geAvähren.  Auch  die  trockene  Haut  der  Körperoberfläche 
ist  stets  durch  entwicklungsfähige  Keime  von  Bakterien  verunreinigt,  deren 
Qualität  in  erster  Linie  natürlich  von  der  Beschäftigung  des  betrettenden 
Individnnms,  deren  Quantität  von  seiner  Peinlichkeit  abhängt. 

Sehr  reichhaltig  ist  die  Bakterienflora  der  Mnndschleim- 
h a nt  n n d der  Z ä h n e ^ ^ ^),  gegen  50  Arten  sind  hier  schon  gefunden 
Avorden,  viele  davon  nnr  als  zufällige  Passagiere,  einige  als  specifische 
MnndbeAVohner,  deren  Hanptformen  bereits  Leeitavenhoek  (Fig.  1,  p.  1) 
zu  unterscheiden  vermochte.  Früher  fasste  man  alle  diese  nie  fehlenden, 
durch  Peinlichkeit  allerdings  auf  ein  Minimum  znrückdrängbaren  Formen 
unter  dem  Namen  der  L e p t o t h r i x b n c c a 1 i s zusammen,  eine  hochpleo- 
morphe Art,  da  alle  Kugeln,  kurzen  und  langen  Stäbchen,  Vibrionen  und 
Spirillen  nnr  als  EntAvicklnngsstnfen  der  längeren,  ans  Speiseresten  hervor- 
sprossenden Fadeubüschel,  der  Leptothrixfäden,  angesehen  Avnrden.  Diese 
Anffassnng  ist  anfgegeben  Avorden,  der  Name  Lephothrix  bnccalis  hat  nnr 
noch  den  Wert  eines  Trivialnamen  für  die  gesamte  Mnndflora  (Fig.  26«). 

Einige  der  jetzt  als  besondere  iVrten  anfgefassten  Bakterien  geben 
Grannlosereaktion , so  die  dicken,  oft  zu  fädigen  Ketten  verbundenen 
Stäbchen  des  B a c i 1 1 n s in  a x i m n s bnccalis  (Fig.  26  d\  auch  eine  Kngel- 
bakterie  (Jodococcns).  Andere,  Avie  die  dünnen  Ketten  der  Leptothrix 
innominata,  der  dem  Choleravibrio  ähnliche  Vibrio  bnccalis  (Fig.  26//), 
die  zarte,  geschlängelte  Spirochaete  deutinni  (Fig.  26 /j  färben  sich  mit 
Jod  gell).  Die  Peinknltnr  der  Mnndbakterien  ist  noch  nicht  dnrcliAveg 
geglückt,  auch  der  nie  fehlende  und  typische  Bacillus  maximns  bnccalis 
ist  noch  nicht  rein  kultiviert.  Die  biochemischen  Leistungen  der  einzelnen 
Arten  sind  deshalb  auch  nocli  nicht  erforscht,  sicher  ist,  dass  das  bunte 
Gemenge  ans  den  Speiseresten  Milchsäure  und  andere  Säuren  bildet, 
durch  die  dei*  Zahnschmelz  stellemveisi'  entkalkt  Avird.  Jetzt  ist  der 
W'Tg  ins  Innere  des  Zahnes  erfltthet,  die  Bakterien  bohren  sich  durch  ihre 
Säure  immer  tiefer  in  die  Zahnkanälchen  (Fig.  26 /Q  ein,  Avie  die  Flechte 


134 


in  das  Ivalkoesteiii,  liölileii  (Um  Zaliii  melir  oder  weiiig’ei’  aus  und  iiiaclieii 
ihn  l)randig,  vernie.liten  teilweise  aiicli  seine  organisclie  Substanz. 
Folgende  Analyse  giebt  liierril)er  die  nötige  Auskunft: 


187,2  Kubikinill.  gesundes  Dentin 
187,2  „ cariöses  „ 

Verlust 


Gewicht  . Kalk  organische  Stotfe 

ö lu  8 /() 

0,36  g 0,26  72  \ 0,1  28 'V, 

0,08  „ 0,02  26 ‘Vo  0,06  74 'Vo 

0,28  g 0,24  0,04. 


Der  Verlust  an  Kalksalzen  durch  die  Säure  der  Mundl)akterieii  beträgt 
also  92  ^/o,  der  au  organischen  Stoffen  40  '7,,. 

Zerstöruiiffswerk  der  Mund- 


Die  Zahncaries  ist  das 


gemeinsame 


bakteriell,  unter  deiieii  keine  als  der  spezifische  Erreger  sich  bezeichnen 
lässt.  Nicht  als  eine  echte  Krankheit,  nur  als  unabweisbare  Folge  der 
selbst  uiiausbleiblichen  Vermehrung  aller  der  Bakterien,  die  mit  Speise  und 
Trauk  täglich  den  Mund  passieren,  ist  die  Zahncaries  aufzufasseii.  AVoher 
die  typischen  Muiidbewohiier  freilich  kommen,  ist  noch  nicht  festgestellt. 


Fig.  2G.  Bakterien  der  Mundhöhle 
und  der  Zähne.  Bakterienhaufen  (nach 
Miller).  h Zahnbeinkanälchen  teils  mit 
Kokken,  teils  mit  Stäbchen  vollgestopft 
und  erweitert  (nach  Miller),  c Spirillum 
sputigenum.  d Bacillus  maxim.  buccalis, 

mit  Granulosereaktion.  e Kokken,  f SpirO- 

chaete  dentium  ^ Vibrio  buccalis.  A Stäb- 
chen , wahrscheinlich  Milchsäurebakterien 
(Bac.  acidi  lactici).  Vergr.  a circa  250, 
b 400,  c — h circa  1200. 


denn  der  der  Kultur  bis  jetzt  trotzende  Bacillus  maxinius  buccalis  z.  B. 
ist  ausserhalb  des  Körpers  noch  nicht  gefunden  worden.  Dass  er  von 
jeher  wohl  ein  Begleiter  des  Menschen  gewesen  ist,  beweist  die  Unfer- 
suchung  ägyptischer  Mumien,  die  schon  dieselben  Bakterien  in  den  hohlen 
Zähnen  haben,  wie  wir  heute  noch. 

Der  gesunde  Magen  ist  infolge  der  säuern  Eeaktion  des  Magen- 
saftes nicht  geeignet  zur  Entwicklung  einer  regulären  Lokalfiora,  Avohl 
aber  gestattet  der  erkrankte  die  Vermehrung  der  mit  der  Nahrung  auf- 
genomnienen  Arten.  Nicht  selten  entwickeln  sich  dann  die  in  jedem 
Wasser,  auch  gutem  Leitungswasser,  nie  fehlenden  Sarcinen,  bald  färb- 


lose,  bald  g'elbe  Arten,  die  man  friilier  als  eine  besondere,  leicht  [)atliog’ene 
Art,  Sarc.ina  venti-icnli  anffasste. 

Kine  reiclie  Brutstätte  ITir  Bakterien  aller  Art,  aerobe  und  anaerobe, 
Gärnng’s-  und  Fänlnisbakterien  ist  der  Inhalt  des  Darmes,  Der 
frische  Mensclienkot  enthält  75'*/,)  Wasser  und  vielleiclit  1 'V„o  Bakterien, 
viele  Sporen  aller  Grössen,  verschiedene  Stäbchen,  auch  zahlreiche  leicht 
erkennbare,  hernntergesclilnckte  Individuen  des  Bacillus  maximns  bnccalis 
lind  vieles  andere.  Man  hat  berechnet,  dass  ein  Mensch  mit  den  täg- 
lichen Faeces  12  — 15  JMilliarden  Bakterien  ans  dem  Kör])er  entfernt.' 
Neben  abgestorbenen,  durch  mangelhafte  Färbbarkeit  erkennbaren, 
herrschen  lebenskräftige  Individuen,  die  im  Darminhalt  üp])ig  gedeihen, 
vor,  auch  die  Sporen  entstehen  hier  znni  allergrössten  Teil,  wie  schon 


daraus  hervorgeht,  dass  viele  von  ihnen  noch  in  die  Zellen  eingeschlossen 
sind,  wenn  die  Exkremente  entleert  werden. 

Die  Verdannngsrnckstände  werden  durch  die  Darmbakterien  in 
Fäulnis  und  Gärung  versetzt,  deren  Art  und  Verlauf  natürlich  von  der 
Znsammensetznng  der  genossenen  Nahrung  abhängt,  bei  Fleischnahrnng 
herrscht  Fäulnis  mit  Tyrosin,  Lencin,  Indol,  Skatol,  Schwefelwasser- 
stoff, Ammoniak  als  Produkten,  denen  sich  nach  Vorl.  XI  noch  andere 
anschliessen,  vor,  bei  kohlehydratreicher  Pflanzenkost  nehmen  die  Gärnngen, 
besonders  die  Methangärnng  der  Cellulose,  die  erste  Stelle  ein.  Bei  regel- 
mässigem Leben  bildet  sich  eine  ziemlich  beständige  Darmflora  ans,  als 
deren  Leitbakterie  der  pleotrophe  Bacillus  coli  commune ' -")  gelten 
kann,  der  zymogene  und  saprogene  Eigenschaften  besitzt  (Vorl.  XVI). 
Daneben  treten  noch  andere,  der  weiteren  üntersiichimg  bedürftige  Arten 
auf  (Bac.  pntrificns  coli,  Vorl.  XI).  Die  Zersetznngsvorgänge  verlaufen 
im  Innern  des  Darminhalts  und  der  Kotmasse  ausschliesslich  an  aerob, 
an  der  Darmwand  aber,  die  dicht  mit  Bakterien  tapeziert  ist,  auch  aerob. 

Wie  die  Bakterien  in  den  Darm  gelangen,  braucht  wohl  nicht  weiter 
erörtert  zn  Averden,  denn  mit  der  Nahrnng  nehmen  AAur  ja  stets  un- 
zählige Mengen  auf,  so  dass  es  wunderbar  wäre,  Avenn  im  Darm  mit  ge- 
eigneter alkalischer  Reaktion  keine  Bakterien  sich  entwickelten.  Ihr 
Vorkommen  ist  eine  unabänderliche  Folge  ihrer  allgemeinen  Ver- 
breiuing,  aber  keine  Symbiose  zAvischen  Mensch  und  Bakterien,  die 
etAva  bei  der  Verdannng  der  Nahrnng  mithelfen.  In  einer  so  kläglichen 
Abhängigkeit  von  den  Bakterien  steht  der  Mensch  glücklicherweise  nicht. 
Durch  Verfütternng  sterilisierter  Nahrnng  an  neugeborene  Tiere'-') 
ist  es  möglich,  die  Darmbakterien  eine  Zeit  lang  fernznhalten  oder  doch 
auf  eine  geringe  Menge  einznschränken , ohne  das  Wohlbefinden  des 
Versuchstieres  zn  beeinträchtigen,  was  bei  einer  regelrechten  Symbiose 
nicht  gelingen  Avürde.  Gegen  diese  sprechen  auch  schon  die  von  den 
Darmbakterien  gelieferten  Produkte,  die  für  die  Anfsangnng  durch  die  Darm- 
Avand  lind  die  Weiterverarbeitung  im  Körper  ganz  ungeeignet  erscheinen. 

Der  Darm  neugeborener  Kinder'  - -)  ist  ganz  steril,  aber  schon  in  Avenigen 
Stunden  nisten  sich  die  ersten  Bakterien  ein,  noch  vor  der  ersten 
Nahrnngsanfnahme  Avnrden  7 verschiedene  Bakterien  arten  ans  den  Därmen 
einiger  solcher  armen  Säuglinge  isoliert.  Der  erste  von  allen  ist  der  Ba- 
cillus coli  commune,  der  als  Milchkotbakterie  sich  im  jungen  Erden- 
bürger festsetzt  und  bis  znm  Tode  sein  steter  Begleiter  ist.  Woher  diese 
Kolonbazillen  kommen,  ist  experimentell  noch  nicht  entschieden,  am  Avahr- 
scheinlichsten  ist,  dass  sie  metatrophe  Wasserbakterien  sind.  Zn  ihnen 
gesellen  sich  bei  künstlicher  Ernährung  des  Säuglings  sogleich  die  Milch- 
bakterien lind  so  vermehrt  sich  allmählich  mit  jeder  Znfiihr  eines  neuen 


1H6 


Nalminj?!smittels  die  uiivermeidliclie.  Bakterieiiflora  des  Mundes  und  des 
Darmes.  Sie  bleibt  barnilos,  so  lange  das  Darmepitliel  unverletzt  ist, 
denn  in  seine  Zellen  können  die  Bakterien  nicbt  eindringen  ' sie 
können  aber  znni  Ansgangspnnkte  von  Erkrankungen  werden,  sobald 
die  sclintzende  Zellscliicht  auch  nur  an  einer  einzigen  Stelle-  verletzt 
wird.  Denn  unter  den  metatroplien  Darinbakterien  sind  manche,  be- 
sonders auch  der  Bacillus  coli  commnne,  auch  pathogen. 

Mein  bezeichnet  als  I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n ^ alle  diejenigen, 
zu  deren  Entstehung  ein  gewisses  Etwas,  der  Krankheitserreger,  in  den 
Körper  einverleibt  werden  muss,  genau  wie  bei  den  Gärungen.  Wie  für 
sie  das  Feiunentum,  so  war  das  Kraukheitsvirus  notwendig  zur  Hervor- 
rufung  dieser  Krankheiten.  Man  sprach  früher,  ehe  man  die  pathogenen 


b C 

Fig.  27.  Fiirbungspräparate  aus  Zieglers  Lchrb.  il.  allgem.  Pathologie  I.  Btl.  8.  Autl. 
a Auswurf  eines  Lungenkranken,  auf  ein  Deckglas  ausgestrichen  und  angetrocknet,  mit  Fuchsin 
und  Methylenblau  gefärbt,  Tuberkelbazillen  rot,  Gewebseleinente  blau,  b Gonokokken  (IVlicrO- 
COCCUS  Gonorrhoeae)  in  frischem  Trippersekret,  Deckglaspräparat  a Schleim  mit  einzelnen  Kokken 
und  Pärchen,  b und  c Eiterkörperchen  mit  und  ohne  Kokken.  Methylenblau-Eosin,  Kokken 
blau,  c Mikrotomschnitt  durch  eine  Milzbrandpustel  nach  GraimchQY  Methode  gefärbt,  Bac. 
Anthracis  dunkelblau,  das  Gewebe  durch  Vesuvin  bräunlich.  Vergr.  a 400,  b 700,  e 350. 

Bakterien  kannte,  von  einem  C o n t a g i u m , wenn  die  Krankheit  nur  durch 
innige  Berührung  mit  einem  Kranken  übertragen  werden  konnte,  von 
Miasma,  wenn  das  vorausgesetzte  Krankheitsgift  auch  durch  die  Luft 
zugeführt  zu  werden  schien.  Und  ebenso,  wie  für  die  Erklärung  der 


187 


Gärun,i>eii  au  die  Stelle  des  leblosen  Fenneiites  später  das  Feniieiitum 
viviiiu  trat,  so  bracli  sieh  sidioii  um  die  Mitte  dieses  Jalii'liiiudei’ts  die 
Aiivsielit  Haliii.  dass  aiieli  ein  (b)ii  ta.g  i um  vivum,  ein  Virus  auiumtum  die 
Frsaidie  der  austeckeiideii  und  ei)ideuiiselieu  Kraiiklieiteu  sei.  Wie  all- 
bekauut,  sind  die  Bakterien  das  Virus  aiiimatum  der  meisten  lutektious- 
krauklieiteu. 

Der  Naelnveis  der  Bakterien  im  Blute  und  den  Gewebssäfteu  eines 
Kranken  ist  leielit,  sobald  es  sich  um  gTössere  Ph')rmen,  wie  die  Milz- 
brandbazillen handelt.  Diese  kann  man  schon  im  frischen  Blut  als  zarte 
blasse  Stäbchen  zwischen  den  Blntkörperchen  erkennen,  und  hier  sind  sie 
auch  nm  das  Jahr  1850  entdeckt  worden.  AVinzigere  Formen  aber,  wie 
Kokken,  die  leicht  mit  körnigen  Gebilden  des  Blutes  verwechselt  werden 
können,  kann  man  nur  durch  besondere  Präparation  erkennen,  durch 
Färbung,  besonders  mit  Anilinfarben.  Die  kranken  Gewebe  müssen 
fixiert,  in  dünne  Schnitte  zerlegt  und  gefärbt  werden,  nm  die  Bakterien 
gegenüber  den  andern  Gewebselementen  hervorziiheben  (Fig.  27).  Hierzu 
genügen  alle  jene  Methoden,  die  zur  üntersnchnng  des  Zellinhalts  über- 
haupt in  so  grosser  Mannigfaltigkeit  ansgebildet  worden  sind.  Prinzipiell 
Neues  verlangt  der  Nachweis  der  Bakterien  nicht,  nur  bedarf  es  in  ein- 
zelnen Fällen  noch  besonderer  Knifie,  die  jedes  methodische  Hilfsbiich  in 
reicher  Auswahl  beschreibt.  (Vergl.  Fig.  27.) 

Die  Isolierung  der  pathogenen  Bakterien  ans  den  kranken  Organen 
geschieht,  wie  die  Reinzüchtimg  aus  fauligem  AVasser,  mit  Hilfe  der 
Plattenmethode  (pag.  56),  in  manchen  Fällen  (Tuberkulose  etc.)  ent- 
halten die  kranken  Herde  schon  selbst  Eeinknlturen,  deren  sterile  Ab- 
impfung keine  Schwieiägkeiten  bereitet.  Schwerer  wird  die  Aufgabe,  wenn 
ans  einem  bunten  Gemenge  von  Bakterien,  welche  die  kranken  Organe 
lind  Gewebe  bevölkern,  alle  einzelnen  Arten  isoliert  und  die  wirklichen 
Erreger  der  Krankheit  von  nachträglichen  Eindringlingen  unterschieden 
werden  sollen. 

Die  Ansprüche  pathogener  Bakterien  an  die  künstliche  Kultur  sind 
verschieden,  je  nachdem  ein  echter  Parasit,  eine  paratrophe  Bakterie,  oder 
eine  metatrophe  vorliegt.  Die  letzteren  lassen  selbst  wieder  verschiedene 
Abstufungen  erkennen,  Avorüber  Vorl.  VI  zu  vergleichen  ist.  Die  echten 
Parasiten,  Tuberkel-  und  Diphtheriebazillen,  Gonokokken  verlangen 
die  bgste  Nahrung  (Vorlesung  VI  und  die  Einzelbeschreibungen  in 
A^orlesung  XVI).  Lang  andauernde  Kultur  pathogener  Bakterien 
schwächt  ihre  Eigenschaften,  eine  Abnahme  der  Virulenz  macht  sich 
bemerkbar  (Vorl.  III),  auch  in  morphologischen  Veränderungen  (Invo- 
lution Vorl.  III)  äussert  sich  das  Missbehagen  der  paratrophen  Bakterien 
in  den  den  lebenden  AVirt  doch  nie  ganz  ersetzenden  Kulturen.  Die 
Abschwächung  lässt  sich  durcli  mancherlei  Einwirkungen  beschleunigen 
lind  innerhalb  bestimmter  Grenzen  fast  gradweise  regulieren,  sie  Avird 
zum  Ausgangspunkt  der  künstlichen  Immunität  durch  Schutzimpfling,  sie 
lag  auch  den  ersten  Versuchen  über  die  Sernmtherapie  zu  Grunde 
(Vorl.  XVII). 

Infektionsquellen  und  Invasionsstellen.  Schon 
früher  geschilderten  Widerstandsfähigkeit  der  Bakterienzellen 
sonders  ihrer  Sporen  gegenüber  der  Austrocknung  geht  hervor. 

Staub  eingetrocknete  Auswürfe  Erkrankter  eine  reiclie  Infektionsquelle 
sein  können,  Tuberkelbazillen  Avachsen  noch  nach  2—8  Monaten  aus 
trockenem  Staub  hervor.  Alle  echten  paratrophen  Krankheitsbakterien, 

zu  a’edeihen  vermögen,  können  nni' 


aus 

und 


der 

be- 

zu 


die  ausserhalb  des  Oi’ganisnms  nicht 


diilv.h  die  ki’aiikliafteii  Aiisscdieidiin^’eii  in  die  Ausseiiwelt  ^•elaii^>’eii  uml 
erliegen  dort,  sell)st  wenn  alle  Bedingungen  zu  einei'  ki'äftigeii  Lehensentwick- 
lung erfüllt  sind,  also  in  Wasser,  das  i’eich  an  organischen  Stötten  ist,  auf 
gäi’ungs-  und  fänlnisfäliigeni  Material  aller  Art,  unfehll)ai-  der  Konkurrenz 
der  sclineller  und  ii])i)iger  wachsenden  metatropliisclien  Arten.  So  hleiht 
für  die  echten  Parasiten,  wue  Tuberkel-  und  l)i})litheriehacillus  fdie 
(4onokokken  sind  noch  einpfindliclier.  Vorl.  XVI),  der  staubtrockene  Rulie- 
zustaud  allein  übrig  als  derjenige,  in  dein  sie  ausserhalb  eines  Wirtes 
entwicklnngsfaliig  sich  bis  ,zu  neuer  Invasion  erhalten  können.  Ausserlialh 
des  Organismus  wird  man  diese  Kranklieitserregei’  nie  in  A^kacllstum  und 
Vermehrung  an  treffen. 

Viele  Infektioiiskranklieiten  werden  nun  aber  von  metatroplien  Bak- 
terien liervorgerufen,  die  nicht  auf  das  Lehen  als  Parasiten  angewiesen 
sind,  auch  ausserhalb  zu  gedeihen  vermögen.  Da  hier  eine  ganze  Stufen- 
leiter von  langsamer  und  schneller  Avachsenden  Arten,  Amn  solchen,  die 
grössere,  und  solchen,  die  geringere  Ansj)rüche  an  die  Kohlenstoff-  und 
Stickstoffquellen  stellen,  schon  im  Exjieriment  sich  ergehen  hat,  so  Avird 
auch  Amn  Fall  zu  Fall,  von  Art  zu  Art  die  Möglichkeit,  in  der  freien 
Natur  üppig  zu  gedeihen,  eine  verschieden  grosse  sein.  Wie  schon  früher 
ei’Avähnt,  hat  eine  zukünftige  Floristik  der  Baktei'ien  darauf  zu  achten. 
Für  alle  metatroplien  Krankheitseri’eger  treten  also  zu  dem  Staub  und 
den  Auswürfen  der  Kranken  noch  alle  jene  Orte  als  Infektionsquellen 
hinzu,  Avo  Lehen  sich  entfalten  kann,  also  Speisen  und  Geti-änke  ver- 
schiedener Art,  unreines  Wasser,  kurz  die  oben  schon  gekennzeichneten 
Stellen.  Hieraus  Avürde  sich  ergeben,  dass  für  alle  metatroi)]ien  Krank- 
heiten viel  mehr  Infektionsquellen  vorhanden  sind,  als  für  rein  para- 
trophe,  Avas  hier  nur  angedeutet  sein  mag. 

Der  NacliAveis  und  die  Isolierung  pathogener  Keime  aus  bunten  Ge- 
mengen von  Bakterien,  Avie  sie  verunreinigtes  Wasser  z.  B.  stets  enthält, 
ist  oft  eine  sehr  sclnvere  Aufgabe  und  erfordert  viele  Sorgfalt  und 
Uebung,  die  nur  lange  Bescliäftigung  mit  dem  Gegenstand  geAvähren  kann. 
Auf  die  Anreicherungsmethode  Avurde  schon  ]).  45  liingeAA'iesen,  hier  sei 
nur  ergänzt,  dass  bei  der  fonnellen  Gleichartigkeit  vieler  Bakterien  nur 
das  Tierexperiment  eine  sichere  Bestimmung  der  isolierten  Arten  verbürgt. 

Natürliche  I n v a s i o n s s t e 1 1 e n am  vollkommen  unverletzten  Körper 
sind  alle  seine  nach  aussen  offenen  Höhlungen,  besonders  diejenigen, 
Avie  Lunge  und  Magendarmkanal,  welche  regelmässig  Stoffe  von  aussen 
aufzunehmen  bestimmt  sind.  Es  Aväre  gegen  alle  Natur,  Avenn  diese  auf 
den  Verkehr  mit  der  AusseiiAvelt  berechneten  Höhlungen  nicht  selbst 
schon  einen  Schutz  gegen  die  unvermeidlich  mit  eiiiAvandernden  Bakterien 
besässen,  der  sie  am  Eindringen  in  das  GeAvebe  verhindert.  In  der  Thal 
scheint  nun  das  unverletzte  Magen-  und  Darmepithel,  die  Mundschleim- 
haut, kurz  jede  intakte  Fpithelfläche,  auch  die  Haut  des  Körpers,  für 
Bakterien  undurchdringlich  zu  sein.  Selbst  Avenn  also  i)athogene  Keime, 
sogar  in  grosser  Zahl  und  in  giftigstem  Zustande  eingeführt  Averden,  be- 
dai‘t  es  noch,  damit  eine  Infektion  erfolgt,  besonderer  Umstände,  die  mit 
dem  Worte  Disposition  oder  P r ä d i s p o s i t i o n bezeichnet  Averden  und  vor- 
läufig sich  dei‘  genaueren  Forschung  unzugänglich  erAveisen.  Sobald  die 
schützende  Decke  der  Epithelien  auch  nur  an  der  kleinsten  Stelle  unter- 
l)rocIien  Avird,  sobald  also  Wunden  entstehen,  ist  den  eiiigCAvaiiderten 
Keimen  nun  auch  eine  Pforte  zur  Avirklichen  Finuistung  in  den  Körper 
eröffnet.  Was  bei  der  Infektion  von  äusseren  Haut-  und  FleiscliAAuinden 
offenkundig  sich  abs])ielt,  das  Avird  Avohl  in  vielen  Fällen  unnacliAATisbar 


von  der  inneren  ]vöri)ero])erHäclie  ans  die  Infektion  veranlassen.  Ks  wird 
gewiss  zur  Klärung  beitragen,  wenn  liier  noelinials  auf  die  Pdaiizen  hin- 
gewiesen wird.  Sie  scliliessen  ihre  Wunden  sehr  bald  diiirh  Ib'ldnng 
nndnrchdringlicher  Korkschichten  unter  dem  absterbenden  Whindgewebe, 
das  selbst  bald  eintrocknet  nnd  keine  Nahrnng  fiir  eingebrachte  Bak- 
terien weiterhin  zngefiihrt  bekommt.  Anders  beim  Tier,  wo  ans  den 
AVnnden  anstretendes  Blnt  oder  andere  (jewebstlüssigkeit  reiche  Nähr- 
stotfe  nnd  die  feuchte  Obertläche  der  Wunde  den  besten  Nährboden  dai- 
bietet.  Erst  Avenn  durch  Wbinden  oder  auf  anderen  selteneren  WT.gen  die 
Bakterien  wirklich  in  die  Gewebe  eingedrnngen  sind,  ist  die  Infektion 
beendet.  Um  diese  im  Tierex])eriment  möglichst  sdinell  nnd  sicher  zu 
bewirken,  bedient  man  sich  stets  der  Verwundung,  z.  B.  durch  Ein- 
spritzung unter  die  Haut  oder  in  das  Blntgefässsysteni.  So  tindet  ja 
auch  die  Infektion  durch  Insektenstiche  statt. 

AVie  viele  Keime  nötig  sind,  um  auf  dem  angegebenen  Wege  eine 
Krankheit  hervorznrnfen,  Avie  viele  besonders  beim  natfirlichen  Gange 
einer  Infektion  eingeführt  Averden,  bedarf  noch  Aveiterer  Erforschung. 
Beim  Tierexperiment  umfassen  selbst  die  minimalen  tötlichen  Dosen  viele 
tausende  Amn  Bakterien,  jedoch  sollen  schon  10  unter  die  Haut  einge- 
brachte Keime  genügen,  um  bei  Meerscliweinchen  einen  tötlichen  Milz- 
brand heiTorzurufen.  ^ ^ ) 

Wenn  die  Bakterien  an  einer  Stelle  in  das  Gewebe  eingedrungen 
sind,  so  ist  Avohl  für  alle  die  Möglichkeit  vorhanden,  dass  sie  in  die  Blut- 
imd  Lymphbahnen  gelangen  und  nun  im  ganzen  Körper  verschleppt  Aver- 
den, Avodurch  dann  ausser  der  lokalen  Erkrankung  am  Orte  ihres  Ein- 
dringens eine  allgemeine  Erkrankung  von  grösserer  Gefahr  für  den 
Organismus,  oder  auch  nur  diese  allein  entsteht.  So  kann  der  Milzl)rand 
als  Milzbrandkarbnnkel  (Pnstnla  maligna)  eine  lokal  beschränkte  Infektion 
sein,  so  kann  er  zu  einer  allgemeinen  werden,  so  können  Eiterkokken 
lokale  Schwäre  nnd  Furunkeln  erzeugen  oder  bei  allgemeiner  Aus- 
breitung im  Körper  die  scliAveren  Zustände  der  Pyäinie  nnd  Septicämie 
herbeiführen.  AA^as  für  die  eine  Art  gilt,  gilt  im  Prinzip  auch  für  die 
andere,  nur  sind  in  den  einzelnen  Fällen  die  Krankheitsbilder  sehr  mannig- 
facher Natur,  über  die  die  medizinische  Litteratur  verglichen  Averden 
muss.  Manche  Krankheiten  zeigen  starke  Bakteiuenentwicklung  im  Blut, 
Avie  Milzbrand  und  Eückfalltyphiis,  andere  vorwiegend  in  den  GeAveben, 
AAÜe  Tuberkulose. 

Gegenüber  den  einzelnen  Zellleibern  der  infizierten  GeAvebe  und  ihrer 
krankhaften  A^eränderungen  verhalten  sich  die  verschiedenen  pathogenen 
Bakterien  wohl  alle  gleichartig,  sie  leben  teils  intra-,  teils  und  zAvar 
vorAviegend  extracellnlar,  d.  h.  sie  drängen  sich  zwischen  die  einzelnen 
Zellen  ein  und  vermehren  sich  besonders  in  den  Eäumen,  die  durch 
krankhafte  Auflockerung  und  Zerstörung  der  fixen  GeAvebszellen  ent- 
stehen, hier  also  von  den  Exsudaten,  den  verschiedenen  normalen  nnd 
pathologisclien  Gewebsflüssigkeiten  sich  ernährend.  So  erscheint  in  den 
meisten  Fällen  die  Zerstörung  der  einzelnen  Zelle  als  ein  sekundäi'er  AMr- 
gang,  nicht  bedingt  durch  das  Eindringen  der  Bakterien  in  den  Zell  leib. 


XVI. 


Die  Bakterien  als  KranklieitseiTeger. 


2. 


Besclireibuii^  einiger  pathogener  Arten. 


Die  folgende  Beschreibung  muss  sich  natürlicli  auf  das  allgeniein 
Naturwissenschaftliche,  auf  die  Naturgeschichte  beschränken,  da  nur  der 
Fachmann  dazu  berechtigt  ist,  die  si)eziell  medizinischen  Fragen  zu  be- 
handeln.^-*^) Da  seit  dem  Bestehen  des  Menschengeschlechts  Krankheit 
und  Elend  sein  irdisches  Los  sind,  so  hat  seit  Urzeiten  her  gewisser- 
maassen  auch  eine  natürliche  Züchtung  pathogener  Bakterien  stattge- 
lunden,  deren  mannigfaltige  Kassen  durch  verschiedene  Virulenz  und 
(Giftigkeit  sich  anszeichnen  werden,  ähnlicli  wie  die  Rassen  der  Gärungs- 
bakterien. Neben  dem  morphologischen  Merkmale  als  Grundlage  für  die 
Unterscheidung  der  Arten  und  Rassengrnppen  wird  stets  das  Tier- 
experiment zur  näheren  Bestimmung  heranznziehen  sein.  In  vielen  Fällen 
Avird  selbst  die  subtilste  Forschung  wohl  nicht  im  stände  sein,  Rassen, 
dei’en  Bestehen  aus ' einzelnen  Beobachtungen  Avahrscheinlich  ist.  sicher 
zu  beschreiben  und  ähnlichen  gegenüber  zu  kennzeichnen.  Ersclnvert 
A^■ird  diese  Unterscheidung  noch  durch  die  vorübergehend  bei  der  Kultur 
entstehenden,  aber  nicht  mit  erblichen  Eigenschaften  ansgestatteten 
Laboratorinnisrassen  (Vorl.  III.  p.  29). 

1.  Die  Elterkokken  (Fig.  28 n — c,  Fig.  27^).  Wenngleich  durch 
Experimente  festgestellt  ist,  dass  auch  ohne  Beteiligung  von  Bakterien, 
z.  B.  durch  Höllensteinätznng  oder  Sublimat  eine  Eiterung,  das  heisst 
die  Absonderung  einer  mit  zahlreichen  Wanderzellen  (Lenkocyten)  er- 
füllten Flüssigkeit  an  einer  Wnndfläche  herbeigeführt  Averden  kann,  so 
Averden  doch  alle  eiterigen  Erkrankungen  sicher  durch  Bakterien  her- 
vorgerufen, von  der  eiterigen  Infektion  einer  Wunde  bis  zum  kleinsten 
Bickel  der  HaarAvnrzeln  und  Talgdrüsen  herab.  l\[orphologisch  sind  die 
pyogenen  Bakterien,  die  geAvöhnlich  Vorkommen,  alle  durch  Kugel- 
gestalt ausgezeichnet,  es  sind  Eiterkokken,  denen  als  Eiteriingserreger 
in  speziellen  Fällen  noch  andere,  Avie  der  Typlmsbacillns,  der  Rotzbacillus 
1111(1  der  Stiuhlenpilz  anzuschliessen  Avären,  fermu'  auch  Bar.  pyocyanens 


des  blauen  und 


grnnen 


Eiters. 


141 


Allg'emeiu  verlnvitet  und  zn,i>dei(di  der  liiiniiloseste  Kiteriino’sen'e^’er  ist 
der  S t a })  li y l o c o c c u s \>y  o e n e s a u r e u s (Micrococ.ciis  pyog’eiiesj, 
eine  larbstolt’bildemle  Form,  die  auf  A^-ar  zu  ()raiift-ej^'el])eu  Hele^-eu  aus- 
wäclist  und  auch  den  Kiter  intensiv  färbt. Die  einzelne  Zelle  bat 
dnrcbsclinittlich  einen  Durelnnesser  von  (),cS  //,  ist  also  sein*  klein,  selbst 
farblos  nnd  nnbeweglicli ; bald  liegen  die  Zellen  einzeln  oder  paarweise 
oder  ancli  zu  kurzen  Kettchen  aneinandergereiht,  meistens  aber  in 
Häufchen  (Fig.  28 r/).  Neben  dieser  häufigsten  orangegelben  Form  kommt 
noch  eine  blass  citrongelbe  und  eine  weisse  (Stapliyl.  pyogenus  citrens 
nnd  albus)  vor,  die  allem  Anschein  nach,  besondere  Arten  sind,  zwar  die- 
selben Kigenschaften  besitzen  wie  die  orangegelben,  aber  nicht  so  all- 
gemein bei  eiterigen  Prozessen  Vorkommen  wie  dieser,  ln  der  freien 
Natur  sind  die  Keime  der  Staphylokokken  überall  verbreitet,  woraus 
schon  ihre  metatrophische  Lebensweise  wahrscheinlich  wird. 

Am  häufigsten  finden  sich  diese  Staphylokokken  l)ei  lokalen  Ver- 
eiterungen der  Talgdrüsen  (Akne)  und  Haarwurzeln  (Sykosis),  bei 
Pauaritien,  ferner  bei  Schwären  (Furunkel),  bei  Knocheneiterungen 
(Osteomyelitis,  Periostitis),  (takue  rieb  sich  eine  Reinkultur  des  Stapliyl. 
pyogenes  aureus  auf  dem  Arm  ein  und  konnte  so  Fdirunkel  erzeugen,  in 
denen  die  eingebrachten  Bakterien  reichlich  wucherten.  Gelangen  die 
Kokken  von  solchen  lokalen  Herden  aus  in  den  ganzen  Körper,  so  treten 
in  verschiedenen  Organen  und  Gelenken  ähnliche  Eiterungsprozesse  auf 
unter  den  Erscheinungen  der  Pyämie. 

Ein  anderer  sehr  häufiger  Eiterungserreger  ist  der  Streptococcus 
pyogeues^'O,  der  Ketten coccus,  von  dem  mehrere  schwer  zu  uuter- 
scheideiide  Rassen  vorzukoninien  scheinen.  Sowohl  in  den  kranken  Ge- 
weben, als  besonders  in  Bouillonkulturen  bildet  er  lange,  unverzweigte 
Ketten  etwas  grösserer  Kügelchen  als  beim  vorigen.  Die  Teilung  er- 
folgt immer  nur  in  derselben  Ebene,  wodurch  sich  der  Kettenwuchs  er- 
klärt (Fig.  28  b).  Er  findet  sich  regelmässig  bei  Erysipel  (Rose)  und  bei 
vielen  anderen  Eiterungsprozessen,  oft  vergesellschaftet  mit  dem  vorigen, 
oft  allein  und  ist  gefährlicher  als  dieser,  besonders  sobald  er  durch  Ver- 
schleppung im  ganzen  Körper  Pyämie  und  S e p t i k ä m i e hervorruft.  Als 
Begleiter  der  spezifischen  Erreger  bei  Diphtherie  nnd  Phthisis  wird  er 
wichtig  für  den 
scheinenden  Krankheit. 

Der  Streptococcus  geht  in  den  Kulturen  viel  schneller  zu  Grunde, 
schon  nach  wenigen  Wochen  und  ist  in  der  freien  Natur  viel  seltener 
als  der  vorige  — möglicherweise  wird  er  ein  echter  Parasit  sein. 

Sicher  ist  der  Erreger  der  Gonorrhoe,  der  sog.  Gonococcus^-'^'), 
der  Micrococcus  gonorrhoeae  (Fig.  28  c,  27^^),  ein  echter  Parasit,  dessen 
Reinkultur  aus  Trippersekret  nur  auf  Blutserum  möglich  ist,  da  er  auf  anderen 
und  selbst  den  besten  Nährböden  nicht  gedeiht.  Woher  der  Gonococcus 
stammt,  ist  unbekannt,  sicher  ist  er  ein  steter  Begleiter  des  Menschen- 
geschlechts, der  nur  durch  Berührung  übertragen  werden  kann,  da  in 
der  freien  Natur  er  gar  nicht  vorkommt  und  auch  staubtrocken  nur 
wenige  Stunden  lebensfähig  bleibt,  ln  Wasser  gehen  die  Gonokokken 
innerhalb  5 Stunden  zu  Grunde  und  da  ausserdem  ilir  Temperaturmiiiimum 
bei  25  *’  liegt,  so  ist  jede  Vermehrung  im  kühlen  BadeAvasser,  z.  B.  in 
Schwimmbassins,  ganz  ausgeschlossen,  ja  sie  dürften  Avohl  hier  in  kurzer 
Zeit  schon  absterben,  hfine  Infektionsgefalir  ist  in  Bädern  also  nicht  zu 
befürchten,  es  kann  ruhig  Aveiter  gebadet  Averden.  Er  findet  sich  im 
Sekret,  soAVohl  in  der  Flüssigkeit  als  auch  in  den  Eiterzellen  (Fig.  27  />), 


ganzen  Verlauf  der  nunmehr  als  Mischinfektion  er- 


142 


und  o’elit  auc.li  in  die  Ki)it]ielien  und  Didisen,  scldies.slicli  auf  den  ganzen 
(jenitalai)i)ai‘at  über,  ja  selbst  seine  Vei’sclileppnng  iin  ganzen  Körper 


(Tri})perrlieuina.tisnius)  ist  niclit  aiisgesclilossen.  Gewölinlicli  liegen  die 
liieren törniigen  Kiigelclien  paarweise  als  Dijilococcns  aneinander,  getrennt 
diircli  eine  belle  Linie,  sie  sind  nnbeweglicli  und  niclit  grösser  als  die 
Stapliylokokken,  von  denen  sie  aber  leicht  durch  die  paarweise  Gruppierung 
zu  unterscheiden  sind. 

Ah:m  allen  den  bes])rochenen  Eiterkokken  kennt  man  noch  keine 
Sporen;  ein  anderer,  Entzündung  und  Eiterung  erregender  Kokkns  von  all- 
gemeiner Eedeutiing  für  den  Menschen  ist  auch  der  FnÄNivELsche  Diplo- 
coccus  (Pneiiniococcus),  der  gewöhnliche  Erreger  der  Lungenentzündiiug. 

2.  Der  Milzbrandbacillns,  Bacillus  Anthracis (Fig.  28f/, 
27  c,  5 c,  7,  llo,  _(/,  2}J).  Schon  Anfang  der  50er  Jahre  Avurden  im  Blute 
milzbrandiger  Tiere  farblose  unbeAvegliche  Stäbchen  aufgefuiideu,  deren 
Eigenschaft  als  Krankheitserreger  zAvar  vermutet,  aber  doch  erst  später 
(1808)  erAviesen  Avurde.  Zum  klassischen,  jetzt  überall  geschilderten  Bei- 
spiel einer  bakteriellen  Infektionskrankheit  AVurde  der  Milzbrand  aber 
erst  durch  Kochs  Arbeit,  die  die  Eeinzucht  und  Sporenbilduug  des  Milz- 
brandbacillus und  die  experimentelle  Erzeugung  der  Krankheit  vorführte. 
Mit  dieser  Arbeit  erölfnete  Koch  seine  glänzende  Laufbahn  als  Schö[)fer 
der  Bakteriologie. 

Die  einzelne  Zelle  des  Bac.  Anthracis  ist  schon  recht  gross, 
cylindriscli,  3 — 6 lang,  1—1,5  dick,  mit  den  üblichen  ScliAA^ankungeu 

der  Dimensionen.  Im  Blute  und  den  GeAveben  kommen  soAvohl  einzelne 
Stäbchen  als  besonders  auch  kurze  Ketten  vor  (Fig.  27  c),  AA^ährend  in 
den  Kulturen  ausgesprochener  Fademvuchs  herrscht,  Aveshalb  auf  Gelatine- 
platten  die  Kolonieen  lockig-kräiiselig,  die  Stichkulturen  borstig-federig 
erscheinen.  EigenbeAvegung  fehlt,  dagegen  Averden  in  Kulturen  reiclilich 
Sporen  gebildet,  über  deren  Entwicklung  (p.  19),  Keimung  (p.  21)  und 
Verhalten  gegen  Hitze  (p.  72),  Trockenheit  (p.  74)  und  Gifte  (p.  80)  schon 
gesprochen  AVurde.  Auch  die  AbscliAvächung  dei’  Virulenz  und  die  allgemeine 
Degeneration  bei  längerer  Kultur  AVurde  schon  geschildert  (p.  27,  asporogen). 

Der  Milzbrandbacillus  gedeiht  zAvar  in  den  Kulturen  sehr  gut,  ver- 
langt aber  doch  bessere  Kohlenstoff-  und  Stickstoff  quellen,  er  ist  eine 
Peptonbakterie  (p.  53).  Dennoch  unterliegt  es  keinem  ZAveifel,  dass  er 
ein  metatropher  Organismus  ist,  kein  strenger  Papasit.  So  hat  man 
beobachtet,  dass  er  in  Kuhmist,  in  verunreinigter  Erde  üppig  zu  Avachseii 
und  Sporen  zu  bilden  vermag.  Das  gibt  auch  Anhaltspunkte  für  die 
Entstehung  der  Krankheit  unter  dem  Zuchtvieh,  das  ja  besonders  ge- 
fährdet ist,  Avährend  der  Mensch  nur  selten  eine  allgemeine  Iiifektiou 
erAvirbt,  meist  mit  einer  lokalen  Hautinfektion  davoukommt,  Aveil  Haut- 
Avunden  wohl  die  gewöhnliche  Eingangspforte  beim  Menschen  sind.  Das 
ATeh  dagegen  nimmt  auch  mit  der  Nahrung  Milzbi’audkeime , Avohl  be- 
sonders Sporen  auf,  die  den  Magen  glatt  passieren  und  im  Darm  aus- 
keimen, unter  den  Erscheinungen  des  zur  allgemeineu  Krankheit  und 
meist  zum  Tode  führenden  Darmmilzbrandes.  Ob  die  Bakteilen  die  Fähig- 
keit l)esitzen,  auch  die  geschlossenen  Darmepithelieu  zu  durchbohren  oder 
ol)  zur  Infektion  auch  hier  A^erletzuugen  der  DariuAvand,  vielleicht  durch 
Futtersplitter  uotAvendig  sind,  entzieht  sich  der  sicheren  Entscheidung. 
Die  Krankheit  selbst  ruft  bei  kleinen,  sehr  schnell  (1 — 3 Tagen)  er- 
liegenden 3Mereu,  Avie  Mäusen,  keine  starken  ATräuderuugeu  der  Organe 
hervor,  die  aber  bei  Schafen  und  Kindern  umfangreicher  und  mannig- 
faltiger sich  gestalten.  Im  kranken  Körper  und  zunächst  in  den  Kadavern 


werden 

rn 


bei  ^’uter  Durcliliiftun«-  und 


ceine  Sporen  o-ebildet,  die  nur 

eini^eratur  zwiseben  IS — S4 " sieh  entwickeln,  Hedingnng’en,  die  sieb  in 
den  blntig-en  bbitleernng-en  niilzbrandkranker  Tiere,  in  ol)ertiäelili(b  ver- 
seliarrten  Kadavern  ini  Soniiner  vortinden. 

S.  Der  A\bTndstarrkrampf,  Tetanus,'-’-)  (Fig-.  2Se)  wi rd_  dnirb 
eine  inetatro])lie  Bakterie  bervorg’erufen,  die  ini  Erdboden  allg-eniein  ver- 
breitet ist  und  hier  als  anaerober  Erreger  von  Fäulnis  nnd  (TÜrung’ 
wohl  je  nach  dein  vorhandenen  Nährinaterial  lebt.  Denn  dei’  Tetanus- 
bacillus verniag’  sowohl  Eiweiss  in  zuckerfreier  Lösung’  zu  Schwefel- 
wasserstolf.  Kohlensäure,  Wasserstoff,  Merkaptan  und  Suinpfg’as  bei 
grossem  Destank  zu  zersetzen,  als  auch  Zucker  zu  spalten.  Nicht  diircdi 
diese  Eig’enschaften,  sondern  durch  die  Produktion  eines  lieftigen,  noch 
nicht  rein  dargestellten  (fiftes  ruft  der  Bacillus  den  gefürchteten  Starr- 
kramiif  hervor,  der  als  eine  echte  Wundinfektionskrankheit  nur  durch 
Verunreinigung  von  Wunden  mit  Erde  oder  Heu-  und  Strohstaul)  ent- 
steht. Die  Bazillen  wachsen  lokal  nur  in  der  Wunde  und  auch  hier  nur 
spärlich  und  breiten  sich  nicht  im  Körper  aus. 

Der  Tetanusbacillus  (Plectridium  tetani)  ist  ein  schlankes,  beweg- 
liches Stäbchen,  2 — 4//  lang,  0,8 -0,5//  breit,  das  besonders  in  den 
anaei'oben  Kulturen  zu  Fadenwuclis  neigt  und  deshalb  strahl ig-fädige, 
filzige  Kolonieen  Ihldet  bei  aerober  Kultur  nur  in  den  tiefen  Schi(diteu 
hoher  Gelatine  wächst.  Vor  der  Sporenbildung,  die  regelrecht  eintritt, 
S(diwellen  die  Stäbchen  an  einem  Ende  kopflg-keulig  an  und  hier  ent- 
steht die  Spore.  Diese  Stecknadel-  oder  trommelklöppelähnlichen  Formen 
verweisen  neben  der  i)eriticlien  Begeisselung  den  Bacillus  in  die  Gattung 
Dlectridium.  Zwei  andere,  ebenfalls  nnaerobe  Bodenbakterien  mit  saju’o- 
genen  und  z^miogenen  Eigenschaften  rnfen  den  Eauschbrand  (Bac. 
(hauvoei)  und  das  maligne  Oedem  (Bac.  oedematis  maligni)  hervor. 

4.  Der  zuerst  von  LörFLCK  isolierte  und  rein  kultivierte  D i p hthei’ie- 
bacillus  (Fig.  28/',  14//)  (Bac.  diphtheriae  Löffler,  Coiynebacterium 
diphtheriae  Lehm,  und  Neum.)  findet  sich  in  den  allermeisten  Fällen  aut 
den  äusseren  Schichten  der  diphtherischen  Membranen  und  hat  schon, 
dieses  oberflächlichen  Vorkommens  wegen,  wenig  Neigung  im  ganzen 
Körper  sich  auszubreiten,  er  bleibt  meistens  lokal  auf  die  Höhlungen, 
die  den  Sitz  der  gewöhnlichen  Diphtherie  bilden,  beschränkt.  Freilich 
nicht  ausnahmslos.  Sehr  oft  ist  er  mit  Streptokokken  zu  einer  Misch- 
infektion vergesellschaftet,  in  manchen  Fällen  war  es  überhaupt  nicht 
möglich,  ihn  zu  finden.  Er  ist  ein  echter  Parasit,  der  an  die  Kultur- 
böden hohe  Ansprüche  stellt,  am  besten  wächst  er  auf  mit  Zuckerbouillon 
versetztem  Blutserum.  Aber  selbst  hier  neigt  er  trotz  kräftiger  Ver- 
mehrung sehr  bald  zur  Involution,  wobei  unregelmässig  aufgetriebene 
Stäbchen  und  auch  kurze  Verzw’eigungen  entstehen  (Fig.  14//),  die,  wie 
schon  erwähnt,  wohl  mit  Unrecht  für  eine  höhere  morphologisclie  Ent- 
wicklungsstufe gehalten  werden  (p.  26). 

In  den  diphtherischen  Membranen  und  in  frischen  Kulturen  erscheint 
der  Bacillus  als  ein  kleines,  keulenförmiges  oder  gestreckt  eiförmiges  Stäb- 
clien  von  circa  1,5 — 2 //  Länge,  0,5  //  Breite,  ohne  Bewegung;  Si)oren 
sind  noch  nicht  bekannt.  In  jungen  Kulturen  färbt  sich  der  Inhalt  an- 
scheinend gleich mässig,  häufig  treten  einzelne  stärker  färbbare  Körnchen 
hervor,  die  besonders  dann,  wenn  sie  gross  sind  und  in  den  Enden 
liegen,  einen  auffälligen  Eindruck  machen,  aber  doch  nichts  weiter  sind, 
als  die  schon  früher  beschriebenen  sog.  (Jhromatinkörner.  Der  an- 
scheinend gleichmässig  gefärbte  Inhalt 


zeigt 


ini 


übrigen  die  gleiche 


144 


Sti’nktur,  wie.  a.lle  anderen  Bakterien,  d.  li.  das  I?roto])lasma  nin^^iebt  als 
Waiidbelag’  einen  Zellsaftrauin,  der  wie  bei  allen  g'esti’eckten  Formen  von 
(^iierbändern  ans  Pj'otoplasma  durcdisetzt  wird.  Besonders  in  älteren 
Knltnren  wird  das  Protoplasma  substanzärmer,  die  Septen  rücken  weiter 
auseinander,  weshalb  die  geiarbten  Bazillen  ([uergebändei-t  erscheinen 
(einige  in  Fig.  ‘28/  ) mit  breiten  farblosen  Lücken  zwischen  den  ge- 
färbten Plasmabinden.  Fine  neue  Struktur  tritt  jetzt  nicht  hervor,  die 
ursi)rüngliche  AA'ird  nur  deutlicher. 

In  der  freien  Natur  kommt  dei“  Diphtheriebacillus  nicht  vor,  auch 
entwickelungsfähige  Keime  von  ihm  sind  bisher  nur  dort  gefunden  worden, 
wo  eine  Herkunft  von  Diphtheriekranken  sicher  zu  erweisen  war,  so 
an  Wäsche,  Spielzeug,  AVänden  und  Fussboden  von  Zimmern,  in  Mund 
und  Nasenhöhle  der  Angehörigen  von  Diphtheriekrankeu.  Die  staubtrockenen 
Stäbchen  bleiben  mehrere  Wochen  lang  eiiDvicklungsfähig. 

Schon  an  seiner  vom  gestreckten  Cylinder  abweichenden  Gestalt  ist 
der  Diphtheriebacillus  leicht  zu  erkennen,  freilich  wird  auch  hier  erst 
das  'rierexpenment  eine  sichere  Entscheidung  gestatten,  lieber  Gift- 
produktion und  Serumtherapie  vergleiche  man  den  nächsten  Absclmitt. 


Fig.  28.  Pathogene  Bakterien,  a Staphylococcus  pyogenes  aureus  (Micrococcus  pyogenes). 
b Streptococcus  pyogenes,  c Micrococcus  gonorrhoeae  (Gonococcus).  d Bacillus  Antliracis, 

rechts  mit  Sporen,  e BacilluS  ( Plectridium ) tetani,  bewegliche  Stäbchen,  unbewegliche  Kette, 
Sporen.  /' BacillUS  diplltheriae,  einige  Stäbchen  kenlig  angeschwolleii,  teils  mit  grossen  Chromatin- 
körnern (schwarz),  teils  mit  Querbinden  des  stark  zurückgegangenen  Protoplasmas,  fj  BacilluS 
tuberculosis,  Inhalt  der  Stäbchen  teils  dicht,  teils  körnig  zerfallen,  Avie  im  Sputum  oft  zu  sehen. 
h Bacillus  (Bactridium)  typhi,  i BaCilluS  (Bactridium)  COM  h Vibrio  Cholerae  einzeln  und  eine 
Kette.  Vergr.  circa  1500. 


5.  Ein  echter  Parasit  ist  gleichfalls  der  Tuberkelbacillus ’-'p 
(IDg.  28(7,  27  g,  14  y)  dessen  mit  besonderer  Schwierigkeit  verbundene  Ent- 
deckung und  Reinzüchtung  Koch  zu  verdanken  ist.  MTiingleich  es  nun- 
mehr eine  Leichtigkeit  ist,  im  Simtnm  und  dem  erkrankten  Gewebe 
Tuberkulöser  die  winzigen  Bazillen  färberisch  nachznweisen  und  von 
daneben  vorkommenden  Bakterien  zn  unterscheiden,  so  ist  dagegen  die 
Isolierung  und  Weiterkulfur  auch  jetzt  noch  eine  schwierige  Aufgabe. 
Selbst  auf  den  geeignetsten  Nährböden,  Blutserum  oder  Glycerinagar 
lind  in  geeignetster  d^emperatur  (Optimum  p.  70)  wachsen  die 

Tuberkelbazillen  ausserordentlich  langsam,  erst  nach  2 — 4 MTclien  er- 
reichen die  Kulturen  einen  Umfang,  zn  dem  andere  Bakterien  schon 
in  ebensoviel  däigeii  heranwachsen.  A^ielleicht  wird  es  nie  gelingen, 
ein  schnellei'es  Wachstum  des  echten  Parasiten  in  unseren  metatrophen 


145 


Kulturen  zu  erreichen,  da  diese  den  lebenden  Wirt  nie  ganz  zu  ersetzen 
vermögen,  yielleiclit  bedarf  es  aber  nur  eines  glücklichen  Zufalls,  um  von 
der  üblichen  Schablone  der  Bakterienzüchtnng  etwa  ganz  abweichende 
Knltnrbedingnngen  optimal  zu  gestalten.  Vielleicht  giebt  die  Erfahrung, 
dass  auch  minderwertige  Nährlösungen  mit  Glycerin  als  Kolilen- 
stolf-,  Ammon  als  StickstoUquelle  ein,  z\var  sehr  langsames  AVachstnm 
gestatten,  dass  auch  Kai'toüeln  und  andere  Pflanzennährböden  genügen, 
zu  weiterer  Forschung  A^eranlassnng. 

AVachstnm  und  A'ermehrnng  in  der  Natur  konnte  bisher  nicht  be- 
obachtet werden,  auch  fehlen  im  Staube  entwicklungsfähige  Keime 
überall  dort,  wo  eine  A^erunreinigung  durch  Auswürfe  Kranker  ausge- 
schlossen ist.  Da  die  Tuberkelbazillen  staubtrocken  einige  Monate  lang 
entwicklungsfähig  bleiben,  so  dürften  sie  die  natürliche  Infektionsquelle 
bilden,  daneben  dann  die  bazillenhaltige  Alilch  tuberkulöser  (perlsüchtiger) 
Kühe  besonders  für  Kinder  in  Betracht  kommen.  Im  letzteren  Falle  würde 
die  Invasion  vorwiegend  vom  Darm  aus  erfolgen , während  wohl  neben 
AA^undinfektionen  der  gewöhnlichste  AA^eg  die  Einatmung  bazillenhaltigen 
Staubes,  der  die  Umgebung  Kranker  am  meisten  ausgesetzt  ist,  sein 
dürfte.  Stets  wird  es  aber  noch  einer  weiteren  Praedisposition  der  Lunge 
zunächst  bedürfen,  damit  die  eingeatmeten  und  zurückgehaltenen  Keime 
sich  entwickeln  können,  am  ehesten  würde  wieder  an  kleine  Läsionen  zu 
denken  sein.  Die  sog.  Vererbung  der  Tuberkulose  wird  in  vielen  Fällen 
wohl  nur  eine  A^ererbung  der  Dispositionsgefahr  sein,  obgleich  auch  der 
Uebergang  von  Tuberkelbazillen  auf  die  Frucht  im  Mutterleibe  beim 
Alenschen  sicher  beobachtet  und  durch  das  Tierexperiment  bestätigt 
worden  ist.  Durch  die  Spermatozoiden  ist  eine  bakterielle  A^ererbung 
unmöglich,  vom  Ei  aus  nicht  erwiesen.  Die  Tuberkulose  tritt  ge- 
wöhnlich als  allgemeine  Krankheit  auf,  es  können  in  allen  Körperteilen 
und  Organen  knötchenförmige  (daher  Knötchenkrankheit)  Entzündungs- 
herde auftreten,  die  später  in  käsige  Massen  sich  verwandeln  und  stets 
grosse  Mengen  der  Tuberkelbazillen  enthalten,  die  reichlich  auch  in  den 
Zellen  wuchern  und  deren  Zerfall  und  zahlreiche  ihm  vorausgehende 
pathologisch-anatomische  Veränderungen  hervorrufen.  So  ist  die  Lungen- 
schwindsucht (Phthise)  nur  eine  und  zugleich  die  häufigste  Erscheinungs- 
form der  Tuberkulose,  die  auch  in  Knochen,  Drüsen,  Gelenken,  kurz 
überall  sich  festsetzen  kann. 

Den  Tuberkelbacillus  hat  bereits  das  Schicksal  vieler,  oft  unter- 
suchter Organismen,  mehrmals  grundlos  getauft  zu  sein,  ereilt  (Bacillus 
tuberculosis  R.  Koch  1884,  Sclerothrix  Kochii  Metschnikoff  1889,  Myco- 
bacterium tuberculosis  Lehmann  und  Neumann  1896,  Tuberculomyces 
CoppEN-JoNES  1896).  Er  ist  ein  zartes  dünnes,  oft  etwas  gekrümmtes, 
unbewegliches  Stäbchen,  1,5 — 4 lang,  0,2 — 0,4  ft  dick,  das  im  Sputum 
und  den  Tuberkelknötchen  zwar  gehäuft,  aber  isoliert  vorkommt,  in 
Kultur  aber  auch  zu  Ketten  aus^vächst  und  auf  festen  Nährböden  in 
dicht  aneinander  gepressten  Massen  trockene  schuppige  und  grieselig- 
körnige,  schwer  zerreibbare  Auflagerungen  bildet.  Infolge  seiner  ge- 
ringen Dicke  ist  von  feinerer  Struktur  seines  Inhalts,  der  sehr  zellsaft- 
arm und  dicht  zu  sein  scheint  und  deshalb  einmal  eingelagerte  Farbstotte 
mit  grosser,  den  färberischen  Nachweis  begünstigender  Zähigkeit  festhält, 
nichts  zu  sehen.  ln  alten  Kulturen  und  ebenso  im  Sputum  und  den 
Tuberkeln  erscheint  der  Bacillus  meist  gekörnt,  stark  färbbare  Kügel- 
chen (Fig.  28 r/,  einige)  wechseln  mit  ungefärbten  Lücken  ab,  eine  ähn- 
liche Erscheinung  wie  beim  Diphtheriebacillus  und  auch  wie  bei  diesem 

A.  Fischer,  Vorlesungen  über  Uakterien.  * 10 


146 


als  Degeneration,  niclit  als  8porenbildung  oder  eine  spezifische  Struktur 
zu  deuten.  AVirkliclie  Sporen  kennt  man  noch  nicht. 

Als  Aveiterer  Ausdruck  des  Unbehagens,  das  den  echteib  Parasiten 
in  der  metatrophen  Kultur  befällt,  erscheinen  nicht  selten  Involutions- 
tbrmen,  keulig  aufgetriebene  Stäbchen  und  schwache,  an  Leguminosen- 
bakteroiden  erinnernde  Verzweigungen  (Fig.  14  r/),  denen  ein  systematisch- 
niorpliologischer  Wert  von  manchen  mit  Unrecht  beigelegt  wird  (p.  26.j 

Grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  Tuberkelbacillus  hat  der  vermutliche 
Erreger  des  Aussatzes  (Lepra),  dessen  Reinzüchtung  aber  noch  niclit  ge- 
lungen ist. 


Während  die  Diagnose  der  bisher  besprochenen  Krankheitserreger 
und  ihre  Unterscheidung  von  ähnlichen  Arten  schon  auf  morphologischem 
AVege  möglich  ist  und  durch  das  Tierexperinient  leicht  vervollständigt 
werden  kann,  trifft  die  sichere  Erkennung  der  folgenden  auf  grössere 
Schwierigkeiten,  die  im  Einzelfalle  ganz  unüberwindbar  sein  können. 

6.  Im  Darm  und  in  den  Exkrementen  des  Menschen  findet  sich  stets 
nnd  in  grossen  Mengen  der  schon  p.  53,  54, 135  erwähnte.  K o 1 o n b a c i 1 1 u s 
(^Bactridiuni  [Bacillus]  coli  commune)  als  harmloser  Aftermieter,  der  aber  so- 
wohl für  Tiere  als  auch  den  Menschen  pathogene  Eigenschaften  besitzt.  Schon 
dadurch,  dass  ihm  ähnliche  metatrophe  Bakterien  bekannt  sind,  wird 
seine  Unterscheidung  oft  schwer,  besonders  aber  fällt  seine  Aehnlichkeit 
mit  einer  anderen  pathogenen  Form,  dem  Erreger  des  Unterleibs- 
typhus (Bactridium  [Bac.J  typhi),  schwer  ins  Gewicht  (Fig.  28  h u.  ^,  Fig.  5 c, 
6f/,  8c).  Unendliche  Mühe  ist  bereits  aufgewendet  worden,  um  durch- 
schlagende Unterschiede  zwischen  diesen  beiden  Arten  aufzudecken,  und  doch 
dürfte  auch  heute  noch  die  Differentialdiagnose  zwischen  beiden  eine  sehr 
heikle  Sache  sein.^^’)  Da  der  Kolonbacillus  viel  schneller  wächst  als  der 
Typhusbacillus  und  diesen  bei  allen  Isolierungsversnchen  aus  typhösen 
Geweben  oder  aus  verdächtigem  Trinkwasser  zu  überwuchern  droht,  so 
erwächst  hieraus  eine  neue,  oft  unüberwindbare  Schwierigkeit. 

Gemeinsam  ist  beiden  (Fig.  28  h u.  i)  die  Stäbchenform  mit  annähernd 
gleichen  Dimensionen  (typhi  1 — 4 f.i  lang,  0,6 — 0,8  dick;  coli  1 — 3 }.i 

lang,  0,4 — 0,6  dick,  der  letztere  also  meist  etwas  dünner  und  kürzer),  eine 
mehr  oder  weniger  lebhafte  Bewegung  durch  peritriche  Geissein,  deren 
Zahl  bei  ihrer  grossen  Empfindlichkeit  keine  Unterschiede  abgiebt,  ferner 
Mangel  der  Sporenbildung  auf  den  üblichen  Nährböden,  Nichtverflüssigung 
der  Gelatine.  Man  hat  deshalb  zu  physiologischen  Unterschieden  ge- 
griffen, von  denen  jetzt  folgende  die  beliebtesten  sind : Coli  besitzt  Gärungs- 
vermögen, bildet  Gas,  bringt  Milch  unter  starker  Säuerung  zur  Gerinnung 
und  giebt  in  Peptonwasser  Indolreaktion,  der  Bac.  typhi  dagegen  hat 
keine  dieser  Eigenschaften.  Dazu  kommt  noch  das  schnellere  Wachstum 
des  Coli  und  sein  Vorliebnehmen  mit  minderwertigen  Nährstoffen.  Das 
letztere  Verhalten  dürfte  nach  dem  bereits  p.  53,  54,  Gesagten  und  in  der 
'Tabelle  Angeführten  wohl  besonders  zur  Differentialdiagnose  zu  empfehlen 
sein.  Es  zeigt  auch,  dass  der  Kolonbacillus  als  Ammonbakterie  ein  sehr 
bescheidener  metatropher  Organismus  ist,  Avofür  auch  sein  häufiges  A^oi’- 
kommen  in  unreinem  Wasser  S})richt,  Avälirend  der  Typhusbacillus,  als 
ansi)ruclisvollei‘e  Amidobakterie  an  paratrophe  Eigenschaften  erinnert  und 
in  unreinen  Brunnenwässern  autochthon  Avohl  gar  niclit  vorkommt,  aber 
doit  Avohl  zu  gedeilien  vermag,  Avenn  sie  durch  Dejektionen  Ty])]iuskranker 
verunreinigt  Averden  und  damit  aiicli  zugleicli  die  nötigen  Nährstoffe  für 
ilin  empfangen. 

Das  Gesagte  A\Ird  genügen , um  den  heutigen  Stand  der  Frage, 


$ 


147 


deren  ausführliclie  Bespreclmiift-  niclit  liierlier  o’elH’d't,  zu  kennzeichnen. 
Beim  Unterleil)st3q)lius  lassen  sich  in  allen  Oro-aiien  des  Unterleibes  (Milz, 
»Leber,  Niere,  L^ymphdriisen)  kleinere  Aiisammliing’en  der  zwischen  den 
Zellen  lehemlen  Bakterien  nachweisen,  aber  auch  in  das  Blnt  und  andere 
Körperteile  ptleg-t  der  T.yi)husbacillus  überzngeheii.  Seine  Invasion  er- 
folgt wohl  von  dem  Darm  ans.  Der  geschilderten  Form  steht  der 
Erreger  des  Mäiisetvphus  (Bac.  typhi  miirium)  nahe,  der  zur  Vertilgung 
der  Feldmäuse  von  LörrLKR  empfolilen  wird  und  mit  viel  Erfolg  schon 
ange wen det  worden  ist.  ^ •’ * ) 

7.  Als  Robert  Koch  im  Jahre  1883  von  seiner  ruhmvollen  Reise  in 
das  Heimatland  der  Cholera  (Ostindien)  mit  der  Entdecknng  des 
K 0 ni  m a b a c i 11  n s znrückkehrte,  erschien  dessen  sichere  Wiedererkennnng 
ein  leichtes  zn  sein,  da  er  als  pathogener  der  erste  seiner  Art  war,  ein 
bewegliches,  gekrümmtes,  sich  schlängelndes  Stäbchen. Als  aber  dann 
später  bei  europäischen  Epidemieen  die  Untersnchnng  unserer  einheimischen 
Gewässer  (Anreichernngsverfabren  p.  45)  en  gros  betrieben  wurde,  da  mehrten 
sich  bald  die  Angaben,  dass  ähnliche  Kommabakterien  wohl  in  keinem 
Wasser  fehlten,  was  Jedem,  der  fauliges  AVasser  (Fig.  22^)  einmal  an- 
gesehen hat,  wohl  sofort  auffallen  muss.  Es  begann  nunmehr  ein  rast- 
loses Suchen  nach  unterscheidenden  Merkmalen,  von  denen  allerdings 
viele,  wie  die  Indolreaktion,  der  AAJichs  im  Gelatinestich  bald  als  un- 
genügend sich  erwiesen.  Ob  der  neueste  Versuch  dieser  Art,  die  spez. 
Immunitätsreaktion  nach  Peeiefer,  über  die  man  das  nächste  Kapitel 
vergleichen  wolle,  den  an  sie  geknüpften  Erwartungen  dauernd  entsprechen 
wird,  kann  erst  die  Zukunft  lehren. 

Das  Tierexperiment  bedarf  auch  noch  weiterer  Ausbildung,  da  alle 
Tiere,  auch  im  Heimatlande  der  Cholera,  die  Krankheit  nicht  bekommen 
und  nur  nach  besonderer  Vorbereitung  es  möglich  ist,  Meerschweinchen 
eine  choleraähuliche  Erkrankung  durch  Verfütterung  von  Kommabazillen 
beizubringen.  Vermeidet  man  die  natürliche  Eingangspforte  der  Cholera, 
den  Mund,  und  injiziert  die  Bakterien  in  die  Bauchhöhle,  so  sterben  zwar 
die  A^ersuchstiere,  aber  unter  Erscheinungen,  die  auf  gleiche  AA^eise  auch 
durch  andere  Bakterien  hervorgerufen  werden  können  und  zur  Difterential- 
diagnose  der  choleraähnlichen  AVasservibrionen  deshalb  nicht  ausreichen. 
Aber  nicht  bloss  die  AVasseruntersuchung,  auch  die  bakteriologische  Prüfung 
der  Ausleerungen  bei  choleraverdächtigen  Fällen  stösst  auf  die  gleichen 
Scliwierigkeiten  und  sollte  stets  ohne  Beunruhigung  der  öffentlichen 
Meinung,  der  ein  gut  Teil  Skepsis  für  alle  Fälle  anzuempfehlen  ist,  ge- 


schehen. 

Bei  echter  Cholera  enthalten  die  charakteristischen  Entleerungen 
(Reiswasserstühle)  meist  grosse  Mengen  der  Koch  sehen  A^ibrionen,  die 
besonders  in  den  schleimigen  Flöckchen  in  wahren  Reinkulturen  Vor- 
kommen. Die  Bakterien  finden  sich  im  Darm,  dessen  AA^and  zuweilen 
durchwuchert  wird,  oft  aber  intakt  bleibt.  In  andere  Körperteile  gehen 
die  Bakterien  gewöhnlich  nicht  über,  es  genügt  zu  ihrer  vollen  AATrkung 
die  Entwicklung  im  Darmtraktus,  aus  dem  sie  im  Falle  der  Genesung 
nach  1 — 2 Wochen  wieder  verschwinden.  Obgleich  schon  der  Befund 
bei  den  Epidemieen  kaum  noch  Zweifel  übrig  lässt,  dass  wirklich  der 
Kommabacillus  der  Erreger  der  verheerenden  Krankheit  ist,  so  müssen 
alle  Bedenken  verschwinden  gegenüber  den  Erfolgen,  die  Laboratoriums- 
infektionen nnd  freiwillige  Experimente  an  Menschen  ergeben  haben. 
So  erkrankteu  PETTENKf)EER  und  Emmeimc-h ' “’),  der  erstere  wenigei*,  der 
letztere  sehr  bedenklich  au  cholei'aoleicheu  Eischeinuugeu  nachdem  sie 


10* 


148 


r»einkultiiren  von  Vibrionen,  die  aus  der  Hamburger  Epidemie  stammten, 
verscliluckt  hatten.  Dass  wie  bei  allen  Infektionskrankheiten  zu  der 
Einführung  der  Bakterien  auch  noch  das  unbekannte  Etwas  der  indivi- 
duellen Prädisposition  hinzukommen  muss,  versteht  sich  von  sell)st.  Be- 
sonders dürfte  für  die  Cholera  eine  Herabsetzung  der  bakterienfeindlichen 
sauren  Beaktion  (p.  83)  des  Magensaftes  durch  Vei  dauungsstörungen, 
hervorgerufen  durch  IJnmässigkeit  oder  klimatische  Ursachen,  wie  bei  uns 
im  Hochsommer,  zu  denken  sein.  Jede  Magen-  und  Darmschwäche  wird 
als  Prädisposition  anzusehen  sein. 

Der  KocHsche  Bacillus  (Vibrio  cholerae)  (Fig.  28/’,  2 c p.  2,  bd  p.  7, 
— c p.  8)  ist  wie  andere  Vibrionen  ein  kleines,  gekrümmtes,  lel)haft  be- 
wegliches Stäbchen  (2  {.l  lang,  0,4  (.i  breit),  das  an  einem  Ende  eine 
Geissei  trägt,  sehr  selten  zwei,  niemals  mehr.  An  der  Oberfläche 
flüssiger  Substrate  (Bouillon,  Asparaginzuckerlösung)  bildet  er,  den  Sauer- 
stotf  der  Luft  begierig  aufsuchend,  gewöhnlich  dichte  Häutchen  und 
trübt  gleichzeitig  die  ganze  Flüssigkeit,  neben  vorbei rschenden  Einzel- 
ijidividuen  nun  auch  viele  kürzere  oder  längere,  lebhaft  bewegliche  Ketten 
(Fig.  28/;)  bildend,  die  fälschlich  als  Spirillen  bezeichnet  werden,  in 
Wirklichkeit  aber  nur  aus  aneinandergereihten  Vibrionen  bestehen.  Echte 
endogene  Sporen,  die  sicher  gebildet  werden,  vielleicht  aber  nur  in  der 
tropischen  Heimat,  kennt  man  noch  nicht,  aus  alten  Kulturen  beschriebene, 
als  Sporen  gedeutete  Körnchen  sind  nur  Produkte  des  Zerfalls  und  der 
Involution,  die  auch  in  abenteuerlichen  Verunstaltungen  der  Form  sich 
äussert. 

Die  sporenfreien  Kommabazillen  der  Kulturen  vertragen  das  Aus- 
trocknen nur  kurze  Zeit,  schon  in  wenigen  Stunden  sterben  sie,  so  dass 
also  eine  staubtrockene  Euheperiode,  wie  sie  beim  Tuberkelbacillus  be- 
steht, ganz  fehlt,  und  auf  diesem  Wege  auch  eine  Infektion  ausgeschlossen 
ist.  Dagegen  vermag  der  Choleravibrio  als  echter  Met  atroph  und  Wasser- 
organismus im  Wasser  mehrere  Wochen  entwicklungsfähig  sich  zu  er- 
halten und  verlangt  auch  keine  ausschliessliche  Peptonzuckernahrung, 
er  ist,  wie  die  Tabelle  auf  p.  53  zeigt,  sogar  eine  Ammonbakterie,  die 
in  Glycerin-Salmiaklösungen  bei  geeigneter  alkalischer  Eeaktion  noch 
recht  flott  wächst,  bei  ungünstiger  Eeaktion  aber  ganz  versagt. 
So  erklärt  es  sich,  dass  die  Bakterien  in  den  Dejektionen  und  auf 
damit  verunreinigter,  feucht  bleibender  Wäsche  sich  vermehren  und 
auch  in  Gewässern  mit  fäulnisfähigen  Stoffen  gedeihen.  Aus  ihnen, 
z.  B.  in  Peptonbouillon,  erzeugt  der  Choleravibrio  gewöhnlich  Indol 
und  andere  Fäulnisprodukte,  denen  sich  Milchsäurebildung  aus  Zucker 
anschliesst. 

Aus  verunreinigtem  Fluss-  und  Teichwasser,  das  getrunken  oder 
zu  AVirtschaftszwecken  verwendet  wird,  gelangen  die  Bakterien  in  den 
Magen  und  Darmkanal,  so  dass  der  Mund  die  gewöhnliche  Eingangs- 
pforte der  Krankheit  bildet  und  dem  Wasser  bei  einer  Epidemie  die 
grösste  Ueberwachung  zuzu wenden  ist. 

In  seinen  metatrophen  Eigenschaften  schliesst  sich  der  Cholera- 
vibrio unseren  einheimischen,  ihm  gleichgestalteten  AA^asservibrionenJ^^) 
vollkommen  an,  deren  Wohnort  er  im  Hochsommer  auch  zu  teilen  ver- 
mag. Der  Choleravibrio  ist  aber  ein  echter  Tropenbewohner,  seine  Hei- 
mat ist  Ostindien,  wo  er  fauliges  Wasser  genau  so  bewohnt,  wie  seine 
Verwandten  bei  uns.  Er  verlangt  nur  eine  höhere  Temperatnr  (Optimum 
30-40*’),  um  üppig  zu  gedeilien  und  zugleich  auch  seine  grösste  Virulenz 
zu  erreichen,  eine  Bedingung,  die  bei  uns  im  Hoclisommer,  unserer  Cholera- 


149 


zeit,  am  besten  erfüllt  ist.  Arcli  eiiii^fe  unserer  einheimischen  "Wasser- 
vibrionen,  wie  der  Vibrio  berolinensis  und  danubiciis  besitzen  scdion 
pathogene  Eigenschaften,  ob  auch  für  den  Menschen,  bedarf  noch  einer 
weiteren  Untersnchnng.  Die  grössere  Giftigkeit  des  trojdschen  Wasser- 
organismns  würde  unter  die  allgemeine  Regel  fallen,  dass  in  den  günstigen 
Temperaturverhältnissen  der  Tropen  Ptlanzengifte  stets  kräftiger  sich 
entwickeln,  wie  bei  uns,  wde  z.  B.  auch  die  Haschischproduktion  aus 

TT 


Hanf 


zeigt. 


So  erscheint  die  Cholera  als  eine  durch  einen  tropischen  AVasser- 
organismus,  eine  metatrophe  Fänlnisbakteiie  hervorgerufene  Darmkrank- 
heit, deren  Erreger  sich  dauernd  in  unserem  Klima  nicht  festzusetzen 
- vermag,  sondern  von  neuem  wieder  durch  den  Weltverkehr  bei  uns  von 
Zeit  zu  Zeit  eingeschleppt  wird. 

8.  Ausser  den  genauer  besprochenen  Krankheitserregern  kennt  man 
noch  viele  andere  mehr  oder  weniger  gut,  so  die  Spirochaeten  des  Rück- 
falltyphus, die  Stäbchen  des  Rotzes,  des  Schweinerotlaufes  und  einer  An- 
zahl anderer  Tierseuchen,  für  andere  Infektionen  aber,  wie  Hundswut, 
Rinderpest,  Scharlach,  Masern,  Keuchhusten  und  andere  kennt  man  die 
spezifischen  Erreger,  die  auch  unter  den  Bakterien  vermutet  werden, 
noch  nicht.  Einige  andere  pathogene  Mikroorganismen  und  Pilze  wurden 
schon  in  A^orl.  IV  kurz  besprochen. 


XVII. 


Die  Bakterien  als  Kraiiklieitserreger. 


3.  Die  Wirkungsweise  der  Bakterien  und  die  Reaktion  des  Gefallenen 
Orgaiiismns.  Serumtlierapie  und  Immimität. 

Wenn  pathogene  Bakterien  auf  den  oben  geschilderten  Wegen  in 
den  Körper  eingedrungen  sind,  so  vergeht  bis  zum  Ausbruch  der  Krank- 
heit noch  eine  verschieden  lange  Zeit,  die  Inkubationszeit,  die  z.  B. 
bei  Impfung  von  Meerschweinchen  mit  Streptokokken  15 — 60  Stunden 
beträgt,  bei  Cholera  1 — 3 Tage,  beim  Menschen  für  Milzbrand  3 — 7 Tage, 
Syphilis  3—4  Wochen,  Hunds wnt  40  Tage  und  mehr. 

AVährend  dieser  Zeit  vermehren  sich  die  eingewanderten  Bakterien 
lind  rufen  dadurch  einen  zunächst  ohne  krankhafte  Symptome  verlaufenden 
oder  nur  durch  schwaches  Uebelbefinden  bemerkbaren  Kampf  des  Orga- 
nismus gegen  die  Eindringlinge  hervor.  Siegt  der  Körper  schon  im  An- 
fang, dann  briclit  die  Krankheit  gar  nicht  ans.  So  manches  vorüber- 
gehende Uebelbefinden  und  flüchtige  lokalisierte  Schmerzen  dürften  wohl 
oft  Zeichen  eines  solchen  Kampfes  sein,  der  durch  die  Niederlage  der 
Bakterien  den  Ausbruch  der  Krankheit  verhindert.  Denn  es  ist  doch 
zweifellos,  dass  viel  öfter  t)athogene  Keime  in  den  Körper  eindringen, 
als  es  nach  der  Zalil  der  wirklichen  Krankheitsfälle  scheinen  möchte. 

Wenn  die  ersten  Abwehrversnche  des  Körpers  erfolglos  geblieben 
sind  lind  die  Bakterien  reichlich  sich  vermehrt  haben,  dann  bricht  die 
Krankheit  hervor,  der  Kampf  zwischen  Wirt  und  Parasit  steigert  sich 
zu  den  heftigsten  Symptomen,  von  denen  es  nicht  mehr  möglich  ist  zu 
bestimmen,  wie  viele  noch  als  Abwehrerscheinungen  des  Körpers  gegen 
die  Bakterien,  tvie  viele  bereits  als  Zeichen  seines  Unterliegens  aiifzii- 
fassen  sind. 

Selbst  bei  stärkerer  Yermehriing  der  Bakterien  und  einer  Dnrch- 
Avncheriing  des  ganzen  Körpers  werden  diesem  doch  nur  wenig  Näh r- 
s t 0 f f e i m ganz  e n e n t z o g e n , so  dass  hierdurch  eine  Schwäch  img 
kaum  entstehen  dürfte.  Sind  metatrophe  (Tärnngs-  und  Fäulnis- 
erregei’  eingedrungen,  so  würde  die  Menge  der  dem  Körper  entzogenen 
Stoffe  nicht  einfach  gleicli  sein  der  Menge  der  herangewachsenen  Bakterien- 


151 


Substanz,  da  bei  den  g'enaiinteu  Prozessen  die  einzelne  Zelle  eine  ihr 
Gewicht  hundert-  und  tausend  fach  iibertretfende  Menge  gärnngs-  und 
fänlnisfähigen  Materiales  zu  zersetzen  vermag.  Als  verschlimmernde 
Nebeinvirknng  dürfte  dieser  Umstand  wohl  nicht  zu  unterschätzen  sein, 
auch  die  Gewebszerstörnng  könnte  hierauf  beruhen.  Auch  rein  ])hysi- 
kalisch  können  die  Bakterien  die  Blntziidcnlation  lokal  stören,  wenn 
sie  sich  in  den  Kapillaren,  wie  z.  ß.  bei  Milzbrand,  dicht  hänfen  und  sie 
schliesslich  streckenweise  ganz  verstopfen. 

Während  man  früher  geneigt  war,  den  geschilderten  Wirkungen  einen 
sehr  grossen,  vielleicht  zu  grossen  Eintlnss  znznschreiben,  sieht  man  jetzt 
in  ihnen  mir  Nebeiierscheinnngen,  Avährend  man  den  stürmischen 
Verlauf  der  Krankheit  und  ihre  schweren  Folgen  auf  Vergiftung 
durch  von  den  Bakterien  erzeugte  Gifte,  Toxine,  znrückführt.  Das 
Contaginm  animatnm.  das  von  aussen  anfgenommen  wird,  erzeugt  im 
Körper  das  Virus  inanimnm,  das  leblose  Gift.  Die  Erforschung  dieser 
Gifte  ist  jetzt  in  vollem  Gange,  begreiflicherweise  aber  mit  den  grössten 
Schwierigkeiten  verbunden,  da  es  sich  zum  Teil  um  eiweissartige  Körper 
handelt,  die  der  chemischen  Forschung  noch  wenig  zugänglich  sind,  zum 
Teil  wohl  auch  um  leicht  zerstörbare  Stoffe  anderer  Art.  Sicher  hat 
sich  bereits  ergeben,  dass  giftige  Körper  von  sehr  verschiedener  chemi- 
scher Natur  entstehen  können. 

Die  eine  Gruppe,  die  der  Pt  omaine,  der  Fäulnis-  und  Kadaver- 
alkaloide, sogenannt  wegen  ihrer  an  Pflanzenalkaloide  erinnernden  Ke- 
aktionen  ist  die  am  längsten  bekannte  (p.  97),  an  den  toxischen  AVir- 
kungen  pathogener  Bakterien  aber  wenig  beteiligt. 

Die  Eeindarst ellung  ihrer  spezifischen  Toxine ^^’’)  aus  Kul- 
turen hat  trotz  eifrigster  Arbeit  noch  wenig  Erfolg  gehabt,  so  dass  man 
wohl  von  den  Giften  redet,  ohne  sie  aber  in  AVirklichkeit  rein  zu  kennen. 

Um  ihre  Wirkung  zu  studieren,  wäre  das  zwar  sehr  erwünscht,  aber 
ist  doch  nicht  unbedingt  notwendig,  wie  die  folgende  Darstellung  zeigen 
wird.  Um  solche  in  der  Kulturflüssigkeit  lösliche  Gifte  von  den  Bakterien 
zu  befreien,  genügt  es,  Bouillonkulturen  durch  Porzellan-  oder  Kiesel- 
guhrfilter  zu  filtrieren.  Spritzt  man  auf  diese  Weise  dargestellte  gift- 
li  a 1 1 i g e Lösungen  z.  B.  vom  Tetanusbacillus  Tieren  ein,  so  erkranken 
sie  unter  den  gleichen  Erscheinungen  des  Starrkrampfes  wie  bei  der 
Impfung  mit  Tetanusbazillen.  Ebenso  gelingt  es,  mit  flltrierten  Kulturen 
von  Diphtherie  die  Versuchstiere  zu  vergiften.  Kurz,  es  hat  sich  heraus- 
gestellt, dass  alle  pathogenen  Bakterien  lösliche  Gifte  erzeugen  und  dass 
diese  allein  nicht  bloss  genügen,  die  schweren  S^unptome  der  betreffenden 
Krankheit  hervorzurufen,  sondern  dass  auch  von  ihnen  allein  Art  und 
Verlauf  der  Krankheit  abhängt.  Besonders  alte  Kulturen  enthalten 
viel  von  diesen  Toxinen,  sie  sind  giftiger,  während  die  jüngeren  durch 
grössere  AVachstumsfähigkeit  der  Bakterien  sich  auszeichnen,  sie  sind 
nach  der  üblichen  BezeichnungSAveise  virulenter. 

Die  Filtrate  kann  man  zunächst  im  luftleeren  Baum  durch  AVr- 
dunstung  konzentrieren  und  erhält  so  eine  wirksamere  Giftlösung,  aus 
der  endlich  durch  Fällungsmittel,  wie  Alkohol  oder  durch  Aussalzen  ein 
Niederschlag  von  noch  grösserer  Giftigkeit  sich  abscheiden 
lässt.  Freilich  enthält  dieser  Niederschlag  noch  ein  buntes  Gemenge 
verschiedener  Stoffe,  z.  B.  eiweiss-  und  albumoseartiger  Stoffe  aus  der 
Nährbouillon,  Aschenbestandteile  und  dazwischen  nun  auch  die  Toxine. 
Sie  vollständig  zu  isolieren,  ist  noch  nicht  gelungen.  AVährend  man 


früher  meinte,  dass  diese  Toxine  eiweissartige  Körper  seien  (Tox- 
albnniine),  hat  die  weitere  Reinigung  ergeben,  dass  sie  einfacliere  Stoffe 
sein  können.  Sie  sind  ansserordentlicii  giftig,  von  einem  mögliclist  kon- 
zentrierten Tetannstoxin  tödtete  schon  Milligr.  eine  Maus,  für 

den  Mensclien  würden  vielleicht  0,23  Milligr.  genügen.  Auch  durch  Ex- 
traktion der  Bakterienleiber  lassen  sich  die  in  ihnen  enthaltenen  Gifte 
gewinnen,  das  bekannteste  Beispiel  dieser  Art  ist  das  KocHsche  Tuber- 
kulin ein  Reinigungsprodukt  eines  Glycerinauszuges  aus  Tuberkel- 
bazillen. Reine  Gifte  hat  man  auch  auf  diesem  AAege  noch  nicht  her- 
stellen  können,  das  Tuberkulin  von  1890  enthielt  dem  Nährboden  ent- 
stammende Albumine,  Albumose  und  Pepton  und  dazwischen  das  noch 
unbekannte  Gift. 

Auch  die  a'l  1 e r n e u e s t e n T u b e r k u 1 i n p r ä p a r a t e (TO  und  TR) 
Kochs  sind  Extrakte  aus  im  Mörser  zerstossenen , trockenen  Tuberkel- 
bazillen hoch  virulenter  Reinkulturen.  Die  fein  zerstäubten  Bazillen 
werden  mit  destilliertem  AVasser  centrifugiert,  der  erste,  gelbliche,  klare 
Extrakt  ist  das  TO  mit  einer  dem  alten  Tuberkulin  ähnlichen  AA^irkung, 
die  wiederholte  Centrifugierung  des  Bodensatzes  von  TO  giebt  dann  das 
günstiger  als  dieses  wirkende  TR.  Beide,  zu  besserer  Haltbarkeit  mit 
20%  Glycerin  versetzt,  sind  also  auch  nur  gifthaltige  Gemische  aller  in 
AA^asser  löslichen  Stoffe,  vermengt  mit  winzigen  Trümmern  der  zer- 
stossenen Bazillenleiber. 

Die  festen  gifthaltigen  Substanzen  und  die  Bouillonfiltrate  bewahren 
ihre  Giftigkeit  ziemlich  lange,  sind  aber  z.  B.  gegen  höhere  Tempera- 
turen, gegen  Säure  und  Alkalien  sehr  empfindlich.  So  wird  das  Tetanus- 
toxin schon  in  wenigen  Minuten  durch  65  vernichtet,  das  Diphtherie- 
toxin durch  58  in  2 Stunden.  AA'enn  auch  diese  grosse  Empfindlich- 
keit gewisse  Anklänge  an  die  Eigenschaften  der  Enzyme  darbietet,  so 
ist  doch  daraus  eine  Verwandtschaft  beider  Körperklassen  nicht  ab- 
znleiten. 

Die  Gifte  sind  ein  Produkt  des  Bakterienlebens,  ebenso  wie  die  Gär- 
produkte, ebensogut  wie  die  Alkaloide  unserer  Giftpfianzen,  die  Gifte  der 
Schlangen,  und  werden  schon  während  des  Lebens  der  Bakterienzelle 
ausgeschieden,  gelangen  aber  besonders  in  die  Kulturflüssigkeit,  wenn 
die  Bakterien  in  grösserer  Alenge  absterben,  woraus  sich  die  grössere 
Giftigkeit  älterer  Kulturen  erklärt.  Da  auch  im  kranken  Körper  Bak- 
terien zu  Grunde  gehen,  Avie  die  mikroskopische  Beobachtung  schon  er- 
kennen lässt,  so  Avird  dadurch  die  A'ergiftung  nur  gesteigert. 

Da  die  Bakterien,  Avie  auch  mehrere  Funde  fossiler  Arten  ans 
der  Steinkohlenzeit  nnd  anderen  Erdperioden bestätigen,  sicher  zu  den 
ältesten  Organismen  anf  nnserei’  Erde  gehören  nnd  schon  allgemein  ver- 


breitet Avaren.  als  im 


Tertiär  die  EntAvicklung 


der  Avarmblütiß'en  Tiere 


einsetzte,  so  Aväre  es  Avnnderbar,  Avenn  diese  nicht  im  Laufe  ihrer  phylo- 
genetischen A^ervollkomninnng  allmählich  Eigenschaften  entAvickelt  hätten, 
um  die  ihnen  stets  drohenden  Eindringlinge  zn  bekämpfen. 

Die  Erforschung  dieser  Fähigkeiten  bescliäftigt  jetzt  in  hohem  Alaasse 
die  AAbssenschaft  und  hat  auch  bereits  in  der  Serumtherapie  Aveiteren  Er- 
folg verheissende  Früchte  getragen.  Dei‘  Gegensatz  der  praktischen  Er- 
fahrungen sowohl  als  auch  der  theoretischen  Anschauungen  ist  freilich  ein 
so  grosser  noch,  dass  es  noch  langer  Zeit  bedarf,  bis  eine  feste  Grund- 
lage geschaffen  sein  wird. 

Die  Aufmerksamkeit  der  Foi’scher  Avendete  sich  zuerst,  besonders 
unter  AIhtscjimkuhi  s Führung,  den  Aveissen  Blutkörperchen  (Leukocyten) 


15H 


oder  Lyniphzellen  des  Kih-pers  zu,  deren  grosse  Bedf^utuiig  für  pliysio- 
logisclie  und  patliologische  Prozesse  mehr  und  mehr  gewürdigt  wurde. 
Als  Wand  er  zellen  bezeichnet  man  diese  hüllenlosen  Gebilde,  die  im 
Knochenmark,  in  der  Milz  und  anderen  blntbereitenden  Organen  ent- 
stehen, deshalb,  Aveil  sie  ans  den  Blut-  und  L3nni)hbahnen,  in  denen  sie 
durch  den  ganzen  Körper  verbreitet  Averden,  ansznvvandern  und  zwischen 
die  festen  (feAvebszellen  sich  einzndrängen  vermögen.  So  vermehren  sie 
sich  in  den  Darmzotten  nach  der  Nahrnngsanfnahnie,  so  bilden  sie  einen 
Hani)tbestandteil  des  Eiters  als  Eiterkörperchen.  Man  redet  dann  kurz 
von  Lenkocytose.  Im  Blute  milzbrandkranker  Tiei-e,  bei  Eiternngs- 
prozessen  aller  Art  enthalten  die  Lenkocyten  nun  sehr  oft,  freilich  nicht 
immer,  Bakterien,  bald  nur  einzelne,  bald  grössere  Mengen,  die  zum  Teil 
durch  schlechtere  Färbbarkeit  und  Veränderungen  ihres  Inhaltes  abge- 
storben aussehen  (Fig.  29  a u.  h).  Metschnikoff  gründete  auf  diese  Vor- 
kommnisse seine  Lehre  von  der  Phagocy  tose^^-’),  die  Lenkocyten  sollten 
als  riiagocyten,  Fresszellen,  AAÜrken  und  die  in  den  Körper  einge- 


Fig.  29.  PhagOCytOSe  nach  Metschnikoff.  a Leukocyt  aus  Taubenblut  mit  Milzbrandbazillen, 
die  zum  Teil  noch  intakt  sind  und  sich  kräftig  färben  (schwarz)  , zum  Teil  mehr  oder  weniger 
verändert  und  blass  (punktiert),  der  locker  punktierte  Körper  ist  der  Zellkern,  b Ein  lebender 
Taubenleukocyt,  Bazillen  in  sich  aufnehmend.  Vergr.  1000. 

drungenen  Bakterien  in  sich  aufnehmen  und  töten,  die  Phagocyten  sollten 
eine  durch  den  ganzen  Körper  verschickbare  x4.rmee  der  Verteidigung 
sein.  Sprach  schon  die  unmittelbare  Beobachtung  für  diese  iVnsicht,  so 
Avurde  sie  dann  noch  Avesentlich  gestützt,  als  man  die  Chemotaxis 
der  Lenkocyten’’-')  genauer  studierte,  speziell  auch  gegenüber  den 
Bakterien  und  ihren  in  die  Kulturflüssigkeit  übergehenden  StoffAvechsel- 
produkten.  Mit  diesen  angefüllte  Kapillaren  brachte  man  in  den  Körper 
und  fand  sie  nach  einiger  Zeit  vollgestopft  mit  lierbeigeAvanderten  Leuko- 
cyten,  deren  Herbeilockung  man  auf  Chemotaxis  zurückführte,  freilich 
Avohl  nicht  immer  mit  ausreichender  Berücksichtigung  des  p.  77  schon 
besprochenen  WEBEEschen  Gesetzes.  Da  nun  um  Bakterienherde  fast 
regelmässig  Lenkocyten  sich  ansammeln  und  als  Phagocyten  sich  mit  Bak- 
terien beladen,  so  schien  Metschnikoffs  Theorie  Avohlbegründet. 

Die  Entdeckung  einer  Eigenschaft  der  zellenfrei  gemachten  Blut- 
flüssigkeit, des  Blutserums,  schien  anzudeuten,  dass  die  Phagocytose 
Aveder  das  einzige  und  sicher  nicht  das  wichtigste  Bekämpfungsmittel 
der  eingedrungenen  Bakterien  sei.  Säte  man  beliebige  Bakterien  im 
zellenfreien  Blutserum  aus  und  prüfte  voji  Zeit  zu  Zeit  durch  Platten- 
kulturen ihre  Zahl,  so  fand  man,  dass  immer  Aveniger  Keime  aufgingen, 
bis  endlich  nach  mehrstündiger  Wirkung  des  Serums  alle  unterdrückt 
Avaren.  Diese  bak t er icide  Eigenschaft  des  Serums,  die  es  allen 
Bakterien  gegenüber  äussern  soll,  Avird  durch  einstündiges  Erwärmen  auf 
55"  verniclitet,  ebenso  durch  Verdünnung  mit  destilliertem  Wasser.  Nach 
Büchner  beruht  die  bakterienfeindliche  Wirkung  des  Blutserums  auf 


154 


besonderen  vStolfen,  den  Alexin en'*®)  (AbwelirstofFen),  die  freilicli  ebenso- 
wenio’  wie  die  Toxine  bislier  sich  rein  darstellen  Hessen  und  selir  leicht 
zerstörbar  sein  sollen.  Da  durch  Erwärmen  wirkungslos  gewordenes  Serum 
schon  durch  Zusatz  von  0,3  Kochsalz  oder  eines  anderen  Salzes  reakti- 
viert werden  kann,  so  scheint  auch  hinter  den  Alexinen  noch  manches  Ge- 
heimnis zu  stecken. 


In  der  Zeit,  als  die  Phagocytentheorie  und  die  Alexintheorie  sich 
gegenübertraten,  Anfang  der  achtziger  Jahre,  legte  man  noch  den  Haupt- 
Avert  auf  die  Vernichtung  der  Bakterien,  erst  später  trat  die  Vergiftungs- 
theorie der  InfektionskrankheiteiP^'^)  in  den  Vordergrund  und  damit  ent- 
stand die  Frage  nach  der  Vernichtung  der  Bakteriengifte,  nach  dem 
Vorhandensein  von  Gegengiften,  Antitoxinen.  Da  das  Leben  der 
verschiedenen  Bakterien  durch  ein  und  dasselbe  Gift  vernichtet 
wird,  so  Avar  es  nicht  nötig,  nach  spezifischen  Alexinen  zu  suchen. 
Gegen  die  verschiedenen  Toxine  der  pathogenen  Bakterien  erschienen 
aber  auch  spezifische  Antitoxine  erforderlich,  Avie  fast  jedes  Gift  sein 
besonderes  Antidot  verlangt.  Die  an ti toxischen  oder  toxiciden  Eigen- 
schaften des  Blutserums  lassen  sich  nur  mit  Hilfe  des  Tierexperimeutes 
erforschen,  da  das  Tier  an  und  für  sich  schon  das  sicherste  Reagenz  auf 
die  Bakterientoxine  ist  und  bei  der  Unkenntnis  dieser  Toxine  im  reinen 
Zustande  vorläufig  überhaupt  das  einzige,  an  dem  deren  Vernichtung 
durch  die  Antitoxine  des  Serums  erkannt  werden  kann. 

Auch  diese  Antitoxine  ist  es  noch  nicht  gelungen,  rein  dar- 
zustellen, sie  sollen  etwas  widerstandsfähiger  als  die  Toxine  sein,  jedoch 
Aveichen  die  Angaben  verschiedener  Forscher  über  dasselbe  Antitoxin, 
das  immer  nur  gelöst  im  Serum  untersucht  werden  konnte,  oft  noch  recht 
sehr  voneinander  ab. 

Da  das  zellenfreie  Serum  an  und  für  sich  ein  lebloses  Gebilde  ist, 
so  Aveist  alles  darauf  hin,  in  den  Zellen  des  Blutes,  in  den  Leukocyten 
die  Träger  und  Erzeuger  derjenigen  Stoffe  zu  sehen,  Avelche  dem  Serum 
seine  baktericiden  und  toxiciden  Eigenschaften  verleihen  sollen.  Alexine 
und  Antitoxine  sind  Produkte  der  Leukocyten,  die  mehr  hierdurch,  als 
durch  ihre  Eigenschaften  als  Fresszellen  den  Kampf  des  Organismus 
gegen  die  Bakterien  zu  führen  scheinen.  So  (^rgiebt  sich  ein  bereits 
vielseitig  anerkannter  Kompromiss  zAAUschen  der  mehr  von  den  französi- 
schen Forschern  betonten  Theorie  Metschnikoffs  und  der  besonders  in 
Deutschland  angesehenen  Lehre  von  den  Antikörpern. 

Ein  anderes  natürliches  Kampfmittel  gegen  die  Bakteriengifte  be- 
sitzt der  Mensch  und  jeder  Organismus  überhaupt  in  der  Fähigkeit 
der  GiftgeAvöhnung,  die  nur  ein  besonderer  Fall  der  aller  lebenden 
Substanz  inneAvohnenden  Eigenschaft  ist,  dauernd  auf  sie  einAvirkenden 
äusseren  Einflüssen,  wenn  diese  langsam  sich  steigern  und  niclit  plötzlich 
über  ein  geAvisses  Maass  hinausgehen,  sich  anzubequemen.  Dass  diese 
Fähigkeiten  bei  einzelnen  Organismen  besonders  stark  entAvickelt  sind, 
auch  individuell  schwanken,  ist  ja  bekannt.  So  braucht  nur  an  die 
Akklimatisationsfähigkeit  von  Tieren  und  Pflanzen,  der  verschiedenen 
Menschenrassen,  ja  an  viele  Bakterien  selbst  erinnert  zu  Averden,  die  z.  B. 
in  unseren  Reinkulturen  oft  unter  ganz  anderen  Bedingungen,  als  ilirem 
natürlichen  Vorkommen  entspricht,  gut  gedeihen.  Beispiele  von  Gift- 
geAvöhnung sind  bekannt  genug,  die  Arsenikesser  lernen  allmählich 
0,4  Gramm  auf  einmal  vertragen,  Avährend  die  tötliche  Dosis  sonst  0,1 
bis  0,2  Gramm  beträgt,  Morphinisten  geAvöhnen  sich  an  die  vierfache 
tötliche  Dosis  (0,4  Gramm  per  os).  Durch  langsame  Steigerung  ur- 


155 


spriinglich  g’evinger 


(liftmeiigeii  ist  es  gelungen,  weisse  Mäuse 


gegen 


Kiciu  (Gift  des  Ricinussamens)  giftfest  zu  inaclien,  so  dass  sie  scliliesslicli 
die  lOOfaclie  tötliclie  Dosis  oline  Schädigung  vertrugen,  sie  waren 


sogar 

g i f t i m in  u n , r i c i n i m in  n n geworden. ' ' ^ ) 

Auch  an  die  Toxine  der  pathogenen  Bakterien  kann  sich  der  Körper 
gewöhnen.  Es  dürfte  sich  verlohnen,  einmal  nur  von  diesem  Gesiidits- 
pnnkte  aus  die  zahllosen  Erfahrungen  der  letzten  lö  Jahre  über  die  Im- 
in nnisierung  lind  Sernintherapie  zu  hetrachten,  ohne  Rücksicht 
zunächst  auf  die  Theorie  der  Antitoxine.  Um  z.  B.  ein  Meerschweinchen 
gegen  Diphtheriegift  giftfest,  aktiv  iinmnii  zu  machen,  verfährt  man 
folgendermaassen '•^®) : Man  bestimmt  zunächst  von  einem  gifthaltigen 
Filtrat  einer  Boiiilloukiiltiir  die  tötliclie  Minimaldosis,  d.  h.  wie  viel  Kiibik- 
ceiitimeter  gerade  genügen,  um,  subkutan  eingespritzt,  ein  Meerschweinchen 
zu  töten.  Es  mögen  das  0,3  Kiibikcentinieter  auf  1000  Gramm  Tier- 
geAvicht  seki,  also  für  ein  MeerscliAveinchen  von  250  Gramm  circa  0,08  Kiibik- 
centimeter.  Dieser  Titre  ist  natürlich  nicht  ein  fester  AVert,  ver- 
gleichbar dem  Titre  einer  maassanalytischen  Normallösiing,  sondern  Avechselt 
je  nach  den  Kiiltiirbedingiingen,  der  Giftigkeit  der  Bazillen.  Man  geht 
nun  auf  geringere  Dosen  herab,  beginnt  vielleicht  mit  der  Einspritzung 
von  0,001  Knbikcentimeter,  die  ein  vorübergehendes  Unwohlsein  hervor- 
riifen,  dann  steigert  man  und  kann  so  nach  längerer  Zeit  schliesslich 
sogar  weit  über  die  tötliclie  Dosis  liinaiisgeheii,  ohne  Schädigung  des 
jetzt  giftfest  geAvordenen  Tieres.  Auf  die  gleiche  AA^eise  Averden  auch  in 
den  Höchster  Farbwerken  Pferde  zur  GeAvinniing  des  Beheik eschen  Heil- 
serums gegen  Diphtheriegift  giftfest  gemacht. 

Statt  mit  kleinen  Dosen  des  iingescliAvächten  Giftes  kann  man  auch 
mit  grösseren  Dosen  eines  durch  ErAvärmen  auf  50—70^  oder  durch  Zu- 
sätze chemischer  Stoffe,  Avie  Karbolsäure,  Jodtrichlorid,  a b g e s ch  av ä ch  t e n 
G i f t es  beginnen.  Endlich  führt  auch  die  Impfung  mit  a b g e s c h av ä c h t e n 
Bakterien  selbst  zum  Ziele.  Prinzipiell  kommt  diese  Behandlung  auf 
dasselbe  hinaus  wie  die  mit  bakterienfreien  schwachen  Giftlösungen,  da 
mit  der  vegetativen  AbscliAvächung  der  Bakterien  durch  die  auf  p.  27 
geschilderten  Mittel  natürlich  stets  auch  eine  Herabsetzung  ihrer  Gift- 
produktion verbunden  ist.  Die  Immunisierung  durch  a b ge- 
sell av  ächte  Bakterie  11  kulturell  war  der  Ausgangspunkt  für  die 
reine  Giftbehandluiig.  Mit  Tetanusbazillen,  die  durch  Jodtrichlorid  in 
verschiedenem  Grade  abgescliAvächt  Avaren,  gelang  es  Beheing*^^’),  ein 
Pferd  in  70  —80  Tagen  derartig  tetanusinimun  zu  machen,  dass  es  100  Knbik- 
centimeter einer  vollvirulenten  Kultur,  von  der  sonst  schon  0,5  Knbik- 
centimeter zur  Tötung  genügt  hätten,  ohne  Schädigung  vertrug.  Alehrere 
100  Kubikeentimeter  verschiedengradig  abgescliAvächte  Kulturen  Avaren 
dazu  erforderlich  geAvesen.  Mehr  als  800  Kubikeentimeter  gifthaltige 
nitrierte  Diphtheriebouillon  sind  iiotAvendig,  um  ein  Pferd  in  80  Tagen 
starkimmun  zu  machen. Jetzt  ist  es  zur  Abzapfung  von  Heilserum 
geeignet. 

Die  Giftfestigkeit  lässt  sich  durch  Aveitere  Behandlung  noch  steigern 
und  hält  ohne  Fortsetzung  der  Einspritzungen  längere  Zeit  an,  z.  B.  bei 
einem  gegen  Tetanus  immunisier  teil  Pferde  2 Jahre,  bei  den  Höchster 
Diphtheriepferden  Avohl  ähnliche  Zeit;  bei  Versuchen  mit  anderen  Bak- 
teriengiften ergaben  sich  zwar  keine  so  langen  Zeiträume,  immerhin  doch 
viele  Wochen  und  Monate.  Schwankuiigen  sind  hier  natürlich  unaus- 
bleiblich. 

Vorausgesetzt,  dass  die  experimentelle  Immunisierung  durch  Toxine 


15B 


eine  reine  Giftgewr)]innng  ist,  so  würde  ilir  Erlösclien  einfach  sich  da- 
dnrcli  erklären,  dass  die  Gifte  allinälilich  ans  dem  Körper  wieder  ent- 
fernt werden  und  schliesslich  ganz  verschwinden.  Die  Zellen  des  Körj)ers 
würden  so  allmählich  wieder  entwöhnt.  Das  lange  Bestehen  einer  solchen 
(Bftfestigkeit,  2 Jahre  und  noch  mehr,  würde  nicht  gegen  diese  Anf- 
fassnng  sprechen,  da  Gifte  oft  ausserordentlich  langsam  aus  dem  Körper 
ausgeschieden  werden,  man  denke  nur  an  das  Quecksilber,  das  nach  Kuren 
erst  in  0 Monaten  und  noch  längerer  Zeit  vollkommen  verschwindet. 

Als  eine  experimentelle  ehr on is che  Vergiftung  ist  doch 
zweifellos  die  Immunisierung  durch  Toxinimpfnng  anzusehen. 

Ein e solche  künstliche  G i f t f e s t i g k e i t schützt  natürlich  nicht 
bloss  gegen  die  unmittelbare  Einwirkung  des  spezifischen  Giftes,  sondern 
auch  gegen  das  von  eingedrnngenen  Bakterien  abgeschiedene  Gift;  ein- 
geimpfte Tetaniisbakterien  z.  B.  werden  zwar  nicht  in  der  Entwicklung 
gehemmt,  nur  ihr  Gift  vermag  nicht  mehr  zu  schädigen.  Tn  anderen 
Fällen,  z.  B.  bei  Diphtherie,  ist  es  ebenso  während  für  andere  Krank- 
heiten noch  keine  Klarheit  darüber  gewonnen  ist,  ob  eine  Giftimmnni- 
sierung  zugleich  auch  eine  Wachstumshemmung  der  entsprechenden 
Bakterien  bewirken  kann,  ob  also  baktericide  Eigenschaften  nebenbei 
gefördert  werden  (Cholera,  p.  158).  Die  Giftfestigkeit  ist  eine 
streng  spezifische,  mit  Diphtheriegift  kann  nur  gegen  dieses  selbst, 
nicht  auch  gegen  Tetanus  und  Milzbrand  oder  beliebige  andere  immunisiert 
werden.  Auch  das  würde  leicht  durch  die  Giftgewöhnung  zu  erklären 
sein.  Diese  würde  überhaupt  ausreichen,  um  alle  diejenigen  neuen  Eigen- 
schaften, die  das  immunisierte  Tier  gegenüber  sich  selbst  bekommt,  voll- 
kommen zu  erklären.  Nun  treten  aber  auch  nichtimmunisierten  Tieren 
gegenüber  andere,  neue  Eigenschaften  hervor,  die  als  Grundlage  der 
Serumtherapie  dienen. 

Durch  Einspritzung  von  Serum  immuner  Tiere  kann  man  andere 
Tiere  ebenfalls  immun  machen,  „passiv“  immunisieren  und  ihnen  an- 
nähernd die  Eigenschaften  des  serumliefernden  Tieres  verleihen.  Auch 
die  Milch  immunisierter  Tiere  ist  dazu  geeignet,  z.  B.  von  diph- 
therieimmunen Ziegen,  freilich  erreicht  ihre  Wirkung  nur  — Yso  derjenigen 
des  zugehörigen  Blutserums.  Durch  zahlreiche  Tierexperimente  ist 
auch  festgestellt,  dass  eine  immunisierte  Mutter  auf  ihre  Nach- 
kommen ihre  Giftfestigkeit  vererben  kann,  freilich  nicht  als  dauernde, 
erblich  fixierte  Eigenschaft,  sondern  nur  auf  einige  Zeit,  nach  wenigen, 
2 — 3 Monaten  ist  sie  erloschen.  Durch  den  Vater  ist  die  Immunität 
nicht  übertragbar.^"'^)  Alle  diese  Leistungen  eines  immunisierten  Tieres 
würden  schon  ohne  Annahme  von  Antitoxinen  dadurch  sich  erklären,  dass 
die  früher  eingeführten  Toxine  nur  langsam  den  Körper  verlassen  und 
erst  nach  Monaten  und  vielleicht  Jahren  ganz  ausgeschieden  werden. 
So  lange  noch  geringe,  dem  exakten  Nachweis  sich  entziehende  ]\rengen 
vorhanden  sind,  ist  das  Tier  noch  immun,  freilich  mit  steter  Abnahme. 
Ebensolange  aber  auch  enthält  sein  Serum  geringe  Giftmengen,  die  nun, 
einem  frisclien  Tiere  wiederholt  eingespritzt,  in  ihm  allmählich  eine 
Giftgewöhnung  herbeiführen.  An  je  grössere  Dosen  das  serumliefernde 
Tier  gewöhnt  ist,  um  so  mehr  Gift  enthält  sein  Serum,  um  so  höher  ist 
auch  sein  Immunisierungswert.  Schliesslich  könnte  das  Gift  sich  so  an- 
sammeln, dass  das  Tier  selbst  daran  zu  Grunde  geht,  während  sein 
Serum  den  höchsten  Immunisierungswert  erlangt.  Diese  sog.  lieber- 
em p f i n d 1 i c h k e i t , die  von  Behkinc j ^ ■''’)  bei  einzelnen  Serum tieren 


157 


beobachtet  wurde  und  durcli  die  Aiititoxiutlieoiie  ganz  uuerklärlicli  ist, 
wäre  oliue  weiteres  verstand] ich. 

A\^eim  nur  auf  einer  Uebertraguug  sehr  verdünnter  Toxine  die  Wir- 
kung des  Heilserums  beruhte,  so  müsste  seine  Wirkung  am  grössten  sein 
vor  der  Einverleibung  der  Infektionseri'eger,  weil  dann  die  Giftgewölinung 
schon  begonnen  hat,  wenn  die  Krankheit  einsetzt.  Eine  vielfältige  P]r- 
fahrung  lehrt  nun,  dass  noch  sehr  vorteilhaft  eine  gleichzeitige  Einver- 
leibung wirkt,  sei  es,  dass  das  Schutzserum  und  das  Gift,  resp.  die 
Bakterien  bereits  vermischt  eingespritzt  werden  oder  getrennt,  aber  so- 
gleich nacheinander.  Würde  man  hier  von  der  Antitoxinlehre  absehen 
Avollen,  so  wäre  auch  jetzt  noch  eine  Deutung  plausibel,  man  könnte  an- 
nehmen, dass  das  Gift  in  dem  Serum  giftgewöhnter  Tiere  leichter  re- 
sorbierbar geworden  ist,  als  das  frische  Toxin  aus  einer  Bouillonkultur 
und  letzterem  also  in  seiner  Wirkung  vorauseilt.  ^ 

Wenn  wirklich  freies  Bakteriengift  in  dem  Serum  das  wirksame 
Agens  Aväre,  so  könnte  es  scheinen,  als  ob  nun  notwendig  auch 
die  gleichen  Symptome  wie  bei  starker  Gifteinführung  hervortreten 
müssten.  Ganz  ohne  Eeaktion  des  Organismus  verläuft  ja  die  Serum- 
einspritzung niemals,  oft  kommen  sogar,  wie  bekannt,  starke  Neben- 
wirkungen vor.  Da  aber  die  Giftmenge  des  Serums  eine  sehr  ge- 
ringe nur  sein  könnte,  vielleicht  sogar  bei  der  grossen  Giftigkeit  der 
Toxine  (p.  152)  sein  müsste,  so  brauchten  deutliche  Eeaktionen  gar  nicht 
aufzutreten. 

Das  Gesagte  kann  keineswegs  genügen,  eine  volle  Erklärung  zu 
geben,  es  wird  aber  zeigen,  wie  weit  man  auch  ohne  die  Annahme 
V 0 11  s p e z.‘  iV  n t i 1 0 X i n e n zu  kommen  vermag,  nur  mit  der  einen,  aller- 
dings weiterer  Erklärung  einstweilen  nicht  zugänglichen  Eigenschaft  der 
Giftgewöhnung.  Zu  ihr  tritt,  sobald  man  Antikörper  voraussetzt,  noch 
eine  zweite,  ganz  dunkle  Eigenschaft  des  Organismus  hinzu,  nämlich 
die,  zu  jedem  Toxin  ein  entsprechendes  Antitoxin  bilden  zu  können, 
eine  Forderung,  die  schliesslich  auch  für  alle  anderen  Gifte  zuge- 
standen werden  müsste.  Die  theoretische  Medizin  neigt  augenblick- 
lich sehr  dazu,  die  Immunität  und  S er  um  th  erapie  durch  solche 
Antitoxine  zu  erklären.  Durch  die  Einverleibung  des  Giftes  soll  der 
Körper  zur  Bildung  von  Gegengiften  angereizt  werden,  diese 
sollen  in  dem  Maasse  zunehmen,  als  die  Immunität  wächst  und  sie 
sollen  auch  das  Wirksame  im  Serum  sein,  die  Serumtherapie  und  die 
Serumimmunisierung  würde  also  in  einer  Uebertragung  von  Antikörpern 
bestehen.  Wie  schon  erwähnt,  sind  diese  noch  gänzlich  unbekannt,  auch 
über  die  Art  ihrer  Wirkung,  ob  sie  das  Gift  durch  chemische  Bin- 
dung gewissermaassen  neutralisieren  oder  ob  sie  nur  den  Körper  zu 
grösserer  Widerstandskraft  anregen  oder  in  anderer  Weise  wirken,  über 
alle  diese  Fragen  und  viele  andere  daran  sich  anschliessende  sind  die 
Ansichten  geteilt. 

Die  Theorie  der  Antikörper  kommt  auch  in  der  von  Beheing  und 
Ehrlich  eingeführten  Bezeichnung  des  in  den  Handel  gebrachten 
Diphtherieserums  zum  Ausdruck. 

Als  Normal giftlösung  gilt  eine  diphtheriegifthaltige  Nähr- 
bouillon (ältere  filtrierte  Kulturen),  von  der  0,3  ccm  genügen,  um  1 kg- 
Meerschweinchen  bei  subkutaner  Injektion  sicher  zu  töten,  von  der  also 
für  ein  Meerschweinchen  von  200—  300  g 0,1  ccm  genügen  würden.  Als 
N orm  al- An  ti toxin  ein h eit  (A.  E.)  ist  eine  solche  Antitoxinlösung 
festgesetzt,  von  der  0,1  ccm  genügen,  um  1 ccm  Normaigiftlösung  un- 


158 


scliädlicli  zu  maclieii,  also  ein  Meerscliweiiiclien  g’eg'eii  die  lOfaclie  töt- 
liclie  Dosis  zu  scliUtzeu,  was  mir  durcli  das  d'ierexperiuieiit,  gleiclizeitige 
Eiuspritzuug-  der  Miscliuiig-,  festgestellt  werden  kann.  Um  also  ein  Meer- 
scliweinclien  geg’en  die  tötliclie  Dosis  von  0,1  ccm  Normalgiftlösnng  zu 
sclintzeii,  würden  0,01  ccm  der  normalen  Antitoxinlösnng  erforderlicli 
sein.  Normals  er  um  endlicli  enthält  in  1 ccm  1 Antitoxineinheit,  es 
würde  also  1 ccm  genügen,  um  10  Meerschweinchen  gegen  die  10  fache  Dos. 
leth.  zu  immunisieren.  Eine  Flasche  mit  2 ccm  8ernm  und  der  Be- 
zeichnung 300  A.  E.  würde  also  pro  ccm  150  Normalantitoxineinheiten 
enthalten,  die  zur  Immunisierung  von  1500  Meerschweinchen  ausreichen 

würden  oder  . ^ = 0,0007  ccm  für  ein  Tier.  Die  Antitoxineinheit 
1500 

(A.  E.)  wird  auch  als  Inimunisierungseinheit  (T.E.)  bezeichnet. 

Auf  die  therapeutische  und  klinische  Frage  der  Serum  behand- 
lung  kanu  ich  hier  nicht  eingehen,  nur  sei  erwähnt,  dass  ein  endgültiges 
Urteil  über  den  Wert  der  Methode,  wenn  es  nicht  unreif  sein  soll,  erst 
nacli  einer  grossen  Reihe  von  Jahren  möglich  sein  wird.^'^'*) 

Grosse  Schwierigkeit  bereitet  einer  theoretischen  Erklärung  der 
Immunität  die  Trennung  der  baktericiden  und  antitoxischen  Eigen- 
schaften, die  vorausgesetzt  werden.  Während  für  Diphtherie  und  Tetanus 
allgemein  zugegeben  wird,  dass  die  Antikörper  antitoxisch  wirken,  d.  h. 
die  Bakteriengifte  unschädlich  machen,  sollen  bei  der  Choleraimmuni- 
sierung Antikör])er  mit  baktericiden,  antibakteriellen  Eigenschaften  die 
entscheidende  Rolle  spielen,  und  zwar  sollen  diese  nur  spezifisch  auf  die 
Gholeravibrionen  wirken.  PrEirrEus  S e r u m r e a k t i o n der  Cholera, 
um  deren  Tragweite  augenblicklich  eine  lebhafte  Debatte  geführt  wird, 
mag  als  Beispiel  für  diese,  auch  auf  andere  Krankheitserreger  (Typhus, 
Coli,  Streptokokken)  ausgedehnte  Forschungsrichtung  dienen.^ 

Die  Immunisierung  der  Meerschweinchen  beginnt  mit  toten  Cholera- 
kulturen, denen  in  angemessenen  Zeiträumen  immer  steigende  Dosen  leben- 
der, virulenter  Vibrionen  folgen,  die  in  die  Bauchhöhle  eingespritzt  werden. 
Endlich  erhält  man  Immunität,  ein  Serum,  das  zur  spez.  Reaktion  sich 
eignet.  Vermengt  man  vielleicht  30  mg  eines  solchen  Serums  mit  einer  sonst 
tötlichen  Menge  von  Choleravibrionen  und  spifitzt  in  die  Bauchhöhle  ein, 
so  sollen  die  Vibrionen  hier  unbeweglich  W'erden,  zu  Flocken  und  Klumpen 
sich  zusammenballen,  sogar  in  Körnchen  zerfallen,  kurz  durch  das  Serum 
vernichtet  werden.  Auch  ausserhalb  des  Tieres,  schon  im  hängenden 
Tropfen  lässt  sich  die  Erscheinung  beobachten : Zusammenballung  ( Agglu- 
tination), Stillstand  der  Bewegung  und  „körniger  Zerfidl“.  Andere  Vibrionen, 
gegen  die  nicht  immunisiert  wurde,  und  überhaupt  andere  Bakterien 
sollen  die  Reaktion  nicht  geben,  es  liegt  nach  Pfeiffer  eine  spez.  bak- 
tericide  Wirkung  des  Antikörpers  der  Cholera  vor,  die  für  eine  Differential- 
diagnose  der  oft  so  ähnlichen  Vibrionensorten  verwendbar  sein  soll.  Be- 
denken hat  diese  Reaktion  schon  vielfach  erweckt,  so  dass  ihre  Zuver- 
lässigkeit keineswegs  allgemein  anerkannt  ist.  Auch  die  Reindarstellung: 
des  vermeintlichen  Antikörpers  ist  ebensowenig  gelungen,  wie  die  der 
anderen  Antitoxine.  Da  ein  „seit  Monaten  in  starker  Fäulnis  begriftenes 
Serum  seinen  spez.  Wirkungswert  fast  ungeschwächt“  '^*‘)  behalten  liatte, 
so  müsste  der  Antikörper  von  einer  mineralischen  Beständigkeit  sein 
und  sehr  wesentlich  von  den  Antitoxinen,  überhaupt  den  organischen  Pro- 
dukten des  Tierkörpers  abweichen.  Da  auch  normales  verdünntes  ü'auben- 
blutserum  den  si)ezifisch  körnigen  Zerfall  echter  Choleravibrionen  giebt, 


159 


da  diese  ferner  im  Häiigetropfen  sich  schliesslich  von  der  lähmenden 


Wirkling  des  (hioleraseriims  und 
holen,  so  dürfte  wohl  einige  Vorsicht 


sogar 


vom  körnigen  Zerfall  wieder  er- 


am  I?latze  sein.  Die 


ganze 


Er- 


scheinnng  hat  eine  sehr  verdächtige  Aehnlichkeit  mit  der  Plasmolyse 
ip.  8),  die  hier  durch  die  Salze  des  Serums  und  der  Bouillon  hervorgerufen 


werden  könnte. 

Die  geschilderten  Erfahriingen  umfassen  freilich  nicht  alles,  aber 
doch  das  wichtigste  Material,  auf  dem  sich  eine  Theorie  der  Im- 
in nnität  anfzubauen  hat.  x\ls  Immunität  bezeichnet  man  seit  Alters 
her  die  Unempfänglichkeit  gegen  eine  Krankheit,  die  Widerstandskraft 
gegen  die  ein  verleibten  Krankheitserreger.  Nach  den  neueren  Er- 
lährnngen  würde  man  speziell  eine  Immunität  gegen  die  Bakterien  (das 
Virus)  und  eine  solche  gegen  ihr  Toxin  zu  iinterscheiden  haben,  virus- 
i m m ii  n und  t o x i n i m m n n E erner  hat  man  zu  unterscheiden  zwischen 
der  natürlichen  (angeborenen)  und  der  erworbenen  Immunität. 
Natürlich  imninii  sind  z.  B.  die  kaltblütigen  Tiere  gegen  die  Krankheiten 
der  V^armblüter,  unsere  Haustiere  gegen  die  Cholera,  der  Hund  gegen 
nicht  allzu  starke  Mengen  von  Milzbrandbazillen.  Freilich  kommen  in- 
dividuelle ScliAvankungen  genug  vor,  auch  beim  Menschen;  eine  persön- 
liche Immunität  unerklärlicher  Art,  die  zum  Teil  unter  den  Begriff  der 
Prädisposition  fällt,  scheint  zu  bestehen.  Auch  mit  dem  Alter  ändert 
sich  die  natürliche  Immnnität,  wie  die  Kinderkrankheiten  zeigen.  Ob 
diese  selbst  nicht  als  Immnnisierungskrankheiten,  die  den  jungen  Erden- 
bürger für  das  bakterienumgebene  Dasein  vorbereiten  und  festigen  sollen, 
anfznfassen  wären,  mag  nnerörtert  bleiben. 

Erwerben  lässt  sich  Immimität  nur  auf  pathologischem  Wege,  sei  es 
durch  Ueberstehen  der  natürlichen  Krankheit,  sei  es  durch  deren  künst- 
liche Hervorriifung  in  schwächerem  Maasse,  was  bei  jeder  Impfung  an- 
gestrebt wird.  So  geht  ja  auch  die  älteste  Schutzimpfung,  Jenners 
Pockenimpfung  (entdeckt  1796),  von  der  Erfahrung  aus,  dass  die 
Kiihpocken  (Vaccine)  geeignet  sind,  den  Menschen  unter  schwachen 
Krankheitserscheinungen  gegen  die  gefährlichen  Pocken  oder  Blattern 
(Variola)  immun  zu  machen.  Auch  heute  kennt  man  trotz  aller  Forschung 
die  Erreger  der  Kuhpocken  noch  nicht  und  ebensowenig  das  wirksame 
Etwas  der  zur  Impfung  benutzten  Lymphe. 

x4nch  von  der  Tollwut,  gegen  die  Pasteue  ^^-)  eine  Schutzimpfung 
mit  abgeschwächtem  Virus,  d.  h.  mit  vorbehandelten  Organstücken  wut- 
kranker  Tiere  ein  geführt  hat,  ist  der  Erreger  noch  nicht  bekannt.  Für 
diese  beiden  Impfungen,  die  den  Ausgangspunkt  für  die  ganze  Impf- 
forschiing  der  Jetztzeit  gebildet  haben,  vermag  man  einstweilen  keine 
thatsächlichen  Erklärungen  vorzubringen. 

Pasteur  wieder  war  es,  der  mit  abgeschwächten  Milzbrandbakterien 
(Karbolsäure  oder  höhere  Temperaturen  p.  27)  eine  Schutzimpfung 
einführte,  die  sich  in  Frankreich  sehr  vorteilhaft  bewährt  hat.  Wäh- 
rend früher  die  Sterblichkeit  am  Milzbrand  bei  Rindvieh  5%,  bei 
den  Schafen  10"  „ betrug,  ist  sie  seit  der  Einführung  der  Schutzimpfung 
auf  0,3  iin d 1 gesunken . ^ " =^)  Kochs  T u b e r k u 1 i n i m p f n n g,  ^ ^ 0 

deren  Wirksamkeit  sich  freilich  nicht  so  bewährt  hat,  wie  geschwätzige 
Indiskretion  und  unsaubere  Gewinnsucht  Anderer  zunächst  ausposaunten, 
wird  doch  ihre  fundamentale  Bedeutung  stets  behalten,  weil  hier  zuerst 
in  rationeller  Weise  die  Stoffwechselprodukte  der  Bakterien  allein  ver- 
Avendet  Avurden,  nicht  abgescliAvächte  Bakterien  Avie  bei  Pasteurs  Milz- 
brandimpfung , nicht  ein  unbekanntes  EtAvas  Avie  bei  der  Pocken- 


I 


160 


imi)fuiig.  Erst  auf  Kocns  Tuberkulinimpfuiig  und  den  zahllosen 
Erfahrnno-en,  die  sie  brachte,  konnte  sich  die  neue  Serumtherapie 
BiniuiN(is  anfbanen,  die,  wie  schon  gezeigt,  nur  durch  die  Einführung 
des  Giftes  die  serninliefernden  Tiere  immunisiert. 

Eine  Immnnitätstheorie,  die  nicht  allzuweit  in  das  fabelreiche  Land 
der  Hyi)othesen  sich  verliert,  sondern  wirklich  Hand  und  Kuss  hat,  ist 
zur  Zeit  noch  ganz  unmöglich.  Die  Alexine  und  Antitoxine,  denen  die 
namenfreudige  Forschung  der  letzten  Jahre  noch  andere  wie  Glabri- 
hcine,  Lysine  und  Antilysine  „zur  rechten  Zeit“  beigefügt  hat,  sind 
in  Wirklichkeit  ja  noch  ganz  unl)ekannt,  das  Neben-  und  Durcheinander- 
wii’ken  der  antibakteriellen  und  antitoxischen  Eigenschaften  der  Körper- 
säfte und  ihre  Beziehungen  zum  Krankheitsverlauf  und  zur  Immunität 
sind  exakt  noch  nicht  aufgehellt.  Auch  sind  die  AVirkungen  des  nor- 
malen Serums  nicht  immuner  Individuen  auf  die  Bakterien  nocli  nicht  so 
allseitig  und  zuverlässig  bekannt,  um  scharfe  Unterschiede  gegen  das 
Immunserum  immer  aufstellen  zu  können.  Die  grösste  Schwierigkeit 
bietet  aber  sicher  die  lange  Andauer  der  Immunität  nach  überstandener 
Krankheit. 


Anmerkungen. 


1.  (p.  1.)  Anton  v.  Leeuwenhoek,  Arcana  naturae  detecta.  Die  aus  dem 

Jahre  1683  stammende  Abbildung  ist  nach  einer  neuen  Auflage  der 
Arcana  von  1722  (II.  Bd.  p.  40)  wiedergegeben. 

2.  (p.  2.)  Robert  Koch,  Kreisphysikus  in  Wollstein,  Die  Aetiologie  der 

Milzbrandkrankheit,  begründet  auf  die  Entwicklungsgeschichte  des 
Bacillus  Authracis.  1876.  Beiträge  z.  Biol.  der  Pflanzen,  heraus- 
gegeben von  Ferdinand  Cohn,  II.  Bd. 

3.  (p.  2.)  Von  neuen  grösseren  Werken  sind  zu  nennen : Flügge,  Die  Mikro- 

organismen. 3.  Aufl.  1896,  Lehmann  u.  Neumann,  Atlas  und 
Grundriss  der  Bakteriologie  und  Lehrbuch  der  speziellen  bakterio- 
logischen Diagnostik,  München  1896,  ferner  für  Gärungsorganisraen : 
Laear,  Technische  Mykologie,  Jena  1897,  bis  jetzt  nur  der  erste 
Band  (Schizomyceten-Gärungen)  erschienen.  Anm.  126. 

Ausführliche  Referate  bringen;  BaüMGARTEN,  Jahresbericht  über 
die  Fortschritte  in  der  Lehre  von  den  pathogenen  Mikroorganismen, 
Koch,  Alered,  Jahresb.  über  die  Fortschritte  in  der  Lehre  von 
den  Gärungsorganismen,  ferner  Centralblatt  für  Bakteriologie, 
I.  Abt.  Medizinisch  hygienische  II.  Abt.,  allgemeine,  landwirtschaftl. 
technologische  Bakteriologie,  Gärungsphysiologie  und  Pflanzenpathologie. 

Als  Anleitung  zu  praktischen  Arbeiten  sind  dem  Anfänger  zu  em- 
pfehlen : Frankel,  Grundriss  der  Bakterienkunde,  4.  Aufl.,  GÜNTHER, 
Einführung  in  das  Studium  der  Bakteriologie.  Die  französische  Schule 
findet  man  bei  Mace,  Traite  pratique  de  Bacteriologie.  2.  Aufl.  1891. 

4.  (p.  2.)  LÖEELER,  Vorlesungen  über  die  geschichtliche  Entwicklung  der 

Lehre  von  den  Bakterien.  I.  Teil.  Bis  zum  Jahre  1878  (mehr  ist 
nicht  erschienen).  Leipzig  1887. 

5.  (p.  4.)  Zusammenfassende  Darstellungen  über  den  Bau  des  Bakterienkörpers 

und  neue  eigene  Beobachtungen  bei  BuTSCHLl,  Weitere  Ausführungen 
über  den  Bau  der  Cyanophyceen  u.  Bakterien,  Leipzig  1896,  und 
A.  Fischer,  Untersuchungen  über  den  Bau  der  Cyanophyceen  u. 
Bakterien,  Jena  1897. 

6.  (p.  12.)  Ueber  die  im  Text  angeführte  Einteilung  der  Farbstoffbakterien 

vergleiche  man  Beyerinck,  Die  Lebensgeschichte  einer  Pigment- 

A.  Fischer,  Vorlesungen  über  Bakterien.  11 


1 


bakterie,  Botanische  Zeit.  1891  ; ferner  8cilROi'n’K>H,  Ueber  einige 
durch  Bakterien  gebildete  Pigmente,  Colins  Beitr.  z.  Biol.  1.  Bd. 

7.  (p.  13.)  Näheres  über  die  Assimilationsthätigkeit  dieser  grünen  Bakterien, 

die  vielleicht  winzige  grüne  Algen,  Protococcaceen,  sein  könnten,  bei 
Engrlman,  Zur  Biologie  der  Schizomyceten,  Bot.  Zeit.  1882. 

8.  (p.  14.)  Eine  scharfsinnige  Betrachtung  hierüber  bietet  Naegelt,  lieber 

die  Bewegung  kleinster  Körperchen,  in  Untersuchungen  über  niedere 
Pilze  1882 , auch  Sitzungsb.  Münchener  Akad.,  inathem.  phys. 
Klasse.  1879. 

9.  (p.  14.)  Löfeler,  Centralbl.  für  Bakteriol.  VI  u.  VII.  Seit  Löfflers 

grundlegenden  Arbeiten  sind  die  Geissein  der  Bakterien  sehr  oft 
untersucht  worden ; einige  Angaben  über  allgemeine  Morphologie  und 
Physiologie  der  Geissein  bei  A.  FisCllER,  Untersuchungen  über  Bakt. 
Jahrb.  f.  wiss.  Bot.  XXVII.  1895. 

10.  (p.  14.)  Diese  jetzt  allgemein  gebräuchliche  Einteilung  stammt  von  Messea, 

Kivista  d’igiene  e sanitä  publica  1890.  1. 

11.  (p.  16.)  Beobachtungen  lebender  Bakterien  während  der  Teilung  sind  mit- 

geteilt bei  Brefeld,  Untersuchungen  über  Schimmelpilze  IV  (Bacillus 
sübtilis).  Bestimmung  der  Wachstumsgeschwindigkeit  des  Cholera- 
vibrio durch  die  Plattenmethode  bei  Büchner,  Lüngari)  u.  Biedlin, 
Ueber  die  Vermehrungsgeschwindigkeit  der  Bakterien,  Centralbl.  f. 
Bakt.  II.  Bd. 

12.  (p.  19.)  Die  Sporen  der  Bakterien  wurden  zwar  früher  schon  gelegentlich 

beschrieben,  ihre  Eigenschaften  aber  und  ihre  genauere  Entwicklung 
schilderte  zuerst  CoHN,  Untersuchungen  über  Bakterien  IV.  in  Beitr. 
z.  Biol.  d.  Pflanzen  II.  Bd.  1876.  Keimung  der  Sporen  wurde  beob- 
achtet vpn  Brefeld,  Anm.  11,  ferner  Prazmowski,  Untersuchungen 
über  die  Entwicklungsgeschichte  u.  Eermentwirkung  einiger  Bakterien- 
• arten,  Leipzig  1880,  ferner  Biol.  Centralbl.  IV,  1884  (Bac.  sübtilis 

u.  Bac.  Anthracis) ; die  neueste,  ältere  Angaben  bestätigende  und 
erweiternde  Arbeit  über  die  Bedingungen  der  Sporenbildung  lieferte 
Schreiber,  Centralbl.  f.  Bakt.  1,  Abt.  XX.  Bd.  1896. 

13.  (p.  22.)  Ueber  die  Charaktere  der  Arthrosporen  lese  man  DE  Bary  nach: 

Vergleichende  Morphologie  u.  Biologie  der  Pilze,  Mycetozoen  u. 
Bakterien,  Leipzig  1884,  p.  496,  506. 

14.  (p.  23.)  Näheres  über  die  lange  Zeit  sehr  umstrittene  Speciesfrage  z.  B. 

bei  Billroth,  Coccobacteria  septica,  Berlin  1874;  Naegeli,  Die 
niederen  Pilze  in  ihren  Beziehungen  zu  den  Infektionskrankheiten  und 
der  Gesundheitspflege,  München  1877 ; ZoPF,  Zur  Morphologie  der 
Spaltpflanzen,  Leipzig  1882  — diese  Arbeiten  im  pleomorphischen 
Sinne,  dagegen  CoHN,  Beitr.  z.  Biol.  der  Pfl.  I u.  II;  ferner  DE  Bary, 
Vergleichende  Morphol.  u.  Biologie  der  Pilze,  1884,  p.  511,  als  Ver- 
treter der  Ansicht,  dass  auch  die  Bakterien  in  gute  Gattungen  und 
Arten  zerfallen ; ferner  HÜPPE , Die  Formen  der  Bakterien , AVies- 
baden  1886. 

15.  (p.  23.)  BüsGEN,  Kulturversuche  mit  Cladothrix  dichotoma,  Ber.  d.  deutsch. 

bot.  Ges.  XII,  1894. 

16.  (p.  25.)  Involutionsformen  (nach  Naegeli,  Anm.  14)  findet  man  in  zahl- 

reichen Abhandlungen  beschrieben,  so  bei  BuCHNER  in  Naegeli,  Unter- 
suchungen über  niedere  Pilze;  ferner  Hüppe,  Formen  der  Bakterien; 
PjiAZMOWöKl,  Anm.  12;  ZoPF,  Die  Spaltpilze,  Breslau  1885,  3.  Aufl.; 


163 


über  die  sog.  verzweigten  Tid)erkell)azillen  z.  B.  Copl’KN  JoNKS, 
H.  Bruns  in  Centralbl.  f.  Bakt.  XVII.  Bd.  ; für  Diplitheriebazillen, 
Berniiuim  u.  Folgur,  ibid.  XX.  Bd. 

17.  (p.  27.)  Pasteur,  Chaimrerlanu  u.  Roux,  De  l’attenuation  des  virus  et 

de  leur  retour  a la  viruleuce,  Comptes  rendus  de  l’Acad,  Paris  1881, 
92.  Bd. ; ferner  ClTAMREmiANU,  Le  charbon  et  la  vaccination  cbarbon- 
neuse,  d’apres  des  recents  travaiix  de  M.  Pasteur,  Paris  1883  ; dann 
CiiAMREREANl)  et  Roux , Sur  ratteiiuatioii  de  la  virulence  de  la 
bacteridie  charbonneuse  sous  l’influence  des  antiseptiques.  Comptes 
rendus,  97.  Bd.  1883. 

18.  (p.  27.)  lieber  asporogenen  Milzbrand  und  seine  Eigenschaften:  Roux, 

Bacteridie  charbonneuse  asporogene,  Annales  de  l’Instit.  Pasteur  1890, 
IV.  Bd. ; Phisalix  in  Comptes  rendus  der  Pariser  Akad,  1892,  1 14.  Bd. 
p.  684,  115.  Bd.  p.  253. 

19.  (p.  29.)  Eine  sehr  gute  und  kritische,  morphologisch-physiologische  Dia- 

gnostik der  bisher  beschriebenen  Bakterien,  allerdings  mit  starker 
Bevorzugung  der  pathogenen  Arten  geben  Lehmann  u.  Xeumann  in 
dem  bereits  Anm.  3 citierten  Werke,  das  Jedem  auf  das  Wcärmste  zu 
empfehlen  ist. 

20.  (p.  30.)  Cohns  System  der  Bakterien  in  Beitr.  z.  Biologie  d.  Pfl.  II.  Bd. 

21.  (p.  31.)  Versuche  neuer  Systeme,  auch  mit  neuen  Gattungen,  sind  in  letzter 

Zeit  veröffentlicht  von  A.  FiSCHER,  Untersuchungen  über  Bakt.,  Jahrb. 
f.  wiss.  Bot.  XXVII.  Bd.  ; MiGULA  in  Die  natürlichen  Pflanzen- 
familien, herausgegeb.  von  Engler  u.  Prantl,  Lief.  129,  und  von 
Lehmann  u.  Neumann  (Anm.  3).  Das  im  Text  besprochene  System 
möchte  der  Verf.  weiterer  Beachtung  und  Prüfung  empfehlen. 

22.  (p.  38.)  Ueber  andere,  nicht  zu  den  Bakterien  gehörige  niedere  Organismen 

und  Pilze  mit  pathogenen  Eigenschaften  vergl.  die  3.  Aufl.  von 
Flügge,  Mikroorganismen  (Anm.  3).  II.  Bd.,  dort  auch  ausführliche 
Litteratur  und  Abbildungen. 

23.  (p.  44.)  Die  Methoden  zur  bakteriologischen  Untersuchung  von  Luft,  Wasser, 

Erde,  Nahrungsmitteln  und  Gebrauchsgegenständen  aller  Art  sind 
ausser  in  den  Anm.  3 citierten  Hilfsbüchern  auch  in  jedem  Lehr- 
und  Handbuch  der  Hygiene  beschrieben.  Damit  der  Anfänger  an 
einem  Beispiel  die  Art  der  Untersuchung  und  ihre  Resultate  kennen 
lerne,  sei  noch  auf  folgende  Arbeiten  hingewiesen : Hn^sSE,  Ueber 
quantitative  Bestimmung  der  in  der  Luft  enthaltenen  Keime,  Mitteilung, 
a.  d.  kaiserl.  Gesundheitsamte  II.  Bd.  1884;  MiQUEL,  Des  organismes 
vivant  de  Fatmosphere,  Paris  1883  ; Roux,  Precis  d’analyse  microbio- 
logique  des  eaux,  Paris  1892;  WoLEEHÜGEL,  Erfahrungen  über 
den  Keimgehalt  brauchbarer  Trink-  und  Nutzwässer,  Mitteil.  a.  d. 
Reichsgesundheitsamt  1886;  Löeeler,  Das  Wasser  u.  die  Mikro-: 
Organismen.  Handb.  f.  Hygiene,  I.  Bd.  2.  Abt.  1896- 

24.  (p.  47.)  Mit  der  Einführung  dieser  Unterscheidung  würde,  wie  auch  ihre 

Anwendung  in  diesen  Vorlesungen  wohl  zeigen  dürfte,  manche  lange 
Umschreibung  überflüssig  werden. 

25.  (p.  48.)  Eine  anziehende  Schilderung  des  langen  Kampfes  um  das  Ur- 

zeugungsproblem bringen  Löeelers  Vorlesungen  (Anm.  4),  ausführlich 
auch  Laear,  Technische  Mycologie ; PASTryURs  durchschlagende  Arbeit 
ist : Memoires  sur  les  corpuscules  qui  existent  dans  l’atmosphere, 
Examen  de  la  doctrine  des  generations  spontanees,  Annales  de  Chimie  et 

11* 


164 


Physique  1862.  3.  Serie  64.  Bd.  Auch  in  deutscher  Uebersetzung 
von  WiELi^R  in  OsTWALDs  Klassikern  der  exakten  Naturwissenschaften, 
Nr.  39,  Leipzig,  bei  Engelmann. 

26.  (p.  49.)  Zu  dieser  kühnen  Behauptung  versteigt  sich  Fermi,  Centralbl. 

für  Bakt.,  2.  Abt.,  II.  Bd.,  1896. 

27.  (p.  50.)  Nencki  und  Scheeeer  , lieber  die  chemische  Zusammensetzung 

der  Fäulnissbakterien,  in  Beiträgen  z.  Biol.  der  Spaltpilze,  herausgegeb. 
von  Nencki,  Leipzig  1880  (Sep.-Abdr.  aus  Journal  f.  praktische 
Chemie,  neue  Folge  XIX.  u.  XX.  Bd.),  ferner  Kat'PES,  Analyse  der 
Massenkulturen  einiger  Spaltpilze  und  der  Soorhefe,  Leipziger  Disser- 
tation. 1889.  Gramer,  Die  Zusammensetzung  der  Cholerabazillen. 
Archiv  f.  Hygiene  XXII,  1895. 

28.  (p.  51,  54,  55.)  Naegeli,  Ernährung  der  niederen  Pilze  durch  Kohlen- 

stoff- und  Stickstoffverbindungen,  Untersuchungen  über  niedere  Pilze, 
1882  (auch  Hitzungsber.  der  math.-phys.  Klasse  der  Münchener 
Akad.  d.  Wissensch.  1879),  man  vergleiche  besonders  auch  Beye- 
RINCK,  Over  lichtvoedsel  en  plastisch  voedsel  van  Lichtbakterien, 
Versl.  en  Mededel.  der  Amsterdamer  Akad.  d.  Wissensch.  Naturwiss. 
Abt.  2.  Serie.  VII.  Bd.  1890.  Hier  auch  die  Einteilung  in 
Pepton-,  Amid-  und  Ammonbakterien;  endlich  FränkEL,  Beiträge  z. 
Kenntnis  des  Bakterienwachstums  auf  eiweissfreien  Nährbörden, 
Hygienische  Rundschau  IV,  1894.  Die  Tabelle  auf  p.  53  nach 
eigenen  Versuchen. 

29.  (p.  55.)  Die  Gelatine  wurde  von  Robert  Koch  (Zur  Untersuchung  von 

pathogenen  Organismen,  Mitteilung  a.  d.  kaiserl.  Gesundheitsamte, 
I.  Bd.  1881)  eingeführt,  Agar  (Gallerte  von  roten  Meeresalgen, 
Gracilaria , Eucheuma)  soll  nach  HÜPPE  (Methoden  der  Bakterien- 
forschung, 5.  Aufl.  p.  250)  von  Frau  Hesse  zuerst  angewendet 
worden  sein. 

30.  (p.  56.)  Lehmann  und  Neumann,  I.  Bd.  p.  115  (vgl.  Anm.  3). 

31.  (p.  58.)  Pasteur,  Infusoires  vivant  sans  gaz  oxygene  libre,  Comptes 

rendus  der  Pariser  Akad.  52.  Bd.  p.  344  und  p.  1260.  1861 ; 

Pasteur,  Etudes  sur  la  biere,  Paris  1876,  Kapitel  VI;  Nencki  in 
den  Anmerk.  27  citierten  Beiträgen.  Die  Zahl  der  neuen  Arbeiten 
über  die  Anaerobiose  ist  unergründlich  gross.  AuchAnmerk.68,94,95,1 10. 

32.  (p.  59.)  Engelmann,  Neue  Methode  zur  Untersuchung  der  Sauerstoff- 

ausscheidung pflanzlicher  und  tierischer  Organismen,  Bot.  Zeit.,  1881, 
und  Ueber  Sauerstoffausscheidung  von  Pflanzenzellen  im  Mikro- 
spektrum, Bot.  Zeit.,  1882. 

33.  (p.  60.)  Cohn,  Ferdinand,  Ueber  thermogene  Bakterien,  Berichte  der 

deutsch,  bot.  Gesellsch.,  XI,  p.  (66),  1893. 

34.  (p.  61.)  Ueber  Leuchtbakterien  vergleiche  man  PelÜGER,  Ueber  die 

Phosphorescenz  verwesender  Organismen,  Archiv  f.  d.  gesamte  Physio- 
logie, XI,  1875;  Ludwig,  Die  bisherigen  Untersuchungen  über 
photogene  Bakterien,  Bakteriol.  Centralbl.  II,  1887  ; ferner  E Fischer, 
Zeitschr.  f.  Hygiene,  I.  u.  II.  Bd.,  1886,  87;  Beyerinck  , die 
Anm.  28  citierte  Arbeit  und  im  Archives  Neerlandalses  des  Sciences 
exactes  et  nat.,  XXIII.  Bd.,  1889,  E.  Fischimi,  Die  Bakterien  des 
Meeres,  Plankton-Expedition,  IV.  Bd.,  1894;  Kutscher,  Deutsche 
mediz.  Wochenschr.,  1893. 

35.  (p.  62.)  Nach  E.  Fischer,  Plankton-Expedit.,  IV.  Bd.,  1894. 


165  — 


36.  (p.  63.)  AViNCHiH AD8KY,  Ueber  Scliwefelbakterien,  Bot.  Zeit.,  1887;  Der- 

selbe , Beiträge  zur  Morphologie  und  Physiologie  der  Bakterien, 
Leipzig  1888. 

37.  (p.  66.)  EnCtELMANN,  Die  Purpurbakterien  und  ihre  Beziehungen  zum 

Liebte,  Bot.  Zeit.,  1888,  und  WiNoauADSKY  vorige  Anmerkung. 

38.  (p,  66.)  WinoCtRADSKY  , Ueber  Eisenbakterien,  Bot.  Zeit.,  1888;  Mo- 

LISCJI,  Die  Pflanze  in  ihren  Beziehungen  zum  Eisen,  Jena  1892,  p.  60. 

39  (p.  68.)  Eine  Versuchsreihe  über  Einfluss  des  Lichts  auf  Typhusbazillen 
veröffentlichte  Janowski,  Zur  Biologie  der  Typhusbazillen,  Centralbl. 
f.  Bakt.  VIII.  Bd.  1890 ; ferner  Buchnee,  ibid.  XI  u.  XII. 

40.  (p.  69.)  Nach  Büchner,  Centralbl.  f.  Bakt.  XI.  p.  782  soll  der  Einfluss 

des  Lichtes  gegenüber  den  hygienisch  in  Betracht  kommenden  Arten 
(Typhus , Cholera , Fäulniserreger)  bei  der  Selbstreinigung  von 
Flüssen  und  Seen  entscheidend  eingreifen.  Ja,  BuCHNER  schlägt  so- 
gar weiss  zementierte  Klärbecken  vor,  in  denen  durch  das  Sonnen- 
licht städtische  Abwässer  desinfiziert  werden  sollen,  bevor  sie  den 
Flüssen  zugeführt  werden.  Dann  müsste  es  aber  den  Bakterien  un- 
möglich gemacht  werden,  dass  sie  sich  in  den  Schatten  und  sei  es  auch 
nur  in  den  von  Rissen  und  Sehnlichen  des  weissen  Zementbewurfes, 
zurückziehen  können. 

41.  (p.  69).  Ueber  die  Wirkung  des  Lichtes  auf  Pilze  vergleiche  man: 

Klein,  L.,  Ueber  die  Ursachen  der  ausschliesslich  nächtlichen 
Sporenbildung  von  Botrytis  cinerea.  Bot.  Zeit.  1885.  Beeeeld, 
Bot.  Untersuchungen  über  Schimmelpilze.  3.  Heft  p.  87  (Coprinus), 
4.  Heft  p.  76  (Pilobolus). 

42.  (p.  69.)  Cohn  und  Mendelsohn,  Ueber  die  Einwirkung  des  elektrischen 

Stromes  auf  die  Vermehrung  der  Bakterien.  Beitr.  z.  Biol.  III. 
1883. 

43.  (p.  69.)  Möller,  Referate  im  Centralbl.  f.  Bakt.,  2.  Abt.,  I.  Bd.  p.  294 

und  753  u.  Original,  ibid.  III.  Bd.,  1897. 

44.  (p.  69.)  Man  vgl.  Verworn,  Psycho  - physiologische  Protistenstudien, 

Jena  1889. 

45.  (p.  69.)  WiTTLiN,  Centralbl.  f.  Bakterien,  2.  Abt.,  II.  Bd.,  1896,  p.  676. 

46.  (p.  70.)  Certes,  De  l’action  des  hautes  pressions  sur  les  phenomenes 

de  la  putrefaction  et  sur  la  vitalite  des  microorganismes  d’eau  douce 
et  d’eau  de  mer.  Comptes  rendus , Pariser  Akad.,  1884,  99.  Bd., 
p.  385  (Ref.  Bot.  Zeit.,  1885.) 

47.  (p.  70,72.)  Die  Litteratur  über  Temperatur  und  Bakterien  ist  ungeheuer- 

lich angeschwollen,  da  jede  Arbeit  beinahe,  in  der  neue  Formen  er- 
wähnt werden,  auch  die  Temperaturansprüche  schildert.  Die  Grundlage 
für  diese  Forschungen  legte,  selbst  fussend  auf  den  alten  Erfahrungen  der 
Urzeugungsforscher  und  der  Pflanzenphysiologie,  der  Botaniker  CoHN 
(Untersuchungen  über  Bakterien  IV,  in  Beitr.  z.  Biol.  II.  Bd.  1876), 
der  auch  die  Kochfestigkeit  der  Bakteriensporen  (Heubacillus)  ex- 
perimentell zum  ersten  Male  feststellte.  Durch  Robert  Koch 
wurden  die  pflanzenphysiologischen  Anschauungen  auch  in  die  medi- 
zinische Bakteriologie  eingeführt  (Beitr.  z.  Biol.  II.  Bd.). 

48.  (p.  71.)  Miquel,  P.,  Annuaires  de  Tobservatoire  de  Montsouris  1881  und 

Monographie  d’un  bacille  vivant  au  delä  de  70  centigrades  (Bac. 
thermophilus)  in  Annales  de  Micrographie,  I,  1888  (Ref.  Centralbl. 


16B 


f.  Bakt.,  5.  Bd.,  1889);  ferner  GLOBKr,  Zeitschr.  f.  Hygiene,  III.  Bd., 
1888,  RAmNowiTRCiT,  ibid.  XX.  Bd. 

49.  (p  72).  lieber  tiefste  künstliche  Temperaturen  und  ihre  Wirkung  auf  Or- 

ganismen aller  Art  vergleiche  man  die  Zusammenstellung  bei  Weltek, 
Die  tiefen  Temperaturen,  ihre  künstliche  Erzeugung  etc.,  Krefeld  1895. 

50.  (p.  74.)  Versuche  über  die  Austrocknungsfähigkeit  von  pathogenen  Bak- 

terien sind  unzählige  angestellt  worden;  die  Grundlage  bilden  auch 
hier  die  pflanzenphysiologischen  Untersuchungen  Cohn’s  in  den  Beitr. 
z.  Biol.  und  auch  Eidam,  Die  Einwirkung  verschiedener  Tempe- 
raturen und  des  Eintrocknens  auf  die  Entwicklung  von  Bacterium 
termo,  Beitr.  z.  Biol.  I.  Bd.  1875. 

51.  (p,  75.)  Stahl,  Zur  Biologie  der  Myxomyceten,  Bot.  Zeit.  1884  (p.  165 

Trophotropismus). 

52.  (p.  75.)  Peeeeer  , AV. , Lokomotorische  Hichtungsbewegungen  durch 

chemische  Heize,  Untersuchungen  aus  dem  bot.  Institut  Tübingen, 

1.  Bd.,  1884,  und  Ueber  chemotaktische  Bewegungen  von  Bakterien, 
Flagellaten  und  Volvocineen,  ibid.  II.  Bd.,  1888.  In  diesen  beiden 
grundlegenden  Arbeiten  findet  sich  auch  eine  genaue  Betrachtung 
über  das  WEBER’sche  Gesetz  und  die  Chemotaxis. 

53.  (p.  77,  135.)  Ueber  Chemotaxis  von  Leukocyten  vergleiche  man : Massart 

et  Bordet,  Hecherches  sur  Tirritabilite  des  leucocytes,  Societe  royal 
des  sc.  nat.  de  Bruxelles,  1890,  Gabritschewsky  in  Annales  de 
ITust.  Pasteur,  1890;  Büchner,  Berl.  klin.  Wochenschr.,  1890,  ferner 
die  Darstellune^  bei  Bieder,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Leukocytose, 
Leipzig  1892. 

54.  (p.  78,  79,  80.)  Ueber  die  chemische  Desinfektion  bringt  die  medizinische 

Litteratur  ein  überaus  reiches  Material ; eine  ausführliche  Behandlung 
findet  man  bei  Behrino  , Bekämpfung  der  Infektionskrankheiten, 
1894.  Grundlegend  war  die  Arbeit  von  B.  Koch,  Ueber  Des- 
infektion in  Mitteilungen  des  kaiserl.  Gesundheitsamtes  I.  Bd.  1881, 
ferner  sei  erwähnt  Geppert,  Die  AVirkung  des  Sublimates  auf  Milz- 
brandsporen, Deutsche  mediz.  Wochenschr.,  XVII.  Bd.  1890.  Yersin, 
De  l’action  de  quelques  antiseptiques  et  de  la  chaleur  sur  le  bacille 
de  la  tuberculose,  Annales  de  Tlnst.  Pasteur.  1888. 

55  (p.  80.)  Paul  und  Krönig,  Ueber  das  Verhalten  der  Bakterien  zu  che- 
mischen Beagentien , Zeitschr.  f.  physik.  Chemie,  XXI,  1896,  und 
Münchener  Mediz.  AVochensohr.  1897.  Ferner:  Die  chemischen  Grund- 
lagen der  Lehre  von  der  Giftwirkung  und  Desinfektion,  Zeitschr.  f. 
Hygiene  XXV.  1897.  In  diesen  Arbeiten  sind  zum  ersten  Male  in 
exakt-naturwissenschaftlicher  A¥eise  die  Beziehungen  zwischen  Giftig- 
keit einer  Lösung  und  ihrer  Dissociation  dargelegt. 

56.  (p.  82).  Ueber  die  neue  Theorie  (Dissociationstheorie)  der  Lösungen 

siehe  OsTWALD,  Grundriss  der  allgemeinen  Chemie,  2.  Auf!.,  und  ganz 
ausführlich  in  dessen  grossem  Lehrbuch  der  allgemeinen  Chemie, 

2.  Aufl. 

57.  (p.  83.)  Beferat  über  eine  russische  Arbeit  von  Kubloee  und  AVagner, 

Ueber  die  Einwirkung  des  menschlichen  Magensaftes  auf  krankheits- 
erregende Keime,  Centralbl.  f.  Bakt.,  7.  Bd.,  1890,  ferner  Ham- 
burger, Ueber  die  AVirkung  des  Magensaftes  auf  pathogene  Bakterien, 
Centralbl.  f.  klinische  Medic.,  1880. 

58.  p.  84.)  Cadeac  et  Bournay,  Bole  microbicide  des  sucs  digestifs  et  con- 


167 


tagioii  par  les  inatiöres  fecales  (La  province  medicale,  VIII,  1893, 
refer.  im  Centralbl.  f.  Bakt.,  16.  Bd.,  1894,  p.  672). 

59.  (p.  86,  88.)  HKLLHlECrKL  lind  WlLEAliTH,  Untersuchungen  über  die  Stick- 

stoffnahrung der  Gramineen  und  Leguminosen,  1888,  Beilageheft  zu 
der  Zeitschr.  d.  Vereins  f.  d.  Bübenzucker-Industrie  d.  D.  B. 

60.  (p.  86.)  Ueber  Anatomie  und  Entwicklung  der  Knöllchen  und  der  Bakte- 

roiden  sind  zu  vergleichen:  WoKONiN  , Ueber  die  bei  der  Schwarz- 
erle und  der  gewöhnlichen  Lupine  auftretenden  Wurzelanschwellungen, 
Memoires  de  l’Acad.  imp.  Petersburg,  7.  Serie,  X.  Bd. , 1866. 
BeverinCK,  Die  Bakterien  der  Papilionaceenknöllchen , Bot.  Zeit., 
1888,  auch  Centralbl.  f,  Bakt.,  XV.  Bd.,  1894.  Frank,  B.,  Ueber 
die  Pilzsyinbiose  der  Leguminosen,  Landwirthsch.  Jahrb.,  1890. 
Prazmoavski  , Landwirtsch.  Versuchsstation,  1890,  XXXVII  und 
XXXVIII.  Bd.  Gonnermann,  Die  Bakterien  in  den  Wurzel- 
knöllchen der  Leguminose,  Landwirthsch,  Jahrb.,  XXIII,  1894. 

61.  (p.  89.)  Beyerink,  Over  ophooping  van  atmospherische  stickstof  in 

culturen  von  Bacillus  radicicola,  Akad.  d.  Wissensch.,  Amsterdam 
1891  ; referiert  in  Koch’s  Jahresber.,  III.  Bd.,  p.  205,  Maze,  Fixa- 
tion de  Tazote  libre  par  le  bacille  des  nodosites  des  Legumineuses, 
Annales  Pasteur,  XI,  1897. 

62.  (p.  90.)  Nobbe,  Hiltner  und  Schmid,  Versuche  über  die  Biologie  der 

Knöllchenbakterien  der  Leguminosen , insbesondere  über  die  Frage 
der  Arteinheit  derselben,  Landwirtsch.  Versuchsst. , 45.  Bd.,  1895. 
Nobbe  und  Hiltner,  Ueber  die  Anpassungsfähigkeit  der  Knöllchen- 
bakterien ungleichen  Ursprungs  an  verschiedene  Leguminosen- 
gattungen, ibid.  47.  Bd.,  1896.  In  diesen  Arbeiten  findet  man  die 
experimentellen  Grundlagen  für  das  Nitragin. 

63.  (p.  92).  Wenn  die  von  Frank  herrührende  Behauptung,  dass  in  das 

Bakteroidengewebe  keine  Intercellularräume  sich  einschieben  und  daher 
der  freie  Stickstoff  nicht  hinzutreten  kann,  richtig  wäre,  dann  könnte 
doch  auch  der  Sauerstoff  der  Luft  nicht  in  diese  Teile  der  Wurzel- 
knöllchen gelangen  , sie  lebten  anaerob  ! Genaue  Betrachtung  eines 
jeden  Querschnitts  durch  Knöllchen  lehrt  das  Gegenteil,  was  ja  selbst- 
verständlich ist. 

64.  (p.  93.)  WiNOGRADSKY,  Sur  l’assimilation  de  l’azote  gazeux  de  l’atmo- 

sphere  par  les  microbes.  Comptes  rendus  der  Pariser  Akad.  1893, 
116.  Bd.,  p.  1385,  1894,  118.  Bd.,  p.  353,  und  eine  ausführliche 
Zusammenfassung  in  Archives  des  Sciences  biologiques,  3.  Bd.,  1895, 
St.  Petersburg  (Befer.  Bot.  Zeit.  1895). 

65.  (p.  94.)  Ueber  diese  Streitfrage  hat  die  Arbeit  von  KOSSOAVITSCH, 

Untersuchungen  über  die  Frage,  ob  die  Algen  freien  Stickstoff  assi- 
milieren, Bot.  Zeit.  1894,  einen  neuen  Aufschluss  gebracht.  Hier 
sind  auch  die  Versuche  von  Sci-ILOESING  und  Laurent  (Annales  de 
l’Institut  Pasteur,  1892)  kritisch  besprochen. 

66.  (p.  96.)  Wehmer,  Untersuchungen  über  die  Fäulnis  der  Früchte,  in  Bei- 

trägen zur  Kenntnis  einheimischer  Pilze.  2.  Heft.  Jena  1895. 

67.  (p.  97.)  Selmi  im  Sitzungsber.  d.  Akad.  zu  Bologna,  1872  u.  73,  ferner 

Alcaloidi  cadaverici , Bologna  1881.  Brieger  , Ueber  Ptomaine, 
Berlin  1885 — 86 , Untersuchungen  über  Bakteriengifte  in  Berliner 
klinische  Wochenschrift,  1890,  und  viele  andere  Aufsätze.  Man  ver- 
gleiche auch  Kobert,  Lehrbuch  der  Intoxikationen,  1893. 


168 


68.  (p.  97.)  HoPPPi-SEYLER , lieber  die  Einwirkung  von  Sauerstoff  auf  die 

Lebensthätigkeit  niederer  Organismen , Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie, 
1884,  VIII.  Bd.  NencIvI,  lieber  den  chemischen  Mechanismus  der 
Fäulnis,  Journal  f.  prakt.  Chemie,  XVII.  Bd.  BiENSTOCK,  lieber 
die  Bakterien  der  Faeces  , Zeitschr.  f.  klinische  Medicin , 8.  Bd. 
Herfeld,  Die  Bakterien  des  Stalldüngers  und  ihre  Wirkung,  Centralbl. 
f.  Bakt.,  2.  Abt.,  I.  Bd.,  1895. 

69.  (p.  98.)  WOLLNY",  Die  Zersetzung  der  organischen  Stoffe  und  die  Humus- 

bildungen mit  Rücksicht  auf  die  Bodenkultur.  Heidelberg  1897. 

70.  (p.  98.)  Morphologie  der  Fäulnisbakterien  behandeln  spezieller : CoHN, 

Beiträge  z.  Biol. , I.  Bd.,  1872;  Hauser,  lieber  Fäulnisbakterien 
und  deren  Beziehungen  zur  Septikämie,  Leipzig  1885;  BiENSTOCK 
(Anmerk.  68) ; Kuhn,  Morphol.  Beiträge  zur  Leichenfäulnis,  Archiv 
f.  Hygiene,  XIII.  Bd.,  1891.  lieber  saprogene  Eigenschaften,  be- 
sonders auch  über  Indolbildung  der  pathogenen  Bakterien  bringt  die 
medizinische  Litteratur  sehr  viele  Angaben,  die  auch  in  den  in  Anmerk.  3 
citierten  Werken  von  Flügge  und  Lehmann-Neumann  zusammen- 
gestellt sind. 

71.  (p.  100.)  Pasteur  et  JouBERT,  Sur  la  fermentation  de  Turine.  ^ Comptes 

rendus  der  Pariser  Akad.,  1876,  83.  Bd.  Miquel,  P.,  Etüde  sur 
la  fermentation  ammoniacale  et  sur  les  ferments  de  l’uree.  Annales 
de  micrographie  1889  — 1893,  Bd.  I — III,  V.  In  Miquel’s 
Arbeiten  sehr  ausführliche  Beschreibungen  über  Vorkommen,  Art  und 
Wirkungsweise  der  zahlreichen  Harnbakterien  (Gute  Ref.  in  Koch’s 
Jahresber.  I,  II,  IV). 

72.  (p.  101.)  Die  zahlreichen  Arbeiten  von  Warington,  Müntz  und  anderen 

über  die  Nitrifikation  haben  ja  zur  Klärung  des  Problemes  wesent- 
lich beigetragen,  aber  den  Kernpunkt  traf  doch  erst  WinOGRADSKY, 
Recherches  sur  les  organismes  de  la  nitrification , 1 — 5 memoire, 

1889 — 1891,  Annales  de  l’Institut  Pasteur  IV,  V,  und  Contri- 
butions  ä la  morphologie  des  organismes  de  la  nitrification, 
Archives  de  Sciences  biol.  publ.  par  l’Inst.  imper.  de  med.  exper.  ä 
St.  Petersbourg,  I,  1892,  endlich : Zur  Mikrobiologie  des  Nitrifikations- 
prozesses, Centralbl.  f.  Bakt.,  2.  Abt.,  II.,  1896.  In  jüngster  Zeit 
veröffentlichten  Stutzer  und  Hartleb  neue  Untersuchungen  über 
den  Salpeterpilz  (Centralbl.  f.  Bakt.,  2.  Abt.,  III,  1897),  die  wohl 
geeignet  sein  dürften , mykologisch  weniger  geschulte  Leser  irre- 
zuführen. Es  soll  aus  den  Bakterien  ein  Pilzmycel  und  eine 
ganze  Schaar  verschiedener  Fruchtformen  entstehen,  kurz  Stutzer 
und  Hartleb  versetzen  uns  wieder  in  die  glücklich  überwundene 
Zeit  des  tollsten  Pleomorphismus.  Die  Untersuchungen  der  Ge- 
nannten sind  ganz  ungenügend  und  lückenhaft , es  fehlt  jeder  exakte 
Beweis  für  die  absurden  Behauptungen,  die  nach  Brefeld’s  Arbeiten 
doch  nicht  mehr  auftauchen  sollten.  Die  echten  Salpeterbakterien 
sind  Bakterien  wie  alle  anderen  und  damit  mag  sich  der  Leser  be- 
ruhigen. 

73.  (p.  103.)  Godlewski,  Ueber  die  Nitrifikation  des  Ammoniaks  und  die 

Kohlenstoffquellen  bei  der  Ernährung  der  nitrificierenden  Fermente. 
(Polnisch.)  Referat  im  Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abt.  II.  p.  458. 

74.  (p.  103.)  Burri  u.  Stutzer,  Ueber  Nitrat  zerstörende  Bakterien  und  den 

durch  dieselben  bewirkten  Stickstoffverlust,  Centralbl.  f.  Bakt. 
2.  Abt.  I,  1895, 


169 


75.  (p.  103.)  Beyerinck,  lieber  Spirilluin  desulfuricans  als  Ursache  der 

Sulfatreduktion,  Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abt.  I.  1895. 

76.  (p.  105.)  V.  SoMMARUGA,  Ueber  Stolfwechselprodukte  von  Mikroorganismen 

III.  Zeitschr.  f.  Hygiene  XVIII.  Bd.  1894. 

77.  (p.  105.)  Die  neueste  Zusammenfassung  giebt  Laear,  Technische  Myko- 

logie; empfehlenswert  auch  DuCLAUX,  Chimie  biologique,  Paris  1883. 

78.  (p.  105.)  Pasteurs  bahnbrechende  Untersuchungen  über  die  Gärungs- 

organismeu  begannen  mit  der  Erforschung  des  Urzeugungsj)roblems 
und  sind  ausser  in  der  in  Anm.  25  citierten  Arbeit  noch  in  einer 
grossen  Zahl  anderer  niedergelegt.  Zu  denen  über  Anaerobiose 
(Anm.  31)  seien  noch  genannt:  Memoire  sur  la  fermentation  acetique 
(Annales  de  l’Ecole  normale  superieure  I,  1864)  Memoire  sur  la  fer- 
mentation appelee  lactique  (Annales  de  chimie  et  de  physique  3.  Serie 

52.  Bd.) ; zahlreiche  Angaben  über  Krankheiten  von  Wein  und  Bier 
• ^ ^ ^ 
in  der  Etüde  sur  le  vin  1866,  Etüde  sur  la  biere  1876.  Die 

gärungsphysiologischen  Arbeiten  Pasteurs  erfüllen  die  erste  Periode 

seines  glänzenden  Eorscherlebens , der  sich  als  ihrer  Grundlage  die 

zweite  Periode  mit  dem  Studium  der  pathogenen  Organismen  anschliesst. 

79.  (p.  105.)  Ueber  Enzyme  und  ihre  Bedeutung  für  die  Ernährung  der  Tiere 

und  Pflanzen  geben  alle  Lehrbücher  der  Physiologie  und  physiologischen 
Chemie  Auskunft  und  Litteratur.  Theoretisches  bei  E.  Fischer, 
Ueber  den  Einfluss  der  Konfiguration  auf  die  Wirkung  der  Enzyme 
I— III.  Ber.  deutsch,  ehern.  G.  XXVII— XXVIII.  Bd.  1894,  95. 

80.  (p.  107.)  Ueber  die  sog.  Aspergillushefe  siehe  Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abt.  I 

Wehmer  (p.  150,  565),  Wext  und  Prinsen  Geerligs  (p.  501); 
II  Wehmer  (p.  140). 

81.  (p.  107.)  Wehmer,  Beitr.  zur  Kenntnis  einheimischer  Pilze,  l.Heft,  1893. 

82.  (p.  108.)  Hansen,  Recherches  sur  les  bacteries  acetifiantes,  Annales  de 

Micrographie  1894,  auch  Travaux  du  laboratoire  de  Carlsberg  III.  Bd. 
(Meddelelser  fra  Carlsberg  Laboratoriet,  Kopenhagen) ; diese  Arbeit 
behandelt  vorwiegend  die  Morj)hologie  der  Essiggärung,  deren  chemischer 
Verlauf  schon  durch  Pasteurs  Arbeiten  und  die  viel  jährigen  Er- 
fahrungen der  Praxis  klar  war. 

83.  (p.  109.)  Nach  Laear,  Physiologische  Studien  über  Essiggärung  und 

Schnellessigfabrikation,  Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abt.  I.  1895. 

84.  (p.  110.)  Referat  in  Kochs  Jahresb.  III,  1892  p.  230  — 32  über  Arbeiten 

Franklands  und  verschiedener  Mitarbeiter. 

85.  (p.  111.)  Pasteur,  Comptes  rendus  Pariser  Akad.  1860,  51.  Bd.  p.  298 

(Traubensäure);  Lewkowitch,  Bericht  deutsch,  ehern.  Ges.  16.  Bd. 
(Mandelsäure)  ; Pere,  Sur  la  formation  des  acides  lactiques  isomeriques 
par  l’action  des  microbes  sur  les  substances  hydrocarbonees  (Annales 
Pasteur  VII.  Bd.  1893). 

86.  (p.  112,  113.)  Pasteur,  Anm.  78;  Huppe,  Untersuchungen  über  die 

Zersetzung  der  Milch  durch  Mikroorganismen,  Mitteilung  a.  d.  Reichs- 
gesundheitsamt II.  1884 ; Escherich,  Darmbakterien  des  Säuglings, 
Stuttgart  1886 ; ferner  Kramer,  Die  Bakteriologie  in  ihren  Be- 
ziehungen zur  Landwirtschaft,  2.  Teil,  Wien  1892 ; Duclaux,  Le 
lait,  Paris  1887.  Bakteriengehalt  von  Milch  und  Käse  z.  B.  bei 
V.  Freudenreich,  Ueber  den  Einfluss  der  beim  Nachwärmeii  des 
Käses  angewandten  Temperatur  auf  die  Bakterienzahl  in  der  Milch 


170 


und  im  Käse,  Landwirtscli.  Jalirb.  d.  Scliweiz  IX.  Bd.  (Ref.  Centralbl. 
f.  Bakt.  2.  Abt.  I.  Bd.  1895). 

87.  (p.  113.)  La]  Die  künstliche  Säuerung  des  Hefegutes  der  Brennereien, 

Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abt.  II.  1896. 

88.  (p.  113.)  FlijCiGK,  Die  Aufgaben  und  Leistungen  der  Milchsterilisierung 

gegenüber  den  Darinkrankheiten  der  Säuglinge,  Zeitschr.  f.  Hygiene 
XVII.  Bd.  1894. 

89.  (p.  113.)  Hi'TiiNr,  lieber  das  Verhalten  der  Krankheitserreger  der  Cholera, 

des  Unterleibstyphus  und  der  Tuberkulose  in  Milch,  Butter,  Molken 
und  Käse,  Mitteil.  Reichsgesundheitsamt  1889;  Obermüller,  Heber 
Tuberkelbazillenbefunde  in  der  Marktmilch,  Hygienische  Rundschau  1895. 

90.  (p.  114.)  CuNN , The  relation  of  pure  cultures  to  the  acid,  davor  and 

aroma  of  butter,  Centralbl.  f.  Bakt,  2.  Abt.  II.  1896 ; III.  1897. 

91.  (p.  114.)  Kramer,  Duclaux  in  Anm.  86;  ferner  im  Centralbl.  f.  Bakt, 

2.  Abt.  I.  Bd.  1895:  v.  Freudenreich,  Bakteriol.  Untersuchungen 
über  den  Reifungsprczess  des  Emmenthaler  Käses;  1.  c.  II.  Bd.  1896: 
V.  Klecki,  Heber  den  Reifungsprozess  des  Käses ; Einen  neuen 
Buttersäuregärungserreger  (Bac.  saccharobutyricus)  und  dessen  Be- 
ziehungen zur  Reifung  und  Lochung  des  Quargel käses  ; Weizmann, 
Heber  den  jetzigen  Stand  etc.  des  Käsereifungsprozesses  ; v.  Freuden- 
reich, Bemerkungen  dazu. 

91a.  (p.  115.)  V.  Freudenreich,  Bakteriol.  Untersuchungen  über  den  Kefir, 
Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abt.  III.  1897. 

92.  (p.  115.)  Vgl.  Anm.  87,  ferner  Laear  , Technische  Mykologie  I.  Bd. 

Zahlreiche  Arbeiten  Eeeronts  sind  ref.  in  A.  Kochs  Jahresbericht ; 
Rothenbach  , Die  Anwendung  spaltpilzfeindlicher  Agentieii  im 
Brennereibetriebe  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Kunsthefe- 
führung, Zeitschr.  f.  Spiritusindustrie  1896. 

93.  (p.  116.)  Näheres  bei  Laear,  Technische  Mykologie  I.  Bd.  p.  232. 

94.  (p.  116  ) Pasteur,  Anm.  31;  van  Tieghem,  Sur  le  Bacillus  amylobacter, 

Bullet,  soc.  botan.  XXIV.  1877  u.  Identite  du  Bacillus  amylobact. 
et  du  vibrion  butyrique  de  Pasteur.  Comptes  rendus,  Paris  1879, 
89.  Bd.;  Prazmowski,  Anm.  12;  Grimbert,  Fermentation  anaerobie 
produite  par  le  Bacillus  orthobutylicus  , ses  variations  sous  certaines 
infiuences  biologiques,  Annales  Pasteur  VII.  1893;  Beyerinck,  Heber 
die  Butylalkoholgärung  u.  das  Butylferment,  Verhandlungen  der  kgl. 
Akad.  Amsterdam,  2.  Sekt.  I.  1893  u.  Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abt. 
II.  p,  699 ; V.  Klecki,  Ein  neuer  Buttersäuregärungserreger  (Bac. 
saccharobutyricus)  ibid. ; Baier,  Heber  Buttersäuregärung,  zusammen- 
fassende Uebersicht,  ibid.  2.  Abt.  I.  1895. 

95.  (p.  118.)  VAN  Tieghem,  Sur  le  Bacillus  amylobacter  et  son  role  dans  la 

putrefaction  de  la  cellulose,  Comptes  rendus,  Paris,  88.  Bd.  1879; 
Hotig^-SeyIjER,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie  10.  Bd.  ; OmeliANSKI, 
Sur  la  fermentation  de  la  cellulose,  Comptes  rendus  1895. 

96.  (p.  118.)  Pasteur,  Etüde  sur  le  vin  1866;  van  Laer,  Note  sur  la 

fermentation  visqueuse,  Memoires  couronnes  der  belgischen  Akad. 
Brüssel,  43.  Bd.  1889  ; Kil\MER,  Studien  über  die  schleimige  Gärung, 
Sitzungsber.  Wiener  Akad.  d.  Wiss.  Natur-Cl.  1889;  Leichmann, 
Heber  eine  schleimige  Gärung  der  Milch,  Landwirtscli.  Versuchsstat. 
43.  Bd. 


171 


97.  (p.  119.)  AV’iNO(iitA])SKY,  Sur  le  rouisstige  du  liri  et  son  agent  microbien. 

Comptes  rendus,  Paris  1895. 

98.  (p.  119.)  Alvakkz,  Sur  un  nouveau  microbe,  determinent  la  ferinentation 

indigotique  et  la  production  de  Tindigo  bleu.  Comptes  rendus,  Paris. 

105.  Bd.  1887. 

99.  (p.  119.)  Behrens,  Die  Beziehungen  der  Mikroorganismen  zum  Tabakbau 

und  zur  Tabakfabrikation.  Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abt.  II.  1896. 

100.  (p.  119.)  VAN  Tieghem,  Leuconostoc  mesenteroides,  Annales  d.  sc.  nat. 

Botanique,  6.  Serie  VII.  Bd. ; Liesenberg  und  Zote,  lieber  den  sog. 
Froschlaichpilz,  Beitr.  zur  Physiol.  u.  Morphol.  niederer  Organismen, 
herausgegeben  von  Zopf,  1.  Bd.  1892  ; KoCH,  A.,  u.  HosaeüS,  lieber 
einen  neuen  Froschlaichpilz  der  Zuckerfabriken,  Centralbl.  f.  Bakt. 
XVI.  1894. 

101.  (p.  120.)  Lehmann,  lieber  die  Sauerteiggärung  und  die  Beziehungen 

des  Bac.  levans  zum  Bac.  coli,  CentralW.  f.  Bakt.  XV.  1894;  PuPOEE, 
Sur  un  bacille  anaerobie  de  la  ferinentation  pannaire,  Annales  Pasteur 
1890 ; Peters,  Die  Organismen  des  Sauerteiges  und  ihre  Bedeutung 
für  die  Brotgärung,  Bot.  Zeit.  1889. 

102.  (p.  121.)  Eine  interessante  Darstellung  der  Geschichte  der  Alkohoigärung, 

die  zum  grossen  Teil  auch  mit  der  Geschichte  des  Urzeugungsproblems 
zusammenfällt,  giebt  Mayer,  Adolf,  Lehrbuch  der  Gärungschemie, 

з.  Aufl.  Heidelberg  1879. 

103.  (p.  121.)  Reess,  Botanische  Untersuchungen  über  die  Alkoholgärungs- 

pilze 1870.  Ein  ungeahnter  Fortschritt  in  der  Morphologie  und 
Physiologie  der  Hefen  und  ihrer  technischen  Anwendung  und  Aus- 
nutzung wurde  hervorgerufen  durch  die  zahlreichen  Arbeiten  des 
dänischen  Forschers  Emil  Christian  Hansen,  veröffentlicht  in  den 
Meddelelser  fra  Carlsberg  Laboratoriet  in  Kopenhagen,  I — III.  Bd. 
1878 — 94  und  in  Untersuchungen  aus  der  Praxis  der  Gärungsindustrie 
Heft  I 3.  Aufl.  1895,  Heft  II  1892.  Nach  Hansens  Vorgänge,  der 
besonders  die  Bierhefen  erforschte,  haben  später  WoRTMANN,  Unter- 
suchungen über  reine  Hefen,  Landwirtsch.  Jahrb.  1892,  1894, 

Aderholh,  Müller-Thurgau  und  andere  auch  die  Weinhefen  be- 
arbeitet. 

104.  (p.  124.)  Hansen,  E.  Ch.,  Experimental  studies  on  the  Variation  of 

yeast'Cells,  Annals  of  Botany  IX.  1895. 

105.  (p.  124.)  Einen  Einblick  in  den  Umfang,  den  die  Mikrobiologie  in  der 

Technik  angenommen  hat,  giebt  Linhner,  Mikrobiologische  Betriebs- 
kontrolle in  dem  Gärungsgewerbe,  Berlin  1895;  über  Weinbereitung 
in  populärerer  Form  WoRTMANN,  Anwendung  und  Wirkung  reiner 
Hefen  in  der  Weinbereitung;  Berlin  1895, 

106.  (p.  125.)  Breeeld,  Botanische  Untersuchung  über  Hefepilze  V.  1883 

(Ustilagineen) ; Breeeld,  Landwirtsch.  Jahrb,  V.  1876  (Mucorhefe)  ; 
DE  Bary,  Vergleichende  Morphologie  und  Biologie  der  Pilze  1884 
p.  286  (Exoascus  und  Verwandtschaft  mit  Saccharomyces)  Klöcker 

и.  ScHlÖNlNG,  Experiment.  Unters,  über  die  vermeintliche  Umbildung 
verschiedener  Schimmelpilze  in  Saccharomyces , Centralbl.  f.  Bakt. 
2.  Abt.  II.  1896  u.  Que  savons-nous  de  Torigine  des  Saccharomyces 
Meddelelser  fra  Carlsb.  Labor.  4.  1896, 

107.  (p.  125.)  Ueber  das  Gärungsvermögen  und  die  verschiedenen  Enzyme 

der  Hefearten  und  ihrer  Rassen  vergleiche  Fischer,  E.,  u.  Lindner, 


172 


lieber  Enzyme  einiger  Hefen,  Woclienschr.  f.  Brauerei  1895;  ferner 
E.  Fihcher  in  Anm.  79;  Bkyekinck,  lieber  Nachweis  und  Ver- 
breitung der  Glukase,  das  Enzym  der  Maltose,  Centralbl.  f.  Bakt. 
2.  Abt.  I.  1895. 

108.  (p,  126.)  Claudon  u.  Morin,  Comptes  rendus,  Paris,  105.  Bd.  1887, 

ref.  im  Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Bd. 

109.  (p.  127.)  Wortmann,  Untersuchungen  über  den  Einfluss  des  Lüftens, 

sowie  den  der  dauernden  Gärthätigkeit  auf  den  Charakter  der  Hefe, 
Weinbau  u.  AVeinhandel  1895  Nr.  25 — 27. 

110.  (p.  127.)  Die  wichtigsten  Arbeiten  zur  Theorie  der  Gärung  sind  : Traube, 

Theorie  der  Fermentwirkungen,  Berlin  1858;  Pasteur,  Etüde  sur 
la  biere  1876.  Kapitel  VI:  Theorie  physiologique  de  la  Fermentation, 
zuerst  ausgesprochen  1861  Anm.  31  ; Naegeli,  Theorie  der  Gärung, 
München  1879.  Ueber  intramolekulare  Atmung  vgl.  man  die  Lehr- 
bücher der  Physiologie.  Die  Stofifwechseltheorie  hat  eine  sorgfältige 
Bearbeitung,  die  auch  alle  Einwände  der  anderen  Theorieen  berück- 
sichtigt, bis  jetzt  noch  nicht  gefunden , sie  ist  vielmehr  nur  der 
spekulationslose  Ausdruck  der  Thatsachen. 

111.  (p.  128.)  H.  Büchners  neueste  Mitteilung  (Die  Bedeutung  der  aktiven 

löslichen  Zellprodukte  für  den  Chemismus  der  Zelle,  Münch,  mediz. 
Wochenschr.  1897  Nr.  12),  dass  ein  zellfreier  Presssaft  aus  Hefe  den 
Zucker  in  Alkohol  und  Kohlensäure  zu  spalten  vermöge,  dass  also 
Gärung  ohne  lebende  Zellen  stattfinde,  ist  noch  zu  unvollkommen,  um 
die  bisherige  Auffassung  über  den  Haufen  werfen  zu  können.  So  fehlt 
in  dem  Bericht  jede  Gärungsanalyse,  die  man  doch  verlangen  kann, 
wenn  so  grosse  Umwälzungen  verkündet  werden,  wie  in  Büchners 
Vortrag.  Auch  in  den  beiden  Mitteilungen  Eu.  Büchners,  Alkoholische 
Gärung  ohne  Hefezellen,  Ber.  d.  deutsch,  ehern.  Ges.  1897  p.  117  u. 
p.  1110,  die  zwar  einige  Anläufe  zu  analytischen  Belegen  nehmen 
(das  Gas  wird  als  Kohlensäure,  in  zwei  Versuchen  auch  der  ent- 
standene Alkohol  bestimmt),  fehlen  doch  noch  überzeugende  Belege 
für  das  Dasein  und  die  Wirkungsweise  der  „Zymase“,  das  alkohol- 
bildende Enzym  der  Hefezellen. 

112.  (p.  100,  128.)  MiQUEL  Anm.  71  u.  Sur  le  ferment  soluble  de  Turee,  Comptes 

rendus,  Paris  1890.  111.  Bd.  Die  Urase  zersetzt  sich  bei  50*^  in 

3 — 4 Stunden,  bei  75®  in  einigen  Minuten,  bei  0®  hält  sie  sich  in 
Bouillon  wochenlang.  Ihr  Optimum  soll  50 — 55  ® sein.  Die  Urase, 
die  Urobacillus  Schüzenbergii  in  1 Liter  Peptonbouillon  in  5 Tagen 
bildet,  verwandelt  bei  47®  35  Gramm  HarnstofiF  in  kohlensaures 
Ammon. 

113.  (p.  132.)  Kornauth,  Ueber  das  Verhalten  pathogener  Bakterien  im 

lebenden  Pflanzengewebe,  Centralbl.  f.  Bakt.  XIX.  1896;  Kaspareck 
u.  Kornauth,  Ueber  die  Infektionsfähigkeit  der  Pflanzen  mit  Milz- 
brandböden, Archiv  f.  d.  gesamte  Physiol.  63.  Bd.  1896. 

114.  (p.  132.)  Frank  u.  KrÜGtEK,  Untersuchungen  über  den  Schorf  der  Kar- 

toffeln, Zeitschr.  f.  Spiritusindustrie  1896;  Bathay,  Ueber  das  Auf- 
treten von  Gummi  in  der  Bebe  und  über  die  „Gommose  bacillaire“, 
Jahresb.  u.  Programm  der  k.  k.  önologischen  u.  pomologischen  Lehr- 
anstalt Klosterneuburg,  Wien  1896  ; Mangin,  Sur  la  gommose  de  la 
vigne  und  Sur  la  pretendue  „Gommose  bacillaire“  Bevue  de  viticulture 
1895  (Bef.  im  Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abt.  II.  1896). 


173 


115.  (p.  132.)  Tischutkin,  Die  Rolle  der  Bakterien  bei  der  Veränderung 

der  Eiweissstoft’e  auf  den  Blättern  von  Pinguicula,  Ber.  d.  deutsch, 
bot.  Gres,  VII.  Bd. ; ScHERFFFJi,  Die  Drüsen  in  den  Höhlen  der 
Rhizomschuppen  von  Lathraea  Squamaria,  Mitteilung  des  bot.  Instit. 
Graz  I.  Bd.  u.  Bot.  Zeit.  1890. 

116.  (p.  132.)  Watson-Chfyne  and  CiiESHiRE,  The  pathogenic  history  under 

cultivation  of  a new  bacillus  (Bac.  alvei)  Journal  of  the^  royal  micr. 
society,  London  1885  (Faulbrut  der  Bienen);  Pasteur,  Etüde  sur  la 
maladie  des  vers  ä soie  Paris  1879  (Schlafsucht,  Placherie  der  Seiden- 
raupen) ; Sanarelli,  lieber  einen  neuen  Mikroorganismus  desWassers  etc. 
Centralbl.  f.  Bakt.  IX.  1891 ; Ernst,  Beiträge  z.  patholog.  Anat. 
V.  Ziegler,  VIII.  Bd.  p.  203. 

117.  (p.  133.)  Menge  u.  Krönig,  Bakteriologie  des  weiblichen  Genitalkanales. 

Leipzig  1897. 

118.  (p.  133.)  Miller,  Die  Mikroorganismen  der  Mundhöhle.  Die  örtlichen 

und  allgemeinen  Erkrankungen,  welche  durch  dieselben  hervorgerufen 
werden.  2.  Aufl.  Leipzig  1892 ; Miller,  Einleitung  zum  Studium 
der  Bakterio-Pathologie  der  Zahnpulpa,  Centralbl.  f.  Bakt.  XVI.  1894. 

119.  (p.  135.)  Gilbert  et  Dominici,  Recherches  sur  le  nombre  des  microbes 

du  tube  digestif.  (La  semain  medicale  1894,  Ref.  in  Baumgartens 
Jahresber.  X.  p.  608.) 

120.  (p.  135.)  Escherich,  Darmbakterien  des  Säuglings,  Stuttgart  1886; 

Kiessling,  Das  Bacterium  coli  commune,  zusammenfassende  Ueber- 
sicht.  Hygienische  Rundschau  1893;  vgl.  auch  Anm.  137. 

121.  (p.  135.)  Nuttall  und  Thierfelder,  Tierisches  Leben  ohne  Bakterien 

im  Verdauungskanal  I — II,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie  XXI.  u. 
XXII.  Bd. 

122.  (p.  135.)  Schild,  Bakterien  im  Darminhalt  Neugeborener,  Zeitschr.  f. 

Hygiene  XIX.  Bd. 

123.  (p.  136.)  Neisser,  lieber  die  Durchgängigkeit  der  Darmwand  für  Bak- 

terien, Zeitschr.  f.  Hygiene  XXII.  Bd. 

124.  (p.  136.)  lieber  die  interessante  Geschichte  der  Lehre  von  den  Infektions- 

krankheiten vgl.  Löffler,  Anm.  4.  Heber  den  Begriff  verbreitet 
sich  Behring,  Infektion  und  Desinfektion,  Leipzig  1894. 

125.  (p.  139.)  Watson  Cheyne,  Report  on  a study  of  the  conditions  of 

infection.  British  medical  Journal,  1886,  31.  Jahrg. 

126.  (p.  140.)  Jedes  Lehrbuch  der  einzelnen  medizinischen  Fächer  bringt  einen 

besonderen  Abriss  der  Bakteriologie  und  giebt  über  deren  Bedeutung 
für  das  besondere  Gebiet  genaue  Auskunft.  Deshalb  sei  nur  noch 
auf  Baumgarten,  Pathologische  Mycologie  1890,  Cornil  und  Babes, 
Les  bacteries,  3.  Aufl.  1893  verwiesen. 

127.  (p.  141.)  Rosenbach,  Mikroorganismen  bei  den  Wundinfektionskrank- 

heiten des  Menschen,  1884;  Garre,  Zur  Aetiologie  akut  eitriger 
Entzündungen  (Osteomyelitis,  Furunkel  und  Panaritium),  Fortschritte 
d.  Med.  1885  ; Passet,  Untersuchungen  über  die  Aetiologie  der  eitrigen 
Phlegmone  des  Menschen,  Berlin  1885;  LÜBBERT,  Biologische  Spalt- 
pilzuntersuchung, Würzburg  1886. 

128.  (p.  141.)  Rosenbach,  vorige  Anm. ; Fehleisen,  Aetiologie  des  Erysipeles, 

Berlin  1883;  Petruschky,  Die  verschiedenen  Erscheinungsformen  der 


174 


Streptokokkeiiinfektion  in  ihren  Beziehungen  zu  einander,  Zeitschr. 
f.  Hygiene  XVllI.  1894. 

129.  (p.  141.)  Neisseu,  A.,  lieber  den  Pilz  der  Gonorrhoe,  Centralbl.  f.  d. 

ges.  Med.  1879 ; Bumm,  Die  Mikroorganismen  der  gonorrhoischen 
Sclileiinliauterkrankung,  AViesbaden  1887 ; Wertheim,  Die  ascendirende 
Gonorrhoe  beim  AVeibe.  Bakteriologische  und  klinische  Studien  zur 
Biologie  des  Gonococcus  Neisser,  Archiv  f.  Gynäkologie  42,  Bd.  1892; 
Finger,  Ghon  und  Schlagenhaueer,  Beiträge  zur  Biologie  des 
Gonococcus  etc.,  Archiv  für  Dermatologie  XXVIII.  1894. 

130.  (p.  142.)  Frankel,  A.,  Bakteriologische  Mitteilung,  Zeitschr.  f.  klinische 

Med.  X.  1886  u,  AVeitere  Beiträge  zur  Lehre  von  der  genuinen 
fibrinösen  Pneumonie  ibid  XI.  1886  ; AVeichselbaum,  A.,  lieber  die 
Aetiologie  der  akuten  Lungen-  und  Pippenfellentzündungen,  AViener 
mediz.  Jahrb.  1886. 

131.  (p.  142.)  Koch,  Robert,  Die  Aetiologie  der  Milzbrandkrankheit,  be- 

gründet auf  die  Entwicklungsgeschichte  des  Bacillus  Anthracis  1876. 
Beiträge  z.  Biol.  der  Pflanzen  II.  Bd.  u.  Mitteilung  aus  dem  Reichs- 
gesundheitsamte I.  1881.  — Die  Milzbrandstäbchen  wurden  zuerst 
im  Blute  beobachtet  von  Rayer,  Memoire  de  la  societe  de  Biologie 
II.  Bd.,  Paris  1851  ; Pollender,  Mikroskopische  u.  chemische  Unter- 
suchung des  Milzbrandblutes,  Caspers  Yierteljahrsschr.  f.  gerichtl,  Med, 
VIII.  1855  ; Brauell,  Versuche  und  Untersuchungen,  betreffend  den 
Milzbrand  des  Menschen  u.  der  Tiere,  Virchows  Archiv  9.  Bd.  1857. 
Den  experimentellen  Nachweis  dafür,  dass  die  Stäbchen  die  Erreger 
der  Krankheit  sind,  erbrachte,  soweit  das  damals  ohne  Reinkultur 
möglich  war,  Davaine  durch  Impfung  mit  bakterienhaltigem  Blut : 
Recherches  sur  les  infusories  du  sang  dans  la  maladie  connue  sous  le 
nom  de  sang  de  rate,  Comptes  rendus  57.  Bd.  1863,  59.  Bd.  1864  etc. 
Man  vgl.  ferner  Anm.  17  u.  18. 

132.  (p.  143.)  NiCOLAIER.  Beiträge  zur  Aetiologie  des  AVundstarrkrampfes, 

Dissert.  Göttingen  1885  (auch  Deutsche  mediz.  AVochenschr.  1884); 
Kitasato,  Ueber  den  Tetanusbacillus,  Zeitschr.  f.  Hygiene  AHI.  1889  ; 
Kitt,  Ueber  Tetanusimpfungen  bei  Haustieren,  Centralbl.  f.  Bakt. 
VII.  Bd.  1890. 

133.  (p.  143.)  LÖEELER,  Untersuchungen  über  die  Bedeutung  der  Mikro-- 

Organismen  für  die  Entstehung  der  Diphtherie.  Mitteilung,  aus  d. 
Reichsgesundheitsamte  II.  Bd.  1884;  Roux  et  Yersin,  Contribution 
ä l’etude  de  la  diphtherie,  Annales  Pasteur  II.,  III.,  IV.  Bd.  1888 
bis  1890;  Escherich,  Aetiologie  u.  Pathogenese  der  epidemischen 
Diphtherie,  AV^ien  1894. 

134.  (p.  144.)  Koch,  R.,  Die  Aetiologie  der  Tuberkulose,  Mitteilung  a.  d. 

kaiserl.  Gesundheitsamte  II.  1884  ; NoCARD  et  Roux,  Sur  la  culture 
du  Bacille  de  la  tuberculose,  Annales  Pasteur  I.  1887;  Proskauer 
und  Beck,  Beiträge  zur  Ernährungsphysiologie  des  Tuberkelbacillus, 
Zeitschr.  f.  Hygiene  XVIII.  1894;  Ozablewski,  Die  Untersuchung 
des  Auswurfes  auf  Tuberkelbazillen,  Jena  1891,  ferner  Anm.  16. 

135.  (p.  145.)  Gärtner,  Ueber  die  Erblichkeit  der  Tuberkulose,  Zeitschr.  f. 

Hygiene  XIII.  1893. 

136.  (p.  145.)  Nacli  R.  Kochs  neuesten  Mitteilungen  (Ueber  neue  Tuberkulin- 

präparate, Sonderabdr.  aus  Deutsch,  med.  AVochenschr.  1897)  soll  die 
stärkere  Färbbarkeit  auf  dem  Gelialt  von  2 Fettsäuren  beruhen,  nach 


175 


I 


deren  Entfernung  mit  heisser  Natronlauge  die  Tuberkelbazillen  sich 
•nur  noch  so  färben  wie  andere  Bakterien.  Nach  meiner  Ansicht  ver- 
trägt sich  diese  Beobachtung  auch  vollkommen  mit  der  physikalischen 
Theorie  der  Färbung  (A.  F]SCHF;R,  Untersuchungen  über  den  Bau 
der  Cyanophyceeu  und  Bakt.  1897),  denn  heisse  Natronlauge  ver- 
mindert die  Dichtigkeit  des  Bazilleninhalts  und  seiner  Haut  doch 
zweifellos  und  setzt  so  die  Speicherungskraft  für  Farbstoffe  herab. 
Nur  hierdurch,  nicht  durch  die  Herauslosung  der  Fettsäuren,  die  bei 
der  Färbung  selbst  sicher  ganz  unbeteiligt  sind,  erklärt  sich  Kochs 
Beobachtung. 

137.  (p.  146.)  Gaitky,  Zur  Aetiologie  des  Abdominaltyphus,  Mitteil,  aus 

dem  Beichsgesundheitsamt  II.  1884;  EsCHElilCH  u.  KiESSLiNO, 
Anm.  120;  Eheeneest,  Studien  über  die  „Bacterium  coli  ähnlichen“ 
Mikroorganismen  normaler  menschlicher  Fäces,  Archiv  f.  Hygiene 
XXVI.  1896;  LörrLEE  u.  Aeel,  Ueber  die  spezifischen  Eigenschaften 
der  Schutzkörper  im  Blute  Typhus-  und  Coli-immuner  Tiere,  Centralbl. 
f.  Bakt.  19.  Bd.  1896. 

138.  (p.  147.)  LÖEFLEE,  Ueber  Epidemieen  unter  den  im  hygienischen  Institute 

zu  Greifswald  gehaltenen  Mäusen  und  über  die  Bekämpfung  der  Feld- 
mäuseplage, Centralbl.  f.  Bakt.  XI.  1892;  Koenauth,  Die  Bekämpfung 
der  Mäuseplage  mittels  des  Bacillus  typhi  murium,  ibid.  XVI.  1894, 
Berichtet  über  Versuche  von  36  Landwirten,  von  denen  30  einen 
guten,  teilweise  glänzenden  Erfolg  hatten. 

139.  (j).  147.)  Koch,  B.,  in  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  zur  Erforschung 

der  Cholera  im  J.  1883  nach  Egypten  und  Indien  entsandten  Kom- 
mission, Berlin  1887  bei  Springer.  VOOES,  Die  Cholera-Immunität, 
zusammenfassende  Uebersicht,  Centralbl.  f.  Bakt.,  XIX,  1896. 

140.  (p.  147.)  Pettenkoeee  , M.  v.,  Ueber  Cholera,  mit  Berücksichtigung 

der  jüngsten  Choleraepidemie  in  Hamburg.  Münchener  mediz.  Wochen- 
schrift, XXXIX,  1892. 

141.  (p.  148.)  Ueber  choleraähnliche  Vibrionen,  z.  B.  Finkeee  und  Peioe, 

Forschungen  über  Cholerabakterien,  Bonn  1884,  Gamaleia  , Vibrio 
Metschnikovi  et  ses  rapports  avec  le  microbe  de  cholera  asiatique, 
Annales  Pasteur,  II,  1888.  Heidee,  Vibrio  danubicus,  Centralbl. 
Bakt.,  XIV,  1893.  Günthee  , Vibrio  aquatilis , Deutsch,  mediz. 
Wochenschr.,  1892.  Dieudonee,  Zusammenfassende  Uebersicht  über 
die  in  den  letzten  zwei  Jahren  gefundenen  „choleraähnlichen“  Vi- 
brionen, Centralbl.  f.  Bakt.,  XVI,  1894. 

142.  (p.  151,154.)  Versuche  über  Gewinnung  des  D i ph  t h e r i e t o x i n e s bei 

Boux  und  Yeesin,  Annales  Pasteur,  II. — IV.,  1888 — 90.  Löfelee, 
Der  gegenwärtige  Stand  der  Frage  nach  der  Entstehung  der  Diph- 
therie, Deutsche  mediz.  AVochenschr.,  1890.  Beiegee  u.  C.  FeÄNKEL, 
Untersuchungen  über  Bakteriengifte,  Berliner  klinische  Wochenschr., 
1890.  Dzieegowski  und  Bekowski,  Becherches  sur  la  trans- 
formation  des  milieux  nutritifs  par  les  bacilles  de  la  diphtherie  et 
sur  la  composition  chimique  de  ces  microbes , Archives  de  scienc. 
biol.  publ.  par  l’Inst.  imp.  de  med.  experim.  Petersbourg,  I.  Bd., 
1892.  Kossel  , Zur  Kenntnis  des  Diphtheriegiftes,  Centralbl.  f. 
Bakt.,  XIX,  1896.  — Ueber  Tetanusgift:  Kitasato  , Experi- 
mentelle Untersuchungen  über  das  Tetanusgift,  Zeitschr.  f.  Hygiene, 
X,  1890.  Gumpeecht  , Versuche  über  die  physiologische  Wirkung 


176 


des  Tetanusgiftes  im  Organismus,  Archiv  f.  die  ges.  Physiol.,  59.  Bd., 
1894.  Bkie(iIER  und  Cohn,  Untersuchungen  über  das  Tetanusgift, 
Zeitschr.  f.  Hygiene,  XV,  1893.  Brieoer  und  BoER , Deutsche 
mediz.  AVochenschr.,  1896,  No.  49.  — Vergl,  auch  Anm.  143,  145, 
147,  152.  Zur  Zeit  arbeitet  man  fieberhaft  daran,  die  Toxine  aller 
pathogenen  Bakterien  zu  isolieren. 

143.  (p.  152.)  Koch,  K.,  Weitere  Mitteilungen  über  ein  Heilmittel  gegen 

Tuberkulose,  Deutsche  mediz.  Wochenschr.,  1890,  No.  46%  1891, 
No.  3;  Kühne,  Zeitschr.  f.  Biologie,  Neue  Folge,  11.  Bd.,  1893 
(Chemische  Untersuchung  des  Tuberkulins  von  1890);  Koch,  B., 
Ueber  neue  Tuberkulinpräparate,  Deutsche  mediz.  Wochenschr.,  1897, 
No.  14. 

144.  (p.  152.)  VAN  Tieghem  , Sur  le  ferment  butyrique  ä l’epoque  de  la 

.houille  (Steinkohlenperiode),  Comptes  rendus,  Paris  1880,  99.  Bd., 
und  Annales  d.  scienc.  nat.  Botan. , 6.  Öerie,  IX.,  1880,  ferner 
Kenault,  Becherches  sur  les  bacteriacees  fossiles,  ibid.  8.  Seriell.  1896. 

145.  (p.  153.)  Metschnikoee  , Ueber  die  Beziehungen  der  Phagocyten  zu 

Milzbrandbazillen,  ViRCHOW’s  Archiv,  97,  1884,  Theorie  des  Phaco- 
cytes,  Annales  Pasteur,  I,  1887,  und  zahllose  andere  Arbeiten 
Metschnikoee’s,  die  besonders  auch  der  heftigen  Polemik , die  über 
seine  Lehre  hereinbrach,  gewidmet  sind.  Hierzu  Flügge,  Studien 
über  die  Abschwächung  virulenter  Bakterien  und  die  erworbene  Im- 
munität, Bitter,  Kritische  Bemerkungen  zu  Metschnikoee’s  Phago- 
cytenlehre  ; NuTTALL,  Experimente  über  den  bakterienfeindlichen  Ein- 
fluss des  tierischen  Körpers,  Zeitschrift  f.  Hygiene,  IV,  1888;  Baum- 
GARTEN , Ueber  das  „Experimentum  crucis“  der  Phagocytenlehre, 
Ziegler’s  Beiträge  zur  pathol.  Anat.,  VII.,  1889.  — Metschni- 
koee, Immunität  in  Weyl’s  Handb.  d.  Hygiene,  IX.  Bd.,  1.  Lief.,  1897. 

146.  (p.  154.)  Büchner,  Ueber  die  bakterientötende  Wirkung  des  zellen- 

freien Blutserums,  Centralbl.  f.  Bakt..  V.  und  VI,  1889,  Ueber  die 
nähere  Natur  der  bakterientötenden  Substanz  im  Blutserum , ibid. 
VI,  Untersuchungen  über  die  bakterienfeindlichen  Wirkungen  des 
Blutes  und  Blutserums,  Archiv  f.  Hygiene,  X,  p.  84 — 173,  1890. 
FodOR  , Neue  Untersuchungen  über  die  bakterientötende  AVirkung 
des  Blutes  und  über  Immunisation,  Centralbl.  f.  Bakt.  VII,  1890.  Vergl. 
auch  Anmerkung  154 — 161  über  die  spezifischen  Serumreaktionen. 

147.  (p.  154.)  Bordet,  Sur  le  mode  d’action  des  serums  preventifs,  Annales 

Pasteur,  1896,  X.  Les  leucocytes  et  les  proprietes  actives  du 
serum  chez  les  vaccines,  ibid.  IX,  1895.  Boux , Sur  les  serums 
antitoxiques , ibid.  1894,  VIII.  Hahn,  Ueber  die  Beziehungen 
der  Leukocyten  zur  baktericiden  Wirkung  des  Blutes,  Archiv  f.  Hygiene, 
XXV.,  1895. 

148.  (p.  155.)  Ködert,  Lehrbuch  der  Intoxikationen,  1893,  p.  261,  554; 

Ehrlich,  P.,  Experimentelle  Untersuchungen  über  Immunität,  Deutsche 
mediz.  Wochenschr.,  1891,  No.  32  u.  44  (Versuche  mit  Abrin,  Gift 
des  Samen  von  Abrus  precatorius,  und  Bicin). 

149.  (p.  155.)  Behring,  Infektion  und  Desinfektion,  1894,  p.  172  etc.  und 

viele  andere  Schriften,  vgl.  auch  die  folgenden  Anmerkungen.  Ehr- 
lich, Kossel  und  Wassermann  , Ueber  Gewinnung  und  Verwen- 
dung des  Diphtherieheilseruras,  Deutsche  mediz.  Wochenschr.,  1894, 
No.  16  ; Ehrlich  und  AVassermann,  Zeitschr.  f.  Hygiene,  XVIII,  1894. 


177 


150.  (p.  155.)  Behring,  Die  Blutsenimtherapie.  I.  Die  praktischen  Ziele 

und  die  Immunisierungsmethoden  zura  Zweck  der  Gewinnung  von 
Heilserum ; II.  Das  Tetanusheilserum  und  seine  Anwendung  auf 
tetanuskranke  Menschen,  Leipzig  1892. 

151.  (p.  155.)  Roux  et  Martin,  Contrihution  ä Tetude  de  la  diphtherie, 

Annales  Pasteur,  VIII,  1894. 

152.  (p.  156.)  Behring,  Bekämpfung  der  Infektionskrankheiten,  Infektion 

und  Desinfektion,  1894,  p.  188,  und  an  vielen  andern  Stellen  wird 
die  spec.  anti  toxi  sehe  Wirkung  des  Serums  betont,  dem  anti- 
bakterielle fehlen. 

153.  (p.  156.)  Ehrlich  und  Wassermann,  lieber  die  Gewinnung  der 

Diphtherieantitoxine  aus  Blutserum  und  Milch  immunisierter  Tiere, 
Zeitschr.  f.  Hygiene,  XVIII,  1894. 

154.  (p.  156.)  Ehrlich  und  Hübener  , lieber  die  Vererbung  der  Im- 

munität bei  Tetanus,  Zeitschr.  für  Hygiene,  XVIII,  1894.  VaillarI), 
Sur  l’heredite  de  rimraunite  acquise,  Annales  Pasteur,  X,  1895. 

155.  (p.  156.)  Behring,  Infektion  und  Desinfektion,  p.  160,  und  Deutsche 

mediz.  Wochenschr.,  1893,  No.  48.  Wlalimiroee,  lieber  die  anti- 
toxinerzeugende und  immunisierende  Wirkung  des  Tetanusgiftes, 
Zeitschr.  f.  Hygiene,  XV,  1893. 

156.  (p.  157.)  Wäre  diese  Annahme  richtig,  dann  würde  sich  hieraus  auch 

die  allbekannte  Thatsache  erklären,  dass  erfolgreich  nur  die  frühesten 
Fälle  von  Diphtherie  durch  Serumbehandlung  sich  bekämpfen  lassen, 
dass  ebenso  das  neue  Tuberkulin  Koch’s  (Amn.  143)  bei  Meer- 
schweinchen nur  dann  wirkliche  Heilung  hervorbringt,  wenn  die  Be- 
handlung schon  ein  bis  zwei  Wochen  nach  der  Impfung  mit  Tuberkel- 
bazillen, denen  die  Meerschweinchen  gewöhnlich  nach  wenigen  Wochen 
erliegen , beginnt.  In  allen  diesen  Fällen  würde  das  Toxin  des 
Heilserums , resp.  des  Tuberkulins  eine  Giftgewöhnung  herbeiführen 
können,  bevor  der  Körper  von  den  Bakterienherden  aus  mit  frischem 
Gift  überschwemmt  wird. 

157.  (p.  157.)  Roux,  Sur  les  serums  antitoxiques  (Annales  Pasteur,  1894), 

hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  die  Antitoxine  im  allgemeinen  auf 
die  Körperzellen  wirken  und  sie  gegen  Toxine  unempfindlich  machen. 
Behring  (Infektion  und  Desinfektion)  neigt  dazu,  eine  Vernichtung 
der  Gifte  durch  die  Antitoxine  anzunehmen. 

158.  (p.  157.)  Behring  in  den  citierten  Schriften,  ferner  in  : Die  Geschichte 

der  Diphtherie , Leipzig  1893 , und  Gesammelte  Abhandlungen  zur 
ätiologischen  Therapie,  Leipzig  1893,  Ehrlich,  Die  staatliche  Kon- 
trolle des  Diphtherieheilserum,  Berl.  klin.  Wochenschr.,  1896. 

159.  (p.  158.)  Eine  Flut  von  Arbeiten  über  den  Wert  der  Serumtherapie 

ist  schon  erschienen ; es  sei  nur  genannt : Behring,  Die  Statistik 
der  Heilserumfrage,  Marburg  1895;  Hi:ubner  , Klinische  Studien 
über  die  Behandlung  der  Diphtherie  mit  dem  BEHRlNG’scheu  Heil- 
serum, Leipzig,  1895;  Escherich  , Diphtherie,  Croup  und  Serunv 
therapie,  1895;  Gottstein  und  Schleich,  Immunität,  Infektions- 
theorie und  Diphtherieserum,  Berlin  1894;  Ganghoener  , Die 
Serumbehandlung  der  Diphtherie,  Jena  1897. 

160.  (p.  158.)  Peeieeer,  Die  Differentialdiagnose  der  Vibrionen  der  Cholera 

asiatica  mit  Hilfe  der  Immunisierung,  Zeitschr.  f.  Hygiene,  XIX, 
1895;  Peeieeer,  Centralbl.  f.  Bakt.,  XIX,  1896,  p.  191,  385,  593, 

A.  Fi.sclier,  Vorlesimgen  über  Bakterien.  12 


178 


ibid.  XX,  1896,  p.  129;  Bordet,  Sur  le  mode  d’action  des  serunis 
preventifs,  Annales  Pasteur,  1896,  Dunear,  Zur  Differentialdiagnose 
der  Choleravibrionen,  Zeitschr.  f.  Hygiene,  XXI.  Bd. 

161.  (p.  158.)  Peeifeer  und  Proskauer,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  spezi- 

fisch wirksamen  Körper  im  Blutserum  von  choleraimmunen  Tieren, 
Centralbl.  f.  Bakt.,  XIX,  1896,  J).  197. 

162.  (p.  159.)  Pasteur,  Comptes  rendus,  1885,  26.  Oktob.,  und  viele 

andere  Arbeiten  über  diese  höchst  merkwürdige  Impfung , die  ge- 
wissermaassen  auch  eine  Serumtherapie  ist,  denn  in  den  verwendeten 
Organen  (Rückenmark  und  Q-ehirn)  der  wutkranken  Tiere  war  doch 
sowohl  das  Grift,  als  auch  das  von  vielen  verlangte  Antitoxin  ent- 
halten. Seine  Uebertragung  auf  den  Gebissenen  geschah  nur  durch  ein 
anderes  Vehikel,  als  das  Serum.  Der  geistvolle  Erfinder  bedurfte 
gar  keiner  Reinkulturen  des  überhaupt  ganz  unbekannten  Hunds- 
wuterregers. Das  giebt  Hoffnung,  auch  für  andere  Krankheiten  nach 
Pasteur’s  Art  vorzugehen. 

163.  (p.  159.)  Chamberland,  Resultats  pratiques  des  vaccination  contre 

le  charbon  et  le  rouget  en  France.  Annales  Pasteur,  VIII,  1894; 
auch  Anm.  17. 

164.  (p.  160.)  Gruber,  Münchener  mediz.  AVochenschr.,  1896,  nennt  Glabri- 

ficine  die  gänzlich  unbekannten  Stoffe  im  Serum  immunisierter  Tiere, 
die  die  Hüllen  der  Bakterienleiber  zum  Verquellen  bringen  sollen, 
die  Zusammenballung  der  Bakterien  hervorbringen.  Lysine  und 
Antilysine  führte  Krusse,  Flügge,  Mikroorgan.,  3.  Aufl. , I.  Bd., 
p.  409,  414  ein.  Von  allen  diesen  Stoffen  kennt  man  bis  jetzt  nur 
die  Namen. 


Register. 


Abschwäclmug  der  Virulenz  27,  155. 
Acliorion  Schoeiileinii  41. 

Ackerboden,  Bakterien  45,  92,  93,  94,  lOO, 
101. 

A.  E.  157,  158. 
aerob  58,  obligat-  58. 

Aetliylalkoliol,  Bildung  durch  Bakterien, 

110. 

— Hefen  121—127. 

Agar  55,  164. 

Agglutination  158. 

Aktiuoinykose  41. 

Alexine  154,  160. 

Algen,  blaugrüne  37. 

Alkohole,  einwertige,  Vergärung  108,  110. 

— mehrwertige,  Vergärung  110. 
Alkoholgärung  121 — 127. 

Allococcaceae  32. 

Amidobakterien  53. 

Ammonbakterien  53. 

Ammoniakstickstoff  86,  100. 

— Nitrifikation  101,  102. 

Amöben,  pathog.  39. 

Amylobacter  butyricus  116. 

Anaeroben  58. 

— fakultative  59. 

— obligate  59. 

— Theorie  127—129. 

— Vorkommen  59,  129. 

Analysen,  ehern,  von  Bakterien  50. 

— der  alkoholischen  Gärung  126. 

— anderer  Gärungen  110,  117. 
Anreicherungsmethode  bei  der  Wasser- 
untersuchung 45. 

Autilysine  160. 

Antisepsis  84. 

Antitoxine  154. 

— Wirkung  157. 

Antitoxineinheit  157. 

Arakhefen  107. 

Artbegriff  23,  29. 

Arthrosporen  22. 

Asepsis  84. 


Aspergillus,  pathogen  42. 

Hefen  107. 

asporogene  Bakterien  27. 

— Hefen  124. 

Atemluft,  Bakteriengehalt  44. 

Atmung  der  Bakterien  58. 

— der  Schwefelbakterien  65. 

— intramolekulare  127,  128. 

— prototrophe  63. 

Austrocknen,  Wirkung  auf  Bakterien  73,  74. 

Bacillaceae  32. 

Bacilleae,  Unterfamilie  33. 

Bacillus  31,  33,  siehe  auch  Bacterium. 

— aceti  109. 

— acidi  lactici  112. 

— acidificans  longissimus  113. 

— Anthi’acis  142,  siehe  auch  Milzbrand- 

bacillen. 

— brunneus  12. 

— coli  commune  146,  siehe  Kolonbac. 

— cyanogenus  114. 

— ethaceticus  110. 

— ethacetosuccinicus  110. 

— Fitzianus  110. 

— fluorescens  liquaefaciens  70,  99. 

— indigogenus  119. 

— Kützingiaims  109. 

— levans  171. 

— luminosus  61. 

— maximus  buccalis  133. 

— orthobutylicus  117. 

— Pasteurianus  109. 

— phosphorescens  70. 

— prodigiosus  12. 

— pyocyaueus  13,  30,  53. 

— radicicola  90. 

— subtilis  15,  20,  24,  53,  70. 

— thermophilus  70,  71. 

— tuberculosis  145,  siehe  Tuberkelbazillen. 

— typhi  146,  siehe  Typhusbazillen. 

— typhi  murium  147. 

— virens  13. 


12* 


180 


Bacillus  vulo-ai'is  1)8,  Oi),  100. 
hactericide  Eioenscliaftcii  des  Serums  153. 
Bacteriopurpuriu  00. 

Bacterioseu  der  rOinizeu  132. 

Baeteriuiu  31,  siehe  auch  Ihudllus. 

— aceti  100. 

— acidi  lactiei  112. 

— ■ pliosphoreseeus  01. 

— photometricum  00. 

— raiiicidum  132. 

— termo  98. 

— Zopfii  00. 

Bacteroideii,  Deutung-  87,  88. 
Bacteroideug-ewehe  87. 

Bactridium  33. 

— coli  140. 

— Proteus  99. 

— typhi  146. 

Bactrillum  33. 

Bacti’iuium  33. 

Beggiatoa  34,  63. 

Behriug’s  Serum  siehe  Heilserum. 
Bewegung’  14,  15. 

— abhäugig  vom  Sauerstoff  59. 
Beweguugsorgane  14. 

Bierhefe  123,  125. 
biologische  G-ruppeii  47. 
hllastomyceteu  121. 

Blutparasiten  40. 

Blutserum,  hactericide  Eigeusch.  153. 

— toxicide  154. 

Bodenbakterien,  Stickstoö’assiniil.  93,  94; 

45,  92,  100,  101. 

Bouquettstoff'e  124,  126. 

Brennereien,  Milchsäuregärung  115. 
Brotgärung  120. 

Brunnenwasser  45. 

Butter  und  Bakterien  114. 
Buttersäurebakterien  110,  117. 
Buttersäuregärung  116,  117,  114. 
Butylalkohol,  Bildung  117. 

Carbolsäure  79,  80,  81. 

Carbonsäuren,  Gärung  111. 

Carcinom  39. 

C'aries  der  Zähne  134. 

Cellulose,  Vorkommen  hei  Bakterien  9. 

— Vergärung  118. 

Centralkörper  der  Cyanophyceen  38. 
Chemikalien  zur  Desinfektion  81,  82,  83. 
chemische  Zusammensetzung  der  Bakt.  50. 
Chemotaxis  75,  76,  77,  92. 

— der  Ijeukocyten  153. 

('hloroplijueen  37. 

Cholera  147. 

— experimentelle  des  Menschen  147. 

( dioleravibrionen  147. 

— Arthrosporen  22. 

— Bau  7. 

— Geissei  15. 

— Kettenwuclis  24. 

— Kommaform  2,  3. 

— Nachweis  im  Wassei'  45,  147. 

— Pfeiffers  Serumreaktion  158. 

— Plasmolyse  8. 

— Sporen  21,  148. 


Cdioleravibrionen,  Stickstoffl)edarf  53. 

— Teilungsgescliwindigkeit  17. 

— Vegetationsruhe  74. 

— Wuchsform  24. 

CI  irom  atinkörner  7 . 

Cliromatiuin  13,  64,  66. 
chromogeu  12. 
chromopar  12. 

Chromophor  12. 

Cilien  14. 

Cdadothrix  dicliotoma  3,  23,  34. 
Clostridieae,  Unterfamilie  33. 

Clostridium  33,  20. 

— l)utyricum  117. 

— Pasteurianum  93. 

Coccaceae  32. 

Coccobacteria  septica  Billroth  28. 

Coccus  2. 

Contagium  136. 

— vivum  137. 

Corynebacterium  26. 

Crenothrix  34. 

Cyanophyceen  37. 

— Bau  u.  Verwandtschaft  mit  Bakt.  37,  38. 
Cytoryctes  variolae  40. 

Cytozoen  des  Frosches  40. 

Dampfsterilisation  72,  73. 

Darmbacterien  135. 

Dauerzustände  19,  73,  138. 
Deckglaspräparate  3,  6,  9. 

Degeneration  25 — 27. 

Denitrifikation  103. 

Desinfektion,  chemische  78-84. 

— natürliche  74,  83. 

— physikalische  68 — 74  (Licht,  Elektricität, 

Druck,  Temperatur,  Trockenheit). 
Desulfuration  103. 

Dextrangärung  119. 

Diastase  106. 

Differentialdiagnose  54,  56,  158. 
Diphtheriebazillen  26,  143. 

Diphtherietoxin  152,  155. 

Diplocoeeus  142. 

Disposition  138,  145. 

Dissociation  der  Lösungen  und  Giftigkeit 
82,  83. 

Drepanidium  ranae  40. 

Druck,  hoher,  Wirkung  auf  Bakterien  70. 

— osmotischer  5. 

Dünger  95,  96. 

Dulcit,  Vergärung  110. 

Einatmung,  Infektion  durch  145. 

Eis,  Bakteriengehalt  45. 

Eisenbakterien  11,  66. 

Eiterkokken  140. 

Ei  weisskörper  der  Bakterien  51. 
Elektrische  Ströme,  Wirkung  auf  Bakterien 
69. 

Endosporen  19. 

Engelmann,  Bakterienniethode  59. 
Entkalkung  der  Zähne  133,  134. 

Enzyme  105,  106,  128. 

— (ier  Alkoholhefen  126,  172. 

Erde,  Bakterien  45,  siehe  auch  Ackerboden. 


181 


Eniterückstände  100. 

Essig-bakterien  26,  109. 

Essig’fabrikation  109. 

Essiggärmig*  108,  109. 

Essig'mutter  109. 
eukarpiscli  36. 
eurytlierme  Bakterien  71. 

Exkremente,  Stickstoffverb.  95. 

Fadenbakterien  3,  30. 

Faeces,  Bakterien  135. 

Fäden,  Wiiclisform  3. 

Färbung-  der  Bakterien  6,  8. 

— patbog-.  Bakt.  137. 

— der  Sporen  21. 

Fäulnis,  aerob  97,  anaerob  98. 

— Alkaloide  97. 

— Bakterien  98 — 100. 

patliog-eiie  150. 

— Bediug-nugeu  96. 

— Definition  96. 

— Endprodukte  97,  129. 

— der  Früchte  96. 

— Produkte  96. 

— Verbreitung-  96. 

— Zwischenprodukte  97,  129. 

— und  Kreislauf  des  Stickstoffes  95,  96, 130. 
Farbstoffbakterien  12,  13,  59,  68,  114,  141. 
Farbstoffe  der  Bakterien  12,  13,  59,  66,  68. 
Fanlbrut  der  Bienen  132. 

Favus  41. 

Fermentnm  vivum  105,  106. 

Fette,  in  Bakterien  14. 

— Gärung  105. 

Fettsäuren,  Gärung  111. 

— Produkte  der  Fäulnis  97. 

— Produkte  der  Gärungen  108 — 130. 
Fixierung  der  Bakterienform  3. 

— des  Inhaltes  6. 

Flagellaten  38. 

— pathogene  39. 

Flechten,  Parasitismus  91. 

Flexilität  16. 

fluorescierende  Bakt.  12,  99. 

Formenkreis  der  Bakterien  23,  24. 
Flusssäure  verfahren  Effronts  116. 
fossile  Bakterien  162. 

Froschlaichpilz  10,  119. 

Futterbereitnng  116. 

Gärkraft  126. 

Gärung,  Analysen  110,  117,  126. 

— Bedingungen  105. 

— Begriff  105. 

— Formeln  106. 

— Theorie  127—130. 

— Verbreitung  105,  129. 
Gärungsbakterien,  Arten  und  Rassen  107. 

— pathog.  Eigenschaften  108,  143,  150. 

— saprogene  117,  143. 

Gallerte  der  Membran  9. 

— chemische  Natur  51,  118,  119. 
Galvanotropismus  69. 

Gartenerde,  siehe  Ackerboden. 

Gase,  Wirkung  auf  Bakterien  83. 
Gattungen,  biologische  29. 


Gattungen,  systematische  29—34. 

Geisselu  14. 

— Abwerfen  15. 

— Eiurollung  15. 

— Entwicklung  15,  18. 

— Starre  15. 

Gelatine  55. 

— Verflüssigung  56. 

Gifte  der  Bakterien  97. 

— zur  Tötung-  der  Bakterien  78. 
Giftfestigkeit  155,  156. 

— Art  der  Wirkung  auf  die  spec.  Bakt.  156. 

— spec.  156. 

Giftgewöhnung  154,  155. 
giftimmun  155. 

Giftwert,  kleiner,  grosser  79. 

— und  Dissociation  82,  83. 

Glabrificine  160. 

Glycerin,  Vergärung-  110. 

Glykoside,  Gärung  105. 

Gommose  bacillaire  132. 

Gonidien  11,  22,  23. 

Gonococcus  29,  141. 

Granulobacter.  29. 

— butylicus  117. 

— lactobutyricus  117. 

— saccharobutyricus  117. 
Granulosereaktion  13. 

Grösse  der  Bakterien  4. 

Gründüngung  86,  100. 
grüne  Bakterien  13. 

Haemamoeba  40. 

Haemosporidien  40. 

Halbparasiten,  Leguminosen  93. 
Halibacterium  29. 

Halogene,  Desinfektion  80,  81. 
Haplobakterien  3,  30,  32. 

Haplobacteriuae,  Ordnung-  32. 
Haplomyceten  42. 

Harn,  faulige  Gärung  100. 

Enzym^  128,  172. 

— Stickstoffverbindungen  95. 
Harnbakterien  100. 

Haut  der  Bakterienzelle  9. 

— des  Menschen  und  Bakt.  133,  138. 

Hefe  106,  121—127. 

Heferassen  107. 

Hefezelle,  Bau  123. 

Heilserum  155. 

— Dosierung  157,  158. 

— Eigenschaften  156. 

— Herstellung  155. 

— Theoretisches  154,  155,  156,  157. 
Hemmungswert  von  Chemikalien  79. 
Herpes  tonsurans  41. 

Heubacillus  15,  17,  20,  24. 

Hitze,  trockene,  zum  Sterilisieren  72. 
holokarpisch  36. 

Homococcaceae  32. 

Hülle  9. 

Hundswut  149,  159. 

Hydrolytische  VTrkuiig  der  Euzymel06,l  28. 
I.  E.  158. 

Immunisierung  durch  Gifte  155,  156. 


182 


TmmunisieruiiG:  flurcli  abg^eschwächte  Bakt. 
155. 

Immimisierung'seiiilieit  158. 
Immuiiisieruiigswert  15ß. 

Immunität  159. 

— aktive  155. 

— bakterielle  156,  158. 

— erworbene  159. 

— experimentelle  gegen  Tetanus  155. 
g’eg'en  Diphtherie  155. 

— künstliche  159. 

— natürliche  159. 

— pathologische  159. 

— passive  156. 

— persönliche  159. 

— toxische  156. 

Impfung  159. 

Indigogärung  119. 

Indolbildung  97,  99,  147. 
Infektionskrankheiten  136. 
Infektionsquellen  137,  138. 
Infektionsschlauch  der  Wurzelkiiöllchen  92. 
Inkubationszeit  150. 

Insektenfressende  Pflanzen  132. 
intramolekulare  Atmung  127. 
luvasionsstellen  138. 

Invertin  106,  126. 

Involution  25,  26. 

Jodfärbung  der  Bakterien  13. 

Jodococcus  29. 

Jodtrichlorid  z.  Abschwächung  27,  155. 
Isolierungsmethodik  45,  55,  137. 

Kälte,  Wirkung  auf  Bakterien  72. 

Käse  114,  115. 

Kahmhaut  3. 

Kahmpilz  109. 

Kapseln  10. 

Kefir  115. 

Keimfähigkeit  der  Sporen  21,  123. 
Keimung  der  Sporen,  Bakterien  21,  22. 

— Hefen  123. 

Kern  in  Bakterien  7. 

Kernfarbstoffe  7. 

Ketten  3. 

Keuchhusten  149. 

Knöllchenbakterien  89,  92,  93. 
Körperoberfläche,  Bakterienflora  der  — 133. 
Kohlehydrate,  alkoholische  Gärung  125, 126. 

— Bakteriengärungen  112  — 120. 

— der  Bakterien  51,  118,  119. 
Kohlensäure,  Assimilation  durch  Pflanzen 

59,  104. 

— durch  Purpurbakterien  66. 

— durch  Salpeterbakterien  102. 

— durch  Schwefelbakterien  65. 

— Kreislauf  104. 

Kohlenstoffquellen  für  Bakterien  52,  53,  55. 

— für  andere  Organismen  104. 
Kolonbazillen  53,  54,  135,  146. 
Koloniebildung  4. 

Kommabazillen  3,  147. 

Koth,  Stickstoffverb.  95. 

Krankheiten  des  Menschen  39 — 42, 131 — 160. 

— der  Nahrungsmittel  116,  118. 

— der  Pflanzen  131,  132. 


Krebs  39. 

Kreislauf  der  Kohlensäure  104—130. 

— der  Schwefelsäure  66. 

— des  Stickstoffes  85 — 103. 

Kuhpocken,  Organismen  40. 
Kulturmerkmale  55 — 57. 

liabfermentbakterien  114. 
Laboratoriumsmassen  29. 

Lamprocystis  64. 

Lathraea  132. 

Laverania  40. 

Lebensdauer  der  trockenen  Bakterienzellen 
73,  74,  134. 

Sporen  73. 

Lebensweise  der  Bakterien  46. 
Leguminosen  86, 

Lepra  146. 

Leptomitus  41. 

Leptothrix  (Kollektivname)  3. 

— buccalis  133. 

— innominata  133. 

— ochracea  67, 

Leuchtbakterien  61. 

— Temperaturansprüche  70. 

Leuconostoc  10,  119. 

Leukocyten  153. 

— Chemotaxis  77,  153. 

Licht,  Einfluss  auf  Bakterien  68,  69. 

— Entwicklung  durch  Bakterien  61. 
Lipochrome  13. 

Lösungsdruck  5. 

Lokomotion  der  Bakterien  14. 
lophotrich  14. 

Luciferin  61. 

Luft,  Bakteriengehalt  44. 
Lungenentzündung  142. 
Lungenschwindsucht  145. 

Lysine  160. 

mäusetyphus  147, 

Magen,  Bakterien  134. 

Magensaft,  desinficirende  Eigenschaft  83,  84. 
Malaria-Parasiten  40. 

Mannit,  Bildung  118, 

— Vergärung  110. 

Masern  149. 

Meer,  Bakteriengehalt  62. 

Meeresleuchten  61. 

Membran  der  Bakterienzelle  8,  9. 
Merkmale,  physiolog.  29. 

— morpholog.  30. 

Metallsalze  zur  Desinfektion  80,  81. 
metatrophe  Bakterien  47. 

Methangärung  118,  135. 

Miasma  136. 

Micrococcus  32. 

— agilis  14. 

— Gonorrhoeae  141. 

— pyogenes  141. 

— prodigiosus  12. 

— tetragenus  18. 

— ureae  100. 

Mikroben  35. 

Mikroorganismen  35. 

Milch,  Bakteriengehalt  113. 


183 


Milch,  Kraiikheiten  der  114. 

— imiiiimisierter  Tiere  156. 

— Sterilisierung-  113. 
Milchkotbakterien  135. 
Milchsänrebakterien  112,  133,  135. 
Milchsäureg-ärimg-  112 — 116,  133. 
Milzbrand  142. 

Milzbrandbazillen  142. 

— x^bschwächnng-  27. 

— asporog-en  27. 

— Bewegung-  14. 

— Druck  71). 

— Gattung-  31,  33. 

— Hemmung  durch  Chemikalien  79. 

— Inhalt  7. 

— Kapseln  10. 

— Kettenwuchs  3. 

— Metatrophie  47. 

— MUch  113. 

— Schutzimpfung-  159. 

— Sporenbildung-  19. 

— Sporenkeimung  21,  22. 

— Stickstoffbedarf  53. 

— Temperatur,  Kardinalpunkte  70. 

— Tötung  durch  Temperatur  72,  73. 
durch  Chemikalien  80 — 83. 

— Trockenheit  73. 

Minimaldosis,  tödtliche  155. 

Mist,  Zersetzung  96,  118. 
Molekularbewegung  14. 

Monilia  candida  39^. 
monotrich  14. 
monotrophe  Bakterien  28. 

Mucor,  pathogene  42. 

Mucorhefe  125. 

Mundbakterien  133. 

— nach  Leeuwenhoek  1. 

Mycelium  der  Pilze  36. 
Mycobacterium  26,  145. 

— tuberculosis  145. 

Mycoderma  109. 

My coprotem  51. 


Jiährböden,  feste  55. 

Nährlösungen  52,  53,  55. 

Nährstoffe  der  Bakterien  51. 

— kohlenstoffhaltige  54,  55. 

— mineralische  51. 

— stickstoffhaltige  52,  53. 

— der  Hefen  125^. 

Nahrungsaufnahme  9. 

Nebenprodukte  bei  Gärung  und  Fäulnis  129. 
Nitragin  90. 

Nitratbakterien  101,  102. 

Nitratbildung  101. 

Nitratreduktion  durch  Bakterien  103. 
Nitrifikation  100,  101. 

Nitritbakterien  101,  102. 

Nitritbildung  101. 

Nitrobacter.  29,  102. 

Nitrobakterien  53. 

Nitrococcus  29,  102. 

Nitrosomonas  29,  102. 
Normalantitoxineinheit  157. 
Normalgiftlösung  der  Diphtherie  157. 


Normalserum  158. 

Nukleine  in  Bakterien  51. 

Oedem,  malignes  143. 

Oospora  41. 

optische  Spaltungen  111. 

Oscilhition  16. 
osmotischer  Druck  5. 

— in  Bakterien  9. 

Oxydationsgärungen  108. 

Ozon,  Desinfektion  83. 

parachroniatophor  13. 

Parasiten  46. 

— fakultative  47. 
paratrophe  Bakt.  47. 

Pasteurisiren  72. 

pathogene  Bakterien , Ausbreitnng  im 
Körper  139. 

— Gifte  151,  152. 

— Isolierung  137,  138. 

— in  der  Milch  113. 

— Nachweis  in  Geweben  etc.  137,  1,38. 

— Vorkommen  in  der  Natur  47,  54,  138. 

— Wirkungsweise  150,  151. 

Pediococcus  18,  32. 

— tetragenus  18. 

Pektinstoffe,  Vergärung-  119. 
Peptonbakterien  53. 
peritrich  14. 

Permeabilität  des  Protoplasmas  9. 

— der  Sporenhaut  21,  73,  81. 

— der  Zellhaut  9. 

Pfeiffers  Serumreaktion  158. 
Pflanzenkrankheiten  durch  Bakt.  131,  132. 
Phagocytose  153. 

Phagocyten  153. 

Phosphorescenz  61. 

Photobacterium  29,  61. 
photogen  29. 

Phototaxis  der  Purpurbakterien  66. 
Pigmentbakterien  19,  s.  auch  Farbstoff  etc. 
Pilze,  Verwandtschaft  mit  Bakterien  35,  36. 
Planococcus  32. 

Planosarcina  32. 

Plasmodium  Malariae  40. 

Plasmolyse  der  Bakterien  8. 

— der  Pflanzenzelle  5. 

Plattenkultur  56. 

Plectridieae,  Unterfamilie  33. 

Plectridium  20,  32,  117,  119. 

— paludosum  20,  108. 

— tetani  143. 

Pleogenie  23,  28. 

Pleomorphie  23. 

Pneumococcus  142. 

Pockenimpfung  159. 

Polkörner  9. 

Polysaccharide,  Vergärung-  126. 

Polytoma  uvella  38. 
polytrophe  Bakterien  28. 

Prädisposition  138,  145. 

Präparate,  mikroskopische  3,  6,  9,  137. 
Proteus,  Gattung  29,  98,  99. 

— vulgaris  99. 

Protisten  35. 


184 


rrotoi)lasiiia  der  Bakterien  (i — 8,  51. 
l)r()totroplie  Bakterien  47. 

Pseudoinonas  81. 
rtoniaine  t)7,  151. 
rnri)ni’l)akterien  (54,  6(5. 

Pyämie  139,  141. 
pyogene  Bakterien  140. 

Ctueeksilbersalse,  Giftigkeit  und  Dissocia- 
tion  81,  82. 

Raseneisenstein  67. 

Kassen,  der  Alkoliulliefen  123. 

— der  Gärnngserreger  107. 

— der  Knöllclienbakterien  90. 

— der  pathogenen  Bakterien  140. 
Rausclibrand  143. 

Reaktion,  clieniische  der  Näbrsubstate  54. 
Reduktionen  durch  Bakt.  bei  Gärung  128. 

— der  Nitrate  103. 

— der  Sulfate  103. 

Rhizobium  Leguminosarum  90. 

Rhizopus  Oryzae  107. 

Riciugewühnung  155. 

Rinderpest  149. 

Röntgen’sche  Strahlen,  Wirkung  auf  Bak- 
terien 69. 

Röste  des  Flachses  etc.  119. 

Rotlauf  149. 

Rotz  149. 

Rückfalltyphus  149. 

Saccharomyces  albicans  39. 

— cerevisiae  123,  125. 

— ellipsoidens  122,  123,  125. 

— glutinis  123. 

— Ludwigii  122. 

— Pasteurianus  122,  123. 

Saccharomyceten  121,  125. 

— pathogene  39. 

Säuglingsdarm  135. 

Säuren,  zur  Desinfektion  79—81. 
Salpeterbakterien  101—103,  168. 
Salpeterlager  Chiles  101. 

Salpeterplantagen  101. 

Samenruhe  73. 
saprogene  Bakterien  29,  98. 
saprophile  Bakterien  47,  98. 

Saprophyten  46. 

— obligate  47. 

Sarcina  18.  32,  112. 

— aurantiaca  18. 

— lutea  18,  134. 

— ventriculi  135. 

Sarkodinen,  pathogene  39. 

Sauerstoff  und  alkoholische  Gärung  127. 

— und  Bakterien  59,  60. 

— und  Fäulnis  97. 

— , Nachweis  durch  Bakterien  59. 
Sauerstoffentziehungstheorie  128. 

Scharlach  149. 

Scheidenbildung  10. 

Schimmelhefen  107. 

Schimmelpilze  41,  42. 

Schizomyceten  37. 

Schizophyceen  37. 


Schizoi)hyten  37. 

Scbleimgärung  118,  119. 

Schorf  der  Kartoffel  132. 
Schraubenbakterien  2. 

Schutzimpfung  159. 

Schwärmbewegung  14. 

Schwefel  in  Bakterien  13. 
Schwefelbakterien  63—66. 
Scliwefelwasserstoff,  Bildung  durch  Bakt. 
97,  103. 

— und  Schwefelbakterien  63,  64. 
Schwerkraft,  Wirkung  auf  Bakterien  70. 
Schwimmbewegung  14,  16. 

Sclerothrix  Kochii  145. 

Selbstentzündung  gärender  Massen  60. 
Selbstreinigung  der  Flüsse,  Bedeutung  des 
Lichtes  69. 

Septikämie  139,  141. 

Serumreaktion  auf  Choleravibrionen  158. 
Serumtherapie,  Gi'undlage  156. 

Soorpilz  39. 

Spaltalgen  37. 

Spalthefe  106. 

Spaltpllanzen  37. 

Spaltpilze  37. 

Spaltungsgärungen  108. 

Species,  physiologische  Merkmale  29. 
Speciesbegriff  23,  29. 

— bei  Hefen  124. 

Sphaerotilus  34. 

Spirillaceae  33. 

Spirillum  2,  33. 

— desulfuricans  103. 

— rubrum  12. 

— sputigenum  134. 

— undula  2,  7,  8,  15,  98. 

Spirochaete  2,  33. 

— dentium  133. 

— Obermaieri  2. 

Sporen  der  Bakterien  19 — 22  (Entwicklung 
und  Keimung). 

— der  Hefen  123,  124. 

— pathogener  Bakt.  21. 

— rudimentäre  27. 

— Ursachen  der  Sporenbildung  22. 
Sporenhaut,  Permeabilität  21,  73,  81. 
Sporenruhe  74. 

Sporentötimg  durch  Gifte  80,  81. 

— durch  Hitze  72,  73. 

Sporozoen  40. 

Sprosshefe  106. 

Sprossmycel  122. 

Sprosspilze  121,  125. 

— pathogene  39. 

Sprossung  121,  125. 

Sprossverbände  122. 

Sputum  80,  136,  145. 

Stäbchenform  2. 

Staphylococcus,  Grösse  4. 

— Wuchsform  24. 

— pyogenus  albus  141. 

aureus  141. 

citreus  141. 

steuotherme  Bakterien  71. 
stereoisomere  Verbindungen  111. 
Sterilisation  72,  73,  78. 


185 


Sterilisation,  fraktionierte  71. 

Stichknltnr  57. 

Stickstoff  des  Ammoniaks,  Kreislauf  100, 101. 

— atmosphärischer,  Assimilation  durch 
Kiiöllchenhakterien  88,  80. 

— — durch  Bodenhakterien  03,  04. 

durch  Alg'en  und  Pilze  04. 

— freier,  hei  Fäulnis  07. 

— des  Harns,  Kreislauf  100. 

— oro-anisch  gebundener,  Kreislauf  07, 100. 
Stickstoffbedlirfnis,  Einteilung  der  Bak- 
terien nach  — 53. 

Stickstoffgehalt,  Lupine,  Weizen  86. 
Stickstoffnahrung  52,  53. 

Stickstoffquellen  in  der  Natur  85. 
Stickstoff'sammler  86. 

Stickstoff'zehrer  86. 

StoffAvechselprodukte  der  Bakterien  zur 
Impfung  150. 

Strahlenpilz  41. 

Streptococcus  32. 

— pyogenes  141,  18. 

Streptothrix  41. 

— Actinomyces  41. 

Streptotricheen  40. 

Strichkultur  57. 

Sublimat,  Giftigkeit  81,  82,  83. 
Sumpfgasgärung  118. 

Symbiose  00. 

— bei  Flechten  01. 

— Leguminosenknollcheu  02. 

Systematik  der  Bakterien  30. 

System,  Stellung  der  Bakterien  im  System 
der  Organismen  38. 

— Uebersicht  32. 

Tabakgärung  110. 

Technische  Gärungen  118. 

Temperatur  des  Bakterienleibes  70. 

— Kardinalpunkte  70. 

— Maximum  70. 

— Minimum  70, 

— Optimum  70. 

— Tötung  72,  73. 

Tetanusbazillen  143. 

Tetanustoxin  143,  151,  152. 

Teilung  der  Bakterienzelle  16 — 18. 

— der  Hefezelle  121. 
thermogene  Bakterien  29,  60. 
thermophile  Bakterien  71. 

Theorie  der  Alexine  154. 

— der  Antitoxine  157. 

— der  Gärung  127,  128. 

— der  Immunität  159. 

— der  Infektionskrankheiten  151. 

— der  Phagocytose  153. 

Thiobakterien  63. 

Thiopedia  64. 

Thiothrix  63,  34. 

Tierexperiment,  Bedeutung  133.  139,  140, 
147,  154. 

Tötung  der  Bakt.  durch  Chemikalien  78—  84. 

— Druck  70. 

— Elektrizität  69. 

— Licht  69. 

— Temperatur  70. 


Tötung,  Wassermangel  73. 

— der  S})oren,  siehe  Sporen. 

Tollwut  159. 

Tollwutimpfung  150. 

Toxalhumine  152. 
toxicide  Eigenschaften  154. 

Toxine  07,  151. 

Traultensäure,  optische  Spaltung  111. 
Trichobactei'iaceae,  Familie  34. 
Trichobakterien  3,  30. 

Trichobacterinae,  Ordnung  34. 

Trichomonas  vaginalis  und  intestinalis  39. 
Trichophyton  tonsurans  4L 
Ti’ockenheit  und  Bakterien  73. 
Trophotropismus  75. 

Tuberculomyces  145. 

Tuberkelbacillus  144. 

— Infektionsquellen  138. 

— Involution  26. 

— Parasitismus  47,  137. 

— Temperaturgrenzen  70,  71. 

— Tötung  mit  Chemikalien  80. 

mit  Wassermangel  74. 

Tuberkulin  152. 

— TO  u.  TB  152. 

— Impfung  159. 

Tuberkulose  145. 

Turgor  5. 

Typhus  146. 

Typhushazillen  146. 

— Bau  7. 

— Differeiitialdiagnose  gegen  Koloubacillus 

54,  146. 

— Geissein  15. 

— Lichtwirkung  auf  69. 

— Plasmolyse  8. 

— Stickstoffbedarf  53. 

— Vegetationsruhe  74. 

Tyrothrix  114. 

Tyrotoxin  97. 

üeberempffndlichkeit  immunisierter  Tiere 
156. 

Umzüchtung  von  Bakterien  20. 

Ultrarote  Strahlen,  Absorption  durch  Pur- 
purbakterien 66. 

Urase  128,  172. 

Urobacillus  172. 

Urzeugung  48. 

Vakuolen  4,  6. 

Variabilität  23. 

Vegetationskörper  2. 

— Formbeständigkeit  25. 

Vegetationsruhe  73,  74. 

Verbreitung  der  Bakterien  in  der  Natur 
43. 

Vererbung  der  Immunität  156. 

— der  Tuberkulose  145. 

Vergiftung  durch  Bakterien  97,  151,  154 
bis  159. 

Vermehrung  16. 

Vermoderung  98. 

Verwandtschaft,  System,  der  Bakterien 
35-38. 

Verwesung  98. 


— 186  — 


Yerzweig-ung-,  falsche  — eclite  8. 

Yibrio  2,  33. 

— albeiisis  ßl. 

— beroliiieiisis  149. 

— biiccalis  133. 

— ,cbolerae  147  (.siebe  Cboleravibrioiien). 

— daiml)icu.s  149. 

— nigula  118. 

Yibrioii  ])utyrique  107,  116. 

Yibrioiiia  1. 

Yiruleiiz  151. 

— Abscbwäcbniig  27. 

Yirus  iiianiiium  151. 

W ärmebiblung  durcli  Bakterien  60. 
Wauderzellen  153. 

Wasser,  Bakterien  gebalt  44. 

— Brnnnen-  und  Flnsswasser  45. 

— destiliertes  44. 

— Regenwasser  44. 

AYasserbakterien  45, 

Wassergehalt  50. 

Wassermangel  73. 

Wasservibrionen,  cboleraäbnlicbe  147,  149. 
Weber’sches  Gesetz  des  Reizes  77. 
Weinbefe,  Rassen  124. 

Weinveredelnng  durch  reine  Hefen  124. 
Wuchs  auf  verscbiedenen  Substraten  56. 


Wucbsformen  3,  18. 

Wiicbsformen  auf  verscbiedenen  Substraten/ 
56. 

^^bmden,  Desinfektion  84. 

Wunden  als  Tnvasionsstellen  138,  139. 
Wundstarrkraini)f  143. 

Wurzelknöllcben  der  Leguminosen  86. 

— Bau  87. 

— Deutung  91. 

— Entwicklung  91,  92. 

— Infektionsschlaucb  92. 

— Stickstoffassimilation  88,  89. 

— Symbiose  90. 

Zähne  und  Bakterien  133,  134. 

Zelle  der  Bakterien  4. 

Zellinhalt  4—9,  13. 

Zellen,  sporenfreie,  Tötung  durch  Chemi- 
kalien 80. 

— — Temperatur  72. 

Zellkern  7. 

Zellteilung  16. 

Zoogloea  3. 

Zucker,  gärungsfäbige  126. 

Zuckerfal3riken,  Froscblaichpilz  119. 
Zymase  172. 
zy mögen  29. 


Lippert  ACo.  (G.  Pätz’scbe  Bucbdr.),  Naumburg  a/S. 


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